LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4:...

48
5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Klaus M. Schmidt LMU München Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 1 / 48

Transcript of LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4:...

Page 1: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5. Statische Spiele mit unvollständigerInformation

Klaus M. Schmidt

LMU München

Spieltheorie, Wintersemester 2014/15

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 1 / 48

Page 2: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Literaturhinweise zu Kapitel 5:

Osborne (2004), Kapitel 9

Gibbons (1992), Kapitel 3

MasColell, Whinston, Green (1995), Kapitel 8E+F

Fudenberg und Tirole (1991), Kapitel 6 und 7

c© 2014 Klaus M. Schmidt

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 2 / 48

Page 3: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.1 Einleitung

Bisher haben wir angenommen, dass alle Spieler vollständig über die Strukturdes Spiels informiert sind. In diesem Kapitel werden wir zeigen, wie Spiele mitunvollständiger Information modelliert und analysiert werden können:

Spiele, in denen die Spieler die Auszahlungsfunktionen der anderenSpieler nicht kennen,

Spiele, in denen die Spieler die Strategieräuem der anderen Spieler nichtkennen,

Spiele, in denen die Spieler die Informationen der anderen Spieler nichtkennen.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 3 / 48

Page 4: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.2 Ein Beispiel

Als einführendes Beispiel betrachten wir das folgende (simultane)Marktzutrittsspiel:

Spieler 1 (der bisherige Monopolist) entscheidet, ob er eine neueProduktionsanlage zur Kapazitätserweiterung baut oder nicht.

Spieler 2 entscheidet, ob er in den Markt eintritt.

Spieler 1 kennt die Kosten seiner Kapazitätserweiterung, nicht aberSpieler 2. Dieser weiß nicht, ob die Kosten 3 oder 0 sind. Er glaubt, dassdie Wahrscheinlichkeit hoher Kosten p ist.

Die Profitabilität des Marktzutritts für Spieler 2 hängt von derKapazitätserweiterung und damit indirekt von deren Kosten ab:

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 4 / 48

Page 5: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

0, -1 2, 0

2, 1 3, 0

@@

@@

3, -1 5, 0

2, 1 3, 0

12

12

Zutritt Kein Z. Zutritt Kein Z.

Investition

Keine I.

Hohe Inv.-Kostenfür Spieler 1

(Wahrscheinlichkeit p)

Niedrige Inv.-Kostenfür Spieler 1

(Wahrscheinlichkeit 1− p)

Abb. 5.1: Marktzutrittsspiel (Variante 1)

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 5 / 48

Page 6: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Analyse des Spiels:

Spieler 1 hat eine dominante Strategie:“Investiere nicht”, falls die Kosten hoch sind;“Investiere”, falls sie niedrig sind.

Für Spieler 2 ist es optimal zuzutreten, wenn p ≥ 12 .

Gleichgewicht:Spieler 1 investiert genau dann, wenn seine Kosten niedrig sind.Spieler 2 tritt zu, wenn p ≥ 1

2

Beachten Sie, dass wir das Spiel durch iterierte Elimination von striktdominierten Strategien lösen konnten.

Die Lösung des Spiels wird etwas komplizierter, wenn die niedrigen Kosten 32

statt 0 betragen:

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 6 / 48

Page 7: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

0, -1 2, 0

2, 1 3, 0

@@

@@

32 , -1 7

2 , 0

2, 1 3, 0

12

12

Zutritt Kein Z. Zutritt Kein Z.

Investition

Keine I.

Hohe Inv.-Kostenfür Spieler 1

(Wahrscheinlichkeit p)

Niedrige Inv.-Kostenfür Spieler 1

(Wahrscheinlichkeit 1− p)

Abb. 5.2: Marktzutrittsspiel (Variante 2)

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 7 / 48

Page 8: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Analyse des Spiels:

Wenn Spieler 1 hohe Kosten hat, hat er wieder die dominante Strategie,nicht zu investieren.Wenn Spieler 1 niedrige Kosten hat, hat er keine dominante Strategiemehr. Seine optimale Strategie hängt jetzt von der Wahrscheinlichkeit ye

ab, die er dem Ereignis zuordnet, dass Spieler 2 zutritt. Er wirdinvestieren, falls

32

ye +72

(1− ye) > 2 ye + 3 (1− ye).

Sei x die Wahrscheinlichkeit mit der Spieler 1 investiert. SeineBeste-Antwort-Korrespondenz ist dann

x∗(ye) =

1 falls ye < 1/2[0,1] falls ye = 1/20 falls ye > 1/2.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 8 / 48

Page 9: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Was wird Spieler 2 tun? Sei xe die Wahrscheinlichkeit, die Spieler 2 demEreignis zuordnet, dass Spieler 1 investiert, gegeben, dass Spieler 1niedrige Kosten hat. (Wenn er hohe Kosten hat, wird er nie investieren).Spieler 2 wird zutreten, falls

p + (1− p) [−xe + (1− xe)] > 0.

Also ist die Beste-Antwort-Korrespondenz von Spieler 2

y∗(xe) =

1 falls xe < 1

2(1−p)

[0,1] falls xe = 12(1−p)

0 falls xe > 12(1−p) .

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 9 / 48

Page 10: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Ein (Bayesianisches) Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel ist ein Paar(x , y) von wechselseitig besten Antworten (und korrekten Erwartungen), d.h.x = x∗(y) und y = y∗(x).

Fallunterscheidung: (Beachte: 12(1−p) ≥ 1⇔ p ≥ 1

2 )

p > 12 . Dann wählt Spieler 2 stets y∗ = 1. Das eindeutige Gleichgewicht

ist ((0,0),1), d.h., “Keine Investition bei hohen und niedrigen Kosten,Marktzutritt”. Warum ist das auch intuitiv sofort einleuchtend?p < 1

2 . Hier gibt es drei Gleichgewichte:1) ((0, 0), 1): Keine Investition bei hohen und niedrigen Kosten, Marktzutritt.2) ((0, 1), 0): Keine Investition bei hohen Kosten, Investition bei niedrigen

Kosten, kein Marktzutritt.3)

((0, 1

2(1−p)

), 1

2

): Keine Investition bei hohen Kosten, ansonsten gemischte

Strategien.

p = 12 . Dieser Fall ergibt unendlich viele Gleichgewichte: ((0,0),1) wie

oben, und ((0,1), y) mit 0 ≤ y ≤ 12 .

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 10 / 48

Page 11: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

. .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ . ................ ...............

................ ................

x

y

Abb. 5.3: Beste-Antwort-Korrespondenzen

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 11 / 48

Page 12: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.3 Typen und Beliefs über Typen

Im Allgemeinen kann sich unvollständige Information auf viele verschiedeneAspekte des Spiels beziehen:

die Auszahlungsfunktion der Gegenspieler;die Strategienräume der Gegenspieler;die Informationslage der Gegenspieler.

Harsanyi (1967) hat eine allgemeine Methode vorgeschlagen, die esermöglicht, all diese Informationsunvollständigkeiten auf dieselbe Weise sehrelegant zu modellieren.Dazu fassen wir die private Information von Spieler i in seinem “Typ” ti ∈ Tizusammen. Ti ist die Menge der möglichen Typen (Typenraum) von Spieler i .Die Auszahlungsfunktion von Spieler i hängt jetzt nicht nur von den gewähltenStrategien aller Spieler, sondern auch von seinem Typ ab:

ui = ui (ai ,a−i , ti ).

Etwas formaler heißt das ui : Ai × A−i × Ti → R.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 12 / 48

Page 13: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Was ist ein “Typ”? Beispiele:

Spieler i hat private Information über seine Auszahlungen, z.B. über seineKostenfunktion, seine Zahlungsbereitschaft für ein öffentliches Gut etc.Spieler i hat private Information über seine möglichen Strategien. Sei Aider Aktionenraum aller grundsätzlich wählbaren Aktionen. Wenn einembestimmten “Typ” ti von Spieler i eine Aktion ai ∈ Ai nicht zur Verfügungsteht, können wir einfach annehmen, dass

ui (ai ,a−i , ti ) = −∞ ∀ a−i ∈ A−i .

Spieler i ist mit positiver Wahrscheinlichkeit “irrational” und wählt immereine bestimmte Aktion ai , auch wenn diese seine Auszahlung nichtmaximiert. Dann existiert mit positiver W. ein Typ ti , dessenAuszahlungsfunktion so ist, dass ai eine dominante Strategie ist:

ui (ai ,a−i , ti ) > ui (ai ,a−i , ti ) ∀ ai ∈ Ai \ {ai}, a−i ∈ A−i .

Beachten Sie: Die Auszahlungsfunktion von Spieler i hängt nur von seinemeigenen Typ ti ab, nicht vom Typenprofil seiner Gegenspieler. Allerdingsbeeinflusst das Typenprofil der Gegenspieler deren Strategien und damitindirekt die Auszahlung von Spieler i .

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 13 / 48

Page 14: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Harsanyis Idee:

Es gibt einen zusätzlichen Spieler: die “Natur”.

Bevor das eigentliche Spiel beginnt, zieht die “Natur” eineTypenrealisierung für jeden Spieler gemäß einerWahrscheinlichkeitsverteilung über alle möglichen Typenprofile.

Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung ist common knowledge.

Jeder Spieler erfährt seinen eigenen Typ (aber nicht den der anderen),bevor das eigentliche Spiel beginnt.

Der Trick bei Harsanyis Idee ist, dass er aus einem Spiel mit unvollständigerInformation ein Spiel mit vollständiger, aber unvollkommener Informationmacht. Wie ein solches Spiel analysiert werden kann, wissen wir bereits!

Im Beispiel des Marktzutrittsspiels können wir Harsanyis Idee durch denfolgenden Spielbaum darstellen:

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 14 / 48

Page 15: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

uN.....................................

........................................................................

........................................................................

...............

........................................................................

........................................................................

..................................................

u1......................

..........................................

..........................................

.......

..........................................

..........................................

...........................

1u......................

..........................................

..........................................

.......

..........................................

..........................................

...........................

u...................................................................................................

....................................

....................................

......................... u.

..................................................................................................

....................................

....................................

......................... u.

..................................................................................................

....................................

....................................

......................... u.

..................................................................................................

....................................

....................................

.........................

2

p 1− p

Inv. Keine Inv. Inv. Keine Inv.

Zutritt Kein Zutritt

(0−1

) (20

) (21

) (30

) (3/2−1

) (7/2

0

) (21

) (30

)

Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 15 / 48

Page 16: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Betrachten wir Spiele mit asymmetrischer Information nun etwas formaler.Dazu benötigen wir folgende Notation:

t = (t1, t2, . . . , tn) ist ein Vektor der realisierten Typen der Spieler 1 bis n.

T = T1 × T2 × . . .× Tn ist der Typenraum für alle Spieler.

p(t) ist eine n-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung über dieMenge der möglichen Typenprofile.

pi (t−i |ti ) ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Spieler i über dieTypen der Gegenspieler {−i}, gegeben sein eigener Typ ti . Somit istpi (t−i |ti ) eine (n − 1)-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 16 / 48

Page 17: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Bemerkungen:Beliefs: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung pi (t−i |ti ) eines Spielers überdie Typen seiner Gegenspieler wird Spieler i ’s “Belief” genannt. Beliefswerden nach Bayes’ Regel als bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnet:

pi (t−i |ti ) =p(t−i , ti )

p(ti )

Erinnerung: Wenn wir zwei Ereignisse A und B haben. Dann sagt Bayes’Regel:

W (B | A) =W (A ∩ B)

W (A).

Wichtig ist die Annahme, dass alle Spieler von derselbenex-ante-Wahrscheinlichkeitsverteilung p(t)ausgehen, mit der die Natur die Typen auswählt. Dies gewährleistet,dass die Beliefs miteinander kompatibel sind (z.B. halten alle Spielerdieselben Ereignisse für möglich) und dass es Common Knowledge ist,welche Beliefs Spieler i mit Typ ti hat.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 17 / 48

Page 18: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Die Wahrscheinlichkeiten der Typen der verschiedenen Spieler könnenmiteinander korreliert sein. Dann lernt ein Spieler, wenn er seineneigenen Typ erfährt, auch etwas über die Typen seiner Gegenspieler(Beispiel: Auktion um Schürfrechte).Meistens werden wir jedoch den Fall stochastisch unabhängiger Typenbetrachten. Dann gilt:

pi (t−i |ti ) =p(t−i ) · p(ti )

p(ti )= p(t−i ) ∀ti ∈ Ti

In diesem Fall sind die Beliefs eines jeden Spielers also unabhängig vonseinem Typ.Wegen der Bedeutung von Bayes’ Regel (siehe unten) in derBerechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten werden Spiele mitunvollständiger Information auch Bayesianische Spiele genannt.

Nach diesen Vorbereitungen können wir nun die Normalform eines Spielesmit unvollständiger Information definieren:

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 18 / 48

Page 19: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Definition 5.1 (Normalform eines Bayesianischen Spiels)Die Normalform eines Bayesianischen Spiels

G = {A1, . . . ,An; T1, . . . ,Tn,p1, . . . ,pn,u1, . . . ,un}

spezifiziert:1) die Menge der Spieler, {1, . . . ,n};2) die Aktionenräume A1, . . . ,An;3) die Typenräume T1, . . . ,Tn der Spieler;4) die Beliefs p1, . . . ,pn der Spieler, wobei

pi (t−i |ti ) =p(t−i , ti )

p(ti )

durch Bildung bedingter Erwartungswerte aus der gemeinsamenWahrscheinlichkeitsverteilung p(t) abgeleitet werden kann, nach der dieNatur die Typen aller Spieler auswählt;

5) die Nutzenfunktionen u1, . . . ,un der Spieler.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 19 / 48

Page 20: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.4 Bayesianisches Nash-Gleichgewicht

Unterschiedliche Typen eines Spielers können unterschiedliche Aktionenwählen. Darum müssen wir den Strategiebegriff etwas erweitern:

Definition 5.2 (Strategie in einem Bayesianischen Spiel)Eine reine Strategie von Spieler i ist eine Funktion si : Ti → Ai , die jedemmöglichen Typ von Spieler i eine Aktion ai ∈ Ai zuordnet. Entsprechendordnet eine gemischte Strategie jedem Typen eineWahrscheinlichkeitsverteilung σi (ti ) über die möglichen Aktionen zu.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 20 / 48

Page 21: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Bemerkungen:

Eine Strategie muss für alle Typen spezifiert sein, auch für die, die vonder Natur nicht gezogen worden sind.

Begründung: Spieler i ’s optimale Strategie hängt ab von den Strategienseiner Gegenspieler. Diese hängen wiederum von den Strategien allerTypen von Spieler i ab. Also muss sich Spieler i zur Vorhersage derStrategien seiner Gegenspieler Gedanken darüber machen, was er tunwürde, wäre er ein anderer möglicher Typ.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 21 / 48

Page 22: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Erwartete Auszahlungen:

Betrachten wir Spieler i und nehmen wir an, dass Spieler i erwartet, dassseine Gegenspieler das reine Strategienprofil s−i = (s1, . . . , si−1, si+1, . . . , sN)spielen.Wenn Spieler i vom Typ ti ist, dann erwartet Spieler i , dass das Aktionenprofil

s−i (t−i ) = (s1(t1), . . . , si−1(ti−1), si+1(ti+1), . . . , sN(tN))

mit Wahrscheinlichkeit p(t−i |ti ) gespielt wird.Wenn Spieler i mit Typ ti die Aktion ai wählt, so erhält er also mitWahrscheinlichkeit p(t−i |ti ) die Auszahlung

ui (ai , s−i (t−i ), ti ).

Insgesamt ist seine erwartete Auszahlung daher

E (ui (ai , s−i , ti )) =∑

t−i∈T−i

pi (t−i |ti ) ui (ai , s−i (t−i ), ti ).

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 22 / 48

Page 23: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Dies führt uns zu der folgenden Gleichgewichtsdefinition.

Definition 5.3 (Bayesianisches Nash-Gleichgewicht)Ein Strategientupel s∗ = (s∗1 , . . . , s

∗n) ist ein Bayesianisches

Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien eines Spiels mit unvollständigerInformation, wenn ai = s∗i (ti ) die erwartete Auszahlung E

(ui (ai , s∗−i , ti )

)von

Spieler i maximiert, für alle i = 1, . . . ,n und alle ti ∈ Ti .

Bemerkungen:

1) Die Idee ist genau dieselbe wie beim Nash-Gleichgewicht: Gegeben dieStrategien der Gegenspieler muss jeder Spieler eine beste Antwortwählen. Hinzu kommt lediglich, dass dies für jeden Typ eines Spielersgelten und dass der Erwartungswert über die Typen der anderen Spielergebildet werden muss.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 23 / 48

Page 24: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

2) Bei gemischten Strategien muss zusätzlich für jedes Typenprofil t−i deranderen Spieler der Erwartungswert über die Aktionsprofile a−i gebildetwerden. Sei σk (ak |tk ) die Wahrscheinlichkeit, mit der Spieler k vom Typ tkdie Aktion ak wählt. Ist das Typenprofil t−i , wird a−i mit derWahrscheinlichkeit σ−i (a−i |t−i ) =

∏k 6=i σk (ak |tk ) gespielt. Die erwartete

Auszahlung ui (ai , σ−i , ti ) für Spieler i vom Typ ti , wenn er ai wählt, istsomit ∑

t−i∈T−i

pi (t−i |ti )∑

a−i∈A−i

σ−i (a−i |t−i ) ui (ai ,a−i , ti ).

3) σi ist genau dann eine beste Antwort auf σ−i , wenn für alle ti ∈ Ti jedeAktion ai mit σi (ai |ti ) > 0 die erwartete Auszahlung ui (ai , σ−i , ti )maximiert.

4) In endlichen Spielen mit unvollständiger Information existiert stets einBayesianisches Nash-Gleichgewicht, eventuell in gemischten Strategien.Der Beweis ist fast identisch mit demjenigen bei vollständiger Information.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 24 / 48

Page 25: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.5 Purifizierung gemischter Strategien

Wir hatten in Kapitel 2 bereits angedeutet, dass man ein Gleichgewicht ingemischten Strategien eines Spiels mit vollständiger Information alsGleichgewicht in reinen Strategien eines Spiels mit unvollständigerInformation interpretieren kann.

Der entscheidende Punkt eines Gleichgewichts in gemischten Strategien ist inder Tat nicht, dass beide Spieler randomisieren, sondern dass jeder Spielerunsicher darüber ist, welche Aktion sein Gegenspieler wählen wird.

Betrachten Sie erneut den “Kampf der Geschlechter”. Allerdings kennen nunbeide Spieler die Auszahlungsfunktion ihrer Gegenspieler nicht genau:

Spieler 2 weiß nicht genau, welche Auszahlung Spieler 1 erhält, wennbeide zum Boxen gehen. Sie glaubt, dass seine Auszahlung 2 + t1 ist,wobei t1 gleichverteilt im Intervall [0, x ] ist.Spieler 1 weiß nicht genau, welche Auszahlung Spieler 2 erhält, wennbeide zum Ballett gehen. Er glaubt, dass ihre Auszahlung 2 + t2 ist,wobei t2 wieder gleichverteilt im Intervall [0, x ] ist.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 25 / 48

Page 26: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

@@

@

1

2

Boxen

Ballett

Boxen Ballett

2 + t1, 1 0, 0

0, 0 1, 2 + t2

Abb. 5.5: Kampf der Geschlechter

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 26 / 48

Page 27: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Wir werden ein Gleichgewicht in reinen Strategien konstruieren, in dem

Spieler 1 genau dann zum Boxen geht, wenn t1 ≥ c1;

Spieler 2 genau dann zum Ballett geht, wenn t2 ≥ c2.

In diesem Gleichgewicht ist

die Wahrscheinlichkeit, die Spieler 2 dem Ereignis zuordnet, dass Spieler1 zum Boxen geht, gleich x−c1

x ;

die Wahrscheinlichkeit, die Spieler 1 dem Ereignis zuordnet, dass Spieler2 zum Ballett geht, gleich x−c2

x .

Wie groß müssen die Werte von c1 und c2 sein, damit diese Strategien einBayesianisches Nash-Gleichgewicht bilden?

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 27 / 48

Page 28: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Spieler 1 wird Boxen vorziehen, falls:

E(u1|Bo) ≥ E(u1|Ba)

(1− x − c2

x) · (2 + t1) ≥ x − c2

x· 1

t1 ≥ xc2− 3 ≡ c1

Spieler 2 wird Ballett vorziehen, falls:

E(u2|Ba) ≥ E(u2|Bo)

(1− x − c1

x) · (2 + t2) ≥ x − c1

x· 1

t2 ≥ xc1− 3 ≡ c2

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 28 / 48

Page 29: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Daraus folgt für c1 und c2:

c1 = c2 = c und c2 + 3c − x = 0

Auflösen nach c:

c = −32

+

√9 + 4x

4

Daraus ergibt sich für die Wahrscheinlichkeit, mit der Spieler 1 Boxen bzw.Spieler 2 Ballett wählt:

x − cx

= 1−√

9 + 4x − 32x

Was passiert, wenn die unvollständige Information sehr klein wird, d.h., wennx → 0?

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 29 / 48

Page 30: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

limx→0

√9 + 4x − 3

2x= lim

x→0

(√

9 + 4x − 3)(√

9 + 4x + 3)

2x(√

9 + 4x + 3)

= limx→0

9 + 4x − 92x(√

9 + 4x + 3)

= limx→0

2√9 + 4x + 3

=13

Fazit: Wir können das Gleichgewicht in gemischten Strategien( 2

3 ,13

)des Spiels mit vollständiger Information als Gleichgewicht in reinenStrategien eines Spiels mit unvollständiger Information interpretieren,bei dem die Informationsunvollständigkeit sehr klein ist.

Harsanyi (1973) hat gezeigt, dass diese “Purifizierung” von Gleichgewichtenin gemischten Strategien bei (fast) allen Spielen möglich ist.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 30 / 48

Page 31: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.6 Auktionen

Ein Objekt soll versteigert werden.

Es gibt zwei Bieter mit den Zahlungsbereitschaften v1 ≥ 0 und v2 ≥ 0.Diese Zahlungsbereitschaften sind private Information.

Wir nehmen an, dass v1 und v2 stochastisch unabhängig voneinandersind (“independent private values”).

Sei p der zu zahlende Preis. Dann ist die Auszahlung von Spieler i

ui =

{vi − p falls er das Gut erhält,0 falls er das Gut nicht erhält.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 31 / 48

Page 32: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.6.1 Die Zweitpreis-Auktion

Regeln der Zweitpreis-Auktion (sealed-bid second-price auction):

Beide Spieler schreiben simultan ihre Gebote bi auf einen Zettel.

Der Spieler mit dem höheren Gebot bekommt das Gut zum Preis deszweithöchsten Gebotes.

Bei identischen Geboten erhält jeder Bieter das Gut mitWahrscheinlichkeit 1

2 .

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 32 / 48

Page 33: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Die Zweitpreis-Auktion ist strategisch äquivalent zu einer offenen englischenAuktion mit den folgenden Regeln:

Bei 0 beginnend, hebt der Auktionator den Preis kontinuierlich an.Beide Bieter “gehen mit”, solange sie sich an der Auktion beteiligenwollen.Wenn einer der beiden als erster “aussteigt”, erhält der andere das Gutzum Preis p, bei dem der erste aufgibt.Bei gleichzeitiger Aufgabe erhält jeder Bieter das Gut mitWahrscheinlichkeit 1

2 .

Bemerkungen:Warum sind diese beiden Auktionen äquivalent?Gilt das auch, wenn “common values” vorliegen?Beachten Sie, dass in der Zweitpreisauktion das Gebot bi von Spieler ikeinen Einfluss auf den Preis hat, den i zahlen muss, falls er die Auktiongewinnt. Dieser wird allein durch bj bestimmt. Aber das Gebot bibeeinflusst, ob i die Auktion gewinnt.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 33 / 48

Page 34: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Satz 5.1In der Zweitpreis-Auktion ist es für jeden Spieler eine schwach dominanteStrategie, seine tatsächliche Zahlungsbereitschaft zu bieten.

Beweis: Sei bj das höchste Gebot aller übrigen Bieter. Angenommen Spieler ibietet bi < vi :

Falls bj ≥ vi , ist es egal, ob Spieler i bi oder vi geboten hat, da seineAuszahlung in beiden Fällen 0 ist.Falls bj < bi , ist es auch egal, ob Spieler i bi oder vi geboten hat, da er inbeiden Fällen die Auktion gewinnt und bj zahlen muss.Wenn aber bi ≤ bj < vi , hätte Spieler i mit dem Gebot vi die Auktiongewonnen und die Auszahlung vi − bj > 0 bekommen, während er mitdem Gebot bi die Auktion verliert und die Auszahlung 0 bekommt.

Also dominiert das Gebot vi alle Gebote bi < vi schwach.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 34 / 48

Page 35: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Nehmen wir jetzt an, Spieler i bietet bi > vi .

Falls bj > bi , ist es egal, ob Spieler i bi oder vi geboten hat, da seineAuszahlung in beiden Fällen 0 ist.

Falls bj ≤ vi , ist es auch egal, ob Spieler i bi oder vi geboten hat, da er inbeiden Fällen die Auktion gewinnt und bj zahlen muss.

Wenn aber vi < bj ≤ bi , hätte Spieler i mit dem Gebot vi die Auktionverloren und eine Auszahlung von 0 bekommen, während er mit demGebot bi die Auktion gewinnt und den Verlust vi − bj ≤ 0 macht.

Also dominiert das Gebot vi auch alle Gebote bi > vi schwach. Q.E.D.

Also existiert in der Zweitpreis-Auktion ein BayesianischesNash-Gleichgewicht, in dem alle Spieler ihre wahre Zahlungsbereitschaftbieten.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 35 / 48

Page 36: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Im Spezialfall, dass die Zahlungsbereitschaften vi auf dem Intervall [0,1]gleichverteilt sind, ist die erwartete Auszahlung von Spieler i mit Typ vi indiesem Gleichgewicht der Zweitpreis-Auktion

E [ui |vi ] =

∫ vi

0[vi − vj ]dvj =

[vivj −

12

v2j

]vj=vi

vj=0=

12

v2i .

Dieses Gleichgewicht ist das einzige symmetrische Gleichgewicht. Es gibtaber auch andere, asymmetrisch Bayesianische Nash-Gleichgewichte. ZumBeispiel ist es ein Gleichgewicht, wenn ein Bieter einen Preis bietet, der höherist als die höchstmögliche Zahlungsbereitschaft aller anderen Bieter und dieanderen Bieter bieten alle 0.

Zeigen Sie, dass das tatsächlich ein Bayesianisches Nash-Gleichgewicht ist.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 36 / 48

Page 37: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.6.2 Die Erstpreis-Auktion

Regeln der Erstpreis-Auktion (sealed-bid first-price auction):

Beide Spieler schreiben simultan ihre Gebote bi auf einen Zettel.

Der Spieler mit dem höheren Gebot bekommt das Gut zum Preis seines,d.h. des höchsten Gebotes.

Bei identischen Geboten erhält jeder Bieter das Gut mitWahrscheinlichkeit 1

2 .

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 37 / 48

Page 38: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Die Erstpreis-Auktion ist äquivalent zu einer holländischen Auktion mit denfolgenden Regeln:

Bei einem sehr hohen Preis beginnend, senkt der Auktionator den Preiskontinuierlich, bis ein Bieter zugreift.Bei gleichzeitigem Zugreifen erhält jeder Bieter das Gut mitWahrscheinlichkeit 1

2 .

Bemerkungen:Warum sind diese beiden Auktionen äquivalent?Gilt das auch, wenn “common values” vorliegen?Ist es dieser Auktion ist immer noch eine schwach dominante Strategie,seine tatsächliche Zahlungsbereitschaft zu bieten?Im Gleichgewicht wird jeder Bieter etwas weniger als seineZahlungsbereitschaft bieten. Wieviel er genau bieten sollte, hängt vonder Anzahl der Bieter und der Verteilung der möglichenZahlungsbereitschaften ab. Für ein einfaches Beispiel können wir dasGleichgewicht ausrechnen.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 38 / 48

Page 39: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Satz 5.2Wenn es zwei Bieter gibt, deren Zahlungsbereitschaften vi auf dem Intervall[0,1] unabhängig gleichverteilt sind, so ist es ein BayesianischesNash-Gleichgewicht in der Erstpreis-Auktion, dass jeder Spieler i den Betragbi = vi/2 bietet.

Beweis:Auszahlung von Spieler i mit Typ vi in Abhängigkeit von bi , gegeben dassSpieler j den Betrag bj = vj/2 bietet:

ui =

{vi − bi falls bi > vj/20 falls bi < vj/2

(Warum können wir den Fall bi = vj/2 vernachlässigen?)

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 39 / 48

Page 40: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Aufgrund der Gleichverteilung von vj über [0,1] ergibt das:

E [ui |vi ] = (vi − bi ) ·W (vj < 2bi )

= (vi − bi ) · 2bi

Dies ist maximal, wenn bi = vi/2.

Q.E.D.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 40 / 48

Page 41: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Bemerkungen:

Hier war der Gleichgewichtskandidat schon gegeben und wir mußten nurprüfen, ob es sich tatsächlich um ein Gleichgewicht handelt. In einer derÜbungsaufgaben sollen Sie das Gleichgewicht selbständig herleiten.Im Gleichgewicht bietet jeder Spieler weniger als seineZahlungsbereitschaft: Das optimale Gebot löst den Trade-off zwischeneiner möglichst hohen Rente und einer möglichst hohenWahrscheinlichkeit, die Auktion zu gewinnen.Wenn es mehr als zwei Bieter gibt, die Zahlungsbereitschaften aberimmer noch statistisch unabhängig und gleichverteilt sind, ist es einBayesianisches Nash-Gleichgewicht, wenn jeder Spieler

bi = (1− 1n

)v

bietet. Je größer n, umso näher ist das Gebot an der tatsächlichenZahlungsbereitschaft und umso größer ist der erwartete Erlös desAuktionators.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 41 / 48

Page 42: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Übungsaufgabe: Vergleichen Sie den erwarteten Erlös des Auktionators imsymmetrischen Gleichgewicht der Zweitpreis-Auktion mit seinem erwartetenErlös im symmetrischen Gleichgewicht der Erstpreis-Auktion. In beiden Fällengibt es zwei Bieter und der Auktionator weiß nur, dass beideZahlungsbereitschaften unabhängig gleichverteilt sind. Zeigen Sie, dass dererwartete Erlös in beiden Auktionen gleich ist.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 42 / 48

Page 43: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Bemerkungen:Das “Erlös-Äquivalenz Theorem” (revenue equivalence theorem) besagt,dass bei risikoneutralen Bietern, die stochastisch unabhängige Signaleüber ihre Zahlungsbereitschaften bekommen, die symmetrischenGleichgewichte der Erstpreis- und Zweitpreis-Auktion immer denselbenerwarteten Erlös erzielen.

Diese beiden Auktionsformen maximieren die Erlöse des Auktionatorsjedoch nicht. In unserem einfachen Beispiel wird der erwartete Erlös desAuktionators durch eine Erstpreisauktion mit Mindestgebot maximiert.Diese Auktion ist aber nicht effizient, weil das Gut mit positiverWahrscheinlichkeit nicht verkauft wird.

Welche Auktionsform bei komplizierteren Problemen erlösmaximierendoder effizient ist, ist eine wichtige Frage der Theorie desMechanismen-Designs.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 43 / 48

Page 44: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

5.6.3 Ein Beispiel mit Common Values

Es gibt zwei Bieter i = {1,2}, von denen jeder vor Beginn der Auktion einunabhängiges Signal ti ∈ [0,1] über den Wert des Gutes bekommen hat. DieZahlungsbereitschaft von Bieter i hängt nicht nur von seinem eigenen Signal,sondern auch vom Signal des anderen Bieters ab:

vi = αti + γtj ,

mit α ≥ γ ≥ 0 Beachten Sie:Wenn α = 1 und γ = 0, sind wir wieder im Fall mit independent privatevalues.Wenn α = γ sind die Zahlungsbereitschaften beider Bieter immeridentisch. (Beispiel: Schürfrechte für Ölfeld)Wenn α > γ > 0 sind die Zahlungsbereitschaften zwar verschieden, aberpositiv miteinander korreliert.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 44 / 48

Page 45: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Satz 5.3Bei einer Zweitpreis-Auktion gibt es ein eindeutiges symmetrischesBayesianisches Nash-Gleichgewicht, in dem jeder Bieter

bi = (α + γ)ti

bietet.

Beweis: Angenommen Spieler 2 benutzt diese Bietstrategie. Wenn Spieler 1das Gebot b1 macht, gewinnt er die Auktion, wenn b1 > (α + γ)t2. Da t2 aufdem Interval [0,1] gleichverteilt ist, gewinnt das Gebot b1 mitWahrscheinlichkeit b1

α+γ .

Wenn b1 > b2 und das Gebot b1 gewinnt, bezahlt Spieler 1 den Preis b2, derauf dem Interval [0,b1] gleichverteilt ist. Beachten Sie, dass wir hier diebedingte Verteilung von b2 betrachten, gegeben, dass b2 < b1. Also ist dererwartete Preis, den Bieter 1 im Erfolgsfall zahlen muss 1

2 b1.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 45 / 48

Page 46: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Jetzt berechnen wir die erwartete Auszahlung von Spieler 1, wenn er b1bietet.

Mit Wahrscheinlichkeit b1α+γ gewinnt er die Auktion und bezahlt im

Erwartungswert 12 b1.

Der Erwartungswert des Signals von Bieter 2, gegeben, dass Bieter 2 dieAuktion verloren hat, ist b1

2(α+γ) . [Beachten Sie, dass t2 = b2α+γ . Das

erwartete Gebot von Bieter 2, gegeben, dass er die Auktion verliert, ist12 b1. Also ist das erwartete Signal b1

2(α+γ) .]

Also ist der erwartete Gewinn von Bieter 1, gegeben, dass er die Auktiongewinnt,

αt1 + γb1

2(α + γ)− 1

2b1 .

Mit der Restwahrscheinlichkeit verliert Bieter 1 die Auktion und bekommteine Auszahlung von 0.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 46 / 48

Page 47: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Also ist seine erwartete Auszahlung beim Gebot b1

EU1(b1 | t1) =b1

α + γ

[αt1 + γ

b1

2(α + γ)− 1

2b1

]=

αb1(2(α + γ)t1 − b1)

2(α + γ)2

Bieter 1 wählt sein Gebot b1 so, dass dieser Ausdruck maximiert wird. Wennwir nach b1 ableiten bekommen wir die BEO

dEU1(b1 | t1)

db1=

2α(α + γ)t1 − 2αb1

2(α + γ)2 = 0

bzw.b1 = (α + γ)t1 .

Also ist die vorgeschlagene Bietstrategie für Bieter 1 optimal, wenn Bieter 2sich an diese Strategie hält. Wegen der Symmetrie des Spiels muss auch dasumgekehrte gelten. Also liegt hier tatsächlich ein BayesianischesNash-Gleichgewicht vor. Q.E.D.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 47 / 48

Page 48: LMU München - 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information · 2014. 9. 1. · Abb. 5.4: Spielbaum, der unvollkommene als imperfekte Information abbildet Klaus M. Schmidt

Bemerkungen:Ein naiver Bieter 1 würde sagen, dass das erwartete Signal des anderenBieters 1

2 ist. Also ist seine Zahlungsbereitschaft αt1 + γ · 12 . Da es eine

Zweitpreisauktion ist, sollte er auch genau diesen Betrag bieten.Diese Argumentation ist aber falsch, weil sie nicht berücksichtigt, dassBieter 1 die Auktion nur dann gewinnt, wenn das Signal von Bieter 2niedriger als sein eigenes Signal ist. Er gewinnt also nur dann, wenn dasGut für ihn relativ wenig wert ist.Im Gleichgewicht berücksichtigt Bieter 1 diesen Effekt. Wenn seineigenes Signal niedrig ist, bietet er weniger, weil er weiß, dass er dieAuktion nur dann gewinnt, wenn das Signal seines Gegenspielers nochniedriger und das Gut darum nur wenig wert ist. Wenn sein eigenesSignal dagegen hoch ist, bietet er mehr als der naive Bieter.

Übungsaufgabe: Zeigen Sie, dass es bei einer Erstpreis-Auktion in diesemBeispiel ein Gleichgewicht ist, wenn jeder Bieter bi = α+γ

2 ti bietet.

Klaus M. Schmidt (LMU München) 5. Statische Spiele mit unvollständiger Information Spieltheorie, Wintersemester 2014/15 48 / 48