Lust und Liebe · andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche...
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Gabriele und Rolf Froböse
Lust und Liebe alles nur Chemie?
Gabriele und Rolf Froböse Lust und Liebe – alles nur Chemie?
Erlebnis Wissenschaft bei WILEY-VCH
J. Audretsch (Hrsg.) Verschränkte Welt Faszination der Quanten 2002, ISBN 3-527-40318-3
H. Bolz GenComics 2001, ISBN 3-527-30420-7
U. Deichmann Flüchten, Mitmachen, Vergessen Chemiker und Biochemiker in der NS-Zeit 2001, ISBN 3-527-30264-6
J. Emsley Fritten, Fett und Faltencreme Noch mehr Chemie im Alltag 2004, ISBN 3-527-31147-5
J. Emsley Parfum, Portwein, PVC Chemie im Alltag 2003, ISBN 3-527-30789-3
J. Emsley Sonne, Sex und Schokolade Mehr Chemie im Alltag 2003, ISBN 3-527-30790-7
J. Emsley Phosphor – ein Element auf Leben und Tod 2001, ISBN 3-527-30421-5
R. Froböse, G. Froböse Lust und Liebe – alles nur Chemie? 2004, ISBN 3-527-30823-7
H. Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums 2004, ISBN 3-527-40319-1
P. Häußler Donnerwetter – Physik 2001, ISBN 3-527-40327-2
R. Hoffmann Sein und Schein Reflexionen über die Chemie 1997, ISBN 3-527-29418-X
G. Kreysa Fusionsfieber 1998, ISBN 3-527-29627-1
J. Koolman, H. Moeller, K.-H. Röhm (Hrsg.) Kaffee, Käse, Karies Biochemie im Alltag 2003, ISBN 3-527-30792-3
O. Morsch Licht und Materie Eine physikalische Beziehungsgeschichte 2003, ISBN 3-527-30627-7
M. Pehnt Energierevolution Brennstoffzelle? Perspektiven – Fakten – Anwendungen 2001, ISBN 3-527-30511-4
H.-J. Quadbeck-Seeger, A. Fischer (Hrsg.) Die Babywindel und 34 andere Chemiegeschichten 2000, ISBN 3-527-30262-X
D. Raabe Morde, Macht, Moneten Metalle zwischen Mythos und Hightech 2001, ISBN 3-527-30419-3
M. Reitz Gene, Gicht und Gallensteine Wenn Moleküle krank machen 2001, ISBN 3-527-30313-8
M. Reitz Auf der Fährte der Zeit Mit naturwissenschaftlichen Methoden vergangene Rätsel entschlüsseln 2003, ISBN 3-527-30711-7
R. Renneberg, J. Reich, M. Bofinger Liebling, Du hast die Katze geklont! Biotechnologie im Alltag 2004, ISBN 3-527-31075-4
M. Schneider Teflon, Post-it und Viagra Große Entdeckungen durch kleine Zufälle 2002, ISBN 3-527-29873-8
E. Unger Auweia Chemie 2004, ISBN 3-527-31238-2
H. Zankl Fälscher, Schwindler, Scharlatane Betrug in Forschung und Wissenschaft 2003, ISBN 3-527-30710-9
Gabriele und Rolf Froböse Lust und Liebe – alles nur Chemie?
Gabriele und Rolf Froböse Ahornstraße 28 83512 Wasserburg
1. Auflage 2004 1. Nachdruck der 1. Auflage 2005
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
© 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co KGaA, Weinheim
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ISBN 3-527-30823-7
ISBN ePDF 978-3-527-64084-3 ISBN ePub 978-3-527-64083-6 ISBN Mobi 978-3-527-64085-0
Für Jeremy
Inhalt
Vorwort der Autoren XV
1
Die Kartierung des Gehirns kommt der Entschlüsselung
Vor dem Handeln bitte das Gehirn einschalten –
Michaels Hirn – ein Supercomputer, von dem die
Die Gedanken sind frei, doch Wissenschaftler
Die erste Begegnung mit Bianca: Michaels Ionenkanäle
Michaels und Biancas Emotionen finden vorwiegend in der
Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen 1
Ein Tag im Leben von Bianca und Michael 1
Weshalb unser Gehirn »Schmetterlinge« produziert 3
des Genoms gleich 6
Bianca und Michael haben ihr eigenes Universum im Kopf 7
Befehl verweigert, sagt das Rückenmark 11
Elektronikindustrie nur träumen kann 13
Ist unser Gehirn ein natürlicher Parallelrechner? 14
Rechts? Links? Unser geteiltes Gehirn muss sich entscheiden 16
Beim Küssen dreht man den Kopf (vermutlich) nach rechts 17
können sie messen 20
Ein Formel-1-Rennwagen in Michaels Gehirn 22
Die Zelle als Chemiereaktor 23
»erinnern« sich 24
Michael hat Bianca geortet: Die »Chemie des Augenblicks« 25
vorderen rechten Hirnhälfte statt 28
»Tintenfische« aus Niob als Kompass unserer Gedanken 29
Inhalt VII
Gefühlsausbrüche setzen molekulare »U-Boote« in Gang 31
Michaels Liebe löst im Gehirn eine Lawine von Signalen aus 32
Neurotransmitter – Wächter über Emotionen und Schlaf 36
Michaels Gehirn – ein Energieverschwender 37
Bianca mag Traubenzucker – ihr Gehirn auch 38
2 Unser doppeltes Nervenkostüm 41
Michael schloss Bianca fest in seine Arme, dabei raste sein Herz wie wild 41
Kontrolle über Sex und Sinne
Keine Erektion ohne Zusammenarbeit von vegetativem und
42
Ein eingespieltes Team: Sympathikus und Parasympathikus 43
somatischem System 44
3 Signale der Liebe 47
Liebe auf den ersten Blick? 47
Schüchterne Männer meiden den Blickkontakt – Frauen suchen ihn 49
Anatomie eines Flirts 50
Kamasutra auf Amerikanisch: 103 Annäherungstaktiken 52
4 An der Leine einer doppelten Helix 55
Ob sich unsere Gene mögen? 55
Von der Ursuppe zur DNA 56
Chemie: Saat des Lebens, des Geistes und der Gefühle 59
Gene sind wie Männer 60
Warum hat Michael dunkle Haare? Zucker- und Phosphatmoleküle liefern die Antwort 62
Ererbte Gene: Ein Überraschungsgeschenk 63
VIII Inhalt
5 Hormone – Schneckenpost der Informationsvermittlung 65
Adrenalin & Co: Die heimliche Steuerung unserer
Hormonmangel im Gehirn kann ein Wechselbad der Gefühle
Kellner Marco lacht: »Adrenalin ist schuld!« 65
Gefühlswelt 66
auslösen 68
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt 72
Die wichtigsten Hormone im Überblick 73
6
Bianca klagt: »Die Zusammenhänge sind mir klar – trotzdem
Während der Pubertät beginnt der »Countdown« der
Östrogen und Testosteron – Triebkräfte unserer Gefühlswelt 79
Die heimliche Verflechtung von Leib und Seele 79
komme ich gegen meine Gefühle nicht an.« 80
Körperchemie 81
Männer sind weitaus weniger kompliziert – oder? 82
Vielseitig ist es ja, dieses Testosteron 85
Liebe ist die beste Medizin 87
Ehekrach schwächt das Immunsystem 88
7 Oxytocin – das »Amuse Gueule« unter den Hormonen 91
Als Michael Bianca streichelte, produzierte ihr »Chemiewerk« Oxytocin 91
»Kuschelsucht« nach dem Orgasmus? Alles Chemie!
Oxytocin und Vasopressin – chemische Kompassnadeln für
93
Liebesgrüße aus Moskau: Oxytocin und der Pawlow-Effekt 94
Warum Frauen im Stress gerne zum Telefonhörer greifen 96
Kleines Molekül mit großer Wirkung 98
Männer und Frauen, seid tolerant! 100
Auch das Sozialverhalten wird positiv beeinflusst 101
Partnerschaft und Treue 102
Inhalt IX
8 Dopamin – Casanovas zwiespältige »Geheimwaffe« 105
Ein Hormon, das uns euphorisch macht 105
Bei Dopamin-Überschuss droht krankhafte Liebessucht 106
Männliche Ratten zeigen einen ausgeprägten »Coolidge-Effekt« 107
9 Serotonin – der Glücksbote in der Blutbahn 109
Manchmal verspürt Michael Heißhunger auf Schokolade 110
»Krankhafte« Liebe – auch bei Serotoninmangel 111
Mikroparanoia – die »Krankheit der Verliebten« 112
10 Phenylethylamin – ein Stoff, der die Seele jubeln lässt 113
Der Fahrstuhl in den »Siebten Himmel« stinkt nach Fisch 114
11 Chemie der Empfängnisverhütung 117
Wie war das doch gleich mit »der Pille«? 117
Empfängnisverhütung – eine beinahe unendliche Geschichte 117
»In die Hocke gehen und kräftig niesen« 118
Ein Quantensprung in der Biologie des Eisprungs 120
Warum keine »Pille für den Mann«? 122
12 Wechseljahre: Wenn die Hormonzufuhr ins Stocken gerät 125
Wirst du mich immer lieben? 125
Ist die Hormontherapie ein Ausweg? 127
Medikamente aus der »grünen Schatztruhe« 129
Nicht nur Frauen sind betroffen 130
13 Körpereigene Opiate – die Chemie der Euphorie 135
Nicht nur Adrenalin bringt Michael und Bianca »auf Hochtouren« 135
Ist unser Gehirn eine Mohnpflanze? 136
X Inhalt
Forschung ist auch »Schweinearbeit« 137
Lange nicht gesehen?! 139
Pseudo-Opiate – eine »Notarztzentrale« des Körpers? 141
Aus Mäusen werden Angsthasen 143
Der Glaube hilft – Endorphine und der Placebo-Effekt 143
Endorphine im Fokus der Schmerzforschung 145
»Opiat-Rausch« bei drohender Lebensgefahr? 147
Zärtliche Umarmungen als natürliches Mittel gegen Kopfschmerzen 148
Unmittelbar nach der Geburt sind Mutter und Baby von Opiaten erfüllt 149
Nach dem Stillen sind Babys »high« 150
Naloxon – Gegenspieler der Opiate 151
Ohne Endorphine bleibt die Welt der intensiven Gefühle verschlossen 152
Chemie der Rauschmittel: Natürliche und synthetische Opiate 153
Natürliche Opiate 153
Synthetische Opiate 154
Synthetisches Opiat sollte Terroristen lahm legen 156
Sind unsere Opiatrezeptoren Segen oder Fluch der Natur? 157
14 Chemie für das Auge – der Lippenstift im Wandel der Zeit 159
Biancas rote Lippen bringen Michael »aus dem Häuschen« 159
In der Eiszeit war Ocker modern 160
Ein »Zauberstab« der Kosmetik – dank Chemie 161
15 Der heimliche Duft der Verführung 163
»Komm, lass uns gehen« 163
Vom »Dialog mit den Göttern« zum modernen Parfüm 164
Kopfnoten, Herznoten, Basisnoten – ein kleiner Ausflug in die Chemie der Düfte 166
Ein Franzose hatte den richtigen Riecher 168
Inhalt XI
Manche mögen’s animalisch 170
»Einmal tief einatmen« – wie unser Geruchssinn funktioniert 171
Ist der allmähliche Verlust des Geruchssinns eine Fehlleistung der Evolution? 172
Die funktionellen Gene machen den Unterschied 173
Bekenne Farbe, und ich sage dir, welchen Duft du bevorzugst 174
16 Pheromone – »Wörter« im Dialog der Düfte 177
Machen Pheromone auch dem Menschen Lust auf Sex? 179
Ein Relikt aus der Frühzeit der Evolution? 181
Das »Trüffelschwein in uns« entscheidet, ob wir einander riechen können 183
Männer riechen »strenger« als Frauen 184
Napoleon schrieb seiner Frau: »Nicht waschen, komme in drei Tagen.« 186
Kopuline – die »chemische Kriegsführung« der Frauen 187
Künstliche Pheromone im Parfüm machen Männer kuschelwillig 188
»Ich mag Dich nicht riechen, weil sich unsere Gene zu sehr ähneln.« 190
17 Kleines Einmaleins der Liebesmittel 193
Von der Auster bis zum Zypergras 193
»Beim Austernessen sollten Sie die Dosis erhöhen!« 194
Gelée Royal – Manneskraft aus dem Bienenstock? 196
Purer Aberglaube: Das Nashorn in der chinesischen Medizin 198
Wirksam, aber unangenehm: Die Papaverin-Spritze 199
Eine »Lustpille« von der Hühnerfarm? 201
Spanische Fliege – Dichtung und Wahrheit 202
Schon mal was von »Süßholz raspeln« gehört? 204
Vitamin E – viel Lärm um nichts 205
XII Inhalt
Yohimbin – ein »echter« Wirkstoff aus der Schatzkiste der Natur 206
Zypergras – Liebesgrüße aus dem Wintergarten 207
18 Viagra & Co.: Was bringen die neuen Potenzmittel? 209
Für die »richtige Stimmung« muss jeder selber sorgen 209
Die Entdeckung von Viagra – ein selten glücklicher Zufall! 210
Der Penis als akribischer »Buchhalter« 211
Viagra – ja oder nein? Was sagen denn die Ärzte? 212
Potente Mitbewerber bieten der Impotenz Paroli 213
19 Rückkehr vom Flughafen 215
Hauptsache, die Chemie stimmt – der Rest bleibt ein Wunder 215
Weiterführende Literatur 217
Personen- und Sachregister 227
Inhalt XIII
Vorwort der Autoren
Die Liebe ist vermutlich so alt wie die Menschheit. Dementsprechend zieht sie sich wie ein roter Faden durch unzählige Bücher – angefangen von der antiken bis hin zur modernen Literatur. Ganz ähnliches gilt für die Malerei und Bildhauerei, wo zweifelsohne das »Thema Nummer eins« ebenfalls eine zentrale Rolle einnimmt. Um Lust und Leidenschaft geht es schließlich auch in der Musik – der Bogen spannt sich vom mittelalterlichen Minnesang über die französischen Chansons bis hin zu den Beatles und der Pop-Musik der heutigen Zeit.
Dessen ungeachtet ist die Liebe aber auch ein weithin unverstandenes Phänomen. Mit Eigenschaften wie »unbeschreiblich schön«, »geheimnisvoll« oder »aufregend« wird sie umschrieben. Doch was ist sie wirklich?
»Liebe ist nur ein Wort«, nannte der österreichische Autor Mario Simmel einen seiner Romane. Ob er aus Erfahrung sprach? »Liebe ist nichts anderes, als ein Boogie-Woogie der Gefühle«, glaubte der amerikanische Schriftsteller Henry Miller zu wissen. Der irische Nobelpreisträger für Literatur George Bernhard Shaw hingegen appellierte an den wachen Verstand: »Liebe macht blind, aber nicht taub – daran ist schon manche hoffnungsvolle Beziehung gescheitert.«
Die Prosa-Gedichte der deutschen Schriftstellerin Margot Bickel erzählen wiederum von der Sehnsucht aller Menschen nach Glück, Frieden und Gemeinsamkeit. Zur Frage nach dem Wesen der Liebe schreibt sie:
»Was ist Liebe? Vielleicht, schweigendes Verstehen, geduldiges Fragen, verstehendes Aushalten, zärtliches Beieinandersein, verlässliches Zueinanderstehen,
Vorwort der Autoren XV
gemeinsames Suchen, versöhnungsbereites Streiten, da sein und dableiben, und immer mal wieder Rosen und einen Kuss? Was ist Liebe? Ich kenne nur Facetten, die mir eine Ahnung schenken von der Demut und Hoheit der Liebe. Was ist Liebe? Lieben wir, und finden wir die Antwort.«
Im Gegensatz zu Margot Bickel ist Autor Andreas Mäckler um eine Antwort nicht verlegen. In seinem Buch »Was ist Liebe …? 1001 Zitate geben 1001 Antworten« (vgl. Literatur im Anhang) liefert er eine geradezu überwältigende Flut von Thesen, Mutmaßungen, Beteuerungen und Behauptungen, die sich um das Thema Liebe ranken.
»Liebe ist Chemie!« Wenn die Autoren sich an dieser Stelle zu Wort melden, so tun es keineswegs deshalb, um den 1001 Thesen eine 1002. hinzuzufügen. Auch entspringt diese Definition weder der Feder eines Philosophen oder Literaten, noch soll sie als bloße Provokation im luftleeren Raum stehen bleiben. Vielmehr handelt es sich um das Resümee modernster interdisziplinärer Forschungsarbeiten, an denen Chemiker, Mediziner, Hirnforscher, Hormonforscher und Biochemiker beteiligt waren. Ihnen gemeinsam ist es gelungen, die menschlichen Lebensvorgänge nach und nach zu begreifen und die zugrunde liegenden Funktionen auch als chemische Prozesse zu interpretieren.
Damit möchten wir das Leben keineswegs als »pure Chemie« verstanden wissen. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass die Chemie streng genommen keine Erfindung des Menschen ist, weil letztendlich alles in der Natur auf ihr basiert. Das trifft für den Staub der Sahara genauso zu wie für das Plankton des Meeres und für den Bergkristall ebenso wie für Pflanzen, Tiere und Menschen. Selbst wenn wir ein delikates Essen genießen, Freude empfinden oder uns frisch verlieben, so ist es die Chemie, die heimlich hinter den Kulissen die Regie übernommen hat.
Begleiten Sie uns nun gemeinsam mit unserem fiktiven Liebespaar Bianca und Michael auf eine phantastische Reise durch die
XVI Vorwort der Autoren
Chemie der Sinne, die über Liebe, Lust und Leidenschaft regiert und somit das Leben lebenswert macht.
Wasserburg, im Mai 2004 Gabriele und Dr. Rolf Froböse
1 Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen
»Liebende schließen beim Küssen die Augen, weil sie mit dem Herzen sehen möchten.«
(Daphne du Maurier, englische Schriftstellerin französischer Abstammung, 1907–1989).
Ein Tag im Leben von Bianca und Michael
Selten zuvor war Michael so pünktlich am Flughafen. Doch heu-te ist ein ganz besonderer Tag. Ein kurzer Blick auf den Monitor zeigt ihm, dass die erwartete Maschine aus Amerika voraussichtlich erst in einer Stunde am Gate B14 eintreffen wird.
An Bord ist Bianca, mit der er seit sechs Monaten glücklich verlobt ist. Während Bianca als Medizinstudentin einen großen Teil der Semesterferien bei Verwandten in den USA verbracht und neben einem Krankenhauspraktikum in dieser Zeit sicherlich viel erlebt hat, ist Michael, der als Ingenieur für Informationstechnik für ein deutsches Elektronikunternehmen tätig ist, die Phase der Trennung dagegen wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Zu tun hatte er eigentlich immer genug, aber an die langen Wochenenden, an denen er allein war, erinnert er sich nur ungern.
»Da hätte ich mir ja noch etwas Zeit lassen können«, denkt sich Michael insgeheim. »Aber was solls – besser zu früh als zu spät am Flughafen.« Schon bei dem Gedanken, dass er in einem Verkehrsstau hätte stecken bleiben und Bianca mit Koffern in der Hand vergeblich nach ihm hätte suchen können, wird ihm unbehaglich zumute.
Michael schlendert durch den Ankunftsbereich, vergewissert sich noch einmal, welchen Ausgang Bianca für B14 nehmen wird und bemerkt, wie sich seine innere Anspannung allmählich legt um einer tief empfundenen Freude Platz zu machen. Um die verbleibende Zeit zu überbrücken, setzt er sich in ein Bistro namens »Zeppelin«, welches einen direkten Blick auf die Anzeige »Arrivals« gestattet.
Ein Tag im Leben von Bianca und Michael 1
»Ich nehme das Sandwich mit Huhn und dazu eine Tasse Kaffee«, sagt er dem Kellner und greift nach einer Zeitung. Er überfliegt die Schlagzeilen, liest die Artikel aber nur diagonal. Es fällt ihm sichtlich schwer, sich heute so richtig zu konzentrieren. Lediglich eine Reportage über San Franciso veranlasst ihn zu einem tieferen Einstieg. »Ihre Verwandten leben in einem Vorort von Monterey«, überlegt er. »Wie ich Bianca kenne, hat sie sich die Golden Gate Bridge nicht nur auf Fotos angesehen.«
Während Michael noch mit seiner kleinen Mahlzeit beschäftigt ist, wird die Anzeige mit den »Arrivals« gerade aktualisiert. »Die Maschine trifft doch etwas früher ein und wird in wenigen Minuten landen«, schießt es ihm durch den Kopf. Nervös faltet er die Zeitung zusammen und gibt dem Kellner ein Zeichen. Nach dem Bezahlen der Rechnung begibt er sich auf direktem Weg zum Ausgang.
Aufgeregt beobachtet Michael, wie sich die Tür in kurzen Abständen öffnet und schließt. Braun gebrannte und mit Koffern und Reisetaschen gut bepackte Urlauber bahnen sich ihren Weg durch die Menschenmenge, Geschäftsleute mit Aktenkoffern hasten an ihm vorbei, ein aufgeregter Japaner scheint jemanden zu suchen, während drei Araber sich offensichtlich beim Smalltalk amüsieren. Ähnlich wie in einem Film registriert Michael dies aber nur ganz am Rande.
Plötzlich entspannt sich sein Gesichtsausdruck – Bianca kommt aus der Tür. Sie erkennt ihn sofort, lässt den Wagen mit dem Koffer kurz stehen und läuft auf ihn zu. Wortlos fallen sich die beiden in die Arme. Als sie sich küssen, hat Bianca Tränen der Freude in den Augen. Michael hingegen – den vertrauten Geruch ihres Körpers wahrnehmend – hat nur einen einzigen Gedanken: »Wir gehören zusammen!«
Diese kurze Szene aus dem Leben zweier junger Menschen dürfte vielen von uns bekannt vorkommen. Die innere Unruhe, Anspannung, Aufregung, gepaart mit Sehnsucht und dann das schier unendliche Glücksempfinden nach der Begegnung – wer hat dieses Wechselbad der Gefühle in ähnlichen Situationen nicht bereits sel-ber durchlebt?
2 Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen
Weshalb unser Gehirn »Schmetterlinge« produziert
Auch wenn die beiden den Eindruck haben, das Zentrum ihrer Liebe sitze im Herzen, so ist es in Wahrheit doch ausschließlich ihr Gehirn, das für das Herzklopfen und die »Schmetterlinge im Bauch« verantwortlich ist. »Nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Gehirn denken wir«, so hatte es der griechische Arzt Hippokrates, der auf der Insel Kos lebte, bereits um 400 v. Chr. formuliert, womit er seiner Zeit allerdings hoffnungslos voraus war. Denn obwohl das Organ, dem die antiken Griechen den Namen »en kephale« (»im Kopf gelegen«) gegeben hatten, die Menschen von jeher faszinierte, war es ein langer Weg, bis man verstand, dass allein das Gehirn der Entstehungsort unserer Gedanken, Gefühle, Empfindungen und letztendlich auch des Bewusstseins ist.
Abb. 1: Hippokrates
Die Frage nach der Quelle und dem Ort des Bewusstseins dürfte unsere Ahnen indessen bereits in grauer Vorzeit beschäftigt haben. So wurde von den Menschen des Altertums der Kopf als Behausung böser Geister betrachtet. Wie wir heute von Knochenfunden wissen, wurden Menschen dieser Epoche gelegentlich Löcher in den Kopf geschabt – offensichtlich um Krankheiten wie »Besessenheit« mit mehr oder weniger fragwürdigem Erfolg zu kurieren.
Weshalb unser Gehirn »Schmetterlinge« produziert 3
Griechische Anatomen wie Anaxagoras suchten nach dem Sitz des Geistes im menschlichen Körper und glaubten, dass die Hohlräume im Gehirn jene Flüssigkeiten enthielten, welche den Hauch des Geistes darstellten. Der Grieche Alkmäon von Kroton stellte bereits um 500 vor Christus im Rahmen eigens durchgeführter Sektionen an Tieren fest, dass sich von den Sinnesorganen Nervenbahnen zum Gehirn ziehen. Er nahm daraufhin an, dass im Gehirn das Zentrum für die Sinneswahrnehmung und auch für das Denken liege. Allerdings hielt er das Gehirn für eine Drüse, die Gedanken absondere wie eine Tränendrüse Tränen.
Lange davor war indessen bereits den Ägyptern bewusst, dass das Gehirn mit den Denkprozessen eines Menschen in Verbindung gebracht werden musste. Herophilos (335 v. Chr) und Erasistratos (300 v. Chr) brachen erstmals das Tabu, Leichen zu sezieren, und fanden, dass ein Mensch dem bestimmte Nervenbahnen durchtrennt wurden, nicht mehr sehen konnte. Sie entwickelten daher die Vorstel-
Leonardo da Vinci: Künstler und Forscher Als Leonardo da Vinci im Jahre 1452
das Licht der Welt erblickte, war Italien gerade im Begriff, das Mittelalter in raschen Schritten zu verlassen. Italien und insbesondere Florenz standen im Mittelpunkt des während der Renaissance neu erwachten geistigen Lebens. Diese historische Entwicklung, die ihre Anfänge in den gelehrten Kreisen der humanistischen Schriftsteller hatte, stand in deutlichem Zusammenhang mit den Fortschritten der Wissenschaft, mit den Veränderungen im kirchlichen Bereich und mit dem Entstehen wirtschaftlicher Strukturen.
Leonardo da Vinci war der Sohn eines angesehenen Notars. Schon früh erkannte der Vater die außergewöhnliche Begabung seines Sohnes und förderte ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Auf diese Weise kam der junge Leonardo im Alter von 15 Jahren in die Werkstatt des Florentiner Meisters Verrocchio und hatte sich im Jahre 1472 – gerade zwan
zigjährig – in der Malerzunft der Stadt bereits einen Namen gemacht.
Abb. 2: Leonardo da Vinci
Etwa ab 1500 widmete sich Leonardo da Vinci hauptsächlich technischen und naturkundlichen Studien. In unzähligen sehr präzisen Zeichnungen von Muskeln, Knochen und Gehirnen versuchte er, dem Gesetz des Lebens auf die Spur zu kommen und es in einer alle Naturerscheinungen umfassenden Kosmologie zusammenzufassen.
4 Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen
lung eines zusammenhängenden Systems, von welchem das Gehirn das Zentrum bildete. Das Gehirn war für sie der Sitz der Seele und die Kommandozentrale für sämtliche Denkprozesse.
Der römische Arzt Claudius Galenus konnte wiederum zahlreiche Erfahrungen an verletzten Gladiatoren sammeln. Auf diese Weise verhalf er der bereits von den Ägyptern entwickelten und heu-te allgemein akzeptierten Vorstellung zum Durchbruch, dass das Gehirn das Zentrum menschlichen Denkens und des Gedächtnisses ist. Ganz anderer Auffassung war hingegen Aristoteles. Er vertrat im Gegensatz zu Hippokrates die durchaus nachvollziehbare Meinung, dass der Mensch mit dem Herzen denkt.
Letztendlich obsiegte aber das Kammernmodell von Anaxagoras, welches im Laufe der Jahrhunderte immer weiter verfeinert wurde. Mittelalterliche Philosophen schufen daraus ein sehr anschauliches Modell, bei dem die erste Kammer des Gehirns zur Wahrnehmung und Einsicht diente. Die zweite Kammer sollte dem Modell zufolge für Erkenntnis und Urteil und die dritte Kammer für die Speicherung der Ergebnisse der vorigen Kammern zuständig sein.
Erst um 1490 entwarf das »Allround-Genie« der Renaissance, Leonardo da Vinci, eine vorläufige »Landkarte« des Geistes, auf der in einer Art Dreiteilung unterschiedlichen Bereichen des Gehirns verschiedene geistige Funktionen zugeordnet wurden.
Selbst wenn heute Leonardo da Vincis Skizzen des Gehirns für die Wissenschaftler nur noch von historischem Interesse sind und ein sehr viel differenzierteres Abbild des Gehirns und seiner Funktionen zum Stand der Forschung gehört, hat unser intimstes Organ viele seiner Geheimnisse noch nicht preisgegeben. Vielmehr muss das Gehirn auch heute noch in weiten Bereichen als ein weißer Fleck auf der Landkarte der wissenschaftlichen Erkenntnisse bezeichnet werden.
Eine weitaus technischer geprägte Vorstellung hatte der französische Philosoph René Descartes (1596–1650), der das Gehirn mit einer Art Maschine verglich. Er stellte sich vor, dass eine in den Windungen des Gehirns enthaltene Substanz, die er als »Pneuma« bezeichnete, durch die von den Sinnesorganen ausgehende Erregung unter Druck gesetzt und von der Epiphyse (Zirbeldrüse des Gehirns) in die mit Röhrchen vergleichbaren Nerven umgeleitet würde. Auf diese Weise sollte das Pneuma zur Muskulatur gelangen und diese zu gezielten Bewegungen veranlassen.
Weshalb unser Gehirn »Schmetterlinge« produziert 5
Franz Josef Gall (1758–1828) stiftete wiederum unter seinen Zeitgenossen mit der Behauptung Unruhe, dass bestimmte Leistungen des Gehirns an den Schädelwölbungen ertastbar seien. Doch erst Paul Broca (1824–1880) und Carl Wernicke (1848–1905) lieferten den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass allen Hirnfunktionen abgrenzbare Regionen zuzuordnen sind. Zu diesem Zweck hatten die Forscher eine Reihe von Patienten mit Sprachstörungen untersucht. Cecile und Oskar Vogt sowie Korbinian Brodmann zogen zwischen 1900 und 1920 aus diesem Lokalisationskonzept die Konsequenz und fertigten die ersten detaillierten »architektonischen« Karten der Hirnrinde an.
Die Kartierung des Gehirns kommt der Entschlüsselung des Genoms gleich
Während man also früher glaubte, dass komplexe Vorgänge wie das Lernen oder die Erinnerung in einem einzigen Gebiet des Gehirns lokalisiert seien, geht die heutige Forschung davon aus, dass an jeder Leistung des Gehirns diverse räumlich voneinander entfernte, aber über Nervenfasern verknüpfte Zellgruppen beteiligt sind. Wissenschaftler am Institut für Medizin im Forschungszentrum Jülich widmen sich unter der Leitung von Prof. Karl Zilles der Aufgabe, derartige Knotenpunkte und Vernetzungen zu lokalisieren. Das angestrebte Ziel – eine lückenlose Kartierung aller Gehirnfunktionen – ist indessen äußerst ehrgeizig und dürfte der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Genoms durchaus ebenbürtig sein. Die aus der Forschung resultierenden Ergebnisse werden, so viel zeichnet sich heute bereits ab, wieder eine Vielzahl von neuen Fragen aufwerfen, die noch zahlreiche Wissenschaftler-Generationen beschäftigen werden.
Unstrittig ist heute bereits, dass das Gehirn unsere Kommandozentrale ist, die über sämtliche Körperfunktionen regiert. Dies gilt nicht nur für unsere einfachen Verhaltensweisen wie Essen, Schlafen, Trinken und die Wärmeregulierung, sondern schließt auch die höher entwickelten Fähigkeiten des menschlichen Geistes wie seine Begabung für Kultur, Musik, Kunst, Wissenschaft und Sprache mit ein. Aber erst vor kurzem erhielten die Forscher Einblicke in die molekularen Vorgänge im Gehirn und entschlüsselten die ersten Bau
6 Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen