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MIETENDECKEL Die Lompscher-Linke. Irre oder gerissen? Veröffentlicht am 31.08.2019 | Lesedauer: 12 Minuten Von Don Alphonso Quelle: Don Alphonso Die Absprache hat es in sich: Eine Regelung zur Mietenabsenkung wird zum Lebensrisiko fü grüne Wohlhabende in den Innenbezirken. Vielleicht ist es nicht durchdacht oder die Lin hat den Grünen eine Falle gestellt. Gehen Sie bitte nie von böser Absicht aus, wenn es auch einfache Inkompetenz sein kann , sagte Frank Schirrmacher öfters, wenn etwas bei der FAZ nicht funktionierte, aber ziemlich oft war es dann doch ein Hinterhalt: Manche schreiben die nettesten, freundlichsten Beiträge der Welt und verhalten sich, wenn es um persönliche Vorteile geht, so mies, wie es eben nur sein kann. Als höflichster Mensch der Welt bin ich da zum Glück moralisch haushoch überlegen: Ich gehöre zu den Gewinnern der Klassengesellschaft, ich denke gar nicht daran, freundliche Artikel über eine angebliche Gerechtigkeit zu schreiben, die mich infrage stellen würde. Mir ist dieses Falsche und Verlogene weltenfern, und daher glaube ich zuerst einmal tatsächlich oft an reine Inkompetenz, wenn etwas daneben geht. So war das auch gestern, als sich das Bündnis aus SED, früherer Teilpartei der SED und deren grüne Don Alphonso: Die Lompscher-Linke. Irre oder gerissen? - WELT https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/plus199483590/Do... 1 von 8 10.09.2019, 20:43

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MIETENDECKEL

Die Lompscher-Linke. Irre oder gerissen?

Veröffentlicht am 31.08.2019| Lesedauer: 12 Minuten

Von Don Alphonso

Quelle: Don Alphonso

Die Absprache hat es in sich: Eine Regelung zur Mietenabsenkung wird zum Lebensrisiko für

grüne Wohlhabende in den Innenbezirken. Vielleicht ist es nicht durchdacht – oder die Linke

hat den Grünen eine Falle gestellt.

Gehen Sie bitte nie von böser Absicht aus, wenn es auch einfache Inkompetenz sein

kann , sagte Frank Schirrmacher öfters, wenn etwas bei der FAZ nicht funktionierte, aber

ziemlich oft war es dann doch ein Hinterhalt: Manche schreiben die nettesten, freundlichsten

Beiträge der Welt und verhalten sich, wenn es um persönliche Vorteile geht, so mies, wie es

eben nur sein kann. Als höflichster Mensch der Welt bin ich da zum Glück moralisch

haushoch überlegen: Ich gehöre zu den Gewinnern der Klassengesellschaft, ich denke gar

nicht daran, freundliche Artikel über eine angebliche Gerechtigkeit zu schreiben, die mich

infrage stellen würde. Mir ist dieses Falsche und Verlogene weltenfern, und daher glaube ich

zuerst einmal tatsächlich oft an reine Inkompetenz, wenn etwas daneben geht. So war das

auch gestern, als sich das Bündnis aus SED, früherer Teilpartei der SED und deren grüne

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Ergänzung in Berlin auf einen Mietendeckel einigten.

In dessen Konzept ist eine Regelung, bei der ich zuerst den Eindruck hatte, da hätten die

Beteiligten einfach nicht nachgedacht. Oder besser gesagt, sie hätten nur an notleidende

Mieter gedacht, und nicht an die Reaktionen der Vermieter. Nach dieser Regelung können

sich Mieter an das Bezirksamt wenden, wenn die Miete bei mehr als 30 Prozent ihres

verfügbaren Einkommens liegt. Das Bezirksamt greift dann in den bestehenden Mietvertrag

ein und senkt die Miete auf berlinweit einheitliche, von Ausstattung und Alter der Wohnung

abhängige Preise. Das klingt in der Theorie erst einmal nach einer simplen, realsozialistischen

Lösung, mit der der Staat dem Mieter hilft, seine Privatinteressen gegen den Vermieter

durchzusetzen. Sollte der Vermieter dadurch in eine existenzbedrohende Lage kommen,

könnte er wiederum an die Stadt ein Hilfegesuch stellen. Ich habe die Tweets der vom

Müllhaufen der Geschichte gekrochenen SED-Kader gelesen: Ich glaube einfach nicht, dass

Bezirksämter unter solchen Herrschern bereitwillig jenen, die als Miethaie diffamiert werden,

schnell und bereitwillig helfen, vielleicht sogar mit staatlichen Zuschüssen. Meines Erachtens

sind das die Anträge, bei denen man sich alle Zeit der Welt lässt, einen dauerkranken

Sachbearbeiter ohne Deutsch- und Jurakenntnisse dran setzt, der einem allenfalls den

Klageweg offen lässt und den auch erst dann, wenn man schon pleite gegangen ist oder

aufgegeben hat. Aber das nur am Rande.

Der eigentlich interessante Punkt ist, dass es überhaupt die Möglichkeit zur Absenkung gibt.

Als Vermieter muss ich keine Sekunde nachdenken, wie ich auf diese Option reagieren würde:

Ich würde mir bei Neuvermietung Leute heraussuchen, bei denen ich bombensicher davon

ausgehen kann, dass sie ausreichend und sicher Geld bekommen. Berlinbesucher, die nur fünf

Tage im Monat da sind. Beamte. Reiche Rentner. Ärzte. Anwälte. Festangestellte

Zensurverwaltungsschergen des deutschen Zwangsgebührensystems. Die Creme der

nationalen Meinungslenkungsindustrie aus Stiftungen und Lobbyvereinen. Studenten, deren

Eltern zahlen können. Betont Konservative, bei denen ich davon ausgehen kann, dass sie

nicht nach sechs Monaten die Gründung eines Batikladens ausprobieren. Und es würde mir

auch überhaupt nichts ausmachen, wenn ich ein, zwei Monate auf den besten Mieter warten

muss: Zwei Monatsmieten sind, wenn das Verhältnis fünf Jahre dauert, drei Prozent

Einnahmeverluste. Wenn dagegen ein Mieter die Miete von 12 auf sechs Euro pro

Quadratmeter drücken kann, verliere ich die Hälfte. Es wird also einen Kampf um Mieter mit

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höchster Bonität und geringem Berufsrisiko geben, die zuverlässig zahlen können.

Auf der Strecke bleiben da die meisten Leute, die ich in Berlin kennengelernt habe, und die

alle zum grünen Dunstkreis gehören. Nicht alle sind arm, aber fast alle hatten schwankende,

verfügbare Einkommen. Ein gut verdienender Coder bekam irgendwann eine Künstlerin als

Freundin und dazu noch ein Kind eines anderen Mannes, der nicht zahlte: Da geht es dahin,

das verfügbare Haushaltseinkommen. Etliche Leute sind immer wieder auf unbezahlten

Rechnungen sitzen geblieben, weil es höchst erfindungsreiche Ausreden der Auftraggeber

gab, oder sie gingen einfach pleite. Die Gründer von Sobooks hatten fantastische

Bewertungen ihrer Firma im Kopf und scheiterten komplett. Es gibt Autoren, die Analysen

schreiben, die gar nicht gefragt wurden, und Werber, die tönten, sie würden alle reich

machen: Die von ihnen abhängigen Blogger kamen dadurch nie auf einen finanziell grünen

Zweig. Da sind die Bücherschreiber, die sich zwischen den eher kargen Vorschüssen irgendwie

durchschlagen. Es gibt freie Mitarbeiter des RBB, die Zwangspausen einlegen müssen, es gibt

gescheiterte Plattformen, und es gibt Zusammenschlüsse von Startups, bei denen schnell mal

ein paar hundert Leute ihre Arbeit verlieren: Jeden einzelnen von denen will man auf keinen

Fall als Mieter haben, wenn dessen verfügbares Einkommen schwankt, und er problemlos in

der Wohnung bleiben kann, weil man als Vermieter selbst draufzahlt.

Es gibt Härtefälle wie Alleinerziehende, die schnell von Kündigung bedroht sind. Manche

Berufe sind jahreszeitenabhängig, speziell in der Tourismusbranche. Es gibt Glückssucher, die

mit einem Arbeitsvertrag anreisen, und den bald wieder verlieren. Dazu kommen noch Leute,

die in den sog. Freiräumen der Stadt wenig verdienen, was offiziell in Erscheinung treten

würde, und weitaus mehr, das einfach eingestrichen wird: Jeder Drogendealer im Görli kann

erzählen, wie das geht. Es gibt Leute, die einfach Pech und ein schlechtes Schicksal haben.

Und andere, die unter solchen Voraussetzungen ihren Steuerberater beauftragen, mit

Verlusten und Zweckgesellschaften so zu hantieren, dass ihr Einkommen erst mal angenehm

niedrig ist – dazu sind die Gestaltungsmöglichkeiten schließlich da. Als Vermieter muss man

mit dem leben, was Bezirksämter glauben, und die Zahl derer, die diesen Ämtern über den

Weg trauen oder sie gar für kompetent halten, ist aus guten Gründen überschaubar. Die

inkompetenteste Verwaltung nördlich von Mogadischu soll nach Willen von Bündnis SED/Die

Grünen erkennen, ob Mieter für den eigenen Vorteil tricksen, und das effektiv dauerhaft

überprüfen.

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Das ganze erinnert an Trumps Versprechen, eine Mauer zu Mexiko zu bauen und die

Mexikaner zahlen zu lassen, und so ein privater, risikoreicher Trump der Mietensenkung

kann nun jeder sein. Was mir bei der Sache nicht in den Kopf ging, ist die ungleiche

Risikoverteilung. Große Vermieter haben das passende Personal, um Mieter zu überprüfen.

Sie haben Juristen und den langen Atem, solche Fälle juristisch anzugehen. Den

Kleinvermieter dagegen kostet jedes Gespräch mit einem Anwalt Geld, er muss den ganzen

Ärger selbst ausbaden, er muss sich mit dem Amt herumschlagen, und ist als Einzelkämpfer

im juristischen Neuland in einer denkbar schlechten Position. Er muss tatsächlich zum

gewissenlosen Miethai werden, um den besten Mieter zu bekommen, und Miethai bleiben,

wenn er an sein Geld kommen will – und das alles vor dem Hintergrund, dass Einzelkämpfer

nur begrenzte Mittel und Nerven bei der typischen Nebenerwerbsvermietung haben. Es ist

ungerecht. Versteht da in Berlin niemand, was man den Betroffenen antut, dachte ich mir,

und stieg aufs Rad. Auf dem Rad ist mir dann eingefallen, als ich durch unser eigenes, den

Grünen zugetanes Weißkittelviertel radelte: Vielleicht ist es auch Absicht der Linken, um den

Grünen gezielt zu schaden. Denn im Weißkittelviertel beim Krankenhaus und Golfplatz leben

die anderen Grünen. Nicht die armen Grünen, die vor dem Späti mit dem Bier in der Hand

von einer Welt ohne Grenzen träumen. Sondern die Grünen, die vehement für

Windenergieanlagen sind, weil sie darin investiert haben, und nach der Solarkrise, an der sie

auch beteiligt waren, nicht schon wieder halbsauer erarbeitete Krankenkassenhonorare

verlieren möchten. Sie wurden früher grün, weil sie dem liberalen Großbürgertum

angehörten, sie wurden in den letzten Jahrzehnten reicher, und sie blieben grün, weil es heute

den Anschein verleiht, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen. Tesla-Grüne.

Energieeinspeisungsgrüne. Sanfte Tourismusgrüne.

Das ist eine andere Klasse, und die Kinder dieser Klasse sind oft genug nach Berlin

ausgeflogen. Das sind auch jene Kinder, die mit der Miete immer etwas gefremdelt haben,

weil sie das gar nicht kannten, und frühzeitig in der Gentrifizierung in den angesagten

Vierteln kauften. Bergmannstraßengrüne. Kollwitzplatzgrüne. Grüne, die nicht mehr „Berlin,

du kannst so schön hässlich sein“ von Peter Fox auf dessen 2008er Platte „Stadtaffe“ hörten,

sondern vom gleichen Tonträger „Haus am See“, mit all den schönen Versprechungen eines

langen, guten Lebens. 2008 begannen die goldenen Zeiten, die Immobilien waren noch leicht

verfügbar, sehr billig, die Kreditzinsen sanken während der Eurokrise auf Rekordniveau, und

aus dem früher angesagten LSD-Viertel und der Kastanienallee wurden neubürgerliche

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Bestlagen für jene, die sich sagten, oder denen von den Eltern gesagt wurde: Warum nicht

kaufen, wenn man ohnehin mittelfristig bleibt. Jeder konnte damals sehen, wie die Mieten

anzogen, jeder mit der Erfahrung reicher Eltern im Hintergrund wusste: Das ist jetzt der

Moment, da man sich umorientieren und etwas beständiger werden muss. Berlin machte es

der neuen, reichen, grünen Generation leicht: Es gibt dank der dort lebenden Kaste sichere

Einkommen aus Zwangsabgaben, und sie mussten keine Häuser bauen, wie ihre Eltern: Sie

mussten nur mal eben zum Notar und die Wohnung kaufen. Nur 15 Prozent der Berliner

wohnen in der eigenen Immobilie, aber die meisten Kinder vermögender, westdeutscher

Eltern, die ich so kenne, tun das auch: Nicht umsonst gab es in den letzten Jahren immer

wieder Kampagnen, diese Berliner Creme mit höheren Erbschaftssteuern abzuschöpfen.

Am Ende der Straße liegt ein Haus am See (https://www.youtube.com

/watch?v=gMqIuAJ92tM), sang Peter Fox 2008, und für diese liberalen Luxusgrünen ist es

seit zwei, drei Jahren so weit: Die Stadt ist langweilig, die Zinsen sind immer noch niedrig,

und unter der normalen Marktwirtschaft wäre man dumm, wenn man das weiter niedrige

Zinsniveau nicht nutzen würde. Der Klassiker ist der kreditfinanzierte Kauf einer Immobilie

in Brandenburg, die etwas restauriert werden muss, und unter den bisherigen Bedingungen

liegen die Zinsen weit unter dem, was eine zu aktuellen Marktpreisen vermietete

Eigentumswohnung in Berlin einbringt. Gleichzeitig war diese Wohnung auch eine ideale

Sicherheit mit Garantie, dass ihr Wert steigen würde, egal ob man an einen See oder mal für

ein paar Jahre nach Brüssel oder New York ging. In einem Markt mit steigenden Preisen

machen Immobilien nicht unflexibel. Sie erlauben Freiheiten, die man sonst nicht hätte, wie

etwa den Wohnungstausch ohne finanzielle Einbußen: Man mietet woanders das, was man

selbst vermieten kann. Und genau dieses Modell ist nun für private Kleinvermieter vorbei.

Denn der Mieter ist jetzt, finanziell betrachtet, ein hohes Sicherheitsrisiko, und zwar speziell

in jenen teuren Vierteln, in denen die Grünen Traumergebnisse einfahren. Beispielsweise bei

der Kreditvergabe: Gut vermietete Wohnungen kann man leicht mit Hypotheken belasten.

Wohnungen, in denen das mietende Paar glaubt, ökologisches Blockflötenschnitzen sei in

Gretazeiten die richtige Selbstverwirklichung anstelle des Webdesigns, sind dagegen mit der

Neuregelung Kostenfallen, bis das Blockflötengeschäft neue Erträge hereinspült. Nach

schlimmer trifft es jene, die auf Kredit noch eine Zweitwohnung für die Altersversorgung

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gekauft haben: Bei denen wird die Bank vermutlich eine Neubewertung vornehmen, wie das

nun mal üblich ist, wenn Mietmärkte absacken. Da kommen dann Nachschusspflichten auf

die Kreditnehmer zu und Risikoaufschläge bei den Zinsen. Ein Großkonzern kann so etwas

abfedern. Käufer von 2008 können im Notfall verkaufen und die bisherigen Gewinne

steuerfrei einstreichen. Aber die Spätkäufer von 2017 und 2018, die ihre Finanzierung auf

Kante genäht haben, werden das unternehmerische Risiko zu tragen haben, wie schon all die

AfA-Ost-Investoren der 90er-Jahre, denen man blühende Landschaften versprochen hatte.

Damals konnte man noch Steuern sparen, heute dagegen kann eine Neubewertung lediglich

richtig teuer werden. Und dabei bleibt es sicher nicht: Banken bewerten nicht nur einzelne

Wohnungen, sondern gleich ganze Märkte

Und je länger ich durch meine schöne, bayerische Heimat geradelt bin, desto

wahrscheinlicher erschien es mir, dass die Linke gar nicht so dumm und ignorant ist, dieses

Problem zu verkennen. Dieses Problem trifft im Osten der Stadt Westgentrifizierer, sei es als

Käufer, die keine guten Mieter finden, sei es als Mieter, die wegen ihrer Lebenslauflücken und

Unbeständigkeit keine Wohnung mehr finden werden. Die Absenkungsmöglichkeit der Miete

sät Zwietracht zwischen zwei grüne Kernwählergruppen in Berlin. Die reichen Luxusgrünen

mit Bioreiterhofurlaub in der Provence sitzen in Wohnungen, die schlagartig keine Freiheit

mehr garantieren, und Risiken mit sich bringen, weil eine Abwertung droht.

Die armen Durchwurschtelgrünen werden als Mieter extrem unattraktiv und werden aus den

schicken Bezirken verdrängt, weil bei ihnen die Risiken der Mietminderung und die im

Zweifelsfall verlorenen Summen in guten Lagen am höchsten sind. Der Konflikt zwischen

denen, die rechtzeitig gekauft haben, und jenen, die 100 Prozent Erbschaftssteuer,

Vermögenssteuer und Enteignung fordern, schwelt schon länger. Jetzt werfen die

Vulgärsozialisten eine Ladung Schlagringe in den bislang mit Worten ausgetragenen Konflikt,

und beide Seiten werden und müssen, wenn sie jeweils ihre Privilegien behalten wollen, ganz

hart zuschlagen. Ich gehöre zu jenen Vermietern, die sagen: Mir ist ein zufriedener Mieter,

der nicht den Maximalpreis zahlt, lieber als eine Nervensäge, die sich ausgebeutet fühlt und

überlegt, wie sie mir für die Miete ein Maximum an Ärger verschaffen kann. Das ist ein

System, von dem beide Seiten etwas haben, denn ich mache dann auch dem Mieter keinen

Ärger. Die Absenkungsmöglichkeit durch ein Bezirksamt, das über meine Finanzen

entscheidet, ändert das fundamental.

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Of course you realize: This. means. War. (https://www.youtube.com

/watch?v=aR1WKu4SLkg) Der Markt wird nicht außer Kraft gesetzt, seine Regeln verändern

sich nur, und solange mir die Freiheit bleibt, den Mieter zu nehmen, der mir behagt, werde

ich meine Regeln auch nachschärfen. Das ist in Bayern mit seinen relativ sicheren

Tarifarbeitsplätzen deutlich leichter als in Berlin. Dort sollten grüne Eigentümer lieber

schnell die Risiken berechnen, bevor neue Grausamkeiten im Kleingedruckten ihre Lage noch

mal verschlechtern. Und diejenigen, die denken, Leben sei nur im S-Bahn-Ring möglich,

werden sich bei unklaren Einkünften neu orientieren müssen. Wie sich das alles entwickelt,

wenn das R2G-Regime in Berlin nun auch noch die Macht in Brandenburg übernimmt, muss

man sehen: Ich wage aber die Vorhersage, dass man dort ähnliche Konzepte ausarbeiten wird.

Zufrieden wird keine Wählergruppe der Grünen sein können, und das sind gute Nachrichten

für die Linke von Frau Lompscher. Denn wenn auch dieser Deckel nichts ändern wird, wird

man speziell auf jene reichen Grünen in den teuren Lagen hinweisen, die auf handgemähte

Golfplätze Wert legen, aber nicht auf jenen sozialen Ausgleich, gegen den sie sich aus

nachvollziehbaren Gründen mit Händen und Füßen wehren werden.

Die großen, anonymen Gesellschaften kommen schon irgendwie durch. Aber die

zugewanderten Vermögensgrünen am Kollwitzplatz geben ein ideales Feindbild ab, wenn sie

sich jetzt aktiv gegen die sog. Gerechtigkeit wehren. Sie haben recht, man darf auf der linken

Seite nicht Trotzkis Fehler wiederholen, der Stalin sträflich unterschätzt hat, und nicht

Ulbrichts Taktiken, die gegen Honecker nicht fruchteten. Der rote Totalitarismus hat immer

gekämpft, bis nur eine Linie übrig blieb. Es geht schon längst nicht mehr um die Höhe von

Mieten, sondern um die Frage, ob überhaupt Geld mit Wohnungen verdient werden darf. Die

grüne Schicht der Neukäufer und Preisprofiteure ist nun mal vor Ort, um an ihnen ein

Exempel zu statuieren, und ihre eigene Partei hat sie gerade mit dem Mietendeckel verraten.

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