Leibniz-Journal 2/2012
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Seelabor: Klimaforschung unter WasserTeuer und
Herkules-aufgabeWie schaffen wir die Energiewende?
Leibniz-StipendiatInder nimmt Gersten-Gene aufs Korn
Leibniz-Journal
2/2012
UnsereWirtschaftsweisen
Die Köpfe hinter denKonjunkturprognosen
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
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„Ach, das ifo-Institut und das DIW gehören auch zu Euch?!“ Solche Sätze des Erstaunens höre ich im-mer wieder, auch wenn es um die sechs (!) führenden deutschen Wirtschafts-forschungsinstitute in der Leibniz-Gemeinschaft geht, die in diesem Heft vor-gestellt werden. Und es stimmt ja: Wer die Leibniz-
Gemeinschaft noch nicht kennt, ist oft verblüfft zu erfahren, welche Institute, welche Einrichtungen bei Leibniz für die-se singuläre thematische Vielfalt sorgen – ganz im Sinne Gottfried Wilhelm Leib-niz‘, dessen Namen wir tragen, und der selbst Jurist, Historiker, Mathematiker, Philosoph und, und, und war - eben Uni-versalgelehrter. Seine Tätigkeiten als Bib-liothekar und Berater gekrönter Häupter kamen hinzu.
Und so kommt in der Leibniz-Gemein-schaft beispielsweise das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei dazu, das mit einem spektakulären Labor im Stechlinsee die Folgen der Klimaver-änderung erforscht. | Seiten 28/29
Auch mit Wasser, nämlich mit der Zeit-messung auf See, hat eine Ausstellung im Deutschen Schiffahrtsmuseum Bre-merhaven zu tun: 160 Ausstellungsstü-cke rings um Ästhetik und Funktionalität des Chronometers. Gleich daneben eine Übersicht über aktuelle Sonderausstel-lungen in den Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft. | Seiten 30/31
Das Leibniz-Journal wird mit dieser Ausgabe erstmals auch – für 3 Euro – an Bahnhofs- und Flughafenkiosken zu erwerben sein: ein Service für alle, die nicht regelmäßig in unseren Instituten, Bibliotheken oder Museen vorbei kom-men. Und ein Service für Menschen, die – wie einst Leibniz selbst – Reisen und Erkenntnisgewinn zu verbinden wissen.
Bleiben Sie neugierig!
Christian Walther
Liebe Leserin, lieber Leser,
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L e i b n i z | i n T R O InhaltKURZ & FORSCH 4
PeRSPeKTIven
Rolf J. Langhammer: Again, it’s the economy, stupid ....8
Karl Ulrich Mayer: Leibniz steckt Positionen ab ...........9
TITeLTHeMA
Unsere Wirtschaftsweisen ................................... 10
Gert G. Wagner: Politikberatung soll keine Politik machen ................................................ 16
Hans-Werner Sinn: Keine weitere Sozialisierung europäischer Schulden ...................................... 17
energiewende: Die Herkulesaufgabe ...................... 18
Leibniz-Karte: Die Wirtschaftsforschungsinstitute ...... 20
Gesundheitsökonomie: Teure Gesundheit ................ 22
interview: „Osten ökonomisch nicht abgehängt“ ........ 24
SPeKTRUM
Wissenschafts-Apps für die Wirtschaft .................... 25
Gersten-Gene auf dem Korn ................................ 26
Das Seelabor ................................................... 28
MUSeen
Aktuelle Sonderausstellungen .............................. 30
zeit auf See ................................................... 31
LeIBnIZ LIFe 32
brief aus brüssel .............................................. 32
Verlosung ...................................................... 33
LeIBnIZ LeKTüRe 34
LeIBnIZ LeUTe 36
IMPReSSUM 38
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Weiterführende Links können Sie mit einem
Smartphone und einer App für QR-Codes
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Schwein hat SchweinNoch vor kurzem waren sie vom Aussterben bedroht, nun entwickeln sich die ungari-schen Mangalitza-Schweine zu einem Geheimtipp für Gourmets. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Schweinerasse in weiten Teilen Osteuropas ein ge-fragter Lieferant für Fleisch und Speck. Besonderes Merk-mal ihres Fleisches: sein besonderer Geschmack und der hohe Fettanteil. Letzterer wurde den Schweinen jedoch beinahe zum Verhängnis. Die veränderten Ess-gewohnheiten der Menschen und die steigende Nachfra-ge nach fettarmen Rassen führten neben ihrer gerin-gen Fruchtbarkeit dazu, dass Mitte der 90er Jahre nur noch wenige Hundert der Schweine existier-ten. Ihr Überleben verdanken die Tiere den Forschern des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie. In enger Zusammen-arbeit mit unga-rischen Kollegen klärten sie die Ursa-chen für die geringe Fruchtbarkeit der Tiere. Der Mangalit-za-Bestand konnte so auf 60.000 Tiere gesteigert werden.
Siegerentwurf für neubau gekürtDas Deutsche Insti-tut für Internatio-nale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main soll ein neues Institutsgebäude auf dem Cam-pus Westend der Goethe-Universität bekommen. Den er-sten Preis des dafür ausgeschriebenen Architektenwet-tbewerbs gewann das Freiburger Büro K9 Architekten, das
sich gegen 20 Ar-chitekturbüros aus ganz Deutschland durchsetzte. Sein Entwurf sieht für den geplanten Neu-bau 13 Stockwerke mit rund 7.400 Quadratmetern vor, die Platz für Büro-, Konferenz- und Laborräume sowie eine Bibliothek bieten. 2016 könnte das Gebäude fertig-gestellt werden.
Schützende MutationenDem Hamburger Bernhard-Nocht- Institut, der Uni-versität von Kumasi in Ghana und den Universitätskliniken Lübeck und Kiel ist die erste genomwei-te Suche nach Mu-tationen gelungen, die vor tödlichen Verläufen der Malaria schützen. Dazu untersuchten Forscher 1.325 lebensbedrohlich an Malaria erkrankte und 828 gesunde ghanaische Kinder. Je Kind analysier-
Illustre Namen haben Wissen-
schaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturfor-
schung zwei ihrer neuesten
Entdeckungen gegeben: Eine Ameisen-Sack-spinne wurde auf den Namen Loriots getauft,
eine fossile Specht-art nach dem früheren südafrika-nischen Präsidenten Nelson Man-dela benannt. Bei der nur 2 Millimeter großen Otactilia loriot handelt es sich – anders als bei der von Loriot gezeichneten Steinlaus – um ein real existierendes Lebewesen.
Es gehört zu einer von sieben Spinnenarten, die der Arach-nologe Peter Jäger auf einer Ex-pedition in Asien aufspürte. Als Australopicus nelsonmandelai wird künftig eine fossile Specht-art bezeichnet. Die Knochen des Vogels wurden im südafrikani-schen Langebaanweg gefunden und sind über fünf Millionen Jahre alt. So entdeckten die Frankfurter Forscher mit fran-zösischen Kollegen den frühes-ten Nachweis für die Existenz von Spechten auf dem afrikani-schen Kontinent – und bereite-ten Nelson Mandela ein wissen-schaftliches Geschenk zum 94. Geburtstag.Journal of Vertebrate Paleonto-logy 32(4):926-938. DOI: 10.1080/02724634.2012.664597; Beiträge Araneologie 7: 251–271.
Schulempfehlung ohne ethnische Diskriminierung
Herkunft werden sie mindestens genauso häufig für das Gymna-sium empfohlen. Die Ergebnisse basieren auf der TIMSS-Über-gangsstudie 2007, im Zuge de-rer bundesweit Eltern, Kinder und Lehrkräfte vor dem Wech-sel in die Sekundarstufe befragt und Kompetenztests mit den Kindern durchgeführt wurden. Forschungsbedarf besteht nun hinsichtlich der mangelnden Transparenz von Beurteilungs-kriterien bei der Vergabe der Gymnasialempfehlungen.
WZBrief Bildung 21, Mai 2012
Migrantenkinder sind keiner ethnischen Diskriminierung bei der Ausstellung einer Gymna-sialempfehlung ausgesetzt. Das zeigt eine Studie des Wissen-schaftszentrums Berlin für So-zialforschung.Schüler mit Migrationshinter-grund be kommen zwar seltener eine Empfehlung für das Gym-nasium als ihre deutschstäm-migen Schulkameraden, Grund dafür ist jedoch ein oft niedrige-rer sozialer Status und ihre ge-ringere schulische Kompetenz. Bei vergleichbarem Leistungs-niveau und ähnlicher sozialer
DOI = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet
Kleine Tiere, große Namen
Sein Vorfahr trägt jetzt einen großen Namen:Australopicus
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ein jahrhunder-tealtes Rätsel um die parasitischen
Fächerflügler ist gelöst: Die Insekten-gruppe steht in enger Verwandtschaft zu Käfern. Das haben Wissenschaftler des zentrums für molekulare biodiversitäts-forschung am zoologischen Forschungs-
museum Alexander Koenig und der Uni-versität Münster mit DnA-Analysen
nachgewiesen. Fast 200 Jahre lang war die Forschung uneins, welcher
übergeordneten Gruppe der insekten die Fächerflügler zugeordnet werden
können: Käfern oder Fliegen? „insekten aus dem All“ wurden sie daher genannt. Klarheit brachte nun die Analyse des erb-guts einer neu entdeckten Fächerflügler-Art. erstmals wurde eine vollständige beschreibung eines neu entdeckten Fä-cherflüglers präsentiert. Neben einer Ge-nom-Analyse beinhalt sie die Darstellung seiner morphologischen Merkmale. Die Insektengruppe der Fächerflügler umfasst über 500 Arten. Mindestens einen Teil ih-res Lebens verbringen die Tiere als Parasi-ten im Körper anderer insekten.Current Biology (14. Juni 2012). DOI:10.1016/j.cub.2012.05.018.
Insekten aus dem AllLeibniz biODiVeRSiTäT
ten sie nahezu eine Millionen Mutatio-nen. Diese vertei-len sich über das gesamte Genom, erfassen also praktisch alle Gene des Menschen. Bei zwei Genen stießen die Forscher auf bislang unbekannte Unterschiede zwi-schen kranken und gesunden Kindern. Eines davon steuert die Kalzium-Kon-zentration in roten Blutkörperchen, den Zellen, in denen sich Malariaparasi-ten vermehren. Das andere unterstützt die Abdichtung von Gefäßwänden, die bei lebensbe-drohlicher Malaria geschädigt werden. Der Genom-Suche folgen nun Tests im Labor, um die Ergebnisse für die Entwicklung neuer Malariamedika-mente nutzen zu können.Nature 15. August 2012. DOI: 10.1038/nature11334.
Ziemlich beste Helfer
Schopfmakaken reagieren schnel-ler auf Hilferufe von Artgenos-sen, mit denen sie eine enge soziale Bindung pflegen. Das haben Verhaltensforscher vom Deutschen Primatenzentrum Göttingen herausgefunden. Dazu wurden von der For-schungsgruppe „Sexuelle Selek-tion bei Primaten“ die Rufe der Makaken in der Forschungs-station Tangkoko in Indone-sien aufgezeichnet. Die For-scher zeigten den Makaken das Modell einer Pythonschlange, um die sogenannten Rekrutie-rungsrufe der Primaten aufzu-zeichnen. Die Aufnahmen wur-den dann anderen Mitgliedern der Gruppe vorgespielt. Das Er-gebnis: Kamen die Hilferufe von einem befreundeten Affen, eil-ten die Makaken diesem schnel-ler zu Hilfe, um einen Raubfeind gemeinsam zu verscheuchen als weniger vertrauten Artge-nossen. Dieses Verhalten zeigt, dass enge soziale Bindungen,
die über die unmittelbare Ver-wandtschaft hinausgehen, auch im Tierreich eine zentrale Rolle einnehmen.Proceedings of the Royal Society. DOI: 10.1098/rspb.2012.1470.
Saubere Luft von Mutter NaturDas Leibniz-Institut für Tropo-sphärenforschung hat in Koope-ration mit einem internationalen Forscherteam ein bislang unbe-kanntes Oxidationsmittel in der Atmosphäre entdeckt. Die che-mische Verbindung spielt beim Abbau von Luftschadstoffen eine ähnliche Rolle wie Hydroxylra-dikale. Neben Ozon, dem Hydro-xylradikal und dem Nitratradikal ist sie das vierte bekannte Oxi-dationsmittel. Diese säubern die Luft und erfüllen so eine wichtige Funktion für alle Lebewesen auf der Erde. Die Reaktionen der ent-deckten chemischen Verbindung sind dabei scheinbar eng mit der Anwesenheit von Alkenen bioge-nen Ursprungs verknüpft. Diese Kohlenwasserstoffverbindungen werden von Pflanzen gebildet und treten über Wäldern in erhöhter Konzentration auf. Noch ist un-klar, ob das neue Oxidationsmittel neben Schwefeldioxid auch ande-re Luftschadstoffe abbauen kann.Nature 9. August 2012, Vol. 488, 193-197. DOI: 10.1038/nature11278.
An der Kirindy-Feldstation im Westen Madagaskars erforscht das Deutsche Primaten zentrum seit 1993
Verhalten, Ökologie und Demografie der im Kirindy-Wald lebenden Lemuren.
Das Höhenobservatorium Chacal-taya in den Anden boliviens ist die höchstgelegene atmosphärische
Messstation der Welt. 5240 Meter über dem Meeresspiegel misst das Leibniz-institut für Troposphärenforschung in der mittleren Troposphäre klimarelevante eigenschaften von Aerosolpartikeln.
Die Field Research Station in Hadibu auf der zum Jemen gehörenden insel Sokotra wird vom biodiversität und
Klima Forschungszentrum der Senckenberg Gesellschaft betrieben. Sie bietet eine basis, von der aus die Korallenriffe vor der insel erforscht werden.
Die Davis-Station in der Antarktis ist wohl der südlichste Ort, an dem Leibniz dauerhaft forscht. Auf dem
68. Grad südlicher breite misst das Leibniz-institut für Atmosphärenphysik in Kooperati-on mit der Australian Antarctic Division Tem-peraturen in 20 bis 110 Kilometern Höhe.
Das Kumasi Centre for Collaborative Research in Tropical Medicine ist ein biomedizinisches Forschungszen-
trum im Regenwald Ghanas. Gemeinsam mit ghanaischen Forschern sucht das bernhard-nocht-institut für Tropenmedizin hier nach Wegen, Tropenkrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und buruli-Ulkus unter Kontrolle zu bringen.
Auf der Forschungsstation Purwo-kerto auf der indonesischen insel Java untersucht das Leibniz-zentrum
für Marine Tropenökologie unter anderem den Einfluss von Meeresverschmutzung auf das Leben der Küstenbewohner.
in seiner Außenstelle Xi’an in der gleichnamigen Hauptstadt der chinesischen Provinz Shaanxi bietet
das Römisch-Germanische zentralmuseum Restauratoren einen Raum, um archäologi-sche Funde wie Wandmalerei, Keramik und Textilien zu bearbeiten.
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Leibniz forscht weltweit – hier einige besonders entlegene Forschungsstationen
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Die Materialforscher der Leibniz-Gemeinschaft arbeiten an Tech niken zur nachhalti- geren Nutzung und Spei che- rung von Energie. Wissen- schaftler des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoff-forschung erforschen neue Mög-
Autismus-Gen charakterisiertNeue Forschungs-ergebnisse des Leibniz-Instituts für Neurobiologie könnten einmal die Grundlage einer Autismus-Therapie bilden. Bereits Mit-te der 90er Jahre entdeckten die Magdeburger das Protein „ProSAP1/Shank2“, das für eine Fehlfunktion des Gehirns verant-wortlich gemacht wird. Mutationen des Proteins wur-den auch bei Au-tisten beobachtet. Um seine Rolle bei der Entstehung von Autismus zu verste-hen, wurden nun Mäuse genetisch modifiziert. Das Protein wurde bei ihnen ausgeschal-tet. Mit sichtbaren Folgen: Tiere mit der Gen-Mutation zeigten Verhaltens-auffälligkeiten, waren hyperaktiv und wiederholten immerzu diesel-ben Handlungen. Ähnliche Symptome treten bei an Au-tismus erkrankten Menschen auf. Die Magdeburger For-scher mutmaßen, bei den Mäusen liege ein molekula-rer Reifungsdefekt der Synapsen vor. Sollte seine „Re-paratur“ gelingen, könnte dies helfen, Autisten zu thera-pieren. Nature 14. Juni 2012, DOI:10.1038/nature11015
60 Jahre Katalyse-ForschungDas Leibniz-Institut für Katalyse – LIKAT Rostock feiert sein 60-jähriges Beste-hen. „Seit 60 Jahren hat Rostock einen Spitzenplatz in der Katalyse-Forschung.
Das ist etwas Besonderes, darauf sind wir stolz“, sagte Mecklenburg-Vor-pommerns Minis-terpräsident Erwin Sellering (SPD) auf dem Festakt zum Jubiläum. Das 1952 von Rostocker Pro-fessoren gegründete Institut war die erste europäische Forschungseinrich-tung, die sich aus-schließlich der Ka-talyse widmet. Noch heute ist das LIKAT, ein An-Institut der Universität Rostock, mit rund 290 Mitar-beitern und Gästen eines der größten Katalyse-Institute Europas. Katalysato-ren sind unverzicht-bare Helfer bei der Herstellung reiner Substanzen. Das Prinzip ist der Natur abgeschaut: Bio-katalysatoren und Enzyme machen die Photosynthese und das Leben erst möglich.
Bildungsbericht 2012 Unter Federführung des Deutschen Ins-tituts für Internati-onale Pädagogische Forschung (DIPF) ist zum vierten Mal der Bericht „Bildung in Deutschland“ erschienen. Die alle zwei Jahre erschei-nende empirische Bestandsaufnahme des deutschen Bil-dungswesens wird vom Bundesminis-terium für Bildung und Forschung und der Ständigen Kon-ferenz der Kultus-minister der Länder gefördert. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der kulturellen Bildung im Lebens-lauf. Bildung in Deutschland 2012, www.bildungsbericht.de
Nicht nur bei Fischen, auch bei ihren Anglern herrscht Arten-vielfalt. Zu diesem Schluss kom-men Biologen und Psychologen des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfi-scherei und der Humboldt-Uni-versität. Sie gingen der Frage nach, war-um es Angler ans Wasser zieht und zeigten: Petrijünger unter-scheiden sich in dieser Frage deutlicher als angenommen. Frühere Untersuchungen hatten suggeriert, dass es Anglern nicht primär darum geht, Fische zu fan-gen. Stattdessen seien Entspan-nung und Erholung ihre Haupt-
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Energieversorgung der Zukunft
lichkeiten zur magnetischen Kühlung, die etwa in Kühl-schränken angewendet wer - den könnten. Ihre Erkenntnis-se bringen diese besonders energieeffiziente und umwelt-freundliche Technologie weiter voran. Ein wichtiger Beitrag zur Energiewende, denn ein großer Teil des weltweit produzierten Stroms wird zu Kühlzwecken verbraucht. Am Leibniz-Institut für Neue Materialien werden neuartige Energiespeicher ent-wickelt. Mithilfe von Doppel-schichtkondensatoren lassen sich große Mengen an Energie sekundenschnell speichern und nahezu verlustfrei jederzeit ab-rufen. Bislang gehen große Tei-le überschüssigen Stroms aus Solar- und Windanlagen unge-nutzt verloren, da ausreichende Speicherkapazitäten fehlen. Nature Materials 11 (2012), DOI: 10.1038/NMAT3334
Neue Angler-Typologie
motive. Diese These konnten die Forscher widerlegen. Ein Jahr lang ließen sie 1.200 Angler Tage-buch führen und erstellten einen Fragebogen, der ihnen Einblicke in die Anglerpsyche verschaffte. Fünf Angler-Typen identifizier-ten sie: Den naturorientierten Angler, den Trophäenjäger, den Herausforderungen-Sucher, der schwer zu fangenden Fischarten nachjagt, den sozialen Typ, der mit Freunden und Familie angelt und den Versorgungsangler.North American Journal of Fisheries Management, 31: 861-879. DOI: 10.1080/02755947.2011.629855 Fo
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Klare Struktur, attraktives Er-scheinungsbild und verbesserte Inhalte: Im Zuge der Umsetzung des neuen Corporate Designs präsentiert sich die Website der Leibniz-Gemeinschaft seit Anfang August in frischem Ge-wand. Inhaltliches Ziel war es, die Leibniz-Einrichtungen in ih-rer großen Vielfalt angemessen zu repräsentieren. Je eine Pro-filseite fasst die Arbeitsschwer-punkte jeder Einrichtung kurz zusammen.Anstelle des bisherigen „Bildes der Woche“ werden Neuigkeiten aus der Gemeinschaft ab sofort in größerem Umfang auf der Startseite gezeigt, wechselnde Aufmacherbilder sorgen für Attraktivität. Neu ist die Rubrik „Forschung“: Das wissenschaft-liche Profil der Leibniz-Gemein-schaft wird anhand der fünf Sektionen übersichtlich vorge-stellt. Der Bereich „Forschungs-schwerpunkte“ erlaubt Einbli-cke in ausgewählte Themen, zu denen jeweils mehrere Leibniz-Einrichtungen arbeiten.
Neue Leibniz-Website gestartet
Die Website wurde innerhalb von acht Monaten entwickelt. Das De-sign entstand in Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur unicom, technisch realisiert wurde sie von der Agentur Sunbeam, Berlin.
Mit dem Relaunch ist die Arbeit an der neuen Website nicht ab-geschlossen. So werden in einem nächsten Schritt Teile der Seite ins Englische übertragen.
Leibniz besser finden: Die Startseite ist nun klar strukturiert, in der Rubrik Forschung werden die fünf Sektionen übersichtlich dargestellt.
www.leibniz-gemeinschaft.de
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Rolf J. Langhammer ist seit 1997
Vize präsident des Instituts für Welt-wirtschaft an der
Universität Kiel. Der Volkswirt ist unter
anderem Experte für Internationale
Wirtschafts-beziehungen und
Entwicklungs-ökonomie.
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Angesichts der traditionellen Präferenz der amerikanischen Wähler für das Thema Ar-beitsplätze vor den Themen Geldwertstabi-lität und fiskalische Vorsorge ist es keine ge-wagte Prognose, die Entscheidung zwischen Präsident Obama und seinem Herausforderer Romney an der wirtschaftspolitischen Front zu suchen: Welches Programm erscheint dem Wähler plausibler, um eine Arbeitslo-senquote von über 8% nachhaltig zu senken?
Wie einst bei Clinton heißt es: It’s the eco-nomy, stupid. Die große Finanz- und Wirt-schaftskrise von 2008 hat viel längere und tiefere Schleifspuren in der amerikanischen Wirtschaft hinterlassen als von vielen erwar-tet wurde. Weder Konjunkturprogramme noch eine massive geldpolitische Lockerung haben die Zwickmühle verhindern können, in der sich die USA im Spätsommer 2012 be-findet: Da gibt es einerseits eine schwächeln-de Weltwirtschaft, in der ein aufwertender Dollar (gegenüber dem noch stärker krän-kelnden Euro) Obamas Ziel, die amerikani-schen Exporte bis 2015 zu verdoppeln, noch unrealistischer erscheinen lässt als bereits zuvor, und in der billigere amerikanische Einfuhren z.B. aus China weitere Job-Verlus-te in der amerikanischen Industrie bringen könnten. Da gibt es anderseits kaum noch ei-gene Möglichkeiten, Impulse zu setzen, weil die ausufernden amerikanischen Schulden (zur Abfederung der Immobilienkrise und zur Stützung der Hausbesitzer) das Land zur Jahreswende an eine „fiskalische Klippe“ ge-
trieben haben: nämlich massive Steuererhö-hungen und Ausgabenkürzungen, sofern sich die Parteien nicht auf etwas anderes einigen.
In dieser Situation setzt sich Romney klar von allen verteilungspolitisch motivierten Programmen des Amtsinhabers ab, zeigt sich skeptisch gegenüber weiteren Stimu-lierungsprogrammen jeder Art (einschließ-lich monetärer Belebungsprogramme der Fed) und spielt die alte republikanische „one size fits all“-Karte: Steuersenkungen für jedermann, um Unternehmertum und Investitionen zu stärken. Der republikani-sche Elefant ist nicht das Wappentier für feinziselierte Differenzierungen. Obama hin - gegen setzt auf die Nachfragekarte der Steu-erbegünstigung ärmerer Schichten und ver-hält sich dabei bislang ähnlich unnachgiebig wie das demokratische Wappentier, der Esel.
Beide werden an fiskalischen Konsolidierun-gen aber nicht vorbeikommen, wollen sie nicht riskieren, dass die USA ihren Schulden-pegel international wie national weiter nach oben treiben und letztlich, trotz der Rettungs-weste „Leitwährung“, von den Finanzmärkten mit Risikoaufschlägen abgestraft werden.
Von beiden ist nicht zu erwarten, dass sie dem Thema „global governance“ in Handels-, Umwelt- und Finanzthemen große Aufmerk-samkeit widmen und die USA zur internati-onalen Regeldisziplin verpflichten werden. Romney setzt aber noch stärker auf die uni-laterale Kraft der USA und unilaterale Maß-nahmen, während sich Obama wohl mehr in gemeinsame Maßnahmen zur Belebung der Weltwirtschaft einbinden lassen wird, wenn ihm dafür von den Partnern in anderen Fel-dern Entgegenkommen signalisiert wird. Beide werden dem pazifischen Raum und vor allem China mehr Aufmerksamkeit wid-men als Europa, zumal der Rat der USA zur Krisenlösung im Euroraum nicht sonderlich willkommen ist. Weder die Welt im Allgemei-nen noch Europa im Besonderen sollten von den USA nach den Wahlen Rückenwind beim Lösen weltwirtschaftlicher Herausforderun-gen erwarten. Wer stattdessen hausgemachte Probleme mit eigenen Maßnahmen angeht, hilft auch dem Partner.
rolf j. langhammer
Die USA vor den Wahlen
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Karl Ulrich Mayer ist seit 2010 Präsident der Leibniz- Gemeinschaft. Zuvor war der Soziologe Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Professor an der Yale-University in New Haven/USA.
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Schwerpunktbildung für eine zukunft durch Forschung
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Die Strategiediskussion in der Leibniz-Gemeinschaft kommt zur richtigen Zeit. Der Wissenschaftsrat befasst sich mit dem Verhältnis und den Perspektiven von Hoch-schulforschung und außeruni versitärer Forschung. Die „Allianz“ der neun deutschen Wissenschaftsorgani sationen beginnt der-zeit eine Diskussion über die Strategien ihrer Mitglieder. Und heftig wird debattiert, ob man mit einer Reform des Grundgeset-zes die universitäre Spitzenforschung nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative ver-stetigen kann. Schließlich steht die Verlän-gerung des Paktes für Forschung und Inno-vation zur Diskussion. Und immer ist eine klare Position der Leibniz-Gemeinschaft ge fordert.
Die Mitgliederversammlung hat dazu ein Positionspapier unter dem Titel „Zukunft durch Forschung“ beschlossen, das glei-chermaßen die Eigenständigkeit der derzeit 86 Mitgliedsinstitute und die Notwendig-keit einer verstärkten Schwerpunktbildung betont.
Das Papier stellt die Merkmale der Leibniz-Gemeinschaft heraus: die Verpflichtung zu herausragender Forschung und gesell-schaftlicher, ökologischer und ökonomi-scher Relevanz, die fachliche Universalität, die Verknüpfung der Geistes- und Sozial-wissenschaften mit den Natur-, Lebens- und Technikwissenschaften, die gemein-same Verantwortung des Bundes und der Länder für die Entwicklung der Institute sowie die enge Kooperation mit den Uni-versitäten.
Als Ziele wurden die Schwerpunktbildung in aktuellen Problemfeldern, die Qualitäts-steigerung durch Internationalisierung, Gleichstellung und Nachwuchsförderung, die Stärkung der Forschungsinfrastruk-turen sowie der Ausbau der engen Ver-zahnung mit den Hochschulen („Leibniz auf dem Campus“) vereinbart. Dabei wird Präsident, Präsidium und Geschäftsstelle die Aufgabe zugewiesen, die Leistungen der Einrichtungen in der Öffentlichkeit noch sichtbarer zu machen und deren Interessen effektiver zu vertreten.
Dazu ist auch ein Ausbau der Geschäfts-stelle in der Hauptstadt geplant. Die Mit-gliedsbeiträge sollen angehoben werden, um eine Aufstockung des Personals von 40 auf 54 zu ermöglichen. Damit will die Leib-niz-Gemeinschaft ihre Position im Wettbe-werb der Wissenschaftsorganisationen ver-bessern: „koordinierte Dezentralität“ heißt das Strukturprinzip. Nach der Einrichtung des Europabüros in Brüssel 2006 und dem Umzug der Geschäftsstelle von Bonn nach Berlin ist dies der dritte größere Schritt zur Stärkung der organisatorischen Hand-lungsfähigkeit. Dabei bleibt die Leibniz- Geschäftsstelle auch nach dem Ausbau die mit Abstand schlankeste ihrer Art.
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat den eingeleiteten Strategieprozess und dabei insbesondere die beabsichtigte Schwerpunktbildung durch die Leibniz-Forschungsverbünde und die Wissen-schaftsCampi begrüßt. Er betrachtet dies als einen gelungenen Ansatz, um die Stärken der Leibniz-Gemeinschaft in der vernetzten Bearbeitung gesellschaft-lich relevanter Themen und in der engen Hochschulkooperation weiter auszubauen. Packen wir es an!
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Wenn es um Konjunkturfragen geht, verfolgen die Ökonomen der Leibniz-Gemeinschaft divergierende Ansätze auf der Suche nach Antworten. Und erfahren hohe Aufmerksamkeit in Politik und Wirtschaft.
Vielfalt ist das Markenzeichen der Leibniz-Gemeinschaft. Eben- so vielfältig ist die Wirtschafts-forschung, die sich unter ihrem Dach versammelt. Sechs Ins-titute und eine Zentralbiblio-thek decken ein umfassendes Wissenschaftsspektrum ab, das von der Analyse der Bildungs-situation in Gesellschaften bis hin zu börsensensiblen Da-tenerhebungen für die großen Finanzmetropolen reicht. Jede Einrichtung hat ihre eigenen markanten Schwerpunkte und Herangehensweisen. Dabei kann es zu einem Thema unter-schiedliche Meinungen geben, denn die Ökonomen stehen in
UnsereWirtschaftsweisenUnd immer wieder die Konjunkturfrage
einem gesunden Wettbewerb zueinander.Doch eine Gemeinsamkeit be-steht: Die zur Leibniz-Gemein-schaft gehörenden Wirtschaftsfor-schungsinstitute haben Ge wicht – sowohl in der Forschungsland-schaft als auch in der Politikbera-tung. Ihre Studien, Analysen und Gutachten werden aufmerksam wahrgenommen, nicht nur von Kollegen, sondern auch in Mi-nisterien, Unternehmenszen-tralen und im Bundeskanzler-amt. Die Ökonomen nehmen aktuelle Fragen in den Blick und versuchen nachhaltige Antwor-ten zu geben. So kommen die vier Wirtschaftsinstitute, die für die Bundesregierung die so genannte Gemeinschaftsdiag-nose (auch als Frühjahrs- und Herbstgutachten bekannt) er-stellen, allesamt aus der Leib-niz-Gemeinschaft. Gemeinsam mit Kooperationspartnern prog-nostizieren sie alle sechs Monate
die Konjunkturentwicklung in Deutschland.
Klimatisches aus München
Leibniz-Ökonomen beziehen oft eine klare, nicht immer bequeme Position. Wie Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts in München: In der Eurokrise hat der Professor für Nationalökonomie und Finanz-wissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen (LMU) die Politik vor einer Ausweitung des Eurorettungs-schirms gewarnt und stattdes-sen den Austritt des krisenge-schüttelten Griechenlands aus der Eurozone angeregt. „Die Vision des ifo Instituts ist es, Rationalität in die öffentliche Debatte zu bringen und bei der Konstruktion des neuen Europa zu helfen“, erklärt Sinn.
Hans-Werner Sinnifo Institut
„Die Vision
ist es,
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die öffentliche
Debatte
zu bringen.“
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UnsereWirtschaftsweisen
Aber nicht nur Empfehlungen zur Eurokrise werden in der Öf-fentlichkeit diskutiert. Mindes-tens ebenso aufmerksam wird der Geschäftsklimaindex ver-folgt, den das ifo Institut Mün-chen monatlich veröffentlicht. „Dazu befragen wir jeden Monat 7.000 Unternehmensvertreter nach ihren Geschäftserwartun-gen“, sagt Sinn. Der ifo-Index gilt mittlerweile als wichtigster Frühindikator für die deutsche Wirtschaft, den Politiker, Bör-sianer, Manager und andere für ihre Arbeit nutzen. Eine weite-re Spezialität des ifo Instituts ist die quartalsweise Umfrage unter 1.000 Experten zur ak-tuellen Wirtschaftslage in 90 Ländern. Dadurch seien lange Datenreihen entstanden, die es Wirtschaftsforschern ermög-lichten, langfristige Trends von kurzfristigen Ausschlägen zu unterscheiden. „Wir erheben diese Informationen, die später
auch von anderen Institutionen verwertet werden“, betont Sinn. „So wie wir bei der Datensamm-lung auf Netzwerke zurück-greifen, tun wir es auch bei der wissenschaftlichen Forschung. Das CESifo-Netzwerk, das vom ifo Institut gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universi-tät organisiert wird, bringt un-sere Wissenschaftler in engen Kontakt mit den Forschern der ganzen Welt.“ Das ifo Institut trägt übrigens seit Kurzem den Untertitel „Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung“ – aber das wird sich auch noch herum-sprechen.
Stimmung aus Mannheim
Wissenschaftlich profiliert ist auch das Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Es wurde
zwar erst 1990 gegründet, hat sich aber längst in Forschung und Politikberatung etabliert. So veröffentlicht auch das ZEW monatlich ein für die Finanz-Branche wichtiges Stimmungs-barometer: den ZEW-Index. Die Mannheimer verwenden jedoch eine ganz andere Datenbasis als ihre Münchner Kollegen. „Wir befragen rund 350 Finanzmark-texperten aus Banken, Versiche-rungen und großen Unterneh-men“, erläutert ZEW-Präsident Wolfgang Franz.Die Forschung des ZEW zeich-net sich durch methodische Vielfalt und einen starken mi-kroökonomischen und mikro-ökonometrischen Schwerpunkt aus, sie basiert also in erster Linie auf Individualdaten. Ne-ben der Kapitalmarktforschung und der Finanzmarktanalyse zählen das Gründungs- und Innovationsgeschehen, die Ar-beitsmärkte sowie Fragen der
Wolfgang FranzZentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
„Wir befragen
rund 350 Finanz-
marktexperten
aus Banken,
Versicherungen
und großen
Unternehmen.“
Gebündelte Leibniz-Wirtschaftsweisheit: Gert G. Wagner (DIW), Christoph Schmidt (RWI),
Wolfgang Franz (ZEW), Jutta Günther (IWH), Dennis Snower (IfW), Hans-Werner Sinn (ifo), von links.
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Unternehmensbesteuerung, zur Umweltökonomik oder Energie-politik zu den ZEW-Themen. So ist der Leiter des Forschungs-bereichs Umwelt, der Profes-sor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg, Andreas Löschel, auch Vorsit-zender der Monitoringgruppe der Bundesregierung, die die Energiewende wissenschaftlich begleiten soll.
„Es wird immer so sein, dass das ZEW neue Themen auf-greift, die wirtschaftspolitisch relevant und wissenschaftlich interessant sind“, betont ZEW-Chef Franz. Der Professor der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim ist zu-gleich Vorsitzender des Sachver-ständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent - wicklung der Bundesregie rung. Der Expertenkreis, auch bekannt als „Rat der fünf Wirtschafts-weisen“, übergibt der Bundes-regierung jeden November ein Jahresgutachten zur deutschen Wirtschaft und berät die Politik in drängenden wirtschaftlichen
Fragen, wie etwa in Form eines Sondergutachtens zur Schul-denkrise im Euro-Raum.
Partner der Politik aus dem Pott
Neben Franz gehört auch der Präsident des Rheinisch-West-fälischen Instituts für Wirt-schaftsforschung (RWI) in Essen und Professor an der Ruhr-Universität Bochum, Christoph Schmidt, zu den fünf Wirt-schaftsweisen. Auch das 1926 gegründete RWI zählt zu den Schwergewichten der deutschen Wirtschaftsforschung und der wirt schaftswissenschaftlichen Beratung. Es erarbeitet Gutach-ten zu Themen wie dem Eltern-geld, zur Hartz-IV-Reform, zur High-Tech-Strategie der Bun-desregierung, zur Gesundheits-forschung oder zur Tarif- und Mindestlohnpolitik. Außerdem greift das RWI Klima- und Um-weltfragen auf. So untersuchen RWI-Forscher aktuell, wie sich in Afrika der Zugang zu Elektri-zität auf den Lebenswandel und
die Einkommenssituation der Menschen auswirkt. Das RWI ist ein gefragter Gesprächspart-ner für die Politik und nimmt ebenfalls an der Gemeinschafts-diagnose teil. 2007 richtete das Essener Institut zudem eine Au-ßenstelle in Berlin ein, um für die Hauptstadtpolitiker quasi fußläufig erreichbar zu sein.
Multidisziplinäres aus berlin
Schon immer – und das heißt seit seiner Gründung 1925 – in Berlin angesiedelt ist das Deutsche Institut für Wirt-schaftsforschung (DIW). Mul-tidisziplinarität wird hier groß geschrieben. „Bei uns spielen die Naturwissenschaften eine Rolle in der Energie- und Ver-kehrsforschung“, erklärt der DIW-Vorstandsvorsitzende GertG. Wagner, „aber auch Sozial-wissenschaften und Psycho-logie, insbesondere durch das Sozio-ökonomische Panel.“ ZurEnergiewende geben DIW-Experten regelmäßig Analysen
Christoph Schmidt
Rheinisch-Westfälisches Institut für
Wirtschaftsforschung
„Wir arbeiten
daran, die
Erkenntnisse
darüber, wie
Wirtschaft
funktioniert,
auszuweiten
und so zu einem
besseren Leben
für die Menschen
beizutragen.“
DIW Berlin ― Deutsches Institut für WirtschaftsforschungGründungsjahr: 1925Mitarbeiter: 212budget: 22,3 Millionen euro
ifo Institut ― Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität MünchenGründungsjahr: 1949Mitarbeiter: 187budget: 16,3 Millionen euro
Institut für Weltwirtschaft an der Universität KielGründungsjahr: 1914Mitarbeiter: 148budget: 11,88 Millionen euro
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ab, wie durch nachhaltige Stra-tegien Wirtschaftswachstum erreicht werden kann. Ebenso beschäftigt sich das DIW Berlin mit der Lebens- und Bildungs-situation der Menschen. Dazu liefert das Institut jedes Jahr um-fassendes Datenmaterial durch die international renommierte Längsschnitterhebung Sozio-ökonomisches Panel (SOEP). Für sie werden rund 20.000 Menschen aus rund 11.000 Haushalten befragt, deren an-onymisierte Daten als „For-schungsinfrastruktur“ weltweit analysiert werden. Derzeit wer-ten mehr als 500 Forschergrup-pen die SOEP-Daten aus.
Das DIW Berlin hat aber noch weitere Ambitionen: „Wir sind dabei, unsere makroökonomi-sche Analysepotentiale wesent-lich zu stärken und werden uns bewerben, um wieder bei der Gemeinschaftsdiagnose dabei zu sein“, kündigt Wagner, Pro-fessor für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin, an. In der Tat hat Makroökonomie am DIW eigentlich Tradition. Weil das
Thema jedoch einige Jahre als Schwerpunkt vernachlässigt wurde, ist das Institut seit 2007 nicht mehr an der Gemein-schaftsdiagnose beteiligt. Nun arbeitet man am Comeback. „Wir werden wieder zu den ersten Adressen gehören, die von der Politik gefragt werden, wenn es um wichtige makro-ökonomische Fragestellungen geht“, betont Wagner. Für eine deutliche Neuausrichtung soll auch ein neuer Instituts-Chef sorgen. Als Wagners Nachfolger tritt voraussichtlich im Februar 2013 Marcel Fratzscher an die DIW-Spitze, der bislang Abtei-lungsleiter für „Internationale wirtschaftspolitische Analysen“ der Europäischen Zentralbank war.
Lange Tradition in Kiel
Auf die längste wirtschaftswis-senschaftliche Tradition kann in der Leibniz-Gemeinschaft das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zurück blicken. Es wurde bereits 1914 als „König-
liches Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“ gegründet. Unter Leitung des amerikani-schen Makroökonomen Dennis Snower hat das IfW in den ver-gangenen Jahren seinen Fokus auf weltwirtschaftliche For-schungsthemen weiter gestärkt. So analysieren IfW-Forscher unter anderem Arbeitsmarkt-programme, internationale Bankenstrukturen und die He-rausforderungen, vor denen der Euro-Raum steht. Zudem ist es an der Gemeinschaftsdia-gnose für die Bundesregierung beteiligt. International noch bekannter geworden ist das Institut als Ausrichter des Welt-wirtschaftssymposiums (Global Economic Symposium), das es gemeinsam mit der Bertels-mann-Stiftung organisiert. Über 400 Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer aus aller Welt diskutieren hier einmal im Jahr Lösungen globaler ökonomi-scher Probleme. Ein Spitzen-treffen, das auch möglich wird, weil das IfW selbst ein großes Netzwerk aus nationalen und internationalen Managern und
Gert G. WagnerDeutsches Institut für Wirtschaftsforschung
„Wir werden
wieder zu den
ersten Adressen
gehören, die
von der Politik
gefragt werden.“
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, essenGründungsjahr: 1926Mitarbeiter: 91budget: 10,1 Millionen euro
Institut für Wirtschaftsforschung HalleGründungsjahr: 1992Mitarbeiter: 78budget: 6,46 Millionen euro
Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung , MannheimGründungsjahr: 1990Mitarbeiter: 183budget: 19,49 Millionen euro
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Forschern pflegt. Deren wis-senschaftliche Arbeiten fließen teils direkt, teils indirekt in die Forschungs- und Beratungs-aktivitäten des IfW ein. Erst jüngst wurde das Kieler Institut deshalb positiv vom Senat der Leibniz-Gemeinschaft evaluiert. Deutlich wurde dabei, dass das IfW das Potenzial hat, in der internationalen Wirtschaftsfor-schung noch an Bedeutung zu gewinnen. Die Kieler Leibniz-Forscher sind als An-Institut der Universität Kiel organisiert und arbeiten eng mit der be-nachbarten Zentralbibliothek für Wirtschaftsforschung zu-sammen (siehe Kasten links).
Ostdeutschlands Konjunkturbarometer kommt aus Halle
Ein Alleinstellungsmerkmal weist das Institut für Wirtschaftsfor-schung Halle (IWH) auf: Die Ökonomen aus der Saalestadt konzentrieren sich auf ökono-mische Entwicklungen in den neuen Bundesländern. So ver-öffentlichen sie quartalsweise das Konjunkturbarometer Ost-deutschland. Das IWH ist das einzige größere Wirtschaftsfor-schungsinstitut in den neuen Ländern und ebenfalls an der Gemeinschaftsdiagnose betei-ligt. Derzeit steht das Institut vor wichtigen Reformen, nach-dem es in der Evaluation der Leibniz-Gemeinschaft zuletzt
Dennis SnowerInstitut für
Weltwirtschaft
„Die
fortschreitende
Globalisierung
geht jeden
Einzelnen von
uns an.“
Die größte Bibliothek für Wirtschaftsforschung
Mit über 4,3 Millionen bänden in den biblio-theksregalen und einem digitalen bestand von mehr als 4,8 Millionen Dokumenten – darunter 8.000 Online-Lizenzen für nationale und inter-nationale Fachzeitschriften ― ist die Deutsche zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaf-ten ― Leibniz-informationszentrum Wirtschaft (zbW) die weltgrößte wirtschafts- und sozial-wissenschaftliche bibliothek. Die zbW hat zwei Standorte: Kiel und Hamburg. Wer in die Lesesä-le kommt, kann mit blick auf Kieler Förde oder binnenalster in der Fachliteratur stöbern. Alle anderen nutzer haben über das internetportal econbiz zugriff auf über 8 Millionen zeitschrif-ten und andere digitalisierte Dokumente.
Auf dem Open-Access-Publikationsserver econ-Stor stehen zudem wirtschaftswissenschaftliche Arbeitspapiere kostenfrei zur Verfügung. ihre Wurzeln hat die zentralbibliothek wie das ifW Kiel im 1914 gegründeten „Königlichen institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft“. Mit dem ifW arbeitet die heute eigenständige zbW aber weiterhin eng zusammen. So ist sie an dem vom ifW organisierten Global economic Symposium als sogenannter „Knowledge Partner“ beteiligt und versorgt alle Teilnehmer bereits im Vorfeld mit Literatur zu den Konferenzthemen. cxm
Wissen schlägt Wellen: Der Standort der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften in Kiel mit Blick auf die Förde.
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negativ bewertet worden war. Im Verlauf der kommenden drei Jahre wird sich herausstel-len, wie sich das IWH künftig positionieren kann. Dazu soll zunächst eine neue Institutslei-tung berufen werden. Wunsch-kandidatin ist die Tübinger Professorin Claudia Buch, die seit März dem Rat der fünf Wirtschaftsweisen angehört. Derzeit leitet sie die Abteilung Internationale Volkswirtschaft und Finanzen an der Universität Tübingen.
Profunde Daten wichtiger denn je
Ein Blick auf die sechs Leibniz-Wirtschaftsinstitute macht deut-lich, dass sie sich zwar einem breiten Themenspektrum wid-men und für unterschiedliche Herangehensweisen stehen, aber jenseits gemeinsamer Fra-gestellungen doch ihre jeweils profilbildende Forschungsagen-da verfolgen. Es gibt eben nicht nur die Konjunkturfrage. Vor dem Hintergrund der ökonomi-schen Krisen dieser Zeit ist der Bedarf an den profunden Daten, Analysen und Erkenntnissen der Leibniz-Ökonomen heute größer denn je.
christine xuân müller
Wirtschaftsforschung gibt es auch woanders
Ökonomen arbeiten nicht nur in den Leibniz-Wirtschaftsforschungsinstituten, sondern zum beispiel auch im Wissenschaftszentrum berlin für Sozialforschung (Wzb), dem GiGA - Leibniz-institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg oder bei den Raumforschungsinstitu-ten. ein besonderer Spezialist ist das Leibniz-institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Ost-europa (iAMO) in Halle (Saale).
Das erst 1994 gegründete institut betreibt an-wendungsorientierte Grundlagenforschung zur agrarwirtschaftlichen und sozioökonomischen entwicklung in den Transformationsländern Mit-tel- und Osteuropas sowie Asiens, speziell China. Da die Ökonomien dieser Staaten vor allem vom Agrar- und ernährungssektor geprägt sind, sto-ßen die Forschungsarbeiten des iAMO zu diesem bereich nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland auf großes interesse. So greift unter anderem die Weltbank regelmäßig auf erkennt-nisse des Hallenser instituts zurück. „Mit unse-rem speziellen Fokus auf Länder wie China, Russ-land, Ukraine, Serbien, Albanien und Polen sind wir einzigartig“, sagt Thomas Glauben, Direktor am iAMO. in jüngerer zeit ist das institut stark gewachsen, die zahl der Mitarbeiter hat sich fast verdoppelt.
Rund ein Drittel der wissenschaftlichen Mitarbei-ter kommt aus den beforschten Ländern selbst. Überdies kooperiert das iAMO mit zahlreichen ausländischen Forschungsinstituten. cxm
Jutta GüntherInstitut für Wirtschaftsforschung Halle
„Das IWH widmet
sich der Frage,
unter welchen
Bedingungen die
strukturschwachen
Regionen Europas
aufholen können.“
Grundlagenforschung in Transformationsländern:Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) in Halle (Saale).
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Das Eingeständnis fällt schwer, ist aber notwendig: Auch die Wirtschaftsforschung weiß kei-ne Antwort auf die Frage, was der beste Weg ist, die wirt-schaftliche Integra tion Europas voranzutreiben. Es ist gebo-ten, dies offen zuzugeben ― selbst auf die Gefahr hin, dass Öffentlichkeit und Steuerzahler fragen, wozu sie dann über-haupt Wirtschaftsforschungs-institute finanzieren.
Die Volkswirte-Zunft hat die Öf-fentlichkeit in diesem Sommer ohnehin verwirrt: Zur europäi-schen Finanzkrise gab es keine einheitliche Aussage, sondern sage und schreibe drei unter-schiedlich ausgerichtete öf-fentliche Stellungnahmen von Volkswirtschafts-Professoren. Zu den Unterzeichnern zählten auch Chefs von Wirtschafts-forschungs-Instituten in der Leibniz-Gemeinschaft; sie un-terstützten nicht einen, sondern unterschiedliche Aufrufe. Lei-tende Mitarbeiter des DIW Ber-lin meldeten sich bei zwei ver-schiedenen Appellen zu Wort. Insgesamt beteiligten sich fast 500 Volkswirte an den Aufrufen.
Volkswirte sollten jedoch nicht versuchen, durch Aufrufe Po-litik zu machen. Sie sollten die Politik nur beraten – und be-achten, dass der Wirtschaftsfor-schung bei der wissenschaftli-chen Politikberatung Grenzen gesetzt sind.
Zum einen können, wie die Aufrufe zeigen, verschiedene Volkswirte bei der Beurteilung (wirtschafts-)politischer Maß-nahmen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist aber nicht etwa überraschend, sondern unvermeidbar. Auch
Volkswirte legen ihren Analyen (oft implizit) unterschiedliche Werte zugrunde, vertreten po-litische Meinungen und streben unterschiedliche Ziele an. Sie sollten diese deshalb transpa-rent machen.
Zum Zweiten sind großangeleg-te Experimente, mit denen wirt-schaftspolitische Maßnahmen systematisch getestet werden könnten, bei der Analyse der Wirtschaft in der Regel nicht möglich – anders als etwa in der Pharmaforschung. Zwar gibt es jede Menge wirtschaftspoliti-sche Experimente, aber nahezu immer fehlt eine „Kontrollgrup-pe“, mit der eine „Treatment-Gruppe“ verglichen werden könnte. Mit diesem Problem steht die Volkswirtschaftsleh-re nicht alleine da: Es ist auch
in anderen Disziplinen – etwa der Medizin – extrem schwie-rig, aus bloßen Korrelationen Kausalaussagen abzuleiten. Insofern ist bei komplizierten Problemen Streit über den em-pirischen Befund nicht überra-schend, sondern geradezu ge-boten. Zugespitzte Forderungen beleben die Diskussion; es wäre aber schlimm, wenn sie ohne ei-nen demokratisch legitimierten Entscheidungsprozess eins zu eins umgesetzt würden. Schließlich wird Wirtschaftsfor-schung über den europäischen Einigungsprozess dadurch be-
grenzt, dass es so gut wie keine historischen Vorbilder gibt für die Probleme einer Währungs-union in einer zwar eng, aber nicht vollständig verflochtenen Wirtschaftsregion. Diese wird zudem von bislang unbekann-ten Gefahren geprägt, die vom modernen Banken- und Finanz-system ausgehen. Deshalb sollte die Wirtschaftsforschung auch nicht behaupten, sie wisse ein-deutig, was für den weiteren europäischen Einigungsprozess oder für Deutschland die beste Strategie sei.
Die öffentlich finanzierten und qualitätsgeprüften Leibniz-Wirtschaftsforschungs-Institu-te spielen eine spezielle Rolle. Sie bieten forschungsbasierte Politikberatung an, die – zumin-dest über alle Institute hinweg gesehen – auch paradigmatisch nicht verengt ist. Dadurch ver-mitteln die Institute der Öffent-lichkeit wichtige Einsichten – bieten aber keine Patentrezepte an. Wer über diese Art der Po-litikberatung hinaus Politik ma-chen will, der kann und soll dies als Einzelperson tun.
Die Trennung von Politikbera-tung und Politik ist keineswegs einfach, man denke nur an die öffentliche Wirkung von Kom-mentaren, die Institutsmitar-beiter für Zeitungen schreiben. Umso wichtiger ist es, dass in den Instituten Politikberatung und Politik transparent ausein-andergehalten werden.
Prof. Dr. Gert G. Wagner ist Vorstands-vorsitzender des DiW berlin, Lehrstuhlin-haber für empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspoli-tik an der TU berlin sowie Max Planck Fellow am MPi für bildungsforschung, berlin.
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Politikberatungsoll keine Politik
volkswirte sollten nicht
versuchen, durch Aufrufe
Politik zu machen
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Debatte
Gert G. Wagner zum balanceakt, Forderungen der Volkswirte umzusetzen
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Hätte man vor 20 Jahren gewusst, in welchen Schwierig-keiten die Eurozone heute steckt und welchem Druck man ausgesetzt ist, hätte Deutsch-land dem Euro nie zugestimmt, zumindest nicht mit allen Ländern, die heute dabei sind.
Der Euro hat Europa offenbar kein wirtschaftliches Gleich-gewicht gebracht. Der Süd-westen Europas, inklusive Frankreich, steckt heute in ei-ner tiefgreifenden Wirtschafts-krise, während Deutsch lands Wirtschaft nach langen Jahren der Flaute prosperiert.
Dies war nicht immer so. In der Zeit von der Ankündigung des Euro beim Gipfel in Mad-rid 1995 bis zum Beginn der Finanzkrise 2007 fiel Deutsch-land beim Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf vom dritten auf den elften Platz der heutigen EU-Länder zurück. Ein Grund dafür lag im durch den Euro erzeugten Kapitalexport von Deutschland in den Süden des Euroraums. Um seine Wettbe-werbsfähigkeit wiederherzu-stellen, durchlief Deutschland in dieser Zeit einen Prozess der realen Abwertung durch Preis- und Lohnzurückhaltung.
Die Erfolge kamen erst nach dem Ausbruch der Krise, weil Deutschland davon profitierte, dass die Kapitalanleger es vor-zogen, im sicheren Heimathafen Deutschland zu investieren. Es robbte sich vom elften auf den neunten Platz voran. Es gibt für Deutschland keine
Veranlassung, nach seiner ei-genen Eurokrise nun noch für die Krise der anderen Länder zu bezahlen, zumal es das nicht schaffen würde. Die Krisenlän-der haben schon viele Hundert Milliarden Euro an öffentlichen Hilfen erhalten, davon über 1.000 Mrd. allein von der EZB, und doch reicht das Geld nicht aus. Wenn man alle Hilfen zu-sammen nimmt, liegt das Ret-tungsvolumen heute bereits bei 1,6 Bill. Euro, und es wird auf 2,3 Bill. Euro steigen, wenn der ESM ausgeschöpft wird. Sollten die Krisenländer pleitegehen und aus dem Euro austreten,
verlöre Deutschland mehr als 778 Mrd. Euro. Bleiben sie drin, weil sie weiter finanziert wer-den, werden die Verluste noch größer.Weitere Hilfsgelder werden nicht helfen, denn sie kurieren nur die Symptome. Das Problem des Euroraums liegt darin, dass die südlichen Länder durch den billigen Kredit, den der Euro brachte, zu teuer geworden sind und ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. So ist Griechen-land heute um etwa 60% teurer als die Türkei.
Was immer an Reformen und Produktivitätsverbesserungen angedacht wird: Diese Maßnah-men wirken nur dann und in dem Maße, wie sie die Länder relativ zu ihren Wettbewerbern billiger machen. Will man keine Inflation in den Kernländern des Euroraums in Gang setzen, gibt es nur zwei Wege: Die Län-der treten aus und werten ihre neuen Währungen ab, oder sie bleiben im Euro und akzeptie-ren ein langes Siechtum, um ihre Preise zu drücken. So oder so stehen schmerzliche Ent-scheidungen an.
Es ist an der Zeit, über eine Ver-dichtung des Euroraums auf einen funktionsfähigen Kern nachzudenken. Statt den Aus-tritt mit dem Weltuntergang gleichzusetzen, sollte die Poli-tik lieber nach Wegen suchen, ihn geordnet und verträglich zu gestalten. Da wir keinen ge-meinsamen Staat haben, muss es möglich sein, ein Zwischen-ding zwischen einem Festkurs-system mit unterschiedlichen Währungen und einer einheit-lichen Währung, wie man sie innerhalb eines Staates unter-halten kann, zu konstruieren.
Keine weitere Sozialisierungeuropäischer Schulden
Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Werner Sinn ist Präsident des ifo instituts — Leibniz- institut für Wirt-schaftsforschung so - wie Professor für nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maxi-milians-Universität München.
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verdichtung des euroraums auf
einen funktions-fähigen Kern
Leibniz
Debatte
Hans-Werner Sinn zu den Stellschrauben der Krisenbewältigung
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Das Ziel ist klar definiert, aber der Weg dorthin sorgt bundes-weit für Diskussionen: 2050 sollen 80 Prozent der Energie-versorgung aus erneuer baren Energiequellen gespeist werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Zentrum für Europäische Wirt-schaftsforschung sowie das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschafts forschung beschäftigen sich mit dem um-fassenden Umbau, der Chancen und Risiken birgt.
„Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif“, bringt Andreas Löschel vom Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsforschung (ZEW) das brisante Thema auf den Punkt. Diese allgemeine Er-kenntnis habe viele Menschen noch immer nicht erreicht. „Die Energiewende verursacht defi-nitiv eine Mehrbelastung“, sagt Löschel, der am ZEW den For-schungsbereich „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umwelt-management“ leitet. Wie die Kos-ten-Verteilung allerdings aus - sehen könnte, sei zurzeit leider nur eine Diskussion von Inte-ressensverbänden: „Jeder will mit möglichst geringen Kosten davon kommen.“ Der ZEW-Wis-senschaftler, der seit 2011 auch Vorsitzender der Experten-kommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung ist, sieht in dieser Einstellung ein grund-
sätzliches Problem der Ener-giewende. „Ob erneuerbare oder konventionelle Ener gien – überall gibt es Partikular-interessen. Wird diesen nicht nachgekommen, heißt es sofort, die Energiewende sei geschei-tert. Keiner sieht das überge-ordnete Gemeinschaftsprojekt, sondern nur seine eigenen Inte-ressen“, kritisiert der Ökonom. Da sei die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu setzen – auch gegen die Partikularin-teressen. „Allein mit Subven-tionen und Ausnahmeregelun-gen ist die Energiewende nicht zu schaffen“, sagt Löschel.
Knackpunkt netzausbau
Aktuell gibt es für den Umwelt-ökonomen vor allem eine Bau-stelle, die dringend angegangen werden muss: „Der Netzausbau einerseits und der Ausbau der Erneuerbaren Energien ande-rerseits müssen besser aufein-ander abgestimmt werden.“ Das Gegenteil könnte laut Löschel die jetzt fest geschriebene De-ckelung beim Bau von Solaran-lagen bewirken: „Sie wird dazu führen, dass es einen nochma-ligen Boom bei neuen Anlagen geben wird und diese immer schneller ans Netz gehen.“ Sinn-voller sei ein maßvoller Ausbau der Photovoltaik, der mit dem Neubau der Stromnetze Schritt halten könne.
Auch für Manuel Fron-del, Leiter des Kom-petenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI steht außer Frage, dass die Photovol-taik noch immer zu stark bezu-schusst wird. „Unser Institut hat kürzlich berechnet, dass wir für alle Photovoltaikanlagen, die in Deutschland von 2000 bis Ende 2011 installiert worden sind, rund 100 Milliarden Euro an Zahlungsverpflichtungen ein-ge gangen sind. Das sind Zah-lungsverpflichtungen, die die Verbraucher in den nächsten 20 Jahren mit ihren Stromrech-nungen tilgen müssen. Mit 16 Milliarden Euro ist erst ein ge-ringer Bruchteil dieser Summe bezahlt. Der Löwenanteil steht noch aus. Und das für einen An-teil von derzeit weniger als vier Prozent Solarstrom an der ge-samten Stromproduktion.“ Für Frondel sind die Zahlen ein In-dikator für äußerste Ineffizienz. Er befürchtet, dass am Ende zu wenig Geld für alternative Tech-nologien übrig bleiben wird.
Ähnlich wie Löschel bemängelt auch Frondel das Missverhält-
Andreas Löschel Zentrum für
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Wie schaffen wir die energiewende? Ökonomen verfolgen unterschiedliche Ansätze
„Jeder will mit
möglichst
geringen Kosten
davon kommen“
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L e i b n i z | U n S e R e W i R T S C H A F T S W e i S e n
nis zwischen dem Ausbau alter-nativer Technologien und dem
Netzausbau. Deutschland erhöhe zwar die Kapazi-
täten sämtlicher erneu-erbarer Energie-Tech-
nologien, „aber der Strom, der vor der
Küste produziert wird, kann man-gels Leitungen nicht ans Fest-land transpor-tiert werden“. Ineffizient ist für Frondel auch die Konkurrenz zwischen Wind- und Solarener-
gie, die auf dem Rücken der Ver-
braucher ausgetra-gen wird: „Wenn an
manchen Tagen die Sonne scheint und der
Wind kräftig weht, aber die Strom-Nachfrage gering ist,
kommt es vor, dass Windkraft-anlagen abgeschaltet werden müssen. Sie erhalten dennoch eine Entschädigung.“ Solche Überproduktionen könnten ver-mieden werden, indem stärker in Speichertechnologien inves-tiert werden würde. Denkbar seien Verträge mit Abnehmern im Ausland oder ein grenzüber-schreitender Netzausbau. „Sol-che Optionen müssen wir uns künftig gut überlegen, damit der Verbraucher nicht doppelt zahlt“, sagt Frondel.
Vor diesem Hintergrund plä-diert das RWI seit Jahren für ein Innehalten beim Ausbau der Er-neuerbaren Technologien. „Und zwar solange, bis die entspre-chende Infrastruktur geschaf-fen wird“, sagt Frondel.
Quoten und Zertifikate
Ginge es nach dem Willen des RWI-Wissenschaftlers, würde die Erneuerbare-Energien-Um-lage sofort abgeschafft werden: „Das EEG, das ursprünglich ein-geführt worden ist, um Nischen-technologien auf den Markt zu
bringen, hat ausgedient!“ Das Fördersystem sollte zugunsten marktwirtschaftlicherer Syste-me abgeschafft werden. „Denk-bar wäre ein Quotensystem, bei dem den Energieversorgern eine feste Quote an Erneuerba-ren Energien vorgeschrieben wird“, erklärt Frondel.
Wie sie diese Quote erfüllen, bleibe den Energieversorgern überlassen: Sie könnten etwa selbst in erneuerbare Techno-logien investieren oder die Quo-ten in Verbindung mit einem so genannten grünen Zertifikate-system erfüllen. Die Idee dahinter: Investoren in Erneuerbare-Energie-Techno-logien erhalten für jede Einheit produzierten grünen Stroms ein so genanntes Grünes Zertifikat, das sie an jene Energieversorger weiterverkaufen, die die Zertifi-kate benötigen, um ihre Quote zu erfüllen. „Würde man ein sol-ches Quotensystem gleichzeitig mit einem europaweiten Zerti-fikatehandel ausstatten, ließen sich viele Kostenvorteile heben. Der grüne Strom würde dort produziert werden, wo er am kostengünstigsten ist“, erklärt Frondel. Solarstrom käme nicht mehr aus Deutschland, sondern aus den sonnenreichen, südeu-ropäischen Staaten. Windstrom hingegen würde vorzugsweise an den deutschen Küsten pro-duziert werden. Die Energiever-sorger anderer Länder würden – mangels Alternativen – ihre Zertifikate dort kaufen. „Damit ließe sich europaweit ein ein-heitliches System schaffen“, sagt Frondel.
Konjunkturmotor energiewende?
Claudia Kemfert vom DIW in Berlin findet diesen Ansatz wenig überzeugend: „In den Niederlanden und in Großbri-tannien gab es bereits ein sol-ches Quotensystem, das wie-der abgeschafft werden musste – mangels Erfolg und zu hoher Kosten. Stattdessen wurde dort ein EEG-Umlagesystem nach
deutschem Vorbild eingeführt.“ Für die Leiterin der Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ steht schon lange fest, dass das Gesamtprojekt eine Her-kulesaufgabe ist, die sich am besten mit einem Energiemi-nister bewältigen ließe. „Aktu-ell sind die Kompetenzen weit auf Bundes- und Landesebene verteilt. Eine Bündelung ist da nur sinnvoll.“ Kemfert ist sich sicher, dass eine kluge Energie-wende zum Konjunkturmotor für die gesamte Bundesrepublik werden könnte, denn große ge-zielte Investitionen erhöhen die Wertschöpfung und schaffen Arbeitsplätze. Die Umweltöko-nomin denkt dabei an Investiti-onen in erneuerbare Energien, in neue Gas-Kraft werke, Ener-gieeffizienz, nachhal tige Gebäu-de und Mobilität.
Nach wie vor zu wenig berück-sichtigt werde zudem der Aspekt des Energiesparens: „Wir kon-zentrieren uns zu sehr auf die Bereitstellung von Energie“, sagt Kemfert. Dabei könnte ein Ener-giespar-Programm viele Vorteile schaffen. Weniger Energie müss-te bereit gestellt werden, das System würde entlastet und Kos-ten würden verringert werden. Volkswirtschaftlich gesehen sei-en alle Bereiche relevant: die Pri-vathaushalte durch die Nutzung energiesparender Geräte genau-so wie die Gebäudesanierung oder Mobilität. Allein ein Fünftel des Energiebedarfs von Immo-bilien ließe sich einsparen, in-dem die Gebäude mit effizienter Dämm- und Klimatechnik ausge-stattet werden würden. Vor allem im Industriebereich gebe es riesi-ge Energieeinsparpotenziale, ins-besondere bei den Prozess- und mechanischen Energien. Eine aktuelle DIW-Studie zeigt, dass eine Energieeffizienzver-besserung sowohl entlastend auf den Strompreis, als auch auf die Emissionen wirkt. „Da die Regierung so große Angst vor Strompreissteigerungen hat, ist es unverständlich, warum sie die-ses Potenzial so wenig nutzt“, sagt Kemfert.
katja lüers
Manuel Frondel Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschafts-forschung (RWI)
Claudia Kemfert Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)Fo
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Wie schaffen wir die energiewende? Ökonomen verfolgen unterschiedliche Ansätze
„Indikator für
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22 2/2012
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Die Ausgaben im Gesundheits-wesen wachsen stetig, doch die finanziellen Mittel sind begrenzt. Diesem Dilemma stellt sich der Kompetenzbe-reich Gesundheit am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen — geleitet von der Frage nach dem richtigen Verhältnis von Kosten und Nutzen medizi-nischer Leistungen.
Die Zahl der Krankenhausbe-handlungen in Deutschland ist innerhalb von fünf Jahren um 13 Prozent gestiegen. Sorgen dafür allein der demographi-sche Wandel und der techni-sche Fortschritt in der Medizin? Sie tragen einen Großteil dazu bei, doch nach einer Studie des RWI deutet vieles darauf hin, dass Krankenhäuser auch aus wirtschaftlichen Gründen be-stimmte Operationen häufiger anbieten als früher. Der Spit-zenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hatte die Studie in Auftrag ge-geben. Die Kassen sind mit jährlich steigenden Ausgaben für Krankenhausbehandlungen konfrontiert, immerhin rund 60 Milliarden Euro im Jahr 2010.
Als möglichen Ausweg schlagen Krankenkassen und RWI ein Lizenzverfahren vor: Die Klini-ken dürfen jährlich nur eine be-stimmte Anzahl an Behandlun-gen erbringen. Wollen sie mehr anbieten als vorher vereinbart, müssen sie dafür Lizenzen von anderen Krankenhäusern abkaufen, die ihr mögliches Behandlungspolster nicht kom-plett verbrauchen oder nicht verbrauchen wollen.
„Diese Untersuchung und die sich daran anschließende Diskussion ist ein typisches Beispiel dafür, wie die gesundheitsökonomische Forschung den Sprung in die Pra-xis schafft“, sagt Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI, nachdem unter anderem zahlreiche Medien auf die Idee des Lizenzverfahrens eingegangen waren. „Mit unserer Studie, für die wir auch die Inha-ber verschiedener Lehrstühle in Deutschland gewinnen konnten, haben wir einen entscheiden-den Hebel in der Hand, um eine öffentliche und politische Debat-te auf den Weg zu bringen.“ Ein Thema wie die Behandlung im Krankenhaus und die Sorge vor einer unnötigen Operation bewe-ge schließlich viele Bürger.
Längere Wege ins Krankenhaus
Ein Lizenzverfahren für Klinik-behandlungen könnte den Kran-kenhäusern Anreize liefern, sich auf bestimmte Behandlungen zu konzentrieren. „Für die Kliniken hat eine solche Spezialisierung wirtschaftliche Vorteile“, sagt Augurzky und verweist auf die Ergebnisse des Krankenhaus-Rating-Reports, den das RWI einmal im Jahr herausgibt. Aus medizinischer Sicht könne auch der Patient von einer Spezialisie-rung und damit von einer bes-seren Qualität der Behandlung profitieren. „Auf der anderen Sei-te muss er aber womöglich hin-nehmen, dass er einen weiteren Weg in die passende Klinik hat“, sagt der Gesundheitsökonom. Mit diesem Konflikt – bessere medi-zinische Qualität zu Lasten eines weiteren Anfahrtswegs – befasst
GesundheitTeure
Forschung zu ökonomischen Fragen
in zukunft immer wichtiger
Medizin heilt nicht nur, sondern ist auch ein Geschäft. Optimale Behandlung und Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten müssen dabei unter einen Hut gebracht werden.
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sich das RWI derzeit. Es ermit-telt, welche Auswirkungen es für die Patienten hätte, wenn es be-stimmte Kliniken in ihrer Nähe nicht mehr gäbe.
Diese ersten Beispiele zeigen, welch große Rolle die Situation im stationären Bereich für die Forschungsarbeit im Kompe-tenzbereich Gesundheit am RWI spielt. Neben den Krankenhäu-sern wird vor allem auch die For-schung zum Thema Pflege weiter an Bedeutung gewinnen. Ähnlich dem Krankenhaus-Rating-Report veröffentlicht das RWI alle zwei Jahre einen Report, in dem die Situation der Pflegeeinrichtungen vorgestellt wird. „Allein schon aufgrund des demographischen Wandels wird die Pflege in den kommenden Jahren eine immer gewichtigere Rolle spielen“, sagt Roman Mennicken, der für den Pflegeheim Rating Report mit zuständig ist. „Die Zahl der Pfle-gebedürftigen steigt und damit auch der Bedarf an Einrichtun-gen, Wohnanlagen und Fachper-sonal. Deshalb werten wir zum Beispiel aus, wie sich die Zahl der Heimplätze entwickelt, wie viel Personal jeweils zur Verfügung steht und wie deren Qualifikati-onsniveau ist."
Per bonus runter mit den Pfunden
Ein weiterer wichtiger Teil der Forschungsarbeit gilt der Evalu-ation von Gesundheitsmaßnah-men. Was bringen zum Beispiel Disease-Management-Program-me, die die Krankenkassen für ihre chronisch erkrankten Pati-enten wie Diabetiker oder Asth-matiker anbieten? Neben der besonderen ärztlichen Betreu-ung gehören häufig Patienten-
schulungen und Informations-materialien zum Angebot, um die Teilnehmer vor weiteren Folgen ihrer Erkrankungen zu schützen. Lohnen sich diese Ausgaben? Oder: Welche Wirkung haben finanzielle Anreize, damit über-gewichtige Patienten abnehmen und über einen längeren Zeit-raum ihr Gewicht halten? Eine Antwort auf diese Frage kann für Krankenkassen interessant sein, die ihren Versicherten Bonus-programme anbieten und sie für gesundheitsbewusstes Verhalten mit Geld- oder Sachprämien be-lohnen. Auch für das betriebliche Gesundheitsmanagement können sich wichtige Ergebnisse zeigen, zumal Übergewicht und die damit verbundenen Folgeerkrankungen auch für Arbeitgeber zu enormen Kosten führen können. In einer Pilotstudie prüft das RWI seit etwa zwei Jahren, ob Bonus-zahlungen zum Abnehmen moti-vieren. Die Studie, die mit Mitteln aus dem Leibniz-Wettbewerbs-verfahren im Pakt für Forschung und Innovation des Bundesfor-schungsministeriums finanziert wird, geht nun langsam in die Endphase. „Die bisherigen Ergeb-nisse zeigen, dass Bonuszahlun-gen tatsächlich Anreize liefern, Gewicht zu reduzieren“, sagt Au-gurzky. Teilnehmer an der Studie sind übergewichtige Patienten aus vier Reha-Zentren der Deut-schen Rentenversicherung in Ba-den-Württemberg. Sie alle hatten am Ende ihres Klinikaufenthalts zunächst einen Body-Mass-Index von über 30. Ihnen wurde ein persönliches Gewichtsziel vor-gegeben, das sie innerhalb von vier Monaten erreichen sollten. Die Teilnehmer wurden per Zu-fall drei Gruppen zugewiesen: In
einer Gruppe erhalten die Mit-glieder, die ihr Gewichtsziel er-reichen, 300 Euro als Bonus, in einer zweiten Gruppe sind es 150 Euro. Die Mitglieder der dritten Gruppe gehen trotz Erreichen des vorgegebenen Ziels leer aus. „700 Teilnehmer haben die Abnehm-phase hinter sich. Diejenigen, die einen Bonus kassieren konnten, haben mehr Gewicht verloren als die Kontrollgruppe ohne Bonus“, fasst Arndt Reichert, der das Pro-jekt intensiv begleitet, die bishe-rigen Ergebnisse zusammen. Im Schnitt hätten die Teilnehmer mit finanzieller Belohnung etwa ei-nen BMI-Punkt mehr verloren als die übrigen. Ob dieses Ergebnis auf Dauer Be-stand hat? Die aktuell laufende zweite Untersuchungsphase wird zeigen, ob die Aussicht auf einen weiteren Bonus die Teilnehmer motiviert, für mindestens sechs Monate ihr Gewicht zu halten. „Abschließend planen wir, mit et-was zeitlichem Abstand die Teil-nehmer noch einmal nach ihrem Gewicht zu fragen - dann aber für alle ohne weitere Bonuszahlun-gen“, heißt es von Seiten der Ge-sundheitsexperten am RWI.
Kritik aus den Kliniken
Boris Augurzky ist sich sicher, dass der Bedarf an gesundheits-ökonomischer Forschung wie dieser weiter steigt. „Im wach-senden Gesundheitswesen wird die Frage, wofür die begrenzten finanziellen Mittel eingesetzt werden, immer wichtiger.“ Egal, wer Auftraggeber einer Studie ist – ob Kostenträger wie die gesetz-liche oder private Krankenversi-cherung oder Leistungserbringer wie ein Klinikverband: „In unse-rer Forschungsarbeit geht es auch darum, den Nutzen aus Patienten-sicht und die Kosten aus Sicht der Beitragszahler herauszuarbeiten“, erklärt der Gesundheitsökonom. Das rufe natürlich auch Kritiker auf den Plan: etwa von Seiten der Kliniken, nachdem die Ergebnisse zu den gestiegenen Krankenhaus-behandlungen veröffentlicht wur-den. „Aber davon lassen wir uns nicht abschrecken.“
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Gesundheit
Dicker Brocken für die Krankenkas-sen. Übergewicht verursacht hohe Kosten. Das RWI erforscht, ob sich finanzielle Abnehm-Anreize lohnen.Ge
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Der Strukturwandel der ostdeut-schen Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft ist seit 20 Jahren eine der gesellschaft-lichen Mammutaufgaben in Deutschland. Wie sieht es heute aus und welche Perspektiven eröffnen sich? Fragen an Jutta Günther vom Institut für Wirt-schaftsforschung Halle (IWH).
Der Solidarpakt läuft 2019 aus. Wird dann auch der Solidari-tätszuschlag, besser bekannt als „Soli“, abgeschafft?Es erscheint naheliegend, die Abschaffung des Soli mit diesem Datum in Verbindung zu bringen, aber man zieht eine Parallele, die es so nicht gibt. Die Einnahmen aus dem Soli werden – anders als die Mittel des Solidarpakts II – schon lange nicht mehr für den Aufbau Ost verwendet, son-dern für Ausgaben des Bundes aller Art. Man sollte das Jahr 2019 als Chance zur Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen den Ländern generell sehen.
Zuletzt kam ja die Forderung aus dem Ruhrgebiet, Solidar-paktmittel auch in struktur-schwache Gebiete im Westen zu geben. Ist das eine gute Idee – und die Überlebensgarantie für den Soli bis zum St. Nimmer-leinstag?Es kann keine gute Idee sein, die Finanznot nordrhein-westfäli-scher Städte und Kommunen ad hoc mit dem Umlenken von So-lidarpakt-Mitteln zu lindern. Wo kommt man hin, wenn begründet zugesagte Mittel plötzlich entzo-gen werden? Die Diskussion hat zudem den Eindruck vermittelt, dass es dem Osten auf Kosten westdeutscher Städte und Kom-munen prächtig gehe. Das stimmt so nicht, denn die Ursachen der Finanznot sind vielschichtiger. Sie stammen im Westen oft bereits aus der Zeit vor der Wiederver-einigung und sind auch dem ge-nerellen Strukturwandel geschul-det.
Viele reden von den vergol-deten Bürgersteigen in den neuen Ländern. Haben die Solidarpakt-Milliarden im We-sentlichen ihr Ziel erreicht oder bleibt der Osten ökonomisch abgehängt?Im Wesentlichen haben die Soli-darpakt-Mittel ihr Ziel erreicht,
allen voran die Beseitigung der Infrastrukturlücke. Das kommt auch westdeutschen Unterneh-men zugute, die im Osten aktiv sind. Insofern wurde eine wich-tige gesamtdeutsche Aufgabe erfüllt. Der Osten ist nicht öko-nomisch abgehängt. Er hat eine Wirtschaftsstruktur mit vielen kleinen und mittleren Unterneh-men, die weniger internationali-siert und weniger forschungsin-tensiv sind. Dies erklärt zu einem Großteil den Entwicklungsunter-schied, bedeutet aber keinen ver-lorenen Anschluss.
Welche Rolle spielen die neuen, aber doch offenbar wackligen Hightech-Kerne des Ostens im Bereich IT oder Solarenergie?
fähigen Wirtschaft unverzichtbar ist, und dass der Strukturwandel nicht nur die technologische Mo-dernisierung, Unternehmertum und hohe Kosten, sondern auch Zeit erfordert. Die in Ostdeutsch-land nunmehr entstandenen sek-toralen und funktionalen Struktu-ren werden sich nicht von heute auf morgen, auch nicht innerhalb weniger Jahre, sondern eher in zeitlichen Dimensionen einer ganzen Generation verändern. Aber es hilft nichts: Man muss es angehen!
Dr. Jutta Günther ist Leiterin der
Abteilung Struktur-ökonomik und Mitglied des Vorstands am IWH,
an dem sie seit 2002 tätig ist. Die Volks wirtin
promovierte über Technologie-Spillovers
durch ausländische Direktinvestitionen am
Beispiel Ungarns.
OstenDerist
nicht abgehängtSie spielen eine wichtige Rolle, denn der Strukturwandel wird von neuen Technologien getrie-ben. Die Solarindustrie steckt aufgrund des internationalen Wettbewerbs in Schwierigkeiten. Das wird aber nicht zur De-Indus-trialisierung des Ostens führen. In anderen Bereichen wie der chemischen Industrie oder den optischen Technologien kann von Wackeln nicht die Rede sein. Hin-zu kommen ganz neue Bereiche wie die Bioökonomie – nicht als Allheilmittel, sondern als weiterer Beitrag zu einem gesunden Mix aus alten und neuen Industrien.
Kann man aus dem Aufbau Ost für den Aufbau Süd – Griechenland, Italien, Spanien, Portugal – lernen?Ja, man kann vor allem lernen, dass der Strukturwandel hin zu einer international wettbewerbs-
Lassen sich die milliarden-schweren Investitionspro-gramme – egal ob Ost oder Süd – ordnungspolitisch rechtfertigen oder ist das der Sündenfall eines permanen-ten Eingriffs in die heiligen Selbstregulierungskräf te des Marktes? Die Krise hat gezeigt, dass die Selbstregulierungskräfte des Mark tes Grenzen haben. Bei Marktversagen muss der Staat eingreifen, nicht nur, indem er die Rahmenbedingungen neu jus-tiert, sondern auch, indem er di-rekt als Akteur einspringt, wenn die Privaten ausfallen. Staatliche Investitionsprogramme helfen, richtig eingesetzt, das Produkti-onspotential der Wirtschaft zu stärken. Dies kann aber nur vo-rübergehend geschehen, bis die Marktkräfte wieder greifen.
fragen: christian walther
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Derist
Wissenschafts-Apps
Leibniz-Applikationslabore tragen dazu bei, dass aus wissenschaftlichen Erkennt-nissen konkrete Produkte werden.
Wer bei dem Wort „Applikati-onslabor“ an Mikroskope und Reagenzgläser denkt, begibt sich auf die falsche Fährte. Und auch wer Apps für Smartphones im Sinn hat, liegt daneben. Applika-tionslabore sind Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Wirt-schaft. Unternehmen und ande-ren Nutzern von Forschungser-gebnissen sollen sie helfen, aus abstrakt anmutenden Messdaten und Modellen konkrete Produkte und Verfahren zu entwickeln.
Unter dem Dach der Leibniz-Ge-meinschaft sind elf Applikations-labore zusammengeschlossen. Sie werden nicht nur von technik- und ingenieurwissenschaftlichen Instituten, sondern auch von zwei agrarwissenschaftlichen und ei-nem sozialwissenschaftlichen In-stitut betrieben. Ihr Verbund hat das Ziel, den Transfer von Wissen und Technologie in die Wirtschaft zu intensivieren. Die Kombinati-on der Möglichkeiten und Ange-bote der Leibniz-Applikations-labore tragen dazu bei, dass die von ihren Instituten gewonnenen Erkenntnisse rasch den Sprung auf den Markt schaffen. Dabei ar-beiten nicht nur die Institute eng zusammen, auch Universitäten sind in die Arbeit einiger Applika-tionslabore eingebunden.In der Praxis unterscheiden sich diese deutlich: Einige La-bore entwickeln Funktionsmo-delle und suchen eigenständig neue Einsatzfelder für ihre Ent-wicklungen. Andere stellen ihr Know-how und ihre Anlagen ins-titutsfremden Forschern und Un-ternehmen zur Verfügung. Diese können so selbst Produkte entwi-ckeln und testen, ein Angebot, das besonders für kleine und mittlere Unternehmen nützlich ist: Eine
Wissens- und Technologietransfer
eigene Forschungsinfrastruktur können diese sich häufig nicht leisten.
Das Leibniz-Institut für Agrar-technik (ATB) in Potsdam-Bor-nim etwa ist auf die Gewinnung von Milchsäure aus landwirt-schaftlichen Roh- und Reststof-fen spezialisiert. Seine Forschung betreibt das ATB in drei Anlagen, die jede für sich eine Halle füllen. Sie stehen nicht nur den eige-nen Mitarbeitern zur Verfügung, sondern können auch von Ex-ternen genutzt werden. Eine der Anlagen ist zurzeit Schauplatz eines Forschungsprojekts der Europäischen Union (EU). Es un-tersucht die Weiterverarbeitung von Abfällen aus der Backwaren-Industrie zu Bio-Polymeren, also: Bio-Kunststoffen. Milchsäure ist eine Basischemikalie für die Pro-duktion solcher Kunststoffe. Das EU-Projekt profitiert so nicht nur von der Forschungsanlage, son-dern auch von der Expertise der Potsdamer Forscher.
Von den Sternen in die Medizin
Einen anderen Ansatz verfolgt das Applikationslabor des Zentrums für Innovations-kompetenz innoFSPEC, das am Leibniz-Institut für Astrophysik Pots-dam angesiedelt ist. Know-how im Bereich der Sensorik und der Spek-
Informationen zu allen Leibniz-Applikations-laboren und eine Über-blicksbroschüre gibt es online unter:
www.leibniz- gemeinschaft.de/transfer/verbuende/applikationslabore/
In drei Pilotanlagen am Leibniz-Institut für Agrartechnik wird aus landwirtschaft-lichen Roh- und Rest-stoffen Milchsäure gewonnen. Sie dient etwa als Basisrohstoff für Bio-Kunststoffe.
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für die Wirtschafttroskopie, das eigentlich aus der astrophysikalischen Forschung stammt, soll künftig in der Me-dizintechnik eingesetzt werden. „Damit bewegen wir uns mit Al-leinstellungsmerkmalen in einem ganz heißen Themengebiet der Biophotonik “, sagt Martin Roth, der Leiter des Applikationsla-bors. Erste Ergebnisse aus einer Zusammenarbeit mit dem Insti-tut für Photonische Technologien in Jena wurden bereits publiziert. Dem Wissenstransfer in ande-re Disziplinen könnten nun bald Patente folgen. Roth freut sich über die Förderung seiner Initi-ative: „Wir können jetzt eigene Technologietransfer-Beauftragte beschäftigen, die Anwendungs-felder unserer Forschung jenseits der Astrophysik erschließen.“
Mit den Leibniz-Applikationsla-boren wurde ein Modell etabliert, das auch dem Motto von Gottfried Wilhelm Leibniz gerecht wird: „Theoria cum praxi“. Aus häufig zunächst abstrakt erscheinenden Forschungsergebnissen werden Dank der Hilfe des Verbunds ganz reale, greifbare Produkte.
eva brunner
Ap|pli|ka|ti|on, Substantiv, femininum: Anwendung, Gebrauch
26 2/2012
L e i b n i z | S P e K T R U M
Es ist, als wollte das Wetter Sudhakar Palakolanu die Bedeutung seiner Forschung am eigenen Leib spüren lassen. 36 Grad zeigt das Thermome-ter an diesem heißen Augusttag in Gatersleben, wo der 32-jäh-rige Inder die letzten Tage sei-nes Leibniz-DAAD-Stipendiums am Leibniz-Institut für Pflan-zengenetik und Kulturpflanzen-forschung (IPK) verbringt.
Der Biologe gehört zur ersten Stipendiatengruppe, die 2011 ausgewählt wurde. Sein Projekt: die Trocken- und Hitzetoleranz von Gerste durch gentechnische Verfahren zu erhöhen. Ein The-ma, das einerseits am IPK intensiv beforscht wird, und andererseits in Zeiten des Klimawandels und einer wachsenden Weltbevölke-rung hochaktuell ist.Es ist auch das Thema, das Pala-kolanu zur Wissenschaft gebracht hat. Aus einer in der Landwirt-schaft tätigen Familie stammend, hat er selbst erfahren, wie sehr bei Temperaturen von teilweise über 45 Grad Hitze und Dürre den Getreideanbau erschweren.Sein Ziel: Die Pflanzen sollen widerstandsfähiger gegenüber Stress-Bedingungen werden. Um
das zu erreichen, sucht Palakola-nu nach Genen, die die Menge der schädlichen Sauerstoffradikale reduzieren. Mehr noch, die Gene sollen besonders während der Samenentwicklung im Samen ak-tiviert (exprimiert) werden. Dafür soll ein spezieller synthetischer Promotor sorgen, eine Sequenz auf der DNA des Gens, die speziell unter Stress aktiv wird.
Hervorragende Ausstattung
Mit dieser Projektidee bewarb sich Palakolanu 2011 für ein Stipendium des Leibniz-DAAD Fellowship Programme am IPK. Das neue Programm bietet in-ternationalen Post-Docs, deren Promotion nicht länger als zwei Jahre zurückliegt, ein einjähriges Stipendium an einem Leibniz-Institut ihrer Wahl. Das IPK kann-te Palakolanu bereits aus einem achtmonatigen Gastaufenthalt im Projekt GABI-GRAIN, das sich der Entwicklung von Gerstenlinien widmete, die unter Dürre-Stress mehr Ertrag und bessere Korn-qualität liefern. Der Projektleiter und Leiter der Arbeitsgruppe Stressgenomik am IPK, Nese
Sreenivasulu – ein Inder wie Pala-kolanu – war es auch, der ihn auf die Ausschreibung der Leibniz-DAAD-Stipendien aufmerksam machte. Palakolanu hatte die her-vorragende technische Ausstat-tung in Gatersleben kennen und schätzen gelernt und bewarb sich. Dank einer positiven Beurteilung seines Projektantrags durch das IPK, in der Institutsdirektor Prof. Andreas Graner den Bewerber für seinen ebenso innovativen wie gut in das Institutsprofil pas-senden Forschungsansatz lobte, bekam Palakolanu eines der 18 Stipendien. Um die hatten sich 115 Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt beworben.Palakolanus Veröffentlichungs-liste und Referenzen wiesen ihn trotz seines jungen Alters bereits als „sehr vielversprechenden Nachwuchswissenschaftler“ aus, argumentierte Graner. Damit passte er ideal in die Zielgruppe, denn mit den Leibniz-DAAD Re-search Fellowships sollen gezielt wissenschaftliche Führungskräf-te der Zukunft gefördert werden. Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer sieht in den Stipendiaten Wissenschaftler, die für die Leib-niz-Gemeinschaft und Deutsch-land besonders interessant sind:
indischer nachwuchswissenschaftler forscht
mit Leibniz-DAAD-Stipendium in Sachsen-Anhalt
auf dem KornGersten-Gene
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Im Fokus des Interesses: Sudhakar Palakolanu inspiziert junge Gersten-pflanzen, die im Erfolgsfall Hitze und Trockenheit besser widerstehen können.
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„Als wissenschaftliche Führungs-kräfte der Zukunft haben sie den Großteil ihrer Karriere noch vor sich und bleiben uns auch nach ihrem Stipendium als zukünftige Kooperationspartner erhalten und verbunden“, hofft Mayer.Soweit ist es für Palakolanu noch nicht, für ihn kam das Stipendi-um erst einmal zur rechten Zeit, hatte er doch im März 2011 ge-rade seine Doktorarbeit über Hitzeschockproteine (engl. Heat Shock Protein, HSP) bei der Perl-hirse (Pennisetum glaucum) und ihre Rolle bei der Anpassung an Umweltstress am International Centre for Genetic Engineering and Biotechnology in Neu-Delhi eingereicht – einem führenden In-stitut der pflanzlichen Biotechno-logie in Indien und strategischem Kooperationspartner des IPK.
Chancen und Risiken
Und so zog Palakolanu aus dem Land des Bollywood an den Rand der Magdeburger Börde ins Gäs-tehaus des IPK. Entsprechend „friedlich“ kam ihm seine neue Umgebung vor, in Kombination mit der guten Institutsausstat-tung ideal zum Arbeiten. Denn unfriedlich wird es in Gatersleben eigentlich nur, wenn mal wieder Gegner der „Grünen Gentech-nik“ vor dem Institut demons-trieren, weil sie sich durch die international hoch angesehene und unter den vorgeschriebenen Sicherheitsvorkeh rungen betrie-bene Forschung am IPK bedroht sehen. Selbst vor so genannten „Feldzerstörungen“ schrecken sie nicht zurück und tragen dadurch zur Angst vor einer Technologie bei, die in der öffentlichen Debat-te fast nur noch unter dem Aspekt
möglicher Risiken, nicht aber hinsichtlich ihrer Chancen für die globale Nahrungsmittelprodukti-on gesehen wird.
Das IPK nutzt gentechnische ge-nauso wie konventionelle Metho-den, um alle möglichen Chancen der Pflanzen-Biotechnologie zu erforschen. Ein benachbartes Tochterunternehmen der BASF allerdings wird den Campus in Gatersleben demnächst verlas-sen, weil der Konzern sein En-gagement auf diesem Gebiet in Deutschland einstellt – Arbeits-platzverlust in der struktur-schwachen Gegend inklusive.In Indien herrscht ein viel of-feneres Klima gegenüber gen-technisch veränderten Pflanzen (GMO), berichtet Palakolanu. Das liegt vermutlich an der großen Bedeutung von GMO-Baumwolle für die indische Land- und Textil-wirtschaft.Dafür hat die Forschung in Indien mit anderen Problemen zu kämp-fen – vor allem mit mangelhafter Infrastruktur und katastrophaler Stromversorgung. Das bremse das intellektuelle Potential seines Landes in der Forschung immer wieder aus, beklagt Palakolanu.Strom hatte der junge Forscher in Gatersleben immer zu Genüge, gefehlt hat es ihm am Ende le-diglich an Zeit. „Ich hätte für das Projekt gut zwei Jahre Zeit ge-braucht“, sagt er, „denn Pflanzen müssen schließlich wachsen. Das lässt sich nicht beschleunigen.“ Zum Ende seiner Projektlaufzeit ist es ihm gelungen, einige Gene zu identifizieren, die die Hitze- und Dürre-Toleranz von Gerste erhöhen könnten. Diese Gene hat er mit Hilfe der so genann-ten Agrobakterien-vermittelten Transformation in das Erbgut
von Samen eingebracht, aus de-nen jetzt in einem Gaterslebener Gewächshaus Gerstenpflanzen heranwachsen. Die sind jetzt aber noch nicht reif und ob sie wirklich zu verbesserten Erträgen führen, lässt sich noch nicht sagen.
Karriere-Sprungbrett
Einen Ertrag hat das Stipendien-Projekt aber auf jeden Fall erzielt: Wenn Palakolanu aus Deutsch-land nach Indien zurückkehrt, kann er dort eine Fünf-Jahresstel-le am renommierten International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics antreten. Dort will er sich seinem Forschungs-ansatz noch einmal ganz grundle-gend annehmen und erforschen, ob sich die viel versprechenden Ergebnisse bei der Gerste auch auf andere Pflanzen ausdehnen lassen, etwa auf Reis. Bei der Bewerbung auf diese begehrte Position war das Leibniz-DAAD-Stipendium hilfreich, ist sich Palakolanu sicher. Nun eröffnet sich ihm eine zumin-dest mittelfristige Perspektive an einem angesehenen Forschungs-institut. Nur ein bisschen schade um das Projekt sei es, sagt er. Aber das ist wissenschaftlich nicht ver-loren. Seine IPK-Kollegen werden es weiterführen. Über die bereits jetzt schon erzielten Ergebnisse sind Publikationen in wissen-schaftlichen Fachzeitschriften in Vorbereitung. Vielleicht hat Pala-kolanu ja den Grundstein dafür gelegt, dass Gerste auch da gute Erträge liefert, wo die hochsom-merlichen Temperaturen, bei de-nen er seine Gaterslebener Zeit beendet hat, nicht die Ausnahme sondern die Regel sind. christoph herbort-von loeper
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Mehr zu den Leibniz-DAAD-Fellowships:
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Wie reagieren Seen auf den Klimawandel? Welche Folgen hat es, wenn die Wassertemperatur steigt? Sind Artenvielfalt und Klarheit der Gewässer bedroht? Im brandenburgischen Stechlinsee gehen Wissenschaftler Fragen wie diesen wortwörtlich auf den Grund, mit einer einzigartigen Versuchsanlage: dem Seelabor.
„Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stelle steil und quai-artig ansteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefasst, deren Zweige, von ih-rer eignen Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spit-ze berühren. … Alles still hier.“ Genauso romantisch wie Theo-dor Fontane den Stechlin vor über hundert Jahren in seinem gleichnamigen Roman beschrie-ben hat, präsentiert er sich auch heute noch. Und doch, die Idylle – wie so häufig – trügt.„Der rasant voranschreitende Klimawandel macht auch vor dem Stechlinsee nicht Halt“, sagt Mark Gessner. Der Biologe leitet das Seelabor und die Limnologie des Leibniz-Instituts für Gewäs-serökologie und Binnenfischerei (IGB) am Stechlin. Als Limnolo-gen erforschen seine Mitarbei-ter und er Binnengewässer als Ökosysteme und wie sie durch den Klimawandel beeinflusst werden. Im Stechlinsee habe sich die Temperatur des Oberflächen-wassers in den vergangenen fünf Jahrzehnten um 1,4°C erhöht, sagt Gessner. Mit steigender Ten-denz.Welche Folgen die veränderten Umweltbedingungen für heimi-sche Gewässerorganismen ha-ben, ist noch weitgehend unklar. Um das herauszufinden, wagen die Wissenschaftler des IGB ei-nen ungewöhnlichen Schritt: Weg von der reinen Beobachtung der Natur und weg von wenig re-alistischen Laborversuchen ver-legen sie ihre Experimente in den
hoch. Rund 1.200 Arten wurden nachgewiesen, darunter ein Relikt aus der Eiszeit: Der Ruder-fußkrebs (Eurytemora lacustris), der auf kaltes, sauerstoffreiches Wasser angewiesen ist, hat im Stechlinsee sein südlichstes Ver-breitungsgebiet. Die Kleinkrebse spielen eine zentrale Rolle im Nahrungsnetz. Sie ernähren sich vor allem von einzelligen Algen und dienen im Gegenzug als Fischfutter, besonders der Klei-nen Maräne, die fast 90 Prozent des gesamten Fischbestands im Stechlin ausmacht. Eine Beson-derheit des Sees ist die erst 2003 durch das IGB beschriebene und nach Theodor Fontane benann-te Fontane-Maräne (Coregonus fontanae), die weltweit einzig im Stechlin vorkommt. Auch sonst erweist sich der See als idealer Forschungsstandort. Bereits seit 1957 wird er re-gelmäßig untersucht. Dadurch steht der Wissenschaft heute eine ungewöhnliche Sammlung von Langzeitdaten zur Verfü-gung. „Sie zählt zu den umfang-reichsten und verlässlichsten weltweit“, sagt Peter Casper. Der Mikrobiologe forscht seit 1983 am Stechlin und hat die Idee des Seelabors maßgeblich mit vorangetrieben. Auch, dass das IGB am Ufer über ein voll ausge-stattetes Labor verfügt, habe für den Stechlin gesprochen, erklärt Casper. Da der See allerdings im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land liegt, ist die Genehmigung des Seelabors durch die Behör-den mit strikten Auflagen ver-bunden. So dürfen keine frem-den Organismen oder Stoffe eingebracht werden – nur eine von vielen Regeln zum Schutz des Ökosystems, hinter denen auch das IGB steht.
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Seelabor
See selbst. Denn nur so können die komplexen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung im Ökosystem See in ihrer Ge-samtheit betrachtet werden. Im Stechlinsee schwimmt darum seit dem Frühjahr eine weltweit einzigartige Forschungsplatt-form – eine Innovation, die von der Stiftung „Deutschland – Land der Ideen“ zum „Ausgewählten Ort 2012“ gekürt wurde.
1250 Kubikmeter Wasser
Das Seelabor, finanziert durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, be-steht aus 24 Versuchszylindern von je neun Metern Durchmes-ser, 20 Metern Tiefe und rund 1250 Kubikmetern Wasservolu-men. „Mit dem Seelabor erfor-schen wir Seen unter den realis-tischen Bedingungen der Natur, können aber dennoch Faktoren wie die Temperatur im Tiefen-wasser verändern und so in die Zukunft unserer Seen schauen“, erklärt Gessner. Der Stechlinsee, ein nährstoffar-mer Klarwassersee, bildete sich am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren. Mit einer Wassertiefe von bis zu 69,5 Me-tern ist er einer der tiefsten Seen der Mecklenburgisch-Branden-burgischen Seenplatte. Zudem ist die biologische Vielfalt des Plank-tons, im Wasser schwebender, mikroskopisch kleiner Algen und winziger Tiere, hier besonders Fo
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Schon in den 70er Jahren gab es ähnliche Versuchsanlagen in Seen, etwa im Blelham Tarn in der Englischen Seenplatte, wo drei Zylinder installiert waren. Um je-doch gesicherte Erkenntnisse aus den dort durchgeführten Versu-chen ableiten zu können, ist eine größere Anzahl von Versuchsein-heiten erforderlich.
Klimaänderungeneffektiv messbar
Mit den 24 Becken des Seelabors hat das IGB nun eine Anlage rea-lisiert, die den Standards der mo-dernen Versuchsplanung genügt. Zudem ist jede Versuchseinheit mit einem aufwändigen Mess-system ausgestattet. Messson-den, die automatisch vom Grund bis zur Wasseroberfläche fahren, nehmen kontinuierlich Daten in verschiedenen Tiefen auf: Tempe-ratur, pH-Wert, Sauerstoffgehalt, Redoxpotential, elektrische Leit-fähigkeit, Trübung, Lichtintensi-tät und Chlorophyllgehalt.Die thermischen Eigenschaften von Seen werden weitgehend
von meteorologischen Faktoren bestimmt. Klimaänderungen wir-ken sich somit unmittelbar auf die Temperaturverhältnisse in Seen aus. Einer der Effekte ist die Erwärmung des Oberflächenwas-sers. Außerdem beobachten Wis-senschaftler, dass Seen an immer weniger Tagen im Jahr mit Eis bedeckt sind, dass sich die Dauer der sommerlichen Schichtung in warmes Oberflächen- und kaltes Tiefenwasser verlängert und dass die Temperatur des Tiefenwas-sers ansteigt, die normalerweise ganzjährig bei 4°C liegt. „Diese Verhältnisse werden sich höchst-wahrscheinlich auch im Stechlin-see einstellen und sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiter verstärken“, erklärt IGB-Forscher Georgiy Kirillin, der ein physika-lisches Modell für den See entwi-ckelt hat.Um die Folgen dieses Wandels besser einschätzen zu können, ist experimentelle Freilandfor-schung nötig. Ein erstes Experi-ment wurde im Frühjahr 2012 gestartet. Es simuliert einen Zustand, der laut Kirillins Mo-dellrechnungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts im Stech-linsee eintreten könnte. Indem die Wissenschaftler warmes Oberflächenwasser in die Tiefe pumpten, wurde die Temperatur des Tiefenwassers um 6°C auf 10°C erhöht. Nun wird einerseits untersucht, wie die Gewässeror-ganismen auf diese Veränderung reagieren: Wird sich die Arten-vielfalt verringern? Wird das Eiszeitrelikt, der Ruderfußkrebs, aus dem See verschwinden? Und können sich wärmeliebende Ar-ten wie Cyanobakterien, auch bekannt als „Blaualgen“, massiv vermehren und die Klarheit des Sees trüben? Andererseits wird
erforscht, wie sich die Stoffumset-zungen im Ökosystem verändern: Werden Stoffkreisläufe beschleu-nigt? Reichern sich Nährstoffe im Tiefenwasser an? Werden ver-mehrt Treibhausgase freigesetzt?
Mit dem Seelabor will das IGB Antworten auf Fragen wie diese finden und so neues Wissen über die Zukunft von Seen im Zeichen des Klimawandels generieren. Da dies nur mit einem größeren Forschungsteam zu erreichen ist, sind Wissenschaftler aus dem In- und Ausland eingeladen, die Forschungsplattform mitzunut-zen. Ein Anfang wurde bereits gemacht: Im ersten von der Leib-niz-Gemeinschaft im Rahmen des Pakts für Forschung und Innova-tion finanzierten Forschungspro-jekt, „TemBi – Klimagetriebene Veränderungen der Biodiversität von Mikrobiota“, arbeitet das IGB mit Partnern vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemün-de und der University Pannonia Veszprém in Ungarn zusammen.
Projektleiter Mark Gessner ist zuversichtlich, dass die Ver-suchsanlage im Stechlin die gewässerökologische Klima-folgeforschung ent scheidend voranbringen wird: „Mit dem Seelabor wird es erstmals mög-lich sein, Kausalzusammenhän-ge zwischen Klimaveränderun-gen und den Effekten in Seen in relevantem Maßstab nachzu-weisen.“ Das sind Grundlagen, die in der Umweltpolitik und im Gewässerschutz dringend benö-tigt werden. Denn schließlich, so schrieb schon Fontane, „sollen wir, wie der Stechlin uns lehrt, den großen Zusammenhang der Dinge nie vergessen.“
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Projektleiter Mark Gessner (re.) und Doktorand Jörg Sareyka bei einer Probenentnahme.
Das Seelabor im Stechlin mit seinen 24 Einzelbecken aus der Vogelperspektive.
ein tiefer blick in die zukunft der binnengewässer
www.seelabor.de
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Faszination Spinnennoch bis zum 28.10.2012Senckenberg Naturhistori-sche Sammlungen Dresden, Japanisches PalaisArachnophobiker, Menschen mit panischer Angst vor Spinnen,
sollten das Museum für Tierkunde in Dresden derzeit meiden. In 40 Terrarien werden dort lebende Spinnen und allerlei Wissenswertes über ihre Biologie präsen-tiert: Wer wusste schon, dass die Tiere mit ihren acht Beinen hören können? Oder dass jedes ihrer vier Au-genpaare eine andere Aufgabe hat? Fakten wie diese lassen Spinnen weniger angsteinflößend als faszinie-rend erscheinen. Dennoch befinden sich die 30 Vogel-spinnarten aus Afrika, Amerika und Asien glücklicher-weise hinter Glas.
Das Goldene Byzanz & der Orientnoch bis zum 4.11.2012Ausstellung des Römisch-Germanischen Zentral-museums (RGZM), Mainz imSchloss Schallaburg, Österreich
Die Geschichte des byzantinischen Reiches ist auch die Geschichte der Entstehung des modernen Euro-pas. Die Ausstellung „Das Goldene Byzanz & der Ori-ent“ beleuchtet Kunst und Kultur vom Aufstieg bis zum Niedergang Konstantinopels zwischen den Jahren 330 und 1453. Im Spannungsfeld tiefer Religiosität, antiken Erbes und der Öffnung für die Moderne entwickelten sich im byzantinischen Weltreich neue Formen des multiethnischen Zusammenlebens. Wie das im Alltag funktionierte und welche Schlüsse daraus heute für die Herausbildung einer gesamteuropäischen Identität ge-zogen werden können, zeigt das RGZM in Kooperation mit dem Schloss Schallaburg.
Chemie in Freizeit und Sport noch bis zum 31.12.2012Deutsches Museum, München Welche chemischen Moleküle machen Freizeitjacken was-serdicht und doch zugleich
atmungsaktiv? Welche Materialen in Sportschuhen schützen die Gelenke der Sportler und wie halten Klebstoffe die einzelnen Schichten eines Skis zusam-men? Antworten finden sich in der Sonderausstellung „Chemie in Freizeit und Sport“, die einen Vorgeschmack auf die neue Chemie-Dauerausstellung des Deutschen Museums liefert.
in den Leibniz-Forschungsmuseen
Sammlungswelten ― Anatomie im Glasnoch bis ende 2012Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt a.M. In den wissenschaftlichen Ab-teilungen der Senckenberg-
Forschungsinstitute lagern Millionen Schätze aus dem Tierreich: Präparate, die mit Formalin in Gläsern für Forschung und Nachwelt konserviert wurden. Ein klei-ner Teil davon wird nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Besonders spektakulär sind die Gewebepro-ben längst ausgestorbener Tiere, das Muskelgewebe eines Mammuts etwa. Einige der Präparate sind über hundert Jahre alt und bilden so eine wichtige Grundla-ge, um die Entwicklung von Organismen wissenschaft-lich nachvollziehen zu können: Evolution im Glas sozu-sagen.
100 Jahre Grundsteinlegungnoch bis zum 31.12.2012Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, BonnAm 3. September 1912 begann in Bonn der Bau eines neuen Museums, das einer stetig wachsenden Sammlung als Ausstellungsraum dienen sollte: Exponaten, die der Zoologe und Zucker-produzentensohn Alexander Koenig auf seinen Expe-ditionen nach Afrika und in die Arktis um Spitzbergen angehäuft hatte. In der Folge war das Gebäude jedoch mehr als bloß Museum, mal Lazarett und für kurze Zeit sogar Bundeskanzleramt. Die wechselvolle Geschich-te des Zoologischen Forschungsmuseums und seines Gründers kann nun anhand von Originalstücken aus Koenigs Sammlung, Fotografien und bislang unveröf-fentlichtem Filmmaterial nachempfunden werden.
Merians Krönungswerknoch bis zum 4.2.2013Germanisches National-museum, Nürnberg Maria Sibylla Merians (1647-1717) Werke führten in Spanien zur Anerkennung der wissen-
schaftlichen Naturmalerei als künstlerische Gattung des Barock. Im Zuge ihrer zweijährigen Surinam-Stu-dien porträtierte Merians die Flora und Fauna Latein-amerikas. Von ihrer 1705 in Amsterdam erschienen Erstausgabe des Surinam-Buches „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ gibt es weltweit nur fünf Exemplare. Eines davon wird nun im Zuge dieser Aus-stellung gezeigt. Es umfasst 60 handkolorierte Kupfer-tafeln sowie die dazu von Merians verfassten Texte.
Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online:http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungsmuseen/leibniz-museen-aktuell/
Aktuelle Sonderausstellungen
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Zeit auf See – Chronometer und ihre Schöpfer
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Deutsches Schiffahrtsmuseum Hans-Scharoun-Platz 127568 bremerhaven Öffnungszeiten: täglich 10-18 Uhr (ab 4.11.2012 Mo. geschlossen)
www.dsm.museum/info/veranstaltun-gen/zeit-auf-see-time-at-sea.5142.de.html
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stellung befand sich mit den Werkstätten von W.G. Ehrlich in Bremerhaven, einer Stadt, deren Bedeutung für die Schifffahrt in der Ausstellung ebenfalls be-leuchtet wird. Erst mit der Erfindung von we-sentlich günstiger zu produzie-renden Quarzuhren und GPS-Geräten endete die über drei Jahrhunderte andauernde Er-folgsgeschichte des Chronome-ters. Heute wird weltweit kein einziges Exemplar mehr herge-stellt.Noch bis zum 25. November 2012 können Besucher sich im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven von Präzision und Ästhetik des Marinechrono-meters überzeugen. Die Ausstel-lung richtet sich dabei nicht nur an Spezialisten auf dem Gebiet der Nautik. Komplizierte tech-nische Vorgänge werden durch Animationen auf Flachbildschir-men auch für Laien verständlich erklärt. Auf einem nachgebau-ten Schiffsrumpf können sie die praktische Nutzung des Chrono-meters ganz plastisch nachvoll-ziehen.
stefanie schreckenbach
Die „Zeit auf See – Time at Sea“ steht derzeit im Mittelpunkt der gleichnamigen Ausstellung in Bremerhaven. Oder genauer: kleine, filigrane Apparate, so-genannte Marinechronometer zur präzisen Messung der Zeit, die vor mehr als dreihundert Jahren die Navigation auf hoher See revolutionierten. Vier Jahre lang erforschte und sammelte Albrecht Sauer vom Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) diese von ihm als „Hightech-Werke“ bezeichneten Uhren. Die Ergeb-nisse werden nun erstmals in ei-ner Ausstellung präsentiert.Über drei Jahrhunderte dienten Chronometer der präzisen Zeit-bestimmung auf See, unabhän-gig von Temperatur, Lage und anderen externen Einflüssen. Durch die genaue Bestimmung der Ortszeit wurde es möglich, anhand des Zeitunterschiedes zum Zielort die geografische Länge zu errechnen und so eine sichere Größe zur Navigation zu haben. Die Bedeutung der Zeit für die Schifffahrtsnavigation spiegelt sich auch im Aufbau der Ausstellung wider: Den 24 Stun-den des Tages entsprechen 24 Themenschwerpunkte.Bevor das Chronometer erfun-den wurde, orientierten sich die Seefahrer ausschließlich an der geografischen Breite des Ziel-ortes. Fehlerhafte Schätzungen, widrige Wetterbedingungen und schlechte Sicht führten immer wieder zu Unglücken und Hava-rien mit vielen Toten. 1714 begann der Uhrmacher-Au-todidakt John Harrison mit der Entwicklung einer selbst auf hoher See
präzise arbei tenden Uhr. Zuvor hatte die britische Regierung ein Preisgeld von 20.000 Pfund für die Lösung des sogenannten "longitude prob lem" ausgesetzt. Nach mehreren Anläufen gelang es Harrison schließlich 1759, eine Uhr zu entwickeln, deren Präzisi-on eine exakte Bestimmung der geografischen Länge auf hoher See zuließ.Anhand von 160 Ausstellungs-stücken und computeranimier-ten historischen Grafiken zeigt das DSM jedoch nicht nur den praktischen Nutzen, die Her-stellung und die innere Funk-tionsweise des Chronometers, sondern auch seine Ästhetik: Jede Uhr ist ein kleines Kunst-werk, von Hand oder mithilfe eigens entwickelter Maschinen und Werkzeuge gefertigt und in strengen Kontrollverfahren geprüft. Das macht Chronome-ter zu raren Sammlerstücken. Den Wert eines 1793 in Lon-don gefertigten Chronometers von Thomas Mudge und Robert Pennigton schätzt Albrecht Sau-er vom DSM auf den Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses.In Deutschland wurde ver-gleichsweise spät damit begon-nen, eigene Chronometer zu produzieren, waren sie doch zuvor meist aus England und Frankreich importiert worden.
Ein Zentrum deutscher Her-
Zeitauf See
Marine Revolution: Das Deutsche
Schiffahrtsmuseum erinnert an das Chronometerin den Leibniz-Forschungsmuseen
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Das Bürogebäude in der Rue du Trône 98, ein leidlich anspre-chender Achtgeschosser in einer extrem befahrenen Einfall straße, ist seit Januar 2011 die Adresse des Brüssel-Büros. Hier ist es vielen als „Haus der Wissen-schaft“ ein Begriff. Tatsächlich haben sich dort im Laufe der ver-gangenen 20 Jahre immer mehr Vertretungen deutscher und europäischer Forschungs- und Förderorganisati-onen niedergelassen. Zufällige Begegnungen im Haus, kurze Wege fördern die in Brüssel so wich-tige Vernetzung. Gern hilft man sich gegenseitig aus, mal mit Tagungsräumen, einer Videokon-ferenzanlage oder einfach nur ein paar Stühlen. Die ersten am Platz waren die Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen (KoWi) so-wie SwissCore - das Schweizer Kontaktbüro für Forschung, Innovation und Bildung. Im Laufe der Jahre sind der italienische Consiglio Nazionale delle Ricerche, der Research Council of Norway, die Helmholtz-Gemeinschaft sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt , die polnische Wissenschaftsakademie, das tschechische Verbin-dungsbüro für Forschung und Entwicklung, das französische Centre National de la Recherche, die Hochschulrektorenkonferenz, die FU-Berlin und schließlich die Leibniz-Gemeinschaft hinzuge-kommen. Die Adresse hat sich längst zum Magneten für wissenschaftsorientierte Büros entwickelt. Mehr
noch: sie reflektiert inzwischen auch die veränderten Strukturen der EU-Forschungsförderung so-wie die zunehmende Verzahnung nationaler und europäischer Forschungspolitik. Beispiele da-für sind sowohl die jüngst hinzu-gekommenen Büros der europä-ischen Infrastrukturen EATRIS (European Advanced Translati-onal Research Infrastructure in
Medicine) und PRACE (Partnership for Advan-ced Computing in Europe) als auch das FONA-Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das die Vernetzung nationaler und europäischer Aktivitäten im Bereich nachhaltiger Entwicklung, Umwelt und Energie unterstützt. Geographisch liegt das Haus der Wissenschaft günstig in unmittelbarer Nachbarschaft zu den EU-Institutionen und anderen wichtigen Akteu-ren. Zwar plant die Generaldirektion Forschung der Europäischen Kommission zum Jahresende ihren Umzug, doch die meisten ihrer Abteilungen werden auch weiterhin fußläufig erreichbar sein.
Haus der Wissenschaft
Claudia Labisch leitet das brüssel-büro der Leibniz-Gemeinschaft.
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... können auch sonst sehr rationale Wissenschaftler zeigen. Das ließ sich beim Sommerfest in der Leibniz-Geschäftsstelle am Vorabend der außerordentlichen Mitgliederversammlung für die an-gereisten Vertreter der Institute beobachten. Bevor es um wichtige Themen wie die Strategie der Gemeinschaft oder die mittelfristige Finanzplanung für die kommenden Jahre ging, nutzten vie-le Leibnizianerinnen und Leibnizianer die Gelegenheit, das Halbfinale der Fußball-EM zwischen Deutschland und Italien zu verfolgen – zum recht einsamen Vergnügen eines einzelnen anwesen-den italienischen Institutsdirektors.
282.347 Menschen besuchten bis zum
2. September die Ausstellung „Der frühe
Dürer“ im Germanischen national museum in
nürnberg, einem Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft.
8,3 Mio
gedruckte Bände stehen in den Magazinen des Goportis -
Leibniz-Bibliotheksverbund Forschungsinformation.
Der Verbund umfasst die drei zentralen Fachbibliotheken Deutschlands, die allesamt
der Leibniz-Gemeinschaft angehören: die Deutsche
Zentralbibliothek für Medizin in Köln und Bonn,
die Deutsche Zentral-bibliothek für Wirtschafts-
wissenschaften - Leibniz-Informationszentrum
Wirtschaft in Kiel und Ham-burg sowie die Technische Informations bibliothek in
Hannover.
81.880Liter (oder: 80 Tonnen)
Alkohol lagern im Museum für naturkunde – Leibniz-
institut für evolutions- und biodiversitätsforschung in berlin. in 276.000 Gläsern konservieren sie über eine
Million nasspräparate.
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verlosungHans-Werner Sinn, Präsident des ifo-instituts — Leibniz-institut für Wirtschaftsfor-schung an der Universität München, ist bekannt für pointierte und mitunter pola-risierende Stellungnahmen.
Am 8. Oktober erscheint im Hanser-Verlag Sinns neues buch „Die Target-Falle. Gefahren für unser Geld und unse-re Kinder“, in dem er zehn Jahre nach der einführung des euro bilanz zieht. Wir verlosen fünf exemplare des buches. bitte senden Sie bis zum 31. Oktober 2012 eine e-Mail mit namen, Adresse und dem Stich-wort „Target- Falle“ an verlosung@leibniz- gemeinschaft.de
Die Gewinner der Verlosung zur Dürer-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aus dem Leibniz-Journal 1/2012:Den Begleitband zur Dürer-Ausstellung gewannPatrick Hoenninger aus DortmundJe zwei Eintrittskarten gingen an- Jürgen Teichmann aus Unterhaching- Annette Folkendt aus Fürth- Prof. Dr. bernd Herrmann aus Göttingen- Janine Wiesner aus Freiberg- Dr. Mechthild Kässer aus Diekholzen
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Eindimensionale Herangehensweisen grei-fen zu kurz, wenn es darum geht, Antworten auf drängende wissenschaftlich und gesell-schaftlich relevante Fragestellungen zu fin-den. Dieser Erkenntnis trägt auch das neue Konzept der Leibniz-Forschungsverbünde Rechnung. In ihnen schließen sich Leibniz-Institute und auch externe Partner verschie-dener wissenschaftlicher Disziplinen zusam-
Wissenschaft trifft Politik: Der frühere SPD-Vorsitzende und heutige Bundestagsabgeordnete Franz Müntefering und Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer sprechen im Zuge von „Leibniz im Bundestag“ über den demografi-schen Wandel. Kurz vor der Som-merpause bekamen bei der Aktion rund 80 Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen Besuch von Leibniz-Wissenschaftlern, um sich zu deren Forschungsthemen aus erster Hand über den Stand der Wissenschaft und mögliche Implikationen für die Politik aus-zutauschen.
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Gemeinsam stark: Die Leibniz-Forschungsverbünde
men, um ihre Kompetenzen zu bündeln und die Forschung der Gemeinschaft strategisch weiter zu entwickeln. Die fünf ersten auch mit Geldern aus dem Impulsfonds des Präsi diums der Leibniz-Gemeinschaft unterstützten Ver-bünde behandeln „Bildungspotentiale“, „Bio-diversität“, „Historische Authentizität“, „Nach-haltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ und „Nanosicherheit“.
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Wo gibt es die meisten Berufspendler? Wie hoch ist die Zeitungsdichte in NRW und wie viele Krankenhausbetten hat Berlin? Der „Nationalatlas Bundesrepublik Deutsch-land“ des Leibniz-Instituts für Länderkunde ist eine wahre Fundgrube für hochwertiges Kartenmaterial und Fakten-Wissen. Nun ist erstmals eine vollständige und in weiten Teilen aktualisierte Komplettversion des zwölfbändigen Standardwerkes erhältlich. Sie vereint alle bisher erschienenen Ausga-ben auf einer DVD.Mehr als 600 Wissenschaftler arbeiteten mit an diesem umfassenden Porträt Deutsch-lands. Das Ergebnis beeindruckt mit einer
Der den Sammelband einleitende Überblick von Erwin Stein über Leibniz‘ Bedeutung als Mathematiker, Physiker, Ingenieur und Philosoph skizziert die Voraussetzung für jede Beschäftigung mit Leibniz: Die Ein-bettung seines vielseitigen Wirkens in den Gesamtzusammenhang seines Denkens von den logisch-metaphysischen Grundannah-men bis hin zu den philosophisch-prakti-schen Konsequenzen.Die Einzelbeiträge von Jürgen Mittelstrass (über Kalkulations- und Integrationsrech-nung), Heinz Zemanek (Leibniz und der Computer), Günter B. L. Fettweis (Leibniz und der Bergbau) und Lore Sexls Studie zum Verhältnis Leibniz‘ zu Wien liefern hierzu aufschlussreiche Facetten.
Vielschichtigkeit, die von Themenfeldern wie „Gesellschaft und Staat“ bis zu „Klima, Pflanzen und Tierwelt“ reicht.Mithilfe des einfachen, interaktiven Be-dienungsmenüs der DVD lässt sich gezielt recherchieren oder stöbernd Wissen ent-decken. Ob Schüler, Bürger oder Spezialist: Wer an Fakten über Deutschland interes-siert ist, wird mit der Fülle an Expertise ge-wiss etwas anzufangen wissen.Der digitalisierte Nationalatlas ist eine kos-tengünstige, aktuelle und vor allem platz-sparende Alternative zu den gedruckten Ausgaben. christian soyke
Hochaktuell sind zwei Hinweise von Mit-telstrass: Fortschritt durch Wissenschaft brauche fächerübergreifende Vermittlung und Prüfung der Einzelergebnisse, das heißt eine „universale“ Perspektive, die durch die zunehmende Partikularisierung von Subdisziplinen heute immer schwerer zu leisten ist. Eine derartige Perspektive bedürfe entsprechender entwicklungs- und lernfähiger Institutionen, die interdiszipli-näres Denken fördern anstatt Fachgrenzen festzuschreiben. An beides erinnert uns Leibniz wie wohl kein anderer Wissenschaftler und Philo-soph der europäischen Neuzeit.
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Julia Fischer: Affenge-
sellschaft; gebunden, 281
S., Suhrkamp, Berlin 2012;
26,95 Euro,
ISBN 978-3-518-42302-8
Leibniz-Institut für
Länderkunde: Nationalatlas
Bundesrepublik Deutschland
- Alle 12 Bände auf einer
DVD; Springer Spektrum 2012;
19,95 Euro,
ISBN: 978-3-8274-2888-2
Theoria cum Praxi. Aus der
Welt des Gottfried Wilhelm
Leibniz. 239 S., Verlag der
Österreichischen Akademie
der Wissenschaften, Wien
2012; 69,00 euro,
iSbn13: 978-3-7001-7060-0
Fast wäre Julia Fischer vom Deutschen Pri-matenzentrum Göttingen Meeresbiologin geworden. Doch dann – kurz vor Ende ihres Studiums – untersuchte sie in einem Kurs für Verhaltensbiologie in Südwestfrank-reich das Sozialverhalten von Berberaffen. Das Miteinander der Tiere faszinierte Fi-scher so sehr, dass sie mehr wissen wollte und den Affen bis heute treu geblieben ist.In Ihrem Buch „Affengesellschaft“ widmet sie sich dem Sozialverhalten, der Kognition und der Kommunikation beim Affen. Immer wieder arbeitet sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur menschlichen Evolution heraus. Ihre Beobachtungen hat Fischer überwiegend in der Wildnis gemacht. Zu-
sätzlich hat sie im Gehege in zahlreichen Experimenten mit der Gruppe der „ge-schwänzten Altweltaffen“ gearbeitet, mit Berberaffen, Bären- und Guineapavianen. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Schutz der letzten Refugien bedrohter Arten höchste Priorität habe. Erst dann solle die Forschung sich offenen Fragen zuwenden: etwa warum unsere Vorfahren irgendwann begannen, sich mit Worten und Gebärden zu verständigen. Neben ihren Ergebnissen bietet Fischers Buch zahlreiche Anekdoten aus dem For-scherinnenalltag und ist so eine gleicher-maßen informative wie unterhaltsame Lektüre. eva brunner
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Der mit 25.000 Euro dotierte Hans-Christian-Hagedorn-Pro-jektförderpreis geht an Prof. Dr. Michael Roden, wissenschaft-licher Direktor des Deutschen Diabetes Zentrums – Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung in Düssel-dorf. Damit würdigt die Deutsche Diabe-tes-Gesellschaft seine Forschungsarbeit zu direkten und indi-rekten Effekten von zentraler Insulingabe auf den hepatischen Glukosestoffwech-
sel. Diabetes Typ 2 ist eine kom-plexe Stoffwechselerkrankung, bei der es neben Insulinmangel zu weiteren metabolischen Ver-änderungen kommt. Rodens Projekt untersucht, welche Ef-
fekte die Gabe von Insulin direkt in das Gehirn oder in andere Bereiche des
Körpers hat. Die inno-vativen Ansätze des Mediziners können langfristig neue The-
rapieoptionen für Dia-betespatienten er-
öffnen.
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Ein Provisorium zur dauerhaften Erfolgsge-schichte gemacht hat Dr. Falk Fabich, Ge-schäftsführer des Forschungsverbundes Berlin. Der 1945 in der Nähe von Schleswig geborene Jurist baute nach der Wiedervereinigung ab 1992 diesen administrativen Zusammen-schluss von acht Leibniz-Instituten mit auf und formte aus der ursprünglich als Übergangslö-sung gedachten gemeinsamen Verwaltung ein dauerhaftes Erfolgsmodell. Von 2003 bis 2011 war Fabich zudem ehrenamtlich administra-tiver Vizepräsident der Leibniz-Gemeinschaft. Ende September tritt Fabich in den Ruhestand. Ganz los lässt ihn die Leibniz-Gemeinschaft aber zunächst nicht: Bis zur Neubesetzung der vakanten Direktorenstelle am Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven fungiert Fabich dort kommissarisch als Geschäftsfüh-render Direktor.
Einstimmig ist Dr. Marcel Fratzscher vom Kuratorium des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-schung Berlin (DIW) zum künftigen Vorsit-zenden des Vorstands berufen worden. Vo-raussichtlich im Fe-bruar 2013 wird der Leiter der Abteilung International Policy Analysis der Europä-ischen Zentralbank an die Spitze des DIW wechseln. Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim bekommt einen neuen wissenschaft-lichen Direktor. Prof. Dr. Clemens Fuest wird ab 1. März 2013
zusammen mit dem kaufmännischen Direktor Thomas Kohl das Forschungs-institut leiten. Derzeit forscht und lehrt Fuest an der Uni-versität Oxford als
LeibnizLeute
Mit dem Physiker Dr. Denys Makarov und dem Chemiker Dr. Samuel Sanchez erhalten zwei Wissenschaftler des Leibniz-Ins-tituts für Festkörper- und Werk-stoffforschung in Dresden einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC). Er be-inhaltet eine Projektförderung von je 1,5 Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre. Makarov will mit seinem Projekt „Shapeable Mag-netoelectronics in Research and Technology“ das vorherrschende Modell elektronischer Bauele-
Forschungsdirek-tor des Centre for Business Taxation und Professor für Unternehmensbe-steuerung.
Der Generaldirektor des Germanischen
Nationalmuseums in Nürnberg, Prof. Dr. G. Ulrich Groß-mann, wurde zum neuen Präsidenten des Internationalen Kunsthistorikerver-bandes gewählt.
Mit einem Starting Grant des Europäi-schen Forschungs-rates ERC kann Dr. Markus Roth vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg die Ursa-chen der Sonnenakti-vität untersuchen. Er wird innovative An-sätze für die seismi-sche Untersuchung von Strömungen im tiefen Inneren der Sonne entwickeln.
mente mithilfe flexibler Magne-toelektronik verändern. Diese Elemente eignen sich besonders für die Anwendung in der Biome-dizin und bei Elektromotoren. Mit seinem Projekt „Lab-in-a-tube and Nanorobotic biosensors“ ver-folgt Samuel Sanchez das Ziel, Mi-kroröhren aus Nanomembranen für Anwendungen in biologischen Systemen nutzbar zu machen. Dadurch werden unter anderem Langzeituntersuchungen und Ma-nipulationen von Zellkern teilung möglich.
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Leibniz-Journal
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Herausgeber:Leibniz-GemeinschaftChausseestraße 111, 10115 BerlinTelefon: +49(0)30 20 60 49-0Telefax: +49(0)30 20 60 49-55www.leibniz-gemeinschaft.de
Präsident:Prof. Dr. Karl Ulrich MayerGeneralsekretärin:Christiane Neumann
Redaktion:Christian Walther (Chefredakteur)Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.)David SchelpEva Brunner, Nora Haase, Stefanie Schreckenbach, Christian Soyke (Praktikanten) [email protected]
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Druck:PRINTEC OFFSET - medienhaus, Kassel
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet,Beleg erbeten.Auflage: 19.000Ausgabe 2/2012: September www.leibniz-gemeinschaft.de/journal
Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich.Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet und ist für 3 Euro im Zeitschriftenhandel an Flughäfen und Bahnhöfen erhältlich. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos abonniert werden. ISSN: 2192-7847
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Prof. Dr. Axel Brak-hage, Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbio-logie - Hans-Knöll-Institut in Jena, ist zum Sprecher des Fachkollegiums Mikrobiologie, Im-munologie, Virologie der Deutschen For-schungsgemeinschaft gewählt worden.
Zwei neue Direkto-ren verstärken seit diesem Jahr das Wis-senschaftszentrum Berlin für Sozialfor-schung: Der Ökonom
Prof. Dr. Steffen huck leitet seit April die Abteilung Öko-nomik des Wandels. Der Soziologe Prof. David Brady leitet seit August die Ab-teilung Ungleichheit und Sozialpolitik.
Der Professor für Aquatische Öko-
logie, Prof. Dr. Klement Tockner vom Leibniz-Institut für Gewässer- und Binnenökologie, und der Münchner
Ökonom Prof. Dr. hans-Werner Sinn vom ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschafts-forschung sind als korrespondierende Mitglieder in die Österreichische Akademie der Wissenschaften auf-genommen worden.
Die Immunologin Prof. Dr. Irmgard Förster hat durch das Leibniz-Institut für umweltmedizini-sche Forschung den Titel eines „Leibniz Chair“ verliehen bekommen. Diese Auszeichnung wür-digt die Verdienste herausragender Forscherpersönlich-keiten.
Die Virologin Dr. Gülsah Gabriel vom Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimen-telle Virologie in Hamburg erhält in diesem Jahr den Robert-Koch-Förderpreis. Seit 1981 ehrt die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld mit der Auszeichnung herausragende Forschungsbeiträge. Im prämier-ten Beitrag befasst sich Gabriel mit der Wirtsadaption der In-fluenza A Viren. Diese Grippe-Erreger können vom Tier auf den Menschen übergehen. Dazu müs-sen die Viren sowohl die äußere Zellmembran als auch die innere Kernmembran als Wirtsbarrie-ren überwinden. Gülsah Gabriel und ihrem Forschungsteam ist es nun erstmals gelungen, die An-passung der Grippeviren an die zweite innere Barriere detailliert zu beschreiben.
Dr. Marion Schick, Personalvor-stand bei der Deutschen Telekom AG und ehemalige Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Lan-des Baden-Württemberg, ist neu-es Mitglied im Senat der Leibniz-Gemeinschaft. Von 2000 bis 2008 war Schick Präsidentin der Hoch-
schule München, im Anschluss Vorstandsmitglied für Personal und Recht der Fraunhofer-Gesell-schaft. Ihre Wahl durch den Senat auf Vorschlag des Präsidiums der Leibniz-Gemeinschaft erfolgte einstimmig. Schicks Amtsdauer beträgt vier Jahre. Sie zählt zu den bis zu dreizehn Personen des öffentlichen Lebens in dem voll-ständig aus Externen besetzten Gremium. Im Senat bestätigt wur-den Prof. Dr. Beate Jessel, Prof. Dr. Hans-Jürgen Troe und der Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann. Zu den wichtigsten Aufgaben des Senats gehört es, Empfehlungen zur strategischen Weiterentwicklung der Leibniz-Gemeinschaft und ihrer Mitglieds- einrichtungen abzugeben.
Neuer Leiter der Abteilung Tech-nik in der Tierhaltung am Leibniz-Institut für Agrartechnik (ATB) in Potsdam-Bornim ist Prof. Dr. Thomas Amon. Zugleich be-rief die Freie Universität Berlin (FU) den Agrarwissenschaftler an den Fachbereich Veterinär-medizin, an dem er „Nutztier-Umwelt-Wechselbeziehungen“ lehrt. Es ist die erste gemeinsa-me Berufung von ATB und FU. In Potsdam möchte Amon sich vor-rangig grundlagenorientierten Forschungsaufgaben zu Fragen der Senkung von Umweltbelas-tungen durch Emissionen und Immissionen aus der Tierhaltung widmen.
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Dr. MarionSchick
Dr. Gülsah Gabriel
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