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Lineare Algebra II Prof. Dr. Uwe Jannsen Wintersemester 2011/12 Inhaltsverzeichnis 1 Transformation auf Dreiecksgestalt 1 2 Eigenr¨ aume 4 3 Diagonalisierbarkeit 7 4 Das Minimalpolynom eines Endomorphismus 14 5 Die Jordansche Normalform 21 6 Anwendungen und Berechnung der Jordan-Normalform 29 7 Familien und kartesische Produkte 38 8 Relationen 40 9 ¨ Aquivalenzrelationen 42 10 Quotientengruppen und Quotientenr¨ aume 46 11 Ordnungsrelationen 50 12 Freier Vektorraum ¨ uber einer Menge und Tensorprodukt 56 13 Skalarerweiterungen und die Komplexifizierung eines reellen Vektorraums 65 14 Die Normalform von unit¨ aren und orthogonalen Matrizen 68 15 Die orthogonale Gruppe 74 16 Bilinearformen 81 17 Bilinearformen ¨ uber R 89 18 Quadriken 92 19 Ringe, Ringhomomorphismen und Ideale 102 20 Noethersche Ringe und Hauptidealringe 110

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Lineare Algebra II

Prof. Dr. Uwe JannsenWintersemester 2011/12

Inhaltsverzeichnis

1 Transformation auf Dreiecksgestalt 1

2 Eigenraume 4

3 Diagonalisierbarkeit 7

4 Das Minimalpolynom eines Endomorphismus 14

5 Die Jordansche Normalform 21

6 Anwendungen und Berechnung der Jordan-Normalform 29

7 Familien und kartesische Produkte 38

8 Relationen 40

9 Aquivalenzrelationen 42

10 Quotientengruppen und Quotientenraume 46

11 Ordnungsrelationen 50

12 Freier Vektorraum uber einer Menge und Tensorprodukt 56

13 Skalarerweiterungen und die Komplexifizierung eines reellen Vektorraums 65

14 Die Normalform von unitaren und orthogonalen Matrizen 68

15 Die orthogonale Gruppe 74

16 Bilinearformen 81

17 Bilinearformen uber R 89

18 Quadriken 92

19 Ringe, Ringhomomorphismen und Ideale 102

20 Noethersche Ringe und Hauptidealringe 110

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21 Teilertheorie in Integritatsringen und faktorielle Ringe 112

22 Moduln uber Hauptidealringen und der Elementarteilersatz 117

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1 Transformation auf Dreiecksgestalt

Sei K ein Korper.

Definition 1.1 Zwei Matrizen A und A′ ∈Mn(K) heißen ahnlich (oder konjugiert), wennes eine invertierbare Matrix B ∈Mn(K) gibt (also B ∈ GLn(K)) mit

A′ = B−1AB .

Bemerkungen 1.2 (a) Nach I 15.1 und I 17.15 haben ahnliche Matrizen dieselbe Determi-nante und dasselbe charakteristische Polynom, also auch dieselbe Spur.

(b) Stellt man einen Endomorphismus durch zwei verschiedene Basen dar, so erhalt mankonjugierte Matrizen, nach I 10.27 und I 10.29. Weiter kann man in 1.1 B als die Transfor-mationsmatrix M e

b auffassen, wobei e die Standardbasis des Kn ist und b aus den Spaltenvon B besteht. Dann ist A′ die lineare Abbildung, die x 7→ Ax bezuglich der Basis b darstellt.

Wir wollen untersuchen, wann eine Matrix diagonalisierbar ist, d.h., ahnlich zu einer Dia-gonalmatrix

λ1. . . 0

0. . .

λn

ist. Nach Hauptachsentransformation/Spektralsatz ist dies der Fall fur reelle symmetrischeoder komplexe hermitesche Matrizen. Aber nicht jede Matrix ist diagonalisierbar – z.B. nichtdie Matrix (

0 1−1 0

)∈M2(R)

(siehe Beispiel 1.6) oder die Matrix (1 10 1

)∈M2(C)

(siehe Beispiel 3.7 (b)).

Wir untersuchen in diesem Abschnitt zuerst, welche Matrizen sich auf obere Dreieicksgestalt(vergl. I 13.15)

∗. . . ∗0

. . .

oder untere Dreiecksgestalt

∗. . . 0

∗ . . .

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transformieren lassen.

Satz 1.3 (a) Ein Endomorphismusφ : V → V

eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V laßt sich genau dann durch eine obere Drei-ecksmatrix darstellen (d.h., es gibt eine Basis b von V , so dass M b

b (φ) obere Dreiecksgestalthat), wenn das charakteristische Polynom uber K zerfallt, d.h., Produkt von Linearfaktorenin K[x] ist.

(b) Eine Matrix A ∈ Mn(K) ist genau dann ahnlich zu einer oberen Dreiecksmatrix, wennχA(x) in K[x] zerfallt.

Dasselbe gilt fur untere Dreiecksmatrizen.

Beweis Es genugt, (a) zu zeigen: Zwei Matrizen sind genau dann ahnlich, wenn sie durcheinen Basiswechsel, d.h., Ubergang zu einer anderen Basis auseinander hervorgehen (sieheBemerkung 1.2(b)).

(a): Die eine Richtung folgt aus:

Lemma 1.4 Sei A ∈ Mn(K) ein obere oder untere Dreiecksmatrix mit Diagonalelementenaii (i = 1, . . . , n). Dann ist

χA(x) =n∏i=1

(x− aii) .

Insbesondere sind die aii die Eigenwerte von A.

Beweis xE−A ist eine obere oder untere Dreiecksmatrix mit Diagonalelementen x−aii (i =1, . . . , n). Daher folgt die Aussage aus Satz I 13.15, bzw. analog dazu nach Bemerkung I 17.9.

Die andere Richtung von 1.3 (a) folgt mit vollstandiger Induktion nach n = dimV : Der Falln = 1 ist trivial, also sei n > 1. Zerfallt χφ(x) in K[x], so hat φ einen Eigenwert λ ∈ K. Seiv = 0 ein Eigenvektor zu λ und sei

b = (b1 = v, b2, . . . , bn)

eine Basis von V . Die Matrix-Darstellung von φ bezuglich b ist dann von der Gestalt

A =M bb (φ) =

λ a12 . . . a1n0... A′

0

mit einer gewissen Matrix A′ ∈Mn−1(K). Durch Entwicklung nach der ersten Spalte folgt:

χφ(x) = det(xEn − A) = (x− λ) · det(xEn−1 − A′) = (x− λ)χA′(x)

(Em ∈Mm(K) die (m×m)-Einheitsmatrix).

Andererseits ist nach I 17.11 (λ ist Nullstelle von χA(x)) und I 16.10 (dann ist χA(x) durch(x− λ) teilbar)

χA(x) = (x− λ) · g(x) ,

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mit einem Polynom g(x) ∈ K[x], und g(x) zerfallt nach Voraussetzung in Linearfaktoren.Wegen der Eindeutigkeit der Polynomdivision folgt

χA′(x) = g(x) ;

dies zerfallt also in Linearfaktoren in K[x]. Wir konnen A′ als Endomorphismus von V2 =<

b2, . . . , bn >K auffassen, mit A′(bj) =n∑i=2

aijbi (j = 2, . . . , n). Nach Induktionsvoraussetzung

gibt es dann eine neue Basis b′2, . . . , b′n von V2 bezuglich derer A′ obere Dreiecksgestalt hat.

Dann hat A in der Basis b′ = (b1, b′2, . . . , b

′n) obere Dreiecksgestalt

λ a12 . . . . . . . . . a1n0 ∗...

. . . ∗...

. . .... 0

. . .

0 ∗

Der Fall unterer Dreiecksmatrizen ergibt sich durch Betrachtung der transponierten Matrix.

Da uber C jedes Polynom in Linearfaktoren zerfallt (I 16.15), erhalten wir:

Corollar 1.5 Uber C ist jede Matrix trigonalisierbar, d.h., ahnlich zu einer (oberen) Drei-ecksmatrix (d.h., laßt sich durch Basistransformation auf solche Gestalt bringen).

Beispiel 1.6 Fur A =

(0 1−1 0

)ist das chrakteristische Polynom χA(x) = x2 + 1. Dies hat

keine reelle Nullstelle; daher ist A nicht uber R trigonalisierbar. Nach 1.5 ist A aber uber Ctrigonalisierbar. Tatsachlich ist A uber C sogar diagonalisierbar (siehe 3.7 (a)).

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2 Eigenraume

Sei K ein Korper.

Erinnerung 2.1 (siehe I.17.4) Fur einen K-Vektorraum V , einen Endomorphismus φ : V →V und ein λ ∈ K heißt

V (λ) := ker(φ− λ · id) ⊆ V

der Eigenraum von φ zu λ. Um die Abhangigkeit von φ auszudrucken, schreiben wir auchV (φ, λ).

Bemerkung 2.2 (a) Manche Bucher verwenden die Bezeichnung Vλ.

(b) Es gilt also:V (λ) = 0 ⇔ λ ist Eigenwert von φV (λ)r {0} ist die Menge der Eigenvektoren zu λ.

(c) Fur eine Matrix A ∈Mn(K) und λ ∈ K ist entsprechend

V (λ) := V (A, λ) := ker(A− λ · E) .

der Eigenraum der linearen Abbildung A : Kn → Kn (Spezialfall V = Kn).

Definition 2.3 Sei φ : V → V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums und sei λ ∈ K.

(a) Die Dimension dimK V (λ) des Eigenraums von λ heißt die geometrische Vielfachheitvon λ als Eigenwert von φ.

(b) Die algebraische Vielfachheit von λ als Eigenwert von φ ist die Vielfachheit von λals Nullstelle des charakteristischen Polynoms χφ(x) von φ.

Hierbei definieren wir

Definition 2.4 Sei f(x) ∈ K[x] ein Polynom uber K. Die Vielfachheit von λ ∈ K alsNullstelle von f(x) ist gleich m (m ∈ N0), wenn gilt

f(x) = (x− λ)m · g(x)

mit g(λ) = 0. Wir nennen λ dann auch eine m-fache (einfache, zweifache...) Nullstelle vonf(x).

Bemerkung 2.5 (a) Die Nullstellen-Vielfachheit von λ ∈ K fur f ∈ K[x] ist ≤ deg(f), und0 genau dann, wenn λ keine Nullstelle von f ist.

(b) λ ∈ K ist kein Eigenwert von φ : V → V⇔ die geometrische Vielfachheit von λ ist 0⇔ die algebraische Vielfachheit von λ ist 0.

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Beispiel 2.6 Betrachte die Matrix

A =

−1 0 0 60 1 0 −30 0 1 10 0 0 1

Die Eigenwerte von A sind 1 und −1; das chrakteristische Polynom ist

χA(x) = (x+ 1)(x− 1)3 .

Die algebraische Vielfachheit ist also 1 fur λ = −1 und 3 fur 1.

Was sind die geometrischen Vielfachheiten?

λ = −1: Betrachte

V (−1) = ker(A− (−1) · E) = ker

0 0 0 60 2 0 −30 0 2 10 0 0 2

Der Rang dieser Matrix ist 3: die letzten 3 Spaltenvektoren sind linear unabhangig, denn

es sind schon die 3 Vektoren

200

020

−312

linear unabhangig (die Matrix mit diesen

Spalten hat Det = 8 = 0). Nach der Rangformel ist also dimV (−1) = 4− 3 = 1.

λ = 1:

V (1) = ker(A− E) = ker

−2 0 0 60 0 0 −30 0 0 10 0 0 0

Diese Matrix hat Rang 2: der 1. und 4. Spaltenvektor sind linear unabhangig; die mittlerenSpaltenvektoren sind null. Also ist dimV (1) = 2, die geometrische Vielfachheit von 1 ist also2 < 3 = algebraische Vielfachheit. Diese Vielfachheiten konnen also verschieden sein.

Allgemein gilt aber:

Proposition 2.7 Die geometrische Vielfachheit eines Eigenwertes ist kleiner oder gleich deralgebraischen Vielfachheit.

Beweis Sei dimV (λ) = m und v1, . . . , vm eine Basis von V (λ). Erganze dies zu einer Basisb = (v1, . . . , vm, vm+1, . . . , vn) von V . Die Matrixdarstellung von φ bezuglich dieser Basis hatdann wegen φ(vi) = λ · vi fur i = 1, . . . ,m die Gestalt

m︷ ︸︸ ︷

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A =M bb (φ) =

m

λ. . . 0 ∗0

. . .

λ

0 A′

Durch iterierte Entwicklung nach den ersten m Spalten folgt

χA(x) = (x− λ)m · χA′(x)

(exakter Beweis durch vollstandige Induktion nach m). Damit ist die algebraische Vielfach-heit m′ von λ großer oder gleich m: ist χA′(x) = (x− λ)r · g(x) mit r ≥ 0 und g(λ) = 0, soist m′ = m+ r ≥ m= geometrische Vielfachheit von λ.

Lemma 2.8 (vergleiche auch I 19.22) Sind λ1, . . . , λs verschiedene Eigenwerte von φ, sobilden V (λ1), . . . , V (λs) eine direkte Summe in V , d.h., es gilt:

(2.8.1) Ist v1 + . . .+ vs = 0 mit vi ∈ V (λi) (i = 1, . . . , s), so folgt v1 = . . . = vs = 0 .

Insbesondere gilts∑i=1

dimV (λi) ≤ dimV , und es ist V (λi) ∩ V (λj) = 0 fur i = j.

Beweis durch Induktion uber s. Fur s = 1 ist nicht zu zeigen. Sei s > 1 und

(∗) v1 + v2 + . . .+ vs = 0 mit vi ∈ V (λi) .

Durch Anwenden von φ erhalten wir die Gleichung

λ1v1 + . . .+ λsvs = 0

Durch Multiplizieren von (∗) mit λs und Subtraktion folgt

(λ1 − λs)v1 + (λ2 − λs)v2 + . . .+ (λs−1 − λs)vs−1 = 0

Wegen (λi − λs)vi ∈ V (λi) und (2.8.1) fur s− 1 (Induktionsvoraussetzung) schließen wir

(λi − λs)vi = 0 ∀ i = 1, . . . , s− 1

Wegen λi = λs fur i = s folgt hieraus

vi = 0 ∀ i = 1, . . . , s− 1 .

Wegen (∗) gilt dann auch vs = 0.

Die anderen Aussagen folgen sofort.

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3 Diagonalisierbarkeit

Die Gleichheit von geometrischer und algebraischer Vielfachheit gilt gerade bei den diago-nalisierbaren Matrizen:

Definition 3.1 Ein Endomorphismus φ : V → V eines endlich-dimensionalenK-Vektorraumsheißt diagonalisierbar, wenn es eine Basis b von V gibt, bezuglich derer die Matrixdarstel-lung von φ Diagonalgestalt hat, d.h., fur die

M bb (φ) =

λ1

λ2 0. . .

0. . .

λn

mit λ1, . . . , λn ∈ K.

Bemerkung 3.2 Damit ist auch definiert, wann eine n × n-Matrix A ∈ Mn(K) diagonali-sierbar ist: wenn sie ahnlich zu einer Diagonalmatrix

λ1. . . 0

0. . .

λn

ist.

Denn die Beschreibung des Endomorphismus A : Kn → Kn, v 7→ Av, in einer neuen Basisb = (b1, . . . , bn) bedeutet grade Ubergang zu A′ = B−1AB, wobei B = M e

b (:= M eb (id)) die

Matrix ist, bei der in der j-ten Spalte gerade der j-te Basisvektor bj steht, also B = (b1 |. . . | bn) = Matrix mit Spaltenvektoren b1, . . . , bn (vergleiche 1.2(b)).

Satz 3.3 Fur einen Endomorphismus φ : V → V eines endlich-dimensionalenK-Vektorraumssind die folgenden Aussagen aquivalent:

(a) φ ist diagonalisierbar.

(b) φ ist trigonalisierbar, und fur jeden Eigenwert λ von φ ist die geometrische Vielfachheitgleich der algebraischen Vielfachheit.

(c) Das charakteristische Polynom χφ(x) von φ zerfallt in K[x], und fur jeden Eigenwert λvon φ ist die geometrische gleich der algebraischen Vielfachheit.

(d) V besitzt eine Basis aus Eigenvektoren von φ

(e) Sind λ1, . . . , λr ∈ K die verschiedenen Eigenwerte von φ, so ist dimV =r∑i=1

dimV (λi).

(f) Sind λ1, . . . , λv ∈ K die verschiedenen Eigenwerte von φ, so ist V =r⊕i=1

V (λi).

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Wir zeigen zuerst:

Lemma 3.4 Sei b = (b1, . . . , bn) eine Basis von V und φ : V → V ein Endomorphismus. Danngilt: Die Matrixdarstellung M b

b (φ) von φ bezuglich b ist genau dann eine Diagonalmatrix,wenn alle bi Eigenvektoren von φ sind.

Beweis: Dies ist klar, denn es gilt:

φ(bi) = λi · bi ∀ i = 1, . . . , n ⇔ M bb (φ) = (δij · λi) =

λ1

. . . 0

0. . .

λn

Beweis von 3.3 (a) ⇔ (d) folgt aus Lemma 3.4 und (b) ⇔ (c) folgt aus Satz 1.3.

Seien nun λ1, . . . , λr die verschiedenen Eigenwerte von φ in K. Nach Lemma 2.8 bilden dieV (λi) eine direkte Summe

V ′ =r⊕i=1

V (λi) ⊆ V ,

und es ist dimV ′ =r∑i=1

dimV (λi) ≤ dim(V ). Dies zeigt, dass (e) ⇔ (f), denn es ist V ′ = V

genau dann wenn dimV ′ = dimV .

(c) ⇒ (e): Zerfallt χφ(x), so ist

(∗) χφ(x) =r∏i=1

(x− λi)mi mit λi ∈ K ,

wobei mi = algebraische Vielfachheit von λi. Ist mi = dimV (λi), so folgt

r∑i=1

dimV (λi) =r∑i=1

mi(∗)= degχφ(x) = dimV

(f) ⇒ (d): Wahle fur jedes i = 1, . . . , r eine Basis bi = (bi1, . . . , bini), ni = dimV (λi). Dann ist

b = (bi1, . . . , bin1, . . . , br1, . . . , b

rnr) eine Basis von V ′. Ist also V ′ = V , so gilt (d).

(d) ⇒ (b): Sei b eine Basis aus Eigenvektoren. Wir konnen b so anordnen, dass

b = (b11, . . . , b1n1, b21, . . . , b

2n2, . . . , bt1, . . . , b

tnt)

wobei bi1, . . . , bini

gerade Eigenvektoren zum Eigenwert λi sind, und λi = λj fur i = j. Dann

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ist die Matrix von φ bezuglich b gleich

A =

n1

n2

nt

λ1. . .

λ1λ2

. . .

λ2. . .

λt. . .

λt

,

also

χφ(x) = χA(x) =n∏i=1

(x− λi)ni .

λ1, . . . , λt sind also alle Eigenwerte von φ, und ni ist die algebraische Vielfachheit von λi.Andererseits ist fur alle i

< bi1, . . . , bini>K⊆ V (λi)

und damit ni ≤ dimV (λi). Mit 2.7 folgt ni = dimV (λi) fur i = 1, . . . , t und wir erhalten(b). Damit ist die Aquivalenz aller Aussagen in 3.1 gezeigt.

Corollar 3.5 Sei V ein K-Vektorraum der Dimension n ∈ N, und sei φ : V → V einEndomorphismus. Hat φ n verschiedene Eigenwerte in K, so ist φ diagonalisierbar.

Beweis Seien λ1, . . . , λn die Eigenwerte von φ. Dann ist 1 ≤ dimV (λi) fur alle i = 1, . . . , nund

n∑i=1

dimV (λi) ≤ n

wegen Lemma 2.8. Also gilt Gleichheit uberall und damitn⊕i=1

V (λi) = V , d.h., V besitzt eine

Basis aus Eigenvektoren fur φ.

Bemerkung 3.6 Sei A ∈Mn(K). Ist A diagonalisierbar, so sei v1, . . . , vn eine Basis von Kn

zu den Eigenvektoren λ1, . . . , λn (die nicht notwendig verschieden sind). Sei T = (v1 | . . . | vn)die Matrix, deren Spalten die Eigenvektoren v1, . . . , vn sind. Dann ist

(3.6.1) T−1AT =

λ1

. . . 0

0. . .

λn

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eine Diagonalisierung von A. Denn es ist

T−1AT = T−1A(v1 | . . . | vn) = T−1(Av1 | . . . | Avn)= T−1(λ1v1 | . . . | λnvn) (vi Eigenvektor zum Eigenwert λi)

= (λ1e1 | . . . | λnen) =

λ1

. . . 0

0. . .

λn

,

denn wegen T−1T = E muss gelten (T−1v1 | . . . | T−1vn) = E = (e1 | . . . | en), alsoT−1vi = ei, damit T−1λivi = λiT

−1vi = λiei.

Die Matrix aus den Eigenvektoren liefert also eine Transformationsmatrix zur Diagonalisie-rung.

Ein anderer Beweis von (3.6.1) ergibt sich daraus, dass T−1AT die Darstellungsmatrix vonA (d.h., der linearen Abbildung A : Kn → Kn) bezuglich der Basis v = (v1, . . . , vn) ist (daT = M e

v , fur e = (e1, . . . , en) die Standardbasis von Kn. Nun verwende (den Beweis von)Lemma 3.4.

Beispiele 3.7 (a) Wir betrachten die Matrix

A =

(0 1−1 0

)aus Beispiel 1.6. Das charakteristische Polynom ist χA(x) = x2 + 1 und hat die komplexenNullstellen i und −i (i =

√−1). Nach 3.5 ist A also uber C diagonalisierbar.

Diagonalisierung: Eigenvektor zu i ist

(1i

), und Eigenvektor zu −i ist

(i1

). Die Transfor-

mationsmatrix T hat die Eigenvektoren als Spalten:

T =

(1 ii 1

).

Es ist T−1 = 12

(1 −i−i 1

)und

T−1AT = 12

(1 −i−i 1

)(0 1−1 0

)(1 ii 1

)= 1

2

(1 −i−i 1

)(i 1−1 −i

)=

(i 00 −i

)eine Diagonalisierung uber C.

(b) Betrachte die Matrix

A =

(1 10 1

).

Eigenwert ist 1, mit algebraischer Multiplizitat 2. Der Eigenraum zum Eigenwert 1 ist

V (1) = ker

(0 10 0

)=

{(xy

)∣∣∣∣ y = 0

}= K

(10

).

10

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Also ist die geometrische Vielfachheit 1 und A ist nicht diagonalisierbar. Das gilt uber jedemKorper K, also K = Q,R,C,F2, . . . (vergleiche auch die spateren Paragraphen uber dieJordansche Normalform).

(c) Nach Hauptachsentransformation/Spektralsatz (LA I) ist uber R jede symmetrische Ma-trix diagonalisierbar und uber C jede hermitesche Matrix.

Satz 3.3 motiviert die folgende Definition:

Definition 3.8 Ein Endomorphismus φ : V → V eines beliebigen (nicht notwendig endlich-dimensionalen) K-Vektorraums V heißt diagonalisierbar, wenn V eine Basis aus Eigenvek-toren fur φ besitzt.

Wegen 3.3. gibt dies fur endlich-dimensionales V die alte Definition!

Definition 3.9 Sei V ein K-Vektorraum und sei (Vi)i∈I eine Familie von UntervektorraumenVi ⊆ V , wobei die Indexmenge I nicht notwendig endlich sei.

(a) Die Summe∑i∈IVi ist der von den Vi erzeugte Unterraum, d.h., der kleinste Unterraum

der alle Vi enthalt.

(b) Man sagt, dass die Vi eine direkte Summe bilden (Bez.∑i∈IVi =

⊕i∈IVi), wenn fur jede

Familie i1, . . . , ir ∈ I und jede Familie vi1 , . . . , vir mit vij ∈ Vij gilt

vi1 + . . .+ vir = 0 ⇒ vij = 0 ∀ j = 1, . . . , r .

(c) Man sagt, dass V die direkte Summe der Vi ist (Bez. V =⊕i∈IVi), wenn

∑i∈IVi =

⊕i∈IVi und∑

i∈IVi = V .

Lemma 3.10 Ein Endomorphismus φ : V → V ist genau dann diagonalisierbar, wenn gilt

V =⊕λ∈K

V (λ)

(wobei V (λ) := V (φ, λ)).

Beweis Nach dem ersten Teil von Lemma 2.8 bilden die V (λ) eine direkte Summe. Besitztnun V eine Basis aus Eigenvektoren fur φ, so wird V von den Eigenraumen V (λ) erzeugt,d.h., es ist

⊕λ∈K

V (λ) gleich V . Ist umgekehrt⊕λ∈K

V (λ) = V , und wahlen wir fur jedes λ

ein Basis von V (λ), so erhalten wir insgesamt eine Basis von V , die nach Konstruktion ausEigenvektoren fur φ besteht.(Hier haben wir benutzt, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt – fur unendlich-dimensionaleVektorraume ist dies aquivalent zum Auswahlaxiom)

Der folgende Satz ist wichtig in der Physik (verallgemeinert auf Hilbertraume):

Satz 3.11 Sei V ein K-Vektorraum, und seien φ, ψ : V → V zwei Endomorphismen, diemiteinander vertauschen, d.h., fur die gilt

(∗) φψ = ψφ .

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(a) Sei λ ∈ K. Ist v ∈ V ein Eigenvektor von φ zum Eigenwert λ, so ist ψ(v) wieder einEigenvektor von φ zum Eigenwert λ, oder ψ(v) = 0; d.h., es gilt ψ(V (φ, λ)) ⊆ V (φ, λ).

(b) Sind φ und ψ beide diagonalisierbar, so sind sie simultan diagonalisierbar, d.h., esgibt eine Basis von V , deren Elemente Eigenvektoren von φ und von ψ sind.

Beweis (a): φ(v) = λ · v ⇒ φ(ψ(v)) = (φψ)(v) =(∗)(ψφ)(v) = ψ(φ(v)) = ψ(λ · v) = λ · ψ(v).

Damit folgt die Behauptung (fur die zweite Formulierung beachte, dass immer ψ(0) = 0gilt).

(b): Wir zeigen zuerst

Lemma 3.12 Sei ψ : V → V ein Endomorphismus, und sei W ⊆ V ein Untervektorraummit

ψ(W ) ⊆ W .

Ist ψ diagonalisierbar, so auch die Einschrankung

ψ|W : W → W .

Beweis Nach Lemma 3.10 gilt

(∗) V =⊕λ∈K

V (λ) (V (λ) = V (ψ, λ)) ,

und wir haben zu zeigen

Behauptung: W =⊕λ∈K

W (λ)

Beweis: Die Summe ist direkt (wegen Lemma 2.8, oder wegen (∗) und W (λ) = W ∩ V (λ)),also ist zu zeigen, dass W Summe der W (λ) ist. Sei w ∈ W r {0}. Dann gibt es nach(∗) verschiedene Eigenwerte λ1, . . . , λr von ψ : V → V und Eigenvektoren vi ∈ V (ψ, λi) r{0} (i = 1, . . . , r) mit

w =r∑i=1

vi .

Es genugt zu zeigen, dass vi ∈ W ist fur alle i = 1, . . . , r; denn W (λi) = W ∩ V (λi). Furr = 1 ist nichts zu zeigen, also sei r > 1. Fur j ∈ {1, . . . , r} gilt dann r∏

i=1i=j

(ψ − λi)

(w) ∈ W (wegen ψ(W ) ⊆ W )

und andererseitsr∏i=1i=j

(ψ − λi)w =r∏i=1i=j

(ψ − λi)vj =r∏i=1i =j

(λj − λi)vj

(wegen (ψ − λi)vi = 0). Zusammen folgt

vj ∈ W ,

12

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wegenr∏i=1i=j

(λj − λi) = 0, da λi = λj ∀ i = j.

Beweis von 3.11 (b):Wegen V =⊕λ∈K

V (φ, λ) genugt es zu zeigen, dass jedes V (φ, λ) = {0}

eine Basis aus Eigenvektoren fur ψ hat. Dies gilt aber wegen ψ(V (φ, λ)) ⊆ V (φ, λ) (Teil (a))und Lemma 3.12.

Bemerkung 3.13 Es gilt auch die folgende Umkehrung: Sind die Endomorphismen φ undψ simultan diagonalisierbar, so vertauschen sie (Beweis?).

13

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4 Das Minimalpolynom eines Endomorphismus

Sei K ein Korper und sei φ : V → V ein Endomorphismus eines K-Vektorraums.

Definition 4.1 Fur ein Polynom

f(x) = anxn + an−1x

n−1 + . . .+ a1x+ a0

∈ K[x] definiere

f(φ) = anφn + an−1φ

n−1 + . . .+ a1φ+ a0 ∈ End(V )

wobei φi = φ ◦ . . . ◦ φ (i-mal) und a0 = a0· id).

Dies liefert eine wohldefinierte Abbildung

K[x] → End(V )f(x) 7→ f(φ) .

Offenbar gilt fur diese

(i) f + g 7→ f(φ) + g(φ)

(ii) f · g 7→ f(φ) · g(φ)d.h., die Abbildung ist ein Ringhomomorphismus. Weiter gilt

(iii) λf 7→ λf(φ)

d.h., die Abbildung ist ein K-Algebren-Homomorphismus. Hierzu:

Definition 4.2 Eine K-Algebra ist ein Ring R, der zusatzlich ein K-Vektorraum ist, sodass gilt:

λ(f · g) = (λf) · g= f · (λg)

fur λ ∈ K und f, g ∈ R.

Ein Homomorphismus ϕ : R1 → R2 von K-Algebren ist ein Ringhomomorphismus, dergleichzeitig K-linear ist (d.h., es gilt noch zusatzlich

ϕ(λf) = λϕ(f)

fur λ ∈ K und f ∈ R1).

Lemma/Definition 4.3 Ist V endlich-dimensional, so gibt es ein f ∈ K[x] r {0} mitf(φ) = 0 (der Nullhomomorphismus).

Beweis Ist dimV = n, so ist dim End (V ) = n2. Daher sind

1, φ, φ2, φ3, . . . , φn2

linear abhangig; es gibt also eine nicht-triviale Linearkombination zu 0.

14

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Lemma 4.4 Sei V endlich-dimensional. Es gibt ein eindeutig bestimmtes normiertes Poly-nom kleinsten Grades p(x) ∈ K[x] mit p(φ) = 0. Dieses heißt das Minimalpolynom vonφ. Ist f(x) ∈ K[x] ein anderes nicht-triviales Polynom mit f(φ) = 0, so wird f von p geteilt.

Beweis der Behauptung: Sei p(x) ein normiertes Polynom minimalen Grades mit p(φ) = 0;dies existiert nach 4.3. Sei f(x) ∈ K[x] r {0} ein anderes Polynom mit f(φ) = 0. Divisionmit Rest gibt

f(x) = q(x) · p(x) + r(x)

mit q, r ∈ K[x], deg r(x) < deg p(x). Dann gilt wegen p(φ) = 0

0 = f(φ) = q(φ) · p(φ) + r(φ) = r(φ) .

Wegen der Minimalitat von deg p(x) muss also r(x) = 0 sein, d.h., p teilt f . Hieraus folgtauch die Eindeutigkeit von p: Ist deg f = deg p und ist f ebenfalls normiert, so folgt ausp | f die Gleichheit f = p.

Lemma 4.5 Die Nullstellen des Minimalpolynoms von φ sind gerade die Eigenwerte von φ.(Das Minimalpolynom p(x) und das charakteristische Polynom χφ(x) haben also diesselbenNullstellen!)

Beweis 1) Sei λ ∈ K Eigenwert von φ. Sei v = 0 ein Eigenvektor zum Eigenwert λ:

φv = λv .

Dann ist fur das Minimalpolynom p(x) von φ wegen φiv = λiv

0 = p(φ)v = p(λ)v ,

also p(λ) = 0, da v = 0.

2) Sei λ Nullstelle von p(x). Dann ist

p(x) = (x− λ) · g(x)

mit einem g(x) ∈ K[x]. Angenommen, λ ist kein Eigenwert von φ Dann ist φ−λ id injektiv.Andererseits ist

0 = p(φ) = (φ− λ id ) · g(φ) .Es folgt g(φ) = 0, im Widerspruch zur Minimalitat von deg p(x).

Von nun an sei V endlich-dimensional.

Definition 4.6 Zwei Polynome f1, f2 ∈ K[x] heißen teilerfremd, wenn sie nur konstantegemeinsame Teiler haben (g | f1 ∧ g | f2 ⇒ g konstant).

Satz 4.7 (1. Zerlegungssatz) Sei f(x) ∈ K[x] und

f(x) = g(x) · h(x)

mit teilerfremden Polynomen g und h. Dann ist

ker f(φ) = ker g(φ)⊕

kerh(φ) .

15

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Beweis 1) ker g(φ) ∩ kerh(φ) = {0}.Beweis: Der Untervektorraum U := ker g(φ)∩kerh(φ) ist φ-invariant, d.h., es ist φ(U) ⊆ U ,denn aus v ∈ U folgt g(φ)v = 0 und damit 0 = φg(φ)v = g(φ)φv, also φ(v) ∈ ker g(φ);entsprechend folgt φ(U) ⊆ kerh(φ). Betrachte nun die Einschrankung φ = φ|U : U → U vonφ. Nach Definition ist g(φ) = 0 und h(φ) = 0. Das Minimalpolynom p von φ teilt also g undh, ist also konstant, da g und h teilerfremd sind. Dies ist nur moglich, wenn U = {0} ist.

2) Sei W = ker f(φ); dann ist ker g(φ) ⊆ W , denn mit g(φ)v = 0 ist auch f(φ)v =g(φ)h(φ)v = h(φ)g(φ)v = 0. Entsprechend folgt kerh(φ) ⊆ W .

3) Wie in 1) folgt φ(W ) ⊆ W . Definiere φ = φ|W : W → W . Dann ist ker g(φ) = (ker g(φ))∩W

2)= ker g(φ) und entsprechend kerh(φ) = kerh(φ).

4) Auf W gilt f(φ) = 0 und damit

im g(φ) ⊆ kerh(φ)

denn fur w ∈ W ist h(φ)g(φ)w = f(φ)w = 0.

5) Nach der Rangformel gilt

dim ker g(φ) + dim im g(φ) = dimW .

6) Es folgtker g(φ)⊕ kerh(φ) = W ,

denn ker g(φ) und kerh(φ) sind nach 3) und 2) Unterraume von W und bilden nach 1) einedirekte Summe; weiter ist die Dimension der linken Seite

dim ker g(φ) + dimkerh(φ)4)

≥ dimker g(φ) + dim im G(φ)5)= dimW .

Mit 6) und 3) folgt die Behauptung des Satzes.

Sei f(x) ∈ K[x] mit f(φ) = 0 (z.B. f(x) das Minimalpolynom). Angenommen, f zerfalltuber K, d.h.,

f(x) = (x− λ1)m1(x− λ2)

m2 . . . (x− λr)mr

mit paarweise verschiedenen λ1, . . . , λr ∈ K und mi ∈ N. Dann ist (x− λ1)m1 teilerfremd zu

r∏i=2

(x− λi)mi , und induktiv folgt aus Satz 4.7:

Lemma 4.8 V = ker f(φ) = ker(φ− λ1)m1 ⊕ . . .⊕ ker(φ− λr)

mr .

Dies motiviert:

Definition 4.9 Sei λ ∈ K.

(a) Fur i ∈ N heißtV (λ)(i) := V (φ, λ)(i) := ker(φ− λ)i

der i-te verallgemeinerte Eigenraum von φ zum Eigenwert λ.

16

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(b) Sei i ∈ N. Ein Vektor v ∈ V mit

(φ− λ)iv = 0 und (φ− λ)i−1v = 0

heißt verallgemeinerter Eigenvektor i-ter Stufe von φ zum Eigenwert λ.

(c) Der Vektorraum

V [λ] := V [φ, λ] := {v ∈ V | ∃ i ∈ N mit (φ− λ)iv = 0}

heißt der verallgemeinerte Eigenraum von φ zum Eigenwert λ. Die Elemente aus V [λ]r{0} heißen verallgemeinerte Eigenvektoren von φ zum Eigenwert λ.

Statt verallgemeinerter Eigenraum/Eigenvektor sagt man auchHauptraum/Hauptvektor.

Lemma 4.10 (a) Es ist V (λ) = V (λ)(1) ⊆ V (λ)(2) ⊆ V (λ)(3) ⊆ . . . ⊆ V [λ] =∪i∈N

V (λ)(i).

Dies zeigt, dass V [λ] ein Unterraum von V ist.

(b) Es ist genau dann V [λ] = 0, wenn λ ein Eigenwert von φ ist.

Beweis (a): Nach Definition ist V (λ) = ker(φ−λ) = V (λ)(1). Weiter ist V (λ)(i) ⊆ V (λ)(i+1),denn mit (φ − λ)iv = 0 ist auch (φ − λ)i+1v = (φ − λ)(φ − λ)iv = 0. Die GleichheitV [λ] =

∪i∈N V (λ)(i) gilt nach Definition, und dies ist ein Unterraum, denn fur v ∈ V (λ)(i)

und w ∈ V (λ)(j) liegen v und w in V (λ)(i+j), also auch v + w.

(b) Sei i0 ∈ N minimal mit (φ− λ)i0v = 0. Dann ist (φ− λ)i0−1v = 0 und

(φ− λ)(φ− λ)i0−1v = 0 ,

also (φ− λ)i0−1v ein Eigenvektor von φ zum Eigenwert λ.

Beispiel 4.11 (a) Betrachte den Endomorphismus von V = K2

A =

(1 10 1

)∈M2(K) .

Es ist χA(x) = (x− 1)2, A hat also den Eigenwert 1 mit algebraischer Vielfachheit 2. Es ist

A− 1E =

(0 10 0

)= 0 ;

daher ist die geometrische Vielfachheit gleich 1, siehe Beispiel 3.7 (b). Weiter ist

(A− 1E)2 =

(0 10 0

)2

= 0 .

Daher ist das Minimalpolynom von A gleich p(x) = (x− 1)2 (fur alle echten Teiler g vonp(x), namlich (x− 1) und 1, ist g(A) = 0). Es ist

V = K2 = ker(A− 1E)2 = V (A, 1)(2) = V [1]

d.h., der verallgemeinerte Eigenraum ist ganz K2, wahrend der Eigenraum zu 1,

V (1) = ker(A− 1E) =

{(xy

)∈ K2

∣∣∣∣ y = 0

}= K ·

(10

),

17

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eindimensional ist.

(b) Betrachte

A =

1 1 00 1 00 0 1

Es ist χA(x) = (x− 1)3, aber das Minimalpolynom ist gleich p(x) = (x− 1)2, denn fur

A− 1E =

0 1 00 0 00 0 0

= 0

ist (A− 1E)2 = 0. Es ist

V (1) = ker(A− E) = Ke1 ⊕Ke3 zweidimensionalV [1] = ker(A− E)2 = K3 dreidimensional

Sei wieder φ : V → V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums,und f(x) ∈ K[x] ein Polynom mit f(φ) = 0 (z. B. das Minimalpolynom), welches uber Kzerfallt. Wir schreiben

f(x) =r∏i=1

(x− λi)mi

mit paarweise verschiedenen λ1, . . . , λr ∈ K und mi ∈ N.

Proposition 4.12 Es istV = V [λ1]⊕ . . .⊕ V [λr] .

Beweis Nach 4.8 ist

(∗) V =r⊕i=1

ker(φ− λi id)mi ,

und es genugt zu zeigen

Lemma 4.13 ker(φ− λi id)mi = V [λi].

Beweis Die Inklusion ⊆ gilt nach Definition. Andererseits gilt fur m′1, . . . ,m

′r ∈ N mit

m′i ≥ mi auch g(φ) = 0 fur

g(x) =r∏i=1

(x− λi)m′i ,

also nach 4.8 auch

(∗∗) V =r⊕i=1

ker(φ− λi id)m′i

Wegen ker(φ− λi id)mi ⊆ ker(φ− λi id)

m′i folgt hieraus

ker(φ− λi id)mi = ker(φ− λi id)

m′i ∀ i

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nach dem folgenden Lemma. Da dies fur alle m′i ≥ mi gilt, folgt die Behauptung (siehe 4.10

(a)).

Lemma 4.14 Sei V ein K-Vektorraum, und sei

(∗) V =t⊕i=1

Vi

(∗∗) V =t⊕i=1

V ′i

fur Unterraume Vi, V′i mit Vi ⊆ V ′

i (i = 1, . . . , t). Dann ist Vi = V ′i fur alle i = 1, . . . , t.

Beweis Sei v ∈ V ′j . Dann ist v =

t∑i=1

vi mit vi ∈ Vi (i = 1, . . . , t). Wegen vi ∈ V ′i ist

dies auch die Zerlegung von v in Komponenten entsprechend (∗∗). Da diese eindeutig istund v ∈ V ′

j , gilt vi = 0 fur i = j, und damit v = vj ∈ Vj. (Der Beweis geht genauso furunendliche Summen).

Corollar 4.15 Zerfallt das Minimalpolynom von φ, und sind λ1, . . . , λs die verschiedenenEigenwerte von φ, so ist

V =s⊕i=1

V [λi] .

Beweis Wende 4.12 auf das Minimalpolynom an; dann sind die λi in 4.12 gerade die Eigen-werte von φ nach 4.5.

(Dies ist kein Widerspruch zu 4.12: ist λi kein Eigenwert von φ, so ist nach 4.10 (b) V [λi] ={0}).

Die Zerlegung 4.15 hangt nur von φ ab und ist daher eindeutig. Wir bemerken noch, dass dieV [λi] φ-invariante Unterraume sind, d.h., es gilt φ(V [λi]) ⊆ V [λi]. Was bedeutet dieseZerlegung fur die Matrixdarstellung? Antwort:

Lemma 4.16 Sei φ : V → V ein Endomorphismus eines K-Vektorraums V , und sei

V =s⊕i=1

Vi

eine Zerlegung von V in φ-invariante Unterraume (φVi ⊆ Vi). Sei b(i) = (bi1, . . . , bidi) eine

Basis von Vi, und seiAi =M

b(i)b(i) (φ|Vi) ∈Mdi(K)

die Matrixdarstellung der Einschrankung

φ|Vi : Vi → Vi

bezuglich b(i) (i = 1, . . . , s). Dann ist

b = (b(1), . . . b(s)) := (b11, . . . , b1d1, b21, . . . , b

2d2, . . . , bs1, . . . , b

sds)

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eine Basis von V , und die Matrixdarstellung von φ bezuglich b hat die Gestalt

A =M bb (φ) =

d1

d2

d3

dn

A1

A2 0

A3

. . .

0. . .

As

,

(Man nennt eine solche Matrix auch eine Block-Diagonalmatrix).

Beweis: Alles folgt sofort aus den Definitionen!

Fur die Matrixdarstellung von φ genugt es also, die Einschrankungen

φ| V [λi]: V [λi] → V [λi]

auf die verallgemeinerten Eigenraume zu betrachten.

Beobachtung 4.17Auf V [λi] ist φ−λi id nilpotent, d.h., es gibt einm ∈ Nmit((φ− λi id )| V [λi]

)m=

0.

Beweis Mit den Bezeichnungen von 4.12 ist (φ− λi id)mi

| V [λi]= 0.

Wir werden im nachsten Paragraphen eine besonders einfache Matrixdarstellung fur nilpo-tente Endomorphismen finden. Wenden wir dies auf (φ − λi id)| V [λi]

an, so erhalten wir

dafur eine einfache Matrix Bi, und die Matrix Ai von φ| V [λi]= λi id +(φ− λi id) ist

Ai = λE +Bi

(die Matrixdarstellung von λ id ist λE, bezuglich jeder Basis). Dies wird dann die JordanscheNormalform sein.

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5 Die Jordansche Normalform

Sei K ein Korper und V ein K-Vektorraum.

Definition 5.1 Ein Endomorphismus φ : V → V heißt nilpotent, wenn es ein n ∈ N gibtmit φn = 0. Ist dann m ∈ N minimal φm = 0, so heißt φ nilpotent von der Stufe (oderdem Grad m.

Proposition 5.2 Sei ν : V → V ein nilpotenter Endomorphismus. Fur w ∈ V ist derUnterraum

Lν(w) := < w, νw, ν2w, ν3w, . . . >K

ein ν-invarianter Unterraum von V . (Wir schreiben einfach νiw fur νi(w)). Sei m ∈ N0

minimal mitνmw = 0 ;

dies m heißt die Periode von w. Dann ist

(w, νw, ν2w, . . . , νm−1w)

eine Basis von Lν(w).

Beweis Die ν-Invarianz von Lν(w) ist klar, da ννiw = νi+1w ∈ Lν(w) ∀ i ∈ N0. Angenom-

mena0w + a1νw + a2ν

2w + . . .+ am−1νm−1w = 0

mit a0, . . . , am−1 ∈ K, nicht alle null. Sei 0 ≤ i ≤ m minimal mit ai = 0. Dann folgt durchAnwenden von νm−i−1

aiνm−1w = 0

(da νmw = 0), im Widerspruch dazu, dass νm−1w = 0.

Beobachtung 5.3 Bezuglich der obigen Basis ist die Matrix von ν auf Lν(w) sehr einfach:

(a) Ordnen wir die Basis durch

(w, νw, ν2w, . . . , νm−1w) ,q q q qb1 b2 b3 bm

so ist νbi = bi+1 fur i = 1, . . . ,m− 1, und νbm = 0, also die Matrix bezuglich dieser Basis

01 0 0

1 0. . . . . .

0 . . . . . .

1 0

(untere Dreiecksgestalt, Einsen in der unteren Nebendiagonalen).

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(b) Ordnen wir die Basis so:

(wm−1w, νm−2w, . . . , νw, w) ,q q q qb1 b2 bm−1 bm

so gilt νbi = bi−1 ∀ i = 2, . . . ,m, νb1 = 0; die Matrix ist dann

0 1. . . . . . 0

. . . . . .

0 . . . . . .. . . 1

0

(obere Dreiecksgestalt, Einsen in der oberen Nebendiagonalen). Diese letzte Basis nen-nen wir eine Jordan-Basis von Lν(w).

Satz 5.4 (2. Zerlegungssatz) Sei V endlich-dimensional und ν : V → V ein nilpotenterEndomorphismus. Dann gibt es w1, . . . , wt ∈ V so, dass

V =t⊕

j=1

Lν(wj) .

Beweis: durch Induktion uber dimV , wobei der Fall dimV = 0 trivial ist. Sei also dimV ≥ 1und die Behauptung fur kleinere Dimensionen bewiesen. Sei m der Nilpotenzgrad von ν (alsom ∈ N minimal mit νm = 0) und w1 ∈ V ein Vektor mit νm−1w1 = 0 (also mit Periode vonw1 gleich Nilpotenzgrad von ν). Wir behaupten nun:

Lemma 5.5 Es gibt einen ν-invarianten Unterraum U ⊆ V mit

V = Lν(w1)⊕ U .

Hieraus folgt Satz 5.4 : Wegen Lν(w1) = 0 und dimV = dimLν(w1) + dimU ist dannnamlich dimU < dimV , und nach Induktionsannahme gibt es w2, . . . , wt ∈ U mit U =Lν(w2)⊕ . . .⊕ Lν(wt). Mit 5.5 folgt V = Lν(w1)⊕ . . .⊕ Lν(wt).

Beweis von Lemma 5.5 Sei U ⊆ V ein ν-invarianter Unterraum maximaler Dimension,so dass Lν(w1) ∩ U = 0 ist. Dann bilden U und Lν(w1) eine direkte Summe, und wir habennoch zu zeigen, dass V = Lν(w1) + U ist. Angenommen, dies ist nicht der Fall. Dann gibtes ein v ∈ V mit v /∈ Lν(w1) + U . Sei j ≤ m minimal mit νjv ∈ Lν(w1) + U (beachteνmv = 0 ∈ Lν(w1) + U). Fur v′ = νj−1v gilt dann

(5.5.1) v′ /∈ Lν(w1) + U, νv′ ∈ Lν(w1) + U ,

insbesondere alsoνv′ = v′′ + u

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mit v′′ ∈ Lν(w1) und u ∈ U . Wegen νm = 0 ist

0 = νmv′ = νm−1v′′ + νm−1u ,

also Lν(w1) ∋ νm−1v′′ = −νm−1u ∈ U , und somit νm−1v′′ = 0 wegen Lν(w1) ∩ U = 0.Andererseits ist nach Proposition 5.2

(5.5.2) v′′ = λ0w1 + λ1νw1 + . . .+ λm−1νm−1w1 ,

mit λ0, . . . , λm−1 ∈ K und durch Anwenden von νm−1 folgt

0 = νm−1v′′ = λ0νm−1w1

und damit λ0 = 0, weil νm−1w1 = 0. Aus (5.5.2) folgt nun v′′ = νv′′′ mit v′′′ = λ1w1 + . . .+λm−1ν

m−1w1 ∈ Lν(w1), so dassνv′ = νv′′′ + u .

Setze v = v′ − v′′′. Dann gilt immer noch v /∈ Lν(w1) + U (sonst ware auch v′ = v + v′′′ ∈Lν(w1)+U , im Widerspruch zu (5.5.1)) und weiter ν(v) = u ∈ U . Aus der letzten Beziehungfolgt, dass

U = U +Kv

ein ν-invarianter Unterraum ist, und zwar ein großerer als U (wegen v /∈ U). Weiter istLν(w1) ∩ U = 0: Ware 0 = v1 ∈ U ∩ Lν(w1) etwa v1 = u0 + λv mit u0 ∈ U und λ ∈ K, soware λ = 0 wegen Lν(w1)∩U = 0 und daher v = λ−1(v1−u0) ∈ Lν(w1)+U im Widerspruchzur Annahme. Damit erfullt U diesselben Eigenschaften wie U und es ergibt sich insgesamtein Widerspruch zur Maximalitat von U . Daher kann das v wie oben nicht existieren, unddie Behauptung des Lemmas ist bewiesen.

Definition 5.6 Sei λ ∈ K und m ∈ N. Die Matrix

Jm(λ) :=

λ 1. . . . . . 0

. . . . . .

0. . . . . .

. . . 1λ

∈Mm(K)

heißt Jordankastchen der Große m (oder m×m-Jordanmatrix) zum Eigenwert λ.

Satz 5.7 (Jordan-Normalform) Sei φ : V → V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalenK Vektorraums V . Das Minimalpolynom von φ zerfalle in K[x] (z.B. K = C oder K al-gebraisch abgeschlossen). Dann gibt es eine Basis b von V so, dass die Matrixdarstellung

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bezuglich b Blockdiagonalenform hat

A =M bb (φ) =

J1

J2 0

. . .

0. . .

Js

mit Jordankastchen Jα. Die Jordankastchen sind bis auf ihre Reihenfolge eindeutig durch φbestimmt.

Beweis Existenz: Seien λ1, . . . , λr die verschiedenen Eigenwerte von φ. Wegen der Zerle-gung

V =r⊕i=1

V [λi]

(1. Zerlegungssatz bzw. Corollar 4.15) und der daraus folgenden Blockdiagonalform (Lemma4.16) genugt es, alle Einschrankungen φi = φ| V [λi]

zu betrachten: Finden wir fur jeden

dieser Endomorphismen eine Basis b(i) von V [λi], so dass die darstellende MatrixMb(i)b(i) (φi) =

Ai Jordan-Normalform hat, so erhalten wir eine Jordan-FormA1 0. . .

0 Ar

fur die Matrix von φ durch Aneinandersetzen der Basen b(1), . . . , b(r).

Auf V [λi] ist νi = φi − λi nilpotent. Zerlegen wir nun

V [λi] =ti⊕j=1

Lνi(wij)

gemaß dem 2. Zerlegungssatz 5.4, so erhalten wir auf jedem Lνi(wj) durch eine Jordanbasisein Jordankastchen, mit Nullen in der Diagonalen (Beobachtung 5.3(b)), und folglich furφi = λi + νi gerade ein Jordankastchen

Jmij(λi) =

λi 1

. . . . . . 0. . . . . .

0. . . 1

λi

mij

24

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wenn mij = Periode von wij. Durch Aneinanderreihen erhalten wir insgesamt eine Jordan-

Normalform Ai auf V [λi] wie gewunscht.

Eindeutigkeit bis auf Anordnung: Diese folgt aus dem nachsten Satz, denn wir haben nurzu zeigen, dass fur jeden Eigenwert λ die Anzahl der m×m-Jordankastchen zum Eigenwertλ nur von φ abhangt.

Satz 5.8 (a) Fur die Anzahl a(λ) der Jordankastchen Jα zum Eigenwert λ (d.h., mit Jα =Jm(λ) fur ein m) gilt

a(λ) = dimV (λ) .

(b) Fur die Anzahl a(λ,m) der Jordankastchen Jα der Große m zum Eigenwert λ gilt

a(λ,m) = 2 dimV (λ)(m) − dimV (λ)(m+1) − dimV (λ)(m−1)

= rg (φ− λ)m+1 + rg(φ− λ)m−1 − 2 rg(φ− λ)m .

(Hierbei ist V (λ)(0) := {0}).

Bemerkungen 5.9 (1) Fur einen Endomorphismus ψ : V → V und eine darstellendeMatrix A =M b

b (ψ) von ψ gilt dim kerψ = dimkerA, denn der Isomorphismus φb : Kn ∼→ V

induziert einen Isomorphismus kerA∼→ kerψ (Beweis?).

(2) Ist weiter V =s⊕

α=1

Vα eine direkte Summe von ψ-invarianten Unterraumen Vα, so gilt of-

fenbar kerψ =s⊕

α=1

kerψα fur ψα = ψ|Vα : Vα → Vα (Beweis?), also dimkerψ =s∑

α=1

dimkerψα.

(3) Dies konnen wir mit der ersten Bemerkung auch so sehen: Wahlen wir gemaß Lemma 4.16

Basen b(α) fur die Vα und ist Aα =Mb(α)b(α) (ψα), und nehmen wir die Basis b = (b(1), . . . , b(s)),

so erhalten wir nach 4.16 die Blockdiagonalmatrix

(5.9.1) A =

A1

A2 0

. . .

0. . .

As

.

In dieser Situation sieht man nun ganz allgemein kerA =s⊕

α=1

kerAα (Das ist eigentlich

derselbe Schluss wie in (2), nur konkreter), und damit

(5.9.2) dimkerA =s∑

α=1

dimkerAα .

25

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(4) Die letzte Gleichung konnen wir auch so sehen: Aus der Blockdiagonalgestalt (5.9.1)sehen wir sofort

(5.9.3) rg A =s∑

α=1

rg Aα .

Ist A eine (n× n)-Matrix und jeweils Aα eine (nα × nα)-Matrix, so gilt n =s∑

α=1

nα, und aus

den Rangformeln dimkerA = n− rg A, dimkerAα = nα − rg Aα folgt (5.9.2).

(5) Angewandt auf den Endomorphismus (φ−λ)i (welcher die Vα ebenfalls in sich uberfuhrtund durch die Blockdiagonalmatrix

(A− λE)i =

(A1 − λEn1)i

(A2 − λEn2)i

. . .

(As − λEns)i

dargestellt wird) folgt wegen V (φ, λ)(i) = ker(φ− λ)i

V (φ, λ)(i) =s⊕

α=1

V (φα, λ)(i) .

Beweis von Satz 5.8: Sei

A =

J1

J2 0

. . .

0. . .

Js

die Matrixdarstellung von φ, mit Jordankastchen Jα(α = 1, . . . , s).

(a): Offenbar ist fur jede Jordanmatrix

Jm(µ) =

µ 1

. . . . . . 0

. . . . . .

0. . . 1

µ

∈Mm(K)

26

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der Eigenraum zu µ eindimensional, da

rg (Jm(µ)− µE) = rg

0 1

. . . . . . 0. . . . . .

0. . . 1

0

= m− 1 ,

und der Eigenraum zu λ = µ null, da Jm(µ)− λE dann invertierbar ist. Es folgt

dimV (φ, λ) = dimker(φ− λ id)= dimker(A− λE)

=r∑i=1

dimker(Ji − λEmi) (falls Ji ∈Mmi(K))

= Anzahl der Jordankastchen zum Eigenwert λ .

(b): Es ist fur Jm(µ) : Km → Km :

dimV (Jm(µ), µ)(i) =

{i , i ≤ mm , i > m

.

Dies folgt z.B. aus Proposition 5.2, oder da(i+1)-te Stelle

(Jm(µ)− µEm)i =

0 1

. . . . . . 0. . . . . .

0. . . 1

0

i

=

0 1 0. . . . . .

. . .0 1

0. . .

0

Andererseits ist

V (Jm(µ), λ)(i) = 0 fur λ = µ .

Daher gilt

dimV (Jm(µ), λ)(i) − dimV (Jm(µ), λ)

(i−1) =

{1 , i ≤ m und λ = µ0 , i > m oder λ = µ

.

Mit der Vorbemerkung folgt: Die Anzahl a(λ,≥ i) der Jordankastchen mit mindestens iZeilen zum Eigenwert λ ist

a(λ,≥ i) = dimV (φ, λ)(i) − dimV (φ, λ)(i−1) .

Es folgta(λ, i) = a(λ,≥ i)− a(λ,≥ i+ 1) = erste Formel in (b) .

Die zweite Formel folgt hieraus, da nach dem Rangsatz

dimV (φ, λ)(i) = dimker(φ− λ id)i = dimV − rg (φ− λ id)i .

27

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Fur die Matrizen bedeutet 5.7

Satz 5.10Die MatrixA ∈Mn(K) habe ein zerfallendes Minimalpolynom. Dann istA ahnlichzu einer Matrix in Jordan-Normalform, d.h., es gibt eine invertierbare Matrix B ∈ Mn(K)derart, dass

B−1AB =

J1

J2 0

. . .

0. . .

Js

mit Jordankastchen

Jα = Jmα(λα) =

λα 1

. . . . . . 0. . . . . .

0. . . 1

λα

∈Mmα(K) ,

(α = 1, . . . , s; hierbei sind die Eigenwerte λ1, . . . , λs nicht notwendig paarweise verschieden).Die Jordankastchen Jα sind dabei bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmt.

Beweis Dies folgt aus 5.7, da sich bei Ubergang von der Standardbasis e = (e1, . . . , en) zueiner anderen Basis b = (b1, . . . , bn) die Matrix A gerade in die Matrix B−1AB transformiert,wobei B die Matrix mit den Spaltenvektoren b1, . . . , bn ist.

Corollar 5.11 Sei K = C (oder algebraisch abgeschlossen). Dann ist jede Matrix A ∈Mn(K) ahnlich zu einer Matrix in Jordan-Normalform.

(b) Zwei Matrizen A,A′ ∈ Mn(K) sind genau dann ahnlich, wenn a(i, A, λ) = a(i, A′, λ)fur alle i ∈ N und alle λ ∈ K. Dies ist auch genau dann der Fall, wenn dimV (i, A, λ) =dimV (i, A′, λ) fur alle i ∈ N und alle λ ∈ K.

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6 Anwendungen und Berechnung der Jordan-Normalform

Sei K ein Korper und φ : V → V ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen K-Vektorrraums.

Proposition 6.1 SeiK = C oder ein algebraisch abgeschlossener Korper, und seien λ1, . . . , λr ∈K die verschiedenen Eigenwerte von φ. Sei mi die algebraische Vielfachheit von λi, m

geomi =

dimV (λi) die geometrische Vielfachheit von λi, und ni der Nilpotenzgrad von (φ−λi)| V [λi].

Sei

A =

J1

J2. . .

Js

eine Matrixdarstellung in Jordan-Normalform fur φ (Diese existiert nach 5.11). Wie in Satz5.8 sei a(λi,m) die Anzahl der Jordankastchen Jα der Große m zum Eigenwert λi (nach Satz5.8 hangt a(λi,m) nur von φ ab).

(a) Es ist mi = dimV [λi] ≥ ni.

(b) Das Minimalpolynom von φ ist

pφ(x) =r∏i=1

(x− λi)ni .

(c) Es ist

mi =dimV∑m=1

a(λi,m)m,

mgeomi =

dimV∑m=1

a(λi,m) = Anzahl aller Jordankastchen Jα zum Eigenwert λi,

ni = max{m | a(λi,m) = 0} = maximale Große der Jordankastchen zum Eigenwert λi .

Beweis: (a): Sei φi = φ| V [λi]: V [λi] → V [λi]. Dann gilt wegen der Zerlegung V

(∗)=

r⊕i=1

V [λi]

fur das charakteristische Polynom von φ

χφ(x) =r∏i=1

χφi(x) .

Dies folgt aus der Blockdiagonalform fur die Matrixdarstellung, die man aus der Zerlegung(∗) von V erhalt, siehe 4.16. Aus der Jordan-Normalform fur φi auf V [λi] (siehe Beweis von5.7: obere Dreiecksmatrix, alle Eintrage auf der Diagonalen gleich λi) folgt

χφi(x) = (x− λi)dimV [λi] .

Durch Vergleich mit

χφ(x) =r∏i=1

(x− λi)mi

29

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(Definition von mi) folgt mi = dimV [λi]. Die Abschatzung ni ≤ dimV [λi] folgt aus Propo-sition 5.2: νi = φi−λi ist nilpotent vom Grad ni auf V [λi], und ist w ∈ V [λi] ein Vektor mitνni−1i w = 0, also mit Periode ni, so gilt nach 5.2

ni = dimLνi(w) ≤ dimV [λi] .

(b): Sei f(x) =r∏i=1

(x− λi)ni . Dann ist fur alle j = 1, . . . , r

f(φ)| V [λj]= (φj − λj)

nj∏i=j

(φj − λi)ni = 0 ,

da (φi − λi)ni = 0. Wegen V =

r⊕j=1

V [λj] folgt f(φ) = 0 auf ganz V . Angenommen g ∈ K[x]

ist ein normierter Teiler von f mit g(φ) = 0 und g(x) = f(x). Dann ist

g(x) =r∏i=1

(x− λi)ℓi

mit ℓi ∈ N0, ℓi ≤ ni, und ℓj < nj fur ein j ∈ {1, . . . , r} (g zerfallt in Linearfaktoren, jedeNullstelle von g ist auch eine von f , die Multiplizitaten der Nullstellen von g (also die ℓi)sind hochstens so groß wie fur f (also die ni), und konnen fur g = f nicht alle gleich denenfur f sein). Dann ist

g(φ)| [λj] = (φj − λj)ℓj∏i=j

(φj − λi)ℓi ,

wobei (φj − λi)ℓj = 0, da ℓj < nj = Nilpotenzgrad von φj − λj, und jedes (φj − λi) fur i = j

invertierbar ist, aufgrund der Jordan-Normalform fur φj. Also ist g(φ)| V [λj]= 0 und damit

g(φ) = 0 – Widerspruch!

(c): Die erste Aussage folgt aus dem Beweis von 5.7 (auf V [λi] erhalten wir Jordankastchenzum Eigenwert λi), und die zweite Aussage folgt aus 5.8 (a): mit den dortigen Bezeichnungenist

mgeomi = dimV (λi) = a(λi) =

dimV∑m=1

a(λi,m) .

Fur die dritte Aussage wenden wir die folgende Beobachtung auf den nilpotenten Endo-morphismus φi − λi : V [λi] → V [λi] an, wobei wir beachten, dass der Nilpotenzgrad vonJm(λi)− λiEm nach dem Beweis von Satz 5.8 gleich m ist: Ist

N =

N1

N2

. . .. . .

Nt

eine Blockdiagonalmatrix mit nilpotenten MatrizenNβ, so istN nilpotent, mit Nilpotenzgradgleich dem Maximum der Nilpotenzgrade der Nβ.

Bemerkung 6.2 Hier haben wir Folgendes benutzt:

30

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Sind

A =

A1

A2 0. . .

0. . .

At

, B =

B1

B2 0. . .

0. . .

Bt

Blockdiagonalmatrizen vom selben Typus, so ist AB wieder vom selben Typus, und fur dasProdukt gilt

AB =

A1B1

A2B2 0. . .

0. . .

AtBt

(Wir sagen dabei, dass A den Typus (n1, . . . , nt) hat, wenn Ai eine ni × ni-Matrix ist).Dies folgt unmittelbar aus der Formel fur das Matrizenprodukt. Ohne Rechnung folgt dieBehauptung daraus, dass die Blockdiagonalform einer Zerlegung Kn = Kn1 ⊕ . . . ⊕ Knt

entspricht, wobei Kni A-invariant ist und Ai = A| Kni . Sind die Kni auch B-invariant, so

auch AB-invariant, und die Behauptung ergibt sich aus der offensichtlichen Beziehung, dassAB| Kni = A| KniB| Kni . Insbesondere gilt fur A selbst

Ai =

Ai1

Ai2 0. . .

0. . .

Ait

.

Corollar 6.3 (Satz von Hamilton-Cayley) Es gilt (fur beliebigen Korper K)

χφ(φ) = 0 ,

d.h., das Minimalpolynom teilt das charakteristische Polynom.

Beweis Die Aquivalenz der Behauptungen folgt aus 4.4: fur das Minimalpolynom pφ(x) gilt

f(φ) = 0 ⇔ pφ | f

fur alle f ∈ K[x].

Ist nun K algebraisch abgeschlossen, so gilt χφ(φ) = 0 wegen 6.1(a) und (b). Ist K beliebig,so wahle eine Matrixdarstellung A ∈ Mn(K) fur φ und eine algebraisch abgeschlossenenKorper L ⊇ K (dieser existiert, wie in der Algebra gezeigt wird – fur K = R konnen wirzum Beispiel L = C nehmen). Es genugt nun, χA(A) = 0 zu zeigen, denn fur die gewahlteBasis b von V mit M b

b (φ) = A ist

M bb : End(V ) → Mn(K)

ψ 7→ M bb (ψ)

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ein Ringhomomorphismus. Insbesondere gilt fur f(x) ∈ K[x] :

M bb (f(φ)) = f(M b

b (φ)) = f(A)

und M bb (ψ = 0 ⇔ ψ = 0.

Die Aussage χA(A) = 0 kann aber nun gezeigt werden, indem wir A als Matrix inMn(L) auf-fassen – nach der Definition andert sich dabei nichts am charakteristischen Polynom. Damitsind wir wieder im Fall eines algebraisch abgeschlossenen Korpers, wo wir die Behauptungschon bewiesen haben.

Corollar 6.4 Zerfallt das charakteristische Polynom von φ uber K, so auch das Minimal-polynom.

Beweis: Dies folgt aus der zweiten Aussage in 6.3.

Insbesondere kann in allen bisher bewiesenen Aussagen die Voraussetzung “Das Minimal-polynom von φ zerfallt” durch die Voraussetzung “Das charakteristische Polynom von φzerfallt” ersetzt werden!

Satz 6.5 Sei K = C, oder algebraisch abgeschlossen. Fur zwei Matrizen A,A′ ∈Mn(K) sinddie folgenden Aussagen aquivalent:

(a) A und A′ sind ahnlich.

(b) A und A′ haben (bis auf Anordnung der Jordankastchen) dieselbe Jordannormalform.

(c) Fur alle λ ∈ K und m ∈ N gilt

a(A, λ,m) = a(A′, λ,m) .

Hierbei ist a(A, λ,m) die Anzahl der Jordankastchen Jm(λ) der Große m zum Eigenwert λin einer Jordannormalform von A (siehe 5.8).

(d) Fur alle λ ∈ K und m ∈ N gilt

dimV (A, λ)(m) = dimV (A′, λ)(m) .

Beweis: Die Aquivalenz von (b) und (c) ist klar, und die Implikation (d) ⇒ (c) ergibt sichaus Satz 5.8 (b). Umgekehrt ist nach dem Beweis von 5.8 (b)

∞∑j=1

a(λ, j) = a(λ,≥ i) = dimV (λ)(i) − dimV (λ)(i−1) .

Weiter giltm∑i=1

(dimV (λ)(i) − dimV (λ)(i−1)) = dimV (λ)(m) .

Kennt man also alle a(λ,m), so kennt man auch alle dimV (λ)(m). Dies zeigt (c) ⇒ (d).

(a) ⇒ (b): Zunachst macht (b) Sinn, da die Jordannormalform bis auf Anordnung derKastchen eindeutig ist. Sei nun A′ = C−1AC fur eine invertierbare Matrix C ∈ Mn(K).Seien B,B′ ∈Mn(K) invertierbar so dass

J = B−1AB und J ′ = (B′)−1A′B−1

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Jordannormalform haben. Dann ist J ′ = (CB′)−1A(CB′) auch eine Jordannormalform vonA, nach Satz 5.7 also J und J ′ bis auf Anordnung der Kastchen gleich.

(b) ⇒ (a): Seien B,B′ ∈Mn(K) invertierbar so dass

J = B−1AB und J ′ = (B′)−1A′B′

Jordannormalform haben, wo die Jordankastchen bis auf Anordnung gleich sind. Es ist also

J =

J1

. . . 0

0. . .

Jr

mit Jordankastchen Jα und

J ′ =

Jσ(1)

Jσ(2). . .

Jσ(r)

fur eine Permutation σ aus der symmetrischen Gruppe Sr. Sei Ji ∈Mmi(K), und seien

b11, . . . , b1m1, b21, . . . , b

2m2, . . . , br1, . . . , b

rmr

die Spalten von B. Diese bilden also die Basis

b = (b(1), b(2), . . . , b(r)) ,

b(i) = (bi1, . . . , bimi), bezuglich derer A die Jordannormalform J hat, und setzen wir Vi =<

bi1, . . . , bimi>K , so ist Ji die Matrixdarstellung von A| Vi bezuglich b(i) : Ji = M

b(i)b(i) (A| Vi).

Seib = (b(σ(1)), b(σ(2)), . . . , b(σ(r)))

die Basis mit denselben Vektoren, aber einer anderen Anordnung: die Blocke b(i) wer-den gemaß der Permutation σ permutiert. Dann ist offenbar die Matrixdarstellung von Abezuglich b gleich J ′, denn es ist Jσ(i) =M

b(σ(i))b(σ(i)) (A| Vσ(i)).

Dies zeigt, dass J und J ′ konjugiert sind – genauer ist J ′ = C−1JC fur die BasiswechselmatrixC = M b

b (B = M eb , J

′ = (M eb)−1AM e

b= (M b

b)−1(M e

b )−1AM e

bMbb= C−1JC). Damit sind

auch A und A′ konjugiert (A′ = B′J ′(B′)−1 = (BC(B′)−1)−1ABC(B′)−1).

Beispiel 6.6 Nach Satz 5.8 braucht man nur eine Teilinformation, um zu wissen, wie dieJordannormalform aussehen muss (insbesondere muss man hierfur keine Jordanbasis kon-struieren). Betrachte zum Beispiel

A =

−5 2 0−8 3 0−2 1 −1

∈M3(R) .

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Es ist χA(x) = (x+ 1)3 (selbst), und fur

N = A− (−1)E = A+ E =

−4 2 0−8 4 0−2 1 0

gilt rgN = 1 und damit dimV (−1) = dimkerN = 3− 1 = 2 und weiter

N2 =

−4 2 0−8 4 0−2 1 0

2

=

0 0 00 0 00 0 0

,

also V (−1)(2) = R3 (= V [−1]). Mit der Formel in Satz 5.8 (b) folgt nun leicht, dass dieJordannormalform von A gleich

−1 1−1

−1

sein muss. In der Praxis (und wenn man die Formel vergessen hat) schließt man oft so: Diemoglichen Jordannormalformen von A sind

J =

−1−1

−1

, J ′ =

−1 1−1

−1

, J ′′ =

−1 1−1 1

−1

.

Die erste Form (diagonalisierbarer Fall) ist nicht moglich, da dies ein Widerspruch zu A+E =N = 0 ware: Ist J = B−1AB mit invertierbarer Matrix B, so gilt fur m ∈ N0 und λ ∈ K

(J − λE)m = 0 ⇔ (A− λE)m = 0 ,

denn es ist (A− λE)m = 0 ⇔ B−1(A+ λE)mB = 0, und

B−1(A− λE)mB= B−1(A− λE)(A− λE) . . . (A− λE)B= B−1(A− λE)BB−1(A− λE)B . . . B−1(A− λE)B (m−mal)= (B−1(A− λE)B)m = (J − λE)m .

Im ersten Fall ist aber J + E = 0, und es wurde A+ E = 0 folgen – Widerspruch!

Der dritte Fall ist ebenfalls ausgeschlossen, denn dann ware (A+E)2 = 0, weil (J +E)2 = 0(siehe Beweis von Satz 5.8: der Nilpotenzgrad von Jm(λ)− λE ist m). Also bleibt nur nochder zweite Fall.

Das Verfahren, eine tatsachliche Jordanbasis zu finden (eine Basis, in der der Endomorphis-mus Jordannormalform hat) ist komplizierter, aber immer noch konstruktiv.

Konstruktion 6.7 (Bestimmung einer Jordanbasis)

1) Berechne das charakteristische Polynom χφ(x). Dies liefert die Eigenwerte λ1, . . . , λr undihre algebraischen Multiplizitaten m1, . . . ,mr.

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2) Fur jeden Eigenwert λi berechne die Dimension der verallgemeinerten Eigenraume. Diesliefert nach 5.8 schon, wie die Jordannormalform aussehen muss. Außerdem liefert es dieStufe ni des nilpotenten Endomorphismus Ni = φ− λ

i | V [λi]. Berechne eine Basis von

V [λi] = ker(φ− λi)ni .

3) Betrachte nun fur jeden Eigenwert λ = λi den nilpotenten Endomorphismus N = (φ −λ)| V [λ] : V [λ] → V [λ] (am besten in der Basisdarstellung zur gefundenen Basis von V [λ])

und finde einen Vektor w1 ∈ V [λ] mit

Nn−1w1 = 0 ,

wobei n (= ni) der Nilpotenzgrad von N ist und bilden eine Basis von LN(ω1).

4) Die Vektoren Nn−1w1, Nn−2w1, . . . , Nw1, w1 sind linear unabhangig (5.2); erganze sie zu

einer Basis von V [λ]. In dieser Basis sieht N so aus

A1 =

n(1) := n

0 1. . . . . . ∗0

. . . 10

0 A2

Dann ist A2 wieder nilpotent. Mache mit A2 weiter (Stufe n

(2) von A2, w2 zu A2 mit Perioden(2) usw.) und bringe A2 auf die Gestalt

n(2)

0 1. . . . . . ∗0

. . . 10

0 A3

5) Andere nun w2 durch ein Element aus LN(w1) =< Nn−1w1, . . . , w1 > ab, dass

Nn(2)

w2 = 0 .

35

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Dies ist immer moglich: Nach der Form der erhaltenen Matrix ist

Nn(2)

w2 = a0w1 + a1Nw2 + . . .+ an−1Nn−1w2 ∈ LN(w1)

Damit schließen wir:0 = Nnw2 = Nn−n(2)

(Nn(2)w1) = a0N

n−n(2)w1 + . . .+Nn−1an(2)−1w1

⇒ a0 = . . . = an(2)−1 = 0 (lineare Unabhangigkeit der Nνw1)

⇒ Nn(2)w2 = Nn(2)

w mit w = an(2)w1 + an(2)+1Nw1 + . . . ∈ LN(w1)

⇒ Nn(2)(w2 − w) = 0.

Wir konnen also w2 durch wneu2 = w2 − w ersetzen. Dann erreichen wir die Gestalt

n(1)

n(2)

0 1. . . . . .

0. . . 1

0

0 ∗

0 1. . . . . .

0. . . 1

0

0 A3

Fahre nun mit A3 entsprechend fort.

Dies muss man fur jeden verallgemeinerten Eigenraum V [λi] machen.

Beispiel 6.8 Betrachte die Matrix

A =

−5 2 0−8 3 0−2 1 −1

∈M3(R) ,

mit dreifachem Eigenwert −1 (aus Beispiel 6.6). Es ist also V = R3 = V [−1]. Fur N = A+Egilt N = 0 , N2 = 0, also ist die Nilpotenzstufe n = 2. Fur

N =

−4 2 0−8 4 0−2 1 0

ist w1 = e2 ein Vektor mit Nw1 =

241

=: v = 0 und LN(w1) =< v, e2 >R. Erganze (v, e2)

durch e1 zu einer Basis (v, e2, e1) von R3. In dieser Basis hat N die Form0 1 −20 0 00 0 0

36

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wegen Nv = 0, Ne2 = v und

Ne1 =

−4−8−2

= −2v .

Es ist −2v = −2Ne2 = N(−2e2). Dann ist

w2 = e1 + 2e2 = 0

mit Nw2 = 0. In der Basis

Nw1 = v =

241

, w1 = e2 =

010

, w2 = e1 + 2e2 =

120

hat nun A Jordannormalform

−1 1−1

−1

(vergleiche Beispiel 6.6).

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7 Familien und kartesische Produkte

Familien

Wie “indiziert” man mathematisch korrekt und allgemein?

x1, . . . , xn ;

a11 . . . a1n...

...am1 . . . amn

; xi (i ∈ I)

Definition 7.1 Sei M eine Menge und I eine weitere Menge. Eine Familie in M uber I(oder mit Indexmenge I) ist eine Abbildung

a : I →M .

Statt a(i) schreiben wir auch ai. Weiter schreiben wir auch oft (ai)i∈I fur die Familie. DieMenge aller Familien in M uber I wird mit M I bezeichnet. Es ist also MN := Abb(N,M)fur Mengen M und N .

Beispiel 7.2 Fur die folgenden Spezialfalle gibt es eigene Namen:

(a) Ist I = N, so spricht man von einer (unendlichen) Folge. Zum Beispiel hat man die Folge

1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, . . .

der Fibonacci-Zahlen, genau definiert als die Folge

(an)n∈N mit a1 = 1, a2 = 1, an+1 = an−1 + an .

(b) Fur I = n := {1, 2, . . . , n} heißt die Familie ein n-Tupel, und man schreibt (a1, . . . , an).Damit ist Mn = Mn, wie in LA I definiert. Speziell sagt man Paar fur n = 2, Tripel furn = 3, Quadrupel fur n = 4 usw.

Gleichheit von Familien ist die Gleicheit von Abbildungen. Fur zwei Familien (ai)i∈I , (bi)i∈Iin M gilt also

(ai)i∈I = (bi)i∈I ⇔ ∀i∈Iai = bi .

Die zwei Tripel von naturlichen Zahlen (1, 3, 4) und (1, 4, 3) sind also verschieden.

Beachte: Man muß zwischen einer Familie (ai)i∈I (manchmal auch geschrieben als (ai | i ∈I)) und der assoziierten Menge {ai | i ∈ I} ⊆ M unterscheiden (= Unterschied zwischenAbbildung und Bildmenge). Im obigen Beispiel ist die assoziierte Menge gleich fur beideTupel:

{1, 3, 4} = {1, 4, 3} .

Definition 7.3 Sei (Mi)i∈I eine Familie von Mengen. Die Vereinigung dieser Familie istdefiniert als ∪

i∈IMi := {x | ∃

i∈Ix ∈Mi} .

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Der Durchschnitt der Familie ist definiert als∩i∈IMi := {x | ∀

i∈Ix ∈Mi} .

kartesische Produkte

Wir wollen auch “Familien mit Eintragen in verschiedenen Mengen” betrachten, also z.B.Paare (a, b) mit a ∈ M und b ∈ N , oder “Ausdrucke” (ai)i∈I mit ai ∈ Mi fur eine Familie(Mi)i∈I von Mengen.

Definition 7.4 Sei (Mi)i∈I eine Familie von Mengen. Unter dem (kartesischen) Produktdieser Familie verstehen wir die Menge∏

i∈IMi := {Familien a : I →

∪i∈IMi | ∀

i∈Iai ∈Mi} .

Fur n-Tupel (M1, . . . ,Mn) schreiben wir auch

M1 × . . .×Mn odern∏i=1

Mi .

Dies ergibt dieselbe Definition wie in LA I.

Beispiele 7.4 (a) Insbesondere erhalten wir fur zwei Mengen M und N – also das Paar(M,N) – wieder das (kartesische) Produkt

M ×N ,

dessen Elemente wir als Paare (m,n) mit m ∈M und n ∈ N schreiben.

(b) Fur die konstante Familie (M)i∈I ist offenbar gerade∏i∈IM =M I .

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8 Relationen

Definition 8.1 SeienM und N Mengen. Eine Relation von M nach N ist eine TeilmengeR ⊆ M × N . Statt (x, y) ∈ R schreibt man oft xRy (x steht in der Relation R zu y). IstM = N , also R ⊆M ×M , so spricht man auch von einer Relation auf M .

Beispiel 8.2 Ist f :M → N eine Abbildung, so ist der Graph von f ,

Γ = Γf := {(x, y) ∈M ×N | y = f(x)}

eine Relation von M nach N . Es ist dann xΓy ⇔ y = f(x).

Nicht jede Relation ist von dieser Form, zum Beispiel nicht die Relation K = {(x, y) ∈ R2 |x2 + y2 = 1} (der Einheitskreis):

x

y

1

denn zu einem vorgegebenen x ∈]− 1, 1[ gibt es mehrere y mit (x, y) ∈ K; das kann bei demGraph einer Funktion nicht passieren, da der Funktionswert f(x) eindeutig ist. Man kannalso Relationen von M nach N als “mehrdeutige Funktionen” auffassen.

Oft verwenden wir andere Symbole fur eine Relation, zum Beispiel x ∼ y, x ≤ y, x� y . . .

Definition 8.3 Eine Relation R auf einer Menge M heißt

(a) reflexiv, wenn xRx fur alle x ∈M ,

(b) transitiv, wenn fur alle x, y, z ∈M gilt

xRy ∧ yRz ⇒ xRz ,

(c) symmetrisch, wenn fur alle x, y ∈M gilt

xRy ⇒ yRx ,

(d) antisymmetrisch, wenn fur alle x, y ∈M gilt

xRy und yRx⇒ x = y ,

(e) Aquivalenzrelation, wenn sie reflex, transitiv und symmetrisch ist, und

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(f) Ordnungsrelation (oder Ordnung auf M), wenn sie reflexiv, transitiv und antisymme-trisch ist.

Bemerkungen 8.4 (a) Fur Ordnungsrelationen benutzt man gern Zeichen wie ≤, < usw.

(b) Fur Aquivalenzrelationen benutzt man gern Symbole wie ∼,≡ usw.

Beispiele 8.5 (a) Die Gleicheit ist eine Aquivalenzrelation.

(b) Sei f :M → N eine Abbildung. Definiere eine Relation ∼f auf M (!) durch

x ∼f y ⇔ f(x) = f(y) .

Dann ist ∼f eine Aquivalenzrelation:

f(x) = f(x)f(x) = f(y) ∧ f(y) = f(z) ⇒ f(x) = f(z)f(x) = f(y) ⇒ f(y) = f(x) .

(c) Die ubliche ≤-Relation auf R ist eine Ordnungsrelation (und keine Aquivalenzrelation).

(d) Sei X eine Menge. Auf der Menge P(X) aller Teilmengen von X (Potenzmenge von X)ist die Inklusion ⊆ eine Ordnungsrelation.

(e) Die Teilbarkeit | auf Z (a | b ⇔ ∃n ∈ Z mit a · n = b) ist keine Aquivalenzrelation(3 | 6 aber 6 - 3) und keine Ordnungsrelation (3 | −3 und −3 | 3, aber 3 = −3). Aber dieEinschrankung auf N ist eine Ordnungsrelation.

(f) Sei a ∈ Z, a = 0. Fur x, y ∈ Z definiere

x ≡ y (mod a) :⇔ a | x− y

(gesprochen: x kongruent (zu) y modulo a).

Dies liefert eine Aquivalenzrelation auf Z:

1) a · 0 = 0 ⇒ a | 0 = x− x ⇒ x ≡ x(mod a).

2) x ≡ y (mod a) und y ≡ z (mod a)⇒ a | x− y und a | y − z⇒ ∃m,n ∈ Z : am = x− y, an = y − z⇒ x− z = x− y + y − z = am+ an = a(m+ n)⇒ x ≡ z (mod a).

3) x ≡ z (mod a)⇒ a | x− y⇒ a | −(x− y) = y − x⇒ y ≡ x (mod a).

Sei zum Beispiel a = 4. Dann ist fur die Kongruenz modulo 4

7 ≡ 3, 14 ≡ 2, sowie 2 ≡/ 3 .

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9 Aquivalenzrelationen

Definition 9.1 Sei ∼ eine Aquivalenzrelation auf einer Menge M . Fur x ∈ M heißt dieMenge

x := {y ∈M | y ∼ x} ⊆M

die Aquivalenzklasse von x bezuglich ∼ (oder modulo ∼). Die Menge

M/∼:= {x | x ∈M}

aller Aquivalenzklassen modulo ∼ heißt die Quotientenmenge von M nach ∼ (oder mo-dulo ∼).

Die Abbildungπ :M → M/∼

x 7→ x

heißt die Quotientenabbildung zu ∼.

Bemerkung 9.2 Die obige Bezeichnung x ist ublich und praktisch, macht aber nicht deut-lich, dass die Aquivalenzklasse von ∼ abhangt. Deswegen schreibt man manchmal x∼. AndereBezeichnungen fur Aquivalenzklassen: [x], [x]∼.

Lemma 9.3 Sei ∼ eine Aquivalenzrelation auf einer Menge M . Seien x, y ∈M und x, y diezugehorigen Aquivalenzklassen modulo ∼. Dann gilt

y ∼ x ⇔ y ∈ x ⇔ y = x .

Beweis Die erste Aquivalenz gilt nach Definition. Wir zeigen nun noch

y ∼ x⇔ y = x

“⇒”: Es sei y ∼ x. Dann gilt

z ∈ yDef.⇒ z ∼ y

Trans.⇒ z ∼ xDef.⇒ z ∈ x ,

also y ⊆ x. Da auch x ∼ y gilt (Symmetrie) folgt auch x ⊆ y.

“⇐” Sei y = x. Da y ∈ y (Reflexivitat), folgt y ∈ x, also y ∼ x.

Corollar 9.4 Seiπ :M →M/∼

die Quotientenabbildung zu ∼, und sei ∼π die zu π gehorige Aquivalenzrelation (siehe 8.5(b)), also

x ∼π y ⇔ π(x) = π(y) .

Dann ist ∼π=∼. Mit anderen Worten: jede Aquivalenzrelation kann durch die Konstruktion8.5 (b) erhalten werden.

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Beweis π(x) = π(y)Def.⇔ x = y

9.3⇔ x ∼ y.

Wir geben nun eine weitere Konstruktion von Aquivalenzrelationen an.

Definition 9.5 Sei M eine Menge, und sei P eine Menge von Teilmengen von M (alsoP ⊆ P(M)). P heißt Partition (oder Klasseneinteilung) von M , wenn gilt

(a) ∅ /∈ P

(b) Die Mengen in P sind paarweise disjunkt, d.h., fur U, V ∈ P mit U = V gilt U ∩ V = ∅.

(c) M wird durch die Mengen in P uberdeckt, d.h.,∪U∈P

U =M .

Satz 9.6 Sei M eine Menge.

(a) Sei ∼ eine Aquivalenzrelation auf M . Dann bilden die Aquivalenzklassen modulo ∼ einePartition von M .

(b) Umgekehrt sei P eine Partition vonM . Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Aquivalenzrelation∼ auf M , so dass P gerade aus den Aquivalenzklassen modulo ∼ besteht.

Beweis (a): Wegen x ∈ x ist x nichtleer. Ist weiter x∩y = ∅, etwa z ∈ x∩y, so ist z ∈ x undz ∈ y also z ∼ x und z ∼ y, also x ∼ y, nach 9.3 also x = y. Schließlich liegt trivialerweisejedes x ∈M in einer Aquivalenzklasse, namlich in x.

(b): Fur die Aquivalenzrelation muß offenbar gelten

(∗) x ∼ y ⇔ ∃U ∈ P : x ∈ U ∧ y ∈ U .

Wir nehmen dies als Definition von ∼, das gibt eine wohldefinierte Relation auf M .

Behauptung: ∼ ist eine Aquivalenzrelation

Beweis Reflexivitat: Sei x ∈ M . Wegen∪U∈P

U = M existiert ein U ∈ P mit x ∈ U . Damit

ist x ∼ x.

Transivitat: Sei x ∼ y und y ∼ z. Dann existiert ein U ∈ P mit x ∈ U und y ∈ U , und esexistiert ein V ∈ P mit y ∈ V und z ∈ V . Es folgt y ∈ U ∩ V und damit U = V , da P einePartition ist. Folglich gilt x ∼ z.

Symmetrie: ist klar.

Schließlich besteht P gerade aus den Aquivalenzklassen bezuglich ∼:

1) Sei U ∈ P . Wegen U = ∅ gibt es ein x ∈ U .

Behauptung U = x

Beweis y ∈ xDef.⇒ y ∼ x

Def.⇒ ∃V ∈ P : y ∈ V ∧ x ∈ Vx∈U⇒ U = V und damit y ∈ U . Also

gilt x ⊆ U .

Umgekehrt gilt: y ∈ U ⇒ y ∈ U ∧ x ∈ UDef.⇒ y ∼ x

Def.⇒ y ∈ x. Also gilt auch U ⊆ x.

2) Sei x ∈ M Wegen∪U∈P

U = M gibt es dann ein U ∈ P mit x ∈ U . Nach der in 1)

bewiesenen Behauptung gilt dann U = x.

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Dass ∼ eindeutig ist, haben wir schon bemerkt (∗).

Das Denken in Aquivalenzklassen ist ganz naturlich:

Beispiele 9.7 (a) Auf der Menge aller Menschen definiere eine Aquivalenzrelation

x ∼ y :⇔ x und y haben dasselbe Geschlecht

Es gibt genau zwei Aquivalenzklassen: {Frauen}, {Manner}. Wir konnen diese Aquivalenzrelationdurch die folgende Abbildung erhalten:

{Menschen} → Menge der Geschlechter ={weiblich, mannlich}x 7→ Geschlecht von x.

(b) Auf der Menge aller Schuler definiere die Aquivalenzrelation

x ∼ y ⇔ x und y gehen in dieselbe Schule .

Wir konnen dies durch die folgende Abbildung erhalten

{Schuler} → {Schulen}x 7→ Schule von x .

(c) Also: jede Einfuhrung von Klassen im taglichen Leben

Berufe

Menschen

kkkkkkkkkkkkkkk

SSSSSSSSSSSSSS Religionen

Parteizugehorigkeit

Obst Sorten

Tiere Gattungen Arten

liefert eine Klasseneinteilung im Sinne der Mathematik und entsprechend auch eine Aquivalenz-relation, d.h., eine “Gleichsetzung” bzw. “Vergroberung” (wie “die Saugetiere”).

Definition 9.8 Sei∼ eine Aquivalenzrelation auf einer MengeM , und sei c eine Aquivalenzklassebezuglich ∼. Ein Element x ∈M heißt Reprasentant von c, wenn x ∈ c, also wenn x = c.

Beispiel 9.10Auf Z betrachte die Kongruenz modulo 4 (vergleiche 8.5 (f)), also die Aquivalenzrelation

x ≡ y (mod 4) ⇔ x− y ist durch 4 teilbar .

Jede ganze Zahl ist kongruent zu 0, 1, 2 oder 3, (da x ± 4 ∼ x), und diese Zahlen sindpaarweise inkongruent modulo 4. Also ist

Z/≡(mod 4)= {0, 1, 2, 3} ,

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besteht also aus 4 Elementen. Allgemeiner haben wir fur a ∈ N genau a Aquivalenzklassenmodulo a (d.h., bezuglich der Kongruenz modulo a), namlich 0, 1, 2, . . . , a− 1.

Anders ausgedruckt: jede Aquivalenzklasse modulo a hat einen eindeutig bestimmten Re-prasentanten in {0, . . . , a−1}, namlich den kleinsten nicht-negativen Reprasentanten. Diesenerhalt man als Rest beim Teilen durch a; deswegen heißt die Aquivalenzklasse modulo a auchRestklasse modulo a.

Fur m ∈ Z wird die Restklasse m modulo a auch mit m (mod a) bezeichnet.

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10 Quotientengruppen und Quotientenraume

Sei (A,+) eine kommutative (abelsche) Gruppe

Lemma/Definition 10.1 Sei B ⊆ A eine Untergruppe. Definiere die Relation auf A

a ≡ a′ mod B :⇔ a− a′ ∈ B .

Wir sagen hierzu “a kongruent (zu) a′ modulo B” und schreiben auch a ≡B a′. Dies ist eine

Aquivalenzrelation auf A.

Beweis: Schreibe ≡ fur ≡B.

Reflexivitat : a ≡ a, da a− a = 0 ∈ B.

Transivitat : a ≡ b und b ≡ c ⇒ a− b, b− c ∈ B ⇒ a− c = (a− b) + (b− c) ∈ B.

Symmetrie: a ≡ b ⇒ a− b ∈ B ⇒ b− a = −(a− b) ∈ B ⇒ b ≡ a.

Lemma 10.2 Die Aquivalenzklasse von a ∈ A bezuglich ≡B ist die Menge

a = a+B := {a+ b | b ∈ B} .

Diese heißt die Nebenklasse von a modulo B.

Beweis “⊆”: a′ ≡B a ⇒ a′ − a ∈ B, etwa a′ − a = b ∈ B ⇒ a′ = a+ b ∈ a+B.“⊇”: a′ = a+ b ∈ a+B (b ∈ B) ⇒ a′ − a = b ∈ B ⇒ a′ ≡B a.

Bemerkung 10.3 Nach 9.3 gilt

a ≡B a′ ⇔ a ∈ a′ +B ⇔ a+B = a′ +B .

Definition 10.4 Die Menge der Aquivalenzklassen bezuglich ≡B wird mit A/B bezeichnet.Es ist also

A/B = {a+B | a ∈ A}die Menge der Nebenklassen von A modulo B.

Beispiel 10.5 Sei A = Z und B = aZ fur a = 0. Dann sehen wir: m ∈ B ⇔ m = na furein n ∈ Z ⇔ a | n. Daher gilt

a ≡ a′ mod aZ ⇔ a ≡ a′(mod a) ,

und es istZ/aZ = Z/ ≡ (mod a) .

Satz 10.6 Sei B eine Untergruppe von A. Dann gibt es genau eine Gruppenstruktur aufA/B derart, dass die Quotientenabbildung

π : A → A/Ba 7→ a = a+B

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ein Gruppenhomomorphismus ist. Diese ist gegeben durch die Verknupfung

(∗) a+ a′ = a+ a′ .

Die so erhaltene Gruppe A/B heißt die Quotientengruppe (oder Faktorgruppe) von Amodulo B (oder nach B). Sie ist wieder kommutativ. Die Surjektion π heißt der kanoni-sche Epimorphismus.

Beweis Ist π ein Gruppenhomomorphismus, so muss gelten π(a + a′) = π(a) + π(a′). Diesbedeutet aber gerade (∗). Wir haben also zu zeigen, dass diese Verknupfung (∗) wohldefiniertist, d.h., nicht von der Auswahl der Reprasentanten abhangt. Sei a = c und a′ = c′. Dannist a− c ∈ B und a′ − c′ ∈ B. Es folgt a− c+ a′ − c′ ∈ B und damit

a+ a′ − (c+ c′) ∈ B

(Hier wurde die Kommutativitat von A benutzt). Es folgt a+ a′ = c+ c′.

Weiter ist noch zu zeigen, dass (∗) die Gruppenaxiome erfullt. Dies folgt aber sofort ausden Gruppenaxiomen fur A. Zum Beispiel ist 0 das neutrale Element von A/B, wenn 0 ∈ Adas neutrale Element von A ist, denn es ist a + 0 = a+ 0 = a. Das Inverse von a ist −a.Schließlich ist A/B kommutativ: a+ a′ = a+ a′ = a′ + a = a′ + a.

Beispiel 10.7 Damit wird fur jedes a ∈ N

Z/aZ = {0, 1, . . . , a− 1}

eine abelsche Gruppe mit a Elementen. Zum Beispiel sei a = 5. Dann ist

2 + 4 = 6 = 1 und 2 + 3 = 5 = 0, also − 2 = 3 .

Fur a = 0 ist 0 · Z = {0}, und die Relation ≡{0} ist die Gleichheit. Jede Aquivalenzklassebesteht daher nur aus einem Element. Der kanonische Epimorphismus Z → Z/{0} ist alsoein Isomorphismus.

Wir haben schon gesehen, dass fur einen Homomorphismus φ : G → G′ von beliebigenGruppen der Kern ker(φ) ⊆ G und das Bild im(φ) ⊆ G′ Untergruppen sind. Der wichtigsteSatz uber Homomorphismen ist der Homomorphiesatz. In unserer Situation lautet er:

Satz 10.8 (Homomorphiesatz) Sei φ : A → A′ ein Homomorphismus von abelschen Grup-pen.

(a) Dann induziert φ einen Monomorphismus

φ : A/ ker(φ) → A′ ,

der das Diagramm

Aφ //

π $$IIIIIIIIII A′

A/ ker(φ)φ

::tttttttttt

kommutativ macht, (d.h., fur den φ = φ◦π gilt). Hierbei ist π der kanonische Epimorphismus.

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(b) Weiter induziert φ einen Isomorphismus

A/ ker(φ)∼−→ im(φ) .

Beweis (a): Eindeutigkeit : Haben wir φ mit φ = φ ◦ π, so gilt fur alle x ∈ A : φ(x) =φ(π(x)) = φ(x). Also muss gelten

φ(x) = φ(x) .

Hierdurch ist φ eindeutig bestimmt.

Existenz : Definiere φ durch φ(x) = φ(x). Dies ist wohldefiniert (d.h., unabhangig von denReprasentanten): x = y ⇒ x− y ∈ ker(φ) ⇒ 0 = φ(x− y) = φ(x)− φ(y) ⇒ φ(x) = φ(y).

φ ist Homomorphismus : φ(x+ y) = φ(x+ y) = φ(x+ y) = φ(x) + φ(y) = φ(x) + φ(y).

φ ist injektiv : φ(x) = 0 ⇒ φ(x) = 0 ⇒ x ∈ ker(φ) ⇒ x = 0.

(b): Offenbar liegt das Bild von φ in im(φ), wir erhalten aus φ also auch einen Monomor-phismus φ : A/ ker(φ) → im(φ). Dieser ist auch surjektiv: Iat a′ ∈ im(φ), so gibt es einx ∈ A mit φ(x) = a′. Dann ist φ(x) = φ(x) = a′.

Quotientenraume

Sei K ein Korper und V ein K-Vektorraum. Ein Untervektorraum W ⊆ V ist insbesondereeine Untergruppe der kommutativen Gruppe (V,+), und wir konnen die QuotientengruppeV/W bilden.

Satz 10.9 Es gibt genau eine Skalarmultiplikation

K × V/W → V/W(λ, u) 7→ λ · u ,

die V/W zu einem K-Vektorraum macht und fur die der kanonische Epimorphismus

π : V → V/W

ein Vektorraum-Homomorphismus ist. Diese Verkupfung ist

λ · v = λv fur λ ∈ K, v ∈ V .

Beweis Ist π eine lineare Abbildung, so muss gelten

π(λv) = λ · π(v) ,

also gerade (10.9.1). Die Skalarmultiplikation ist also, wenn sie existiert, eindeutig bestimmt.

Es bleibt noch zu zeigen, dass (10.9.1) wohldefiniert ist; dann konnen wir es als Definition derSkalarmultiplikation nehmen. Sei λ ∈ K, und seien v, v′ ∈ V mit v = v′. Dann ist v−v′ ∈ Wund damit auch λ(v − v′) ∈ W , d.h., λv − λv′ ∈ W . Es folgt λv = λv′.

Die Vektorraum-Axiome (siehe LA I 5.1 (i)-(v)) fur V/W (und die Sklalarmultiplikation(10.9.1)) folgen nun sofort aus der Gultigkeit der Axiome fur V : Zum Beispiel ist λ·(v1+v2) =λ · v1 + v2 = λ(v1 + v2) = λv1 + λv2 = λv1 + λv2 = λ · v1 + λ · v2.

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Fur die Dimension von Quotientenraumen haben wir:

Satz 10.10 Sei V endlich-dimensional und W ⊆ V ein Unterraum. Dann gilt

dimV/W = dimV − dimW .

Beweis Seien w1 . . . , wr ∈ W , so dass (w1, . . . , wr) eine Basis von W ist. Erganze diesmit v1, . . . , vs ∈ V zu einer Basis (w1, . . . , wr, v1, . . . , vs) von V . Damit ist dimW = r unddimV = r + s. Wir behaupten nun, dass (v1, . . . , vs) eine Basis von V/W ist; dann folgtdimV/W = s und die Behauptung. Da w1, . . . , wr, v1, . . . , vs ein Erzeugendensystem von Vist und π : V → V/W surjektiv ist, ist w1, . . . , wr, v1, . . . , vs ein Erzeugendensystem vonV/W , wegen w1 = . . . = wr = 0, also v1, . . . , vs ein Erzeugendensystem. Wir zeigen nun,dass diese Vektoren linear unabhangig sind. Seien α1, . . . , αs ∈ K mit

0 = α1v1 + . . .+ αsvs = α1v1 + . . .+ αsvs .

Dann ist alsoα1v1 + . . .+ αsvs = β1, w1 + . . .+ βrwr ∈ W .

Aus der linearen Unabhangigkeit von w1, . . . , wr, v1, . . . , vs folgt nun α1 = . . . = αs = 0 =β1 = . . . = βr. Damit sind v1, . . . , vs linear unabhangig.

Bemerkung 10.11 Dies gibt einen neuen Beweis der Rangformel: Sei φ : V → W einelineare Abbildung zwischen endlich-dimensionalen K-Vektorraumen. Dann gibt der Homo-morphiesatz einen Isomorphismus

V/ ker(φ)∼−→ im(φ) .

Es folgtrg(φ) = dim im(φ) = dimV/im(φ) = dimV − dimker(φ) .

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11 Ordnungsrelationen

Ist M eine Menge und ≤ eine Ordnungsrelation auf M , so nennen wir das Paar (M,≤) einegeordnete Menge. Oft unterdrucken wir das Symbol ≤ in der Bezeichnung.

Definition 11.1 Eine geordnete Menge (M,≤) heißt total geordnet (oder angeordnetoder Kette), wenn fur alle x, y ∈M gilt

x ≤ y ∨ y ≤ x .

Die Ordnungsrelation ≤ heißt dann eine Totalordnung (oder Anordnung).

Beispiele 11.2 (a) ≤ auf R ist eine Totalordnung.

(b) Sei M eine Menge mit mindestens 2 Elementen. Dann ist die Inklusion ⊆ auf P(M)keine Totalordnung: sind x, y ∈M mit x = y, so ist {x} * {y} und {y} * {x}.

(c) Die Teilbarkeitsrelation | auf N ist keine Totalordnung: 2 - 3 und 3 - 2.

11.3 Man kann Ordnungen durch gerichtete Graphen visualisieren:

t

y z

__>>>>>>>>

AA��������

x

__????????

??��������

heißt x ≤ y, x ≤ z, z ≤ t, aber y � t.

Beispiele: (P({1, 2, 3}),⊆):

{1, 2, 3}

{1, 2}

99ttttttttt{1, 3}

OO

{2, 3}

eeJJJJJJJJJ

{1}

OO 99tttttttttt{2}

eeJJJJJJJJJJ

99tttttttttt{3}

OOeeJJJJJJJJJJ

eeKKKKKKKKKKKK

OO 99ssssssssssss

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(N,≤)...↑5↑4↑3↑2↑1

(N, |)

8

OO

12

4

OO

??~~~~~~~~6

__@@@@@@@@9 10 25 15

2

OO 77ooooooooooooooo

33ggggggggggggggggggggggggggggg 3

^^=======

OO 44iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii 5

aaBBBBBBBB

OO ==||||||||7

1

llYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY

hhPPPPPPPPPPPPPPPP

OO 77nnnnnnnnnnnnnnnn

33gggggggggggggggggggggggggggg

Definition 11.4 Sei (M,≤) eine geordnete Menge, und sei U ⊆ M eine Teilemenge. EinElement x ∈ U heißt

(a) minimales Element von U , wenn gilt

fur alle y ∈ U : y ≤ x ⇒ y = x .

(b) kleinstes Element von U , wenn gilt

fur alle y ∈ U : x ≤ y .

(c) maximales Element von U , wenn gilt

fur alle y ∈ U : y ≥ x ⇒ y = x .

(d) großtes Element von U , wenn gilt

fur alle y ∈ U : x ≥ y .

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Bemerkungen 11.5 (a) Die Begriffe “maximal” und “minimal” sowie “großtes” und “klein-stes” sind dual zueinander, in dem Sinne, dass sie ineinander ubergehen, wenn man ≤ und≥ vertauscht.

(b) “minimal” ⇔ es gibt kein echt kleineres Element.“maximal” ⇔ es gibt kein echt großeres Element.

Beispiele 11.6 (a) In (N,≤) ist 1 kleinstes und minimales Element; es gibt kein großtesoder maximales Element.

(b) In (P(M),⊆) ist ∅ kleinstes und minimales Element, M ist großtes und maximalesElement.

(c) In P({1, 2, 3}) r {∅} gibt es kein kleinstes Element; {1}, {2} und {3} sind minimaleElemente

{1, 2, 3}

{1, 2}

99ttttttttt{1, 3}

OO

{2, 3}

eeJJJJJJJJJ

{1}

OO 99tttttttttt{2}

eeJJJJJJJJJJ

99tttttttttt{3}

OOeeJJJJJJJJJJ

In ({2, 3, 6}, |) ist 2 kleinstes und minimales Element, 4 und 6 sind maximale Elemente, undes gibt kein großtes Element.

4 6

2

@@�������

^^=======

Satz 11.7 Sei (M,≤) eine geordnete Menge.

(a) Es gibt hochstes ein großtes Element.

(a) Ist x ∈ M ein großtes Element, so ist x auch maximal, und jedes maximale Element istgleich x. Entsprechendes gilt fur den dualen Fall minimal/kleinstes.

Beweis Dies folgt aus den folgenden 2 Behauptungen

1. Behauptung : x großtes Element ⇒ x maximal

Beweis : x großtes Element und y ≥ x ⇒ y = x, da y ≤ x.

2. Behauptung : x großtes Element und y maximal ⇒ y = x.

Beweis : x großtes Element und y maximal ⇒ x ≥ y und y maximal ⇒ y = x. q.e.d.

Bemerkung 11.8 Wie wir in den Beispielen gesehen haben, kann es mehrere maximaleElemente geben, und diese sind nicht unbedingt großte Elemente. Alle Aussagen geltenentsprechend fur minimale/kleinste Elemente.

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Satz 11.9 Ist (M ≤) eine Kette, so gibt es hochstens ein maximales Element, das dann auchdas großte Element von M ist. (Entsprechendes gilt dual fur minimal/kleinstes).

Beweis Sei x ∈ M maximal und sei y ∈ M . Nach Voraussetzung gilt y ≥ x oder y ≤ x. Isty ≥ x, so gilt y = x wegen der Maximalitat von x. Also gilt immer y ≤ x, also ist x großtesElement.

Definition 11.10 Sei (M,≤) eine geordnete Menge und sei N ⊆ M eine Teilmenge. EinElement m ∈M heißt

(a) obere Schranke von N in M , wenn gilt:

fur alle x ∈ N : x ≤ m,

(b) Supremum (oder obere Grenze) von N in M , wenn m die kleinste obere Schrankevon N in M ist, Bezeichnung: Sup(N)

(c) untere Schranke von N in M , wenn gilt:

fur alle x ∈ N : x ≥ m,

(d) Infimum (oder untere Grenze) von N in M , wenn m die großte untere Schranke vonN inM ist. Bezeichnung: Inf(N) (Die Begriffe “obere Schranke” und “untere Schranke” sindalso dual zueinander, ebenso wie “Supremum” und “Infimum”).

Beispiele 11.11 (a) Betrachte R mit der naturlichen Ordnung ≤ und darin das IntervallI = [2, 3[. Dann gilt4 ist eine obere Schranke von I,3 ist Supremum von I,I hat kein großtes Element,2 ist Infimum von I,2 ist auch kleinstes Element.

(b) Sei M eine Menge und seien N1, N2 ⊆ M . Das Supremum von {N1, N2} in (P(M),⊆)ist N1 ∪N2, das Infimum ist N1 ∩N2.

(c) In (P({1, 2})r {∅},⊆) hat die Menge {{1}, {2}} kein Infimum.

(d) In (N, |) ist sup(m,n) = kgV (M,n) und inf(m,n) = ggT (m,n).

Lemma 11.12 Sei (M,≤) eine geordnete Menge, und sei N ⊆M .

(a) N hat hochstens ein Supremum.

(b) Hat N ein großtes Element, so ist es auch das Supremum von N in M .

(c) Wenn N eine obere Schranke m ∈ M mit m ∈ N hat, so ist m großtes Element von Nund das Supremum von N in M .

Fur Infima gelten die dualen Aussagen.

Beweis (a): Ist m ein Supremum von N in M , so ist m das kleinste Element der geordnetenMenge {m ∈ M | m obere Schranke von N in M} und daher eindeutig nach 11.7 (dualeVersion).

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(b): Sei n ∈ N großtes Element von (N,≤). Dann ist n obere Schranke von N in M . Istm ∈ M eine weitere obere Schranke von N in M , so ist insbesondere n ≤ m. Also ist nkleinste obere Schranke.

(c): Die erste Aussage ist trivial, und die zweite folgt aus (b). q.e.d.

Lemma 11.13 (Zornsches Lemma) Sei (M,≤) eine nichtleere geordnete Menge. Hat jedeTeilmenge A ⊆ M , die eine Kette bezuglich ≤ ist, eine obere Schranke in M , so gibt es zujedem x ∈M ein maximales Element m von M mit x ≤ m.

Dieses Lemma kann man nicht “beweisen”, sondern es kann bei einem exakten Aufbau derMengenlehre nur als ein (unbeweisbares) Axiom hinzugenommen werden. Eine aquivalenteAussage ist das

Auswahlaxiom 11.14 Sei (Mi)i∈I eine Familie von nicht-leeren Mengen, Dann ist daskartesische Produkt

∏i∈IMi nicht leer.

Diese Aussage, dass man eine Familie (xi)i∈I hat, also gleichzeitig zu jedem i ∈ I ein xi ∈Mi

auswahlen kann, ist plausibel, aber ebenso wenig beweisbar wie das Zornsche Lemma. Eineweitere aquivalente Formulierung ist

Auswahlaxiom’ 11.15 Ist f :M → N eine surjektive Abbildung, so gibt es eine Abbildungg : N →M mit f ◦ g = idN .

Lemma 11.16 Jede nichtleere, endliche Kette besitzt ein großtes und ein kleinstes Element.

Beweis (fur “großtes”, da “kleinstes” dual) durch Induktion:

Sei (A,≤) eine Kette mit |A| ∈ N.|A| = 1: trivial.

|A| ≥ 2: Sei a ∈ A beliebig. Nach Induktionsvoraussetzung hat die Kette (A r {a},≤) eingroßtes Element b. Da A Kette ist, gilt a ≤ b ∨ b ≤ a.

1. Fall: a ≤ bDann ist b offenbar großtes Element von A.

2. Fall: b ≤ aIst c ∈ Ar {a}, so gilt c ≤ b ≤ a, also c ≤ a, d.h., a ist in diesem Fall großtes Element vonA. q.e.d.

“Anwendung”

Satz 11.17 Jeder Vektorraum hat eine Basis.

Beweis Sei K ein Korper und V ein K-Vektorraum, sei M := {u ∈ P(V ) | u linearunabhangig}, geordnet mit ⊆. Wir zeigen zunachst, dassM die Voraussetzung des ZornschenLemmas erfullt: Sei also A ⊆M eine Kette bezuglich ⊆.

Wenn wir zeigen konnen, dassS :=

∪u∈A

u

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linear unabhangig ist, ist S offenbar obere Schranke von A in M . Sei also

λ1v1 + . . .+ λsvs = 0 ∈ V mit λi ∈ K, vi ∈ S .

Es ist v1 ∈ u1, . . . , vs ∈ us fur geeignete u1, . . . , us ∈ A. Nach Lemma 11.16 hat die Kette{u1, . . . , us} ⊆ A ein großtes Element u, d.h., u1, . . . , us ⊆ u ∈ A, also v1, . . . vs ∈ u ∈ A ⊆M .Da u ∈ M , ist u linear unabhangig; insbesondere sind v1, . . . , vs linear unabhangig unddemnach λ1 = . . . = λs = 0.

Wir konnen also das Zornsche Lemma aufM anwenden und schließen, dassM ein maximalesElement b enthalt. Wir behaupten, dass b eine Basis von V ist.

“linear unabhangig”: klar, da b ∈M .

“Erzeugendensystem”: Sei v ∈ V beliebig. Ist v ∈ b, so ist nichts zu zeigen, sei also v /∈ b.Wegen b ( b ∪ {v} und der Maximalitat von b ist b ∪ {v} linear abhangig, d.h., es gibtλ, λw(w ∈ b) in k, fast alle, aber nicht alle gleich 0, mit

λv +∑w∈b

λww = 0 .

Da b linear unabhangig ist, muß λ = 0 gelten, d.h.,

v =∑w∈b

−λwλw .

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12 Freier Vektorraum uber einer Menge und Tensor-

produkt

Sei K ein Korper. Der folgende Satz verallgemeinert LA I 9.33.

Satz 12.1 (Universelle Eigenschaft einer Basis). Sei V ein K-Vektorraum und sei (bi)i∈I eineBasis von V . Zu jedem K-Vektorraum W und zu jeder Familie (wi)i∈I von Vektoren in Wgibt es dann genau eine lineare Abbildung

φ : V → W

mit φ(bi) = wi fur alle i ∈ I.

(“Eine lineare Abbildung kann man beliebig auf einer Basis vorgeben”).

Beweis Jeder Vektor v ∈ V hat eine eindeutige Darstellung

(12.1.1) v =∑i∈Iaibi

mit ai ∈ K, wobei die Summe endlich ist: fur fast alle i ∈ I ist ai = 0 und der entsprechendeSummand aibi = 0. Es muss dann gelten

φ(v) = φ(∑i∈Iaibi) =

∑i∈Iaiφ(bi) =

∑i∈Iaiwi

(die Summe ist wieder endlich), wegen der Linearitat von φ. Wir konnen aber φ hierdurchdefinieren, weil die Darstellung (12.1.1) eindeutig ist. Dann folgt φ(bi) = wi, und φ ist linear,wie man sofort nachrechnet.

Lemma/Definition 12.2 Sei I eine Menge. Dann wird die Menge der Familien in K uberI,

KI = {(ai)i∈I | ai ∈ I} ,

ein K-Vektorraum durch die Addition

(ai)i∈I + (bi)i∈I = (ai + bi)i∈I

und die Skalarmultiplikationλ(ai)i∈I = (λai)i∈I .

Beweis Alle Vektorraum-Axiome folgen sofort aus der Gultigkeit dieser Axiome im Vektor-raum K.

Bemerkung 12.3 Fur I = {1, . . . , n} = n erhalten wir wieder den Vektorraum Kn = Kn.

Lemma/Definition 12.4 Sei I eine Menge. Dann ist die Menge

K(I) := {(ai)i∈I ∈ KI | ai = 0 fur fast alle i ∈ I}

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ein Untervektorraum von KI und heißt der freie Vektorraum uber I.

Beweis Es ist klar, dass sich die Beziehung “ai = 0 fur fast alle i ∈ I” bei Addition undSkalarprodukt erhalt.

Bemerkung 12.5 Ist I eine endliche Menge, so gilt offenbar K(I) = KI , insbesondere giltfur n ∈ N : K(n) = Kn = Kn.

Die Bezeichnung “freier Vektorraum” rechtfertigt sich durch die beiden folgenden Resultate.

Lemma 12.6 Fur i ∈ I sei der Vektor ei ∈ K(I) definiert durch

ei = (aj)j∈I mit aj =

{1 , j = i,0 , sonst.

Dann ist (ei)i∈I eine Basis von K(I).

Beweis Fur a = (ai)i∈I ∈ K(I) gilta =

∑i∈Iaiei

(beachte, dass diese Summe in Wirklichkeit endlich ist!); und diese Darstellung ist eindeutig.

Satz 12.7 (universelle Eigenschaft des freien Vektorraums uber I) SeiW ein K-Vektorraum.Fur jede Familie (wi)i∈I in W gibt es genau eine lineare Abbildung

φ : K(I) → W

mit φ(ei) = wi fur alle i ∈ I.

Beweis Dies folgt aus 12.6 und 12.1. Explizit: Fur a = (ai)i∈I =∑i∈Iaiei (endliche Summe!)

muss geltenφ(a) = φ(

∑i∈Iaiei) =

∑i∈Iaiφ(ei)

=∑i∈Iaiwi .

Dies zeigt die Eindeutigkeit. Umgekehrt konnen wir φ hierdurch definieren, und es ist dannφ(ei) = wi.

Wir kommen nun zum Tensorprodukt.

Satz/Definition 12.8 Seien V undW zweiK-Vektorraume. Dann gibt es einen VektorraumV ⊗W := V ⊗K W und eine bilineare Abbildung

αuniv : V ×W → V ⊗W

mit der folgenden universellen Eigenschaft:

Fur jede bilineare Abbildungα : V ×W → X

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in einen dritten K-Vektorraum X gibt es genau eine lineare Abbildung α : V ⊗W → X, diedas Diagramm

V ×W

α##HHHHHHHHH

αuniv // V ⊗W

α{{vvvvvvvvv

X

kommutativ macht.

V ⊗W heißt das Tensorprodukt von V undW . (Es ist universell fur bilineare AbbildungenV ×W → ? )

Beweis Konstruktion: Betrachte den freien Vektorraum uber V ×W

K(V×W ) .

Er hat die Basis (e(v,w))(v,w)∈V×W . Wir haben eine Abbildung

α0 : V ×W → K(V×W )

(v, w) 7→ e(v,w)

die nicht bilinear ist. Sie wird aber bilinear, wenn wir zum folgenden Quotienten

V ⊗W := K(V×W )/U

ubergehen: SeiU = < e(λv1+µv2,w) − λe(v1,w) − µe(v2,w),

e(v,λw1+µw2) − λe(v,w1) − µe(v,w2)

(v, v1, v2 ∈ V,w,w1, w2 ∈ W,λ, µ ∈ K) >K ,

und seiαuniv : V ×W

α0−→ K(V×W ) → V ⊗W

die Komposition. Bezeichne

v ⊗ w := αuniv(v, w) = e(v,w) ∈ V ⊗W ,

also die Klasse von e(v,w) in V ⊗W . Dann gilt

(12.8.1) (λv1 + µv2)⊗ w = λ v1 ⊗ w + µ v2 ⊗ w

in V ⊗W , denn nach Definition von U gilt modulo U :

0 = e(λv1+µv2,w) − λe(v1,w) − e(v2,w)= e(λv1+µv2,w) − λe(v1,w) − µe(v2,w)= (λv1 + µv2)⊗ w − λ(v1 ⊗ w)− µ(v2 ⊗ w) .

Entsprechend gilt wegen der Elemente vom 2. Typ in U

(12.8.2) v ⊗ (λw1 + µw2) = λ v ⊗ w1 + µ v ⊗ w2 .

Hieraus folgt, dass αuniv, also die Abbildung (v, w) 7→ v⊗w, bilinear ist (“das Tensorproduktist bilinear”).

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Universelle Eigenschaft : Seiα : V ×W → X

bilinear.

Existenz von α: Definiereα : V ⊗W → X

wie folgt: Zunachst haben wir nach Satz 12.6 eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

α′ : K(V×W ) → X

mit α′(e(v,w)) = α(v, w). Wir zeigen nun, dass α′(u) = 0 fur alle u ∈ U ; dann ist die induzierteAbbildung

α : V ⊗W = K(V×W )/U → Xα(a) := α′(a) fur a ∈ K(V×W )

wohldefiniert: a1 = a2 ⇒ a1−a2 ∈ U ⇒ 0 = α′(a1−a2) = α′(a1)−α′(a2) ⇒ α′(a1) = α′(a2).

Es genugt zu zeigen, dass α′(u) = 0 fur alle Erzeugenden von U . Fur die Erzeugenden vom1. Typ haben wir wegen Linearitat und Definition von α′

α′(e(λv1+µv2,w) − λ e(v1,w) − µ e(v2,w)) = α(λv1 + µv2, w)− λα(v1, w)− µα(v2, w) = 0 ,

da α bilinear ist. Entsprechend zeigt man α′(u) = 0 fur die Erzeugenden vom 2. Typ.

Mit dieser Definition von α ist nun das Diagramm

(12.8.3) V ×Wαuniv //

α##HHHHHHHHH V ⊗W

α{{vvvvvvvvv

X

kommutativ , d.h., α ◦ αuniv = α, denn es gilt

α(αuniv(v, w)) = α(v ⊗ w) = α(e(v,w))= α′(e(v,w)) = α(v, w) .

Eindeutigkeit von α: Ist das Diagramm (12.8.3) kommutativ mit einer beliebigen linearenAbbildung α, so muss gelten α(αuniv(v, w)) = α(v, w), also

α(v ⊗ w) = α(v, w) .

Hierdurch ist α eindeutig bestimmt, da die Elemente v ⊗ w ein Erzeugendensystem vonV ⊗W bilden (als Bilder der e(v,w), die ein Erzeugendensystem von K(V×W ) bilden).

Lemma 12.9 Das Paar (V ⊗W,αuniv) ist bis auf eindeutige Isomorphie eindeutig bestimmt.

Beweis Sei (V ⊗′ W,α′univ) eine andere Losung des universellen Problems. Dann erhalten

wir ein Diagramm

(12.9.1) V ⊗W

��

V ×W

αuniv88qqqqqqqqqq

α′univ &&LLLLLLLLLL α′ α

V ⊗′ W

OO

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mit den folgenden Eigenschaften: Nach der universellen Eigenschaft von (V ⊗ W,αuniv),und wegen der Bilinearitat von α′ = α′

univ gibt es genau eine lineare Abbildung α′ mitα′ αuniv = α′

univ. Umgekehrt gibt es wegen der angenommenen universellen Eigenschaft von(V ⊗′ W,α′

univ) und der Bilinearitat von α = αuniv genau eine lineare Abbildung α mitα α′

univ = αuniv.

Es folgtα α′αuniv = α α′

univ = αuniv .

Andererseits gibt naturlich auch

idV⊗W αuniv = αuniv .

Wegen der universellen Eigenschaft von (V ⊗W,αuniv) folgt

α α′ = idV⊗W ,

denn es gibt nur eine lineare Abbildung, die

V ×Wαuniv //

αuniv **UUUUUUUUUUUUUUUUUU V ⊗W

?xxrrrrrrrrrr

V ⊗W

kommutativ macht (wegen der universellen Eigenschaft von αuniv und der Bilinearitat vonαuniv). Genauso folgt

α′α = idV⊗′W .

Daher ist α′ ein Isomorphismus, mit Inversem α. Weiter sind α und α′ die einzigen linearenAbbildungen, die das Diagramm (12.8.1) kommutativ machen. Das ist die gemeinte Eindeu-tigkeit der Isomorphismen α und α′.

Bemerkungen 12.10 (a) Es ist eine ganz allgemeine Eigenschaft, dass Objekte, die uni-verselle Eigenschaften erfullen, hierdurch bis auf kanonische Isomorphie eindeutig sind.

(b) Die Elemente von V ⊗W heißen auch Tesoren. Elemente in V ⊗W von der Form v⊗wheißen Tensorprodukte. Nicht jeder Tensor ist von dieser Form (siehe unten). Da aber dieTensorprodukte ein Erzeugendensystem bilden (siehe oben) und immer gilt

(λv)⊗ w = λ(v ⊗ w) = v ⊗ (λw) (λ ∈ K) ,

ist jedes Element in V ⊗W von der Form

r∑i=1

vi ⊗ wi .

(c) Die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts wird oft in der folgenden Weise benutzt:Hat man eine bilineare Zuordnung (v, w) 7→ α(v, w), so beschreibt man die zugehorige lineareAbbildung auf V ⊗W einfach durch die Zuordnung

(12.10.1) v ⊗ w 7→ α(v, w) .

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Wie wir eben bemerkt haben, sind nicht alle Elemente V ⊗W von der Form v ⊗ w, unddie Darstellung v ⊗ w ist auch nicht eindeutig (zum Beispiel ist λv ⊗ w = v ⊗ λw). Aberdie universelle Eigenschaft sagt gerade, dass es genau eine lineare Abbildung mit dieserEigenschaft (12.10.1) gibt (vorausgesetzt, die Abbildung (v, w) 7→ α(v, w) ist bilinear!).

Satz 12.11 Sei (bi)i∈I eine Basis von V und (cj)j∈J eine Basis von W . Dann ist die Familieder Tensorprodukte

(bi ⊗ cj)(i,j)∈I×J

eine Basis von V ⊗W .

Beweis Sei v ∈ V und w ∈ W . Dann gibt es (αi)i∈I ∈ K(I) und (βj)j∈J ∈ K(J) mit

v =∑i∈Iαiβi , w =

∑j∈J

βjej

(endliche Summen!). Dann ist

v ⊗ w = (∑i∈Iαibi)⊗ (

∑βjcj) =

∑i,j

αiβj bi ⊗ cj .

Da jedes Element von V ⊗W Summe von Tensorprodukten ist, folgt dass die bi ⊗ cj einErzeugendensystem von V ⊗W bilden.

Angenommen, es gibt eine endliche Linearkombination

(12.11.1)∑i,j

λij bi ⊗ cj = 0 ,

mit λij ∈ K, nicht alle null. Sei etwa λrs = 0, (r, s) ∈ I × J . Wir betrachten nun dieAbbildung

α : V ×W → K(v, w) 7→ αr · βs ,

falls v =∑i∈Iαibi, w =

∑j∈J

βjcj mit (αi)i∈I ∈ K(I) und (βj)i∈J ∈ K(J). Da diese Darstellun-

gen von v und w eindeutig sind, ist α wohldefiniert. Weiter ist α offenbar bilinear, da dieAbbildungen

V → K W → Kv 7→ αr w 7→ βs

(Darstellungen von v und w wie oben) linear sind. Nach der universellen Eigenschaft gibt esalso eine lineare Abbildung

α : V ⊗W → Kα(v ⊗ w) = α(v, w) .

Offenbar gilt

α(bi ⊗ cj) = α(bi, cj) =

{1 , (i, j) = (r, s),0 , sonst.

Angewandt auf (12.11.1) folgt

0 = α(∑i,j

λijbi ⊗ cj) =∑i,j

λijα(bi ⊗ cj) = λrs ,

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im Widerspruch zur Annahme. Die bi ⊗ cj sind also linear unabhangig.

Corollar 12.12 Ist dimV = m und dimW = n, so gilt

dim(V ⊗W ) = m · n .

Beweis Ist e1, . . . , em eine Basis von V und f1, . . . , fn eine Basis von W , so hat die Basis

(ei ⊗ fj)i=1,...,mj=1,...,n

die Machtigkeit mn.

Bemerkung 12.13 In der Situation von Corollar 12.12 und seinem Beweis hat also jedesElement in V ⊗W eine Darstellung

m∑i=1

n∑j=1

aij ei ⊗ fj

mit eindeutig bestimmten aij ∈ K. Fixiert man also Basen, so wird ein Tensor durch dasSystem (= die Matrix) der Koeffizienten

aij

beschrieben. In dieser Form werden die Tensoren oft in der Physik eingefuhrt. Da man dochmanchmal die Basis wechseln muss oder die Wirkung von Symmetriegruppen verstehen muss,wird dann noch oft angegeben, “wie sich die aij transformieren” (unter linearen Abbildungennamlich). Da man zum Ausgangsraum V auch oft noch den Dualraum V ∗ betrachtet, un-terscheidet man “kovariante” und “kontravariante” Transformationen und macht dies durchuntere und obere Indizis deutlich. Dies hangt auch mit der Einsteinschen Summenkonventionzusammen. Siehe Brockers Buch, S. 212-219.

Satz 12.14 Sind V und W endlich-dimensional, so hat man einen kanonischen Isomorphis-mus von K-Vektorraumen

ϕ : V ∗ ⊗W∼−→ Hom(V,W )

Hierbei ist V ∗ = Hom(V,K) der Dualraum von V .

Beweis Die Abbildung wird beschrieben durch

χ⊗ w 7→ (v 7→ χ(v)w) .

Dies ist im Sinne der Bemerkung 12.10 (c) zu verstehen: Die Abbildung ist diejenige, die(vermoge der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts) zur bilinearen Abbildung

V ∗ ×W → Hom(V,W )

(χ,w) 7→ (v 7→ χ(v)w)

assoziiert ist.

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Um die Bijektivitat von ϕ zu zeigen, benutzen wir Basen. Seien e = (e1, . . . , em) und f =(f1, . . . , fn) Basen von V bzw. W , und sei e∗ = (e∗1, . . . , e

∗m) die Dualbasis zu e von V ∗,

charakterisiert durche∗i (ej) = δij (Kronecker-Symbol) .

Dann gilt fur ϕϕ(e∗i ⊗ fj)(ek) = e∗i (ek)fj = δikfj ,

alsoϕ(∑i,j

aij e∗i ⊗ fj)(ek) =

∑i,j

aijδikfj =∑j

akjfj

Daher bildet ϕ den Tensor∑i,j

aije∗i ⊗ fj auf die lineare Abbildung mit der Matrixdarstellung

(aij)t bezuglich der Basen e und f ab (siehe LA I Definition 10.21). Dies zeigt, dass ϕ ein

Isomorphismus ist.

Es gibt viele weitere Isomorphismen fur Tensorprodukte:

Satz 12.15 Seien U, V,W K-Vektorraume. Dann gibt es kanonische Isomorphismen

(a) V ⊗W∼−→ W ⊗ V mit v ⊗ w 7→ w ⊗ v,

(b) K ⊗K V∼−→ V mit λ⊗ v 7→ λv,

(c) U ⊗ (V ⊗W )∼−→ (U ⊗ V )⊗W mit (u⊗ v)⊗ w 7→ u⊗ (v ⊗ w),

(d) (U ⊕ V )⊗W∼−→ (U ⊗W )⊕ (V ⊗W ).

Beweis Dies erhalt man uber die universelle Eigenschaft: Wir beweisen nur einen Teil:

(a): Die AbbildungV ×W → W ⊗ V, (v, w) 7→ w ⊗ v

ist offenbar bilinear. Nach der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts induziert sie alsoeine lineare Abbildung

φ : V ⊗W → W ⊗ V, mit v ⊗ w 7→ w ⊗ v .

Mit demselben Argument erhalt man eine lineare Abbildung

ψ : W ⊗ V → V ⊗W, mit w ⊗ v 7→ v ⊗ w .

Es ist offenbar ψ ◦ φ = id, denn ψ(φ(v ⊗w)) = ψ(w ⊗ v) = v ⊗w, und die v ⊗w bilden einErzeugendensystem von V ⊗W . Genauso folgt φ ◦ ψ = id. Daher ist φ ein Isomorphismus(mit Inversem ψ).

(b): Die AbbildungK × V → V, (λ, v) 7→ λv

ist offenbar bilinear, induziert also eine lineare Abbildung

φ : K ⊗ V → V, mit λ⊗ v 7→ λv .

Die Umkehrabbildung ist die lineare Abbildung(!)

ψ : V → K ⊗ V, v 7→ 1⊗ v .

63

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Denn es ist ψ(φ(λ⊗ v)) = ψ(λv) = 1⊗ λv = λ⊗ v und φ(ψ(v)) = φ(1⊗ v) = 1v = v.

(c): selbst!

(d): Ubungsaufgabe!

Weiter haben wir:

Satz 12.16 Sind V undW endlich-dimensional, so gibt es einen kanonischen Isomorphismus

V ∗ ⊗W ∗ ∼−→ (V ⊗W )∗

χ⊗ ν 7→ (v ⊗ w 7→ χ(v) · ν(w)) .

Beweis(skizze): Seien χ ∈ V ∗ und ν ∈ W ∗ lineare Funktionale. Dann erhalten wir einebilineare Abbildung

V ×W → K(v, w) 7→ χ(v) 7→ ν(w) .

Diese induziert eine lineare Abbildung (also ein lineares Funktional auf V ⊗W )

V ⊗W → K , v ⊗ w 7→ χ(v)ν(w) ,

die wir χ⊗ν nennen.

Mit dieser Definition ist dann

V ∗ ×W ∗ → (V ⊗W )∗

(χ, ν) 7→ χ⊗ν

bilinear (nachrechnen!), induziert also eine lineare Abbildung

ψ : V ∗ ⊗W ∗ → (V ⊗W )∗

χ⊗ ν 7→ χ⊗ν

Dass diese fur endlich-dimensionale V undW ein Isomorphismus ist, folgt mit Basen (e1, . . . , em)von V und (f1, . . . , fn) von W : Sind (e∗1, . . . , e

∗n) und (f ∗

1 , . . . , f∗n) die zugehorigen Dualbasen

von V ∗ bzw. W ∗, und ist ((ei ⊗ fj)∗)i,j die Dualbasis zur Basis (ei ⊗ fj)i,j von V ⊗W , so

rechnet man nach, dass ψ gerade e∗i ⊗ f ∗j auf (ei ⊗ fj)

∗ abbildet. Da (e∗i ⊗ f ∗j )i,j eine Basis

von V ∗ ⊗W ∗ bildet, folgt, dass ψ ein Isomorphismus ist.

Bemerkung 12.17 Nehmen wir die Regeln 12.14 bis 12.16 zusammen, so erhalten wir vieleweitere Formeln wie zum Beispiel

Hom(U, V )⊗W ∼= (U∗ ⊗ V )⊗W ∼= U∗ ⊗ (V ⊗W ) ∼= Hom(U, V ⊗W )

oder

Hom(V1,W1)⊗ Hom(V2,W2) ∼= V ∗1 ⊗W1 ⊗ V ∗

2 ⊗W2∼= V ∗

1 ⊗ V ∗2 ⊗W1 ⊗W2

∼= (V1 ⊗ V2)∗ ⊗ (W1 ⊗W2) ∼= Hom(V1 ⊗ V2,W1 ⊗W2) ,

fur endlich-dimensionale Vektorraume.

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13 Skalarerweiterungen und die Komplexifizierung ei-

nes reellen Vektorraums

Wir geben noch die folgende Anwendung des Tensorprodukts.

Sei K ein Korper und V ein K-Vektorraum. Sei L eine Korpererweiterung von K, d.h.,K ⊆ L, L ist ein Korper undK ist ein Teilkorper von L (Die Verknupfungen + und · in L set-zen die Verknupfungen + und · von K fort). Man sagt auch L/K ist eine Korpererweiterung.Das besondere Beispiel, das wir im Auge haben, ist die Korpererweiterung C/R.

Dann ist insbesondere L ein K-Vektorraum, und wir konnen den K-Vektorraum

L⊗K V

bilden.

Lemma/Definition 13.1 L ⊗K V wird zu einem L-Vektorraum durch die Skalarmultipli-kation

(13.1.1) λ(µ⊗ v) = λµ⊗ v .

Dieser L-Vektorraum heißt die Skalarerweiterung von V (bezuglich L/K, oder von Knach L). Im Fall eines reellen Vektorraums V heißt der komplexe Vektorraum C⊗R V auchdie Komplexifizierung von V .

Beweis Die Definition (13.1.1) ist wie ublich zu verstehen: fur jedes λ ∈ L induziert die(K-)bilineare(!) Abbildung

φλ : L× V → L⊗K Vµ× v 7→ λµ⊗ v

eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

ψλ (= λ·) : L⊗K V → L⊗K Vmit µ⊗ v 7→ λµ⊗ v .

Wir setzen nun λ·w = ψλ(w) fur λ ∈ L und w ∈ L⊗KV . Also ist tatsachlich λ·(µ⊗v) = λµ⊗vfur µ ∈ L und v ∈ V , und fur ein beliebiges Element

r∑i=1

λi ⊗ vi ∈ L⊗K V und λ ∈ L gilt

(13.1.2) λ(r∑i=1

λi ⊗ vi) =r∑i=1

λλi ⊗ vi .

Die Vektorraum-Axiome lassen sich nun leicht nachrechnen. Z.B. folgt die Formel

λ(w1 + w2) = λw1 + λw2 (λ ∈ K,w1, w2 ∈ L⊗ V )

aus der Linearitat von ψλ (oder der Formel (13.1.2)).

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Bemerkung 13.2 Oft schreibt man auch kurz VL fur L⊗K V , also zum Beispiel VC fur dieKomplexifizierung eines reellen Vektorraums V .

Lemma 13.3 Ist (ei)i∈I eine (K-) Basis von V , so ist (1⊗ ei)i∈I eine (L-)Basis von L⊗K V .Insbesondere gilt

dimK V = dimL VL .

Beweis (1 ⊗ ei)i∈I ist ein Erzeugendensystem von VL, denn fur λ ∈ K und v ∈ V gibt es

(ai)i∈I ∈ K(I) mit v =∑i

aiei, und dann gilt

λ⊗ v = λ⊗∑i

aiei =∑i

aiλ⊗ ei =∑i

aiλ · (1⊗ ei) .

Jedes Element in VL ist aber von der Form

r∑i=1

λi ⊗ vi

mit λi ∈ L und vi ∈ V (siehe 12.10 (b)).

Weiter sind die 1⊗ ei linear unabhangig: Sei (λi)i∈I ∈ L(I) mit

0 =∑i

λi · (1⊗ ei) =∑i

λi ⊗ ei .

Sei (ℓj)j∈J eine K-Basis von L (existiert!), und sei

λi =∑j∈J

aijℓj

mit (aij)j ∈ K(J) (fur alle i ∈ I). Dann folgt

0 =∑i

λi ⊗ ei =∑i∈I

∑j∈J

aijℓj ⊗ ei .

Es folgt aij = 0 fur alle (i, j) ∈ I × J (da die ℓj ⊗ ei eine Basis von L ⊗K V bilden) unddamit λi = 0 fur alle i ∈ I.

Bemerkungen 13.4 (a) Wenn wir ei mit 1⊗ ei identifizieren, hat also VL “diesselbe Basis”wie V (wobei man bei V eineK-Basis und bei VL eine L-Basis hat). Dies wird auch manchmalals (unkanonische) Definition der Skalarerweiterung genommen.

(b) Durch Einschrankung ist VL naturlich auch ein K-Vektorraum (das ist gerade die K-Vektorraumstruktur von L⊗ V ). Die Abbildung

V → L⊗K Vv 7→ 1⊗ v

ist eine injektive K-lineare Abbildung (injektiv, da sie eine Basis (ei)i von V auf die K-linearunabhangige Familie (1⊗ ei)i abbildet).

(c) Es gilt nach 12.12

dimK VL = dimK L⊗K V = dimK L · dimK V = [L : K] · dimK V ,

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wobei [L : K] := dimK L der Grad der Korpererweiterung L/K ist.Zum Beispiel gilt fur einen reellen Vektorraum V

dimC VC = dimV, dimR VC = 2dimV ,

da [C : R] = 2 (eine R-Basis von C ist (1, i =√−1)). Die Bedeutung der Skalarerweiterung

liegt in den folgenden beiden Resultaten.

Proposition 13.5 Sei φ : V → V ′ eine lineare Abbildung von K-Vektorraumen. Danninduziert φ eine kanonische lineare Abbildung von L-Vektorraumen

φL : VL → VL mit λ⊗ v 7→ λ⊗ φ(v) .

Beweis Die AbbildungL× V → L⊗K V(λ, v) 7→ λ⊗K φ(v)

ist K-bilinear und induziert die angegebene K-lineare Abbildung φL : L⊗V → L⊗V . Dieseist auch L-linear, wie man leicht nachrechnet.

Satz 13.6 Seien V undW endlich-dimensionale K-Vektorraume, mit Basen e = (e1, . . . , em)und f = (f1, . . . , fn), und sei φ : V → W eine (K-)lineare Abbildung mit MatrixdarstellungA = M f

e (φ) = M(m × n,K) in diesen Basen. Dann ist A auch die Darstellung von φL :VL → WL bezuglich der Basen eL = (1⊗ e1, . . . , 1⊗ em) und fL = (1⊗ f1, . . . , 1⊗ fn).

Beweis (aij) = M fe (φ) ⇔ φ(ej) =

∑aijfi fur alle i ⇒ φL(1⊗ ej) =

∑aij(1⊗ ei)

fur alle i ⇔ (aij) =M fLeL(φL).

Diese beiden Resultate verallgemeinern die Tatsache, dass man eine Matrix in M(m×n,K)auch als Matrix in M(m × n, L) auffassen kann, auf die allgemeinere Situation von Vek-torraumen und linearen Abbildungen. Gleichzeitig zeigt Satz 13.6, dass dies im Fall vonMatrizen das Bekannte wiedergibt.

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14 Die Normalform von unitaren und orthogonalen Ma-

trizen

Satz 14.1 Jede unitare Matrix U ∈Mn(C) ist diagonalisierbar. Genauer gibt es eine unitareMatrix T mit

T ∗UT = T−1UT =

λ1

. . . 0

0. . .

λn

diagonal. Fur die Eigenwerte λ gilt |λ| = 1.

Wir betrachten zunachst allgemeiner die folgende Situation. Sei K = C und (V,<,>) einunitarer Vektorraum (d.h., V ein C-Vektorraum und <,> ein hermitesches Skalarprodukt),oder K = R und (V,<,>) ein euklidischer Vektorraum (d.h., V ein R-Vektorraum und <,>ein euklidisches Skalarprodukt).

Fur λ ∈ K ist λ das komplex Konjugierte (also λ = λ wenn K = R).

Erinnerung: Fur einen K-Vektorraum U ⊆ V war sein orthogonales Komplement

U⊥ = {v ∈ V |< u, v >= 0 ∀u ∈ U} ,

und es galtV = U⊥U⊥

(orthogonale Summe). Insbesondere gilt V = U ⊕ U⊥ und somit

dimV = dimU + dimU⊥ .

(LA I 19.24).

Lemma 14.2 Sei φ : V → V eine unitare (bzw. orthogonale) Abbildung (also φ linear und< φ(v), φ(v′) >=< v, v′ > fur alle v, v′ ∈ V ). Sei U ⊆ V ein Unterraum mit φ(U) ⊆ U .Dann gilt φ(U⊥) ⊆ U⊥.

Beweis Wir beweisen zuerst, dass φ injektiv ist: φ(v) = 0 ⇒ 0 =< φ(v), φ(v′) >=< v, v′ >fur alle v′ ∈ V ⇒ v = 0. Die injektive lineare Abbildung

φ : U → U

ist dann ein Isomorphismus, aus Dimensionsgrunden. Ist nun v ∈ U⊥ und u ∈ U , so gibt esein u′ ∈ U mit φ(u′) = u, und damit folgt

< u, φ(v) >=< φ(u′), φ(v) >=< u′, v >= 0 ,

also φ(v) ∈ U⊥, da u ∈ U beliebig war.

Beweis von Satz 14.1: Fur die ersten Aussagen haben wir zu zeigen, dass V = Cn eineOrthonormalbasis (v1, . . . , vn) aus Eigenvektoren von U hat. Dann ist namlich die Matrix

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T = (v1 | . . . | vn) mit den Spalten vi unitar, und es gilt

T−1UT =

λ1

. . . 0

0. . .

λn

,

wenn λi der Eigenwert zu vi ist (siehe die Argumente beim Spektralsatz fur hermitescheMatrizen). Satz 14.1 folgt also aus

Satz 14.3 Sei (V,<,>) ein endlich-dimensionaler unitarer Raum, und sei φ : V → V eineunitare Abbildung. Dann besitzt V eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren fur φ. Ist λ ∈ Cein Eigenwert von φ, so gilt |λ| = 1.

Beweis Die letzte Aussage ist klar: Ist v ein Eigenvektor von φ zum Eigenwert λ, so gilt

< v, v >=< φ(v), φ(v) >=< λv, λv >= λλ < v, v > .

Wegen < v, v > > 0 folgt 1 = λλ = |λ|2, also |λ| = 1. Fur die ersten Aussagen fuhrenwir Induktion uber dimV , wobei der Fall dimV = 0 trivial ist. Fur dimV > 0 sei λ ∈ Cein Eigenwert von φ (ein solcher existiert, da uber C das charakteristische Polynom von φeine Nullstelle hat). Sei v ein Eigenvektor zum Eigenwert λ, und sei U =< v >C= C · vder 1-dimensionale Unterraum von V , der von v erzeugt wird. Wegen φ(v) = λv gilt dannφ(U) ⊆ U , nach Lemma 14.2 also auch φ(U⊥) ⊆ U⊥. Durch Einschrankung induziert φ alsoeine unitare Abbildung

φ : U⊥ → U⊥

des unitaren Vektorraums (U⊥, <,>). Weiter gilt nach den Vorbemerkungen dimU⊥ =dimV −dimU = dimV −1. Nach Induktionsannahme besitzt also U⊥ eine Orthonormalbasisv2, . . . , vn aus Eigenvektoren fur φ, und wir erhalten die gewuschte Orthonormalbasis fur Vdurch v1 =

1∥v∥v, v2, . . . , vn (beachte dass < v1, vi >= 0 fur i = 2, . . . , n weil vi ∈ U⊥).

Wir wenden uns nun den orthogonalen Abbildungen/Matrizen zu.

Satz 14.4 Sei S ∈ Mn(R) eine orthogonale Matrix. Dann gibt es eine orthogonale MatrixT ∈Mn(R) mit

(14.4.1) T tST = T−1ST =

1. . .

1 0−1

. . .

−10 A1

. . .

As

(Blockdiagonalform), wobei

Ai =

(cosφi − sinφisinφi cosφi

)∈M2(R)

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mit φi ∈ ]0, 2π[ , φi = π. Wir nennen dies die Normalform einer orthogonalen Matrix.

Wie oben folgt dieser Satz aus

Satz 14.5 Sei (V,<,>) ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum und φ : V → Veine orthogonale Abbildung. Dann gibt es eine Orthogonalbasis v1, . . . , vn von V , bezuglichderer die Matrixdarstellung von φ die obige Normalform hat.

Beweis von Satz 14.5Die Strategie ist, wie im Beweis fur unitare Abbildungen zu verfahren(insbesondere mit Induktion uber die Dimension). Weil φ aber moglicherweise keinen reellenEigenwert hat, betrachten wir eine zugehorige unitare Abbildung. Sei VC die Komplexifizie-rung von V und φC : VC → VC die von φ induzierte C-lineare Abbildung (φ(λ⊗v) = λ⊗φ(v)fur λ ∈ C und v ∈ V ). Jedes Element x ∈ VC = C⊗R V lasst sich eindeutig schreiben als

(14.5.1) x = 1⊗ v + i⊗ w

mit v, w ∈ V weil (1, i) eine R-Basis von C ist:

Ist namlich (e1, . . . , en) eine Basis von V , so bilden nach 12.10 die Tensorprodukte

1⊗ ej, i⊗ ej (j = 1, . . . , n)

eine R-Basis von VC = C⊗ V . Fur jedes x ∈ VC gibt es also eindeutig bestimmte a1, . . . , an,b1, . . . , bn ∈ R mit

(14.5.2)

x =n∑j=1

aj(1⊗ ej) +n∑j=1

bj(i⊗ ej)

=n∑j=1

1⊗ ajej +n∑j=1

i⊗ bjej

= 1⊗ v + i⊗ w ,

wobei

(14.5.3) v =n∑j=1

ajej, w =n∑j=1

bjej ∈ V .

Dies zeigt die Existenz der Darstellung. Ist umgekehrt x = 1 ⊗ v + i ⊗ w mit v, w ∈ V , sofinden wir aj, bj ∈ R mit (14.5.3), und die Gleichung (14.5.2) zusammen mit 12.10 zeigt,dass die aj und bj und damit auch v und w eindeutig sind.

Wir behaupten nun, dass es auf dem komplexen Vektorraum VC ein hermitesches Skalarpro-dukt <,>C gibt mit der Eigenschaft

(14.5.4) < λ⊗ v, µ⊗ w >C= λµ < v,w >

fur λ, µ ∈ C und v, w ∈ V , wobei rechts das gegebene Skalarprodukt von V steht. In derTat, definiere <,>C durch

(14.5.5) < 1⊗ v + i⊗ w, 1⊗ v′ + i⊗ w′ >C=< v, v′ > + < w,w′ > .

Wegen der eindeutigen Darstellung (14.5.1) ist dies wohldefiniert (und ergibt sich zwingendaus der gewunschten Eigenschaft (14.5.4)). Man sieht leicht, dass die Eigenschaft (14.5.4)

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erfullt ist (nachrechnen!) und dass <,>C additiv in beiden Argumenten ist. Hieraus folgt,wiederum leicht, dass <,>C ein hermitesches Skalarprodukt ist. Dass <,>C positiv definiertist, folgt aus der Positiv-Definiertheit von <,>: Ist x = 1⊗ v + i⊗ w = 0, so ist v = 0 oderw = 0, also < x, x >C=< v, v > + < w,w > > 0.

Weiter ist φC unitar bezuglich <,>C, denn es ist

< φ(λ⊗ v), φ(µ⊗ w) > = < λ⊗ φ(v), µ⊗ φ(w) >= λµ < φ(v), φ(w) >= λµ < v,w >=< λ⊗ v, µ⊗ w >

fur λ, µ ∈ C, v, w ∈ V (dies verallgemeinert die Tatsache, dass jede reelle orthogonale Matrixals komplexe Matrix aufgefasst unitar ist).

Wir beweisen nun 14.5 durch Induktion uber dimV , wobei der Fall dimV = 0 trivial ist.

Fur dimV > 0 gibt es einen Eigenvektor x ∈ VC von φC. Sei

x = 1⊗ v + i⊗ w

(v, w ∈ V ) die eindeutige Darstellung, und sei der zugehorige Eigenwert λ = α+βi (α, β ∈R). Dann folgt

1⊗ φ(v) + i⊗ φ(w) = φ(x) = λx = (α+ βi)(1⊗ v + i⊗ w)= α⊗ v + αi⊗ w + βi⊗ v − β ⊗ w = 1⊗ (αv − βw) + i⊗ (βv + αw) .

Wegen der Eindeutigkeit der Darstellung gilt

φ(v) = αv − βwφ(w) = βv + αw .

Es ist also U =< v,w >R ⊆ V ein Unterraum von mit φ(U) ⊆ U .

Ist dimU = 1, so ist jeder Vektor 0 = u ∈ U ein Eigenvektor zu einem reellen Eigenwertλ ∈ R. Es muss dann λ = 1 oder λ = −1 sein, wegen

< u, u >C =< φ(u), φ(u) >C =< λ(u), λ(u) >C = λ2 < u, u >C .

Weiter konnen wir annehmen, das u normiert ist.

Ist dimU = 2, so sei (u1, u2) eine Orthonormalbasis von U . Wegen der Orthogonalitat vonφ : U → U ist dann die Matrixdarstellung von φ auf U bezuglich (u1, u2) eine orthogonaleMatrix

A =

(a bc d

).

Es muss also gelten a2 + c2 = 1 = b2 + d2 sowie ab+ cd = 0. Es folgt dann aus der Analysis,dass es einen eindeutig bestimmten Winkel φ ∈ [0, 2π[ gibt mit

a = cosφ , c = sinφ .

Denn es ist |a| ≤ 1, und daher gibt es ein eindeutiges α ∈ [0, π] mit a = cosα.

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ππ/2

–1

1

cos(x)

x

Es ist c2 = 1 − a2 = 1 − cos2 α = sin2 α, also c = ± sinα. Ist c = sinα, so setze φ = α.Ist c = − sinα = 0, so setze φ = 2π − α; dann ist cosφ = cos(−α) = cosα = a undsinφ = sin(−α) = − sinα = c, und diese Wahl von φ ist eindeutig.

Wegen

(ac

)·(bd

)= 0 (ubliches Skalarprodukt in R2) gilt

(bd

)= ±

(−ca

),

denn fur den 1-dimensionalen Raum U = R(ac

)⊆ R2 gilt dimU⊥ = 1 und

(−ca

)∈ U⊥,

also (bd

)= λ

(−ca

)mit λ ∈ R .

Da beide Vektoren den Betrag 1 haben (a2 + c2 = 1 = b2 + d2) folgt λ = ±1.

Ist λ = 1, so ist also

A =

(cosφ − sinφsinφ cosφ

),

wobei fur φ = 0, π die Matrizen (1 00 1

),

(−1 00 −1

)herauskommen.

Geometrisch entspricht A einer Drehung um den Winkel φ

(x,y)

cosφ//

WW...........................

77ooooooooooooooooooooooooooφ

YY sinφ

OO

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Ist λ = −1, so ist

A =

(cosφ sinφsinφ − cosφ

).

Das charakteristische Polynom von A ist dann

x2 − cos2 φ− sin2 φ = x2 − 1 .

Es folgt, dass A die Eigenwerte +1,−1 hat, und dasselbe gilt dann auch fur φ : U → U .

Seien v1 und v2 normierte Eigenvektoren zu den Eigenwerten +1 beziehungsweise −1. Nachdem folgenden Lemma ist dann (v1, v2) eine Orthonormalbasis, und die Darstellungsmatrixin dieser Basis ist

A′ =

(1 00 −1

).

Wir haben also in jedem Fall eine Orthonormalbasis von U gefunden, so dass φ| U in dieser

Basis die gewunschte Normalform (14.4.1) hat. Weiter gilt dimU⊥ = dimV −dimU < dimVund φ(U⊥) ⊆ U⊥, und nach Induktionsvoraussetzung hat φ : U⊥ → U⊥ die gewunschteNormalform bezuglich einer Orthonormalbasis von U⊥.

Wegen V = U ⊥U⊥ erhalten wir insgesamt eine Orthonormalbasis von V , in der φ diegewunschte Normalform hat (nach eventueller Umordnung der Basis). (Vergleiche Bemer-kung 5.9)

Lemma 14.6 Ist φ : V → V eine unitare oder orthogonale Abbildung und sind λ = µ zweiverschiedene Eigenwerte von φ, so gilt fur die zugehorigen Eigenraume

V (λ)⊥V (µ) ,

d.h., V (λ) ist orthogonal zu V (µ).

Beweis (vergleiche LA I 19.19) Sei v ∈ V (λ) und w ∈ V (µ). Dann gilt

< v,w >=< φ(v), φ(w) >=< λv, µw >= λµ < v,w > ,

also < v,w > (1−λµ) = 0. Wegen |µ| = 1 gilt µ = µ−1, und aus λµ = 1 wurde λ = µ folgen,im Widerspruch zur Annahme. Also ist (1− λµ) = 0 und daher < v,w >= 0.

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15 Die orthogonale Gruppe

Definition 15.1 Fur n ∈ N sei O(n) die Gruppe der orthogonalen (n× n)-Matrizen, also

O(n) = {A ∈Mn(R) | AtA = E} .

Sie heißt die orthogonale Gruppe der Ordnung n.

Es handelt sich wirklich um eine Gruppe (unter dem Matrixprodukt), namlich eine Unter-gruppe der Gruppe der invertierbaren Matrizen: Erstens ist (A·B)t = Bt ·At; fur orthogonaleMatrizen A und B ist also (AB)tAB = BtAtAB = BtB = E, also AB orthogonal. Zweitensist fur jede orthogonale Matrix A auch

AAt = E ,

da aus der Beziehung AtA = E die Beziehung At = A−1 folgt. Wegen (At)t = A ist also(At)tAt = AAt = E, also A−1 = At orthogonal.

Bemerkungen 15.2 (a) Sei A eine orthogonale Matrix. Die Beziehung AtA = E bedeutet,dass die Spalten von A eine Orthonormalbasis von Rn bilden. Wegen AAt = E bilden dannauch die Zeilen von A eine Orthonormalbasis.

(b) Dass O(n) eine Gruppe ist, lasst sich auch daran sehen, dass O(n) aus den Matrizenbesteht, die das Standardskalarprodukt <,> erhalten.

Wir wollen nun die orthogonalen Gruppen naher beschreiben und verstehen.

Lemma 15.3 Fur eine orthogonale Matrix A gilt detA = ±1.

Beweis AtA = E ⇒ 1 = detE = det(AtA) = det(At) · det(A) = (det(A))2.

Definition 15.4 Die Untergruppe

SO(n) = {A ∈ O(n) | det(A) = 1}

der orthogonalen Matrizen mit Determinante 1 heißt die spezielle orthogonale Gruppe.

Wir betrachten nun O(2) und SO(2):

Satz 15.5 (a) Jedes A ∈ SO(2) ist von der Form

A = Aφ =

(cosφ − sinφsinφ cosφ

)fur ein eindeutig bestimmtes φ ∈ [0, 2π[. Das charakteristische Polynom von Aφ ist

(x− cosφ)2 + sin2 φ ;

es hat die komplexen Nullstellencosφ± i · sinφ .

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(b) Jedes A ∈ O(2)r SO(2) ist von der Form

A′φ =

(cosφ sinφsinφ − cosφ

)= Aφ

(1 00 −1

)fur ein eindeutig bestimmtes φ ∈ [0, 2π[. Das charakteristische Polynom von A′

φ ist

x2 − 1 = (x+ 1)(x− 1) .

Beweis Dies folgt aus dem Beweis von Satz 14.5: Die erste Spalte von A war von der Form

v =

(cosφsinφ

)mit eindeutigem φ ∈ [0, 2π[, und die zweite Spalte von A war von der Form v′ oder −v′, mit

v′ =

(− sinφcosφ

).

Im ersten Fall ist det(A) = 1 und im zweiten Fall ist det(A) = −1.

Bemerkungen 15.6 (a) Jedes v =

(xy

)∈ R2 lasst sich schreiben als

(15.6.1) v = r ·(cosφsinφ

)mit r ∈ R≥0 und φ ∈ [0, 2π[, wobei φ fur r = 0 eindeutig ist (Polarkoordinaten):

y

(x,y)

r cosφ//

r

77ooooooooooooooooooooooooooo

φ

YY r sinφ

x

OO

(b) Fur

Aα =

(cosα − sinαsinα cosα

)gilt

Aαv = r

(cosα − sinαsinα cosα

)(cosφsinφ

)= r

(cosα cosφ− sinα sinφsinα cosφ+ cosα sinφ

)= r

(cos(α+ φ)sin(α+ φ)

)75

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nach den Additionssatzen fur sin und cos: Diese lassen sich am besten durch die Euler-Formel

(15.6.2) eiφ = cosφ+ i sinφ ∈ C fur φ ∈ R

und die Funktionalgleichung

(15.6.3) ez1+z2 = ez1 · ez2 fur z1, z2 ∈ C, also insbesondere

ei(φ1+φ2) = eiφ1eiφ2 fur φ1, φ2 ∈ R

fur die komplexe Exponentialfunktion sehen:

cos(α+ φ) + i sin(α+ φ)= ei(α+φ) = eiα · eiφ = (cosα+ i sinα)(cosφ+ i sinφ)= cosα cosφ− sinα sinφ+ i(sinα cosφ+ cosα sinφ) .

Dies zeigt, dass Aα eine Darstellung um den Winkel α im mathematisch positiven Sinne(also “gegen den Uhrzeiger”) bewirkt, wie im Beweis von Satz 14.5 behauptet.

pαA

α

p

ϕ

y

x

Dies liefert die folgende explizite Beschreibung von SO(2) als Gruppe.

Satz 15.7 Sei S1 = {z ∈ C | |z| = 1} der Einheitskreis in der komplexen ZahlenebeneC = R + iR. Dies ist eine Gruppe unter der Multiplikation, und wir haben Isomorphismenvon Gruppen

φ1 φ2

R/2πZ ∼−→ S1 ∼−→ SO(2)φ 7→ eiφ 7→ Aφ .

Insbesondere ist SO(2) kommutativ.

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Beweis Es ist klar, dass (S1, ·) eine Gruppe ist (wegen |z1z2| = |z1| |z2|). Nach der Euler-Formel (15.6.2) (oder der Polardarstellung z = |z|·eiφ fur komplexe Zahlen) ist die Abbildung

R → S1

φ 7→ eiφ

surjektiv. Weiter ist diese Abbildung nach der Funktionalgleichung (15.6.3) ein Gruppenho-momorphismus von (R,+) nach (S1, ·). Sein Kern ist 2πZ, weil eiφ = 1 genau dann, wennφ ∈ 2πZ. Der erste Isomorphismus φ1 ergibt sich also aus dem Homomorphiesatz 10.8 (b).

Die Additionssatze fur cos und sin zeigen weiter, dass φ2 ein Homomorphismus ist. Dieserist bijektiv wegen 15.5 (a) und 15.6 (a).

Wir betrachten nun O(2)rSO(2) naher. Eine orthogonale Abbildung A ∈ O(2)rSO(2) istnach Satz 15.5 (b) von der Form

A′φ = Aφ

(1 00 −1

)=

(1 00 −1

)A−φ .

Weiter ist

(1 00 −1

)offenbar die Spiegelung an der x-Achse

y

x

(x,y)

(x,-y)

Also ist A′φ die Komposition der Spiegelung an der x-Achse und der Drehung mit demWinkel

φ, oder der Drehung von −φ und der Spiegelung an der x-Achse.

Wir konnen mehr sagen: Wir wissen, dass A′φ die Eigenwerte +1,−1 hat. Es wird also ein

Vektor v ∈ R2 festgelassen und ein zu v orthogonaler Vektor w = 0 auf −w abgebildet (siehe14.6: die Eigenraume zu 1 und −1 sind orthogonal!). Dies bedeutet: Aφ ist die Spiegelungan der Geraden Rv

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y

x

Ap

p

w

v

Explizit konnen wir

v =

(cos φ

2

sin φ2

), w =

(sin φ

2

− cos φ2

)nehmen. Dies konnen wir am besten in der komplexen Schreibweise sehen: Identifizieren wirR2 mit C, so ist Aφ die Abbildung

z 7→ eiφ · z ,

und

(1 00 −1

), die Spiegelung an der reellen Achse, ist die Abbildung

z 7→ z .

Es ist alsoA′φ : z 7→ eiφz

Ein Fixvektor ist z = eiα mit eiα = ei(φ−α); dies gilt fur 2α = φ, also α = φ/2.

Wir betrachten nun SO(3) und O(3), also die orthogonalen Abbildungen des R3.

Sei B ∈ O(3). Nach Satz 14.4/14.5 gibt es nach eventueller Umnummerierung der dortgefundenen Basis eine Orthonormalbasis von R3, so dass B in dieser Basis die Darstellung

B±φ =

cosφ − sinφ

0sinφ cosφ

0 ±1

mit φ ∈ [0, 2π[ hat. Dies schließt die Falle1

11

,

11

−1

,

1−1

−1

,

−1−1

−1

aus 14.4 ein: die erste Matrix ist B+

0 , die zweite ist B−0 , die vierte ist B−

π , und die dritte istnach Umnummerierung der Basis gleich B+

π .

Wir betrachten nun zuerst den Fall, dass B schon selbst gleich B±φ ist. Dann sehen wir:

B = B+φ lasst die z-Achse fest und ist eine Drehung mit dem Winkel φ um diese Achse.

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x

y

ϕ p

Bp

z

Dies ist der Fall detB = 1.

B−φ ist die Komposition aus einer Spiegelung an der x−y-Ebene (z 7→ −z) und einer Drehung

um den Winkel φ um die z-Achse

p’’

Bp

p’ y

x

p

z

Dies kann man auch erhalten, indem man die Komposition einer Spiegelung am Ursprung(p 7→ −p) und einer Drehung um die z-Achse mit dem Winkel π + φ betrachtet (wegeneiφ = −ei(π+φ)).Dies ist der Fall detB = −1.

Im allgemeinen gilt diese Beschreibung von B in dem betrachteten Orthonormalsystemu1, u2, u3). Man sieht dann: Ist detB = 1, so ist B eine Drehung um eine Gerade (namlichRu3). Ist detB = −1, so ist B die Komposition einer solchen Drehung mit einer Spiegelungan der zur Geraden senkrechten Ebene (namlich < u1, u2 >R).

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p’’

yp’Bp

x

p

z G=<u1>

Dies kann man auch direkt daraus herleiten, dass es fur n = 3 immer eine Gerade G gibt,die in sich uberfuhrt wird (da das charakteristische Polynom einen reellen Eigenwert hat),und dass dann die zu G senkrechte Ebene G⊥ ebenfalls in sich uberfuhrt wird. Fur den Falln ≥ 4 kann man aber nicht so einfach argumentieren und man muss wirklich zeigen, dass esimmer invariante Teilraume der Dimension 1 oder 2 gibt, wie in 14.5 bewiesen.

Im hoherdimensionalen Fall ist dies genau die geometrische Aussage: Rn ist die orthogonaleSumme von 1 oder 2-dimensionalen Unterraumen, die von A ∈ O(n) respektiert werden, undA setzt sich aus entsprechenden Drehungen in diesen Ebenen und Spiegelungen in Richtungeiniger dieser Geraden zusammen. Dabei gilt

Lemma 15.8 Ist n ungerade, so gibt es zu jedem A ∈ O(n) eine invariante Gerade L (alsoA(L) ⊆ L), und jedes A ∈ SO(n) lasst einen Vektor v = 0 fest.

Beweis Dies folgt aus der Normalform

1. . .

1−1

. . .

−1A1

. . .

As

mit Ai ∈ SO(2) ⊆M2(R) .

Ist n ungerade, so muss es einen Eigenwert +1 oder −1 geben, also eine invariante Gerade.Ist det(A) = 1, so ist wegen det(Ai) = 1 (i = 1, . . . , s) die Anzahl der Eintrage −1 gerade;es muss also einen Eigenwert 1 geben.

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16 Bilinearformen

Sei K ein Korper und V ein K-Vektorraum.

Definition/Lemma 16.1 Sei Bil(V ) die Menge der Bilinearformen auf V , also der bilinearenAbbildungen

ψ : V × V → K

(vergl. LA I 14.4 (ii)). Dies ist ein Untervektorraum von Abb(V × V,K).

Beweis Fur Abbildungen ψ, ψ′ : V ×V → K und λ ∈ K sind ψ+ψ′ und λψ definiert durch

(ψ + ψ′)(v, v′) = ψ(v, v′) + ψ′(v, v′)(λψ)(v, v′) = λψ(v, v′)

fur alle (v, v′) ∈ V × V . Sind ψ und ψ′ bilinear, so ist offensichtlich, dass ψ + ψ′ und λψwieder bilinear sind.

Definition 16.2 (vergl. LA I Def. 18.3) Sei V endlich-dimensional und b = (b1, . . . , bn) eineBasis von V . Fur ψ ∈ Bil(V ) heißt dann

B =Mb(ψ) := (ψ(bi, bj))i=1,...,nj=1,...,n

∈Mn(K)

die Fundamentalmatrix von ψ bezuglich B.

Lemma 16.3 Fur eine feste Basis b von V ist die Abbildung

Mb : Bil(V ) → Mn(K)ψ 7→ Mb(ψ)

ein Vektorraum-Isomorphismus.

Beweis (vergl. LA I 18.5) Es ist klar, dass diese Abbildung linear ist:Mb(ψ+ψ′) =Mb(ψ)+Mb(ψ

′) und Mb(λψ) = λMb(ψ). Weiter erhalten wir eine Umkehrabbildung

Ψb :Mn(K) → Bil(V ) ,

indem wir eine Matrix B = (bij) auf die folgende Bilinearform ψ = Ψb(B) abbilden:

ψ

(n∑i=1

xibi,n∑j=1

yjbj

)=

n∑i,j=1

xibijyj = xtBy ,

wobei

x =

x1...xn

, y =

y1...yn

∈ Kn .

Denn: Da jedes v ∈ V eindeutig als v =n∑i=1

αibi geschrieben werden kann, mit α1, . . . , αn ∈ K,

ist ψ hierdurch wohldefiniert. Weiter sieht man sofort, dass ψ bilinear ist. Schließlich ist die

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Fundamentalmatrix von ψ gleich B, da ψ(bi, bj) = etiBej = bij, also Mb ◦ Ψb = id. Ebensoist ψb ◦Mb = id, denn fur eine beliebige Bilinearform auf V gilt

ψ

(n∑i=1

xibi,n∑j=1

yjbj

)=

n∑i,j=1

xiyjψ(bi, bj) .

Bemerkung 16.4 Ein eleganterer Beweis ergibt sich so: Wir haben durch die universelleEigenschaft des Tensorprodukts eine bijektive Abbildung

α : Bil(V ) → Hom(V ⊗ V,K)

ψ 7→ ψ mit ψ(v ⊗ v′) = ψ(v, v′)

Man sieht weiter, dass diese Abbildung linear ist, also ein Vektorraum-Isomorphismus.

Da (bi⊗bj)i,j=1,...,n eine Basis von V ⊗V ist, folgt aus der universellen Eigenschaft von Basen(12.1), dass die Abbildung

β : Hom(V ⊗ V,K) → Mn(K)φ 7→ (φ(bi ⊗ bj))i=1,...,n

j=1,...,n

bijektiv ist. Offenbar ist aber auch β linear, also ebenfalls ein Vektorraumisomorphismus.Schließlich folgt aus den Definitionen, dass

Mb = β ◦ α .

Beispiel 16.5 Auf Kn ist die Standard-Bilinearform definiert durch

ψ(x, y) = xty =n∑i=1

xiyi .

Ihre Fundamentalmatrix bezuglich der Standardbasis e = (e1, . . . , en) ist die Einheitsmatrix.Jede andere Bilinearform ψ auf Kn ist von der Form

ψB(x, y) = xtBy =n∑i=1

xibijyj

fur eine eindeutig bestimmte Matrix B ∈ Mn(K) (B ist die Fundamentalmatrix von ψBbezuglich e).

Fundamentalmatrizen transformieren sich bei Basiswechsel anders als Darstellungsmatrizenvon linearen Abbildungen:

Lemma 16.6 Sei b′ = (b′1, . . . , b′n) eine weitere Basis von V , und sei

T =M bb′

die Transformationmatrix von b und b′. Sei ψ ∈ Bil(V ), und seien B und B′ die Fundamen-talmatrizen von ψ bezuglich b und b′. Dann ist

B′ = T tBT .

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Beweis Ist T = (tij), so gilt nach Definition

b′j =n∑i=1

tijbi (j = 1, . . . , n) .

Ist nun B = (bij) und B′ = (b′ij), so gilt

B′kℓ = b′kℓ = ψ(b′k, b

′ℓ) = ψ(

n∑i=1

tikbi,n∑j=1

tjℓbj)

=n∑

i,j=1

tiktjℓψ(bi, bj)

=n∑

i,j=1

tikbijtjℓ

=n∑i=1

tikn∑j=1

bijtjℓ =n∑i=1

tik(BT )iℓ

= (T tBT )kℓ .

Lemma 16.7 Die Abbildung

Bil(V ) → Hom(V, V ∗)

ψ 7→ φψ : V → V ∗

w 7→(ψ(−, w) : V → K

v 7→ ψ(v, w)

)ist ein Vektorraum-Isomorphismus (wobei V ∗ = Hom(V,K) der Dualraum von V ist).

Beweis Die Abbildung ist linear, und die Umkehrabbildung ist

(φ : V → V ∗) 7→ ψφ : V × V → Kψφ(v, w) = φ(w)(v) .

Bemerkung 16.8 Sei V endlich-dimensional, mit Basis b = (b1, . . . , bn), und sei b∗ =(b∗1, . . . , b

∗n) die Dualbasis von V

∗. Ist B =Mb(ψ) die Fundamentalmatrix von ψ bezuglich b,so ist B auch die darstellende Matrix von φψ : V → V ∗ bezuglich der Basen b und b∗, also

B =M b∗

b (φψ). Es gilt namlich fur v =n∑i=1

xibi und B = (bij):

φψ(bj)(v) = ψ(v, bj) = ψ(n∑i=1

xibi, bj)

=n∑i=1

ψ(bi, bj)xi =n∑i=1

bijxi

=n∑i=1

bijb∗i (v) ,

da b∗r(v) = xr. Weil u beliebig war, folgt

φψ(bj) =n∑i=1

bijb∗i ,

also M b∗

b (φψ) = B.

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Lemma/Definition 16.8 Sei V endlich-dimensional. Eine Bilinearform ψ : V × V → Kheißt nicht-ausgeartet, wenn die folgenden aquivalenten Bedingungen gelten:

(i) Fur jedes w ∈ V r {0} gibt es ein v ∈ V mit

ψ(v, w) = 0 .

(ii) Fur jedes v ∈ V r {0} gibt es ein w ∈ V mit

ψ(v, w) = 0 .

(iii) Die assoziierte lineare Abbildung

φψ : V → V ∗, w 7→ (v 7→ ψ(v, w))

ist ein Isomorphismus.

(iv) Fur eine Basis b von V ist die Fundamentalmatrix B = Mb(ψ) von ψ bezuglich binvertierbar.

(v) Fur jede Basis b ist die Fundamentalmatrix von ψ bezuglich b invertierbar.

Beweis der Aquivalenz: Offenbar gilt

(i) ⇔ φψ ist injektiv

Wegen dimV ∗ = dimV <∞ gilt außerdem

φψ ist injektiv ⇔ φψ ist surjektiv .

Dies zeigt die Aquivalenz von (i) und (iii).

(iii) ⇒ (ii): Sei v ∈ V r {0}. Dann gibt es ein χ ∈ V ∗ und χ(v) = 0: Erganze v zu einerBasis (v, f2, . . . , fn); dann gibt es ein χ : V → K mit χ(v) = 1 und (z. B.) χ(fi) = 0fur i = 2, . . . , n. Ist φψ surjektiv, so gibt es ein w ∈ V mit φψ(w) = ψ(−, w) = χ, alsoψ(v, w) = χ(v) = 0.

Damit gilt auch (i) ⇒ (ii), und aus Symmetriegrunden (Ubergang von ψ zu ψ′ mit ψ′(v, w) =ψ(w, v)) schließen wir auch (ii) ⇒ (i):

(iii) ⇔ (v) folgt aus Bemerkung 16.7, und (v) ⇒ (iv) ist trivial. Aber (iv) ⇒ (v) folgt aus derTransformationsregel 16.6: Ist B invertierbar, so auch T tBT fur jede invertierbare Matrix T(da T t wieder invertierbar ist).

Definition 16.9 Sei V endlich-dimensional. Der Rang einer Bilinearform ψ : V × V → Kwird definiert als der Rang einer zugehorigen Fundamentalmatrix B.

Bemerkung 16.10 (a) Dies ist unabhangig von der Wahl einer Basis, denn fur eine inver-tierbare (n× n)-Matrix T , n = dimV , ist rg(B) = rg(T tBT ).

(b) ψ ist nicht-ausgeartet ⇔ ψ hat Rang n = dimV ⇔ det(B) = 0.

(c) Die “Gram’sche Determinante” det(B) (B Fundamentalmatrix von ψ) hangt von derWahl einer Basis ab: det(T tBT ) = det(T t) · det(B) · det(T ) = det(B) · [det(T )]2, aber dasVerschwinden von det(B) hangt nicht von der Basis ab.

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Erinnerung 16.11 (vergl. LA I 14.5) Eine Bilinearform ψ ∈ Bil(V ) heißt symmetrisch,wenn ψ(v, w) = ψ(w, v) fur alle v, w ∈ V .

Ist V endlich-dimensional, so ist ψ offenbar genau dann symmetrisch, wenn eine (und da-mit jede) Fundamentalmatrix von ψ symmetrisch ist. Insbesondere sind die symmetrischenBilinearform auf Kn von der Form

ψB(x, y) = xtBy

mit B = Bt ∈Mn(K).

Symmetrische Bilinearformen hangen eng mit sogenannten quadratischen Formen zusam-men:

Definitionen 16.12 Ist ψ : V × V → K eine symmetrische Bilinearform, so heißt

q = qψ : V → K mit q(v) = ψ(v, v)

die assoziierte quadratische Form.

Bemerkung 16.13 Damit ist auch definiert, was eine quadratische Form auf V ist: eineAbbildung q : V → K von der Form q = qψ fur eine symmetrische Bilinearforn ψ auf V .Insbesondere ist eine quadratische Form auf Kn eine Abbildung q : Kn → K mit

q(x) =n∑

i,j=1

aijxixj ,

wobei A = (aij) eine symmetrische Matrix ist.

Lemma 16.14 Ist die Charakteristik von K ungleich 2 (char(K) = 2, siehe LA I, 14.6), soist ψ durch die assoziierte quadratische Form q bestimmt; insbesondere gilt ψ = 0 ⇔ q = 0.

Beweis Die Voraussetzung bedeutet, dass 2 = 0 in K , d.h., dass 2 invertierbar ist. Danngilt aber

ψ(v, w) =1

2(q(v + w)− q(v)− q(w)) .

Lemma/Definition 16.15 (vergl. LA I §18) Sei ψ : V × V → K eine symmetrischeBilinearform.

(a) Zwei Vektoren v, w ∈ V heißen orthogonal (oder senkrecht) zueinander (bezuglich ψ),Bezeichnung v⊥w, wenn

ψ(v, w) = 0 .

(b) Fur v ∈ V heißtv⊥ := {w ∈ V | v⊥w}

das orthogonale Komplement von v (bezuglich ψ). Dies ist ein Unterraum von V .

(c) Sei U ⊆ V ein Unterraum. Dann heißt

U⊥ = {w ∈ V | w⊥ v fur alle v ∈ U}

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das orthogonale Komplement von U (bezuglich ψ) und ist ein Unterraum von V .

(d) Ist V endlich-dimensional und ψ nicht-ausgeartet, so gilt

dimU + dimU⊥ = dimV .

Beweis der Behauptungen:

(b): selbst!

(c): Dass U⊥ ein Unterraum ist, folgt zum Beispiel daraus, dass U⊥ der Kern der folgendenKomposition von linearen Abbildungen ist

α : Vφψ−→ V ∗ β→ U∗

v 7→ ψ(−, v)χ 7→ χ| U .

(d): Wir benutzen die obige lineare Abbildung α und zeigen, dass sie surjektiv ist. Dannfolgt mit der Rangformel

dimU⊥ = dimker(α) = dimV − dimU∗ ,

wegen dimU∗ = dimU also die Behauptung.

Da φψ nach Voraussetzung ein Isomorphismus ist (16.8), genugt es, die Surjektivitat von βzu zeigen. Sei (b1, . . . , bm) eine Basis von U , und erganze dies zu einer Basis

(b1, . . . , bm, c1, . . . , cr)

von V . Ist dann χ : U → K eine Linearform, so gibt es eine Linearform χ : V → K mit

χ(bi) = χ(bi) , i = 1, . . . ,m,χ(cj) = 0 , j = 1, . . . , r

(universelle Eigenschaft einer Basis). Fur diese gilt offenbar χ| U = χ. Dies zeigt die Surjek-

tivitat von β.

Lemma 16.16 Sei ψ : V × V → K eine symmetrische Bilinearform. Fur UnterraumeU,W ⊆ V gilt dann

U ⊆ W ⇒ W⊥ ⊆ U⊥

undU ⊆ U⊥⊥ .

Ist dimV <∞ und ψ nicht-ausgeartet, so gilt U = U⊥⊥.

Beweis Die ersten beiden Aussagen sind unmittelbar klar. Ist dimV = n < ∞ und ψnicht-ausgeartet, so gilt weiter nach 16.15 (d)

dimU⊥⊥ = n− dimU⊥ = n− (n− dimU) = dimU .

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Definition 16.17 Sei ψ : V × V → K eine symmetrische Bilinearform. Eine Basis (bi)i∈Ivon V heißt Orthogonalbasis bezuglich ψ, wenn

ψ(bi, bj) = 0 fur i = j .

(Beachte den Unterschied zur Orthonormalbasis, wie in LA I §18 definiert!)

Satz 16.18 Sei dimV <∞ und ψ eine symmetrische Bilinearform auf V . Ist char (K) = 2,so besitzt V eine Orthogonalbasis bezuglich ψ.

Beweis durch Induktion uber n = dimV , wobei die Falle n = 0 oder n = 1 trivial sind. Istdie assoziierte quadratische Form q identisch 0, so ist nach 16.14 auch ψ = 0 und wir konnenjede Basis von V nehmen. Sei also q = 0. Dann gibt es einen Vektor v ∈ V mit

0 = q(v) = ψ(v, v) .

Sei U =< v >K ; dies ist ein 1-dimensionaler Unterraum von V . Dann ist U ∩ U⊥ = {0},wegen ψ(v, v) = 0. Weiter ist U +U⊥ = V : Sei namlich w ∈ V und α := ψ(v, w) ∈ K. Dannist

w′ := w − α

q(v)w ∈ U⊥

und w = λv + w′ mit λ = α/q(v) ∈ K. Es folgt

V = U ⊕ U⊥ ;

insbesondere ist dimU⊥ = n−1. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine Orthogonalbasis(v2, . . . , vn) von U

⊥, bezuglich der Einschrankung von ψ auf U⊥ (d.h., auf U⊥ × U⊥). Dannist (v1 = v, v2, . . . , vn) eine Orthogonalbasis von V .

Corollar 16.19 Sei B ∈Mn(K) eine symmetrische Matrix, und sei char(K) = 2. Dann gibtes eine invertierbare Matrix T ∈Mn(K), so dass T tBT eine Diagonalmatrix ist.

Beweis Dies folgt durch Anwendung von 16.18 auf die Bilinearform ψB : Kn × Kn →K, ψB(x, y) = xtBy, unter Berucksichtigung der Transformationsregel 16.6 und der Tatsache,dass die Fundamentalmatrix bezuglich einerOrthogonalbasis immer einer Diagonalmatrix ist.

Definition 16.20 (a) Sei GLn(K) die Gruppe der invertierbaren (n × n)-Matrizen uberK. Sie wird auch die allgemeine lineare Gruppe n-ter Ordnung genannt.

(b) Zwei Matrizen B,B′ ∈Mn(K) heißen aquivalent, wenn es ein T ∈ GLn(K) gibt mit

B′ = T tBT .

Dies ist offenbar eine Aquivalenzrelation, und im Allgemeinen verschieden von der Relationder Ahnlichkeit.

Corollar 16.21 Fur char(K) = 2 ist jede symmetrische Matrix B ∈ Mn(K) aquivalent zueiner Diagonalmatrix.

Bemerkungen 16.22 Fur eine Bilinearform ψ sind nach 16.6 alle Fundamentalmatrizenaquivalent.

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Definition 16.23 (a) Ein Paar (V, ψ) bestehend aus einem K-Vektorraum V und einersymmetrischen Bilinearform ψ auf V heißt quadratischer Raum (uber K).

(b) Seien (V1, ψ1) und (V2, ψ2) quadratische Raume. Eine lineare Abbildung

φ : V1 → V2

heißt Isometrie (oder orthogonale Abbildung), wenn φ bijektiv ist und

ψ2(φ(v), φ(w)) = ψ1(v, w) ∀ v, w ∈ V1 .

(c) Zwei quadratische Raume (V1, ψ1) und (V2, ψ2) heißen isomorph (und die Bilinearformenψ1 und ψ2 aquivalent, bzw. die quadratische Formen affin aquivalent), wenn es eineIsometrie zwischen (V1, ψ1) und (V2, ψ2) gibt.

(d) Sei (V, ψ) ein quadratischer Raum. Die Gruppe (!) O(V, ψ) (oder kurz O(ψ)) der Isome-trien φ : (V, ψ) → (V, ψ) heißt die orthogonale Gruppe von (V, ψ) (oder von ψ).

Bemerkungen 16.24 (a) Manche Bucher nennen eine lineare Abbildung φ : V1 → V2 schonIsometrie, wenn

(∗) ψ2(φ(v), φ(w)) = ψ1(v, w) ∀ v, w ∈ V1

gilt. (keine Bijektivitat von φ vorausgesetzt). Ist ψ1 nicht-ausgeartet, so folgt aus (∗) jeden-falls schon die Injektivitat von φ:

φ(v) = 0 ⇒(∗)

ψ1(v, w) = 0 ∀w ∈ V1 ⇒ψ1 n.a

v = 0 .

(b) Zwei symmetrische Bilinearformen ψ1 : V1 × V1 → K und ψ2 : V2 × V2 → K sind genaudann aquivalent, wenn dimV1 = dimV2, und wenn die Fundamentalmatrizen von ψ1 und ψ2

aquivalent sind (es reicht, dies fur zwei beliebige Fundamentalmatrizen von ψ1 und ψ2 zuprufen).

(c) Ist K algebraisch abgeschlossen (z.B. K = C), so sind zwei quadratische Raume (V1, ψ1)und (V2, ψ2) genau dann isomorph, wenn dimV1 = dimV2 und rg ψ1 = rg ψ2 (Beweis:Ubungsaufgabe).

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17 Bilinearformen uber R

Definition 17.1 Eine symmetrische Bilinearform ψ : V × V → R auf einem R-VektorraumV heißt

(a) positiv definit, wenn ψ(v, v) > 0 fur alle v ∈ V r {0},

(b) negativ definit, wenn ψ(v, v) < 0 fur alle v ∈ V r {0},

(c) indefinit sonst.

Entsprechend heißt eine symmetrische Matrix A ∈Mn(R) positiv definit oder negativ definitoder indefinit, wenn dies fur die zugehorige Bilinearform (x, y) 7→ xtAy auf Rn gilt.

Dies sind alles Eigenschaften der zugehorigen quadratischen Formen, also v 7→ qψ(v) =ψ(v, v) bzw. x 7→ QA(x) = xtAx, und entsprechend heißen diese Formen auch positiv,negativ, oder indefinit

Beispiele 17.2 (a) Die Standard-Bilinearform

(x, y) 7→ xty

auf Rn ist symmetrisch und positiv definit, denn fur x = 0 ist xtx =n∑i=1

x2i > 0.

(b) Auf dem Raum C[a, b] der stetigen Funktionen auf dem Intervall [a, b] ist die Bilinearform

(f, g) 7→b∫a

f(t)g(t)dt

symmetrisch und positiv definit, denn fur stetiges f(t) ≡ 0 istb∫a

f(t)2dt > 0.

(c) In der Analysis zeigt man: Sei U ⊆ Rn offen und

f : U → R

zweimal stetig differenzierbar, und sei x0 ∈ U . Ist (grad f)(x0) = 0 und ist die (symmetri-sche!) Hesse-Matrix (

∂2f∂xi∂xj

(x0))i,j=1,...,n

positiv (bzw. negativ) definit, so hat f bei x0 ein lokales Minimum (bzw. Maximum). Istdie Hesse-Matrix indefinit, so kann ein lokales Minimum oder ein lokales Maximum oder einSattelpunkt (kein lokales Extremum) vorliegen.

Satz 17.3 (Tragheitssatz von Sylvester)

(a) Sei V ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum, und sei ψ : V × V → R eine symmetri-sche Bilinearform. Dann gibt es eine Basis b von V so, dass die Fundamentalmatrix von ψ

89

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bezuglich b die Form

(17.3.1)

r

s

1. . .

1 0−1

. . .

−10 0

. . .

0

hat (Eine solche Basis nennen wir eine Sylvester-Basis fur ψ).

(b) (Matrixversion) Ist B ∈Mn(R) symmetrisch, so gibt es ein T ∈ GLn(R), so dass

T tBT

die Gestalt (17.3.1) hat.

(c) Die Anzahl r der Diagonalelemente gleich 1 und die Anzahl s der Diagonalelemente gleich−1 (und damit auch die Anzahl der Nullen auf der Diagonalen) in (17.3.1) ist eindeutig durchφ (bzw. durch B) bestimmt.

Die Zahl r + s ist der Rang von φ (bzw. B, bzw. der assoz. quadratischen Form q) und dieZahl r − s heißt die Signatur von φ (bzw. B, bzw. q).

Beweis Offenbar sind (a) und (b) aquivalent (16.6).

(b): Nach 16.19 gibt es ein T1 ∈ Gln(R) mit

B′ = T t1BT1 =

α1

. . . 0. . .

0. . .

αn

mit α1, . . . , αr ∈ R. Sei

βi =

{ √|ai| (positive Wurzel) , αi = 0

1 , ai = 0 .

Dann ist die Matrix

T2 =

β−11

. . . 0. . .

0. . .

β−1n

∈ Gln(R) ,

90

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und es ist

B′′ = T t2B′T2 = (T1T2)

tB(T1T2) =

γ1

. . .. . .

. . .

γn

mit

γi =

1 αi > 0−1 αi < 00 αi = 0 .

Durch Umordnung der Basis erhalt man also die gewunschte Form (17.3.1). Diese Um-ordnung bedeutet den Ubergang zu T−1

3 B′′T3 = T t3B′′T3 = (T1T2T3)

tB(T1T2T3) mit einerPermutationsmatrix T3; eine solche ist offenbar orthogonal.

(c) Es ist rg ψ = rg B = Rang der Matrix (17.3.1) = r + s.

Weiter behaupten wir

Behauptung : r ist die maximale Dimension eines Untervektorraums U ⊆ V , auf dem ψpositiv-definit ist.

Beweis : Sei b1, . . . , bn eine Sylvester-Basis bezuglich ψ, und sei V1 =< b1, . . . , br >R (r wiein (17.3.1)) und V2 =< br+1, . . . , bn >R. Dann ist ψ positiv definit auf V1. Angenommen, esgibt ein U ⊆ V mit dimU > r und ψ positiv definit auf U . Mit der Dimensionsformel

dimU + dimV2 = dim(U + V2) + dimU ∩ V2

folgtdimU ∩ V2 = dimU + dimV2 − dim(U + V2) > r + (n− r)− n = 0 ,

da dimU > r, dimV2 = n − r und dim(U − V2) ≤ dimV = n. Also ist U ∩ V2 = 0.Aber auf V2 ist ψ negativ semi-definit, d.h., ψ(v, v) ≤ 0 fur alle v ∈ V2. Widerspruch zurPositiv-Definitheit von ψ auf U !

Daher sind r und s durch φ bestimmt.

(Es gilt auch noch: s = maximale Dimension eines Unterraums U ′ ⊆ V auf dem ψ negativdefinit ist).

91

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18 Quadriken

Definition 18.1 Sei K ein Korper der Charakteristik = 2, und sei n ∈ N.

(a) Eine quadratische Funktion f : Kn → K ist eine Abbildung der Form

f(x) =n∑

i,j=1

gijxixj +n∑i=1

aixi + b = xtGx+ atx+ b ,

mit G = (gij) ∈ Mn(K), a = (ai) ∈ Kn und b ∈ K, wobei ohne Einschrankung G symme-trisch sei.

(b) Die MengeM = {x ∈ Kn | f(x) = 0}

heißt die durch f bestimmte affine Quadrik oder Hyperflache zweiter Ordnung (auchzweiten Grades).

Beispiele 18.2 (a) Ist a = 0 und b = 0, so haben wir eine quadratische Form (vergl. 12.8).

(b) Ist G = 0, so haben wir eine affine Hyperflache in Kn.

(c) Sei K = R

1) x2 + y2 = r2 beschreibt den Kreis um 0 mit Radius r

r

y

x

2) y2 = px ist eine Parabel

y

x

92

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3) x2

a2+ y2

b2= 1 ist eine Ellipse

b

a

y

x

4) x2

a2− y2

b2= 1 ist eine Hyperbel

a

y

x

5) x2 + y2 + z2 = r2 ist die Sphare mit Radius r im R3.

x

y

z

Sei nun K = R. Wie sieht eine Quadrik bis auf eine Bewegung in Rn aus? Hierbei definierenwir

93

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Definition 18.3 Eine Bewegung im Rn ist eine Abbildung

f : Rn → Rn

der Form x 7→ Ax+ v mit A ∈ O(n) und v ∈ Rn.

Dies sind gerade die Abbildungen, die Langen und Winkel erhalten und entsprechen in R2

und R3 den Abbildungen, bei denen ein Korper “seine Form behalt”. Wir wollen sie benutzen,um f(x) auf einfachere Gestalt zu bringen.

Sei f(x) = xtGx+ax+b eine quadratische Form, mit symmetrischem G. Wir fuhren erst eineorthogonale Transformation x 7→ T1x durch, T1 ∈ O(n), die G auf Diagonalgestalt bringt,d.h., es ist dann

fT1(x) =n∑i=1

λix2i + 2atx+ b ,

mit T t1GT1 =

λ1 . . .

λn

und at = 12atT1. Jetzt wenden wir eine Transformation T2x =

x+ v an und erhalten

fT1T2(x) =n∑i=1

λix2i + 2

n∑i=1

aixi + b

mit b = b+n∑i=1

λiv2i + 2

n∑i=1

aivi und ai = ai + λivi.

Durch Umordnen der Basis k?nnen wir erreichen: Es gibt ein k, 1 ≤ k ≤ n mit λi = 0 furalle i = 1, . . . , k und λi = 0 fur i > k. Dann konnen wir v1, . . . , vk so bestimmen, dass

ai = ai + λivi = 0 fur i = 1, . . . , k .

1. Fall ak+1 = . . . = an = 0

Dann konnen wir f noch mit einer Konstanten = 0 multiplizieren (wodurch sich die Losungsmengenicht andert) und erhalten eine Gleichung der Form

k∑i=1

λix2i = 0 oder

k∑i=1

λix2i = 1 .

2. Fall Andernfalls wahlen wir im Raum < ek+1, . . . , en > der letzten n − k Komponenteneine Orthonormalbasis, deren erster Vektor gleich w/ ||w|| ist, wobei

w =

ak+1...an

.

Ubergang zu dieser Basis – was wieder ein orthogonale Transformation T3 ist – liefert eineGleichung

fT1T2T3(x) =k∑i=1

λix2i + 2c xk+1 + d

94

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mit c, d ∈ R. Ersetzen wir xk+1 durch xk+1 − d2c

(Transformation T4 mit T4x = x − d2cek+1)

und multiplizieren wir die Gleichung mit −1c, so erhalten wir die Form

k∑i=1

λix2i = 2xk+1 .

Zusammengefasst erhalten wir

Satz 18.4 Durch eine Bewegung des Rn laßt sich die quadratische Funktion f bis auf Mul-tiplikation mit einem Faktor = 0 in eine der Formen

(i)k∑i=1

λix2i = 0

(ii)k∑i=1

λix2i = 1

(iii)k∑i=1

λix2i = 2xk+1

transformieren. Insbesondere wird die Quadrik M = {x ∈ Rn | f(x) = 0} durch eineBewegung in eine Quadrik vom Typ (i), (ii) oder (iii) transformiert.

Definition 18.5 Die obigen Formen heißen die euklidischen Normalformen der Quadri-ken, und der angegebene Prozess heißt Hauptachsentransformation fur die Quadrik.

Wir machen uns nun ein Bild von den Quadriken mit den Normalformen.

18.6 Die Quadriken hangen nicht von den Koordinaten ab, die in den Gleichungen 18.4(i)-(iii) nicht mehr vorkommen; diese letzten Koordinaten sind also beliebig. Es ist also z.B.im Fall (ii)

M = {x ∈ Rn |k∑i=1

λix2i = 1} = {x ∈ Rk |

k∑i=1

λix2i = 1} × Rn−k ,

d.h., es genugt also, den Fall k = n zu betrachten; der Fall n < k ergibt sich durch dasProdukt mit Rn−k. Dasselbe gilt auch im Fall (ii), wahrend wir im Fall (iii) nur die Situationn = k + 1 betrachten mussen und dann das Produkt mit Rn−k−1 bilden.

Beispiel: n = 3, k = 2; dann ist z.B.

M = {x ∈ R3 | x21 + x22 = 1} = {x ∈ R2 | x21 + x22 = 1} × R ,

wobei {x ∈ R2 | x21+x22 = 1} der Kreis in R2 um 0 mit Radius 1 ist. Also istM ein Zylinder:

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1xS

2x

3x

Entsprechendes gilt in den Fallen (i) und (iii).

18.7 Weiter gibt es die degenerierten Falle:

(a) (i) und alle λi > 0 oder alle λi < 0 ⇒ M = {0} ist ein Punkt. Mit 18.6 undBewegungen erhalt man alle affinen Raume.

(b) (ii) und alle λi < 0 ⇒ M = ∅ ist leer.

(c) (ii) und n = 1: x2 = 1λ> 0 ⇒M = ± 1√

λzwei Punkte

18.8 Wir betrachten nun den Fall R2, mit maximalen k

(i): c2x2 − y2 = 0 mit c ∈ R: Dann ist

M = {(x, y) ∈ R2 | y = cx ∪ y = −cx} ,

die Vereinigung der beiden Geraden durch 0 mit Steigung ±c

1

c

y

x

96

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(ii)1): Seien λ1, λ2 > 0: Setze

a =1√λ1, b =

1√λ2

∈ R>0 ,

dann erhalten wir die Gleichungx2

a2+y2

b2= 1 .

M ist eine Ellipse mit den Hauptachsenabschnitten a und b.

Pαα Tangente

21 FF

b

a

y

x

Gilt a ≥ b, wie hier, so ist 2a die Lange der großen Achse.

2e = 2√a2 − b2 heißt die Exzentrizitat, und die Punkte F1 = (−e, 0) und F2(e, 0) sind die

Brennpunkte der Ellipse: Fur P = (x, y) ∈ M ist d(F1, P ) + d(F2, P ) konstant gleich 2a.Im Spezialfall a = b = r ergibt sich der Kreis mit Radius r.

(ii) 2): Seien λ1 > 0, λ2 < 0: Setze

a =1√λ1

, b =1√|λ2|

∈ R>0

Damit erhalten wir die Normalform einer Hyperbelgleichung.

x2

a2− y2

b2= 1

P

21 FF

Asymptote

a a

y

x

97

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Die Exzentrizitat ist 2e = 2√a2 + b2, die Brennpunkte sind wieder F1 = (−e, 0) und

F2 = (e, 0), und M ist die Menge der Punkte P ∈ R3, fur die

|d(P, F1)− d(P, F2)| = 2a .

(iii) Hier erhalten wir die Parabel. Indem wir geeignet nummerieren und teilen, erhaltenwir die Normalform

y2 = 2px

Fur p > 0 ist das Bild

p/2p/2

P

F

L

Tangente

α

α

y

x

Der Brennpunkt ist F = (p2, 0), die Leitlinie L ist die Geraden x = −p

2. Die Parabel ist

die Menge der Punkte P , die den gleichen Abstand von L und von F haben.

18.9 Im Hoherdimensionalen ist es am besten, eine Streckung

xi 7→xi√|λi|

(i = 1, . . . , k)

der Koordinaten vorzunehmen. Dann erhalt man als einzige Moglichkeit die Gleichungen

(i) ∥ x ∥2 − ∥ y ∥2= 0,

(ii) ∥ x ∥2 − ∥ y ∥2= 1,

(iii) ∥ x ∥2 − ∥ y ∥2= 2z,

wobei x = (x1, . . . , xr) die Koordinaten mit positiven λi und y = (y1, . . . , ys) die Koordinatenmit negativem λi zusammenfasst (Umnummerierung = orthogonale Abbildung). Es geltenalso in den Fallen (i) und (ii) analoge Gleichungen wie in R2, aber fur die Normen, und esentstehen oft Rotationskorper.

Wir illustrieren dies in R3

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(i) x21 + x22 = x23: (Doppel-)Kegel um die x3-Achse

1x

2x

3x

(Rotation des Geradenpaares x21 − x23 = 0 um die x3-Achse)

(ii) 1) x21 + x22 + x23 = 1: Kugel mit Radius 1. Ohne Streckungen erhalten wir

x21a2

+x22b2

+x23c2

= 1 ,

ein Ellipsoid:

1x

2x

3x

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(ii) 2) x21 + x22 − x23 = 1 bzw. ∥ x ∥2 −y2 = 1

1x

2x

3x

Einschaliges Hyperboloid (Rotation der Hyperbel x21 − x23 = 1 um die x3-Achse)

(ii) 3) x21 − x22 − x23 = 1 bzw. x2− ∥ y ∥2= 1:

1x

2x

3x

Zweischaliges Hyperboloid (Rotation der Hyperbel x21 − x23 = 1 um die x1-Achse)

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Fur (iii) ergeben sich zwei Falle:

(iii) 1) x21 + x22 = 2x3 bzw. ∥ x ∥2= 2y

1x

2x

3x

Rotationsparaboloid (Rotation der Parabel x21 = 2x3 um die x3-Achse), also wieder einRotationskorper.

(iii) 2) Als neue Figur im R3 ergibt sich

x21 − x22 = 2x3,

die Sattelflache

1x

2x

3x

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19 Ringe, Ringhomomorphismen und Ideale

Erinnerung 19.1 (vergleiche LA I, 5.1) (a) Ein Ring ist eine Menge R mit zwei (inneren)Verknupfungen + und ·, so dass gilt:

(i) (R,+) ist eine kommutative Gruppe.

(ii) · ist assoziativ.(iii) Es gelten die Distributivgesetze.

(b) R heißt Ring mit Eins, wenn es ein Element 1 ∈ R gibt mit 1x = x = x1 fur alle x ∈ R.Dieses Element 1 ist eindeutig.

(c) R heißt kommutativ, wenn · kommutativ ist.

Bemerkung 19.2 In einem Ring R mit Eins ist 1 = 0 genau dann wenn R = {0}: IstR = {0} und x ∈ Rr {0}, so ist wegen 1 · x = x und 0 · x = 0 (gilt in jedem Ring!) 1 = 0.

Definition 19.3 Sei R ein Ring mit Eins 1 = 0. Ein Element a ∈ R heißt Einheit, wenn esein b ∈ R gibt mit ab = 1 = ba. Die Menge der Einheiten in R wird mit R× bezeichnet.

Lemma 19.4 (R×, ·) ist eine Gruppe.

Beweis Fur a, b ∈ R× seien a′, b′ ∈ R mit aa′ = 1 = a′a und bb′ = 1 = b′b. Dann sind a′ undb′ ∈ R× und es gilt abb′a′ = 1 = b′a′ab, also ab ∈ R×. Wegen 1 · 1 = 1 ist auch 1 ∈ R× undes folgt sofort, dass R× eine Gruppe ist.

Corollar/Definition 19.5 Ist a ∈ R×, so gibt es genau ein b ∈ R mit ab = 1 = ba. Dieseswird mit a−1 bezeichnet.

Beweis der Eindeutigkeit von a−1: Dies ist eine allgemeine Eigenschaft von Gruppen.

Beispiele 19.6 (a) Ist R ein Ring, so ist die Menge Mn(R) der (n × n)-Matrizen mitKoeffizienten aus R ein Ring mit der ublichen Matrixaddition ((aij)+ (bij) = (aij+ bij)) und

Matrixmultiplikation ((aij)(bij) = (cij) mit cij =n∑k=1

aikbkj). Selbst wenn R kommtutativ

ist, so ist Mn(R) nicht kommutativ fur n ≥ 2. Hat R eine Eins 1, so hat Mn(R) die Eins1 0

. . .

0 1

.(b) Fur einen Ring R mit Eins 1 = 0 ist per definitionem Gln(R) die Einheitengruppe vonMn(R), namlich die Gruppe der invertierbaren Matrizen.

(c) Die Einheitengruppe von Z ist {±1}, denn fur eine naturliche Zahl m > 1 und jedenaturliche Zahl n istm·n > 1, m·(−n) = −m·n < 0, und entsprechend (−m)n, (−m)(−n) =1.

Im Folgenden betrachten wir nur kommutative Ringe.

Definition 19.7 (a) Eine Abbildung φ : R → R′ zwischen Ringen heißt (Ring-)Homomor-

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phismus, wenn

φ(r1 + r2) = φ(r1) + φ(r2), φ(r1 · r2) = φ(r1) · φ(r2)

fur r1, r2 ∈ R. Haben R und R′ Einselemente, so fordert man noch, dass φ(1) = 1 ist.

(b) φ heißt Monomorphismus (bzw. Epimorphismus, bzw. Isomorphismus, bzw. Automor-phismus), wenn φ injektiv (bzw. surjektiv, bzw. bijektiv, bzw. bijektiv und R = R′ ist).

Definition 19.8 Eine Teilmenge R′ ⊆ R heißt Unterring, wenn R′ eine Untergruppe von(R,+) ist, und wenn a · b ∈ R′ fur alle a, b ∈ R′ (Dann ist R′ mit den Einschrankungen von+ und · ein Ring, und die Inklusion R′ ⊆ R ist ein Ringhomomorphismus).

Definition 19.9 Eine Teilmenge a eines Ringes R heißt (zweiseitiges) Ideal von R, wenngilt

(i) a ist eine Untergruppe der additiven Gruppe von R,

(ii) Fur jedes a ∈ a und x ∈ R gilt xa ∈ a und ax ∈ a.

Beispiele 19.10 (a) Ist R ein Ring, so sind {0} und R immer Ideale von R und heißen dietrivialen Ideale.

(b) Ist R ein kommutativer Ring, so ist fur jedes a ∈ R die Menge Ra = {ra | r ∈ R} einIdeal.

(c) Im Ring Z sind alle Ideale von der Form Zm fur ein m ∈ Z. Dies folgt namlich aus derstarkeren

Behauptung : Alle Untergruppen von Z sind von der Gestalt mZ fur ein m ∈ Z.

Beweis : Sei U eine Untergruppe von Z. Ist U = {0}, so konnen wir m = 0 nehmen. Andern-falls ist U ∩N = ∅. Sei m die kleinste naturliche Zahl mit m ∈ U . Dann ist offenbar mZ ⊆ U .Sei umgekehrt n ∈ U . Es gibt k, r ∈ Z mit 0 ≤ r < m und

n = km+ r .

Da U Untergruppe ist, folgt r = n − km ∈ U . Wegen der Minimalitat von m muss r = 0sein, also n ∈ mZ.

(d) Jedes Ideal ist auch ein Unterring (i.a. ohne Eins, s.u.).

Lemma 19.11 Sei φ : R → R′ ein Ringhomomorphismus.

(a) Ist ψ : R′ → R′′ ein zweiter Ringhomomorphismus, so ist ψ ◦φ : R → R′′ ein Ringhomo-morphismus.

(b) Ist φ ein Ringisomorphismus, so auch φ−1.

(c) Das Bild von φ (Bez. im(φ)) ist ein Unterring von R′-

(d) Ist a′ ein Ideal (bzw. Unterring) von R′, so ist φ−1(a′) ein Ideal (bzw. Unterring) von R.

(e) Insbesondere ist der Kern von φ,

ker(φ) = {a ∈ R | φ(a) = 0} ,

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ein Ideal von R.

Beweis: vollkommen analog zum Fall der Gruppen (siehe LA I §7).

Proposition 19.12 Sei R = {0} ein (kommutativer) Ring mit Eins.

(a) Enthalt ein Ideal a von R eine Einheit von R, so ist a = R.

(b) R ist genau dann ein Korper, wenn R nur die trivialen Ideale {0} und R besitzt.

Beweis: selbst!

Lemma/Definition 19.13 Sei R ein Ring.

(a) Ist (ai)i∈I eine nicht-leere Familie von Idealen von R, so ist∩i∈I

ai ein Ideal von R.

(b) Ist A ⊆ R eine Teilmenge von R, so ist

⟨A⟩ =∩

a IdealA⊆a

a

das kleinste Ideal von R, welches A umfaßt und heißt das von A erzeugte Ideal. Ist A ={a1, . . . , an} endlich, so schreiben wir man statt ⟨A⟩ meist ⟨a1, . . . , an⟩.

Sehr ublich ist in der Ringtheorie die Schreibweise (A) bzw. (a1, . . . , an). Da Letzteres miteinem n-Tupel verwechselt werden kann, haben wir eine andere Bezeichnung gewahlt, ahnlichzum Erzeugnis bei Vektorraumen.

(c) Ist R kommutativ mit Eins, so ist

⟨A⟩ = {n∑i=1

riai | n ∈ N ∪ {0}, a1, . . . , an ∈ A, r1, . . . , rn ∈ R}

(mit der ublichen Konvention, dass die leere Summe = 0 ist).

Beweis (a) und (b) sind klar. Die in (c) rechts stehende Menge ist ein Ideal, enthalt A (daa = 1a fur a ∈ A), und ist andererseits in jedem Ideal enthalten, welches A enthalt, woraus(c) folgt.

Lemma/Definition 19.14 Sein a, b Ideale eines Ringes R, so ist

a+ b = {a+ b | a ∈ a, b ∈ b}

ein Ideal von R und heißt die Summe von a und b. Es ist a+ b = ⟨a∪ b⟩, d.h., a+ b ist daskleinste Ideal, welches a und b umfasst. Allgemeiner ist fur eine Familie (ai)i∈I von Idealenin R ∑

i∈Iai = {

n∑ν=1

aν | n ∈ N, aν ∈ aiν , iν ∈ I} = ⟨∪i∈I

ai⟩

das kleinste Ideal, welches alle ai umfasst.

Der Beweis der Behauptungen in 19.14 ist klar.

104

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Jedes Ideal a eines Ringes R ist insbesondere eine Untergruppe seiner additiven Gruppe,wobei letztere abelsch ist. Man kann daher die Faktorgruppe

R/a = {x+ a | x ∈ R}

bilden (siehe §10). Diese ist abelsch, mit Verknupfung

(x+ a) + (y + a) = (x+ y) + a .

Satz 19.15 Es gibt genau eine Verknupfung · auf R/a derart, dass (R/a,+, ·) ein Ring unddie kanonische Abbildung π : R → R/a ein Ringhomomorphismus ist.

Beweis Es ist notwendigerweise

(x+ a) · (y + a) = π(x) · π(y) = π(x · y) = x · y + a .

Definieren wir die Multiplikation auf diese Weise, so ist sie wohldefiniert: gilt x+ a = x′ + aund y + a = y′ + a, so ist x′ − x ∈ a und y′ − y ∈ a, und damit

x′y′ − xy = (x′ − x)y′ + x(y′ − y) ∈ a ,

d.h., x′y′+a = xy+a. Damit ist dann R/a ein Ring (das Assoziativgesetz der Multiplikationund die Distributivgesetze ubertragen sich von R auf R/a) und π ein Ringhomomorphismus(wir wissen schon, dass π(x+ y) = π(x) + π(y) ist).

Definition 19.16 (a) Der Ring R/a heißt Restklassenring von R modulo a.

(b) Fur x − y ∈ a (⇔ x + a = y + a) schreibt man auch x ≡ y mod a (x kongruent zu ymodulo a), vergleiche 10.1.

Lemma 19.17 (a) Ist R kommutativ, so auch R/a.

(b) Hat R eine Eins 1, so ist 1+ a Einselement von R/a, und φ : R → R/a bildet die Einsenaufeinander ab.

(c) Eine Teilmenge a eines Ringes R ist genau dann ein Ideal, wenn es einen Ringhomomor-phismus φ : R → R′ mit a = ker(φ) gibt.

Beweis Dies ist alles klar. Fur (c) beachte, dass der Kern von R → R/a gleich a ist.

Beispiel 19.18 Fur jedes m ∈ Z ist Z/mZ ein Ring, genannt der Restklassenring modulom. Setzen wir a = a+mZ, so ist a+ b = a+ b und a · b = a · b. Zum Beispiel ist in Z/5Z

3 + 2 = 5 = 0, 3 · 2 = 6 = 1 .

Sei (Z/mZ)× die Gruppe der Einheiten in Z/mZ; diese heißt die prime Restklassengruppe(oder Primrestklassengruppe) modulo m. Es gilt fur a ∈ Z

a+mZ ∈ (Z/mZ)×⇔ ∃ b ∈ Z mit ab+mZ = 1 +mZ⇔ ∃ b ∈ Z mit ab− 1 ∈ mZ⇔ ∃ b, r ∈ Z mit ab+mr = 1⇔ a und m sind teilerfremd (nach dem Lemma unten).

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Insbesondere ist (Z/mZ)× die Menge der Erzeugenden der additiven Gruppe Z/mZ, und esgilt |(Z/mZ)×| = φ(m), wobei φ die Eulersche φ-Funktion ist.

Lemma 19.19 Fur ganze Zahlen m,n ∈ Z gilt: m und n sind teilerfremd (d.h., die einzigengemeinsamen Teiler sind +1 und −1) genau dann, wenn es r, s ∈ Z gibt mit rm+ sn = 1.

Beweis: Es genugt, dies fur naturliche Zahlen m,n zu zeigen. Haben m und n einen ge-meinsamen Teiler, so kann es offenbar keine Gleichung rm+ sn = 1 geben. Haben m und nkeinen gemeinsamen Teiler d > 1, so zeigen wir durch Induktion uber n, dass es r, s ∈ Z mitrm + sn = 1 gibt. Fur n = 1 ist nichts zu zeigen. Fur n > 1 gibt es q, c ∈ Z mit 0 < c < nmit

m = qn+ c

(c > 0, dam nicht durch n teilbar ist). Hieraus folgt, dass n und c keinen gemeinsamen Teilerd > 1 haben (dieser wurde auch m teilen). Nach Induktionsvoraussetzung gibt es a, b ∈ Zmit an+ bc = 1. Dann ist

1 = an+ bc = an+ b(m− qn) = bm+ (a− bq)n .

Die fur Gruppen oder Vektorraume gezeigten Homomorphie- und Isomorphiesatze (siehe§10) haben Analoga fur Ringe.

Satz 19.20 Sei φ : R → R′ ein Ringhomomorphismus.

(a) Ist a ein Ideal von R mit φ(a) = {0} (d.h., a ⊆ ker(φ)), so gibt es einen eindeutigbestimmten Ringhomomorphismus φ : R/a → R′ der das Diagramm

Rπ //

φ��?

????

??? R/a

φ}}{{

{{

R′

kommutativ macht.

(b) (Homomorphiesatz) φ induziert einen injektiven Ringhomomorphismus

φ : R/ ker(φ) ↪→ R′

und einen Isomorphismus von Ringen

φ : R/ ker(φ)∼−→ im(φ) .

Beweis Der analog zu 10.8 hergeleitete Gruppenhomomorphismus φ : R/a → R′ der addi-tiven Gruppen, mit φ(r + a) = φ(r), ist auch ein Ringhomomorphismus.

Satz 19.21 (Chinesischer Restsatz) Sei R ein kommutativer Ring mit Eins, und seiena1, . . . , an Ideale von R derart, dass ai+aj = R fur i = j. Dann hat man einen Isomorphismus

R/n∩i=1

ai∼−→ R/a1 × . . .×R/an .

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Beweis Definiere φ : R →n∏i=1

R/ai vermoge

φ(r) = (r + a1, . . . , r + an) .

Offenbar ist dies ein Ringhomomorphismus, und es ist ker(φ) =n∩i=1

ai. Es bleibt die Sur-

jektivitat von φ zu zeigen, dann folgt die Behauptung mit dem Homomorphiesatz. Seienr1, . . . , rn ∈ R; wir mussen ein r ∈ R konstruieren mit r − ri ∈ ai fur i = 1, . . . , n, wobeiohne Einschrankung n ≥ 2 ist.

Sei j ∈ {1, . . . , n}. Nach Voraussetzung gibt es fur jedes i = j Elemente aij ∈ ai und bij ∈ ajmit

1 = aij + bij .

Setze sj :=∏i=j

aij; dann ist sj ∈ ai fur jedes i = j und sj =∏i=j

(1− bij) ∈ 1 + aj := {1 + a |

a ∈ aj}. Mit anderen Worten ist

sj ≡ 1 mod ajsj ≡ 0 mod ai fur i = j .

Mit r :=n∑j=1

rjsj ist dann r ≡ risi ≡ ri mod ai.

Beispiel 19.22 (klassischer Chinesischer Restsatz) Sind m1, . . . ,mn ∈ Z paarweise teiler-fremd, so ist

(19.22.1) Z/m1 . . .mnZ∼−→ Z/m1Z× . . .× Z/mnZ .

Es ist namlichmiZ+mjZ = Z fur i = j (vergleiche 19.19) undn∩i=1

miZ = kgV (m1, . . . ,mm)Z =

n∏i=1

miZ. Explizit bedeutet der Isomorphismus (19.22.1): es gibt zu vorgegebenen a1, . . . , an ∈

Z ein x ∈ Z mitx ≡ ai mod mi i = 1, . . . , n .

Ist x eine Losung dieses Systems von Kongruenzen, so ist x + m1 . . .mnZ die Menge allerLosungen.

Im Hinblick auf dieses klassische Beispiel nennt man Ideale a und b in einem kommutativenRing mit Eins teilerfremd, wenn a + b = R. Die Voraussetzung von 19.21 ist also, dass dieai paarweise teilerfremd sind.

Wir kommen nun zu drei wichtigen Definitionen fur Ringe und Ideale.

Definition 19.23 (a) Ein Element r in einem Ring R heißt Nullteiler, wenn es ein Elements ∈ Rr {0} gibt mit r · s = 0 oder s · r = 0.

(b) Ein Ring R heißt nullteilerfrei, wenn es außer der 0 keine Nullteiler gibt.

(c) Ein kommutativer Ring R mit Eins heißt Integritatsring (oder Integritatsbereich), wennR = 0 und nullteilerfrei ist.

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Beispiel 19.24 (a) Z ist ein Integritatsring.

(b) Jeder Korper ist ein Integritatsring.

Definition 19.25 Ein Ideal p in einem Ring R heißt Primideal (oder prim), wenn p = R istund wenn fur alle a, b ∈ R gilt

ab ∈ p ⇒ a ∈ p oder b ∈ p .

Beispiel 19.26 Ist p eine Primzahl, so ist pZ ein Primideal in Z. Denn es ist pZ = Z, undfur a ∈ Z gilt a ∈ pZ genau dann wenn p | a. Fur a, b ∈ Z gilt aber

p | ab ⇒ p | a oder p | b .

Definition 19.27 Ein Ideal m in einem Ring heißt maximal, wenn m = R und wenn es keinIdeal a ⊆ R mit m $ a $ R gibt.

Beispiel 19.28 Ist K ein Korper, so ist (0) ein maximales Ideal (siehe 19.12 (b)).

Satz 19.29 Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.

(a) Ein Ideal p ⊆ R ist genau dann ein Primideal, wenn R/p ein Integritatsring ist.

(b) Ein Ideal p ⊆ R ist genau dann maximal, wenn R/m ein Korper ist.

Beweis (a): Zunachst ist p = R genau dann, wenn R/p = 0. Weiter gilt fur a ∈ R genaudann a ∈ p wenn a = 0 in R/p, wobei a die Restklasse von a in R/p bezeichnet. Daher ist

ab ∈ p ⇒ a ∈ p oder b ∈ p

aquivalent zuab = 0 ⇒ a = 0 oder b = 0 ,

und Letzteres bedeutet die Nullteilerfreiheit von R/p.

(b): Da die Ideale in R/m gerade den Idealen a ⊆ R mit m ⊆ a ⊆ R entsprechen, folgt dieBehauptung daraus, dass der kommutative Ring mit Eins R/m genau dann ein Korper ist,wenn er nur die trivialen Ideale hat (die in R den Idealen m und R entsprechen).

Corollar 19.30 Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.

(a) R ist Integritatsring genau dann, wenn (0) ein Primideal ist.

(b) R ist ein Korper genau dann, wenn (0) ein maximales Ideal ist.

(c) Jedes maximale Ideal ist auch ein Primideal.

Beweis (a) und (b) folgen aus der Isomorphie R/(0) ∼= R, und (c) folgt aus 19.29 undBeispiel 19.24 (b).

Satz 19.31 Fur m ∈ N sind die folgenden Aussagen aquivalent:

(a) m ist eine Primzahl.

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(b) Z/mZ ist ein Integritatsring.

(c) Z/mZ ist ein Korper.

Beweis: (a) ⇒ (c): Ist m = p Primzahl, so besteht (Z/pZ)× nach Beispiel 19.18 aus allenElementen ungleich 0, namlich 1, 2, . . . , p− 1.

(c) ⇒ (b): gilt allgemein.

(b) ⇒ (a): Ist m keine Primzahl, also etwa m = c · d mit 0 < c, d < m, so ist c = 0, d = 0,oder cd = cd = m = 0.

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20 Noethersche Ringe und Hauptidealringe

Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.

Definition 20.1 (a) R heißt Hauptidealring, wenn R ein Integritatsring ist und jedesIdeal Hauptideal ist, d.h., von der Form ⟨a⟩ = Ra fur ein a ∈ R.

(b) Ein Ideal a ⊂ R heißt endlich erzeugt, wenn es a1, . . . , an ∈ R gibt mit a = ⟨a1, . . . , an⟩.R heißt noethersch, wenn jedes Ideal endlich erzeugt ist.

Wir betrachten zunachst Hauptidealringe. Wichtige Beispiele sind wie folgt gegeben.

Definition 20.2 Ein Integritatsring R heißt euklidisch, wenn es eine Abbildung

d : Rr {0} → N0

gibt mit der Eigenschaft: zu je zwei Elementen a, b ∈ Rr {0} gibt es q, r ∈ R mit

(i) a = qb+ r, wobei

(ii) r = 0 oder d(r) < d(b).

Beispiele 20.3 (a) Z mit | | : Zr {0} → N0,m 7→ |m|, ist euklidisch – das ist das bekannteTeilen mit Rest.

(b) Nach LA I, Satz 16.6 ist fur jeden Korper K der Polynomring in einer Variablen K[X]mit deg : K[X]r {0} → N0, f 7→ deg(f) euklidisch.

Satz 20.4 Jeder euklidische Ring R ist ein Hauptidealring.

Beweis (vergleiche den Beweis von 19.10 (c)) Ist a ein Ideal von R, ohne Einschrankunga = {0}, so ist d(a r {0}) eine nichtleere Teilmenge von N0, hat also ein kleinstes Elementk. Sei 0 = a ∈ a mit d(a) = k; dann ist a = (a). Ware namlich b ∈ a mit b /∈ (a), so gabe esq, r ∈ R mit b = qa + r, wobei r = 0 und d(r) < d(a) = k. Da r = b − qa in a liegt, waredies ein Widerspruch zur Minimalitat von k.

Corollar 20.5 Ist K ein Korper und a ⊆ K[X] ein Ideal = {0}, so gibt es genau einnormiertes Polynom f ∈ K[X] mit a = ⟨f⟩.

Beweis Nach 20.3 (b) und 20.4 ist K[X] ein Hauptidealring; es gibt daher ein f ∈ K[X]mit a = ⟨f⟩. Ist a der Leitkoeffizient von f , so ist a ∈ K r {0} = K×, a−1f normiert und⟨f⟩ = ⟨a−1f⟩; es kann also f als normiert vorausgesetzt werden. Ist ⟨f⟩ = ⟨g⟩, so ist nachdem folgenden Lemma f = ug mit u ∈ K[X]× = K× (letzte Gleichheit: selbst). Sind f undg normiert, so ist notwendigerweise u = 1, also f = g.

Lemma 20.6 Ist R ein Integritatsring und sind a, b ∈ R, so gilt ⟨a⟩ = ⟨b⟩ genau dann wenna = ub fur eine Einheit u ∈ R×.

Beweis Gilt ⟨a⟩ = ⟨b⟩, so ist a = ub und b = va mit u, v ∈ R, und damit a(1− uv) = 0. Ista = 0, so folgt uv = 1, d.h., u, v ∈ R×.

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Wir betrachten nun noethersche Ringe.

Proposition 20.7 Die folgenden Aussagen sind aquivalent.

(a) R ist noethersch.

(b) Jede aufsteigende Kette a0 ⊂ a1 ⊂ a2 ⊂ . . . von Idealen wird stationar, d.h., es gibt einn ∈ N mit an = an+k fur alle k ≥ 0.

(c) Jede nichtleere Menge I von Idealen von R besitzt ein maximales Element, d.h., esexistiert ein b ∈ I derart, dass kein a ∈ I existiert mit b $ a.

Beweis (a) ⇒ (b): Man zeigt leicht, dass∪n≥0

an =: a ein Ideal ist (je endlich viele Elemente

von a liegen in einem am fur geeignetes m ∈ N). Ist a = ⟨a1, . . . , ar⟩, so gibt es auch ein anmit a1, . . . , ar ∈ an. Die Inklusionen

⟨a1, . . . , ar⟩ ⊆ an ⊆ an+k ⊆ a = ⟨a1, . . . , ar⟩

sind dann alles Gleichheiten.

(b) ⇒ (c): Gabe es in I kein maximales Element, so hatte man eine unendliche aufsteigendeKette a0 $ a1 $ a2 $ . . ..

(c) ⇒ (a): Sei a ein Ideal von R und I die Menge aller in a enthaltenen endlich erzeugtenIdeale. Wegen {0} ∈ I ist I nichtleer, nach (c) gibt es also ein maximales Element c =⟨c1, . . . , cr⟩ ∈ I. Es ist nach Definition c ⊆ a. Ist a ∈ a, so ist c′ = ⟨c1, . . . , cr, a⟩ ⊆ a, c ⊆ c′,also c = c′ wegen der Maximalitat von c, d.h., a ∈ c. Damit ist a = c endlich erzeugt.

Beispiele 20.8 (a) Korper und Hauptidealringe sind trivialerweise noethersch; insbesondereist Z noethersch.

(b) Der Ring C([0, 1],R) der stetigen reellwertigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] istnicht noerthersch: fur jedes n ∈ N ist die Menge an = {f ∈ C([0, 1],R) | f|[0, 1

n]= 0} ein

Ideal, und es ist a1 $ a2 $ a3 $ . . ..

(c) Ist R noethersch, so ist jedes epimorphe Bild R′ von R wieder noethersch.

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21 Teilertheorie in Integritatsringen und faktorielle Rin-

ge

Sei R wieder ein Integritatsring.

Definition 21.1 Fur a, b ∈ R sagen wir a teilt b (Bez. a | b oder b ≡ 0(mod a)), wenn diefolgenden aquivalenten Bedingungen gelten

(i) Es existiert ein c ∈ R mit a · c = b.

(ii) b ∈ ⟨a⟩.(iii) b ≡ 0 mod⟨a⟩ (d.h., b = 0 in R/⟨a⟩).(iv) ⟨b⟩ ⊆ ⟨a⟩.

Beweis (i) ⇔ (ii) ist klar, da ⟨a⟩ = Ra. (ii) ⇔ (iii) gilt nach Definition. (ii) ⇒ (iv):b ∈ ⟨a⟩ ⇒ ⟨b⟩ = Rb ⊆ ⟨a⟩, da ⟨a⟩ ein Ideal ist. (iv) ⇒ (ii) ist trivial.

Corollar 21.2 Fur a, b, c ∈ R gilt:

(a) a | a (reflexiv)

(b) a | b und b | c ⇒ a | c (transitiv)(c) a | b und b | a ⇔ ⟨a⟩ = ⟨b⟩ ⇔ es existiert eine Einheit u ∈ R× mit a = ub. In diesemFall sagen wir, dass a und b assoziiert sind. (Bez.: a ∼ b).

Beweis Alle Aussagen sind klar; die zweite Aquivalenz in (c) wurde in Lemma 20.6 bewiesen.

Definition 21.3 Ein Element p ∈ Rr{0} heißt Primelement (oder prim), wenn die folgendenaquivalenten Bedingungen gelten:

(i) ⟨p⟩ ⊆ R ist ein Primideal.

(ii) R/⟨p⟩ ist ein Integritatsring.

(iii) p /∈ R× und es gilt: ab ≡ 0 (mod p) ⇒ a ≡ 0 (mod p) oder b ≡ 0 (mod p).

(iv) p /∈ R× und es gilt: p | ab ⇒ p | a oder p | b.

Beweis der Aquivalenzen: Dies ist klar nach Definition 19.25, Satz 19.29 und den Aquivalenzenin Definition 21.1. Beachte: p /∈ R× ⇔ ⟨p⟩ = R.

Bemerkungen 21.4 (a) Aus 21.3 (iv) folgt induktiv fur ein Primelement p:

p |n∏i=1

ai ⇒ ∃ i : p | ai .

(b) Ist p prim, so ist p keine Einheit (Dies folgt aus 21.3 (iii)).

(c) Aus 21.3 (i) folgt: Ist p prim und u Einheit, so ist auch up prim. Es gilt also fur a ∼ b : aprim ⇔ b prim.

(d) Sind p1, . . . , pn Primelemente, so istn∏i=1

pi keine Einheit, denn sonst ware R =

⟨n∏i=1

pi

⟩⊆

⟨p1⟩ – Widerspruch!

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Definition 21.5 Ein Element a ∈ Rr{0} heißt irreduzibel (oder unzerlegbar), wenn a keineEinheit ist und wenn gilt:

a = bc ⇒ b oder c Einheit.

Sonst heißt a reduzibel (oder zerlegbar).

Proposition 21.6 Ist p ein Primelement, so ist p irreduzibel.

Beweis: Sei a ∈ R prim. Ist a = bc mit b, c ∈ R, so gilt insbesondere a | bc, also a | b odera | c, da a prim ist. Wenn (ohne Einschrankung) a | b, so gibt es ein d ∈ R mit ad = b.Es folgt a = bc = adc. Da R ein Integritatsring ist, folgt hieraus 1 = dc. Damit ist c eineEinheit. Also ist a irreduzibel.

Bemerkung 21.7 Hier haben wir benutzt, dass in Integritatsringen gekurzt werden kann:Gilt ab = ac mit a = 0, so folgt a · (b− c) = 0, also b− c = 0 (da a = 0 und R nullteilerfreiist), also b = c.

Beispiele 21.8 (a) Fur jedes a > 0 ist das Polynom x2+a in R[X] irreduzibel. Gilt namlichx2 + a = f(x)g(x), so kann f(x) nicht den Grad 1 haben, denn dann wurde x2 + a einenLinearfaktor x− b abspalten und hatte die Nullstelle b ∈ R. Die Gleichung x2 = −a ist aberin R nicht losbar. Also hat entweder f(x) oder g(x) den Grad 0, ist also eine Einheit.

(b) Im Allgemeinen ist die Umkehrung von Proposition 21.6 falsch. Betrachte zum Beispielden Ring

Z[√−d] = {a+ b

√−d | a, b ∈ Z} ⊆ C ,

wobei d ∈ N, d ≥ 5 und d ≡ 1 (mod 4). Das Element 1+√−d ist irreduzibel aber nicht prim

(Ubungsaufgabe!).

Definition 21.9 Ein Integritatsring heißt faktoriell (oder ZPE-Ring), falls jedes Element= 0 Produkt von Primelementen oder eine Einheit ist.

Satz 21.10 In faktoriellen Ringen ist die Primzerlegung (Zerlegung in ein Produkt vonPrimelementen) bis auf Einheiten eindeutig.

Beweis: Dies folgt aus dem allgemeineren

Lemma 21.11 Sei R ein Integritatsring. Fur ein Element a ∈ R sei

a = up1 . . . pr = vq1 . . . qs ,

wobei u, v Einheiten, p1, . . . , pr Primelemente und q1, . . . , qs irreduzibel sind. Dann gilt r = s,und nach moglicher Umnummerierung der qj gilt, dass pi und qi assoziiert sind (d.h., qi = uipifur eine Einheit ui).

Beweis Ist r < 1(also p1 . . . pr = 1), so ist auch s < 1, da q1, . . . , qs keine Einheiten sind. Seialso r ≥ 1. Da p1 Primelement ist, folgt aus p1 | q1, . . . , qs, dass es ein i ∈ {1, . . . , s} gibt mitp1 | qi (siehe 21.4 (a)). Durch Umnummerieren konnen wir annehmen, dass i = 1 ist. Dann

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gibt es ein u1 ∈ R mit p1 · u1 = q1. Da q1 irreduzibel ist und p1 keine Einheit ist (21.4 (b)),muss u1 eine Einheit sein. Wir erhalten die Gleichung

up2 . . . pr = u1vq2 . . . qs .

Da v′ := u1v wieder eine Einheit ist, folgt per Induktion die Behauptung.

Corollar 21.12 In einem faktoriellen Ring R ist jedes irreduzible Element auch prim.

Beweis: Sei a ∈ R irreduzibel und seien x, y ∈ R mit a | x · y. Wir wollen zeigen a | x odera | y. Seien

x = ux1 . . . xr , y = v y1 . . . ys

Primzerlegungen von x und y (u, v Einheiten, xi und yj Primelemente). Sei ab = xy mitb ∈ R und sei b = w b1 . . . bt eine Primzerlegung von b (w Einheit, b1, . . . , bt Primelemente).Dann gilt

uv x1 . . . xr y1 . . . ys = w a b1 . . . bt ,

und nach Lemma 21.11 ist r+s = t+1 und a assoziiert zu einem xi oder zu einem yi. Damitgilt a | x oder a | y.

Lemma 21.13 Sei R (ein Integritatsring und) ein Hauptidealring. Ist a ∈ Rr{0} irreduzibel,so ist ⟨a⟩ maximal.

Beweis Angenommen ⟨a⟩ ⊆ ⟨b⟩ ⊆ R. Dann gibt es ein c ∈ R mit a = bc. Da a irreduzibelist, ist entweder b oder c Einheit. Im ersten Fall ist ⟨b⟩ = R, im zweiten Fall ist ⟨a⟩ = ⟨b⟩(Lemma 20.6).

Satz 21.14 Sei R ein Hauptidealring. Dann ist R faktoriell.

Beweis Sei a ∈ RrR×, a = 0.

1. Schritt : a besitzt einen irreduziblen Teiler.

Angenommen nicht. Dann ist a insbesondere reduzibel, also a = a1a′1 mit a1, a

′1 ∈ R r R×.

Weiter ist dann a1 ohne irreduziblen Teiler, also a1 = a2a′2 mit a2, a

′2 ∈ R r R×. Induktiv

gibt dies eine unendliche echt aufsteigende Idealkette

⟨a⟩ $ ⟨a1⟩ $ ⟨a2⟩ $ . . . .

Widerspruch dazu, dass R noethersch ist (als Hauptidealring)!

2. Schritt : a besitzt einen primen Teiler, da jedes irreduzible Element in R auch prim ist(nach Lemma 21.13; jedes maximale Ideal ist auch prim).

3. Schritt : a ist Produkt von (endlich vielen) Primelementen.

Denn nach dem 2. Schritt besitzt a einen Primteiler a1, also a = a1b1. Ist b1 keine Einheit,so besitzt b1 einen Primteiler a2, so dass b1 = a2b2. Induktiv erhalten wir Primelemente aimit

(21.14.1) a = a1 . . . anbn , bi = ai+1bi+1 .

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Dies Verfahren bricht ab, wenn bn eine Einheit ist; dann ist (21.14.1) eine Primzerlegungvon a. Andernfalls bricht das Verfahren nicht ab, und wir erhalten eine echt aufsteigendePrimidealkette

⟨b1⟩ $ ⟨b2⟩ $ ⟨b3⟩ $ . . . ,

da bi = ai+1bi+1 mit ai+1 /∈ R×. Dies ist ein Widerspruch dazu, dass R noethersch ist.

Corollar 21.15 Ist K ein Korper, so ist K[X] faktoriell. Z ist faktoriell. Jeder euklidischeRing ist faktoriell.

Definition 21.16 Sei R ein Integritatsring und seien a, b ∈ Rr {0}.

(a) Fur ein Element d ∈ R sagen wir d ist ein großter gemeinsamer Teiler von a und b(Bez. d = ggT (a, b)), wenn gilt: d | a und d | b, und falls t | a und t | b so gilt t | d.

(b) Fur ein Element c ∈ R sagen wir c ist ein kleinstes gemeinsames Vielfaches von aund b (Bez. c = kgV (a, b)), wenn gilt: a | c und b | c, und fur a | s und b | s folgt c | s.Offenbar sind ggT und kgV nur bis auf Einheiten wohlbestimmt.

Lemma 21.17 In einem faktoriellen Ring R besitzen zwei Elemente = 0 immer einen ggTund einen kgV .

Beweis Seien a, b ∈ Rr {0}. Dann gibt es eine endliche Menge P von Primelementen in Rund Zahlen ep, fp ∈ N0 mit

a ∼∏p∈P

pep , b ∼∏p∈P

pfp .

Dann sieht man leicht, dass

ggT (a, b) =∏p∈P

pmin(ep,fp)

kgV (a, b) =∏p∈P

pmax(ep,fp) .

Bemerkungen 21.18 Sei R faktoriell.

(a) Auf R r {0} ist die Assoziiertheit ⟨x ∼ y ⇔ x = uy fur u ∈ R× ⇔ ⟨x⟩ = ⟨y⟩)eine Aquivalenzrelation. Die Menge der Aquivalenzklassen wird mit Rr{0}/R× bezeichnet.Die Teilerrelation induziert eine Ordnungsrelation auf R r {0}/R× (siehe Corollar 21.2).Bezuglich dieser Ordnungsrelation ist ggT (a, b) das Infimum und kgV das Supremum derMenge {a mod∼ , b mod∼}. Es gibt eine Bijektion

(21.18.1)Rr {0}/R× → {Hauptideale ⟨a⟩}a mod∼ 7→ ⟨a⟩ ,

bezuglich derer die Teilrelation | ubergeht in die umgekehrte Inklusion (da a | b ⇔ ⟨b⟩ ⊆⟨a⟩).

(b) AufRr{0}/R× sind ggT und kgV assoziative Operationen; daher machen fur a1, . . . , an ∈Rr {0} die Bildungen

ggT (a1, . . . , an) und kgV (a1, . . . , an)

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Sinn.

(c) In einem Hauptidealring R gilt fur a1, . . . , an ∈ Rr {0}

n∩i=1

⟨ai⟩ = ⟨kgV (a1, . . . , an)⟩n∑i=1

⟨ai⟩ = ⟨ggT (a1, . . . , an)⟩ ,

wegen der Identifikation (21.18.1) und der Tatsache, dass alle Ideale Hauptideale sind, al-so auch

∩⟨ai⟩ und

∑⟨ai⟩. Vergleiche die Anwendung im klassischen chinesischen Restsatz

(Beispiel 19.22).

116

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22 Moduln uber Hauptidealringen und der Elementar-

teilersatz

Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.

Definition 22.1 (a) Ein R-Modul ist eine abelsche Gruppe (M,+) zusammen mit einerVerknupfung

R×M → M(r,m) 7→ rm

so dass gilt

(i) r(m+ n) = rm+ rn

(ii) (r + s)m = rm+ sn

(iii) (rs)m = r(sm)

(iv) 1m = m

fur alle r, s ∈ R und m,n ∈M .

(b) Seien M und N R-Moduln. Eine Abbildung φ :M → N heißt Homomorphismus vonR-Moduln (oder R-linear), wenn gilt:

(i) φ(m1 +m2) = φ(m1) + φ(m2) fur alle m1,m2 ∈ M (d.h., φ ist ein Gruppenhomomor-phismus von (M,+) nach (N,+)),

(ii) φ(rm) = rφ(m) fur alle m ∈M, r ∈ R.

Sei HomR(M,N) die abelsche Gruppe der R-linearen Abbildungen von M nach N .

Beispiele 22.2 (a) Jede abelsche Gruppe A wird zu einem Z-Modul durch die Definition

na = a+ . . .+ a (n-mal) fur n ∈ N ,

0a = 0(−n)a = −(na) fur n ∈ N .

Man sieht, dass abelsche Gruppen und Z-Moduln dasselbe sind.

(b) Ist (Mi)i∈I eine Familie von R-Moduln, so werden die abelschen Gruppen∏i∈IMi ⊇

⊕i∈IMi

zu R-Moduln durch die Definition r(mi)i∈I := (rmi)i∈I .

Bezeichnung: direktes Produkt bzw. direkte Summe der R-Moduln Mi.

(c) Ist K ein Korper, so ist ein K-Modul dasselbe wie ein K-Vektorraum.

Definition 22.3 SeiM einR-Modul. Ein (R-)Untermodul vonM ist eine TeilmengeN ⊆M ,fur die gilt:

(i) N ist Untergruppe bezuglich +,

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(ii) fur alle n ∈ N und r ∈ R gilt rn ∈ N .

Lemma 22.4 Ist φ : M → N ein Homomorphismus von R-Moduln, so ist kerφ ein Unter-modul von M und im φ ein Untermodul von N .

Beweis: leicht!

Satz 22.5 Ist M ein R-Modul und N ⊆M ein Untermodul, so wird die Faktorgruppe

M/N

zu einem R-Modul durch die Definition

r(m+N) := rm+N fur r ∈ R,m ∈M

(also r ·m = rm, wenn m die Nebenklasse von m ∈M bezeichnet). Die Surjektion π :M →M/N ist R-linear.

Beweis: selbst!

Satz 22.6 Der Homomorphiesatz und der Isomorphiesatz ubertragen sich auf R-Moduln:Eine R-lineare Abbildung φ :M → N induziert einen

(a) injektiven R-Modulhomomorphismus

M/ ker(φ) ↪→ N

und einen

(b) R-Modul-IsomorphismusM/ kerφ

∼→ im φ .

Definition 22.7 Eine Sequenz von R-Modul-Homomorphismen

. . . −→Mn−1dn−1−→Mn

dn−→Mn+1 −→

heißt Komplex, wenn dndn−1 = 0 fur alle n (also im(dn−1) ⊆ ker(dn) fur alle n). DieSequenz heißt exakt, wenn im(dn−1) = ker(dn) fur alle n. Eine kurze exakte Sequenz isteine exakte Sequenz

(22.7.1) 0 →M ′ α→Mβ→M ′′ → 0

Bedeutung der kurzen exakten Sequenz : Exaktheit an der Stelle M ′ bedeutet ker(α) =im(0 → M ′) = 0, also dass α injektiv ist. Exaktheit bei M ′′ bedeutet im(β) = ker(M ′′ →0) = M ′′, also dass β surjektiv ist. Exaktheit bei M bedeutet ker(β) = im(α). Wegen derInjektivitat von α konnen wir M ′ mit im(α) = α(M ′) identifizieren und als Untermodul vonM auffassen. Dann ist M ′ = ker(β) und nach dem Homomorphiesatz ist

(22.7.2) M/M ′ ∼→M ′′ .

Die exakte Sequenz (22.7.1) ist eine andere Art, die Beziehung (22.7.2) zu beschreiben.

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Sei R ein Ring.

Definition 22.8 Sei M ein R-Modul. Die Lange von M (Bez. ℓR(M)) ist das Supremumaller Langen ℓ von Ketten von Untermoduln

0 $M1 $M2 $ . . . $Mℓ =M .

(Es ist also ℓR(M) ∈ N0 ∪ {∞}).

Lemma 22.9 (Additivitat in exakten Sequenzen) (a) Ist

0 →M ′ i→Mφ→M ′′ → 0

eine exakte Sequenz von R-Moduln, so gilt

ℓR(M) = ℓR(M′) + ℓR(M

′′) .

Insbesondere hat M genau dann endliche Lange, wenn dies fur M ′ und M ′′ gilt.

(b) Fur R-Moduln M1,M2 gilt ℓR(M1 ⊕M2) = ℓR(M1) + ℓR(M2).

Beweis (a): (Wir fassen i als Inklusion auf) Hat man Ketten von Untermoduln

0 $M ′1 $ . . . $M ′

r =M ′

0 $M ′′1 $ . . . $M ′′

s =M ′′ ,

so ist mit Mi = φ−1(M ′′i )

0 $M ′1 $ . . . $M ′

r $M1 $ . . . $Ms =M

eine Kette der Lange r + s. Dies zeigt

(22.9.1) ℓR(M) ≥ ℓR(M′) + ℓR(M

′′) .

Sei umgekehrt0 $M1 $M2 $ . . . $Mℓ =M

eine Kette von Untermoduln in M . Wir erhalten kommutative Diagramme mit exaktenZeilen

0 → Mi+1 ∩M ′ → Mi+1 → φ(Mi+1) → 0∪ | ∪∦

∪ |

0 → M1 ∩M ′ → Mi → φ(Mi) → 0 .

Ist φ(Mi) = φ(Mi+1), so muss Mi ∩M ′ $ Mi+1 ∩M ′ sein, wie man zum Beispiel mit demSchlangenlemma (4.16) sieht. Es gilt also φ(Mi) $ φ(Mi+1) oder Mi ∩M ′ $Mi+1 ∩M ′, furjedes 0 ≤ i ≤ ℓ− 1. Hieraus folgt

(22.9.2) ℓ ≤ ℓR(M′) + ℓR(M

′′)

und damit die Gleichheit in (22.9.1). Der Zusatz folgt ebenfalls aus den obigen Uberlegungen.

(b) folgt aus (a) und der exakten Sequenz

0 → M1 → M1 ⊕M2 → M2 → 0x 7→ (x, 0), (x, y) 7→ y

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Beispiel 22.10 Die Lange der abelschen Gruppen (= Z-Moduln)

Z/5Z× Z/5Z

Z/25Z

ist jeweils gleich 2, denn die Lange von Z/5Z ist gleich 1, da diese Gruppe keine echteUntergruppe hat.

Sei nun R ein kommutativer Ring mit Eins.

Lemma/Definition 22.11 Sei M ein R-Modul.

(a) Sei (Mi)i∈I eine Familie von Untermoduln Mi ⊆M . Dann ist

∑i∈IMi :=

{∑i∈Imi | mi ∈Mi, mi = 0 fur fast alle i ∈ I

}der kleinste Untermodul von M der alle Mi enthalt und heißt die Summe der UntermodulnMi.

(b) Sei (xi)i∈I eine Familie von Elementen xi ∈M . Dann ist

< xi | i ∈ I >R :=∑i∈IRxi ,

der kleinste Untermodul der alle xi enthalt und heißt der von den xi erzeugte Unter-modul. Hierbei sei Rx := {ax | a ∈ R} fur x ∈M .

(c) Die Familie (xi)i∈I heißt ein Erzeugendensysten von M , wenn < xi | i ∈ I >R= M , alsowenn es fur jedes x ∈ M Elemente ai ∈ R gibt, fur alle i ∈ I, ai = 0 fur fast alle i, mitx =

∑i∈Iaixi.

(d) M heißt endlich erzeugt, wenn M von endlich vielen Elementen erzeugt wird.

(e) M heißt zyklischer R-Modul, wenn M von einem Element erzeugt wird (d.h., M = Rxfur ein x ∈M).

Beweis der Behauptungen: klar!

Beispiel 22.12 Z/25Z ist zyklisch, Z/5Z× Z/5Z nicht (warum?).

Definition 22.13 Sei M ein R-Modul.

(a) Eine Familie (xi)i∈I von Elementen xi ∈M heißt linear unabhangig (oder frei), wenngilt: Ist ∑

i∈Iaixi = 0

mit ai ∈ R (i ∈ I), ai = 0 fur fast alle i ∈ I, so gilt ai = 0 fur alle i ∈ I.

(b) Der Rang von M (Bezeichnung rg(M)) ist die maximale Anzahl linear unabhangigerElemente in M (d.h., die maximale Kardinalitat einer freien Familie in M).

(c) Ein R-Modul M heißt frei, wenn er ein linear unabhangiger Erzeugendensystem (bi)i∈Ibesitzt; dies nennt man dann auch eine Basis von M .

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Bespiele 22.14 (a) Z und Q haben beide den Z-Rang 1 (Ubungsaufgabe!).

(b) Z/25Z hat Rang 0 als Z-Modul und Rang 1 als Z/25Z-Modul.

Lemma 22.15 (Universelle Eigenschaft von freien Moduln und Basen) Sei M ein freierR-Modul mit Basis (bi)i∈I . Ist N ein R-Modul und ist (ni)i∈I eine Familie von Elementenni ∈ N , so gibt es genau eine lineare Abbildung

φ :M → N

mit φ(bi) = ni fur alle i ∈ I.

Beweis: Wortlich wie fur die universelle Eigenschaft der Basis eines Vektorraums (12.1).

Sei nun R ein Hauptidealring. Nach 21.14 ist R dann auch faktoriell, d.h., jedes Elementa ∈ R besitzt eine Primfaktorzerlegung

a = ε p1 . . . pr

mit einer Einheit ε und Primelementen p1, . . . , pr, wobei die pi eindeutig bis auf Assoziiertheitsind.

Lemma 22.16 Besitzt a ∈ R die Primfaktorzerlegung a = ε · p1 . . . pr (ε Einheit, pi prim),so ist

ℓR(R/aR) = r .

Beweis Sei a = η · qn11 . . . qnss mit einer Einheit η und paarweise nicht assoziierten Primele-

menten qi, so dass r = n1 + . . .+ ns. Nach dem Chinesischen Restsatz (19.21) gilt

R/aR ∼=s⊕i=1

R/qnii R ,

nach 22.9 (b) ist also ℓR(R/aR) =s∑i=1

ℓR(R/qnii R).

Es genugt also, den Fall a = pn fur ein Primelement p zu betrachten. Die Untermoduln vonR/aR entsprechen bijektiv den Idealen a ⊆ R mit aR ⊆ a, also, da R Hauptidealring ist,bijektiv den Teilern 1 = p0, p1, p2, . . . , pn von pn. Daher ist ℓR(R/p

nR) = n wie behauptet.

Wir kommen nun zum Hauptresultat dieses Paragraphen.

Satz 22.17 (Elementarteilersatz) Sei F ein endlich erzeugter freier Modul uber einem Haupt-idealring R und M ⊆ F ein Untermodul von Rang n. Dann gibt es eine Basis

x1, . . . , xn, xn+1, . . . , xm (n ≤ m)

von F und Elemente α1, . . . , αn ∈ Rr {0} so dass gilt:

(i) α1x1, . . . , αnxn bilden eine Basis von M (insbesondere ist M selbst ein endlich erzeugterfreier R-Modul).

(ii) αi | αi+1 fur 1 ≤ i ≤ n.

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Dabei sind die Elemente α1 . . . , αn bis auf Assoziiertheit eindeutig durch M bestimmt undunabhangig von der Wahl der xi. Man nennt α1, . . . , αn die Elementarteiler von M .

Der Beweis erfolgt in mehreren Schritten.

Zunachst benotigen wir den folgenden Begriff:

Lemma/Definition 22.18 Sei y1, . . . , ym eine Basis von F . Fur x ∈ F setze

cont(x) = ggT (c1, . . . , cm) ,

falls x = c1y1+ . . .+ cmym mit c1, . . . , cm ∈ R. Die Klasse dieses Elements bis auf Assoziierteist wohldefiniert und unabhangig von der Basis (y1, . . . , ym), und heißt der Inhalt von x.

Beweis: Zunachst ist der ggT nur wohldefiniert bis auf Assoziierte, und bei fester Basissind die ci eindeutig durch x bestimmt. Um die Unabhangigkeit von der Basis zu zeigen,betrachten wir den R-Modul

F ∗ := HomR(F,R)

aller Linearformen auf F , d.h., aller R-linearen Abbildungen φ : F → R. Die Menge

I(x) := {φ(x) | φ ∈ F ∗}

bildet offenbar ein Ideal in R, und wir behaupten

(22.18.1) I(x) = ⟨cont(x)⟩ ,

woraus die Unabhangigkeit von cont(x) bis auf Assoziierte folgt, denn I(x) ist unabhangigvon der Basis.

Sei (y∗1, . . . , y∗m) die duale Basis von F ∗, eindeutig bestimmt durch

y∗i (yj) = δij .

(Dass dies geht und eine Basis liefert, folgt sofort aus der universellen Eigenschaft des freienModuls).

Aus der Theorie des ggT folgt ggT (c1, . . . , cm) = ⟨c1, . . . , cm⟩ und damit, dass

ggT (c1, . . . , cm) =m∑i=1

aici

fur gewisse a1, . . . , am ∈ R. Fur die Linearform φ =m∑i=1

aiy∗i folgt dann

φ(x) =m∑i=1

aici = ggT (c1, . . . , cm) = cont(x) .

Andererseits ist fur jede beliebige Linearform ψ =m∑i=1

biy∗i

ψ(x) =m∑i=1

aici ∈ ⟨c1, . . . , cm⟩ = ⟨cont(x)⟩ ,

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und es folgt I(x) = ⟨cont(x)⟩ wie in (22.18.1) behauptet.

Lemma 22.19 Sei x ∈ F .

(i) Es existiert ein φ ∈ F ∗ mit φ(x) = cont(x).

(ii) Fur ψ ∈ F ∗ gilt cont(x) | ψ(x).

Dies wurde im obigen Beweis gezeigt.

Lemma 22.20 Sei M ⊆ F ein Untermodul. Dann existiert ein x ∈M mit cont(x) | cont(y)fur alle y ∈M .

Beweis: Betrachte die Menge J aller Ideale ⟨cont(y)⟨ mit y ∈ M . Diese Menge enthalt einmaximales Element ⟨cont(x)⟩, denn sonst gabe es eine unendliche echt aufsteigende Folge

⟨cont(y1)⟩ $ ⟨cont(y2)⟩ $ . . .

von Idealen – dies ware ein Widerspruch dazu, dass R (als Hauptidealring!) noethersch ist.

Sei φ ∈ F ∗ mit φ(x) = cont(x) (Lemma 22.19(i)). Dann gilt

(22.20.1) φ(x) | φ(y) fur alle y ∈M .

Denn sei y ∈M und d = ggT (φ(x), φ(y)). Dann gibt es a, b ∈ R mit aφ(x)+ bφ(y) = d, alsoφ(ax+ by) = d. Nach 22.19 (ii) gilt andererseits

cont(ax+ by) | φ(ax+ by) = d

und wegen d | φ(x) = cont(x) auch

cont(ax+ by) | cont(x) ,

also ⟨cont(x)⟩ ⊆ ⟨cont(ax+ by)⟩. Aus der Maximalitat von ⟨cont(x)⟩ folgt nun

φ(x) = cont(x) ∼ cont(ax+ by) | d | φ(y) ,

also (22.20.1).

Wir zeigen nun cont(x) | cont(y). Wegen 22.19 (i) genugt es zu zeigen, dass fur alle ψ ∈ F ∗

gilt

(22.20.2) φ(x) | ψ(y) .

Nach 22.19 (ii) gilt φ(x) | ψ(x), und nach (22.20.1) gilt φ(x) | φ(y). Um (22.20.2) zu zeigen,

konnen wir also y durch y − φ(y)φ(x)

x ersetzen und damit annehmen, dass φ(y) = 0. Weiter

konnen wir ψ durch ψ − ψ(x)φ(x)

φ ersetzen und damit ψ(x) = 0 annehmen.

Sei dann e = ggT (φ(x), ψ(y)), und damit e = aφ(x) + bψ(y) mit a, b ∈ R. Es folgt

(φ+ ψ)(ax+ by) = aφ(x) + bψ(y) = e ,

wegen 22.19 (ii) also cont(ax+ by) | e | cont(x). Wegen der Maximalitat von ⟨cont(x)⟩ folgt

cont(ax+ by) ∼ cont(x) = φ(x) .

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Hieraus folgtφ(x) ∼ e | ψ(y) ,

also (22.20.2).

Lemma 22.21 Sei A ein Integritatsring und F ein freier A-Modul mit Basis y1, . . . , ym.Dann ist rg(F ) = m.

Beweis: selbst!

Lemma 22.22 Sei R ein Hauptidealring und F ein endlich erzeugter freier R-Modul. JederUntermodul M ⊆ F ist dann wieder endlich erzeugt und frei.

Beweis: Induktion uber n = rgM ≤ rg F < ∞. Fur rgM = 0 ist M = 0. Sei also n > 0.Nach Lemma 22.20 gibt es ein x ∈ M mit cont(x) | cont(y) fur alle y ∈ M , und nach 22.19(i) gibt es ein φ ∈ F ∗ mit φ(x) = cont(x). Andererseits gibt es nach Definition von cont(x)ein (eindeutig bestimmtes) x1 ∈ F mit

x = cont(x) · x1

(x =∑ciyi fur eine Basis (y1, . . . , ym) von F, cont(x) = ggT (c1, . . . , cm) =: c, so x1 =∑

cicyi). Setze nun

F ′ = ker(φ) , M ′ =M ∩ F ′ .

Dann gilt

(22.22.1) F = Ax1 ⊕ F ′ , M = Ax⊕M ′ .

Sei namlich y ∈M Dann schreibe

y =φ(y)

φ(x)x+

(y − φ(y)

φ(x)x

)(Dies ist wohldefiniert, da φ(x) = cont(x) | φ(y) nach 22.19 (ii)). Rechts liegt der ersteSummand in Rx, und der zweite in M ∩ ker(φ) = M ′. Da y beliebig in M war, folgtM = Rx + M ′. Weiter ist die Summe direkt: Wegen φ(ax) = aφ(x) = a cont(x) undcont(x) = 0 (da M = 0) liegt ax genau dann in ker(φ), wenn a = 0 (M ⊆ F ist torsionsfrei).Analog zeigt man F = Ax1 ⊕ F ′: ersetze x durch x1 und benutze φ(x1) = 1.

Aus der Zerlegung M = Ax⊕M ′ folgt rgM ′ < rgM = n. Mit Induktion uber n folgt, dassM ′ endlich erzeugt wird und frei ist, also auch M .

Beweis der Existenzaussage von Satz 22.17: Durch Induktion uber n = rgM . Wie imBeweis von 22.22 ist fur n = 0 nichts zu zeigen, und fur n > 0 erhalten wir Zerlegungen

F = Ax1 ⊕ F ′ , M = Ax⊕M ′

mit x = cont(x)x1 und cont(x) = φ(x) gewahlt wie oben, und wobei M ′ ⊆ F ′.

Nach 22.22 ist F ′ ⊆ F frei, und wegen rg(M ′) < n existiert nach Induktion eine Basisx2, . . . , xn, xn+1, . . . , xm von F ′ und es existieren α2, . . . , αn ∈ Rr {0} mit α2 | α3 | . . . | αn,so dass α2x2, . . . , αnxn eine Basis von M ′ bilden. Dann ist x1, . . . , xm eine Basis von F und

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mit α1 = cont(x) ist x = α1x1, α2x2, . . . , αnxn eine Basis von M . Weiter gilt noch α1 | α2:Sei namlich ψ ∈ F ∗ eine Linearform mit ψ(x2) = 1 (zum Beispiel ψ = x∗2 fur die Dualbasisx∗1, . . . , x

∗m von F ∗). Nach Lemma 22.19 (ii) gilt dann wegen α2x2 ∈M

α1 = cont(x) | ψ(α2x2) = α2 .

Dies zeigt die Eigenschaften (i) und (ii) in Satz 22.17.

Zur Eindeutigkeitsaussage benutzen wir die beiden folgenden Resultate.

Lemma 22.23 Sei A ein beliebiger Ring, seien M1, . . . ,Mm A-Moduln und Ni ⊆Mi Unter-moduln, fur i = 1, . . . ,m. Dann gibt es einen kanonischen R-Modul-Isomorphismus

(M1 ⊕ . . .⊕Mm)/(N1 ⊕ . . .⊕Nm)∼→M1/N1 ⊕ . . .⊕Mm/Nm .

Beweis: Der R-Modul-Homomorphismus

M1 ⊕ . . .⊕Mm � M1/N1 ⊕ . . .⊕Mm/Nm

(x1, . . . , xm) 7→ (x1 mod N1, . . . , xm mod Nm)

ist surjektiv und hat den Kern N1 ⊕ . . . ⊕ Nm. Die Aussage folgt also mit dem Homomor-phiesatz.

Satz 22.24 Sei R ein Hauptidealring und M ein R-Modul. Gibt es einen Isomorphismus

M∼−→

n⊕i=1

R/αiR

mit Nicht-Einheiten α1, . . . , αn ∈ R r {0}, wobei αi | αi+1 fur 1 ≤ i ≤ n, so sind n, sowieα1, . . . , αn bis auf Assoziiertheit eindeutig durch M bestimmt.

Hieraus folgt

Beweis der Eindeutigkeitsaussage in Satz 22.17: Seien eine Basis x1, . . . , xm von F undα1, . . . , αn ∈ Rr{0} wie in Satz 22.17 gegeben. Aus 22.23 folgt ein R-Modul-Isomorphismus

(22.23.1) F/M =m⊕i=1

Rxi/

(n⊕i=1

Rαixi ⊕m⊕

i=n+1

0

)∼→

n⊕i=1

R/αiR⊕m⊕

i=n+1

R ,

mittels der Isomorphismen R∼→ Rxi (a 7→ axi), die Isomorphismen Rαi

∼→ Rαixi undR/αiR

∼→ Rxi/Rαixi induzieren. Bezeichnen wir mit N tor ⊂ N den Torsionsmodul einesR-Moduls N , also die Menge aller Torsionselemente in N , so induziert dies offenbar einenIsomorphismus

(22.23.2) (F/M)tor∼−→

n⊕i=1

R/αiR .

Nach (22.23.1) und (22.23.2) sind die Nicht-Einheiten unter den αi in (22.23.1), also auch in

22.17, eindeutig bestimmt, auch deren Anzahl r. Die restlichen n−r Elemente αi in (22.23.1)sind Einheiten, also alle assoziiert zu 1.

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Beweis von Satz 22.24: (Beachte: α ∼ β ⇔ αR = βR) Sei

M ∼=n⊕i=1

R/αiR ∼=m⊕j=1

R/βjR

mit αi+1 | αi, 1 ≤ i ≤ n, und βj+1 | βj, 1 ≤ j ≤ m (wir vertauschen aus NotationstechnischenGrunden die Reihenfolge). Angenommen, es gibt ein k ≤ min{m,n} mit αkR = βkR; sei kminimal mit dieser Eigenschaft. Wegen αi ∼ βi fur 1 ≤ i < k und αk+1, . . . , αn | αk gilt

αkM ∼=k−1⊕i=1

αk(R/αiR) ∼=k−1⊕i=1

αk(R/αiR)⊕m⊕j=k

αk(R/βjR) .

Mit Lemma 22.9 folgtℓR(αk(R/βkR)) = 0 ,

also αk(R/βkR) = 0, d.h., αkR ⊆ βkR. Entsprechend zeigt man βkR ⊆ αkR, also αkR = βkR– Widerspruch!

Es gilt also αi ∼ βi fur alle 1 ≤ i ≤ min{m,n}.

Gilt nun etwa m ≤ n, so folgt wiederum mit Lemma 22.9, dassn⊕

i=m+1

R/αiR die Lange 0

hat, also gleich 0 ist, woraus m = n folgt, da die R/αiR = 0.

Beispiel 22.25 Fur die Z-Moduln M = 2Z × 3Z ⊆ Z × Z = F sind 2 und 3 nicht dieElementarteiler, da 2 - 3 und 3 - 2 (vergleiche Ubungsaufgabe).

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