Luxemburgs fairer Beitrag zum globalen Klimaschutz_DE

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– 1 Luxemburgs fairer Beitrag zum globalen Klimaschutz Zusammenfassung Eine Analyse von Luxemburgs Klimaverpflichtungen auf der Basis des Greenhouse Development Rights-Modells Von Tom Athanasiou, Sivan Kartha, Paul Baer und Eric Kemp-Benedict sowie Ben Toussaint, Norry Schneider und Dietmar Mirkes für die Angaben zu Luxemburg Luxemburg, April 2011

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beitrag zum klimaschutz

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Luxemburgs fairer Beitrag zum globalen Klimaschutz

Zusammenfassung

Eine Analyse von Luxemburgs Klimaverpflichtungen auf der Basis des Greenhouse Development Rights-Modells

 

Von Tom Athanasiou, Sivan Kartha, Paul Baer und Eric Kemp-Benedict

sowie Ben Toussaint, Norry Schneider und Dietmar Mirkes für die Angaben zu Luxemburg

Luxemburg, April 2011

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ASTM und Caritas Luxemburg plädieren dafür, dass Luxemburg und die anderen

Industrienationen ihre ökologische Schuld gegenüber den anderen Nationen der

Welt anerkennen und infolgedessen durch die Reduzierung ihrer Treibhausgase eine

aktive Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehmen. Zusätzlich müssen

Luxemburg und die anderen Industrieländer die Entwicklungsländer in ausreichendem

Maße finanziell und technisch unterstützen, damit auch sie ihre Treibhausgase reduzieren

und sie sich an die Folgen des Klimawandel anpassen können. Das Greenhouse

Development Rights (GDR)-Modell wurde von EcoEquity und dem Stockholm Environment

Institute entwickelt, um darzulegen, wie die global notwendigen Anstrengungen

aussehen und gerecht verteilt werden können, ohne das Recht jedes Menschen auf ein

menschenwürdiges und nachhaltiges Lebensniveau zu gefährden. Das GDR-Modell zeigt

also einen Weg, wie der in der Klimarahmen-Konvention der Vereinten Nationen geprägte

verbindliche Grundsatz der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortungen und

Fähigkeiten“ in die Praxis umgesetzt werden kann.

Die folgende Analyse von ASTM, Caritas Luxemburg, EcoEquity und dem Stockholm

Environment Institute der Klimaverpflichtungen Luxemburgs kommt zum Ergebnis, dass

Luxemburgs hohe historischen und aktuellen Emissionen und seine ökonomische Potenz

dem Land eine besonders hohe Verantwortung für den Klimawandel zuweisen - eine

Verantwortung, die sich in einem ebenso hohen, aber eben auch fairen Beitrag zu den

globalen Anstrengungen aller Länder gegen den Klimawandel niederschlagen muss.

Die Studie im aktuellen klimapolitischen Umfeld

Der Klimawandel stellt für uns alle eine Gefahr dar, besonders aber für die mittel- und schutz-losen Menschen. Es bedarf wie in einem Notfall der Mobilisierung aller Kräfte weltweit, um katastrophale Auswirkungen zu verhindern. Die internationalen Verhandlungen werden jedoch vorwiegend durch die Verteilungsfrage erschwert: Wer soll bis wann wie viele Treibhausgase reduzieren? Wie die Klimagipfel in Kopenhagen und Cancun zeigten, könnte sie die Verhandlun-gen noch für sehr lange Zeit blockieren. Dieser Engpass ist auf die scharfe soziale Ungleichheit in unserer einen Welt zurückzuführen und rückt die Entwicklungskrise ins Zentrum der Klima-problematik. Er wird nicht ohne eine faire globale Verteilungsarchitektur überwunden werden können, die das Recht der Menschen im Süden auf Entwicklung respektiert und der Umsetzung der Millenniumsziele für Entwicklung nicht entgegensteht.

Wie auch immer ein neues Abkommen im Detail aussehen mag - ob über freiwillige oder recht-lich verbindliche Ziele - es wird mit sich bringen, dass nationale Maßnahmen genauer untersucht und einheitlich bewertet werden; und von jedem Land wird verlangt werden, seinen fairen Anteil zur Stabilisierung des globalen Klimas zu akzeptieren und einzubringen. Das GDR-Modell stellt

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eine transparente Methode mit einheitlichen Kriterien zur Quantifizierung der angemessenen nationalen Verpflichtungen aller Industrie- und der Entwicklungsländer dar.

Diese Studie bemisst mithilfe des GDR-Modells die Klimaverantwortung Luxemburgs, überprüft die offizielle luxemburgische Klimapolitik auf ihre Angemessenheit, berücksichtigt dabei die um-fassenderen globalen und europäischen Klimapolitiken und gelangt zu Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Luxemburg.

Das Dilemma des Südens

Abbildung ES1 bildet das Dilemma des Südens ab: Die rote, obere Kurve zeigt die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft maximal zulässige Summe der globalen Kohlenstoffemissio-nen, wenn wir verhindern wollen, dass die Temperaturen um mehr als 2° Celsius ansteigen. Die untere, blaue Kurve zeigt, welchen Anteil an diesem globalen Kohlenstoffbudget die wohlhaben-den Annex 1-Länder noch aufbrauchen werden, sogar wenn sie alle nötigen Bemühungen ein-gehen, um ihre Emissionen bis 2050 nahezu vollständig zurückzufahren. Wenn man nun diesen Anteil von der globalen Kurve abzieht, ergibt sich als die grüne, mittlere Kurve der alarmierend kleine Anteil, der noch zur Entwicklung des Südens übrigbleibt. Dieses wissenschaftliche Modell dient in dieser Studie als Referenzmodell.

Die rote Linie oben zeigt den notwendigen Verlauf der globalen Kohlenstoffemissionen, damit der Temperaturanstieg unter 2° Celsius bleibt; hierbei erreichen die Emissionen 2013 ihren Höhepunkt und fallen anschliessend bis 2050 um 80% unter das Niveau von 1990. Die blaue Linie unten stellt dar, wie die Emissionen der Industrieländer (Annex I) bis 2050 um 95% unter das Niveau von 1990 fallen müssen. Die grüne Linie in der Mitte ergibt durch Subtraktion der blauen von der roten Linie, den Emissionsraum, der dann noch für die Entwicklungsländer übrigbleibt. (Die Y-Axe misst in Gigatonnen Kohlenstoff - nicht in Kohlendioxid).

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2°C Emergency pathway

Non-Annex I emissions

Annex I emissions

12

10

8

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02000 2010 2020 2030 2040 2050

Abbildung ES1: Das Dilemma des Südens

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In weiten Teilen der internationalen Klimadebatte wird das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) so verstanden, dass es die Industrieländer auffordert – also auch Luxemburg -, ihre Treibhausgase bis 2020 um 25% bis 40% unter das Niveau von 1990 zu reduzieren, um zu verhindern, dass die weltweite Durchschnitttemperatur gegenüber dem vorindustriellen Niveau um mehr als 2°C steigt. Das 2°C Ziel wird weithin als Grenze akzeptiert, ab der der Klimawan-del „gefährlich“ wird. Das in Abbildung ES1 gezeigte Modell hingegen verlangt für 2020 nach einer 45% Reduktion unter dem Niveau von 1990. Aber würde Luxemburg denn seinen „fairen Anteil“ zu den globalen Anstrengungen gegen den Klimawandel beitragen, wenn es seine Trei-bhausgase um 40% bis 45% senken würde? Die Antwort lautet „Nein“: die Reduzierung der heimischen Emissionen stellt nämlich nur einen Teil von Luxemburgs Klimaverantwortung dar. Selbstverständlich müssen die Industrienationen ihre eigenen Emissionen beträchtlich senken, aber sogar wenn sie sofort damit anfangen würden und sie bis 2050 um 80% reduzierten (wie es die Staatschefs der G8 vorschlugen), hätten sie infolge ihrer historischen Emissionen immer noch fast zwei Drittel der begrenzten Möglichkeiten der Erde, Treibhausgase in der Atmosphere zu speichern, für sich aufgebraucht.

Um das Klimaproblem lösen zu können, müssen die Industrienationen zusätzlich zur Reduktion ihrer eigenen Emissionen den Entwicklungsländern dabei helfen, einen alternativen Entwicklungs-pfad einzuschlagen - eine kohlenstoffarme Entwicklung, die es den Menschen in den ärmeren Län-dern der Welt erlaubt zu überleben und der Armut zu entkommen, ohne das noch verbleibende freie Drittel an Speicherraum in der Atmosphäre zu überschreiten. Die Industrieländer – so auch Luxemburg -, haben also eine doppelte Verpflichtung: eine inländische und eine internationale.

Das Greenhouse Development Rights-Modell

Das Greenhouse Development Rights (GDR)-Modell wurde entwickelt, um das Kernproblem für die dringend erforderlichen schnellen globalen Emissionsreduktionen lösen zu helfen: nämlich gleichzeitig die Treibhausgasemissionen global zu reduzieren und das Recht auf eine mens-chenwürdige nachhaltige Entwicklung im Treibhaus für jeden zu schützen.

Aus diesem einfachen Ansatz wird in ein Modell für die Verteilung der notwendigen Anstrengungen gebildet, das auf den beiden Prinzipien der Verantwortung und der Fähigkeit der Staaten aufbaut, wie sie auch in der Klimarahmen-Konvention als Grundlage der „gemeinsamen, aber unterschie-dliche Verantwortungen und entsprechende Fähigkeiten“ verankert sind. Aufbauend auf transpa-renten und klar definierten Indikatoren, bietet das GDR- Modell eine Methodik zur Quantifizierung dieser Prinzipien und liefert eine objektive und kohärente Methode zur Bestimmung des Beitrags der einzelnen Länder an den benötigten weltweiten Reduktions- und Anpassungsbemühungen innerhalb eines zielführenden und fairen globalen Abkommens. Dabei berücksichtigt das GDR-Mo-dell sowohl bei der Höhe der Verantwortung als auch der Fähigkeit eine Beteiligungsschwelle, die etwas über der globalen Armutsgrenze angesiedelt ist: Von Menschen, deren Lebenstandard unter

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dieser Schwelle liegt, wird nicht erwartet, dass sie die Kosten zur Lösung des Klimaproblems mit-tragen; ihnen ist es stattdessen gewährt, ihren Lebensstandard aus der Armut heraus hin zu einem Niveau zu entwickeln, das ein Leben in Würde ermöglicht. ‘Verantwortung’ wird dann definiert als die kumulierte Summe der Emissionen eines Landes seit 1990, wobei die „Überlebensemissionen“, die aus dem Konsum unterhalb der Entwicklungsschwelle stammen, nicht mitzählen. Die Fähigkeit eines Landes wird im Wesentlichen in Kaufkraftparitäten nach der Summe der Einkommen über der Entwicklungsschwelle berechnet. Aus den beiden Faktoren „Verantwortung“ und „Fähigkeit“ wird schließlich für jedes Land sein „Index der Verantwortung und Fähigkeit“ errechnet, welcher den fairen Anteil des Landes an der Lösung des globalen Klimaproblems in Prozent ausdrückt. Der „Index der Verantwortung und Fähigkeit“ quantifiziert also die beiden Grundprinzipien der Klima-rahmen-Konvention unter Berücksichtigung einer Entwicklungsschwelle.

Luxemburgs fairer Anteil

In der gegenwärtigen Klimadebatte werden nationale Verpflichtungen allgemein als Reduzie-rung nationaler Treibhausgasemissionen verstanden - ausgedrückt in Prozentsätzen unterhalb eines Bezugsjahres. Im GDR-Modell hingegen werden nationale Klimaverpflichtungen in Form eines Prozentanteils an einem globalen Gesamtbedarf zum Ausdruck gebracht – egal, ob es sich dabei um den weltweiten Reduktionsbedarf von Treibhausgasen in Tonnen CO2, eine geld-werte Abschätzung dieser Reduktionskosten oder die weltweiten Kosten der Anpassung an den Klimawandel handelt. Von entscheidender Bedeutung hier Luxemburgs „Index der Verantwor-tung und Fähigkeit“. Er bestimmt quantitativ Luxemburgs fairen Anteil an den notwendigen weltweiten Anstrengungen.

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20,000

00 200 400 600 800 1000 1200 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 0 200

Grafik ES2: Einkommen und Fähigkeit: Prognostizierte nationale Einkommensverteilungen 2010 (Kapazität in Grün)

INDIA USCHINA

Capacity Excluded income

Development threshold$20/day ($7500/year PPP)

Population (millions)

Population (millions) Population (millions)

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Die Berechnungen dieser Studie ergaben für Luxemburg einen Index von etwa 0,072% für 2010; das ist das Zehnfache von Luxemburgs 0,007 %-Anteil an der Weltbevölkerung. Hierin spiegeln sich Luxemburgs hoher Wohlstand und seine historische Klimaschuld direkt wider. Nach folge-richtigen, aber dennoch recht ungewissen Hochrechnungen dürfte Luxemburgs Anteil bis 2020 auf 0,064% fallen und bis 2030 auf 0,053%. Zum 2°-Ziel, die weltweiten Emissionen bis zum Jahre 2020 um 16,3 Milliarden CO2-Äquivalente zu verringern, muß Luxemburg also bis 2020 0,064 % beitragen, das sind 10,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Hat man einmal diesen Index als Luxemburgs fairen Anteil an den globalen Anstrengungen akzeptiert, dann wirkt sich dies deutlich auf seine Reduktionsziele aus: Schaubild ES3 zeigt in der unteren grünen Kurve den neuen Verlauf gemäß seines Indexes im Vergleich zur blauen oberen Kurve seiner business-as-usual-Emissionen. Es wird hier auch deutlich, dass Luxemburgs Emissio-nen gemäß seinem GDR-Index nach 2020 um über 100%, also deutlich unter Null fallen müssen; m.a.W. seine Reduktionsziele sind größer als seine projizierten Emissionen!

Das Schaubild legt Luxemburgs inländische Emissionen im Jahre 2020 bei etwa 45 % unter dem 1990er Ausgangsniveau fest – aber diese Reduktionen um 6,1 MtCO2e sind nur ein Teil von Luxem-burgs Gesamtpflichten – ein weiterer Teil besteht darin, Entwicklungsländern zu helfen, ihre Emis-sionen um 4,3 MtCO2e zu reduzieren, um so seine Gesamtpflichten in Höhe von 10,4 MtCO2e zu erfüllen. Im GDR-Modell setzen sich die Verpflichtungen eines Landes aus einem inländischen und einem internationalen Teil zusammen, ohne dass es jedoch vorgibt, wie sich diese beiden Teile untereinander verhalten. Die internationalen Verpflichtungen liegen etwa in der gleichen Größe-nordnung wie die inländischen und können verstanden werden als die “messbare, berichtsfähige und überprüfbare Unterstützung” der Industrieländer für die Entwicklungsländer, die gemäß dem Bali-Aktionsplan nötig ist, damit diese einen kohlenstoffarmen Weg einschlagen können.

Gemäß dem GDR-Modell und in Übereinstimmung mit dem 2°-Pfad.

Anmerkung: Das GDR-Modell liefert an sich keinen Hinweis darauf, welchen Anteil seines Zieles ein Land inländisch und welchen es international zu erbringen hat. Wir haben hier die inländischen Reduktionen so angesetzt, dass sie bis 2050 ihre 1990er Emissionen um 95 % reduzieren können.

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Business as usual

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Abbildung ES3: Luxemburgs Reduktionspflichten

1990 2000 2010 2020 2030

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Wie verhalten sich die GDR-Verpflichtungen nun gegenüber den offiziellen nationalen Klimazielen? In Abbildung ES3 zeigt die violette Kurve das offizielle Reduktionsziel für 2020 von 20% unter dem Niveau von 2005 an; die orangefarbene Kurve entspricht dem Verlauf bei dem stärkeren 30%-Re-duktionsziel, das die EU in ihren stärkeren Momenten diskutiert. Die untere, grüne Kurve zeigt den Verlauf, wie er sich aus dem GDR-Modell durch Subtraktion vom business-as-usual-Weg ergibt. Diese Kurve erreicht 2020 eine Reduktion um 77% unter dem 1990er Wert und 100 % (bzw. Null) etwa um 2022 und fällt bis 2030 auf –167 %. Diese negativen Emissionen springen natürlich ins Auge, besagen aber nichts anderes als dass die reichen Industrieländer Reduktionsverpflichtungen haben, die über ihre inländischen Emissionen hinausgehen. Dieses Schaubild zeigt das Ausmaß der Anstrengungen, die Luxemburg sowohl inländisch als auch international unternehmen muß, um seine fairen Anteile gemäß dem GDR-Modell zu erbringen und auf dem 2°-Pfad zu bleiben.

Dabei darf man internationale Aktionen nicht mit dem Kauf von Emissionsrechten aus den Flexi-blen Mechanismen des Kyoto-Protokolls (zum Beispiel aus dem Clean Development Mechanism) verwechseln; diese Käufe zählen zu den inländischen Reduktionen eines Landes; die internatio-nalen Aktionen kommen zu den inländischen Reduktionen hinzu und ersetzen sie nicht. Diese Unterscheidung ist besonders im Falle von Luxemburg wichtig, denn das Land greift massiv auf Emissionsrechte zurück.

Die wichtigste Schlussfolgerung unserer Analyse ist, dass Verpflichtungen dieser Größenordnung für Länder mit hoher Verantwortung und Fähigkeit absolut notwendig sind, um zu einem gang-baren und zielführenden globalen Klimaregime zu gelangen. Denn nur so können die beiden Ziele erreicht werden: Erstens, dass sie durch weitreichende inländische Reduktionen genügend Platz in der Atmosphäre lassen, damit die armen Länder sich entwickeln können. Und zweitens, dass sie in ähnlicher Größenordnung durch technische und finanzielle Hilfen bewirken, dass die Entwicklungs-länder einen kohlenstoffarmen Pfad einschlagen können.

Gemäß dem GDR-Modell auf dem 2ºC-Pfad und im Vergleich mit seinen offiziellen Zielen

Anmerkung: Luxemburgs grüne untere GDR-Kurve fällt etwa um 2022 unter Null und dann bis 2030 noch weiter. Zum Vergleich dazu sind oben rot der Balken für die Kyoto-Periode von 2008-2012 sowie violett und gelb die Kurven eingetragen, wie sie sich für Luxemburg gemäß der Aufteilung innerhalb der EU bei einem 20%igen bzw. 30% EU-Reduktionsziel ergeben.

Tota

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mis

sio

ns

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of

199

0)

Business as usual

Kyoto target

GDRs allocation

EU -20% target

EU -30% target

150%

100%

50%

0%

-50%

-100%

Schaubild ES4: Luxemburgs Reduktionspflichten

1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030

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Luxemburgs “untypische Situation” im Lichte des GDR-Modells

Die sogenannte “untypische Situation” Luxemburgs resultiert aus gewissen geographischen, de-mographischen und ökonomischen Besonderheiten, die zusammen zu ausgesprochen hohen Emissionen beitragen: Luxemburgs ist eines der Länder mit den höchsten pro Kopf-Emissionen in der Welt.

Luxemburgs offene Ökonomie zeichnet sich aus durch ein starkes demographisches und ökono-misches Wachstum seit den 80er Jahren, das viele Arbeitsplätze geschaffen und viele Pendler aus den drei Nachbarstaaten angezogen hat. Verbunden mit einer Politik der niedrigen Steuern hat dies zu einem massiven Export von Treibstoffen geführt, der 2008 mit 5 MtCO2e allein 40% der Emissionen Luxemburgs ausmachte und so die Emissionsbilanz auf insgesamt 12,5 MtCO2e hochschraubte.

Obwohl Luxemburgs Emissionen seit 2005 leicht rückläufig sind – vor allem seit der ökono-mischen Krise – dürften sie bei wirtschaftlicher Erholung wieder in die Höhe schnellen, falls klimafreundlichen Maßnahmen keine höchste Priorität eingeräumt wird. Es wird daher eine be-sondere, möglicherweise unlösbare Herausforderung an die luxemburgischen Politiker sein, das jährliche 4%-ige Wachstumsziel mit einer effektiven nationalen Klimastrategie in Einklang zu bringen. Jedes Land hat seine Besonderheiten, aber ein allgemeingültiges faires globales Klima-regime setzt objektiv gleiche Kriterien für alle Länder voraus. Diese Studie legt offen, dass Luxem-burg weder durch seine zentrale Lage in Europa noch durch die Zählweise des Kyoto-Protokolls benachteiligt ist, sondern vielmehr seine “untypische Situation” vorschiebt und übertreibt, um dahinter seine Eigeninteressen zu verbergen, seine privilegierte Situation aufrechtzuerhalten und den Mangel an klimapolitischen Maßnahmen im Lande zu rechtfertigen.

Mögen die strengen Kurvenverläufe nach dem GDR-Modell dem Leser angesichts der Tagespo-litik jetzt auch unrealistisch vorkommen – die Herausforderungen für Luxemburgs Emissionssi-tuation müssen wahrgenommen, verstanden und angegangen werden. Dies ist zweifellos der Ausgangspunkt für einen Politikansatz “von unten nach oben”, der vom machbar Erscheinenden ausgeht, wie ihn aktuell die “Klimapartnerschaft” darstellt (ein “Runder Tisch” mit Vertretern der Regierung und der verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft). Aber diese Studie betont, dass eine zielführende Klimapolitik gleichzeitig die global notwendigen Anstrengungen im Auge behalten muss, wie sie sich uns aktuell aus dem Klimawandel und den Prinzipien der Klima-rahmen-Konvention der “gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung” ergeben. Wir müssen also das, was derzeit als politisch möglich gilt, mit dem Notwendigen, d.h. einem Ansatz von oben nach unten, in Einklang bringen. Das GDR-Modell bietet dazu einen Weg, dies in einer gerechten Art und Weise zu tun.

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Denn wir wissen auch, dass die Folgen des Klimawandels bereits jetzt gerade die ärmsten und verletztbarsten Menschen treffen. Wachstum, das auf der Verbrennung fossiler Treibstoffe ba-siert, ist weder für den Norden noch für den Süden eine weiter gangbare Option; wir müssen uns also dringend von den fossilen Treibstoffen lösen in unserer Welt, die sowohl zwischen Nord und Süd als auch - bei beiden – zwischen Arm und Reich geteilt ist.

Schlussfolgerung und Empfehlungen

Diese Studie hat hervorgehoben, dass in dieser kritischen Lage alles getan werden muss, um die drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Und dies muss auf gerechte Art und Weise geschehen, weil sonst keine Übereinkunft zwischen den Staaten zustandekommt. Dies ist zwar keine neue Erkenntnis, aber die Studie hat ein neues Element hinzugefügt: eine konsequente, auf transparenten Prinzipien basierende und datengestützte Methode, um die Verteilung der notwendigen Anstrengungen gerecht aufzuschlüsseln. Sie gelangt zu einer sehr klaren Schluss-folgerung: Selbst wenn die Reduktion der Treibhausgase und die Kosten eines schnellen Über-gangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft relativ schwierig und hoch erscheinen und selbst wenn sie nur der globalen Konsumentenklasse, die über der Entwicklungsschwelle liegt (knapp ein Drittel aller Menschen) auferlegt werden, so sind sie doch machbar. Für ein paar Euro am Tag können die Reichen und die relativ Wohlhabenden dieser Welt die arme Majorität der Menschen von den Lasten des Klimawandels und seiner Bekämpfung freihalten. Sie haben die ökonomische Möglichkeit, das Recht der Armen auf Entwicklung ernst nehmen.

In diesem Sinne empfehlen wir für Luxemburg:

• sich zu Ansätzen zu verpflichten, die sich als zielführend erweisen, und seinen eigenen fairen Anteil, der sich daraus ergibt, zu akzeptieren; dies bedeutet konsequenterweise, dass Luxemburg gemäß den Prinzipien der “gemeinsamen, aber unterschiedlichen Ve-rantwortung” der UN-Klimarahmen-Konvention, 0,07 % der globalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen übernimmt.

• darauf zu setzen, dass transparente Berechnungen der Verantwortung und der Fähi-gkeit, die für alle gleich gelten, dazu beitragen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu überbrücken statt auszuweiten und die besten Grundlagen für ein neues Klima-Abkommen darstellen; dies impliziert auch, dass Maßnahmen weg von fossilen Ener-gien und hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit Priorität haben vor weiterem ökonomis-chen Wachstum, damit das nächste globale Klimaabkommen tatsächlich nachhaltige Entwicklung schützt und fördert.

• als logische Konsequenz der Analyse fairer Anteile mitzutragen, dass internationale Aktionen zusätzlich zu den nationalen Maßnahmen und in ähnlicher Größenordnung gerecht und notwendig sind.

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• Klimaverhandlungen in einer langfristigen Perspektive zu verstehen und anzuerkennen, dass der Norden durch das gute Beispiel führen muss; Luxemburg muss sich bemühen zu verstehen, warum der Süden zögert, irgendwelche global unterschiedliche verbindliche Ziele anzuerkennen, bevor der Norden nicht den Willen bewiesen hat, die eigenen Verp-flichtungen zu erfüllen und zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft umzusteigen.

• zur Kenntnis zu nehmen, dass der Süden eine geringere Schuld am Klimawandel, aber stärkere Belastungen dadurch zu tragen hat und man von ihm nicht erwarten kann, eine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen.

• öffentlich nachvollziehbar zu machen, dass alle finanziellen Mittel für das Fast Start-Programm bis 2012 und die langfristige Klimafinanzierung nach 2012 zusätzlich zu den bereits bestehenden Verpflichtungen für die Entwicklungshilfe aufgebracht werden.

• grundsätzlich seine Haltung ändert, sich hinter EU-Durchschnittszahlen und –paketen zu verstecken und zu seiner objektiven Position als eines der reichsten Industrieländer steht; die EU-interne Aufschlüsselung der Reduktionsziele auf ihre Mitgliedsländer er-setzt nicht die anderen Verpflichtungen aus der Klimarahmen-Konvention, die Luxem-burg unterzeichnet hat;

• damit aufzuhören, seine inländischen Reduktionsverpflichtungen wie bisher durch Emissionsrechte zu ersetzen und es als eine Frage der nationalen Glaubwürdigkeit zu sehen, mehr im Inland zu reduzieren als durch Emissionsrechte auszugleichen; Luxem-burg soll daher das Geld, das es für den Kauf von Emissionsrechten ausgibt, für inlän-dische Maßnahmen und zum Begleichen der kurz- und langfristigen Beitragspflichten gemäß den Vereinbarungen von Cancun verwenden;

• darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten es gibt, ökonomisches Wachstum mit den Notwendigkeiten infolge des Klimawandels zu vereinbaren und dabei das Dogma des niemals endenden Wachstums zu hinterfragen;

• mit strukturellen Reformen auf verschiedenen Feldern anzufangen, zum Beispiel einer Steuerreform mit höherer Besteuerung fossiler Brennstoffe und einem Ausklingen der Treibstoffexporte;

• den Dialog mit der Zivilgesellschaft, wie er mit der “Klima-Partnerschaft” begonnen wurde, fortzusetzen, um mit vereinten Kräften daran zu arbeiten, die Lücke zwischen dem naturwissenschaftlich Notwendigen , d.h. dem globalen Ansatz von oben nach unten, und dem politisch machbar Erscheinenden, d.h. dem nationalenen Ansätzen von unten nach oben, zu schließen.

Im Grunde geht es in dieser Studie um die Prinzipien Verantwortung und Fähigkeit. Aber in den Klimaverhandlungen spielen auch andere Prinzipien eine Rolle. Einem davon wünschen wir in den nächsten Monaten mehr Berücksichtigung: dem Prinzip der Führung. Es fehlte bisher – und die Gründe sind bekannt. Denn die Herausforderungen durch den Klimawandel sind gewaltig. Es ist jetzt an der Zeit, sie anzunehmen - für Reformen und für Führung, mit langem Atem und mit der Überzeugung, wie sie Nelson Mandela so treffsicher auf den Punkt brachte: „Es scheint immer unmöglich, bis es getan wurde.“ Noch ist Zeit dazu ...