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Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik 1. Forschung I Mechanische Verfahrenstechnik disperser Feststoffe Eine moderne Forschungsphilosophie in der Mechanischen Verfahrenstechnik geht von einer unmittelbaren Verknüpfung der Apparate-, Maschinen- und Anlagentechnik mit den modernen Methoden der Stoffwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie) unter zunehmender Einbeziehung der Systemtechnik aus. Im Forschungsschwerpunkt Partikeltechnologie wird der energiesparenden, ökologisch verträglichen, ökonomisch effizienten Erzeugung physikalischer Produkteigenschaften besondere Beachtung geschenkt. In den Untersuchungsgegenstand werden zunehmend die Eigenschaften von ultrafeinen Partikelsystemen einbezogen, deren charakteristischen Partikelgrößen d < 10 µm und noch weiter unten im Nanobereich liegen können. Die Herstellung von Nanopartikeln gilt heute als ein neuer, schnell wachsender Technologiebereich mit heute noch nicht übersehbaren Einsatzmöglichkeiten. Lacke und Farben, Pigmente in der Papier- und Druckindustrie, verschiedene keramische Materialien, pharmazeutische und kosmetische Produkte werden durch Reaktionen in Flammen oder Kristallisation hergestellt. Nanopartikel werden auch für magnetische Speichermedien, hochfesten Keramiken, in Halbleitern der Computerindustrie, in der Medizin und in der Biotechnologie benötigt. Besonders interessant ist die Anwendung von Nanopartikeln zur Entwicklung neuer, hochfester Kompositwerkstoffe für die Flugzeug- und Raumfahrtindustrie. Herstellung von Nanopartikeln durch Kristallisation und Fällung Vor zehn Jahren wurde begonnen, Nanopartikel durch gesteuerte Kristallisation/Fällung in wässriger Umgebung im Labormaßstab zu erzeugen. Diese mittlerweile erfolgreichen Versuche sollen genutzt werden, um Partikel mit speziell gewünschten, physikalischen Anwendungseigenschaften herzustellen (Partikelformulierung). Allerdings lassen sich mit diesen Sol-Gel-Prozessen wegen niedriger Prozessgeschwindigkeiten derzeit nur geringe Produktmengen erzielen. Diese verfahrenstechnisch anspruchsvolle Problematik ist zukünftig Gegenstand weitergehender Untersuchungen.

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Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik

1. Forschung

I Mechanische Verfahrenstechnik disperser Feststoffe Eine moderne Forschungsphilosophie in der Mechanischen Verfahrenstechnik geht von einer unmittelbaren Verknüpfung der Apparate-, Maschinen- und Anlagentechnik mit den modernen Methoden der Stoffwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie) unter zunehmender Einbeziehung der Systemtechnik aus. Im Forschungsschwerpunkt Partikeltechnologie wird der energiesparenden, ökologisch verträglichen, ökonomisch effizienten Erzeugung physikalischer Produkteigenschaften besondere Beachtung geschenkt. In den Untersuchungsgegenstand werden zunehmend die Eigenschaften von ultrafeinen Partikelsystemen einbezogen, deren charakteristischen Partikelgrößen d < 10 µm und noch weiter unten im Nanobereich liegen können. Die Herstellung von Nanopartikeln gilt heute als ein neuer, schnell wachsender Technologiebereich mit heute noch nicht übersehbaren Einsatzmöglichkeiten. Lacke und Farben, Pigmente in der Papier- und Druckindustrie, verschiedene keramische Materialien, pharmazeutische und kosmetische Produkte werden durch Reaktionen in Flammen oder Kristallisation hergestellt. Nanopartikel werden auch für magnetische Speichermedien, hochfesten Keramiken, in Halbleitern der Computerindustrie, in der Medizin und in der Biotechnologie benötigt. Besonders interessant ist die Anwendung von Nanopartikeln zur Entwicklung neuer, hochfester Kompositwerkstoffe für die Flugzeug- und Raumfahrtindustrie. Herstellung von Nanopartikeln durch Kristallisation und Fällung Vor zehn Jahren wurde begonnen, Nanopartikel durch gesteuerte Kristallisation/Fällung in wässriger Umgebung im Labormaßstab zu erzeugen. Diese mittlerweile erfolgreichen Versuche sollen genutzt werden, um Partikel mit speziell gewünschten, physikalischen Anwendungseigenschaften herzustellen (Partikelformulierung). Allerdings lassen sich mit diesen Sol-Gel-Prozessen wegen niedriger Prozessgeschwindigkeiten derzeit nur geringe Produktmengen erzielen. Diese verfahrenstechnisch anspruchsvolle Problematik ist zukünftig Gegenstand weitergehender Untersuchungen.

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Bild 1: Nanoskalige Partikelsysteme aus Titan (IV)-oxid (a) und SiO2 (b, c), durch Sol-Gel-Prozeß hergestellt

Das nanoskalige Titan (VI)-oxid wurde durch einen Sol-Gel-Fällungsprozess hergestellt, bei dem der Ausgangsstoff Tetra-isopropyl-orthotitanat in einer salpetersauren, wässrigen Lösung umgesetzt wurde (Bild 1). Die entstandenen Fällungsprodukte wurden nachfolgend mechanisch und chemisch redispergiert. Optimale Reaktionsbedingungen für den Deagglomerationsprozess liefern Partikel in der Größenordnung von 10 - 30 nm. Zur Charakterisierung des Agglomerations- und Redispergierungsprozesses wurde die zeitliche Veränderung der Partikelgrößenverteilungen im Mikro- und Nanometerbereich mit Hilfe der Photonenkorrelationsspektroskopie und Laserbeugung erfasst. Die theoretische Beschreibung der Desintegration erfolgte mit Hilfe von Populationsbilanzgleichungen auf Grundlage reversibler Agglomerationsprozesse polydisperser Partikelsysteme, einschließlich der Berücksichtigung der Redispergierung durch chemische Stabilisierungsmittel in einem konvektionskontrollierten Prozess. Simulationen zur Beschreibung der Partikelgrößenverteilungen bei der Desintegration von Titan(IV)-oxid wurden durchgeführt Bild 2. Die kinetischen Geschwindigkeitskonstanten für Agglomeration und Redispergierung sowie die Gleichgewichtskonstante für den stationären Zustand des Prozesses wurden aus experimentellen Partikelgrößen-verteilungsdichten nach geeigneten Modellvorstellungen für die Partikelstrukturen in der Suspension berechnet. Die Partikelwechselwirkung hat infolge der elektrostatischen Abstoßung der Nanopartikel einen entscheidenden Einfluss auf das Agglomerationsverhalten.

a b c

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Bild 2: (a) Modell der Agglomeration und (b) Redispergierungsprozess des Titan(IV)- Redispergierung oxides Die Synthese nanoskaliger, monodisperser Partikelsysteme aus SiO2 -(Stöber-Partikel) ist im Labormaßstab nahezu problemlos möglich. Der Einfluss einer Reihe von Prozessparametern (Temperatur, Übersättigung, Katalysatormenge, Art des Lösungsmittels, Rührgeschwindigkeit und Rührdauer und Dosiergeschwindigkeit) auf das Wachstumsverhalten der Partikel wurde untersucht.

Bild 3: Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahmen monodisperser SiO2-Partikel nach Stöber, Agglomeratstruktur (links), Einzelpartikel 1,07 μm (rechts) Bei dem in einem Sol-Gel-Prozess erzeugten SiO2 handelt es sich um kugelförmige Partikel, die mit enger Partikelgrößenverteilung, die durch die gezielte Wahl der Prozessparameter und durch Keimpartikel-Wachstumsmethoden zwischen 50 nm und 2,0 μm herstellbar sind Bild 3. Die Partikel können aufgrund ihrer Kugelform sehr gut als Modellsubstanz verwendet werden und haben eine Reihe von praktischen Anwendungen. Ziel des Projektes ist es, auf der Basis von Keimbildungs- und Wachstumsprozessen die Partikelbildung zu beschreiben und zu modellieren und so eine allgemeine Verfahrenskonzeption für den technischen Maßstab zu entwickeln.

Agglomeration

Redispergierung

Agglomerate Primärpartikel C4

C1

k14

k11

b13

Modellierung mit Hilfe von Populationsbilanzen

0 10 20 30 40 50 60 70 800

20

40

60

80

100

Redispergierungszeit

6 Stunden 7 Stunden 8 Stunden 9 Stunden 10 Stunden

Aggl

omer

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d) in

%

Agglomeratdurchmesser d in nm

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Durch gezielte Variation der Versuchsparameter bei Fällungsprozessen, wie z.B. des Dosiermengenstroms bei einer diskontinuierlichen Fällung, können zwar nanoskalige Partikelsysteme aus Bariumsulfat hergestellt werden. Oft kommt es jedoch zu einer unerwünschten Agglomeration der entstehenden Primärpartikel nach der Fällung infolge der interpartikulären Wechselwirkungen. Zur Untersuchung der Agglomerations- und Deagglomerationsvorgänge bei polydispersen Stoffsystemen wird im Rahmen des Projektes zur „Integrierten Fällung in homogenen Phasen mittels mechano-chemischer Desintegration von polydispersen Stoffsystemen“ die Fällung in homogener Phase mit der Feinstzerkleinerung durch Mahlung am Beispiel von Bariumsulfat kombiniert Bild 4. Darauf aufbauend soll ein hocheffektiver Prozess zur Herstellung nanoskaliger Partikelsysteme in flüssiger Phase entwickelt werden.

Bild 4: Partikelgrößenverteilungen bei einem diskontinuierlichen Fällungsprozess von Bariumsulfat

Das Ziel des Forschungsprojektes zur Modifizierung und Charakterisierung dünner Schichten aus nach dem Sol-Gel-Prozess hergestelltem Titan(IV)-oxid in der Anwendung für photokatalytische Materialien ist es, durch eine geeignete physiko-chemische Modifizierungsmethoden die photokatalytische Aktivität der auf TiO2 basierenden dünnen Schichten zu verbessern. Als physikalische Modifizierungsmethoden dienten die Bestrahlung mittels eines Excimer-Lasers sowie die chemische Dotierung. Die modifizierten Schichten besitzen eine hohe spezifische Oberfläche und ein Absorptionsvermögen im Bereich des sichtbaren Lichtes. In beiden Fälle wurde eine wesentliche Erhöhung des Abbauvermögens der Modellsubstanz Methylenblau im Vergleich zu unmodifizierten Schichten erreicht. Die photokatalytische Aktivität nimmt um den Faktor 2 bis 2,5 im Vergleich zu den unmodifizierten dünne Schichten zu Bild 5.

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Bild 5: Photokatalytisch aktive Schichten aus Titan(IV)-oxid: unbestrahlt (links) und nach der Bestrahlung mittels eines Excimer-Lasers mit Energiedichte von 240 mJ/cm2 (rechts) Charakterisierung von Nanopartikelsystemen Um den Prozesserfolg der genannten Produktentwicklungen charakterisieren zu können, wurden unsere bisherigen guten Möglichkeiten der Granulometrie und Porosimetrie wesentlich erweitert. Dafür stehen zur Verfügung: Laserbeugungsgerät (Bild 6), Laserstreulichtgeräte, kombiniertes Laserbeugungs- und -streulichtgerät, Ultraschallspektrometer, Gasadsorptions-(BET-)-Gerät, Zeta-Potential-Meßgeräte, Quecksilberporosimeter, Gassorptionsgerät, Permeabilitätstestgerät, Helium-Pyknometer.

Bild 6: Funktionsaufbau eines Photonenkorrelationsspektrometers (a) und eines kombinierten Laserbeugungs- und Lichtstreugerätes (b) zur Partikelgrößencharakterisierung im Nano- und Mikrometerbereich Herstellung ultafeiner bis submikroner Partikel durch intensive Feinstmahlung Durch intensive Feinstmahlung können vergleichsweise preiswert und energiesparend Nanopartikel hergestellt werden. Dafür wurde ein leistungsfähiger Ringspalt-Rührreaktor entwickelt, der die Vorteile eines gleichmäßiger Scherprofiles innerhalb des Scherspaltes mit einer hohen Beanspruchungsintensität (Umfangsgeschwindigkeit vv < 50 m/s) verbindet Bild 7. Diese Mahlprodukte lassen sich in vielen Anwendungsbereichen einsetzen, wo kugelförmige Partikel mit engen Größenverteilungen nicht so zwingend notwendig sind. Um die Herstellung von Nanopartikeln zu optimieren, wurden online Methoden zur Messung von Partikelgrößen- und Verweilzeitverteilungen entwickelt. Dafür wird die Änderung der optischen Eigenschaften von Nanopartikeln (Mechanolumineszenz) genutzt.

Laser

Detektoren

Rückstreuung Weitwinkelstreuung Vorwärtsstreuung

Fourierlinse Probenkammer

Laser Optik Probe

Photomultiplier Korrelator

Optische Einheit

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Bild 7: Ringspaltreaktor mit integrierter Leistungseintragsmessung zur Fällung und Dispergierung von Nanopartikeln

Multiskalige Modellierungs- und Simulationsmethoden der Partikel- und Pulvermechanik Mit den Simulationsmethoden in der theoretischen Physik (Molekulardynamik MD) und Mechanik (Diskrete-Elemente-Methode DEM, Finite-Elemente-Methode FEM, computergestützte Fluiddynamik CFD, Mehrkörpersysteme MKS) stehen heute numerische Werkzeuge zur Verfügung, die immer mehr Anwendung in der Mechanischen Verfahrenstechnik finden (Bild 8).

Bild 8: Multiskalige Simulationsmethoden der I. Kontinuumsmechanik (Finite-Elemente-Methode FEM), II. Mikromechanik (Diskrete-Elemente-Methode DEM, Mehrkörperdynamik) und III. Molekulardynamik (MD).

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Zwischen der mikroskopischen Betrachtungsweise des Partikelkontakts in Form der atomaren und molekularen Grenzflächen auf der einen Seite, siehe im Bild 8 die III. Ebene, und der Beschreibung von technischen Prozessen auf der anderen Seite, sind die sog. makroskopischen Methoden und Modelle angesiedelt. Diese mechanischen Kontinua werden mittels Tensorgleichungen mit den räumlich verteilten Spannungen, Verzerrungen und Verzerrungsgeschwindigkeiten σij, εij, vij beschrieben, siehe im Bild 8 die I. Ebene. Auf der kleineren II. Ebene im Bild werden die Wechselwirkungen innerhalb der jeweiligen Volumenelemente betrachtet. Hier befinden sich die Partikel mit hoher Wahrscheinlichkeit im Kontakt bzw. es werden bei der Deformation/Stoffwandlung neue Kontakte erzeugt oder aufgelöst. Die physikalischen Kontaktmodelle oder mikroskopischen Stoffgesetze (Ursache-Wirkung-Antwort-Beziehungen) stellen die mechanischen Grundlagen dar und lassen sich in ihrer Gesamtheit als Mikromechanik subsummieren. Die zeitliche Kinetik und lokale Dynamik physikalisch-chemischer Stoffwandlungen (z.B. Kristallisation, chemische Reaktionen, Sintern) innerhalb der nanoskaligen Partikelkontaktzone werden als Mikroprozesse bezeichnet. Eine große Herausforderung in der zukünftigen wissenschaftlichen Entwicklung der Mechanischen Verfahrenstechnik wird darin bestehen, methodisch die Wechselwirkungen zwischen den

• physikalischen Grundvorgängen (atomare/molekulare Skalen: d < 1 nm), • Partikelwechselwirkungen und Mikroprozessen (Partikelskalen: d < 100 µm), • Partikelsysteme (Agglomerate, Aggregate, Granulate, Partikelschichten) und

den • Kontinua auf der Makroebene (Apparateskalen: D < 1 m)

zusammen als Einheit zu betrachten und zu untersuchen. Modellierung des Kontaktverhaltens feiner adhäsiver Partikel In der Partikeltechnik (z.B. Lebensmitteltechnik, chemische- und pharmazeutische Industrie und Werkstofftechnik) werden aufgrund energiesparender Erzeugung gezielter physikalisch-chemischer Eigenschaften Partikelgrößen kleiner als 100 µm produziert. Mit abnehmender Größe von Partikeln steigt deren volumenbezogene spezifische Oberfläche und damit auch die Häufigkeit und Intensität ihrer Wechselwirkungen. Die damit verbundene verringerte Kontaktsteifigkeit stellt eine Ursache für zunehmende Adhäsion dar, die auf der Van-der-Waals-Anziehung im unmittelbaren Kontakt beruht. Ziel des Projektes ist es, bei der Anwendung einer äußeren Beanspruchung die prozessbestimmende Intensivierung der Adhäsion, d.h. die Verknüpfung der inelastischen Kontaktverformung mit der verstärkenden Wirkung der Van-der-Waals-Kräfte innerhalb der Kontaktzone feiner Partikel, herauszuarbeiten. Mit Hilfe des Modells „steife Partikel mit weichen Kontakten“ wird die elastisch-plastische Repulsion bei Normalbelastung eines glatten Kugelkontaktes modelliert. Für diese Art der Kompression werden neue Normalkraft-Weg-Funktionen für Belastung, Entlastung, Wiederbelastung und Kontaktablösung hergeleitet. Aus den Belastungs- und Entlastungsfunktionen kann

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ein neues Haftkraft-Normalkraft-Modell gewonnen werden, das die momentane zeitinvariante Haftkraftverstärkung Bild 9 beschreibt. Mit der resultierenden lastabhängigen Haftkraft werden die mikromechanischen Modelle für das elastische und reibungsbehaftete Gleiten, Rollen und Verdrehen (Torsion) deutlich erweitert (Bild 9). Außerdem wird eine geschwindigkeitsabhängige viskose Verformung des Kontaktes für diese Art der Beanspruchung eingeführt und anhand numerischer Rechnungen bewertet. Im Anschluss werden die erstellten Kontaktmodelle mittels Rasterkraftmikroskopie (AFM) überprüft, kalibriert und beurteilt. Bild 9: a) Modell, Steife Partikel mit weichen b) Normalkraft-Weg-Beziehung für einen Konstanten Partikelkontakt

Serviceprojekt zur Herstellung, Funktionalisierung und Charakterisierung von Referenzpartikelkollektiven Das Ziel des Projektes ist (I) die Herstellung von ausgewählten Partikelsystemen als Referenzpartikelkollektive, (II) die Oberflächenmodifizierung und Funktionalisierung dieser Partikel und (II) die physikalisch-chemische Charakterisierung der granulometrischen und mechanischen Eigenschaften der Partikel und Partikelkollektive. Es erfolgt eine Fokussierung auf preiswerte, engverteilte kugelförmige Partikel mit bequem bestimmbaren granulometrischen Daten, siehe Bild 10, die typisch für bestimmte mikromechanische Verhaltensmuster sind, wie auf (a) vergleichsweise steife (amorphe) Glaspartikel, deren Haft- und Kontakteigenschaften sich einfach durch Silanisierung chemisch modifizieren lassen, (b) Titan(IV)-oxid-Partikel, die sehr stark haften und agglomerieren aufgrund ihrer großen Hamaker-Konstante, ihres weichen Kontaktverhaltens verbunden mit einer großen Kontaktabplattung und ihres großen Haftkraftanstieges unter Einwirkung einer verfestigenden Normalkraft und (c) monodisperse organische Latexpartikel mit bekannten Hafteigenschaften, die für ein weiches mechanisches Partikelverhalten mit unbekanntem Reibungsverhalten stehen. Beispielhaft sollen dafür folgende Partikelkollektive (a) nicht modifizierte bzw. modifizierte Glaspartikel (Bild 11a und b), (b) monodisperse, poröse (agglomerierte) bzw. nichtporöse (nicht agglomerierte) TiO2-Partikel und (c) Polystyrol-Partikel mit einem Durchmesser von 50 nm und 5 µm hergestellt werden. Die Herausforderung

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OH

OH

OH

OHO

O

O

O

Glaspartikel(ca. 72% SiO2)

Glaspartikel(ca. 72% SiO2)

+ R1-Si(R2)3

- HR1

Si

Si

Si

Si

R2

R2

R2R2

R2

R2

R2

R2

R2

R2

R2 R2

des Projektes liegt einerseits in der Herstellung von sehr eng verteilten (monodispersen) kugelförmigen Referenzpartikeln geringer Menge (ca. 10 g) mit einer sehr glatten Oberfläche u.a. zur physikalischen Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften (z. B. Messung der Haftkräfte mittels Atomkraftmikroskopie AFM), andererseits in der Herstellung größerer Mengen (> 1 kg) möglichst eng verteilter Partikelsysteme aus einer Grundgesamtheit, die repräsentativ zum technischen Produkt sind.

Bild 10: Partikelsysteme aus Titan (IV)-oxid (a), Glas (b) und Polystyrol (c)

Bild 11: a) Prozess der Hydrophobierung der Glaspartikel b) FTIR-Spektrum der mit Methylgruppen hydrophobierten Glaspartikeloberfläche

Die Radio- und die Lichtwellenemission während der Kontaktdeformation und während des Partikelbruches Das Ziel des Projektes besteht darin, die Radio- und Lichtimpulse, welche während der Kontaktbeanspruchung von Partikeln entstehen, zu erfassen und diese bei der Beschreibung der Mikromechanik des Partikelkontaktverhaltens anzuwenden. Die Mikromechanik ist in einer Beziehung zu erfassen, welche die Ursache (Kraft, Energieeintrag), Wirkung (Spannungen, Mikrorisse, Mikrobrüche) und Antwort (Licht- und Radiowellenemission) beinhaltet. Dabei sollen die entstehenden Radio- und Lichtwellen zu den wesentlichen Mikroprozessen an der Kontakt- und Bruchoberfläche der Partikel zugeordnet werden. Die entstehenden Spannungen, Mikrorisse und Mikrobrüche in den Partikeln können während der Kontaktkompression mit einer erhöhten zeitlichen Auflösung verfolgt und

a b c

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dargestellt werden. Für diese Kontaktkompression werden die Kraft-Weg-Kurven der Belastung, Entlastung, Wiederbelastung und Kontaktablösung zeitsynchron mit den Radiowellen und der Lichtstrahlung erfasst und analysiert, Bild 12. Die Kinetik der Mikroprozesse, welche durch die Radiowellen und Lichtemission bei der inelastischen Kontaktverformung erfasst werden, wird durch numerische Rechnungen überprüft. Diese numerischen Rechnungen werden mit Verwendung des Kontaktmodells „steife Partikel mit weichen Kontakten“, welche vom Kooperationspartner entwickelt wurde, durchgeführt. Dabei lassen sich die Mess- und Modellierungsergebnisse gegenseitig ergänzen und bewerten. Die Korrelation zwischen dem Verlauf der Lichtimpulse und den Mikroprozessen in der Partikelschicht wurde untersucht und bewertet. Die Erfassung der Mikroprozesse mit Hilfe der Lichtemission nur für optisch transparente Partikelschichten anwendbar. In diesem Zusammenhang besteht ein großer Bedarf darin, die Anwendungsbereiche der entwickelten Methode auf dicke Partikelschichten und optisch nicht transparente Partikel zu erweitern. Im Unterschied zu den Lichtimpulsen lassen sich die Radioimpulse durch optisch nicht transparente Partikelschichten durchleiten und können so zur Ermittlung der Mikroprozesse in dickeren Partikelschichten verwendet werden. Die entstehende Lichtemission ist als Referenzsignal mit einer hohen Zeitauflösung zu betrachten. Radiowellenimpulse werden zeitsynchron mit Lichtemission gemessen. Dabei werden den Radiowellenimpulsen wesentliche Mikroprozesse zugeordnet, die bei der Kontaktdeformation in der Partikelschicht entstehen. Aufgrund dieser Untersuchungen wird eine neue zeitlich hochauflösende, experimentelle Methode zur Ermittlung der Mikroprozesse während der Kontaktdeformation in Partikelkollektiven entwickelt, die einen wichtigen kooperativen Beitrag im Schwerpunktprogramm 1486 „Partikel im Kontakt – Mikromechanik, Mikroprozessdynamik und Partikelkollektive“ leisten wird.

Bild 12: Die Radiowellen und Lichtemission während des Bruchs von Partikeln

F

-+-

+-+

Licht Radiowellen

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Die Untersuchung der mechanischen Eigenschaften von Getreidekörnern und Kornschichten Die meisten verfahrenstechnischen Prozesse in der getreideverarbeitenden Industrie sind mit der Verarbeitung disperser Partikelsysteme und ihrer elastisch-plastischen, viskosen und reibungsdominierten Eigenschaften der Körner und Haufwerke verbunden. Die detaillierte Untersuchung ihrer mechanischen Eigenschaften erlaubt es, tiefer in die Physik der verfahrenstechnischen Mikroprozesse und -vorgänge zu schauen. Diese mikromechanischen Eigenschaften sollen künftig sowohl für die Simulationen der Dynamik makroskopischer verfahrenstechnischer Prozesse als auch für die Auslegung der zugehörigen Apparate und Maschinen verwendet werden. Das Ziel des Projekts ist die Untersuchung mechanischer Eigenschaften von Getreidekörnern und die Messungen des Kraft-Weg-Verhaltens von Weizenkörnern. Bei diesen Messungen wird jeweils ein einzelnes Weizenkorn bis zum Bruch beansprucht und die Kraft-Weg-Kurve ermittelt, Bild 13. Bei diesen Druckversuchen wird der Einfluss der Lage der Körner auf ihre Festigkeit berücksichtigt. Die Größe der Bruchkraft, des Bruchenergiewerts, des E-Moduls, der Fließgrenze, des plastischen Fließdrucks und der Bruchspannung wird mittels dieser Kraft-Weg-Kurven bestimmt.

Bild 13: a) Schematische Darstellung der b) Drucktestgerät der Fa. „Etewe“ Druckversuche

Fließverhalten flüssigkeitsgesättigter, stark verdichteter, hochdisperser Partikelsysteme Es wurde eine neuartige Messapparatur zur Untersuchung der Dynamik der Druckentwässerung von feinstkörnigen, mechanisch schwer entwässerbaren, hochdispersen Partikelsystemen entwickelt und gebaut, Bild 14. Für die Teilprozesse Druckfiltration der Suspension und Kuchenkonsolidierung wurde ein dynamisches Prozessmodell aufgestellt und numerisch gelöst. Neben der Bestimmung des Einflusses der Prozessparameter (Pressdruck, Scherkräfte, Schergeschwindigkeiten) auf den Prozesserfolg der Pressfiltration ist es erstmals möglich, die Festigkeit und

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Rheologie der entstandenen hochverdichteten, flüssigkeitsgesättigten Partikelpackung unmittelbar nach Prozessende in-situ, d.h. direkt im Prozessraum auszumessen. Zunehmend gelingt es, Gesetzte und Modelle molekularer Wechselwirkungen an den Phasengrenzfläche solid-liquid-solid (elektrische Doppelschichten) mit denen der Partikelkontaktmechanik und der Kontinuumsmechanik der Partikelpackung zu verknüpfen.

Bild 14: Preßscherzelle zur Messung des Fließverhaltens stark verdichteter, hochdisperser Partikelpackungen

Mikro-Makro-Bruchverhalten von Granulaten bei der Stoßbeanspruchung Das Bruchverhalten wurde der Granulate mittels einer pneumatischen Prallapparatur untersucht, die einen geraden Stoß einzelner Granulatkörner gegen eine Stahlwand mit Prallgeschwindigkeiten im Bereich von 15 bis 55 m/s realisiert. Als Versuchsgüter wurden drei industrielle Granulate: γ-Al2O3, Zeolith 13X und Natriumbenzoat C6H5CO2Na ausgewählt, um das Materialverhalten von elastisch bis plastisch zu variieren. Die ermittelte Bruchwahrscheinlichkeit der Granulate wurde mit der modifizierten Weibull-Verteilung beschrieben (Bild 15). Die Bruchphänomene hängen sowohl vom Materialverhalten als auch von der Granulatstruktur ab. Die Hochgeschwindigkeitsvideoaufnahmen des Stoßes haben eine große plastische Deformation, die Bildung von Feingut- und Restkegeln und den Verlauf der sekundären Risse beim Stoß der Granulate gezeigt. Aus der REM-Analyse wird deutlich, dass die Bruchverläufe auf der Mikroebene für γ-Al2O3 und Natriumbenzoat transpartikulär und für Zeolith interpartikulär (analog zu inter- und transkristallinen Brüchen bei Metallen) sind.

Bild 15: Bruchwahrscheinlichkeit der Granulate bei der Stoßbeanspruchung in Abhängigkeit von der massenbezogenen Stoßenergie.

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

0 0,5 1 1,5Massenbezogene Stoßenergie Wm in J/g

Bru

chw

ahrs

chei

nlic

hkei

t P.

Zeolith(1,0-1,7 mm)γ-Al2O3

(1,6 -1,9 mm)Natriumbenzoat(1,0-1,7 mm) Natriumbenzoat(0,7-1,2 mm)

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Anwendung der Mechanolumineszenz für die Messung von Partikelgrößen und der Häufigkeitsverteilung der Beanspruchungsereignisse Die Beanspruchung von feinen Quarzpartikeln in der Rührwerksmühle wurde mittels der Analyse von Mechanolumineszenz-Impulses untersucht. Die Lichtimpulse entstehen während der mechanischen Beanspruchung von Partikeln zwischen den Mahlkörpern. Die Zeitauflösung der Meßmethode beträgt 50 ns. Mit Hilfe dieser entwickelten Meßmethode lassen sich Prozessen in drei unterschiedlichen Zeitspannen beobachten (Bild 16a): 1) Beanspruchung einzelner Partikel (Zeitspanne ca. 0,4 µs), 2) Relaxation der Partikel nach der Beanspruchung (Zeitspanne ca. 40 µs), 3) unkorrelierte Beanspruchung der Partikel im Mahlraum (Zeitspanne ca. 1 s). Die Anzahl der Impulse während der Beanspruchung einzelner Partikel sinkt mit der Zerkleinerungszeit bzw. mit der Partikelgröße. Mit der Zerkleinerungszeit ändert sich auch das Zeitverhalten während der Beanspruchung der Partikel. Diese Änderung kann durch das Entstehen von schwachen Aggregaten erklärt werden (Bild 16b). Die Partikel werden immer „weicher“ mit der Zerkleinerungszeit. Die Relaxationszeit der Partikel ist aus diesem Grund reduziert. Eine weitere Ursache für die Verringerung der Relaxationszeit ist die Reduzierung der Partikelgrößen. Es wird angenommen, dass bei der unkorrelierten Beanspruchung der Partikel die Anzahl der Impulse proportional zur Zahl Beanspruchungsereignisse ist. Durch die Analyse der Folge von ML-Impulsen lässt sich die Häufigkeitsverteilung der Beanspruchungsereignisse bestimmen.

Bild 16: a) Beanspruchung einzelner Partikel b) Beanspruchung von zerkleinerten Partikeln II Verfahrenstechnik komplexer Stoffkreisläufe (Werk- und Wertstoffrecycling) In diesem sowohl national als auch international sich besonders entwickelnden Forschungsschwerpunkt wird Wert auf die Einheit der Betrachtung von physikalischen Grundvorgängen, Mikro- und Makroprozessen, deren Verschaltung zu Verfahren und Anlagen bis hin zu umfassenden Stoffkreisläufen hoher Elementzahl und struktureller Vielfalt gelegt.

Anz

ahl d

er Im

p. n

0 0.5 1 1.50

2000

4000

6000

8000

Aufzeichnungszeit t in µs

Zerkleinerungszeit 1 min

Beanspruchung von

groben spröden Partikeln

Anz

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2000

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Aufzeichnungszeit t in µs

Zerkleinerungszeit 1 min

Beanspruchung von

groben spröden Partikeln

0 0.5 1 1.5

1500

2500

3500

Beanspruchung von feinen

plastischen Partikeln

Zerkleinerungszeit 21 min

Aufzeichnungszeit t in µs

Beanspruchung von

Aggregaten

0 0.5 1 1.5

1500

2500

3500

Beanspruchung von feinen

plastischen Partikeln

Beanspruchung von feinen

plastischen Partikeln

Zerkleinerungszeit 21 min

Aufzeichnungszeit t in µs

Beanspruchung von

Aggregaten

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Kryogene Aufschlusszerkleinerung von nachwachsenden biologischen Rohstoffen zur Gewinnung von Wertstoffen Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines neuen und energetisch vorteilhaften Zerkleinerungsprozesses für den schonenden mechanischen Wertstoffaufschluss. Es wurde herausgefunden, dass sich die Aufschlusszerkleinerung der heimischen Pflanzen im gefrorenen Zustand in einer Walzenmühle optimal durchführen lässt. Damit bleiben die gewünschten Wirkstoffe im Zellverband unverändert. Dann werden die zerkleinerten Partikel zusammengepresst, um so Preßlinge mit enger Größenverteilung ohne innere Gasporen zu gewinnen. Dadurch kann der nachfolgende Trocknungsaufwand der Gefriertrocknung gesenkt werden. Nach einer entsprechenden Maßstabübertragung der Prozesskette ist eine technische Anlage mit erforderlichen Apparaten und Ausrüstungen zu konzipieren.