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M E R L Ä N D E R - B R I E F VERÖFFENTLICHUNG DES VILLA MERLÄNDER E.V. FÖRDERVEREIN DER NS-DOKUMENTATIONSSTELLE KREFELD Merländer-Brief 15 Februar 2007 1 Mechthild Staudenmaier Kein Platz für alte und neue Nazis in Krefeld 2 Vereinsnachrichten Die Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die Nationalso zialisten 3 - Tucholsky-Revue in der V.M. - AK Gedenkstätten tagte in Krefeld - Der ehemalige Militär- flughafen Venlo 4 Heinrich Camopendonk zum 50. Todestag Johan Schwarz Campendonks „ Hirte mit Auszeichnung“ - Eine Bildbetrachtung 6 Veranstaltungen: - Bert Brechts Lyrik - Aus den Briefen Fanny Mendelssohns 7 - Jüdische Kulturtage 2007 - Jüdische Geschichte im Fernsehen und in der V.M. - Gottfried Benn 8 Pressespiegel 12 Termine, Impressum Krefeld für Toleranz und Demokratie Kein Platz für alte und neue Nazis Mechthild Staudenmaier Aus dem Aufruf des Krefelder Jugendringes und der Unterstützer- gruppe zur Demonstration am 13. Februar 2007 Krefelder für Toleranz und Demokratie …Erneut drohen Stiefel über Krefelds Plaster zu dröhnen, in denen noch derselbe Geist steckt, wie bereits vor siebzig Jahren! Die NPD ruft dazu auf, in Krefeld zu marschieren. Aus ganz Nord rhein-Westfalen sollen braune Reisedemonstranten nach Krefeld kommen. Sie möchten unsere Stadt zu ihrer Bühne machen. Sie werden in Krefeld kein Gehör finden. Es soll, so wird behauptet, an die Opfer der Bombennächte während des letzten Weltkrieges erinnert werden. Dafür muss das Datum des Bombardements Dresdens herhalten. Dafür wurde in Nor- drhein-Westfalen Krefeld als Aufmarschplatz gewählt. Auch ohne NPD und Kameradschaften werden die Bombennächte des letzten Krieges nicht vergessen werden. Niemals werden die Folgen des Terrors und der Verbrechen der Nazidiktatur vergessen werden können und auch nicht die Folgen des in ihrem Namen geführtem Krieges. … Niemals kann und wird vergessen werden, wohin die Herrschaft von Nationalsozialisten geführt hat. Sechs Jahrzehnte nach den alliierten Luftangriffen soll versucht werden, die Opfer des Krieges nun auch noch vor den braunen Karren zu spannen. In geschmackloser Weise versuchen ausge- rechnet diejenigen, deren Ideologie Leid, Verderben und Krieg in die Welt trug, nun mit diesem Leid Propaganda zu treiben. Damit werden Opfer von Nazidiktatur und Krieg verhöhnt und beleidigt. Dafür ist in Krefeld kein Platz. Wir wollen nicht noch einmal erleben, was bereits erfahren wurde.… Nazis haben in Krefeld keinen Platz. Das haben die 3.500 Teil- nehmerinnen und Teilnehmer am kurzfristig organisierten und von allen gesellschaftlich und politisch relevanten Gruppen getragenen Demonstrationszug gegen den Auf- marsch der aus ganz Nordrhein- Westfalen angereisten rund 150 Nazis am 13. Februar nachdrück- lich unterstrichen. Die Krefelder Bürgerschaft ist dem Aufruf der NPD, im Rahmen ihrer scheinheiligen, weil rein propagan- distisch motivierten Veranstaltung der Bombenopfer des 2. Weltkrie- ges zu gedenken, nicht gefolgt und hat mit einer machtvollen Demons- tration, an der zu meiner großen Freude auch sehr viele junge Men- schen teilnahmen, den Versuch im Keim erstickt, sie im Sinne einer nationalistisch-rassistischen Ideolo- gie zu instrumentalisieren. Abgesehen davon, abgesehen auch von der grundsätzlichen Abscheu dem braunen Mob gegen- über würde es sich vielleicht lohnen darüber nachzudenken, ob diese tumb-fremdenfeindliche Veranstaltung der NPD nicht einfach hätte verboten werden können. Auch sei die Frage erlaubt, ob eine oftmals viel zu ausführliche Berichterstattung der Medien den Rechtsextremen nicht erst jenes Forum bietet, das sie für ihre Ziele so dringend brauchen. Es ist schon grotesk, wenn – wie verschiedentlich geschehen - die Anzahl der zu welchem Anlass auch immer versammelten hohlen Glatzen kleiner ist als die derer, die über sie berichten. Die Absicht der NPD, genau dadurch Schlagzeilen zu machen, dass sie bundesweite Demonstra- tionen gerade in solche Städte ver- legt, in denen ihre Mitglieder- und Sympathisantenzahl verschwin- dend gering ist, ist allzu durchsich- tig. Natürlich können und dürfen wir dies nicht ignorieren, natürlich müssen wir wachsam bleiben – dies aber, so denke ich, mit Augenmaß und ohne Hysterie. Deutliche Antworten sind gefragt, gerade so wie in Krefeld eine gege- ben wurde: prompt und unmissver- ständlich.

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M E R L Ä N D E R - B R I E FVERÖFFENTLICHUNG DES

VILLA MERLÄNDER E.V. FÖRDERVEREIN DER NS-DOKUMENTATIONSSTELLE KREFELD

Merländer-Brief 15Februar 2007

1 Mechthild Staudenmaier Kein Platz für alte und neue Nazis in Krefeld

2 Vereinsnachrichten

Die Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die Nationalso zialisten

3 - Tucholsky-Revue in der V.M. - AK Gedenkstätten tagte in Krefeld - Der ehemalige Militär- flughafen Venlo

4 Heinrich Camopendonk zum 50. Todestag Johan Schwarz Campendonks „ Hirte mit Auszeichnung“ - Eine Bildbetrachtung

6 Veranstaltungen: - Bert Brechts Lyrik - Aus den Briefen Fanny Mendelssohns

7 - Jüdische Kulturtage 2007 - Jüdische Geschichte im Fernsehen und in der V.M. - Gottfried Benn

8 Pressespiegel

12 Termine, Impressum

Krefeld für Toleranz und Demokratie

Kein Platz für alte und neue NazisMechthild Staudenmaier

Aus dem Aufruf des Krefelder Jugendringes und der Unterstützer-gruppe zur Demonstration am 13. Februar 2007

Krefelder für Toleranz und Demokratie…Erneut drohen Stiefel über Krefelds Plaster zu dröhnen, in denen noch derselbe Geist steckt, wie bereits vor siebzig Jahren!Die NPD ruft dazu auf, in Krefeld zu marschieren. Aus ganz Nord rhein-Westfalen sollen braune Reisedemonstranten nach Krefeld kommen. Sie möchten unsere Stadt zu ihrer Bühne machen. Sie werden in Krefeld kein Gehör finden.Es soll, so wird behauptet, an die Opfer der Bombennächte während des letzten Weltkrieges erinnert werden. Dafür muss das Datum des Bombardements Dresdens herhalten. Dafür wurde in Nor-drhein-Westfalen Krefeld als Aufmarschplatz gewählt.

Auch ohne NPD und Kameradschaften werden die Bombennächte des letzten Krieges nicht vergessen werden.

Niemals werden die Folgen des Terrors und der Verbrechen der Nazidiktatur vergessen werden können und auch nicht die Folgen des in ihrem Namen geführtem Krieges. …Niemals kann und wird vergessen werden, wohin die Herrschaft von Nationalsozialisten geführt hat.Sechs Jahrzehnte nach den alliierten Luftangriffen soll versucht werden, die Opfer des Krieges nun auch noch vor den braunen Karren zu spannen. In geschmackloser Weise versuchen ausge-rechnet diejenigen, deren Ideologie Leid, Verderben und Krieg in die Welt trug, nun mit diesem Leid Propaganda zu treiben. Damit werden Opfer von Nazidiktatur und Krieg verhöhnt und beleidigt. Dafür ist in Krefeld kein Platz. Wir wollen nicht noch einmal erleben, was bereits erfahren wurde.…

Nazis haben in Krefeld keinen Platz. Das haben die 3.500 Teil-nehmerinnen und Teilnehmer am kurzfristig organisierten und von allen gesellschaftlich und politisch relevanten Gruppen getragenen Demonstrationszug gegen den Auf-marsch der aus ganz Nordrhein-Westfalen angereisten rund 150 Nazis am 13. Februar nachdrück-lich unterstrichen.

Die Krefelder Bürgerschaft ist dem Aufruf der NPD, im Rahmen ihrer scheinheiligen, weil rein propagan-distisch motivierten Veranstaltung der Bombenopfer des 2. Weltkrie-ges zu gedenken, nicht gefolgt und hat mit einer machtvollen Demons-tration, an der zu meiner großen Freude auch sehr viele junge Men-schen teilnahmen, den Versuch im Keim erstickt, sie im Sinne einer nationalistisch-rassistischen Ideolo-gie zu instrumentalisieren.

Abgesehen davon, abgesehen auch von der grundsätzlichen Abscheu dem braunen Mob gegen-über würde es sich vielleicht lohnen darüber nachzudenken, ob diese tumb-fremdenfeindliche Veranstaltung der NPD nicht

einfach hätte verboten werden können. Auch sei die Frage erlaubt, ob eine oftmals viel zu ausführliche Berichterstattung der Medien den Rechtsextremen nicht erst jenes Forum bietet, das sie für ihre Ziele so dringend brauchen. Es ist schon grotesk, wenn – wie verschiedentlich geschehen - die Anzahl der zu welchem Anlass auch immer versammelten hohlen Glatzen kleiner ist als die derer, die über sie berichten.

Die Absicht der NPD, genau dadurch Schlagzeilen zu machen, dass sie bundesweite Demonstra-tionen gerade in solche Städte ver-legt, in denen ihre Mitglieder- und Sympathisantenzahl verschwin-dend gering ist, ist allzu durchsich-tig.

Natürlich können und dürfen wir dies nicht ignorieren, natürlich müssen wir wachsam bleiben – dies aber, so denke ich, mit Augenmaß und ohne Hysterie. Deutliche Antworten sind gefragt, gerade so wie in Krefeld eine gege-ben wurde: prompt und unmissver-ständlich.

„12 Jahre - 12 Schicksale“, so lautet der Titel einer Publikation mit den neuesten Forschungsergebnissen zur Verfolgung der „Zeugen Jehovas“ durch die Nationalsozialisten auf dem Gebiet des heutigen Landes Nor-drhein-Westfalen. Von den ca. 2.500 dokumentierten Einzelschicksalen werden exemplarisch 12 unterschied-liche Biografien aus 12 Orten in den verschiedenen Landesteilen aufge-griffen.

Die Aufarbeitung der Jahre 1933 bis 1945 verdeutlicht die Eskalation der Gewalt gegen die NS-Opfergruppe. Dabei wird der Widerstand aus reli-giöser Überzeugung beleuchtet und die daraus resultierenden, vielfältigen Verfolgungskriterien (angefangen von Entlassung und Kindesentzug bis zur Ermordung) dargestellt. Die Krefel-derin Johanna Windolp wurde bei-spielweise verhaftet und aus dem KZ Ravensbrück erst freigelassen, als

sie sich verpflichtete, ihrem Glauben abzuschwören.

Der Anhang der Broschüre enthält didaktische Hinweise für den Schul-unterricht. NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers widmete dem gesamten Forschungs- und Publika-tionsprojekt ein Gruß- und Unterstüt-zungswort. „12 Jahre - 12 Schick-sale“ liegt in der Villa Merländer aus und kann bei Veranstaltungen und während der Öffnungszeiten (auch Mittwoch vormittags) mitgenommen werden. Sie kostet nichts, Spenden sind aber willkommen.

Arbeitskreis NS-Gedenkstätten NRW (Hg.), Autoren: Kirsten John-Stucke, Michael Krenzer: „12 Jahre - 12 Schicksale“. Fallbeispiele zur NS-Opfergruppe Jehovas Zeugen in Nor-drhein-Westfalen, Johannes Wrobel Verlag: 2006

Merländer-Brief15/2007

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VEREINSNACHRICHTEN

Das Büro derNS-Dokumentationsstelle

im Stadtarchiv ist normalerweise montags bis donnerstags von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr zu errei-chen. Burkhard Ostrowski - Tel.: 86-2703.

Dr. Ingrid Schupetta ist dienstags regelmäßig in der Villa und dort auch über die Nummer des Anruf-beantworters zu erreichen: Tel.: 02151-50 35 53

Nachrichten können im Büro des Stadtarchivs hinterlassen werden (Claudia Blömer - Tel.: 86-2701), allerdings ist diese Stelle nur vor-mittags besetzt. Ansonsten bitte das FAX 86-2710 oder die Mail-Verbindung [email protected] nutzen oder eben den Anrufbeant-worter in der Villa Merländer Tel.: 50 35 53.

Verfolgung der Zeugen Jehovas - Broschüre in der Villa Merländer erhältlich

Internetauftritt des Villa Merländer e.V.

In seiner letzten Sitzung folgte der Vorstand der Anregung, den Inter-netauftritt des Vereins im Rahmen eines Schülerprojekt am Berufskolleg neu gestalten und aktuell pflegen zu lassen. Dies sei eine beispielhafte Möglichkeit, Schüler mit dem Thema Erinnerungsarbeit und deren aktuel-ler Bedeutung zu befassen. Der Vorstand dankte Georg Lüdecke für seine langjährige Betreuung des Internetauftritts.

Historische Hinweistafel vor der Villa Merländer

Der Vorstand der Bürgergemein-schaft Bismarckviertel – in ihrem Vertretungsbereich liegen Friedrich-Ebertstraße und Villa Merländer – hat in seiner Januarsitzung sein Bedau-ern geäußert, dass es wegen fehlen-der Zustimmung der Hausbesitzerin nicht zur Verlegung eines Stolper-

steins für Richard Merländer vor der Villa Merländer gekommen sei. Das Bismarckviertel sei über Jahrzehnte das Zuhause überproportional vieler jüdischer Krefelder gewesen. Daran erinnere heute vor allem die Villa Merländer. Die Bürgergemeinschaft strebe an, in Absprache mit der Stadt eine Tafel mit historischen Angaben zu Geschichte und Bedeutung der Villa aufzustellen.

Neuer Werbefolder für Villa Merländer e.V.

Seit Ende des letzten Jahres ist ein neuer Werbebrief für den Förderver-ein verfügbar. Er enthält ein gemein-sames Anschreiben der Vorsitzenden Mechthild Staudenmaier und des Kuratoriumsvorsitzenden Wolfgang Radau, ein Antragsformular und einen Merkzettel für die Akten des Antragstellers. Exemplare sind im Büro der NS-Dokumentationsstelle erhältlich.

Literarische Veranstaltungen gut besucht

Die im letzten Jahr in der Villa von NS-Dok und Förderverein getrage-nen literarisch-musikalischen Veran-staltungen - zu Benn, Brecht, Lasker-Schüler, Fanny Mendelssohn und Tucholsky - waren durchgängig gut besucht und fanden großen Anklang.Es wird empfohlen, sich künftig gegebenenfalls Plätze reservieren zu lassen.Der Vorstand hat noch im Septem-ber beschlossen, im Interesse einer weiteren Attraktivierung des Vereins häufiger literarische Abende mit spe-zieller Einladung für Mitglieder zu veranstalten.

Druck des Merländer-Briefes

Auch in diesem Jahr wird der Druck des Merländer-Briefes durch eine Spende der SWK Stadtwerke Krefeld AG ermöglicht. Der Vorstand dankt auch auf diesem Wege.

Merländer-Brief12/2005

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NACHRICHTEN

Arbeitskreis der Gedenkstätten NRW traf sich in KrefeldIm Oktober traf sich der Arbeitskreis der Gedenkstätten NRW in der Villa Merländer. In den letzten Jahren waren einige Neumitglieder in den Arbeitskreis aufgenommen worden, so dass die Krefelder Gedenkstätte für viele noch unbekannt war. Der Nachmittag begann mit einer Vorstandssit-zung unter Leitung des Vorsit-zenden Prof. Alfons Kenkmann (Münster und Leipzig). Bei der Mitgliederversammlung ging es neben den üblichen Formalia hauptsächlich um das gemeinsame Projekt mehrerer Gedenkstätten, ein Gedenk-buch an die Deportationen aus dem Rheinland nach Lodz. Aus den Vorarbeiten - vor allem der Düsseldorfer und der Kölner - soll eine Ausstel-lung entstehen, die auch für Krefeld interessant wäre: 50 jüdische Krefelderinnen und Krefelder wurden 1941 in das Ghetto Litzmannstadt depor-tiert. Einiges über ihr Schicksal ist erst im Zusammenhang mit den neuen Recherchen in Erfahrung gebracht worden. Inzwischen gibt es Angaben zu jedem Einzelnen. Dr. Ingrid Schupetta gab einen Bericht über ihre Teilnahme an dem Gedenkstättenseminar in Lodz, einer gemeinsamen Ver-anstaltung der Berliner Topo-grafie des Terrors und der Stadt Lodz. Als Besonderheit hob sie hervor, dass die Gebäude des ehemaligen Ghettogeländes überwiegend erhalten geblie-ben sind. Die Fischstraße 15 im damaligen Litzmannstadt, die auf den Krefelder Kar-teikarten als neue Anschrift der Deportierten auftaucht, ist heute ein unauffälliges Wohnhaus mit vielen Miet-parteien.

Mit einer Gesamtschule, die seit einiger Zeit nach Kurt Tucholsky (1890-1935) benannt ist, steht die Stadt Krefeld in besonderer Ver-bindung zu dem Vermächtnis des bekannten Schriftstellers. Doch dies war nur einer der Gründe, warum sich nun auch der Villa Merländer e.V. Tucholsky widmete. Schließlich ist daran zu erinnern, dass Tucholsky den Nationalsozi-alisten nicht nur als Jude, sondern auch als Pazifist durch Erfahrung und kritischer Publizist ein Dorn im Auge war.

Zur Erinnerungsarbeit lud der Förderverein das Zimmerthea-ter Berlin-Karlshorst mit seiner Tucholsky-Revue „Das Leben ist gar nicht so - es ist ganz anders“ ein. In dem übervollem Wohnraum Richard Merländers präsentierten Wolfgang und Marlies Helfritsch, begleitet von dem Pianisten Thomas Lazarek, ein Programm mit einer Auswahl von Original-texten, Chansons und kleineren Szenen. Im ersten Teil wurde vor allem der Kurt Tucholsky vorge-stellt, der sich auch mit den kleine-ren Freuden und Widrigkeiten des alltäglichen Lebens beschäftigte. Im zweiten Teil wurde es deutlich politischer.

Dass das Programm Begeisterung auslöste, mag dem besonderen Engagement der Darsteller zu schulden sein. Die Vortragenden des Zimmertheaters sind sämtlich Mitglieder der Tucholsky-Gesell-schaft (http://www.tucholsky-gesell-schaft.de). Dr. Helfritsch ist deren derzeitiger Vorsitzender.

Kurt Tucholsky, Sohn jüdischer Eltern, Berliner, Jurist, wurde durch seine Erfahrungen im Ersten Welt-krieg erklärter Kriegsgegner. In den 1920er-Jahren gehörte er u.a. als Autor der legendären „Weltbühne“ zu den besonders aufmüpfigen und scharfzüngigen Publizisten seiner Zeit. Popularität erlangte er durch seine Romane „Rheinsberg - ein Bilderbuch für Verliebte“ und „Schloß Gripsholm“. Das Publikum kannte ihn aber auch als Verfasser einfühlsamer bis frecher Lieder-texte. Den Lebensmut verlor Kurt Tucholsky nach der nationalsozia-listischen Machtübernahme, gegen die er sich mit seiner ganzen Kraft gestemmt hatte. Seine Texte wurden schon bei der ersten Bücherverbrennung in Berlin ins Feuer geworfen. Tucholsky ging nach Schweden ins Exil, fand dort aber weder eine politische noch eine persönliche Perspektive.

Tucholsky-Revue in der Villa Merländer

Ehemaliger Militärflughafen Venloer HeideAuf dem Gelände des ehemaligen Militärflughafens Venloer Heide (siehe Merlän-der-Rundbrief 11) tut sich was. Der Förderverein Ehemaliger Fliegerhorst Venlo hat inzwischen in einer Militärbaracke eine kleine Ausstellung zusammengestellt und bietet regelmäßig Führungen über das Gelände an. Der grenzüberschreitenden Initiative ist es zu verdanken, dass zumindest eine der Flughallenruinen als Denkmal geschützt wurde - getreu dem Vereinsziel „Wir wollen die historischen Bau- und Bodendenkmäler in unserem Grenzgebiet schützen und bewahren. Sie sollen als ein „Mahnmal der Stille“ die Erinnerung an Kriegsleiden und die Luftfahrtgeschichte wach halten.“ Und noch erstaun-licher, mit europäischen Finanzmitteln wird auf der deutsch-niederländischen Grenze ein begehbares Mahnmal entstehen. Aktuelle Informationen und Termine unter http://www.fliegerhorst-venlo.net

Merländer-Brief15/2007

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Heinrich Campendonk zum 50. Todestag

CAMPENDONK

Am 3. Mai 1957 starb Heinrich Campendonk in Amsterdam. Damit endete ein Lebensweg, den man einem 1889 in Krefeld geborenen Kaufmannssohn kaum vorhergesagt hätte. Wesentliche Impulse erhielt der junge Cam-pendonk durch die Ausbildung an der Krefelder „Handwerker- und Kunstgewerbeschule“, und vor-nehmlich von seinem dortigen Mentor Johan Thorn Prikker. Nach einer Zeit der Suche und Entbeh-rung übersiedelte Campendonk 1911 nach Bayern (Sindelsheim), in die Nähe seiner Künstlerfreunde aus der Gruppe „Der blaue Reiter“. Es begann seine vielleicht wichtigste Schaffensphase. Campendonk erprobt und erarbei-tet eine große Vielfalt an Techni-ken und Themen. So entsteht eine Reihe besonderer Federzeichnun-gen. Sie zeigen eine Leichtigkeit, die sich sonst in seinem Werk nicht wiederfindet. In den 1920-Jahren kehrte Cam-pendonk in seine Heimatstadt Kre-feld zurück. In dieser Zeit schuf er u.a. die Wandgemälde in der Villa Merländer. 1926 erhielt er eine Professur für Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik und Gobe-linweberei an der Kunstakademie in Düsseldorf. Diese Stelle verlor er nach 1933 - seine Kunst galt den Nationalsozialisten als „ent-artet“. Campendonk ging nach Belgien, dann in die Niederlande ins Exil. 1935 wurde er Professor für “monumentale und dekorative Künste“ an der Reichsakademie Amsterdam – und blieb es bis zu seiner Pensionierung 1955. Nach dem Krieg erwog Heinrich Campendonk eine Rückkehr nach Deutschland. Insbesondere der Krefelder Museumsleiter Paul Wember setzte sich für eine erneute Berufung nach Düsseldorf ein. Bürokratische Hürden ließen diese Pläne scheitern. 1951 wurde er niederländischer Staatsbürger.

Wir freuen uns, hier eine Bildbetrach-tung von Johan Schwarz, dem Vor-sitzenden der jüdischen Gemeinde in Krefeld, zu Campendonks Gemälde „Hirte mit Auszeichnung“ wiederge-ben zu können. Johann Schwarz trug diese Betrachtung auf Einladung der Freunde und Förderer der Kunstmu-seen am 10. Januar 2007 im KWM vor.

Heinrich Campendonks 1920 ent-standenes Bild gehört zu den Bil-dern, die eine Geschichte erzählen. Als Kind von den Eltern in Museen mitgenommen habe ich mich – wie wohl jedes andere Kind – gelang-weilt. Mein Vater hat mich im Reichs-museum in Amsterdam an die Hand genommen und vor Rembrandts „Nachtwache“ gestellt. Dann erzählte er mir zu den Figuren in den unter-schiedlichen Abschnitten des riesi-gen Bildes Geschichten. Er wusste genau, wo die Wachleute herkamen, was sie gerne taten, aus welchen Familien sie stammten und wie viele Kinder sie hatten. So hat er mit dem Erzählen von Geschichten meine Neugier geweckt. Campendonk erzählt in diesem Bild eine span-nende Geschichte, die mich fasziniert und der ich nachgehen möchte.

Heinrich Campendonk, 1889 in Krefeld geboren, ist 1957 in Ams-terdam gestorben. Er gehörte der Gruppe der Blauen Reiter an. Im Dritten Reich galt seine Kunst als entartet. Er hatte das Glück, 1937 nach Amsterdam zu gelangen, wo er als Hochschullehrer bis zu seinem Tode verblieb. Heute ist sein Werk in vielen Museen vertreten. So können Sie seine Bilder in den Vereinigten Staaten zum Beispiel in New York in der MOMA oder auch in Cleveland sehen. Er gilt als Expressionist.

Das Bild „Hirte mit Auszeichnung“ ist 1920 entstanden, also zwei Jahre nach dem ersten Weltkrieg. Gemein-hin gehen die Kunsthistoriker davon

aus, dass Campendonk ein unpo-litischer Mensch war, der in seinen Bildern keine politischen Sachver-halte zum Ausdruck bringen wollte. Allerdings wird der „Hirte mit Aus-zeichnung“ als eine Ausnahme ange-sehen. Fast im Mittelpunkt des Bildes steht eine Kriegsauszeichnung, die der Hirte an seine Brust geheftet hat. Deutlich kann man auch die Farben der Tricolore erkennen. Der Bezug zum ersten Weltkrieg und zum „Erb-feind“ Frankreich ist hergestellt. Da die Tricolore an ein Joch gehängt ist, könnte man auch daran denken, dass der Künstler an das Joch von Versailles dachte.

Wer ist dieser Mann, den Campen-donk gemalt hat? Ist er von einfacher Herkunft oder stammt er aus gutem Hause? Einen Verdienstorden, wie er ihn trägt, haben im ersten Welt-krieg überwiegend Offiziere erhalten. Deshalb könnte man dazu neigen anzunehmen, dass er vor dem Krieg durchaus in einem angesehenem Beruf tätig war. Er kann Arzt oder Anwalt gewesen sein, Architekt oder Lehrer. Was hat ihn nun dazu gebracht, nach dem Weltkrieg Kühe zu hüten? Dazu muss man sich die Frage stellen, was er im Krieg erlebt hat. Betrachtet man sein Gesicht, so kann man deutlich eine schwere Gesichtsverletzung erkennen. Sie scheint durch eine Platte abgedeckt zu sein. Dieser Mann hat einen Teil seines Gesichtes eingebüßt und sich vielleicht schon aus diesem Grunde von der Welt zurückgezogen. Auch sein Fuß – blutrot – scheint eine schwere Verletzung zu tragen. Was hat dieser Mann im ersten Weltkrieg erlebt? Aus zahlreichen Beschreibungen wissen wir, dass der erste Weltkrieg mit seinem Kampf Mann gegen Mann an Grausamkei-ten kaum zu überbieten war. Diejenigen, die an der Front in vor-derer Reihe kämpften, erlebten Ver-stümmelte, Blut, Eiter, hörten in den Lazaretten die Schreie derjenigen,

Hirte mit Auszeichnung eine Bildbetrachtung von Johan Schwarz

Merländer-Brief15/2007

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CAMPENDONK

denen Glie-der amputiert werden muss-ten. Von solchen Grausamkeiten bleibt man nicht ungezeichnet.

Dieser Mann hatte Erlebnisse, über die er nicht mehr spricht, die er nicht mehr verbalisiert, aber die in ihm sind und die ihn innerlich zerstört haben. Sucht er nun den Frie-den, sucht er die Ruhe, die Ein-samkeit, hofft er auf diese Weise vergessen zu können? Mög-licherweise hat er sich deshalb von den Menschen abgewandt und sich zu den Tieren zurückgezogen.Die ihn fast zärtlich leckende Kuh tröstet einen Untröstlichen. Warum hat der Maler die Zunge und das Maul der Kuh in den fast durchsichti-gen Körper des Hirten hinein gemalt? Soll dadurch gezeigt werden, dass er mit der Natur vollkommen verwo-ben ist? Campendonk hat das Bild in einer Zeit gemalt, in der er selbst in völliger Abgeschiedenheit am Starn-berger See (1916 bis 1922) gelebt hat. Kurz wandte er sich in dieser Zeit ultralinken politischen Gedanken zu, die er alsbald aber wieder fallen ließ. Es war für ihn keine glückliche Zeit, so dass der Pessimismus, der aus diesem Bild spricht, seiner See-lenlage entsprochen haben dürfte.

Wie ist nun diese völlige Verwo-benheit des Hirten mit der Natur zu erklären? Dachte der Künstler an Figuren der griechischen Mythologie, wie Daphne, eine Tochter des Fluss-gottes Peneios? Der Gott Apollon hat sich durch einen Liebespfeil des Lie-besgottes Eros getroffen unsterblich in Daphne verliebt. Diese, von einem genau das Gegenteil bewirkenden Pfeil Eros´ getroffen, wurde für jede

Liebschaft unempfänglich. Als Apol-lon Daphne nachstellt, flieht sie zu

ihrem Vater. Schließlich bedrängt der Gott sie so stark, dass sie zu einem Baum flüchtet, um vor ihm Zuflucht zu suchen. Apollon findet Daphne jedoch und verwandelt sie in einen Lorbeerbaum. Sie ist erlöst durch das völlige Aufgehen in der Natur. Nicht unähnliche Gedanken hegten die Romantiker des 19. Jahrhun-derts. Der radikale Rückzug aus dem „Weltgewimmel“ in die Abgeschie-denheit ist ein Lebensmodell, das viele Romantiker propagiert haben. Friedrich Rückert (1788 – 1866) hat diese Weltabgewandheit jahre-lang als Privatgelehrter produktiv gemacht, ein polygotter Solitär, den kaum jemand aus seiner Verbor-genheit hervorlocken konnte. Sein 1821 geschriebenes Gedicht „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ war für viele Künstler über mehr als ein Jahrhundert Leitsymbolik. 1901 hat Gustav Mahler eins seiner inten-sivsten Lieder auf Rückerts Gedicht komponiert, eine spätromantische Tondichtung von artistischer Einfach-heit. 1922 schließlich identifiziert sich Thomas Manns „Zauberberg“- Held Hans Castorp mit Rückerts Gedicht und bilanziert: „So steht es mit mir.“

Veranstaltungen Campendonks 100. Geburtstag 1989 wurde in Krefeld mit einer großen Werkschau gewürdigt. Aus Anlass seines 50. Todes-tages in diesem Jahr wird es ebenfalls ein interessantes, wenn auch bescheideneres Pro-gramm geben. Es wird getragen vom Kaiser-Wilhelm- Museum, von der VHS und von der Villa Merländer. Das KWM wird aus seinen Beständen eine Sonder-präsentation mit Gemälden, Holz-schnitten und weiteren grafischen Blättern Campendonks zusam-menstellen. Diese Arbeiten werden zusam-men mit Werken von Zeitge-nossen wie Archipenko, Heckel, Hofer, Kandinsky, Mondrian u.a. zu sehen sein.Eröffnet wird die Präsentation am 9. Mai im Rahmen eines Fest- und Vor-tragsabends, der in Kooperation mit dem NS-Dokumentations-zentrum der Stadt Krefeld (Villa Merländer) realisiert wird.(Einzelheiten werden der Presse zu entnehmen sein.) Fortsetzung auf Seite 6

Merländer-Brief15/2007

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Die Farben des Bildes sind düster. Sie müssen nicht Ausdruck von etwas Bedrohlichem sein, hier kann der Künstler seine niederrheini-sche Heimat gemalt haben, die von November bis April oft in dieser eigen-tümlichen Dunkelheit liegt. Das Bild ruht in sich, eine Friedlichkeit geht von ihm aus, die beruhigt. Mensch, Fauna und Flora sind eins. Obwohl die Grundstruktur düster ist, hellt das Gemälde durch die wenigen bunten Farben (Kappe, Band, helle Kleidung) soweit auf, dass man letztlich doch etwas optimistischer in die Zukunft blicken kann. Wird unser Held wieder zu sich finden, wird er sein Eremiten-leben beenden? Oder traut er sich möglicherweise wegen der Entstel-lung seines Gesichts nicht mehr unter Menschen? Warum trägt er eigentlich die Auszeichnung? Man dürfte dazu neigen anzunehmen, dass dies nur ein Hinweis auf die zeitliche oder poli-tische Einordnung des Bildes ist.

Hoffnung, ohne die wir Menschen nicht leben können, schließt das Bild nicht aus. Wenn man die beiden zarten grünen Streifen am unteren

Rande des Bildes betrachtet, darf man von einem Hoffnungsschimmer ausgehen. Grüne Farbe bedeutet für uns Menschen die immer wieder-kehrende Entstehung der Natur, wir warten Jahr für Jahr sehsüchtig auf das Keimen der Natur. Die beiden zarten Keime am unteren Rand des Bildes deuten auf den Frühling hin.

Ich will nicht von einem guten Ende unserer Geschichte sprechen, aus-schließen will Campendonk dies aber wohl nicht. Wenn Sie Faust II gele-sen, Mozarts 40. Symphonie in g-moll gehört haben, schauen oder hören Sie in Abgründe, in Geheimnisse, die nicht oder nie lösbar sind. Das menschliche Hirn hat eine einmalige Eigenschaft. Es kann unsere Gedan-ken in sich behalten, ohne dass wir sie offenbaren müssen. Dies spiegelt sich auch in jedem bedeutenden Kunstwerk wider. Künstler versuchen ihre und unsere Gedanken nach außen zu spiegeln, ein Stück dieser Gedanken bleibt aber weiter verbor-gen.Lassen wir dem Künstler, lassen wir dem Bild sein letztes Geheimnis.

BERICHTE

Fortsetzung von Seite 5„Hirte mit Auszeichnung“

„Aus Briefen derFamilie Mendelssohn,

„Vergiß nicht Deine Tante…“

Auf Einladung des Villa Mer-länder e.V. hielt Prof. Ute Büchter-Römer im Septem-ber 2006 einen Vortrag über die Familie Mendelssohn. Die Musikwissenschaftlerin und Germanistin hat sich über Jahre hinweg inten-siv mit Fanny Hensel geb. Mendelssohn auseinander-gesetzt, der bedeutensten deutschen Komponistin des 19. Jahrhunderts.

In den Mendelssohn-Stu-dien - Beiträge zur neueren deutschen Kultur- und Wirt-schaftsgeschichte - veröf-fentlichte sie einen Aufsatz mit dem Titel „ Vergiß nicht Deine Tante…- Aus den Briefen Rebecka Dirichlets an ihren Neffen Sebastian Hensel“; Rebecka Dirichlets, geb. Mendelssohn, war eine Schwester von Felix Men-delssohn und Fanny Hensel, geb. Mendelssohn. In dem Briefwechsel wird die politische und gesell-schaftliche Situation um 1848 deutlich. Zu den eher privaten Seiten gehört die liebevolle Hinwendung innerhalb der Familie, was auch beinhaltet, dass der Neffe zur eigenen Disziplin und Verantwortung angehal-ten wird. Der Vortrag wurde mit Klangbeispielen aus dem Zyklus „Das Jahr“ in der sehr empfehlenswerten Einspielung von Béatrice Rauchs (Bayer Records 100 250) abgerundet.

Dieter Reckers, Germanist, Schauspieler und Rezitator, stellte an einem Sonntag im November eine weniger bekannte Seite Bertold Brechts (1898-1956) vor, seine Lyrik.

Wer mehr als den Gassen-hauer „Und der Haifisch, der hat Zähne...“ mitsingen kann, weiß vielleicht noch von dem Stücke-schreiber und Theatermacher Berthold Brecht, oder hat ihn als Agitator im Kopf. Dabei hinterließ Brecht zahlrei-che Gedichte, die so gar nichts mit vordergründiger Agitprop zu

tun haben. Seine Themen rühren an das Menschlich / Sehr-Menschliche, aber auch außerordentlich zarte Naturbeschreibungen flossen aus einer Feder. Aber auch dann noch sind die Texte nicht unpoli-tisch, zeigen vielmehr „die wech-selseitige Durchdringung von Privatem und Öffentlichem“.

Dieter Reckers war es jedenfalls eine Freude, in der Villa Merlän-der einen Lyriker zu präsentieren, der mit klarer Sprache Bilder zu erzeugen wusste, wie es nur die großen Dichter können.

„Lyrik am Nachmittag -

Der große Bert Brecht

Merländer-Brief15/2007

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Im Rahmen der Jüdischen Kul-turtage wird am Donnerstag, dem 8. März 2007 um 19.30 Uhr in der Villa Merländer der Lyriker Wolf-gang Reinke Werk und Leben der jüdischen Dichterin Gertrud Kolmar (1894 - 1943) vorstellen.

Gertrud Kolmar verfasste vorwiegend in den 1920er und 1930er Jahren Gedichte und Prosastücke. Ihre Arbeiten fanden unter Zeitgenossen wie Walter Benjamin, Elisabeth Lang-gässer und Nelly Sachs Anerkennung und Förderung. Ihr letzter, frisch gedruckter Gedichtband wurde aller-dings nach dem Novemberpogrom 1938 wieder eingestampft - die Jüdin Gertrud Kolmar durfte in Deutsch-land nicht mehr veröffentlichen. Ihre späten Texte entstanden unter dem Druck von Zwangsarbeit und drohen-der Deportation. Sie blieben teilweise leider nicht erhalten. Gertrud Kolmar wurde im Rahmen der „Fabrikaktion“ erfasst und Anfang März 1943 in Auschwitz ermordet.

Heute steht Gertrud Kolmar oft im Schatten von Else Lasker-Schüler - zu Unrecht, wie Wolfgang Reinke meint. So wird er das Werk Gertrud Kolmars nicht nur in den zeitge-schichtlichen Zusammenhang stel-len, sondern vor allem anhand einer Auswahl ihrer Gedichte deren hohen literarischen Rang im Vortrag doku-mentieren. Das Publikum in der Villa Merländer soll sich ein eigenes Bild machen können. Wolfgang Reinke, Mitglied im Ver-band deutscher Schriftsteller, lebt in Düsseldorf. Im Grupello Verlag (www.grupello.de) erschienen seine Gedichtbände „Paßwort“ und „Einla-dung zum Monolog“. 2005 wurde er mit dem Arbeitsstipendium für Schrift-steller des Landes NRW ausgezeich-net. Gemeinsam mit dem Dichter und Übersetzer Alexander Nitzberg kon-zipierte er die Reihe „Elfenbeinturm - Dichter lesen Dichter“, deren Ziel es ist, unbekannte oder vergessene Seiten der Lyrik wiederzuentdecken (www.nitzberg.de).

VERANSTALTUNGEN

Jüdische Geschichte -im Fernsehen - und in der Villa MerländerARD und Arte zeigen im März eine mehrteilige Dokumentation über das Judentum. Die Juden - Geschichte eines Volkes ist nach Angaben der Sender eine Expe-dition in die über 3000-jährige Geschichte einer der ältesten Weltreligionen - von der Antike bis zur Gegenwart.

Für die Produktion wurden Spielszenen in Marokko, Tsche-chien und Deutschland gedreht. Mit ihrer Hilfe sollen wichtige historische Ereignisse sowie der jüdische Alltag illustriert werden. Computeranimationen und Modellbauten erwecken antike Gebäude wie den Tempel Salo-mos und Städte wie Jerusalem oder Babylon zu neuem Leben. An dem Projekt sind WDR, BR, NDR, RBB, SWR sowie Arte beteiligt. Die Dokumentation läuft bei dem deutsch-französischen Kultursender Arte in fünf Folgen am 6. und 7. März jeweils ab 20.40 Uhr und im Ersten in sechs Folgen ab 11. März sonntags jeweils um 17.30 Uhr. Der Düsseldorfer Grupello-Verlag (www.grupello.de) veröffentlicht das Buch zur Serie. Es ist nicht nur zum Nachlesen geeignet, sondern enthält zusätzliches Material. Der Autor Dr. Ulrich Harbecke wird die Neuerschei-nung am Donnerstag, dem 19. April um 19.30 Uhr in der Villa Merländer vorstellen und sich den Fragen engagierter Zuschauer und Leserinnen stel-len.

Dr. Ulrich Harbecke (Jg. 1943) studierte Theaterwissenschaft, Musik und Kunstgeschichte in Köln und Wien. 1988 wurde er Programmgruppenleiter Kultur/ Fernsehen beim WDR. Heute lebt er als freier Autor in Erftstadt.

Jüdischen Kulturtage – 8.März 2007

Gertrud Kolmar - Werk und Leben

„Genie und Barbar“Gunnar Decker sprach über Gottfried Benn

Die letzte Villa-Merländer-Veranstaltung im vergangenen Jahr war dem Dichter Gottfried Benn (1886-1956) gewidmet. Der Philosoph und Publizist Decker las aus seiner neuen - gerade im 50. Todesjahr Benns – veröffent-lichten und mit großer Resonanz aufgenommenen Biographie unter dem Titel „Gottfried Benn. Genie und Barbar“ Decker zeigte die Bedeutung der Herkunft Benns aus einem protestanti-schen Pfarrhaus, vor allem aber seiner Tätigkeit als Arzt. Benn hatte 1912 mit seiner ersten Veröffentlichung - der expressionistischen Gedichtsamm-lung „Morgue und andere Gedichte“, in der vor allem Eindrücke aus seiner Tätigkeit als pathologischer Assistenzarzt Niederschlag fanden - einen Skandal ausgelöst aber auch seinen frühen Ruhm begründet. Die zyni-schen Texte aus dem Leichenschauhaus schockierten die Zeitgenossen. Sie waren artistisch und illusionslos. Die Grundtöne bestimmten auch sein weiteres Werk. Nach Kriegsende wurde Benn zunächst wegen seiner anfänglichen Unterstützung des Nazi-Regimes angefeindet, fand aber dann ein neues , wachsendes Publikum. Mit der Verleihung des Büchner-preises 1951 fand seine Karriere ihren Höhepunkt. Sein Einfluß auf die deutschen Literatur, insbesondere die Lyrik,ist bis heute zu spüren. Dem anregenden und erhellenden Vortrag schloß sich eine lebhafte Dis-kussionsrunde an - im Mittelpunkt das Verhältnis Benns zu Nazionalsozia-lismus und Emigration.

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Sonntag, 25. Februar 2007, 14 bis 17 Uhr, Villa Merländer Sonntagsöffnungszeit mit Besichti-gungsmöglichkeit der Campendonk-Gemälde

Donnerstag, 8. März 2007, 19.30 Uhr, Villa Merländer* Wolfgang Reinke, Die jüdische Autorin Gertrud Kolmar - Werk und Leben, Vortrag im Rahmen der Jüdi-schen Kulturtage (siehe auch Extra-Flugblatt)

Sonntag, 11. März 2007, 15 Uhr, Friedhofseingang Haltestelle Hei-deckstraße Dr. Ingrid Schupetta, Rundgang über den Alten Jüdischen Friedhof im Rahmen der Jüdischen Kulturtage, Anmeldung unter 02151 862703 oder [email protected]

Donnerstag, 22. März 2007, 19.30 Uhr, Villa Merländer Frank Schmitter, Späte Ruhestörung. Ein Krefeld-Krimi, AutorenlesungVeranstalter Geschichtswerkstatt Krefeld e.V.

Sonntag, 25. März 2007, 14 bis 17 Uhr, Villa Merländer Sonntagsöffnungszeit mit Besichti-gungsmöglichkeit der Campendonk-Gemälde

Donnerstag, 19. April 2007, 19.30 Uhr, Villa Merländer Dr. Ulrich Harbecke, Die Juden - Geschichte eines Volkes, Buch-vorstellung und Gespräch über die Fernsehserie

Sonntag, 22. April 2007, 14 bis 17 Uhr, Villa Merländer Sonntagsöffnungszeit mit Besichti-gungsmöglichkeit der Campendonk-Gemälde

Mittwoch, 25. April 2007, 15 Uhr, Villa MerländerDr. Hans Hesse, Geschichts- und Ethikunterricht: NS-Täter und NS-Opfer - verschwommene Grenzen?

Lehrerfortbildung in Kooperation mit S.I.N.N., Anmeldung bei der Geschäftsstelle des Studieninstituts (studieninstitut @krefeld.de)

3. Mai 200750. Todestag Heinrich CAMPEN-DONKs - Programm bitte der Presse entnehmen

Sonntag, 13. Mai 2007, 11 bis 17 Uhr, Villa Merländer Sonntagsöffnungszeit mit Besichti-gungsmöglichkeit der Campendonk-Gemälde

Sonntag, 20. Mai 2007, 11 bis 17 Uhr, Villa Merländer Internationaler Museumstag „Museen und universelles Erbe“ - Programm bitte der Presse entnehmenSonntagsöffnungszeit mit Besichti-gungsmöglichkeit der Campendonk-Gemälde, Vortrag des Restaurators Horst Hahn

Dienstag, 5. Juni 2007, 19.30 Uhr, Villa Merländer, Alexander Nitzberg, Verschlungne Finsternis - Expressionistische Gedichte - anschließendab 20.30 Uhr, Villa Merländer, Jahreshauptversammlung des Villa Merländer e.V. Alexander Nitzberg, Übersetzer, Lyri-ker und Multitalent aus Düsseldorf, wird Gedichte aus der Zeit des deut-schen Expressionismus vorstellen. Die Auswahl umfasst Dichter wie Gottfried Benn und Georg Trakl, aber auch weniger geläufige Künstler wie Jakob von Hoddis oder Alfred Wol-fenstein - dessen Werk der Titel ent-lehnt wurde - kommen zu Gehör.

Montag, 11. Juni 2007, 20 Uhr Rau-cherfoyer Stadttheater, „Morgen ist heute gestern“ - Musika-lische Lesung zum Leben und Werk von Mascha Kaleko aus Anlass ihres 100. Geburtstages, Entwurf und Gestaltung: S. Rüthlisberger und B. Hoffmann (Schauspieler), Veranstal-tung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Koope-ration mit dem Stadttheater

Und schon vormerken:Montag, 20. August 2007, 15 Uhr, Villa MerländerProf. Dr. Wolfgang Dreßen, Neona-zismus in Schule und Freizeit - wie begegne ich den Tendenzen?Lehrerfortbildung in Kooperation mit S.I.N.N., Anmeldung bei der Geschäftsstelle des Studieninstituts (studieninstitut @krefeld.de)

ReservierungenDas Platzangebot in der Villa Mer-länder ist begrenzt. Wenn Sie also sicher gehen wollen, ist eine Platz-reservierung sinnvoll. Bitte Namen, Zahl der gewünschten Plätze und Telefonnummer für einen eventuellen Rückruf angeben: Villa Merländer, NS-Dokumentations-stelle der Stadt Krefeld, Friedrich-Ebert-Str. 42, 47799 Krefeld, Tel. 02151 503553 (Anrufbeantworter).

IMPRESSUMMerländer-Brief 15 2-2007Herausgeber: Vorstand des För-dervereins Villa Merländer e.V.

Redaktion:Richard Gericke Dr. Ingrid Schupetta (verantw.)Götz Waninger

Geschäftskonto des Villa Merlän-der e.V.: 34 38 06 bei der Spar-kasse Krefeld [320 500 00]Konto ausschließlich für Spenden: Nr. 34 82 50 bei der Sparkasse Krefeld [320 500 00]

Die Herstellung des Merländer-Briefes wird unterstützt von SWK STADTWERKE KREFELD

TERMINE - VERANSTALTUNGEN - TERMINE März - Juni 2007

TERMINE

Das VHS-Programm findet sich unter www.krefeld.de,

die Veranstaltungen der Gesell-schaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit auch unter

www.gcjz-krefeld.de.