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Mephisto 13 DAS BESTE FANTASY- UND ABENTEUERSPIELE-MAGAZIN ROLLENSPIELE Auf Hexenjagd geht‘s im zweiten Teil der Cthulhu Kampagne • DSA: Nachts, wenn der Schlitzer kommt • Ein Mysteriöser Dieb- stahl muß in Private Eye aufgeklärt werden! BRETTSPIELE Wir testen Spiele für ech- te Helden: Die Legenden von Andor, Descent 2 und Thunderstone Advance • Neues Grauen in Teil 2.7 unseres Arkham Horror Szenarien-Massakers Eine typische Straßen- ecke der ‘70er gibt es für Shadowrun • Im Fortgang unserer Degenesis Kampagne kommen die Spieler nach Nullpellia • Die Bahöstren sind Quasi- dämonen in Finsterland Tipps gibt es für‘s Rollen- spiel in der Steinzeit #56 • 5,95 € •April/Mai 2013 Schweiz 11,60 sFr • Österreich 6,60€ • Luxemburg 7,00 € 4 195103 605958 6 5 SPECIAL DER HOBBIT DER ERSTE FILM • EXPERTEN-INTERVIEWS • AUSBLICK • BüCHER • SPIELE BüCHER Der polarisierende Autor und Journalist Dietmar Dath im Gespräch über Politik, Naturwissenschaft und Zukunftsphantasien • Das 50 Jahre Projekt: Hiobs Spiel 3 im Review IM SPOTLIGHT TOBIAS MANNEWITZ * * * GAME OF THRONES EMMY AWARDS GEWINNER 2012

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Mephisto 13

Das beste Fantasy- unD abenteuerspiele-Magazin

rollenspieleAuf Hexenjagd geht‘s im zweiten Teil der Cthulhu Kampagne • Dsa: Nachts, wenn der Schlitzer kommt • Ein Mysteriöser Dieb-stahl muß in private eye aufgeklärt werden!

brettspieleWir testen spiele für ech-te Helden: Die Legenden von Andor, Descent 2 und Thunderstone Advance • Neues Grauen in Teil 2.7 unseres arkham Horror Szenarien-Massakers

Eine typische Straßen-ecke der ‘70er gibt es für shadowrun • Im Fortgang unserer Degenesis Kampagne kommen die Spieler nach Nullpellia • Die Bahöstren sind Quasi-dämonen in Finsterland • Tipps gibt es für‘s Rollen-spiel in der steinzeit

#56

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65

speCialDer HobbitDer erste FilM • experten-interviews • ausbliCk • büCHer • spiele

büCHerDer polarisierende Autor und Journalist Dietmar Dath im Gespräch über Politik, Naturwissenschaft und Zukunftsphantasien • Das 50 Jahre Projekt: Hiobs spiel 3 im Review

Im SpotlIght

tobIaS mannewItz

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game of throneSemmy awardS

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Mephisto 56 | �Editorial | �

ImpressumMephisto 56 März/April 2013 ISSN 0948-1095

VerlagMartin Ellermeier

An der Lehmkaute 30

64625 Bensheim

[email protected]

USt. Identnummer DE 200 795 556

Leitender RedakteurMartin Ellermeier (me)

RedaktionMax Link (ml), Dr. Björn Lippold (bl)

Mitarbeiter dieser AusgabeSimon Czaplok (sz), Dirk Johannes Dreessen, Heiko Eller, Torben Dag Föhrder,

J.R. Godwin, Christian Günther, Johannes Heim, Boris Koch (bk), Thorsten Lei-

mann (tl), Moritz Linden, Ingo Meuter (im), Walter Milani-Müller, Georg Pils,

Jakob Schmidt, Natascha Weiler, Christian Ziegler (cz)

Art DirectorKlaus Scherwinski

LayoutMartin Ellermeier, Marina Fahrenbach

Grafiken & FotosFlavio Bolla, Nele Klumpe, Stefanie Odendahl, Luisa Preißler, Kaspar Fried-

rich Schäper, Klaus Scherwinski, Elif Siebenpfeiffer, Peter Siedl, Florian Stitz,

Sarah Wisbar

UmschlagbildTobias Mannewitz: Feuergeist

VertriebPressegrosso und Bahnhofsbuchhandel

Fantasy-In, Hannover

Feder & Schwert, Mannheim

Heidelberger Spielerverlag, Elztal

Pegasus Spiele, Friedberg

Ulisses Medien & Spiel, Waldems Fischbach

DruckPrintPart e.K. • Thomas Stuber • Eisenbahnstraße 16 • 73630 Remshalden

CopyrightDie Nennung und Nutzung von Warenzeichen oder sonstigen Produktbezeich-

nungen stellt keine Verletzung des jeweiligen Urheberrechts dar; Die Rechte hier-

für liegen bei den jeweiligen Herstellern bzw. Inhabern der Rechte. Copyright ©

2013 der Originalbeiträge, des Mephisto-Logos sowie der Gesamtausgabe liegt

beim Verlag Martin Ellermeier. Alle Rechte vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung

und/oder Reproduktion auch auszugsweise bedarf des schriftlichen Einverständ-

nisses des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt

die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder, weder haften Redaktion noch

Verlag für die Inhalte. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos oder Illus-

trationen wird keine Gewähr übernommen.

AnzeigenEs gilt die Mediapreisliste #19 2013.

AbonnementMephisto: 4 Ausgaben 19,00 Euro inkl. Versand (EU-Ausland 27,00 Euro).

Tabletop Insider: 4 Ausgaben 16,00 Euro inkl. Versand (EU-Ausland 24,00 Euro).

Vorwort

Liebe Leser,willkommen zur neuesten Ausgabe von Mephisto, dem besten Fantasy- und Abenteuerspiele-Magazin.

Und wie könnte Fantasy besser vertreten sein als durch J.R.R. Tolkien? Kurz vor Weihnachten letzten Jahres war Der Hobbit: Eine unerwartete Reise das Kinoereignis nicht nur für Genrefans, sondern all jene, die sich seinerzeit schon von Der Herr der Ringe ha-ben nach Mittelerde entführen lassen. Doch wie ist Pe-ter Jackson die Umsetzung des Kinderbuches gelungen? Und was sagen die Experten zum ersten Teil der Verfil-mung? Auf diese Fragen gehen wir ausführlich in un-serem Titelthema ab Seite 26 ein – Der Hobbit: Eine unerwartete Verfilmung. Dazu präsentieren wir Ihnen die aktuellen Bücher und Spiele rund um das Medien-ereignis.

Doch damit nicht genug. Ganz eindeutig polarisie-rend ist Dietmar Dath, hochpolitischer Autor und be-kennender Neo-Marxist. Sein neuestes Buch, Pulsar­nacht, nahmen wir als Aufhänger für unser Interview mit dem sprachgewaltigen Freiburger ab Seite 22.

Einen Blick hinter die Kulissen des grafischen Schaffens gewährt uns Tobias Mannewitz, der als Con-cept Artist für die TV-Verfilmung von Game of Thrones im letzten Jahr mit dem Emmy Award ausgezeichnet wurde. Im Mephisto Spotlight ab Seite 78 erfahren Sie mehr über die Arbeit und den Menschen, der unser Heft in den Anfangstagen so wunderbar bereichert hat!

Abenteuerspieler kommen gleichfalls nicht zu kurz. Denn wir bieten jede Menge Abenteuer, Szenarien, Kampagnen und Spieletipps!

Dabei lernen Sie, wie man Die Steinzeit im Rollen­spiel umsetzt (Seite 70); klären Sie im Abenteuer Nachts, wenn der Schlitzer kommt für Das Schwarze Auge eine Mordserie auf (Seite 62); werden Sie kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert bei Private Eye zu Verdächtigen Eines mysteriösen Diebstahls (Seite 72); erwehren Sie sich in Arkham Horrors Szenarien­Mas­saker neuen cthuloiden Schrecken (Seite 38); geraten Sie in unserer Cthulhu-Kampagne mitten in eine He­xenjagd (Seite 42); erwehren Sie sich im Monster Al-manach für Finsterland den Bahöstren (Seite 68); fin-den Sie in Shadowruns naher Zukunft Unterschlupf im Mikrokosmos der Verwahrlosung (Seite 50); und werden Sie bei Degenesis in eine brutale Schlacht um Nullpellia hineingezogen (Seite 56)!

Und wenn auch das nicht reicht, finden Sie in unseren Reviews viele weitere Tipps für Ihre Phantasie!

Bis zum nächsten Mal, Ihr

Martin Ellermeierund das gesamte Mephisto-Team

A Game of Thrones

George R.R. Martins Das Lied von Eis und Feuer schwimmt nach wie vor hoch auf der medialen Welle. Die TV-Serie verzeichnet sensationelle

Einschaltquoten und ist das erfolgreichste Format, das HBO jemals produziert hat. Am 31. März startet in den Vereinigten Staaten die dritte Staffel – wie-der mit opulenten Bildern und aufwendigen Drehs. Und Drachen!

Einblicke in die Entstehung der Fernsehserie gibt Tobias Mannewitz in unserem Spotlight ab Seite 78.

Im Nachgang zu unserem Special in Mephisto 5� wollen wir es nicht versäumen, Sie über interessante Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu halten. So erscheinen im Frühjahr die deutschen Schnell-startregeln zum Rollenspiel Das Lied von Eis und Feuer beim Mantikore-Verlag. Jetzt können Sie selbst in das gefährliche Spiel der Throne eingreifen.

Bei Panini Comics kann man die Vorge-schichte von George R.R. Martins Saga in Comic-form nachlesen. Im Fe-bruar ist der erste Band von Der Heckenritter erschienen, das auf der gleichnamigen Kurz-geschichte des Autoren beruht. Die Alben gibt es wahlweise als Soft- oder Hardcover; Band Zwei erscheint Mitte April.

Seit Anfang März gibt es bei Random House Audio die ungekürzte Le-sung von Band 6 der Rei-he auf vier mp3-CDs, Die Königin der Drachen, mit über 27 Stunden Hörver-gnügen. n

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� | Mephisto 56

Kolumne

WortgemetzelW

arum tust du mir das an?« Ewald erwartete mich am Frühstückstisch. »Schon wieder!« Er klang, als wären wir verheiratet und ich fremd-

gegangen, es fehlte tatsächlich nur, dass er Teller an die Wand warf und schrie: Wer ist es? Jemand, der jünger ist? Gar noch am Leben? Aber das tat er nicht.

»Was?« fragte ich also ruhig.»Hunger!« blaffte er, und in dem einen Wort

schwangen alle Vorwürfe der Welt mit.»Was hab ich damit zu tun?«»Was du damit…?« Ewald schnappte nach Luft.

»Fleisch… Fleisch…«»Vergiss es«, würgte ich ihn ab. »Ich geh jetzt nicht

extra zum Metzger. Iss Marmelade.«»Nein!« Stinksauer stierte er mich an und japste.

»Fleischspenden! Du… deine…«»Jetzt mach aber mal halblang!« Unwillkürlich trat

ich einen Schritt zurück. So war er mir noch nie ge-kommen. »Du kriegst nichts von mir, nicht das gering-ste Häppchen!«

»Was? Nein! Igitt! Das Buch! Deine Geschichte!« Er deutete auf ein Päckchen mit Belegexemplaren, das endlich gekommen war. Die Anthologie Hunger mit meiner Story Fleischspenden.

»Wow, zeig her.«»Warum machst du bei sowas mit?«»Bei was?«»Bei so einer… einer… Hetzschrift gegen uns Tote!«»Hetzschrift?« Ich starrte vom Cover zu ihm und

wieder zum Cover. Nett sah der dort abgebildete Zombie wirklich nicht aus, dazu das an Blut erinnernde Rot. Aber… »Nein, nein, das ist nur Fiktion. Phantastik. Das nimmt keiner Ernst.«

»Das sagst du nur, weil du nicht betroffen bist!«»Meinereiner wird darin gefressen!« protestierte

ich, ohne das Buch gelesen zu haben. Aber es war eine Zombieanthologie, irgendwo würden Menschen gefres-sen werden. »Und in meiner Geschichte sind die Men-schen nicht nett.«

»Und die Zombies hirnlos! Sie werden in Lager ge-sperrt oder an Ketten gelegt, in Einzelfällen mit ein-deutig sexueller Intention!« Ewald schnaubte vor Wut. »Soll das ein Vorschlag sein, wie die Gesellschaft mit uns umgehen sollte?«

»Äh, nein, das ist doch nur…«»Sag nicht Phantastik!«»Eine Dystopie?« sagte ich vorsichtig.»Das ist eine Untergattung der Phantastik!«»Oder vom Liebesroman«, versuchte ich zu scherzen.»Auch Phantastik!« brüllte Ewald. »Traummänner!

Traumfrauen! Aber Alptraumzombies! Pathos und Pro-paganda!«

Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn von dem Film wieder runterholen sollte, den er fuhr, wie ihm den Wind aus den Segeln nehmen. Also versuchte ich es, indem ich einfach ignorierte, was er sagte, und fragte: »Ich hab gehört, die suchen noch ein Model für eine große

Werbekampagne. Magst du dich da nicht bewerben?«»Ich! Für die?«»Wie viele einigermaßen attraktive Zombies kennst

du noch?«»Was?« Ihm blieb der Mund offen stehen. »Aber…?«»Ich weiß ja, was du denkst. Aber sollte man nicht

aus allem das Beste machen? Das Buch existiert, da-ran kannst du nichts ändern. Aber vielleicht kannst du noch etwas Geld für dich rausholen?«

»Aber ich hasse das Buch!«»Ja und? Meinst du, dass die ganzen Promis, die Wer-

bung für billigen Fraß machen, nicht lieber etwas Gutes essen? Oder dass sie wirklich schlecht vernäh-te Klamotten aus mäßigem Stoff von irgendeiner Ket-te tragen?«

»Aber…«»Kein Aber. Heutzutage ist Werbung alles. Egal ob

Sportler, Künstler, Schauspieler, wer ein Star sein will, macht Werbung«, übertrieb ich. »Man macht seinen Sport, die Schauspielerei und das alles sowieso nur, um sich einen hohen Marktwert zu erarbeiten. Und dann kommt die Werbung. Wenig Aufwand, viel Geld.«

»Aber… du verkaufst deinen Namen.« Er wirkte entsetzt.

»Alles halb so wild.« Ich lächelte und dachte, so musste sich der Teufel in einem Märchen fühlen. »Die Werbespots werden mit Humor inszeniert. Das ist dann Selbstironie, alle freuen sich, und niemand erwartet, dass irgendwer das wirklich Ernst nimmt. Jeder halbe Star macht Werbung. Warum nicht du?«

»Weil… Ich… Okay, aber doch nicht dafür!«»Wofür denn sonst? Gesichtscreme? Shampoo?« Mit-

leidig sah ich auf seine ausgetrocknete, tote Haut und die spärlichen, strohigen Haare. »Oder für ein Auto? Der Sicherste seiner Klasse? Sorry, aber bei deinem An-blick denkt man einfach sofort an Unfall.«

»Muss ich wirklich Werbung machen?« Einge-schüchtert sah er mich an. Endlich hatte ich ihn so weit zugetextet, dass er verwirrt war und seine Anschul-digungen vergessen hatte.

»Natürlich. Jeder Star macht Werbung.« Ich lächel-te schmeichlerisch. »Und du kannst Hunger ja sogar als herzlose Hetzschrift beschimpfen.«

»Aber ich denke, ich soll Werbung für das Buch ma-chen, nicht dagegen?«

»Selbstironie! Das hab ich dir doch erklärt. Haupt-sache Aufmerksamkeit, und so wirken die Macher gleich viel sympathischer, weil weniger verbissen. Und du auch, und damit alle Zombies. Setz doch einfach dich als Sympathieträger gegen die Propaganda im Buch, und schon reden alle über die Spannung im Buch, das Zombiebild in der Öffentlichkeit dagegen prägst du und dein Lächeln.«

»Na, gut.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber ko-misch ist das schon mit der Werbung.«

»Ja«, sagte ich. »Komisch ist das schon.« Und wuss-te selbst nicht mehr, was ich eben ernst gemeint hatte.

Titel HungerHerausgeber David Grashoff & Pascal Kamp

Verlag SCRATCH Verlag Umfang 480 Seiten • Preis 16,95

ISBN 978-3-940928-11-5

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Mephisto 56 | 5Inhaltsverzeichnis | �

�0 Shadowrun: Mikrokosmos der VerwahrlosungEine praktische Ortsbeschreibung für Schattenläufer.

62 DSA: Nachts, wenn der Schlitzer kommt Plötzlich gellt ein Schrei durch die Stille der Nacht!

�2 Cthulhu: HexenjagdZeit, eine alte Geschichte zum Ende zu bringen!

72 Private Eye: Ein mysteriöser DiebstahlEine Detektivgeschichte frei nach Agatha Christie.

26 Der Hobbit: Eine unerwartete Verfilmung Alles zum Film, den Begleitbüchern & Spielen.

Spielmaterial38 Arkham Horror: Szenarian Massaker 2.7 Erweiterung. Das Grauen nimmt kein Ende!42 Cthulhu: Hexenjagd Kampagne. Die Geschichte um Iona Graves und

das Geheimnis von Mistwater Manor geht weiter.50 Shadowrun: Mikrokosmos der Verwahrlosung Erweiterung. Runner brauchen Rückzugsorte, in

deren Umgebung sie sich auskennen und sie unauffällig abtauchen können, wie z.B. Hagersberg.56 Degenesis: Nullpellia Kampagne. Die Charaktere geraten in einen hand-

festen Konflikt zwischen Pneumanten und Phos-phoriten um Nullepellia!

62 Das Schwarze Auge: Nachts, wenn der Schlitzer kommt Abenteuer. Ein mordlüsternes Monster treibt sein

Unwesen in einem kleinen Ort nördlich der Khom!68 Finsterland: Bahöstren Monster Almanach. Eine neue Scheußlichkeit

lauert hinter dem Horizont der Wahrnehmung!72 Private Eye: Der mysteriöse Diebstahl Abenteuer. Eine Postkutschenreise, ein unerwarte-

ter Aufenthalt, ein Unwetter – die perfektet Kulisse für einen Raub!

Beiträge22 Interview: Dietmar Dath Wir sprechen mit dem Freiburger Autor über

wortgewaltige & polarisierende Science Fiction.26 Der Hobbit: Eine unerwartete Verfilmung Titelthema. Ist Peter Jackson der Spagat zwischen Werktreue und seiner Der Herr der Ringe Trilo-

gie gelungen? Wie beurteilen der Tolkien-Lektor Stephan Askani und Dr. Frank Weinreich von der Deutschen Tolkien Gesellschaft die Umset-zung? Welche neuen Bücher und Spiele gibt es?

70 Die Steinzeit im Rollenspiel Rollenspieltipps. Hilfreiche Tipps und Tricks für

Spielrunden in der Eisen- und Bronzezeit.78 Spotlight: Tobias Mannewitz Ein Mephisto-Veteran der ersten Stunden hat für seine Arbeit bei der TV-Serie Game of Thrones

den Emmy Award erhalten. Wir gewähren Ein-blick hinter die Kulissen und seine Arbeiten.

Rubriken3 Editorial/Impressum4 Kolumne: Wortgemetzel6 Neuheiten Rollenspiele12 Neuheiten Brettspiele14 Neuheiten Bücher & Comics20 Neuheiten Videospiele25 Veranstaltung: SherloCon77 Marktplatz82 Vorschau

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Rollenspiele

Wie die anderen Quellenbücher bieten sie einen tieferen Einblick in das Star Wars Universum und versorgen Spieler und Spielleiter mit zu-

sätzlichen Informationen zu verschiedenen Alien-Spe-zies und Regelerweiterungen, die den Charakterklassen mehr Tiefe verleihen und das Spiel insgesamt mit zu-sätzlichen Optionen ausstatten.

Galaxy at WarGalaxy at War beleuchtet den Themenbereich Kriege, Kriegsführung und Soldaten im Star Wars-Universum. Neben neuen Talenten, Feats, Waffen und neuer Aus-rüstung für Soldaten-Charaktere und militärische Hel-den, gibt es auf 223 Seiten exklusives Material zur TV-Serie The Clone Wars, Vorschläge und Hilfsmittel zum Ausgestalten militärischer Kampagnen und Regeln zum Erstellen von Militärbasen und Kampfstationen, die dann von den Charakteren eingenommen oder ver-teidigt werden können. Abgerundet wird das Ganze durch eine Reihe kurzer Szenarien und Abenteuerideen sowie einem vollständig ausgearbeiteten Abenteuer, die sich auch zu einer Kampagne verknüpfen lassen.

Scavenger’s Guide to DroidsDer nächste Band bietet nicht nur Hintergrundinfor-mationen zu den verschiedensten Droidentypen, von denen einige extra für das Rollenspiel entwickelt wur-den. Vielmehr finden sich in diesem Buch Regeln zum Erschaffen eines Droiden-Helden. Ferner gibt es Regeln und Anleitungen, wie ein solcher Charakter oder auch Droiden als wiederkehrende NSCs in Ihre Kampagnen einbauen können, sowie ein optionales System, das Droiden als (un-)gewöhnliche Ausrüstungsgegenstän-de behandelt. Der Band wird durch ein ganzes Sam-melsurium neuer Ausrüstung und gleichermaßen mo-discher wie praktischer Accessoires für Droiden abge-rundet.

Galaxy of IntrigueGalaxy of Intrigue ist insofern ein besonderer Band, als dass er nicht nur Regelerweiterungen für Adlige, Spi-one und Saboteure bietet, sondern auch die vollstän-digen Regeln für vergleichende Fertigkeitswürfe und für Herausforderungen enthält. Hinzu kommen Hin-weise und Anleitungen zum Einbau von Intrigen in Ihre Kampagne, ein Überblick über die wichtigsten In-stitutionen, Gruppen und Gemeinschaften, die in die Verschwörungen und Intrigen in der Galaxis verstrickt sind, und ein neuer ausgearbeiteter Planet. Ein ebenso vollständiges Abenteuer und eine Vielzahl verschwöre-rischer und intriganter Kampagnen- und Abenteueri-deen runden das Buch ab.

The Unknown RegionsThe Unknown Regions wirft einen Blick über den Tel-lerrand des Outer Rim. In den Unbekannten Regionen finden Sie nicht nur Regelerweiterungen und neue Ausrüstung für Scouts und Entdecker, sondern auch neue Regeln für die Gefahren des Alls. Vom Asteroi-denfeld bis zu Hüllenbrüchen und dem Versagen des Hyperantriebs werden alle Eventualitäten vorgestellt. Natürlich gibt es auch in diesem Band ausführliches Material zur Gestaltung neuer Kampagnen, in diesem Fall mit dem Schwerpunkt auf Entdeckungsreisen al-ler Art. Ganze acht neue Planeten fügt das Buch dem Star Wars-Universum hinzu, komplett mit dort leben-den Aliens, deren Gesellschaftsstruktur und exotischen Orten, die von den Charakteren entdeckt und besucht werden können. Bekannte Spezies der Unbekannten Regionen, wie etwa die Chiss, werden im Detail erklärt und als Option für die Charaktererschaffung ausge-lotet.

Insgesamt bieten diese letzten vier Bände der Saga Edi­tion viel Wissenswertes für eine interessante Spielge-staltung und sind rückhaltlos zu empfehlen.

Walter Milani-Müller n

Über zehn Jahre produzierte Wizard of the Coast mit der Star Wars-Lizenz ein Rollenspiel auf Basis des d20­Systems. Die 3. Auflage des Systems erfreut sich

nach wie vor großer Beliebtheit, auch wenn die Lizenz an Lucasfilm zurückging – Grund genug, einen intensiven Blick auf die letzten vier Bände der Saga Editi­

on und einen Blick in die Zukunft von Am Rande des Imperiums zu werfen.

System Star Wars Saga Edition Verlag Wizard of the Coast

Titel Galaxy at WarUmfang 224 Seiten • Preis ca. 20,00

ISBN 978-0-7869-5221-2

Titel Scavenger‘s Guide to DroidsUmfang 160 Seiten • Preis ca. 20,00

ISBN 978-0-7869-5230-4

Titel Galaxy of IntrigueUmfang 224 Seiten • Preis ca. 30,00

ISBN 978-0-7869-5400-1

Titel The Unknown RegionsUmfang 224 Seiten • Preis ca. 40,00

ISBN 978-0-7869-5399-8

Das Ende einer Saga

Star Wars

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Mephisto 56 | �Rollenspiele | 7

Viele Dinge fallen am neuen Star Wars-Rollenspiel von Fantasy Flight Games auf. Ein paar davon springen sofort ins Auge, andere erschließen sich

erst im Spiel. Mit einem genauen Blick in das unvoll-ständige Regelwerk der Betatest-Phase und einem Pro-bespiel präsentiert sich ein System, das auf den ersten Blick komplex erscheint – tatsächlich als gelungenes Mittel zum cineastischen Erzählen neuer Abenteuer aus einer weit entfernten Galaxis.

Lohnt die Anschaffung von Star Wars Edge of the Empire Roleplaying Game Beta? Immerhin möch-te der Hersteller 29,95 US-Dollar für ein Spiel haben, das noch nicht fertig ist, um die künftige Spielerschaft an der finalen Bearbeitung teilhaben zu lassen. Das ist zumindest die offizielle Lesart; ob dahinter aber auch die Idee steckt, einen Teil der Produktion an die Käu-fer auszulagern, die auch noch dafür bezahlen, muss dann jeder für sich selbst entscheiden. Offensichbar war der Feldversuch aber erfolgreich, denn offiziell ist die Beta-Version mittlerweile restlos ausverkauft.

Blättert man das 226 Seiten starke Regelwerk durch, fällt auf, dass es kaum Artwork und nur wenige Hinter-grundinformationen gibt. Dies ist vom Hersteller so gewollt und war auch entsprechend angekündigt. Man hat über 200 Seiten geballte Regelinformation vor sich, zu denen mittlerweile noch einmal 14 weitere Seiten mit wichtigen Errata und Änderungen hinzugekom-men sind. Diese können kostenlos auf der Support-Website zum Spiel heruntergeladen werden.

Zusammen mit dem Buch gibt es ein paar leere Cha-rakterbögen, die man gut als Kopiervorlage verwenden kann, und – viel wichtiger – einen Sticker-Bogen, auf dem Aufkleber für alle Seiten der speziellen Würfel zu finden sind, die für Edge of the Empire Beta benötigt werden. Mit der endgültigen Fassung des Spiels werden diese Würfel dann auch im Handel erhältlich sein. Bis dahin kommen entweder normale Würfel und die Umdeutungstabelle im Regelwerk zum Einsatz, oder man kauft sich Würfel in den passenden Farben und klebt die Sticker auf die einzelnen Flächen. Hierbei ist die Wahl übergroßer Würfel, bei denen die Aufkleber nicht bis zu den Kanten reichen, durchaus ratsam.

Die Charakterentwicklung gestaltet sich erfreu-lich einfach. In zehn simplen Schritten hat man seine Spielfigur generiert und ist Teil einer Gruppe, die sogar schon über ein eigenes Schiff verfügt. Überhaupt ist es bei Edge of the Empire Beta sinnvoll, die Gruppe als Ganzes zu erschaffen, statt sie aus einander fremden Charakteren zusammenzusetzen. Bestimmte Spielme-chaniken, wie etwa die Obligations der Charaktere, die zum Teil den Charakterhintergrund definieren, zum Teil seine Persönlichkeit widerspiegeln und außerdem als Plothooks fungieren, setzen das Zusammen- wirken als Gruppe regelrecht voraus.

Schon an dieser Stelle wird klar, dass dieses Rollenspiel anders ist. Würfelproben auf Eigenschaften oder Fertigkeiten führen zu keinem genauen Ergebnis mit festem Wert, sondern zu tendenziellen Aussagen

über Erfolg oder Niederlage, die immer auch weitere Nebeneffekte beinhalten können. Hierzu müssen aber keine umständlichen Tabellen ausgewertet werden. Die erwürfelten Symbole geben hinlänglich Auskunft. Das wirkt zunächst kompliziert und umständlich, schleift sich aber sehr schnell ein und wird schon am Ende des ersten Spielabends von allen Mitspielern beherrscht. Am Ende ist man viel mehr damit beschäftigt, gemein-sam eine gute Geschichte zu erzählen, als Figuren zu bewegen oder Würfelergebnisse auszuwerten.

Edge of the Empire ist auch interessant, weil es trotz der Einordnung in den Zeitrahmen des Galaktischen Bürgerkriegs (Episoden IV bis VI) nahezu nichts mit den Geschehnissen aus den Filmen zu tun hat. Das Spiel konzentriert sich auf den Rand der Gesellschaft, also Schmuggler, Kopfgeldjäger und sonstige Schur-ken, die in den Filmen nur mit wenigen Figuren ver-treten sind.

Das Erzählspiel legt großen Wert auf das gemein-schaftliche Erleben der Geschichte. Kämpfe und Raum-schlachten finden zwar statt, werden aber eher durch Erzählelemente gelöst und weniger durch Würfelorgien.

Wer sich wundert, dass bislang weder Jedis noch Lichtschwerter erwähnt wurden, unabdingbar Bestand-teil von Star Wars, der sollte Edge of the Empire im Regal stehen lassen. Es gibt zwar die Möglichkeit, einen machtsensitiven Charakter zu spielen, aber der entspricht etwa Luke Skywalker aus Episode IV ohne Lichtschwert und mit einem verdammt miesen Gefühl.

Insgesamt lohnt die Anschaffung vom Star Wars Edge of the Empire Roleplaying Game für jeden Star Wars-Fan. Wer nicht bis zum Erscheinen der fina-len Fassung im Frühjahr warten möchte, dem sei das Star Wars Edge of the Empire Beginner Game ans Herz gelegt. Die Regeln sind auf ein 48-seitiges Regel-buch und ein 32-seitiges Abenteuerbuch reduziert, was den Einstieg erleichtert. Ansonsten enthält die Box alles, was man zum Spielen benötigt, inklusive einem Satz der speziellen Würfel, und ist seit Dezember 2012 erhältlich. Die deutsche Übersetzung, Am Rande des Imperiums, ist bereits angekündigt.

Walter Milani-Müller n

Am Rande des Imperiums

Titel Star Wars Edge of the Empire Beginner GameVerlag Fantasy Flight Games • Preis ca. 29,95

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� | Mephisto 56

Rollenspiele

Warhammer

Einfach gesagt, liefert Das Spielleiter­Handbuch die Regeln nach, die im Spieler­Handbuch noch nicht enthalten waren und die den Hintergrund

der Welt von Warhammer Fantasy ausbauen. Der erste Schwerpunkt wird dabei auf die Aufgaben des Spiellei-ters gelegt und dieser über den Aufbau von Abenteu-ern und Kampagnen, sowie den Einsatz der für War­hammer typischen Regelmechanismen geschult. Dabei liefert das Buch Beispiele, wie mit Fortschrittsleisten und Gruppenbögen umzugehen ist. Der schematische Aufbau eines Abenteuers in drei Akten mit zwischenge-schalteten Erholungsphasen wird erläutert - und für das Kampagnenspiel in verschiedenen Spielarten wei-terentwickelt.

Feinde & Gegenspieler, aber auch Verderbnis und Krankheiten sind der zweite Schwerpunkt, mit dem der Spielleiter seinen Spielern einige Bedrohungen präsen-tieren kann. Besonders Verderbnis ist eine permanente und vor allem finstere Bedrohung, der unvorsichtige Spielercharaktere schnell anheimfallen können.

Den dritten Fokus setzt das Buch auf die Ausar-beitung der Welt, indem das Glaubensgefüge und die Magie erklärt werden. Dabei werden die Götter und ihre Diener vorgestellt, aber auch die Theorie der Magiewinde und die acht Magieorden beschrie-ben. Dazu kommen die dunklen Seiten wie ketzeri-sche Kulte, die verdorbene Magie des Chaos. Magie und Glauben der anderen Völker der Alten Welt werden angerissen. Das Abenteuer Auge um Auge, bei dem die Charaktere einem jungen Adeligen mit seinem neuen Herrenhaus helfen müssen, rundet das Buch ab und zeigt stimmig, wie die verschiedenen Regeln in der Praxis einzusetzen sind.

Schreckliche MonsterDas Kreaturen-Handbuch ist ein typisches Buch

für den Spielleiter, das sich jedoch nur einem Thema widmet: den Völkern und Kreaturen der Alten Welt. Nach ein paar grundsätzlichen Regeln und einigen Tipps, um Konfrontationen spannender zu gestalten, macht das Bestiarium den größten Teil des Buchs aus und präsentiert eine breitgefächerte Menagerie von Bestien über das Chaos, die Dunkelelfen, Orks, Skaven und Untote bis hinzu den normalen Bewohnern des Imperiums. Neben Spielwerten, die erst später im Buch nachgereicht werden, beleuchtet der Band vor allem die Völker und ihre Besonderheiten, so dass man

einen Einblick in die Alte Welt jenseits des Imperiums bekommt – in einer Tiefe, die den meisten Bewohnern des Imperiums, die beispielsweise nie an die Gerüchte über »Rattenmenschen« glauben würden, verborgen bleibt.

Die zweite Hälfte des Buchs machen die Spielwerte und vor allem auch neue Aktionen, Gebete und Zauber aus, die tabellarisch aufgelistet sind.

Karten statt Worte…Allerdings sind die Tabellen nur ein Ersatzmittel,

denn die Monster, Aktionen und auch Gruppenbögen für Gegner liefert das ergänzende Kreaturenarsenal, wo jedes Monster hübsch (bzw. eher häßlich) illustriert als Karte vorliegt und auch jede Aktion einfach als Kar-te genutzt werden kann, damit man nicht in zig Seiten Tabellen blättern muss.

Und natürlich gibt es mit dem Spielleiter­Arsenal auch ein Pendant für das Spielleiter­Handbuch, das seinerseits Marker für Verderbnis, Fortschrittleisten, Würfel, Karten für Zustände, Zauberpatzer, Wahnsinn oder auch Schauplätze enthält.

Essentielles MaterialWenig überraschend stellen Spielleiter­Handbuch

und Kreaturen­Handbuch essentielle Regelwerke für die neue Edition von Warhammer Fantasy dar. Die Bücher sind informativ geschrieben und stimmig illu-striert. Besonders Anfänger werden hier oftmals an die Hand genommen und durch Beispiele in die Spielwelt eingeführt – aber auch Spielleiter-Veteranen profitie-ren von den Erläuterungen der Spielmechanismen, die Warhammer eigen sind.

Aufgrund des Einsatzes von Markern, Karten und ähnlichen Spielhilfen als fester Bestandteil des Regel-systems (auch wenn man alles auch mit Tabellen, Stift und Papier abbilden kann) sind auch die Arse-nale praktisch essentielle Erweiterungen, wenn man Warhammer so spielen will, wie von seiner Machern erdacht.

Für Warhammer-Spielleiter sind alle vier Hilfsmittel nicht nur eine gut gemachte, sondern auch praktisch unverzichtbare Spielergänzung, die nebenher auch die Alte Welt dem Leser näherbringt. bl n

Wie andere Fantasy-Rollenspiele bedient sich auch die Neuauflage des Warham­mer Fantasy Rollenspiels der klassischen Dreifaltigkeit des Regelwerk. Nachdem wir das Spieler-Handbuch bereits vorgestellt haben, sind inzwischen auch die

eher für den Spielleiter gedachten Bücher Spielleiter­Handbuch und Kreaturen­Handbuch erschienen.

Titel Spielleiter-HandbuchSystem Warhammer Fantasy RollenspielAutoren Dave Allen, Daniel Lovat Clark,

Steve Darlington u.a.Verlag Heidelberger Spieleverlag

Umfang 192 Seiten • Preis 29,95ISBN 978-3-942857-01-7

Titel Kreaturen-HandbuchSystem Warhammer Fantasy Rollenspiel Autoren Dave Allen, Daniel Lovat Clark,

Matt Daniels u.a.Verlag Heidelberger Spieleverlag

Umfang 120 Seiten • Preis 24,95ISBN 978-3-942857-02-4

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Mephisto 56 | �Rollenspiele | �

Titel Deutschland: Blutige Kriege & Goldene JahreSystem CthulhuAutor Jan Christoph SteinesVerlag Pegasus • Umfang 384 Seiten • Preis 39,95ISBN 978-3-941976-34-4

Cthulhu: Deutschland

Das cthulhoide Mächte nicht nur in Neuengland am Werke sind, sondern eine weltweite Bedro-hung, haben bereits diverse Quellenbände gezeigt.

Deutschland: Blutige Kriege & Goldene Jahre bringt den Mythos ins Deutschland der Weimarer Republik.

Bei dem schwergewichtigen Hardcover gehen die Autoren mit der für Cthulhu-Quellenbücher bekann-ten Akribie vor und stellen das Leben im Deutschland der 20er Jahre umfassend vor, sei es die große Politik, das tägliche Leben, der Glanz des Films oder die FKK-Ideologie. Natürlich werden Technik, rechtliche Fragen und natürlich auch okkulte Themen nicht ausgelas-sen, sondern umfassend und interessant geschrieben vorgestellt und mit entsprechenden Fotos illustriert. Drei Abenteuer bieten konkretes Spielmaterial und thematisieren mal den Einfluss einer Mythos-Kreatur, dann aber auch reale Schrecken und Ereignisse wie Giftgas im 1. Weltkrieg oder den Putschverscuh, der im Münchner Bürgerbräukeller seinen Anfang nahm.

Der Band vermittelt nicht nur ein sehr detailliertes Bild des Deutschlands zwischen Erstem Weltkrieg und Drittem Reich, sondern beschreibt auch das alltägli-che Leben, was es ermöglicht, diese Setting stimmig zu spielen. Wer Cthulhu aus der Neuen in die Alte Welt verlagern will, bekommt hier umfassendes Material und dazu noch drei spannende Abenteuer. bl n

Perfekte Verbrechen

Perfekte Verbrechen lautet der Titel des Abenteuer-bands für Private Eye, bei dem die Spielercharak-tere in zwei Fällen zu beweisen versuchen können,

dass es so etwas nicht gibt.Der gelöste Fall stellt die Ermittlergruppe vor eine

ungewöhnliche Ausgangslage: Eigentlich haben sie alle Beweise und auch der Täter lässt sich schnell finden, doch um den Fall wirklich zu knacken, ist noch eine Menge mehr nötig. Der Fall um die ermordete Sänge-rin hat einen ungewöhnlichen Ansatz und ist durchaus spannend inszeniert.

In Dunkle Geheimnisse in Vole‘s Hollow gilt es und in der vermeintlich ruhigen Provinz den Tod einer Lehrerin aufzuklären und sich dabei nicht in dem Netz der dunklen Geheimnisse der verschiedenen Bewoh-ner zu verlieren. Der zweite Fall ist deutlich komplexer und bietet den Spielern einigen Raum für Rollenspiel. Ein kurzer Hintergrundartikel über das Landleben mit ein paar kurzen Abenteuervorschlägen rundet dieses Abenteuer ab.

An sich sind beide Fälle spannendes Material für Pri­vate Eye, für meinen Geschmack ist allerdings Dunkle Geheimnisse in Vole‘s Hollow zu nah an der Vorlage Das Rätsel von Badger‘s Drift von Caroline Graham (verfilmt in der Reihe Inspector Barnaby). Da der Fall bis in Details für Private Eye adaptiert wurde, lässt er sich nur mit Spielern spielen, die die Vorlage nicht kennen. So sind die Perfekten Verbrechen vielleicht nicht perfekt, bieten aber interessante Fälle. bl n

Aborea

Das Fantasy-Rollenspiel Aborea (das sich selbst als Tischrollenspiel bezeichnet) ist in einer 2. Auflage erschienen, die zwar nicht mit den üblichen Ver-

änderungen einer 2. Edition daherkommt, aber trotz-dem einiges anders macht als der Vorgänger.

Wie gehabt ist Aborea ein sehr einfach gehaltenes und angenehm unkompliziertes Fantasy-Rollenspiel mit einem klassischen Setting, das es sich mit Rolema­ster (quasi dem sehr großen Bruder) teilt. In der Box findet sich ein Heft für die Spieler, das alles zur Cha-raktererschaffung vorstellt und mit dem Barden und dem Schamanen nun zwei neue Berufe mit einigen eigenen Regeln zu bieten hat. Auch im Spielleiterheft sind ein paar kleine Ergänzungen eingepflegt worden. Komplett neu ist ein drittes Heft, das ein ganzes Arse-nal an Abenteuern bereithält, die auch gut für Einstei-ger zu bewältigen sind und durch ihre Verknüpfung mit dem Dorf Leet einen guten Kampagnenstart bieten. Diese Abenteuer waren zuvor als PDF bzw. Elisera als Rolemaster-Abenteuer erhältlich.

Mit den kleinen Änderungen und vor allem dem Abenteuerheft ist Aborea insbesondere für Rollenspie-leinsteiger noch einmal deutlich verbessert worden. Wer ein einfaches, gradliniges Fantasy-Rollenspiel zum direkten Losspielen sucht oder in der Welt der Rollen-spiele noch neu ist, wird hier sehr gut abgeholt. bl n

Verrat in Wort und Tat

Verrat in Wort und Tat hat Sicherheitsfreigabe Ultraviolett. Da damit zu rechnen ist, dass ver-räterische Individuen sich davon nicht abhal-

ten lassen, diese Rezension weiterzulesen, können hier nur zensierte Informationen abgedruckt werden. Verrat in Wort und Tat bietet den Troubleshootern drei äußerst fröhliche und sichere Missionen – völlig ohne Gefahren, Verrat oder Bedrohung für das Klonleben. Zunächst geht es nur um das Geständnis eines Verrä-ters, dann darum, einen Helden des Alpha-Komplexes zu begleiten und schließlich einen Roboter abzuholen – alles ohne Komplikationen und Risiken...

Verrat in Wort und Tat bietet drei abwechselungsrei-che Abenteuer, die jedoch alle vom schwarzen Humor des Spiels durchtränkt sind und von den Spielern eine gehörige Portion Lei-densfähigkeit, Hinter-hältigkeit und Flexibi-lität erfordern – kurz gesagt bietet das Heft das ganze Arsenal an Wahnsinn und Zer-störung – äh, Freude und Spaß – die solche Selbstmord- – nein besser: Entspan-nungsmissionen zu bieten haben.

bl n

Titel Perfekte VerbrechenSystem Private EyeAutoren T. Echelmeier, R. Heep, W. Milani-MüllerVerlag Redaktion Phantastik Umfang 80 Seiten • Preis 14,95ISBN 978-3-00-039272-6

Titel Verrat in Wort und TatSystem ParanoiaAutor Gareth HanrahanVerlag Mantikor • Umfang 38 Seiten • Preis 10,95ISBN 978-3-939212-1-40

Titel/System Aborea - 2. AuflageAutor Sebastian WitzmannVerlag 13 Mann Verlag • Preis 16,99ISBN 978-3-941420-28-1

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10 | Mephisto 56

Rollenspiele

Dungeons & Dragons

Vor allem die Regelerweiterungen lassen sich in zwei Gruppen teilen, nämlich jene für Spieler und jene für Spielleiter.

Zur ersten Gruppe gehört eindeutig der Player’s Stra­tegy Guide, in dem in aller Ausführlichkeit erklärt wird, wie man seine Charaktere und Spielgruppen so optimiert, dass jede Spielsession zum herausragenden Spielgenuss wird. Beginnend beim Herausfinden der für einen Spieler bestgeeigneten Charakterklasse über die Charaktererschaffung, das ideale Ausfüllen der Rolle, die optimale Gruppenzusammensetzung und das perfekte Verhalten in bestimmten Situationen bis hin zur richtigen Etikette am Spieltisch, wird der Spieler bei der Hand genommen und instruiert. Vor allem für Einsteiger mag dies ein lohnender Prozess sein, denn er hilft, Fehler von vornherein zu vermeiden. Den-noch birgt dieses Buch eine gewisse Gefahr: Der hier beschriebene Spieler entspricht dem Ideal der Auto-ren und muss damit noch lange nicht zur heimischen Spielrunde kompatibel sein. Der Inhalt des Bandes ist also mit entsprechender Vorsicht zu genießen und kann allenfalls als – teils sehr humoriger – Anhalts-punkt zum Optimieren der Charaktererschaffung und Spielabläufe der eigenen Gruppe gesehen werden.

Auch die folgenden drei Bände sind erster Linie für die Nutzung durch den Spieler gedacht. Martial Power 2 bietet neue Optionen und Kniffe für Kämpfer, Wald-läufer, Schurken und Warlords, die dem Spieler helfen sollen, seinen kämpferischen Charakter weiter zu diversifizieren. Neben den neuen Builds und Powers für jede dieser vier Klassen sind es vor allem die neuen Paragon Paths, die dieses Buch ausmachen. Zusätzlich bietet der Band neue Kampfstile, Feats, Hintergrundin-fos und Epic Destinies.

Wer einen eher urtümlichen Charakter bevorzugt, der sehr viel enger an die Kräfte der Natur gebunden ist, sollte zu Primal Power greifen. Mit neuen Builds, Powers und Paragon Paths für Barbaren, Druiden, Schamanen und Hüter bietet das Buch in etwa dieselbe Art charakterbezogener Informationen wie Martial Power 2. Daneben finden sich rund 50 Seiten zu den Geisterwesen der Natur, neuen Feats, Hintergrundinfos und Epic Destinies sowie einige neue Rituale.

Der dritte Band dieser Charakterbücher, Psionic Power, richtet sich dann auch an die vier Charakter-

klassen Ardent, Battlemind, Monk und Psion. Auch hier werden dem Spieler neue Optionen zum weiteren Aus-gestalten seines Charakters geboten. Daneben füllen umfangreiche Informationen zu Psi-Kräften, zu psioni-schen Blutlinien und zu neuen Epic Destinies das Buch.

Bemerkenswert ist die innere Aufteilung dieser drei Bände. Alle Bücher sind zunächst nach den beinhalte-ten Klassen sortiert, so dass der Spieler alle für seinen Charakter wichtigen Informationen schnell und ein-fach an einem Ort findet. Der hintere Teil bietet dann jeweils allgemeines und weiterführendes Wissen zum jeweiligen Spezialgebiet der Bücher.

Mordenkainen’s Magnificent Emporium ist nicht explizit ausschließlich für den Spielleiter gedacht, man sollte sich aber gut überlegen, wie sinnvoll es ist, seinen Spielern Zugang zu einem Buch voller magi-scher Gegenstände zu gewähren. Egal, ob Rüstungen, Waffen, Stäbe, Stecken, Ruten, Kugeln, Zauberbücher, magische Ausrüstungsgegenstände oder hochmagische beziehungsweise verfluchte Artefakte, in diesem Band findet sich alles und davon nichts, was es nicht gibt. Über sechs Kapitel verteilt kann man nicht nur die magischen Gegenstände sondern auch ihre Geschich-ten entdecken, die einem wiederum wunderbare Aben-teuerideen einflüstern. Den Abschluss bilden gleich vier handliche Anhänge, die alle Informationen noch einmal übersichtlich und mit den wichtigsten Spiel-daten zusammenfassen. Insgesamt ist dies das ideale Buch für Spielleiter, die gefundene Schätze gerne einmal ein wenig magisch aufpolieren.

Metallic Dragons, der zweite Band des Draconomicons, ist allerdings ganz gewiss kein Tummelplatz für Spieler. Dieses Buch bietet allein dem Spielleiter einen Nutzen, und zwar einen gewaltigen. Wie schon im ersten Band finden sich neben den klassischen Drachen einige stär-kere und schwächere Exemplare der drakonischen Art. Metallic Dragons ist natürlich ausschließlich auf Metalldrachen spezialisiert und bietet sowohl kaum überwindbare Gegner, wie etwa einen uralten Gold-drachen, als auch einfachere Kost, wie beispielsweise metallische Wyrmlinge oder einfache Drakonier. Auf diese Weise kann ein Spielleiter auch einer niedrig-stufigen Gruppe drachische Gegner präsentieren, die nicht alle Charaktere binnen weniger Runden ausein-andernehmen. Daneben gibt es allerlei Wissenswertes

Neues aus dem Verlies…

System Dungeons & Dragons Verlag Wizard of the Coast

Titel Player's Strategy GuideUmfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00

ISBN 978-0-7869-5488-9

Titel Martial Power 2Umfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00

ISBN 978-0-7869-5389-9

Titel Primal PowerUmfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00

ISBN 978-0-7869-5023-2

Titel Psionic PowerUmfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00

ISBN 978-0-7869-5560-2

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zur Anatomie der Drachen, ihren Gepflogenheiten und Lebensräumen, sowie zu ihren speziellen Kräften und zu Drachenkulten. Dieses Buch sollte daher keinem Spielleiter fehlen – selbst dann nicht, wenn er oder sie ansonsten eigene Drachen basteln würde.

Im Dragon Magazine Annual findet sich laut Klap-pentext das beste Material, das seit dem Start der vierten D&D-Edition im Dragon Magazine erschie-nen ist. Natürlich ist dies eine subjektive Wertung der Redakteure, die diesen Band zusammengestellt haben, aber es handelt sich in der Tat um ein recht breites Spektrum interessanter Artikel und Anregungen. Die Sammlung beinhaltet Material zu einem Dämon samt passendem Kult, zu Kobolden, zu mehreren Sekten und Geheimgesellschaften, zu magischen Waffen, zu Kamp-foptionen, zu Gladiatoren, zu Halbvampiren, zu einem neuen Volk, zu Monstern und zu Meucheleien. Insge-samt ist es für Spielleiter sehr brauchbares Material, das allerdings nicht uneingeschränkt in Spielerhände gelangen sollte.

Wer das Dragon Magazine kennt, der weiß, dass es dazu passend auch das Dungeon Magazine gibt. Die Zweiteilung ergibt sogar Sinn, da im Dungeon aus-schließlich Abenteuer und Kampagnen erscheinen, während der Dragon nur Spielhilfen und Regeler-weiterungen bringt. Im Dungeon Magazine Annual finden sich entsprechend jene Abenteuer, die von den zuständigen Redakteuren als die besten im Dungeon erschienenen Szenarien seit Start der vierten D&D-Edition ausgemacht wurden. Der Band enthält fünf Abenteuer, zwei für niedrigstufige Gruppen, eins für Charaktere mittlerer Stufe und zwei für höherstufige Helden, welche die Charaktere mit allerlei Gefahren und Schrecken in verschiedenen Dungeons und in der Wildnis konfrontieren.

Alle diese Abenteuer sollten eine Spielgruppe jeweils ein paar Abende beschäftigen können. Wem das aber zu wenig ist, der dürfte in Tomb of Horrors ein Szenario finden, das die Helden nahezu kampa-gnengleich für einen längeren Zeitraum in Atem hält. Vollmundig verspricht der Klappentext, die Charaktere mit diesem Abenteuer von der 10 in die 22. Stufe zu bringen, und tatsächlich bietet der Kampagnenband mehrere große Abschnitte, die so geschrieben sind, dass man das Aben-teuer dazwischen pausieren und sogar andere Szenarios an diesen Stellen einflechten kann. Als zusätzliches Extra findet sich am Ende des Buches eine große Karte mit Spielplänen zu eini-

gen Schlüsselorten der Kampagne, in der die Gruppe in die Gruft des furchterregenden Demilichs Acererak ein-dringt, um ihr die Schätze und Geheimnisse des Unto-ten zu entreißen.

Bei den großen Kampagnensettings sollte auf keinen Fall ein Blick ins Neverwinter Campaign Setting fehlen. Nach einer furchtbaren Katastrophe kämpft die in Ruinen liegende Stadt Neverwinter darum, wieder wie einst das Juwel des Nordens zu werden. Dunkle Mächte haben sich jedoch zwischen den Häusern, Mauern und Türmen eingenistet und verfolgen ganz eigene, dunkle Ziele. Auf über 220 Seiten findet sich nicht nur die vollständige Beschreibung der Stadt und der umliegenden Region, sondern auch ihrer Bewoh-ner und örtlich angesiedelter Organisationen, Gesell-schaften und Orden. Daneben gibt es ein umfangrei-ches Kapitel mit speziellen Charakteroptionen und neuen Volks- und Klassenvarianten, sowie einige Aben-teuerfunken und spezielle Hinweise, die man zum Ausbau seiner ganz persönlichen Neverwinter-Kam-pagne nutzen kann und teilweise auch wirklich nutzen sollte. Abgerundet wird das Ganze mit einer vollfarbi-gen Karte der Stadt Neverwinter.

Empfehlenswert sind diese Bücher alle, da sie den Spie-lern und dem Spielleiter viel Zeit sparen, die sonst in das Erstellen eigener Sonderregeln, Kreaturen und Abenteuer hätte investiert werden müssen. Grundsätz-lich ist es aber sinnvoll, sich hier genau die Rosinen aus dem Kuchen zu picken, die man wirklich für seine speziellen Zwecke benötigt. Wer Vielfalt mag, wird auf die drei Powers-Bücher kaum verzichten können, und die Anschaffung von Metallic Dragons lohnt in jedem Fall. Bei den Abenteuern lässt sich der Neverwinter-Band wärmstens empfehlen, wobei man dann aller-dings auch auf der Suche nach einem wirklich guten Kampagnensetting in den Forgotten Realms sein sollte. Walter Milani-Müller n

Eigentlich braucht man für Dungeons & Dragons nichts weiter als die Starter Box, etwas Phantasie und jede Menge Zeit braucht, um das Spiel zu spielen. Wem

die Zeit fehlt seine völlig eigene Welt mit eigenen Helden, Schurken, Orten und Monstern erschaffenden versorgt Wizards of the Coast jedoch mit immer neuen

Kampagnenbänden, Abenteuern und Regelerweiterungen .

Titel Neverwinter Campaign SettingUmfang 224 Seiten • Preis ca. 25,00ISBN 978-0-7869-5814-6

Titel Mordenkainen's Magnificient EmporiumUmfang 160 Seiten • Preis ca. 25,00ISBN 978-0-7869-5744-6

Titel Draconomicon 2: Metallic DragonsUmfang 224 Seiten • Preis ca. 25,00ISBN 978-0-7869-5248-9

Titel Dragon Magazine AnnualUmfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00ISBN 978-0-7869-5245-8

Titel Dungeon Magazine AnnualUmfang 160 Seiten • Preis ca. 15,00ISBN 978-0-7869-5200-7

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Brettspiele

Die Legenden von Andor

Das Land Andor ist ein typisches Fantasy-Land und wie es der Standard so will, bedrohen dun-kle Mächte das Reich, die nur von einer mutigen

Heldentruppe zurückgeschlagen werden können. Hier sind es Krieger(in), Bogenschütz(in), Zauber(in) und Zwerg(in), die sich Gors, Skralen, Trollen und sogar Drachen stellen müssen

Fantasy-Spiele gibt es in zwei Varianten: In der ei-nen Variante spielen mehrere Spieler eine Heldentrup-pe, während ein anderer Spieler wie beim Rollenspiel die Gegner übernimmt; bei der Anderen spielen alle gemeinsam gegen das Spiel. Die Legenden von Andor ist ein Vertreter des zweiten Ansatzes. Nur vier großfor-matige Seiten Regeln bringt das Spiel mit (allerdings begleitet von einem zusätzlichen ebenfalls vierseitigen Heft), lernen dürfen die Spieler die Regeln gleich in einer ersten Probepartie, die schrittweise die Spiel-schritte erklärt. Die Legenden von Andor beinhalten tatsächlich mehrere Legenden genannte Abenteuer, die aufeinander aufbauen. Gespielt wird auf einer groß-en Karte, und entscheidend für den Spielverlauf ist die sogenannte Legendenleiste, die als eine Art Zeitleiste dient. Auf bestimmten Feldern der Leiste kommen neue Ereignisse, Informationen und Aufgaben ins Spiel, die die jeweilige Legende vorantreiben. Mal erfahren die Spieler so mehr über die Geschichte, mal kommt Hilfe ins Spiel und oft rücken die finsteren Mächte mit ihren

Monster vor. Die Spieler können eine bestimmte Zahl an Zügen machen, bevor die Zeit voranschreitet, doch auch Ereignisse bringen die Legendenleiste voran – so auch das besiegen von Gegner. Und so kann man zwar die Helden steigern, wenn man ständig Monster vom Spielfeld putzt, aber wenn man darüber andere Punkte der Mission vergisst und die Zeit zu schnell vergeht, kann sich das rächen.

Die Legenden von Andor hat einen durchdachten Spielmechanismus, und für ein Spiel dieser Art fällt der Einstieg unglaublich leicht, weil die erste Legen-de ein schnelles Tutorial ist. Auch die Legenden selbst erzählen eine interessante Geschichte, allerdings sind diese beim zweiten Spielen weniger überraschend, so dass die Spieler sich besser vorbereiten können. Trotz-dem ist Die Legenden von Andor nicht nur für Einstei-ger ein wirklich empfehlenswerter Vertreter des Fanta-sy-Genres.

Descent

Mit Descent ist ein Fantasy-Spieleklassiker nun in einer 2. Edition erschienen. Dass sich einiges getan hat, zeigt bereits der Blick auf die Box,

die vom Riesenformat der ersten Edition auf ein nor-maleres Maß geschrumpft ist. Doch auch inhaltlich hat sich viel geädnert. Gleich geblieben ist, dass eine Heldengruppe der Spieler gegen die bösen Mächte an-tritt, die hier von einem anderen Spieler, dem Overlord, kontrolliert werden. Der Overlord hat ein Ziel, das kein Rollenspielleiter haben sollte: die Helden um je-

Ein friedliches Land, das sich einer gefährlichen Bedrohung gegenübersieht; das Böse, das mit seinen sinisteren Plänen alles zu vernichten plant; eine Helden-

gruppe, die auszieht, das Böse zurückzuschlagen und das Land zu retten: Dies sind die klassischen Zutaten diverser Fantasy-Romane und Filme – und natür-

lich auch einiger Brettspiele, von denen wir hier drei vorstellen wollen.

Titel Die Legenden von AndorVerlag Kosmos • Preis ca. 39,99

Spieler 2-4 • Alter ab 10 JahreSpielzeit 60-90 Minuten

Spiele für echte Helden

Brettspiele

Titel Descent 2. EditionVerlag Heidelberger Spieleverlag • Preis ca. 59,95

Spieler 2-5 • Alter ab 14 JahreSpielzeit 120-180 Minuten

Titel Thunderstone AdvanceVerlag Pegasus • Preis ca. 39,95

Spieler 1-5 • Alter ab 12 JahreSpielzeit 60-90 Minuten

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Mephisto 56 | 1�Brettspiele | 1�

den Preis aufhalten. Gespielt wird ausschließlich in (Wildnis-)Dungeons, die aus Pappteilen zusammen-gesteckt und mit Plastikfiguren bevölkert werden. Das bedeutet, dass Kämpfe mit Monstern im Fokus des Spiels stehen, aber die Helden bekommen auch die Möglichkeit zur Charakterentwicklung, um stär-ker und besser ausgerüstet zu werden. Hier zeigt sich die größte Neuerung von Descent 2. Edition, die das Kampagnenspiel in den Vordergrund stellt. Die 20 Questen sind logisch miteinander verbunden und abhängig davon, wer welche Queste für sich ent-scheidet, kommen später andere Questen ins Spiel, bis es am Ende auf zwei mögliche Finale hinaus-läuft. Zwischen den Questen können Spieler ihre Charaktere steigern und neue Fähigkeiten erwerben, während der Overlord neue Karten mit seinen Er-fahrungspunkten kauft, um seine Macht zu steigern. Die Questen sind gut in die Geschichte eingebettet und abwechslungsreich – und für beide Seiten im-mer wieder herausfordernd. Praktischerweise sind alle Questen zweiteilig angelegt, so dass man auch an einem kürzeren Spielabend einen Haltepunkt er-reichen kann.

Die Regeln der 2. Edition von Descent erschei-nen klarer geschrieben, und während einige Regeln verschwunden sind, sind neue hinzugekommen, was allerdings auch dafür sorgt, dass die erste und zweite Edition nicht wirklich zueinander kompati-bel sind. Die Vielfalt und Zahl der Monster und Hel-den wurde reduziert, wodurch das Spiel mit einer kleineren Box auskommt (wenig sind 8 Helden und 31 Monster jedoch nicht).

Aus meiner Sicht ist Descent 2. Edition noch eine Verbesserung eines guten Fantasy-Spiels, das al-lerdings schon Einarbeitung erfordert und sicher nichts für Gelegenheitsspieler ist.

Thunderstone Advance

Das Kartenspiel Thunderstone geht mit Thun­derstone Advance ebenfalls in eine neue Edi-tion. Thunderstone Advance erscheint als

Grundbox, die ohne die vorherigen Grundboxen und Erweiterungen auskommt, und die Regelmechanik ein wenig anpasst. Im Mittelpunkt des Spiels stehen wie gehabt die Donnersteine, mächtige und gefähr-liche Artefakte, die von finsteren Monstern bewacht

und daher von erfahrenen Helden geborgen wer-den müssen. Die Besonderheit an dem Kartenspiel ist, dass jeder Spieler innerhalb des Spiels Stück für Stück seinen eigenen Kartenstapel ausbaut. Dies geschieht vordergründig im sogenannten Dorf, wo der Spieler neue Helden rekrutieren und Ausrüstung kaufen kann, doch auch besiegte Monster wandern in den eigenen Kartenstapel. Die Karten erfüllen da-bei mehrere Aufgaben: Sie dienen im Dorf als Geld, fungieren im Dungeon im Kampf gegen die Monster als Helden, unterstützen als Dorfbewohner den Spie-ler oder verleihen am Ende Siegpunkte. So gewinnt der Spieler das Spiel, der nach dem Bergen des Don-nersteins die meisten Siegpunkte hat. Auch wenn bei Thunderstone Advance das Böse aufgehalten wer-den muss, arbeiten die Spieler hier nicht zusammen. Natürlich gibt es für die Kämpfe gegen Monster, die durch Vergleichen der Spielkartenwerte entschieden werden, Erfahrungspunkte, mit denen die Helden gesteigert werden können, wodurch sie stärker wer-den und entsprechende Sonderfähigkeiten erhalten.

Die Änderungen von Thunderstone Advance zu seinen Vorgängern fallen gering aus: Das Spiel ist in eine bessere Rahmenhandlung integriert, die Regeln und Begriffe wurden gestrafft und klargestellt und ein Spielplan erleichtert die Ablage der Karten. Don-nersteine werden hier nicht einfach am Ende ein-gesammelt, sondern drei mögliche Endgegner ste-hen zur Verfügung. Die früheren Krankheitskarten, die die Helden schwächen, sind durch Flüche aus-getauscht worden, die den Reiz haben, je nach Typ anders zu entfernen zu sein. Zusätzliche Vertraute sowie die Avatare, die dem Spieler jeweils einen defi-nierten Vorteil geben, sind ebenfalls neu, wobei Ava­tare die erste Mini-Erweiterung darstellen. Die Kar-ten wurden thematisch auf die neue Spielwelt ange-passt und durch Effekte, die alle oder andere Spieler betreffen, auch die Möglichkeit geschaffen, die Ge-genspieler zu beeinflussen. Mit seinen Regelvarian-ten (auch für Solospiel) ist Thunderstone Advance die Neuauflage eines Spiels, die den bewährten Me-chanismus mit kleinen Veränderungen verbessert.

Mit Legenden von Andor, Descent 2. Edition und Thunderstone Advance haben Gelegenheitshelden drei gute Möglichkeiten, sich finsteren Mächten zu stellen. Den einfachsten Einstieg ermöglicht Legen­den von Andor, wo alle Spieler zusammenarbeiten. Auch Thunderstone Advance ist leicht zu erlernen, allerdings arbeiten hier die Helden gegeneinander, denn es kann nur einer gewinnen. Descent 2. Editi­on erfordert die intensivste Regeleinarbeitung und stellt einen Spieler gegen alle anderen, dafür gibt es

die komplexeste Kampagne.Wer einen ersten Ausflug in eine Fantasywelt

machen will, ist mit Legenden von Andor gut beraten. Spielern, die den Kampf immer und

immer wieder in neuen zufälligen Formen erleben wollen, kann man Thunderstone Advance empfehlen. Wer ein Brettspiel mit starkem Rollenspielanteil sucht, der ist bei

Descent 2. Edition genau richtig. bl n

Erhältlich abSommEr 2013

Heidelberger Spieleverlag

präsentiert vom:

Mehr Infos:www.heidelbaer.de

bEgEbt Euch aufEinE rEiSE durch

200 JahrEgESchichtE dEr

tEmplEr

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Bücher & Comics

Stadt der Fremden

Bücher können alles sein, doch nicht alle Autoren haben den Mut, mit gewissen Normen zu brechen. Anders China Miéville: Sein neustes Werk Stadt

der Fremden zeigt von Beginn an, dass es nicht »mal eben so« in der Bahn gelesen werden kann. Schließlich geht es um nicht weniger als Sprache und ihre Macht.

Arieka ist eigentlich nicht für Menschen bewohnbar, doch die dort ansässige Alien-Rasse der Ariekei half den Gästen bei der Gründung der sogenannten »Bot-schafterstadt«. Jeder weitere Austausch wurde aber durch die Sprache der Ariekei verhindert: Bis heute gibt es nur wenige Begabte, die die Sprache Ariekas lernen und nach genetischer Manipulation Botschafter zwi-schen den Spezies werden können.

In dieser Welt lebt Avice Benner Cho, eine legendäre Raumfahrerin, die die Botschaftsstadt einst verließ, um später der Liebe wegen zurückzukehren. Sie muss er-kennen, dass die Ariekei vor einer großen und bedroh-lichen Veränderung stehen, die zu ihrem Untergang führen kann.

Nach einer Reihe etwas ermüdender, aber notwen-diger Erläuterungen zeigt sich Miéville in Bestform und erzählt von Dingen, die im besten Sinne anders sind. Stadt der Fremden besticht dabei durch seine glaubhaften Charaktere, fesselt den Leser aber mit ei-ner faszinierenden Welt, die so verschieden von der un-seren ist und doch immer noch menschlich bleibt.

Störend ist dabei einzig das stellenweise unge-schickte Lektorat, das speziell durch die deutschen Fachbegriffe des Originals ausgehebelt wird. Eine kurze Recherche in englischen Publikationen wirkt da Wunder. tl n

Genom

In Fosters Genom, dem ersten Band der Wendepunkt-Trilogie, sind Schönheits-OPs Lappalien. Hier ist die eigene Vorstellungskraft die einzige Grenze der Kör-

permodifikation: Ob Krokodiloptik oder blaues Gefie-der, alles kein Problem. Dank der »Melds« ist dies und vieles mehr möglich.

Das Leben des eher unauffälligen Taschendiebes Archibald Kowalski, der unter dem Namen Whispr agiert, wird durch Zufall in eine bedrohliche Richtung gedrängt. Eigentlich will er mit seinem Kumpan nur einem Passanten eine künstliche Hand abnehmen, um diese auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Doch dabei entdeckt Whispr einen unscheinbaren Faden, der ihn wider Erwarten auf die Fahndungslisten zahlreicher Behörden und anderer Gruppierungen bringt.

Zentrale These Fosters ist dabei, dass die Menschheit – bevor sie auf außerirdisches Leben trifft – sich selbst bereits so verfremdet hat, dass sie nicht mehr eindeu-tig als eigene Spezies erkannt werden kann: Wir haben unsere eigenen Alien-Rassen erschaffen. Eine Dyna-mik, die durch lokale Gegebenheiten wie Kolonien auf Mars oder Titan noch deutlich verstärkt wird.

Dennoch ist Genom keine Konzeptlektüre, die auf Horden technischer Begriffe oder komplexe soziale Sy-stemen setzt, sondern »nur« auf verdammt gute Unter-haltung. Leider endet das Buch aber mit einem fiesen Cliffhanger, der mit dem im Mai erscheinenden zwei-ten Teil hoffentlich aufgelöst wird. tl n

Der Monstrumologe

Wir schreiben das Jahr 1888: Der kleine Will Henry ist ein Waisenkind und arbeitet als As-sistent für den schrulligen Dr. Warthrope. Die

Beiden nennen das malerische Städtchen New Jerusa-lem in Neu-England ihr Zuhause und gehen einer eher seltenen Form der Wissenschaft nach, der Monstrumo-logie: Sie beschäftigen sich also mit der Erforschung und Vernichtung von Monstern. Als ein Leichendieb mit einem abstoßenden Fund zu dem ungleichen Ge-spann kommt, nimmt Warthrope die Spur einer töd-lichen Bedrohung durch die gefräßigen »Anthropo-phagen« auf.

Schon die Aufmachung von Der Monstrumologe mit seinem stimmungsvollen Cover und den linol-schnittartigen Illustrationen macht Lust darauf, das Buch in die Hand zu nehmen. Die Geschichte selbst enttäuscht ebenfalls nicht. Ja, der Plot ist manch-mal etwas gestreckt und auch in den Dialogen gibt es Schwächen, grundsätzlich aber liefert Yancey, eine soli-de, altmodische Gruselgeschichte ab. Dosierte Schock-momente und ein Hauch Ekel bieten Stoff für wohlige Gänsehautschauer. cz n

Pulsarnacht

Einmal mehr entzweit Dietmar Dath die SciFi-Welt: Er erzählt eine Geschichte, so vielschichtig, wie man sich nur eben vorstellen kann, hemmt aber

deren Fluss durch eine Kaskade von Begrifflichkeiten und mit einer beinahe störenden Ideenflut, gerade die zahllosen Wortneuschöpfungen stören das Lesevergnü-gen fast. Zwar werden jene am Ende des Buches aus-führlich beschrieben, doch hindert gerade das häufige Nachschlagen den Leser daran, komplett in die sehr glaubhafte Welt einzutauchen.

Die Handlung, die der Klappentext ankündigt, wird

Bücher & Comics

Titel Stadt der FremdenAutor China Miéville

Verlag Bastei Lübbe • Umfang 432 Seiten • Preis 9,99ISBN978-3404206797

Titel GenomAutor Alan Dean Foster

Verlag Bastei Lübbe • Umfang 352 Seiten • Preis 8,99ISBN 978-3404207060

Titel Der MonstrumologeAutor Rick Yancey

Verlag Bastei Lübbe • Umfang 411 Seiten• Preis 8,99ISBN 978-3-404-20667-4

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dabei zur Nebensache. Hier heißt es, dass die Be-wohner der von Dath geschaffenen Welt eine soge-nannte Pulsarnacht erwarten. In dieser Nacht sollen alle Pulsare zeitgleich aufhören zu rotieren, dieses Phänomen soll zu einer Auflösung der Gesetze der Physik führen. Stattdessen berichtet Dath sehr facet-tenreich von einer vom Krieg gezeichneten blutrün-stigen Welt, von politischem Wandel und von einem wieder aufflammenden Konflikt.

Wer die Alien-Reihe und zuletzt Prometheus der esoterisch-technischen Stimmung wegen zu sei-nen Lieblingsfilmen zählt, sollte bei Pulsarnacht zuschlagen. Dath bietet düstere Atmosphäre, un-zählige Parallelen zur Gegenwart und viele interes-sante Ausblicke auf eine mögliche Zukunft, die die-sen Roman beinahe zum Bersten bringen. Dadurch ist Pulsarnacht aber keine leichte Kost: Schon die komplexe Struktur von Daths Sprache zwingt zum mehrfachen Lesen vieler Sätze. tl n

Die Götter von Whitechapel

Aus heimischer Feder kommt ein außergewöhn-liches Roman-Debüt, das dem Bereich des Steampunks zuzuordnen ist: London ist ge-

teilt, die Stadt wird zu Zeiten Viktorias nicht nur von

der englischen Königin regiert. Die Bevölkerung im Stadtteil Whitechapel lebt unterjocht und von den gottgleichen Wesen Mama Maschine und Großväter-chen Uhr beherrscht.

Diese beiden Wesen verwandeln Menschen in wil-lenlose Diener, deren Organe nach und nach durch Mechanik ersetzt werden. Zusammen mit den ro-boterartigen Kesselmännern terrorisieren diese »Gold-« und »Schwarzmäntel« genannten Scher-gen die Einwohner im Osten Londons.

Trotz eines bereits einmal niedergeschlagenen Aufbegehrens der Unterdrückten ist der Wille der Bevölkerung zum Widerstand nicht erloschen. Re-bellen um den charismatischen Anführer Oliver planen, mit einer speziellen Waffe die Herrschaft der Götter von Whitechapel ein für alle Mal zu bre-chen. In diesem Kampf jedoch gibt es mehr als nur die zwei Seiten. So nutzt der mysteriöse John Scared seinen Einfluss für ganz eigene Ziele, die ihn in der Schlacht um London zu äußerst gefährlichen Mit-teln greifen lassen.

Die Götter von Whitechapel ist ein extrem le-senswertes Buch, nicht nur für Steampunk-Fans. Johannes Heim n

Gefangen in Harmony

Ein Unfall in einer Geisterbahn lässt die 15-jäh-rige Maddy Grant ins Koma fallen, dabei wird ihr Gehirn schwer geschädigt. Zum Glück gibt

es Hoffnung: Dank einer neuartigen Behandlungs-methode wird ein Teil ihres Hirns durch Elektronik ersetzt. Doch was ihr ein normales Leben ermög-lichen soll, lässt sie zum Übermenschen werden – mit einem IQ jenseits des Messbaren, der Fähig-keit rasant Informationen zu verarbeiten und dem Talent, aus alltäglichen Dingen tödliche Waffen zu basteln. Maddy merkt schnell, dass irgendetwas mit ihr nicht mehr in Ordnung ist.

Gefangen in Harmony zeigt sich als krude Mi-schung aus Jugendroman, SciFi, Gesellschaftskritik und MacGyver. Überraschenderweise ist dabei ein unterhaltsamer Roman herausgekommen, der den Leser atemlos von einer Szene zur nächsten hetzt, um dann relativ offen zu enden. Da scheint wohl eine Fortsetzung geplant zu sein. Nett, gerne mehr davon. cz n

Titel PulsarnachtAutor Dietmar DathVerlag Heyne Umfang 432 Seiten • Preis 13,99ISBN 978-3453314061

Titel Die Götter von WhitechapelAutor S. M. PetersVerlag Feder&Schwert Umfang 448 Seiten • Preis 13,99ISBN 978-3-86762-103-8

Titel Gefangen in HarmonyAutor Walter GreatshellVerlag Bastei LübbeUmfang 367 Seiten • Preis 8,99ISBN 978-3-404-20672-8

Erhältlich abSommEr 2013

Heidelberger Spieleverlag

präsentiert vom:

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www.heidelbaer.de

Erhältlich ab Mai 2013

TM

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Page 16: M56_Buch

Tipp

Tipp

16 | Mephisto 56

Bücher & Comics

Zwischen Simulation und Narration

Rollenspieltheorie ist im deutschsprachigen Raum ja ein noch ziemlich unbeackertes Feld. David Ni-kolas Schmidt legt nun mit diesem 400-seitigen

Brocken eine literaturtheoretische Arbeit über Rollen-spiele vor, welche sich sinnigerweise auf die drei Sy-steme konzentriert, die in Deutschland die wohl größ-ten, aktivsten und langlebigsten Fangemeinden haben: DSA, Shadowrun und Cthulhu.

Die akademische Herangehensweise gereicht dem Buch durchaus zum Vorteil: Sorgfältig und verständlich cha-rakterisiert Schmidt erst einmal die verschiedenen Ele-mente von Fantasy-Rollenspielen (Regeln, Rollen, Genres) und breitet seinen erzähl- und spieltheoretischen Werk-zeugkasten aus, mit dem er den drei ausgewählten Rol-lenspielen dann in den folgenden Kapiteln zu Leibe rückt. Dabei konzentriert sich der Autor vor allem auf das Text-material und auf den Wandel der jeweiligen Systeme und untersucht die Herausbildung von bestimmten Leitkon-zepten wie z.B. dem des »fantastischen Realismus« bei DSA. Anschließend widmet er sich noch einmal ausführ-lich dem Verhältnis von Brettspielelementen, Simulation, Erzählen und Darstellen im Rollenspiel und kommt zu dem Schluss, dass in der Entwicklung vom »Wargaming« übers Rollenspiel bis hin zum »Storytelling game« die er-zählerischen Aspekte immer stärker hervorgehoben wur-den. Abschließend unternimmt Schmidt dann den ehrgei-zigen Versuch, Rollenspiel insgesamt als Erzählgattung zu bestimmen, wobei er auch auf Theorien wie Laws »Spie-lertypen« oder Ron Edwards »Big Model« eingeht. An die-sem Punkt wird der Unterschied zwischen Schmidts eher literaturwissenschaftlichem Vorgehen und den Ansätzen von Laws und Edwards deutlich: Letztere sind praktischer orientiert und untersuchen das Geschehen am Spieltisch mit dem Ziel, neuartige Ansätze für Regelwerke zu entwi-ckeln. Schmidt untersucht dagegen eher die vorliegenden Regeltexte und Weltbeschreibungen von DSA, Shadowrun und Cthulhu und zieht daraus seine Schlüsse darüber, wie Rollenspiele ablaufen und was sie ausmacht.

Da diese drei Systeme nun mal eine sehr konser-vative Vorstellung vom Rollenspiel vermitteln, wirkt Schmidts Charakterisierung des Rollenspiels ebenfalls etwas altbacken. Beispielsweise schlägt er die strik-te Trennung von Spieler- und Charakterwissen als ein zentrales Element aller Rollenspiele vor oder geht da-von aus, dass Regeln im Rollenspiel die Realität der Spielwelt simulieren. Das trifft bei DSA zu, Systeme wie das inzwischen auch ins Deutsche übersetzte FATE pas-sen aber bereits nicht mehr so recht ins Raster.

Insgesamt ist Zwischen Simulation und Narration aber eine kluge, umfassende und durchaus kurzweilige Untersuchung der drei im deutschsprachigen Raum bedeutendsten Systeme, und insbesondere im Fall von DSA wird der radikale Wandel der Hintergrundwelt, der Regeln und des von den Texten suggerierten Spiel-stils anschaulich und unterhaltsam dargestellt. Für Fans von DSA, Shadowrun und Cthulhu ein echter Gewinn! Jakob Schmidt n

Der Aufstand der Ungenießsbaren

2020 ist von dem heutigen Staat Kroa-tien nicht mehr viel übrig: Sieben ummauerte Städte wurden zu ei-

ner Holding vereint, die Küste und Inseln gehören Off-shore-Firmen und Banken, Autobahnen und Trinkwas-serquellen sind umzäunt. Alles außerhalb von Mauern und Zäunen ist ein rechtsfreier Raum, die sogenannte »Zone«, innerhalb herrscht Geld und Ordnung.

»Die Ungenießbaren« nennt sich eine Gruppe von Leuten, die sich dem Konsum und der allgegen-wärtigen Gier verweigern, die sich etwa frisches Es-sen aus den Müllcontainer von Supermärkten holen, die Verwertung sinnloser Überproduktion. Sie geben sich selbst »kostenlose« Namen wie »Fraktalfrau« und »Gärtner«, und beginnen, sich aktiv gegen eine HUKEIVEBRE genannte Organisation zu stellen, die seit 1991 die Privatisierung nutzt, um sich selbst zu berei-chern. Dabei geht gerade Gärtner skrupellos vor, fol-tert und tötet und wirft so die ewig aktuelle Frage nach dem Zweck und den Mitteln auf.

Dem Schriftsteller und ehemaligem Kriegsbericht-erstatter Popovic ist ein extrem dichter, eindringlicher und beunruhigender Roman über Widerstand und Ge-wissen, Kampf und Aussöhnung gelungen. Eine Dysto-pie, die in ihrer Radikalität wenig gemein hat mit den zahlreichen aktuellen All-Age-Romanzen, die unter diesem Label angeboten werden. bk n

Hiobs Spiel �: Verlierer

Sechs Jahre sind seit dem zweiten Teil Traumtänzer vergangen, bis Ende 2012 der langersehnte dritte Band von Hiobs Spiel erschienen ist.

Noch immer versucht der Magier Hiob Montag im mehr oder weniger heutigen Berlin durch das Spie-len des Spiels die Welt zu retten. Sein Gegenspieler ist NuNdUuN, eine Gestalt zwischen Satan und Gott, den er nicht hätte ohrfeigen sollen. Und noch viel weniger hätte er sich darauf einlassen sollen, es zugleich mit zwei dämonischen Manifestationen auf einmal aufzu-nehmen, auch wenn er so die doppelte Punkteanzahl gewinnen kann. Oder eben auch verlieren. Während er noch mit seiner Entscheidung hadert, macht sich der gefürchtete Kopfgeldjäger des Wiedenfließes, »Souldi-ver Bloodfork«, auf den Weg und zugleich entsteht in Böhmen etwas Unheimliches, als unter der Erde alte Giftgasfässer explodieren.

Trotz des Titels Verlierer ist der dritte Band von Hi-obs Spiel nicht ganz so grausam niederschmetternd wie etwa der erste; die Sozialkritik bekommt ein we-nig mehr Raum, und Hiobs Selbstbewusstsein ist ange-schlagen. Jeder Band von Hiobs Spiel ist eine Nuance anders, zusammen ergeben die Bücher weiterhin eines der weltweit innovativsten und eigenständigsten Phan-tastikwerke der Gegenwart, inhaltlich und sprachlich einfach außergewöhnlich. bk n

Titel Zwischen Simulation und Narration: Theorie des Fantasy-Rollenspiels

Autor David Nikolas SchmidtVerlag Peter Lang • Umfang 403 Seiten • Preis 64,00

ISBN 978-3631636213

Titel Der Aufstand der UngenießbarenAutor Edo Popovic

Verlag Luchterhand • Umfang 189 Seiten • Preis 17,99ISBN 978-3-630-87357-2

Titel Hiobs Spiel 3: VerliererAutor Tobias O. Meißner

Verlag Golkonda • Umfang 388 Seiten • Preis 24,90ISBN 978-3-942396-20-2

Page 17: M56_Buch

Mephisto 56 | 1�Bücher & Comics | 17

Pelikan Protokoll 1: Erste Phase

Das Duo Marazano und Ponzio legt nach dem ge-lungenen Schimpansenkomplex eine weitere Nah-Zukunfts-Geschichte vor: Pelikan Protokoll.

Hier werden zwölf unterschiedliche Menschen ver-schleppt, eine Verbindung zwischen ihnen scheint es nicht zu geben. Ein jeder wird in eine eigene Zelle ge-steckt, überwacht von einer Kamera über der Stahl-tür. Doch auch ihre Wärter werden von Kameras über-wacht, alles wird von Wissenschaftlern aufgezeichnet. Wer kooperiert, wer lügt, wer leistet Widerstand? Und wie reagieren die Gefangenen, wenn man sie zusam-menbringt, was für eine Gruppendynamik entsteht, auch zwischen ihnen und den Wärtern?

Die Bilder und Farben fangen die Kälte des Gefäng-nisses und des Experiments gut ein, die wichtigsten Figuren werden sehr schnell plastisch und das Gesche-hen für den Leser greifbar, obwohl sich der tiefere Sinn der Versuchsanordnung noch nicht erschließt. Erste Phase ist der Auftakt eines spannenden, ausgefeilten, vierbändigen Science-Thrillers, der mehr mit unter-schwelliger Bedrohung als Action aufwartet, und doch bleibt das Gefühl, alles kann ständig explodieren. bk n

Crossed 2: Familienbande

Wir erinnern uns: 2008 veröffentlichte Preacher-Mastermind Ennis mit Crossed eine Comicrei-he, die in ihrer Brutalität durchaus fragwür-

dige Maßstäbe setzte. Deren zweites Kapitel wollte er seiner Seele dann aber nicht mehr zumuten und über-gab das blutige Zepter an das Team Lapham/Barreno. Wie konsequent diese beiden das Erbe weiterführten, lässt sich nun in Familienbande nachlesen.

In naher Zukunft wird die Erde von einer Seuche geplagt, die Tod und pure Anarchie bringt: Wie Zom-

Titel Zwölf Wasser: Zu den AnfängenAutor E.L. Greiff

Verlag DTV premium • Umfang 594 Seiten • Preis 16,90ISBN 978-3-423-24914-0

bies erheben die Verblichenen sich und trachten fortan nach Mord, Sex oder einer Kombination aus beidem. Auch die Großfamilie Pratt auf ihrer Farm wird davon überrollt und muss in die Weite North Carolinas flie-hen. Bald stellt sich so die Frage, wo das schlimmere Übel lauert: In den Hirnen der Kranken oder in den Herzen der eigenen Verwandtschaft?

Auf dieser Basis konstruieren Lapham und Barreno ein klassisches Familiendrama mit gelungenen Twists, das durchaus Anspruch bietet. Verstörend und grenz-wertig ist allerdings, dass sie ihren Plot in erster Linie nutzen, um Moral und gesunden Ekel mit einem Ar-senal von Abartigkeiten zu bombardieren. Diese sind grafisch tadellos umgesetzt, fungieren letztlich aber als reine Provokation und schaden Familienbande da-durch eher. ml n

Holy Terror

Irgendwie traurig: Mit einer Arbeit hat es Comic-Iko-ne Miller geschafft, seine auf grandiosen Sin City-, Batman- und Ronin-Epen gründende Karriere nach-

haltig zu erschüttern: Schon lange für eine rechtsla-stige Denke bekannt, hat es sich der alte Mann nicht nehmen lassen, seine Sicht auf den Islam und seine Probleme in eine Graphic Novel zu stopfen. Das bittere Resultat ist Holy Terror.

Richter und Katze sind zwei Superhelden, die sich durch die Nacht von Empire City jagen, prügeln und küssen (sic) und genau wie der Rest der Stadt völlig unvorbereitet sind, als die Katastrophe geschieht: Eine junge arabische Studentin zündet eine Nagelbombe und startet damit eine Reihe von Attentaten musli-mischer Fanatiker auf das Herz des Landes. Während die Polizei sich noch mit Vorschriften plagt, antwortet das ungleiche Paar alttestamentarisch: Auge für Auge, Zahn für Zahn.

Was auf diesen populistischen Ansatz folgt, ist die kaum verhüllte Rachephantasie eines so ängstlichen wie verbitterten Autoren. In Zeichnungen, die selbst für seine Verhältnisse denkbar unstrukturiert ausfallen, tischt Miller in Holy Terror eine schlicht erbärmliche Palette von faktisch falschen Inhalten und menschen-verachtenden Dialogen auf. Provokant ist das nicht, nur irgendwie traurig. ml n

Zwölf Wasser: Zu den Anfängen

Das Wasser des »Kontinents« schwindet und mit ihm die Menschlichkeit. Die Gemeinschaft der Undae – hohe Frauen, die das Wasser lesen kön-

nen – warnt die Menschheit vor den verheerenden Fol-gen. Um das Schlimmste abzuwenden, machen sich drei von ihnen zusammen mit dem Hirten Babu und dem Krieger Felt auf den langen Weg zu den zwölf Quellen. Erster Band einer intelligenten, philoso-phischen High Fantasy-Trilogie mit deutlicher Bot-schaft. cz n

Titel Pelikan Protokoll 1: Erste PhaseAutor Richard Marazano, Jean-Michel PonzioVerlag Splitter • Umfang 56 Seiten • Preis 13,80ISBN 978-3-86869-562-5

Titel Crossed 2: FamilienbandeAutor David Lapham, Javier BarrenoVerlag Panini • Umfang 180 Seiten • Preis 19,95ISBN 978-3-862-01460-6

Titel Holy TerrorAutor Frank MillerVerlag Panini • Umfang 120 Seiten • Preis 29,95ISBN 978-3-862-01413-2

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1� | Mephisto 56

Hörbücher

Titel Artemis FowlAutor Eoin Colfer

Verlag Hörbuch HamburgISBN 978-3-89903-372-4

Titel Grischa: Goldene FlammenAutor Leigh Bardugo

Verlag SilberfischISBN 978-3-86742-133-1

Titel Der Zwerg reinigt den KittelAutor Anita Augustin

Verlag Hörbuch HamburgISBN 978-3-89903-378-7

Titel Reise nach KalinoAutor Radek Knapp

Verlag OsterwoldISBN 978-3-86952-136-7

Artemis Fowl

Artemis Fowl ist der Nachfahre einer alten Verbre-cherdynastie und obwohl er nur ein Kind ist – wenngleich ein geniales – sieht er sich gezwun-

gen, das Einkommen seiner Familie zu sichern, nach-dem sein Vater verschwunden ist. Zusammen mit sei-nem Butler und Leibwächter namens Butler und dessen Schwester macht er sich an einen tollkühnen Plan: eine Elfe entführen und für sie Gold erpressen. Er gerät aus-gerechnet an Holly Short und zieht damit den Zorn der gesamten Polizeikräfte der Feenwesen auf sich. Entspre-chend groß ist das Chaos, wenn das Fowlsche Anwesen in eine Zeitblase gefangen wird und Trolle und Tricks zum Einsatz kommen, um Artemis zu stoppen, der jedoch seinen Gegner immer ein Stück voraus zu sein scheint.

Der erste Teil der Reihe Artemis Fowl ist amüsant gelesen, und Rufus Beck steigert sich wunderbar in die Charaktere hinein, so dass das Hörbuch einem jungen (oder jung gebliebenen) Publikum als netter Zeitver-treib zu empfehlen ist. bl n

Grischa: Goldene Flammen

Alina ist eine junge Waise, die zusammen mit ih-rem Freund Maljen aufgewachsen ist. Beide sind in die Armee eingetreten: Maljen als einer der be-

sten Fährtenleser und sie als eher mittelmäßige Kar-tographin. Als ein Einsatz die beiden zusammen in die Schattenflur, ein magisch geschaffenes Stück Ödland voller gefährlicher Bewohner, führt, geraten sie in ei-nen schweren Angriff, bei dem Alina überraschende Kräfte zeigt und die Finsternis mit Licht zurückschlägt. Die Grischa, eine magische Elite, nimmt Alina als die Sonnenkriegerin bei sich auf, und deren Anführer, der Dunkle, sieht in ihr den Weg, die Schattenflur zurück-zudrängen. Alina kommt an den Hof des Zaren, genießt die Gunst des Dunklen und zweifelt an ihren eigenen Fähigkeiten – bis eine weitere Offenbarung ihr Leben erneut umkrempelt.

Grischa ist in einem alternativen Zarenreich ange-siedelt, in dem ein schwacher Zar durch die mächtigen Grischa-Zauberer beraten wird. Das Zarenreich steckt im Krieg, und die Schattenflur ist ein weiteres Problem, da sie das Land teilt. Doch diese großen Probleme ver-blassen für Alina in Anbetracht ihres Gefühlschaos. Grischa richtet sich an ein jugendliches (und eher weibliches) Publikum und kombiniert eine durchaus spannende Geschichte mit einer Protagonistin, die mit den Problemen eines Teenagers zu kämpfen hat. bl n

Der Zwerg reinigt den Kittel

Almut Block ist Rentnerin – und keine Glückliche. Der »Rentenschock« hat sie hart erwischt, und während sie sich kettenrauchend im Bett zum

Sterben hinlegt und alte Erinnerungen durchstöbert, melden sich drei alte Freundinnen mit einem Plan: in ein gutes Pflegeheim zu gehen und Pflegegeld mit si-mulierten Leiden abzustauben. Doch etwas ist schief gegangen, denn nun sitzt Almut Block einem Gefäng-nispsychologen gegenüber und muss die ganze Ge-schichte von vorne erzählen – wie sie und ihre Freun-dinnen ihren Plan geschmiedet haben und die Vorfälle dann eskaliert sind.

Stimmenmäßig mit Mechthild Großmann wohl ideal besetzt erzählt Almut Block zynisch, ironisch und hart, wie das Rentendasein sie aus der Bahn gewor-fen hat – von unfähigen Zivis, fiesen Oberschwestern und verrückten Mitbewohnern. Das Hörbuch karikiert die Personen und zeigt, wie sich beide Seiten, Bewoh-ner und Pflegepersonal, das Leben schwer machen, ohne dabei Stellung zu beziehen. Dabei gelingt es Anita Augustin das Thema Altwerden treffend, augenzwin-kernd und kritisch zu verarbeiten und dabei langsam und Stück für Stück auf ein böses, überraschendes Ende hinzuarbeiten. Aus meiner Sicht ist Der Zwerg reinigt den Kittel ein ungewöhnliches und äußerst gelungenes Hörbuch. bl n

Reise nach Kalino

Julius Werkazy ist Privatdetektiv – allerdings nicht besonders erfolgreich. Umso mehr verwundert es ihn, dass er nach Kalino reisen soll, denn Kalino

ist ein utopischer Stadtstaat, den kaum ein Außenste-hender betreten hat. Dort soll er für den Gründer der Stadt einen Mord aufklären. In Kalino angekommen, wird ihm der Kontakt zu den Kalinianern größtenteils verwehrt, doch es wird klar, dass sie anders als ande-re Menschen sind: Nicht nur ewig jugendlich und at-traktiv sind ihnen auch Konzept wie Krankheit und Tod unbekannt. Nur die wenigen anderen »Papierge-sichter«, wie die Kalinianer andere Menschen nennen, bieten eine Anlaufstelle für Werkazy, der langsam hin-ter die Geheimnisse Kalinos kommt…

Reise nach Kalino mischt eine klassische Detektiv-geschichte, bei der der Protagonist bei einem Zeugen nach dem anderen auf den Busch klopft und die Arche-typen wie die kühle Schöne oder den mächtigen Direk-tor trifft, mit einer sonderbar futuristischen Stadt, deren

Hörbücher

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Mephisto 56 | 1�rr

r

Zauberfeder Verlag72 Seiten, 21 x 29,7 cmISBN 978-3-938922-38-5nur 19,90 Euro

Was erwartet mich auf einem Live-Rollenspiel? Wo finden diese Veranstaltungen statt? Und: Was soll ich bloß anzie-hen? All das sind Gedanken, die einen Neuling zu Recht beschäftigen. Antworten auf diese und weitere Fragen gibt das Buch LARP – Einstieg in ein phantastisches Hobby. Es erklärt die wichtigsten Begriffe, stellt unterschiedliche Spielvarianten und Darstellungsmöglichkeiten vor und gibt Tipps zur erforderlichen Ausrüstung. Das Buch soll Einsteigern beim Start in das Hobby helfen und auch dazu anregen, einen ganz eigenen Spielstil zu finden.

phantastisches HobbyEinstieg

in ein

NEU

www.zauberfeder-shop.dewww.zauberfeder-verlag.de

Fremdartigkeit zunächst viele Fragen aufwirft. Reise nach Kalino ist mit seiner Mischung aus klassischem Detektiv- und Science-Fiction-Roman ein unge-wöhnliches Hörbuch, doch leider sorgt der klassische Ansatz dafür, dass das Ende vorhersehbar ist. bl n

Der Wobbit

Milbo Muffin ist ein normaler Wobbit – und von daher überrascht, als der Zauberer Ranndarf mit 13 Zwergen in seiner Woh-

nung aufkreuzt, seine Whisky-Vorräte plündert und ihn für einen Job anheuern will, mit dem Zwerge ihr Bankhaus als Finanzgesellschaft neu gründen wol-len. Genauer gesagt soll nach Vorstellung des Pro-jektleiters Ranndarf der Wobbit als Berater des Un-ternehmens den Teil des Projekts übernehmen, bei dem der Drache erschlagen wird, der sich der Bank bemächtigt hat. Also bricht die Gesellschaft auf, trifft auf mafiöse Orks, arrogante Elben, hungrige Spin-nen und unkooperative Seestadtbewohner, die sie trotz (und nicht aufgrund) der Fähigkeiten des Pro-jektleiters und seines Plans überlebt…

Der Wobbit ist (wenig überraschend) eine Parodie von Tolkiens Der Hobbit und verpasst dem Klassiker einen moderneren Anstrich. Auch wenn Milbo etwas eigennütziger als Bilbo ist (und etwa die Zwerge an die Trolle verfüttern will), bleibt Der Wobbit so nah an der Vorlage, das er kaum über-rascht und aus meiner Sicht auch nur selten zum Schmunzeln einlädt. bl n

Der Ursprung des Bösen

Mathias Freire ist Psychiater und wird mit einem interessanten Fall konfrontiert: Ein Patient leider an einer Störung, die »Rei-

sender ohne Gepäck« genannt wird. Die ganze Le-bensgeschichte des Patienten ist nach einem Schock verschwunden und durch Fantasien ersetzt worden – der Patient ist praktisch zu einer anderen Person

geworden. Auslöser scheint ein bestialischer Mord zu sein, durch den die zweite Protagonistin, eine Kom-missarin, ins Spiel kommt. Klingt dies noch nach recht klassischem Krimi, sieht sich der Psychiater bald damit konfrontiert, dass er selbst ein Reisender ohne Gepäck ist und möglicherweise mehr mit den Vorkommnissen zu tun hat, als er ahnen konnte…

Der Ursprung des Bösen ist ein psychologischer Thril-ler von Grangé der eine sehr komplexe Story spinnt, die an einigen Stellen sich zwar weit aus dem Fen-ster lehnt und auch auf die angedeutete Liebesge-schichte zwischen den Protagonisten und dem Ac-tion-Finale nicht verzichten kann, auf dem Weg aber einige Überraschungen für den Leser bereit hält – und nicht zuletzt aufgrund des Leser-Duos empfehlenswert ist. bl n

Quest

Das Reich Gheera wird vom Sternenkaiser be-droht und nichts scheint diesen unaufhalt-baren Feind stoppen zu können. Unter dem

Kommando von Eftalan Quest bricht ein Raumschiff auf, um einen außergewöhnlichen Plan zu verfol-gen: Nachdem Quests Mannschaft einen Hort des Wissens geplündert hat, macht sich die Besatzung auf, den legendären Planet des Ursprungs zu fin-den, von dem alles Leben im Universum stammen soll. Dafür soll zunächst eine der alten Rassen der Galaxie gefunden werden, doch auf dem Weg treffen sie zunächst auf ein vor Jahrhundeten havariertes Raumschiff mit einem mysteriösen Überlebenden…

In dem Science-Fiction-Hörbuch Quest tref-fen bei der Suche nach dem Ursprungsplaneten des Lebens eine Reihe sehr unterschiedlicher Charaktere aufeinander, die alle sehr unterschiedliche persön-liche Ziele haben und zu der in Klassen eingeteilten Gesellschaft an Bord des Schiffs jeweils eigene Per-spektiven haben. Trotzdem bleiben die Charaktere oberflächlich und das Ende, bei dem fast alle Cha-raktere persönlich scheitern, fand ich alles andere als befriedigend. Es gibt eine Reihe hervorragendes Hörbücher von Andreas Eschbach, doch dies gehört meiner Ansicht nach nicht dazu. bl n

Titel Der Ursprung des BösenAutor Jean-Christophe GrangéVerlag Lübbe AudioISBN 978-3-7857-4601-1

Titel QuestAutor Andreas Eschbach

Verlag Lübbe AudioISBN 978-3-7857-4663-9

Titel Der WobbitAutor Paul EricksonVerlag OsterwoldISBN 978-3-86952-139-8

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Videospiele

20 | Mephisto 56

VideospieleDead Space �

Als der junge Isaac Clarke seinen Job als Weltraum-ingenieur bei der Handelsmarine begann, hat er nicht damit gerechnet, eines Tages mit seinem

Plasmaschneider Aliententakel statt Reflektorplatten in handliche Stückchen zu shreddern. Schuld an die-sem radikalen Jobwechsel sind die Marker. Rätselhafte, uralte Alienartefakte, die zwar das Potential für endlos nutzbare Energie in sich bergen, allerdings auch Men-schen in stachelbewehrte, blutrünstige Alienzombies ver-wandeln. Bereits zwei Mal musste Isaac gegen die Necro-morph kämpfen und kam knapp mit dem Leben davon.

In Dead Space � wird enthüllt, was es mit den Mar-kern auf sich hat und wer wirklich für die immer wei-ter um sich greifende Zombieseuche verantwortlich ist.

Die Dead Space-Serie vermischt Survival Horror à la Resident Evil mit einem Weltraumszenario, das an Ali­en oder Event Horizon erinnert, und fügt dem ganzen einen unfreiwilligen Helden hinzu. So wie sich Isaac Clarke im Laufe der Spiele vom unbedarften Raum-schiffschrauber zum professionellen Necromorph-Kil-ler entwickelt hat, so wandelte sich auch Dead Space langsam zu einem actionlastigeren Game, um der Er-fahrung seines Helden gerecht bleiben zu können.

Nach wie vor erleben Sie Isaacs Kampf in 3rd-Per-son Perspektive, erkunden finstere Raumschiffgänge, die Leere des Alls und dieses Mal den Eisplaneten Tau Volantis, der wohl von John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt inspiriert ist. Endlose und wunder-schön gestaltete Eiswüsten, im Blizzard flatternde Zelt-planen und frostbedeckte Stahlwände – eine stimmige Atmosphäre und aufwendige Grafik sind nach wie vor Markenzeichen der Serie. In Sachen Handlung sollten Sie allerdings keine Wunder erwarten. Streng nach Drehbuch begeben Sie sich auf die Suche nach dem Ursprung der Marker, stellen sich einem farblosen Bö-sewicht und kämpfen währenddessen auch noch um die Liebe ihrer Freundin Ellie.

Sie schießen und stampfen mit Isaac nicht mehr aus-schließlich durch Mutantenhorden, erstmals treten Sie auch gegen menschliche Soldaten der Unitology-Sekte an, die ebenfalls hinter den Alienartefakten her sind. Eine willkommene Auflockerung des Gameplays und der Dramaturgie, auch wenn die Sondereinsatzteams aufgrund einer beschränkten KI häufig nicht sonder-lich clever agieren – die Necromorph sind eindeutig die größere Bedrohung. Die Biester brechen aus Lüftungs-schächten hervor, springen einen aus Schneewehen an oder bevölkern die leerstehenden Ruinen des Planeten.

Die Gegnerdichte hat fraglos zugenommen. Wäh-rend der erste Teil noch auf plötzlich auftauchende Gegner und die Einsamkeit des Weltalls setzte, vermit-telt Dead Space � ein anderes Spielgefühl. Wenn Hor-den von brabbelnden, zuckenden Körpern aus dem Dunkel einer Lagerhalle auf Isaac zustürmen, ist es weniger Horror, den man empfindet, sondern Terror. Einen Terror, den man am besten nicht allein, sondern in Begleitung eines Mitspielers erleben sollte!

Die Entwickler implementierten einen kooperativen 2-Spieler-Modus, bei dem sich der EDF-Soldat John Car-ver an die Seite des Helden gesellt und dank geschickten Scripting ein leicht unterschiedliches Spielerlebnis er-laubt; zusätzliche optionale Nebenmissionen inklusive! Carver erhält einen eigenen Handlungsstrang. Anders als bisher, kann das Handwerkszeug zur Alienentsor-gung aus Einzelteilen zusammengeschraubt werden. Eine sinnvolle Neuerung, die dem Beruf des Protago-nisten endlich Rechnung trägt. Falls Sie keine Lust haben, auf Einzelteilsuche zu gehen, kann das Equip-ment aber auch aus gefundenen Ressourcen gebaut, oder gegen Echtgeld im Onlineshop gekauft werden.

Dead Space � ist ein würdiger Abschluss der Serie. Unsere Empfehlung: Investieren Sie in einen 5.1 Kopf-hörer, stellen Sie den Schwierigkeitsgrad auf »Schwer« und gehen Sie gemeinsam mit einem Freund auf die Suche nach dem Ursprung der Necromorph! im n

Titel Dead Space 3Publisher Electronic Arts | Visceral Games

System PC, Playstation 3, XBox 360USK ab 18 Jahre • Preis ca. 50,00

System­Voraussetzungen Core 2 Duo E4300, A64 X2 4400+, Geforce 9800 GT, 2,0 GB RAM, 11,0 GB HD

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Mephisto 56 | 21Videospiele | 21

Die Nordlandtrilogie

DSA-Spieler freuen sich nunmehr seit Jahren über einen steten Storm von neuen Games mit der Aventurien-Lizenz. Von den Drakensang-Rollen-

spielen, über das Point & Click Adventure Satinavs Ket­ten und das Browsergame Herokon Online, bis zum Action-RSP Das Schwarze Auge: Demonicon, das eben-falls noch 2013 erscheinen soll. So unterhaltsam, wie diese Games sein mögen, stehen sie doch im Schatten von drei Spielen; einer Serie, die in den Herzen von zahllosen Gamern auf ewig einen besonderen Platz haben wird. Noch vor Titeln wie Planescape: Torment oder Neverwinter Nights waren es drei Games von At-tic Entertainment, die in den 1990gern Computerrol-lenspiele definierten: Die Schicksalsklinge, Sternen­schweif, Schatten über Riva – Das Schwarze Auge: Die Nordlandtrilogie.

In Zusammenarbeit mit UIG Entertaiment arbeiten jetzt die ursprünglichen Entwickler mit einem Team von jungen Autoren daran, diese legendären Spiele grafisch überarbeitet und modernisiert wieder auf den Markt zu bringen. Wie jüngst ein Remake von Baldur‘s Gate (PC, Mac, iPad) bewies, entsprechen solche Ga-ming-Klassiker nicht mehr aktuellen Spielgewohn-heiten. Sie wirken auch in überarbeiteten Versionen spröde und antiquiert, doch sie erlauben uns einen Blick zurück in unsere Vergangenheit als Spieler. Sie machen Nostalgie erlebbar und ermöglichen es, diese alten Schätze auch heutzutage noch ohne technische Hürden einfach erleben zu können. Bereits im zwei-ten Quartal sollen Sie sich auf die Reise nach Thorwal, Prem und Riva machen können, um die Waffen des Schicksals erneut zu finden! im n

Remember Me

Was wäre Ihnen die Erinnerung an Ihre liebste Rollenspielrunde wert? Was würden Sie bereit sein, für die Erinnerung an Ihre Kindheit zu

zahlen? Würden Sie Ihr Leben riskieren, um sich an den ersten Kuss ihrer Frau, an die Geburt Ihrer Tochter, die Beerdigung Ihrer Eltern erinnern zu können?

Für Nilin, Protagonistin von Remember Me, gehö-ren diese Fragen zum finsteren Alltag. Sie arbeitet im Neo-Paris des Jahres 2084 im Auftrag der Firma Memo-rise als Erinnerungsjägerin, die anderen Menschen die Erinnerungen nimmt. Als Bezahlung für Waren und Dienstleistungen� und weniger freiwillig. Der Überwa-chungsstaat der nahen Zukunft sorgt mittels solcher Diebe dafür, dass jegliche Rebellion gegen die herr-schende Elite im Keim erstickt – und vergessen – wird. Als treue Handlangerin des Regimes wundert sich Nilin also zu Recht, weshalb sie zum Spielstart in einer Zel-le der Bastille erwacht. Ohne Erinnerungen, ohne Ver-gangenheit, ohne Existenz. Während der Beginn der Geschichte noch arg konventionell scheint, kombiniert das fertige Spiel ab Ende Mai Gameplayelemente ver-schiedenster Genres zu einem Cyberpunkthriller der etwas anderen Art.

Auf der Suche nach ihren Erinnerungen, schlei-chen Sie mit der gejagten Jägerin durch die futuri-

stischen Straßen von Paris, erklimmen Dächer und Balkone, editieren fremde Erinnerungen und prügeln sich in Beat‘em-Up-Kämpfen mit Regimetruppen und der 2084-Version von BTL-Junkies! Das Artdesign, die Ästhetik und die musikalische Untermalung des Spiels heben den Titel bereits jetzt von der Masse ab; die be-reits verfügbaren Concept Arts dürften jeden Shadow­run-Spieler glücklich machen! Remember Me könnte der erste Überraschungshit des Jahres werden. Wir be-richten in einer der nächsten Ausgaben ausführlicher über den Titel! im n

TelegrammIn der ersten Jahreshälfte erscheinen mehr vielverspre-chende Games, als im ganzen letzten Jahr zusammen. Hier eine kurze Auflistung der interessantesten Titel!

Bioshock: InfiniteDie Fortsetzung der Bioshock-Serie verschlägt den

Spieler diesmal in himmlische Höhen. Als Pinkerton-Detektiv reist man auf der Suche nach einer jungen Frau in die fliegende Steampunk-Stadt Columbia. Einst leuchtendes Symbol einer glorreichen amerikanischen Zukunft, nun isolierter Schauplatz eines blutigen Ban-denkriegs zwischen nationalistischen Gründern und der Widerstandbewegung Vox Populi.

Ausblick: Ein Egoshooter mit Fokus auf Story und Feuergefechte auf Achterbahnen!

Tomb RaiderIm Neustart der Serie begleiten wir die Popikone

Lara Croft zum Anfang ihrer Karriere. Square Enix will mit Persönlichkeit punkten. Lara ist nicht mehr die übermenschliche Mischung aus Indiana Jones und dem Seite-1-Mädchen der Bild-Zeitung, sondern ein normaler Mensch in einer extremen Situation.

Ausblick: Tomb Raider als ein ernsteres Abenteuer mit Survival-Elementen? Wir freuen uns drauf!

The Last of UsDie Welt, wie wir sie kennen, ist nicht mehr. Wider-

wärtige Mutanten und mordlüsterne Banden durch-streifen die pilzüberwucherten Reste der Zivilisation. Klingt ein bisschen wie Degenesis? Tatsächlich könnte The Last of Us so etwas wie die Vorgeschichte des Rol-lenspiels sein. 20 Jahre nach der Apokalypse schlagen Sie sich als Schmuggler Joel quer durch die USA, um das Mädchen Ellie vor dem Zugriff der Regimesoldaten zu retten.

Ausblick: Wir freuen uns auf packende Dialoge und ein Abenteuer, das Filmen wie The Road oder I am Le­gend auf die Plätze verweist! im n

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22 | Mephisto 56

Interview

Ein Resultat dieser Tatsache ist, dass nahezu alle Kulturen in Pulsarnacht eine relativ strenge, fast mi-litaristische Ordnung eint, deren rationale Gnaden-losigkeit im Buch aber alternativlos wirkt. Glauben Sie, dass jede gesellschaftliche Dynamik diese Konse-quenz haben muss?

Überhaupt nicht. Aber die Geschichte behandelt zu-nächst Zonen und Situationen, in denen militärische Tugenden verlangt sind, und behandelt andere, in de-nen das nicht der Fall ist – Kunst, Liebe – zunächst, als wären sie Randbereiche. Der Witz ist natürlich, dass sich das dann umkehrt. Die beste Killerin ist am Ende nahezu nutzlos, die Geschichte geht über sie hinweg, weil sie von etwas anderes handelt und Verstehen ein-fach wichtiger ist als Besiegen.

Angetrieben werden die Ereignisse in Ihrem Buch trotzdem im besonderen Maße durch Gewalt, von alltäglichen Streitigkeiten bis hin zum interkultu-rellen Krieg. Ist Konflikt in ihren Augen ein Motor gesellschaftlicher Prozesse?

Natürlich, aber ein sehr primitiver. Dass man längst weiter ist, das müssen am Ende im Buch ja alle lernen. Aber die Ausgangssituation ist ein Konflikt, weil das Buch zwei Behauptungen gegeneinander stellt: Entwe-der ist die Utopie die Wiederherstellung der Kindheit, der Familie, der Tradition – so bei der Figur Shavali Castanons. Oder die Utopie ist die Zerstörung aller Bin-dungen an Kindheit, Familie, Tradition – davon erzählt die Handlung um César Dekarin. In meinen Augen ha-ben sie haben allerdings beide unrecht, die Wahrheit ergibt sich aus der Begegnung, die nicht mehr Konflikt ist, sondern Erkenntnis.

Bis dahin ist es ein weiter Weg. Wie reagieren Sie persönlich und emotional auf die rationale Wahr-scheinlichkeit unvermeidbarer, ferner Kriege?

Keine Katastrophe ist die letzte. Das ist pessimistisch (es gibt immer wieder Katastrophen) und optimistisch (keine zerstört alle Chancen auf etwas Besseres).

Erwähnt wird in Pulsarnacht auch ein Wandel der Kunst, der analog zum technologischen Fortschritt stattfindet. Wie lassen sich beide Welten miteinan-

die Welt ist kein Kopf

Zum GlückFragen Max Link Ein Interview mit

Dietmar Dath

Der Freiburger Autor Dietmar Dath ist schon in dieser Hinsicht eine Ausnahmerscheinung, tritt er doch in der Öffentlichkeit und seinen Arbeiten

als hochpolitischer Autor auf und offensiv für die Ideen des Neo-Marxismus ein. Seiner Sprachgewalt und einem reichhaltigen Fundus phantastischer Bildung ist es dabei zu verdanken, dass diese ideologische Prägung die literarische Qualität seiner Arbeiten nicht überla-gert. Zur Folge hat das aber auch, dass Daths Bücher erstens Freunde und Gegner aufs Schärfste trennen und zweitens jedem Leser, egal welchem Lager er sich zurechnet, ein immenses Maß an Wissen, Geduld und Konzentration abverlangen.

Das ist auch im Fall von Pulsarnacht nicht anders, dem neuesten Eintrag in Daths schon jetzt immenser Bibliographie. Anlässlich des Erscheinens dieses Epos führte Max Link ein Gespräch mit dem umtriebigen Autoren, Journalisten und Denker, in dem die gan-ze Bandbreite, Konsequenz und Präzision von Daths Phantastik zum Ausdruck kommt.

Der Kosmos von Pulsarnacht ist Lebensraum ver-schiedener Völker, deren biologischen und kultu-rellen Unterschiede erstens offensichtlich sind und zweitens unüberwindbar scheinen. Was nährt diese in meinen Augen bedrückende Perspektive auf die Toleranzfähigkeit zukünftiger Gesellschaften? Oder betrachten Sie diesen Vision gar nicht als negativ?

Zukunftsphantasien, in denen alles immer schlech-ter oder immer besser wird, haben jede Plausibilität ge-gen sich – In Wirklichkeit ist es heute ja auch sowohl schlechter wie besser als gestern. Einige der alten Kon-flikte fehlen also – ich traue der Menschheit zu, über sie hinauszuwachsen –, dafür gibt es neue. Von der Zukunft die Lösung vorhandener Konflikte zu erwar-ten ist realistisch und spornt zur Arbeit dafür an. Von ihr zu erwarten, dass sie keine Konflikte mehr kennen wird, ist absurd und führt zu Enttäuschungen, die man vermeiden sollte.

Zukunftsphantasien, in denen alles immer

schlechter oder immer Besser wird, haben jede Plausi-bilität gegen sich!

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Mephisto 56 | 2�Interview | 2�

der vereinen, wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft? Oder gibt es diese Grenze nicht, ist Wissenschaft eine Kunstform? Oder Kunst eine Form der Wissenschaft?

Beides sind Formen der Erkenntnis. Die Wissen-schaft versucht, Sachverhalte zu erkennen, die Kunst erforscht Haltungen, Wahrnehmungsweisen, Möglich-keiten. Das Problem ist, dass in einer Gesellschaft, in der die Leute mehr Unterdrückung, Ausgrenzung und Ausbeutung erleben, als nötig wäre, jede Erkenntnis dauernd von Effekten der Lüge, der Täuschung und der Selbsttäuschung verzerrt ist. Die Figuren in Pulsanacht glauben, die technische, also wissenschaftsgestützte Erkenntnis habe endlich auch übers Tatsächliche hi-naus das Mögliche im Griff, damit sei Kunst eigent-lich überwunden. Worum es aber geht, ist, dass sowohl Kunst, wie Wissenschaft, wie Technik erst sein kön-nen, was sie ihrer Definition nach sind, wenn das Un-recht verschwindet. Die Leute glauben, sie lebten nach der Kunst, aber sie leben noch vor ihr. Das Ende ver-weist darauf, dass die Kunst vielleicht gar nicht mehr fern ist.

Generell haben die Überlegungen, die den von Ih-nen erdachten Konzepten außerirdischer Rassen zugrunde liegen, eine offensichtlich real-biologische Grundlage: Entwickeln Sie Kulturen auf Basis na-turwissenschaftlicher Grundsätze? Ist es das, was kulturelle Dynamik in Ihren Augen prägt?

Vorsicht. Wir erfahren im Buch nur soviel über Bi-ologie, wie die Menschen und Nichtmenschen darüber verraten und selbst wissen. Ein nicht ganz unwichtiger Teil der Erzählung ist, dass es sich dabei zum Teil um Irrtümer handelt. Kulturen entwickeln sich nicht auf Basis naturwissenschaftlicher Grundsätze. Nichts au-ßer Ideen entwickelt sich auf der Basis von Grundsät-zen. Die Welt ist ja kein Kopf.

Das ist sie nicht. Und dennoch spielt naturwissen-schaftliche Grundlagenforschung eine große Rolle für und in Ihren Büchern. Wie wichtig ist im Allge-meinen der aktuelle Forschungsstand für die Ent-wicklung bzw. Recherche der von Ihnen erdachten Kosmen? Verfolgen Sie die akademischen Debatten

Nutzten SciFi-Autoren ihre Arbeit in der goldenen Vergangenheit noch regel-

mäßig, um Für und Wider politischer Theorien abzuwägen, spielen derar-

tige Themen in postmodernen Genre- Beiträgen deutlich seltener ein Rolle –

von eindeutigen Utopien, Dystopien etc. einmal abgesehen.

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Interview

2� | Mephisto 56

in diesen Bereichen aktiv und im Detail oder nut-zen Sie eher deren grobe Stoßrichtungen zur Inspi-ration – vielleicht auch im Hinblick auf das Vorwis-sen Ihrer Leser?

Seit meinem eigenen Studium der Physik, das ich leider wegen der Geldverdienerei schnell abgebrochen habe, besteht mein Freundeskreis zu etwa 80% aus Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaft-lern. Nature und Science lese ich regelmäßig. Was ich nicht kapiere, erklären mir dann meine Leute. Ohne die Nähe zu dieser Sphäre – und das heißt: nicht nur zu den neuesten Resultaten, sondern zum Prozess der Forschung, den Tagungen, der konkreten Instituts-arbeit etc. – könnte ich die Dinge, die ich im Bereich Science Fiction versuche, gar nicht machen.

Was die Leser wissen, sollte man aber weder voraus-setzen noch erzwingen wollen – wenn die Geschichte funktioniert, hat sie automatisch mehrere Schichten, eine davon kann dann auch zum Weiterforschen im Netz oder sonstwo anregen, ob es all diese Dinge eigent-lich wirklich gibt etc. – aber Zwang soll da keiner sein.

Welche Bedeutung hat die Lesbarkeit Ihrer litera-rischen Texte für Sie bzw. bei Ihrer Arbeit? Ist Ihr Einsatz von nicht-fachlichen Vokabeln (»Ahto-Tür«) einer gewissen Zugänglichkeit geschuldet? Bzw. wenn nicht: Warum ziehen Sie in Pulsarnacht eigene Begrifflichkeiten den akademischen oftmals vor?

Weil die Leute ihre Sachen oft so benennen. Kein Englisch sprechender Mensch versteht, warum wir »Handy« sagen, aber wenn man die deutsche Gegen-wartssprache kennt, versteht man’s: Es sollte halt inter-national klingen. Genau so sind alle Begriffe im Buch zu erklären, und es gibt ja auch ein paar Stellen, wo diese Erklärungen vorkommen – warum wer was wie genannt hat.

Zu einem anderen Thema: Sie haben in Zusammen-arbeit mit Suhrkamp eine Reihe mit anspruchsvoller Phantastik initiiert, die vom Feuilleton ausgespro-chen positiv aufgenommen wurde. Bisher sind da-rin drei Titel erschienen, der letzte im Januar 2012. Gibt es Neuigkeiten bezüglich der Reihe?

Im Moment leider nicht. Seit meiner Rückkehr zur FAZ schlafen ein paar andere Beschäftigungen. Wenn der Verlag sie wecken will, bin ich aber gern bereit dazu.

Schade, zeigten die bisherigen drei Bände der Reihe doch allesamt interessante Facetten der Phantastik auf. So eint sie alle ein deutlich erotischer bis porno-graphischer Ton. In Ihrem Schaffen hingegen spielen

sexuelle Inhalte keine große Rolle. Welches Verhältnis haben Sie als mit dem Genre vertrauter Autor zum Thema? Warum tun sich viele schwer damit, Sex in ambitionierter Phantastik zu nutzen, ohne dabei Schauwerte oder Verkaufszahlen im Blick zu haben?

Auch wenn ich das Motiv zuletzt nicht genutzt habe: Sex und Liebe sind Mischungen aus Tatsachen und Phantasie bis ins Körperliche. Kein anderes Genre kann diesen beiden wichtigen menschlichen Glücks- wie Leidensquellen daher so gerecht werden wie die Phantastik.

Eine andere menschliche Konstante ist die Angst, der Schrecken, der Ekel, dem Sie sich zuletzt über eine Episode im dritten Band von Die Toten genähert ha-ben. Wie kam es zu diesem Beitrag? Als Autor sind Sie im Bereich des Horrors bisher selten in Erschei-nung getreten… Wird das in Zukunft öfter der Fall sein oder bleibt das ein seltener Besuch im benach-barten Genre?

Schon ein ganz frühes Buch von mir, Die Ehre des Rudels von 1996, war Horror, genau wie eine ganze Reihe kürzerer Sachen. Das wird so weitergehen, hoffe ich, und vielleicht in Zukunft auch deutlicher sicht-bar sein.

Neben Ihren zahlreichen Projekten als Autor sind Sie auch als Journalist tätig. Entsprechend direkt er-fahren Sie, dass das Wort als Unterhaltungs- und Bildungsmedium sich bedingt durch neue Techno-logien und Prozesse momentan einem grundle-genden Wandel ausgesetzt sieht. Wie beurteilen Sie diese Dynamik zwischen »Print-Sterben« und »In-die-Publishern«?

Print stirbt nicht. Die Sitten, was man wie damit macht, werden sich aber ändern. Ich fände es ganz gut, wenn Sachen, die man übermorgen schon nicht mehr wissen will, nicht mehr auf kostbarem Papier gedruckt würden, sondern im Netz stattfinden. Oder in Zukunft am besten den Leuten, die ihr Hirn mit so etwas bela-sten mögen, direkt in den Schädel gebeamt würden.

Abschließend noch eine Frage nach Ihrer privaten Lektüre: Beschäftigen Sie sich auch abseits Ihrer journalistischen oder literarischen Arbeit mit Phan-tastik? Und gab es in den letzten Monaten Bücher, Filme etc., die Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben sind?

Natürlich konsumiere ich auch abseits meines Schreibtischs phantastische Literatur. Der erste Band von Greg Egans Orthogonal-Trilogie, The Clockwork Rocket, war zum Beispiel das beste Buch, das ich 2011 gelesen habe. Der zweite, The Eternal Flame, war leider nur das zweitbeste letztes Jahr – das beste war Silently and very fast von Catherynne M. Valente. Der dritte Or­thogonal-Band wird dann dieses Jahr wahrscheinlich wieder das beste Buch. Außerdem hat Shane Carruth, einer der besten Science Fiction-Regisseure aller Zeiten (Primer, 2004), einen neuen Film gemacht, auf den ich mich sehr freue: Upstream Colour.

Vielen Dank für das Gespräch. n

Titel PulsarnachtAutor Dietmar DathVerlag Heyne Umfang 432 Seiten • Preis 13,99ISBN 978-3453314061

Sex und Liebe sind Mischungen aus Tat-sachen und Phantasie

bis ins Körperliche.

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SherloConDas Spiel hat begonnen – und zwar am Wochenende vom 24. bis zum 26. August 2012, als die deut-sche Sherlock Holmes-Gesellschaft und die Eventagentur erlebnisraum gemeinsam die erste Sherlock Holmes­Convention in Hillesheim in der Eifel veranstaltet haben. Als heimliche »Krimi-Hauptstadt« Deutschlands eignete sich dieser Ort natürlich ganz besonders als Austragungsort für die Kombination aus Verlagsmesse, Fachvorträgen, Lesungen, Cosplay und Rollenspielrunden.

So ist dann auch zu erklären, dass die Convention nicht – wie sonst üblich – an einem einzigen Ort, wie etwa einem Tagungshotel oder einer Stadthalle

stattfand, sondern über mehrere, eng beisammen lie-gende Locations verteilt war. Während Verlagsmesse und Lesungen in der so genannten Alten Schreinerei zu finden waren, konnte man im Hotel Ausgustinerkloster Fachvorträgen zum Thema Sherlock Holmes lauschen und gleich nebenan im Café Sherlock an Demorunden des Rollenspiels Private Eye teilnehmen, welche auch von (noch) Nicht-Rollenspielern gut besucht waren.

Für ein besonderes Flair sorgten die vielen kostü-mierten Teilnehmer, die sich in Garderobe des ausge-henden 19. Jahrhunderts gewandet hatten. Als beson-deres Bonbon gab es ein Rahmenprogramm mit weite-ren Veranstaltungen, wie etwa einer szenischen Lesung, einem viktorianischen Casinoabend, einem ebenfalls viktorianischen Picknick, einem Krimidinner, Work-shops und einer speziellen Schnitzeljagd zur aktuellen, modernen Holmes-Serie Sherlock. Gerade diese war nur mit einem Smartphone zu bewältigen und insge-samt recht spannend und keinesfalls einfach gestaltet.

Die rund 170 Besucher waren insgesamt sehr begeistert von diesem ersten Versuch einer Sherlock Holmes-Convention. Die anregende und unterhaltsame Mischung aus Messe, Vorträgen und Rollenspiel im ansprechenden Ambiente des Örtchens Hillesheim ließ die meisten Teilnehmer auf eine Fortsetzung im näch-sten Jahr hoffen. Wünschenswert wäre allerdings eine etwas größere Messe mit mehr Verlagen und eventuell auch mehr Herstellern passender Kostümierungen und Ziergegenstände. Für die von einigen Fans gewünsch-ten Stargäste aus der aktuellen BBC-Serie dürfte das Budget der Convention dann aber doch noch ein wenig zu klein ausfallen.

Wer sich jetzt ärgert, die SherloCon verpasst zu haben, kann auf sherlocon.blogspot.de alles zur ver-gangenen Convention nachlesen. Ob es tatsächlich eine Neuauflage im nächsten Jahr geben wird, steht noch nicht fest. Ein Blick auf die genannte Website und ein paar Nachfragen an die Veranstalter können aber sicher nicht schaden.

Walter Milani-Müller n

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Titelthema

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Mephisto 56 | 2�Titelthema | 27

Autoren Boris Koch | Max Link | Dr. Björn Lippold D

och nachdem der 1937 erschienene Der Hobbit rasch erfolgreich wurde und sein Verlag Geor-ge Allen & Unwin nach einer Fortsetzung gefragt

hatte, lieferte J.R.R. Tolkien sie erst Jahre später; es dauerte schließlich bis 1954/55, bis Der Herr der Ringe in drei Teilen erscheinen konnte. Und man konnte meinen, mit den Jahren sei auch die Geschichte geal-tert, auf ein charmantes Kinderbuch folgte ein dickes Werk, das sich deutlich an alte Sagen anlehnte. Statt unbedarfter, humorvoller Abenteuer folgte nun die Ge-schichte eines Kriegs gegen das personifizierte Böse. Ein Krieg, in dem es um die Zukunft ganz Mittelerdes ging, die Leichtigkeit des Hobbits war verschwunden.

Genauer betrachtet, verlief diese Entwicklung nicht ganz so linear. Tolkien hatte vor der Arbeit am Hobbit bereits an einer Welt gebastelt, deren Sprachen, Mythen und Geschichten er sich zum Vergnügen ausdachte, aus denen später das Silmarilion entstehen sollte, wie auch weitere von seinem Sohn Christopher herausge-gebene Werke, etwa die zwölfbändige History of Midd­leearth. In diesen Kosmos fügte sich Der Herr der Ringe nahtlos ein, nur Der Hobbit blieb irgendwie ein Fremdkörper – trotz zweier späterer Überarbeitungen in den Jahren 1950 und 1966, in der Tolkien die Ge-schichte stärker mit dem Herrn der Ringe verzahnte und das Gollum-Kapitel anpasste. Die erste Überarbei-tung war übrigens auch die Fassung, die 1957 von Wal-ter Scherf ins Deutsche übertragen und 1971 noch ein-mal überarbeitet wurde; sie erschien unter dem Titel Der kleine Hobbit. Eine frühere Übersetzung scheiterte daran, dass Tolkien sich 1938 weigerte, den erforder-

lichen »Ariernachweis« zu liefern; Rütten & Loening wäre an der Geschichte interessiert gewesen.

Die deutlichen Unterschiede der beiden Bücher war-fen nun auch mehrere Fragen für die Filmemacher auf, die sich grob in einer zentralen Frage zusammen-fassen lässt: Sollte die Verfilmung des Hobbits sich mehr den Herr der Ringe-Filmen verpflichtet fühlen oder der Buchvorlage? Auch wenn sonst stets von Ver-filmungen eine hohe Werktreue gefordert wird, dies-mal war es keine leichte Entscheidung für Peter Jack-son und sein Team – und das nicht nur angesichts der vielen erwachsenen Kinogänger. Doch zuerst soll hier kurz der Inhalt des Romans angerissen werden, auch wenn dieser vielen bekannt ist.

Die Geschichte – in KürzeAlles beginnt damit, dass der Zauberer Gandalf einen Hobbit ausfindig macht, der – wie es sich für die übli-cherweise etwa drei Fuß großen, gemütlichen und stets ans Essen denkenden Hobbits gehört – keine Lust auf Abenteuer hat, sich aber dennoch breit schlagen lässt, als »Meisterdieb« mit dreizehn Zwergen in die Ferne zu ziehen. Sie wollen dem hinterlistigen Drachen Smaug die unermesslichen Schätze wieder entreißen, die die-ser den Zwergen selbst vor langer Zeit geraubt hat. Bil-bo, der Hobbit, ist keinesfalls ein Meisterdieb, wächst

Der Hobbiteine unerwartete

Verfilmungoder: Wie werkgetreu ist Jacksons Film?

Man muss sich nicht besonders tiefgreifend mit Der Hobbit und Der Herr der Ringe beschäftigen, ja die Bücher nicht ein-mal ganz lesen, die ersten Kapitel reichen vollauf, um eines

festzustellen: So sehr sie inhaltlich aufeinander aufbauen, so sehr unterscheiden sie sich stilistisch und von der Erzählweise

her, was für Fortsetzungen eher ungewöhlich ist.

Foto James FisherCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc.

and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

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Titelthema

2� | Mephisto 56

Aus einem hilfreichen Schmuckstück für Meister-diebe wurde der mächtigste Ring Mittelerdes, Saurons Ring, der Jahrzehnte später die entscheidende Rolle im Krieg gegen den dunklen Herrscher spielen wird. Und dies wie auch Gollums Rolle in der Geschichte ken-nen alle, die bereits Der Herr der Ringe gesehen haben. Kann man dieses Wissen beim Kinobesucher tatsäch-lich ausblenden? Und wenn nicht, was bedeutet das für die Inszenierung? Musste ein Hobbit-Film (oder auch drei…) nicht automatisch zum Prequel von Der Herr der Ringe werden statt eine werkgetreue Verfilmung? Und ist es nicht doch möglich, beides zu verbinden?

Der Film beginnt nun anders als das Buch. Zum einen lässt er den alten Bilbo in einer Rahmenhandlung die ganze Geschichte erzählen. Diese Änderung ist nicht nötig und hat keinen tieferen Einfluss auf die weitere Erzählweise des Films. Sie dient wohl in erster Linie dazu, dem Kinobesucher noch einmal den vertrauten alten Bilbo vor Augen zu führen, Frodo auftauchen zu lassen und die erste Verbindung zu Der Herr der Ringe zu knüpfen, um dem Kinobesucher so das Gefühl von etwas Vertrautem zu vermitteln. Auch wenn dies nicht nötig ist, stört es die Werktreue nicht im Geringsten. Dennoch zeigt dieses Vorgehen sofort, dass die Filme von ihren Schöpfern eindeutig als Prequel verstanden werden.

Die zweite offensichtliche Änderung ist eine Art Pro-log, in dem erzählt wird, wie Smaug den Schatz der Zwerge an sich reißt und Leid über Thorins Volk bringt. Das ist etwas, was im Buch erst später von den Zwergen beim Essen erzählt wird. Schon formal wird hier eine Parallele zu den Herr der Ringe-Filmen aufgemacht, deren erster Teil ebenfalls mit einem solchen Prolog

mit dem Fortdauern des Abenteuers aber immer wei-ter in diese Aufgabe hinein und behauptet sich in ei-ner Welt voller Trolle, Elben und Riesenspinnen mit gesundem Hobbitverstand, viel Glück und einem – mit eben jenem Glück gefundenen – Zauberring, der un-sichtbar macht. Dem Ring, um den es in Der Herr der Ringe geht.

Das Dilemma und Jacksons EntscheidungDieser Ring verdeutlicht wohl am Deutlichsten das Di-lemma, in dem die Filmemacher steckten. Bei Erschei-nen des Romans konnte er tatsächlich nur ein phan-tastischer Ring sein, der mit seiner Fähigkeit, Unsicht-barkeit zu verleihen, ideal war für einen Meisterdieb und kleinen Helden wie Bilbo, der mit List und Heim-lichkeit ans Ziel gelangt – Hobbits können sehr leise schleichen, und nun war er praktisch nicht nur unhör-bar sondern auch unsichtbar. Gäbe man einen solchen Ring jedoch – um ein fiktives Gegenbeispiel aus Mit-telerde zu nennen – dem heroischen Krieger Boromir, so würde er kein »größerer« Held werden, sondern die Unsichtbarkeit würde ihm einen gefühlt unfairen Vor-teil im direkten Kampf Mann gegen Mann verschaffen, und er würde durch ihn feiger wirken.

Das als kleines Gedankenspiel, um zu zeigen, dass der Ring gut bei dem kleinen Helden eines Kinder-buchs aufgehoben ist, der nicht für seine Kraft bewun-dert wird.

Doch auf dem Weg vom Hobbit zum Herrn der Ringe verlor der Ring das Spielerische, Unschuldige.

Copyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Für jeden etwasNeue Bücher über, von und gegen Hobbits

Peter Jacksons Entscheidung, die Umsetzung von Tolkiens Der Hobbit in die eigenen Hände zu nehmen, sorgte naturgemäß nicht nur in den neuseeländischen WETA-Studios für große Be-triebsamkeit, sondern auch in Verlagsgebäuden weltweit. Auch in Deutschland begannen die Lek-toren damit, ihr Hobbit-Arsenal auszubauen, um pünktlich zur Premiere von Der Hobbit: Eine un­erwartete Reise jedem Kunden das Passende an-bieten zu können. Das Ergebnis ist ein breites bis unübersichtliches Spektrum von Büchern rund um Bilbos Bekanntschaften, Freunde und Feinde, komplett in diesem Winter erschienen. Ein kur-zer Überblick über die auffälligsten Beiträge zum Thema zeigt, dass darunter nicht nur erwartete Klassiker, sondern auch einige ausgesprochen ori-ginelle bis kuriose Titel zu finden sind. >>

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Mephisto 56 | 2�Titelthema | 2�

beginnt, in dem die für die Handlung wichtige Vorge-schichte erzählt wird. Natürlich hätte man das auch als Erzählung in der Handlung belassen können, doch zu welchem Zweck?

Werktreue bedeutet nicht, sich sklavisch an die Vor-lage zu halten, sondern die Mittel des neuen Mediums zu nutzen, seien es Bild und Ton im Film oder Ge-räusche, Stimmen und Musik bei einem Hörspiel (dazu mehr auf Seite 31). Ein neues Medium verlangt Ände-rungen, um einer Geschichte und ihrem Kern treu zu bleiben. Während die Sprache im Roman immer die quasi gleichen Bilder im Kopf entstehen lässt, egal ob der Erzähler von einem Ereignis berichtet oder ob er es eine Figur in direkter oder indirekter Rede tun lässt tut, so ist der Unterschied zwischen den beiden Varian-ten im Film deutlich, denn er zeigt Bilder, sie entstehen nicht erst im Kopf des Betrachters.

Filmt man das Ereignis also direkt, so steht auch dieses im Mittelpunkt; lässt man es dagegen von einer Figur erzählen, zeigt die Kamera ihn und seine Zuhö-rer, und der Zuschauer beobachtet in seiner Mimik und Gestik, welche Auswirkungen das Erzählte auf die Fi-gur hat, ob Schmerz, Trauer oder Freude; die Auswir-kung ist bedeutsamer als das Ereignis an sich. Und in diesem Sinn ist es auch im Sinn der Werktreue mehr als legitim, Smaugs Überfall zu zeigen und nicht Tho-rins Gesicht.

Ganz im Sinn des Romans ist auch der anfäng-liche Besuch der Zwerge, trotz leichter Variationen. Der Humor spielt ebenso eine Rolle wie die Wehmut der Zwerge nach ihrer verlorenen Heimat. Dies wird unter anderem wunderbar in den beiden Liedern deutlich. Während im ersten die Zwerge drohen, das Geschirr zu zerstören, können sie gleichzeitig die Teller durch die

Gegend schleudern und fangen, statt sie zu zerschmet-tern. Was im Buch nacheinander erzählt werden muss, kann im Film zeitgleich gezeigt werden, weil sowohl Ton als auch Bild Informationen transportieren. Und im zweiten Lied wird die Wehmut nicht nur in Worten, sondern auch in der Musik transportiert.

Trolle, Bruchtal und ein zweiter ZaubererAuch im Folgenden löst sich der Film hier und da in kleinen Details, welche aber nicht wesentlich sind. Als typisch mag hier die Szene mit den Trollen dienen, in der viel mehr gekämpft wird als im Buch, und dieses Mehr an Action wird sich auch im Folgenden immer wieder zeigen. Wichtiger an dieser Szene ist, dass Bil-bo hier nicht seine Freunde aus Versehen an die Trol-le verrät, er ist nicht ganz so verwirrt und überfordert wie im Roman, sondern einen Tick heldenhafter. Da-mit wurde nicht nur die Geschichte verändert, sondern auch die Hauptfigur.

Auf der Flucht vor dem bleichen Ork – zu ihm spä-ter mehr – erreichen die Zwerge, Gandalf und Bilbo schließlich Bruchtal. Und spätestens da zementiert sich der bisherige Eindruck, wie Jackson seinen Film begreift: Saruman und Galadriel sind – anders als im Roman – anwesend, während die ursprünglichen El-ben fehlen, die die Zwerge mit albernen Reimen aus den Bäumen begrüßen. Figuren und die Bedeutungs-schwere aus Der Herr der Ringe bekommen also weite-ren Raum (auch durch den Nekromanten, der im Hob­bit-Roman lediglich ganz am Rande erwähnt wird),

Foto James FisherCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Für Sammler

Der HobbitDer prächtigste, aber auch teuerste Posten die-ser Liste stammt – wie könnte es anders sein – aus dem deutschen Hausverlag Tolkiens. Klett-Cotta präsentiert Bilbos großes Abenteuer dem Jubiläum angemessen hochwertig gebunden und in einem Schuber aus grünem Leder. Die-ser schmückt nicht nur jedes Bücherregal, son-dern passt optisch auch perfekt zur roten Luxus-Ausgabe von Der Herr der Ringe aus dem glei-chen Verlag. Inhaltlich besticht das bibliophile Schmuckstück außerdem durch die überarbeitete Übersetzung Wolfgang Kreges, die verwendeten Originalillustrationen der Erstausgabe von 1937, eine Einführung von Nachlassverwalter Christo-pher Tolkien und zweier ausfaltbarer Karten. Ins-gesamt eine nicht günstige, aber für Sammler wohl unwiderstehliche, handwerklich hochwer-tige Prachtausgabe, die ihren Reiz nicht zuletzt aus einer strengen Limitierung bezieht. ml n

Titel Der HobbitAutor J.R.R. TolkienVerlag Klett-Cotta • Umfang 400 Seiten • Preis 99,00ISBN 978-3-608-93840-1

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Titelthema

während der Humor aus der Geschichte gekürzt wird.Natürlich kann man hier einwenden, dass mit dem

humorig verwirrten Zauberer Radagast und seinem Kaninchenschlitten doch wieder Humor in den Film gebracht wurde, visuell und actionreich sogar passen-der für das Medium Film als die albernen Elbenlieder, die sich ganz auf die Sprache verlassen, wie es eben für einen Roman passt. Doch liegt der Unterschied noch an anderer Stelle, denn Radagast erfüllt im Film eine Funk-tion, er ist der Warner vor drohendem Unheil und Hel-fer der Helden, trotz allem Spielerischen gehört er zum Plot, und der Plot sagt: Etwas Bedrohliches lauert im Wald. Die Elben im Roman dagegen blödeln einfach, weil sie Elben sind. Ihre Lieder haben keinen Sinn, sie lachen, weil sie Elben sind, und damit machen sie die Geschichte und erfundene Welt leichter und verspielter.

In der TiefeZu einer anderen Form von Leichtigkeit findet der Film dann unter den Nebelbergen, doch diese entspricht nicht unbedingt Tolkiens Roman. Während sich auch dort Gandalf und Thorin mit ihren berühmten Schwer-tern gegen die Orks stellen und diese entzweisäbeln, wenn es sein muss, so sind die Zwerge hier in erster Li-nie auf der Flucht; der hier und da aufblitzende Humor etwa im Dialog zwischen Bilbo und Bombur, der den Hobbit trägt, nehmen der Szene ein wenig von ihrer Bedrohlichkeit. So wie Gandalf und die Zwerge jedoch im Film durch die Orkreihen mähen und wieder und wieder Köpfe abschlagen, und das mit einer Lässigkeit und Fröhlichkeit, als seien sie auf einer Party, erinnert

ihr Rennen mehr an Jugendliche, die aus Spaß mit Baseballschlägern Briefkästen von Pfeilern prügeln als an eine Flucht vor einer schrecklichen Überzahl. Aus den dunklen Gängen wurden komplizierte Brücken-bauten in einer gigantischen Höhle, alles ist in Bewe-gung, überall ist etwas zu sehen, wuselt umher, stürzt, stirbt, springt, rennt, schreit. Es fehlt der ruhige Mo-ment, der im Buch durchaus vorhanden ist, wenn die Orks den Fliehenden nachschleichen, um ihnen auf-zulauern. Diese spannungssteigernde Ruhe vor dem Sturm, im Film ist immer nur Sturm, Sturm, Sturm.

Diese ständige Bewegung und Hetze ist insofern in-teressant, weil Jackson drei lange Filme hat, um die Geschichte eines nicht übermäßig dicken Romans zu erzählen, also genug Zeit wäre, um auch den ruhigen Momenten Raum zu geben. Zudem verfügt er über eine ganze Riege großartiger Schauspieler, die solche ruhi-geren Momente auch tragen könnten. Ansatzweise er-kennt man das, wenn Bilbo auf Gollum trifft, wenn die beiden ihr Rätselspiel spielen, die Bedrohung, die Ner-vosität, alles ist da. Doch auch hier wurde genau dort gekürzt, wo es um das Verzögern der Handlung und Aufbauen der Spannung geht. Eigentlich fährt Gollum mit einem Boot auf seine Insel, bevor die Hatz der bei-den beginnt. Sie rufen sich Fragen und Aufforderungen durch die tiefe Dunkelheit zu. Auch wenn im Film na-türlich keine vollkommene Dunkelheit herrscht, um sich nicht des eigenen Mediums Bild zu berauben, so wäre es doch möglich gewesen, Gollum nach den Rät-selspielen kurz in der Ferne verschwinden zu lassen, mit Geräuschen und seiner eindringlichen Stimme zu arbeiten, und dazu auf die Schauspielkunst Martin Freemans als Bilbo zu setzen, der bangt und wartet.

Für Künstler

Die Kunst des HobbitsAngesichts von Tolkiens sprachlicher, wissenschaftli-cher und kultureller Brillanz gerät zu oft in Vergessen-heit, dass der britische Autor eben nicht nur als sol-cher, sondern auch als Künstler verstanden werden will. So sind Tolkiens eigene Illustrationen zwar zentra-ler Bestandteil der ersten Mittelerde-Ausgaben, heute aber vielen Lesern unbekannt.

Wie bedauerlich das ist, zeigt Klett-Cotta mit diesem hervorragend redigierten Band und seinen bestechen-den Reproduktionen von Zeichnungen aus der Entste-hungsphase von Der Hobbit in den 30ern. Nicht zuletzt lässt sich so auch manches Design aus Jacksons Filmen erst in Gänze erfassen. ml n

Titel Die Kunst des HobbitsAutor Christina Scull & Wayne G. HammondVerlag Klett-Cotta •Umfang 144 Seiten • Preis 29,95ISBN 978-3-608-93865-4

Für Sprachwissenschaftler

Das große Hobbit-Buch1988 schlug das erste Buch – The Annotated Hobbit – des bis dahin unbekannten Douglas A. Anderson in der englischsprachigen Tolkien-Gemeinschaft ein wie ein Bombe und machte den Buchhändler über Nacht zum bekanntesten Experten für Tolkiens Der Hobbit. Lange 25 Jahre später kommen endlich auch deutsche Leser in den Genuss des Referenzwerkes, und dieses Warten hat sich gelohnt.

Hinter dem wenig spektakulären Titel Das große Hobbit­Buch verbirgt sich nicht weniger als eine kom-mentierte Edition des Hobbits, die aus der auch für Laien überschaubaren Geschichte ein litertaturwissen-schaftliches Schwergewicht werden lässt. Fazit: Eine präzise Analyse von Bilbos Abenteuer ist ohne dieses Buch fortan nicht mehr denkbar. ml n

Titel Das große Hobbit-BuchAutor J.R.R. Tolkien & Douglas A. AndersonVerlag Klett-Cotta • Umfang 418 Seiten • Preis 29,95ISBN 978-3-608-93714-5

Für den Überblick

Das große Mittelerde-LexikonWie alle Leser werden bestätigen können, deren letzte literarische Begegnung mit Tolkiens komplexem my-thologischen Kosmos schon einige Zeit zurück liegt, konfrontiert auch Der Hobbit seine Leser mit einer überwältigenden Anzahl von Orten, Personen und Kulturen. Wer sich schnell in diese reichhaltigen, die Handlung oft überlagernden Nuancen der Geschich-te Mittelerdes einarbeiten will, kommt um etwas Re-cherche nicht herum. Foster, Sprachwissenschaftler und Mitglied der amerikanischen Tolkien-Gesellschaft, bietet mit seinem griffigen, übersichtlich aufgebauten und gut recherchierten Nachschlagewerk das perfekte Instrument dafür. Damit lässt sich zwar noch keine Dis-kussion mit Fachleuten bestreiten, deren Verständnis dürfte aber kaum noch Probleme bereiten. ml n

Titel Das große Mittelerde-LexikonAutor Robert FosterVerlag Bastei Lübbe •Umfang 782 Seiten •Preis 10,00 ISBN 978-3-404-20453-3

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Bilbo, Thorin und der bleiche OrkDie entscheidenden Unterschiede zwischen Roman und Film zeigen sich jedoch durch die Einführung des blei-chen Orks Azog mit dem Beinamen Der Schänder. Mag das möglicherweise auch der Dreiteilung des Films geschuldet sein, so dass neben Smaug ein weiterer Ge-genspieler gesucht wurde, der für einen – im Genre wohl fast obligatorischen – »Endkampf« tauglich ist, nun, da man drei Höhepunkte und Enden benötigt. Er sorgt auch für einen sichtbaren roten Faden, weil er im Unterschied zu den verschiedenen Stationen auf der Reise selbst in Bewegung und hinter Thorin her ist, also eine sichtbare, ständige Gefahr, im Unterschied zum fernen, schlafenden Drachen.

Doch neben der Geschichte werden durch ihn vor allem zwei Hauptfiguren verändert.

Thorin ist im Roman der tapferste der Zwerge, seine Würde ist angekratzt, als die anderen vor Bilbos Tür auf ihn fallen, und er ist mürrisch und brummig, wenn er nicht weiterkommt, sind andere schuld, Bilbo scheint es ihm nie recht machen zu können. Durch den blei-chen Ork betont der Film das Tragische und Heroische an ihm, er ist der König, der sein Volk in die Heimat führt, der einzige Anführer, dem sie folgen, wie es ex-plizit heißt. Auch optisch ist der erste Eindruck »nor-discher Recke«, er hat nichts mit Jacksons Interpreta-tion von Gimli zu tun, der im Herr der Ringe für den Humor sorgen musste. Auf gewisse Weise ist das also spiegelverkehrt zu dem, wie Tolkien die beiden Zwerge entworfen hat. Wenn die Kamera Thorin vor beeindru-ckender Kulisse von unten einfängt, dann stellt sie ihn als übergroßen Heroen dar, pathetischer als dies selbst bei Aragorn im Herrn der Ringe geschehen ist.

Diese Verschiebung hin zu einem banalen, offen-sichtlichen Heldentum geschieht in anderer Form auch

bei Bilbo. Nicht nur, dass er in den Nebelbergen beina-he umkehrt, was zu einem schon x-mal dagewesenen Wir-brauchen-dich-doch-Gespräch führt, er wirft sich – von Thorin für nutzlos gehalten – in höchster Not in den Kampf mit Azog, um Thorin zu retten. Alles an einem Abgrund, Flammen am Boden, groß, gewichtig, pathetisch. Sieht man davon ab, dass dieser Motivati-on jede Raffinesse fehlt, so wird der »Meisterdieb« Bil-bo hier dem Maßstab kämpfender Helden unterwor-fen. Auch wenn er im Roman später mit seinem kurzen Schwert gegen die Riesenspinnen kämpft, so tut er dies unsichtbar und vor allem mit Worten, indem er sie be-schimpft und von den gefangenen Zwergen fortlockt. Alles, was Bilbo im Roman erreicht, erreicht er durch List und Glück. Der offene Kampf gegen den bleichen Ork bedient ein völlig anderes Heldenbild und ändert den Charakter der zentralen Figur wesentlich.

Hier hat Jacksons Film sich viel weiter vom Roman entfernt, als es selbst unter den besonderen Umstän-den, zugleich ein Prequel zu Der Herr der Ringe drehen zu müssen, nötig gewesen wäre. Wie Frodo muss Bilbo zu einem Helden wider Willen werden, doch hat Frodo mit dem Ring tatsächlich eine schwere Last zu tragen. Bilbo wird dagegen von überraschender Abenteuerlust gepackt, er wehrt sich, weil man ihm nichts zutraut, er lässt sich gegen Geld als »Meisterdieb« anheuern. Als Dieb, nicht als furchtloser Streiter. Was sich in der Troll-Szene nur angedeutet hatte, kippt spätestens zum Ende des Films und sorgt dafür, dass vom Kern des Ro-mans nur noch wenig erhalten bleibt. Werktreue be-deutet nicht, jede Szene und Figur zu erhalten, jedoch die grundsätzliche Stimmung und Ausrichtung.

Und das ist in Der Hobbit einfach nicht geschehen. Auch wenn ein unterhaltsamer, im zweiten Teil von Ac-tion strotzender Film bleibt, der tolle Schauspieler in toller Kulisse agieren lässt und dem Zuschauer das Ge-fühl vom »Heimkommen« nach Mittelerde gibt, so feh-len ihm die charmanten Besonderheit, wie sie der Ro-man besitzt. bk n

Für Lauscher

Der Hobbit: Das HörspielDreiunddreißig Jahre hat diese WDR-Produktion bereits auf dem Buckel, und doch wirkt sie frisch und jung. Und was sind schon dreiunddreißig Jahre im Angesicht des Alters von Der Hobbit?

Das zentrale Medium eines Hörspiels ist – wie bei einem Roman – die Sprache, die berühmten Bilder entstehen noch immer im Kopf. Allerdings ist das Tempo ein anderes, langsameres, und kein individuelles wie beim Lesen. Zudem stehen unterschiedliche Stimmen zur Verfügung, die die Sprache interpretieren, dazu Musik und Geräusche. Die Dialoge bekommen dabei meist mehr Bedeu-tung als Beschreibungen und Innenschau.

Regisseur Heinz Dieter Köhler und Ingeborg Oehme-Tröndle haben sich bei ihrer Bearbeitung sehr nah ans Original gehalten, sie blieben dem Roman so treu es in einer Produktion dieser Län-ge nur möglich war. Die Kürzungen betreffen je-des Kapitel, doch so blieb auch jedes erhalten. Und was wesentlicher für die Werktreue ist: auch die Atmosphäre, einschließlich der Musik von Enno Dugend, passt zu der des Romans. Der Er-zähler Martin Benrath fühlt jeder Nuance des Textes nach und betont den Humor ebenso wie den Ernst anderer Szenen, ohne einem unan-gemessenen Pathos zu verfallen wie die Verfil-mung. Bernhard Minett gibt einen verschmitzten Gandalf und Horst Bollmann als Bilbo wirkt grundsätzlich klein und aufgeregt. Lediglich der nuschelnde Bombur ist manchmal anstrengend, doch insgesamt sind die Stimmen perfekt für die Figuren ausgewählt, sie transportieren sowohl ihren Charakter als auch ihr Äußeres, sofern das möglich ist.

Ein kleines Beiheft zur CD-Box rundet die groß-artige Produktion perfekt ab. bk n

Autor J.R.R. TolkienTitel Der Hobbit: Das HörspielRegie Heinz Dieter KöhlerSprecher Martin Benrath, Horst Bollmann, Bernhard Minetti u.v.a.Verlag Der HörverlagUmfang 4 CD, ca. 270 Minuten • Preis 19,95ISBN 978-3-89584-918-3

Foto Mark PokornyCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

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Titelthema

Spätestens seitdem er 2003 die Aufgabe des Lektors für phantastische Literatur bei Klett-Cotta über-nahm, gilt der studierte Rhetoriker Stephan Aska-

ni als feste Größe, was Ein- und Wertschätzung deut-scher Tolkien-Ausgaben betrifft. Zusammen mit der Tolkienexpertin Lisa Kuppler unternahm er die Über-arbeitung der deutschen Übersetzungen von Der Herr der Ringe und wartete gleichzeitig als einer von un-zähligen Fans sehnsüchtig auf Der Hobbit: Eine uner­wartete Reise. Wenige Wochen nach der Premiere des Films verrät Askani im Gespräch mit Max Link, welche Facetten des Buches Jacksons Verfilmung letztlich nicht wiedergibt und warum er dennoch alles andere als ent-täuscht von ihr ist.

Mit der Premiere von Der Hobbit: Eine unerwartete Reise fiel für viele Tolkien-Fans Weihnachten schon auf den 13. bzw. 14. Dezember 2012. Wie haben sie diesen Tag erlebt?

Nun, die größte Aufregung hatte ich da natürlich schon hinter mir: Im Rahmen einer Pressevorführung

durfte ich die englischen Version des Films schon am 10. Dezember miterleben. Und natürlich war ich sehr gespannt, wie das alles, was ich schon aus der Lekto-ratsarbeit an insgesamt sechs inzwischen erschienenen Begleitpublikationen zum Film kannte, dann wirklich auf der Leinwand aussehen würde.

Davor lag ja auch für uns im Verlag eine über ein-jährige Vorbereitung, und es war natürlich ein tol-les Gefühl, dass es jetzt endlich losgeht. Entsprechend habe ich die Tage rund um den offiziellen Kinostart dann damit verbracht, Jacksons Arbeit auch von Ver-lagsseite zu begleiten, das heißt eine weitere Publikati-on der Produktionsfirma, die im April zum Erscheinen der DVD in den Buchhandel kommt, vorzubereiten.

Auch Jacksons Produktion hat naturgemäß eine lange Vorgeschichte: Bereits unmittelbar nach dem großen Erfolg der Der Herr der Ringe-Trilogie be-schäftige das Thema einer Umsetzung von Tolkiens Der Hobbit die Filmszene. Wann haben Sie zum er-sten Mal davon erfahren, dass dieses Projekt Realität

Zwischen eigenen Vor-stellungen, Tolkiens Sprache und Jacksons BildernEin Interview mit Stephan Askani

Für Fans englischer Phantastik

Tolkiens GeschöpfeGilt es Tolkiens Erbe angemessen zu würdigen – und das dürfte den meisten Genre-Autoren gut zu Gesicht stehen –, gibt es eigentlich keine bessere Möglichkeit, als die sprachlichen Erben des Briten ihre Geschichten erzählen zu lassen: Wenig überraschend wimmelt es in diesen von edlen Elfen, markigen Zwergen und fin-sterer Magie, wodurch Autoren-Ikonen von heute Tol-kiens Flamme angemessen weitertragen.

Mit viel Gespür für Stil und Inhalt wurden die Bei-träge des Bandes von zwei Fachmännern ausgesucht und enthalten entsprechend Erzähler wie George R.R. Martin, Ursula K. Le Guin oder Neil Gaiman. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf englischspra-chigen Autoren, auch wenn z.B. Markus Heitz ebenfalls eine Anekdote beigesteuert hat. ml n

Titel Tolkiens GeschöpfeHerausgeber Erik Simon & Franz RottensteinerVerlag Piper • Umfang 672 Seiten • Preis 14,99 ISBN 978-3-492-26908-7

Für Fans deutscher Phantastik

Tolkiens grösste HeldenEinen anderen Ansatz hat Genreveteran Hennen ge-wählt, der bewusst junge deutsche Autoren darum gebeten hat, ihre Gedanken zum und Erfahrungen mit Hobbits mit dem Leser zu teilen. Ergebnis ist eine An-sammlung von kleinen Geschichten mit unbekannten wie interessanten Informationen und persönlichen Einsichten. Größter Verdienst des Buches ist es dabei, selbst erfolgreiche, gestandene Autoren noch mit der Stimme des jungen Lesers sprechen zu lassen, dessen Vorstellungskraft dank des Hobbits einen ungeahnten Sprung gemacht hat. So geraten Dinge in den Blick, die mancher im Alltag viel zu oft vergisst. ml n

Titel Tolkiens größte Helden: Wie die Hobbits die Welt erobertenHerausgeber Bernhard HennenVerlag Heyne •Umfang 400 Seiten •Preis 9,99 ISBN 978-3-453-31409-2

Für Nimmersatte

Alles über HobbitsEs soll ja Leser geben, die sich so sehr für Bilbos und Frodos Volk begeistern, dass ihr Wissensdurst auch nach der Lektüre von Tolkiens gesammelten Werken nicht gedeckt ist. Der deutsche Fantasyautor Wolf hat sich dieses verzweifelten Grüppchens angenommen und ein Kompendium der Hobbits geschaffen. Sitten, Bräuche, Namen: Hier findet alles Erwähnung, das für Tolkiens kleine Helden auch nur entfernt von Bedeu-tung ist. Und auch noch manches mehr. Humorvoll und charmant geschrieben, sorgt Alles über Hobbits aber dennoch für unterhaltsame Lesestunden, ohne dabei Nicht-Philologen zu überfordern. Was im Üb-rigen nicht zuletzt an den bissigen Kommentaren von Wolfs Kollegen Christiansen und Plischke liegt. ml n

Titel Alles über HobbitsAutor Jonas WolfVerlag Piper • Umfang 368 Seiten • Preis 12,99 ISBN 978-3-492-26865-3

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werden würde, und wie war ihre Reaktion darauf?Wann genau ich mich das erreicht hat, weiß ich

nicht einmal mehr. Einige Jahr ist es aber natürlich schon her, wobei sich Meldungen, es werde einen Film geben, und Dementis ja schön regelmäßig abgelöst haben. Ernst wurde es dann erstmals, als uns Tolkiens englischer Originalverlag HarperCollins kontaktierte und regelmäßig sehr genaue Informationen zukom-men ließ, wie die Lage aktuell aussah. Man hat dabei deutlich gemerkt, dass der deutschsprachige Raum nach Großbritannien und den USA für alles, was mit Tolkien zu tun hat, einfach besonders wichtig ist.

Meine persönliche Reaktion war schlichte Freude, für die aber kaum Zeit blieb. Schließlich musste gemeinsam mit der Geschäftsleitung ein Konzept aufgestellt werden, wie wir unsere gesamte Tolkien-Backlist auf den neuesten Stand bringen konnten. Dazu gehörte zum Beispiel die Überarbeitung beider Übersetzungen – sowohl von M. Carroux als auch von W. Krege – und weiterhin so wichtige und aufwendige Publikationen wie Die Kunst des Hobbit oder Das Große Hobbit Buch in der Überset-zung von Lisa Kuppler, auf das wir besonders stolz sind.

Wie haben Sie während Ihrer Arbeit die zahlreichen Komplikationen der Produktion wahrgenommen? Hatten Sie je den Eindruck, Smaugs großer Auftritt im Kino würde den wechselnden Studios, Regisseu-ren usw. zum Opfer fallen? Oder waren Sie durch die die Beziehungen zu HarperCollins sicher, dass die Fragen keine essentielle Bedrohung für den Film darstellen würden?

Wirkliche Sorge, dass es Bilbo nicht auf die Lein-wand schaffen würde, hatte ich keine. Es war eher auf-regend »aus der Nähe« – das heißt über die Produkti-onspläne der Filmbegleitbücher –, das ganze Hin und Her zu verfolgen. Aber wenn man einmal ernsthaft überlegt: Wäre es vorstellbar gewesen, dass ein so gro-ßer und bildträchtiger Stoff dem Filmpublikum vor-enthalten worden wäre? Smaug, die Zwerge, Bilbo und Gandalf gehen trotz aller Widerstände eben doch ihren Weg, dessen war ich mir immer sicher. Die Geschichten Tolkiens verlangen einfach danach, auf großer Bühne präsentiert zu werden.

Ihr Vertrauen war gerechtfertigt, Jackson konnte seine Arbeit letztlich doch beenden und der fertige Film feiert Rekord um Rekord. Können Sie die Be-geisterung teilen? Oder vermissen Sie Tiefe, Charme oder eine andere Facette der Buchvorlage?

Das ist natürlich eine der interessantesten Fragen. Fest steht: Ein Buch wie Der Hobbit kann natürlich nicht übertroffen werden. Aber dennoch habe ich all-ergrößte Hochachtung vor dem, was Peter Jackson und sein Team geleistet haben. Martin Freeman ist als Bilbo Beutlin eine phantastische Besetzung, ebenso natür-lich Gandalf und Gollum. Mir gefällt der Film ausge-sprochen gut, sowohl in der deutschen als auch in der englischen Version. Speziell die Gestaltung der Schau-plätze – Bilbos Höhle, Radagasts Hütte, die Gebirgs-landschaften etc. – halte ich für sehr, sehr gelungen.

Aber es gibt bei Tolkien, wie Sie auch in der Frage angedeutet haben, eine weitere Facette, die der Spra-che. Tolkiens Geschichten haben immer eine besonde-re literarische, linguistische Dimension – denken wir etwa nur an den Disput zwischen Bilbo und Gandalf

über »Guten Morgen« als Begrüßung, direkt zu Anfang des Buchs. Da hat naturgemäß das Buch dem Film et-was voraus, diese Nuancen lassen sich auf der Lein-wand in ihrer ganzen Tiefe nicht wiedergeben.

Gerade wegen der komplexen und außergewöhnlich eigenständigen Sprache Tolkiens sorgten einige An-kündigungen Jacksons für viel Unruhe unter Tol-kiens Fans. Besonders viel Aufsehen erregte dabei der Plan der Produzenten, Tolkiens Vorlage, seine Anhän-ge und neu geschriebene Elemente zu einem Dreh-buch zu vereinen. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen?

Wie jeder Beobachter war ich zunächst natürlich kritisch. Inzwischen habe ich durch die Bücher zum Film und den Film selbst aber gesehen, mit welchem Respekt und mit welcher Hochachtung gegenüber dem Autor Tolkien Jackson arbeitet. Der Film konnte nur so gut werden, weil sich in ihm eine sehr große Liebe zu Tolkien und seinem Werk ausdrückt. Und das ist im-mer zu spüren. Die entlehnten oder neuen Elemente sind konsequent so gestaltet, dass sie sich nahtlos in Tolkiens Vorstellungswelt einfügen. Ich würde sogar sa-gen, dass die ausgearbeitete Figur von Radagast im Film ihrem eigentlichen Schöpfer sicher gut gefallen hätte.

Eine interessante Aussage, gerade vor dem Hinter-grund, dass für Sie als Klett-Cotta-Lektor der Hob-bit ein alltäglicher Begleiter ist. Schließlich dürften so über die Zeit ganz eigene Bilder von Tolkiens Welt in ihrer Phantasie entstanden sein. Lassen sich diese mit der filmischen Interpretation vereinen? Oder exi-stieren Askani- und Jackson-Hobbit nebeneinander?

Sie haben natürlich recht, bei mir haben sich wie bei jedem anderen intensiven Leser eigene innere Vor-stellungen und Bilder entwickelt. Zum Glück lassen die sich aber nicht mit Filmbildern vollständig vereinigen, sondern bestehen für sich weiter. Mir fällt da beson-ders die erste Zeichnung ein, die Tolkien von Gandalf gemacht hat. Sie zeigt ihn schräg von hinten, wie er zur Hobbithöhle hinaufsteigt, man sieht das Gesicht

Foto James FisherCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc.

and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Foto Courtesy of Warner Bros. PicturesCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

… Fortsetzung auf Seite 36 >>

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Titelthema

Zehn Jahre, nachdem ihr die Der Herr der Ringe-Trilogie ungewohnte Aufmerksamkeit bescherte, gerät die Deutsche Tolkien Gesellschaft e.V. durch

das nächste Tolkien-Großprojekt wieder in den Fokus der deutschen Medienlandschaft. Und das nicht ohne Grund: Zahlreiche engagierte wie interdisziplinär ge-bildete Mitarbeiter machen die Publikationen und Stammtische der DTG zu der deutschsprachigen In-stanz für alle Fragen über die Welt Mittelerdes, die über deren reinen Unterhaltungswert hinausgehen.

Aktives Mitglied dieser Gesellschaft ist der Wissen-schaftler Dr. Frank Weinreich, der sich neben seiner Arbeit als freier Autor und Lektor nicht nur mit Tol-kien, sondern generell mit Phantastik und ihren Facet-ten beschäftigt. Breit aufgestelltes Fachwissen und eine gesunde Menge Herzblut prägen dabei seine oft unkon-ventionellen Antworten, wie er im Gespräch mit Max Link unter Beweis stellte. Gerade wenn es um direkte, aber konstruktive Kritik ging.

Seit der Premiere von Der Hobbit: Eine unerwartete Reise ist inzwischen einige Zeit vergangen, in der Sie den Film sicher haben Revue passieren lassen. Wie lautet ihr persönliches Fazit als Zuschauer?

Im Großen und Ganzen entspricht der Film meinen Erwartungen, mit einer Tendenz zu leichter Enttäu-schung. Die Technik ist grandios, aber das war auch abzusehen. Die Umsetzung der Inhalte der Buchvorla-ge ist wie schon bei der ersten Trilogie recht gut gelun-gen, wenn auch mit Schwächen in einzelnen Details. Etwas enttäuschend ist allerdings, dass es bei aller Per-fektionierung dessen, was schon in der ersten Trilogie

gut war, keine wirklich neuen Ideen zu sehen gibt.Wobei ich mich durchaus auf Der Hobbit: Eine un­

erwartete Reise gefreut habe! Nachdem ich 2010 er-fahren habe, dass nach all den Querelen um Rechte und Moneten wirklich ein weiterer Monumentalfilm nach Motiven von Tolkien erscheinen würde, stand ich dem Ganzen nicht unkritisch, eigentlich aber positiv gegenüber.

Die teilweise begeisterten Besprechungen auch oder gerade in Massenmedien können Sie also nicht nachvollziehen?

Nur zum Teil. Dafür ist mir der Film erstens zu kla-maukbeladen (das ist amerikanischer, kein feiner Tol-kien-Humor) und zweitens zu wenig innovativ, denn allzu viele Ideen, Szenen, Motive werden recycelt. Das ist zwar alles immer noch gut, aber eben doch nur Be-währtes wiederholt. Ein Beispiel nur: Die Filmmusik klingt hundert Prozent nach der ersten Trilogie. Zuge-geben: Das ist aber auch Jammern auf hohem Niveau.

Interessant, dass Sie Jacksons Ergänzungen zu Tol-kiens Erzählung insgesamt als eher gelungen be-trachten. Schließlich hatte gerade diese Tatsache wäh-rend der Planungsphase bei den meisten Tolkien-Fachleuten für viel Unruhe gesorgt. Hat es Jackson also verstanden, seine Ideen nahtlos in die Hand-lung einzubetten?

Grundsätzlich schon. Gerade, was den ersten Teil angeht, ist ihm das in Bezug auf die Storyline gelun-gen. Dass Jackson Tolkien letztlich aber immer noch nicht richtig durchschaut hat, ist aber auch hier of-

Gandalf ist ein Gott, kein Schuljunge!Ein Interview mit Dr. Frank Weinreich

Foto Courtesy of Warner Bros. PicturesCopyright © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Für Religiöse

Unterwegs mit BilboWährend christliche Elemente in C.S. Lewis‘ Nar­nia-Kosmos eine so offensichtliche wie bedeut-same Rolle spielen, sind sie in Bezug auf Tolkiens Mittelerde nur in den (Un)Tiefen der literarischen Forschung von Bedeutung. Ware, der schon in Der Ring und sein Geheimnis bei Tolkien nach Gott suchte, will das ändern.

Dazu unterzieht er den Hobbit einer teilweise abenteuerlichen Interpretation, in der Allgemein-plätze wie Freundschaft, Hingabe und Bedrohun-gen von Tolkiens Helden in Verhältnis mit dem Alltag eines Christen gesetzt werden. Irgendwie bedenklich, dass dieser rhetorische Husarenritt tatsächlich seine Leser gefunden hat. ml n

Titel Unterwegs mit Bilbo: Inspirierende Gedan-ken zu Tolkiens Der HobbitAutor Jim WareVerlag Gerth Medien • Umfang 204 Seiten • Preis 9,99 ISBN 978-3-86591-742-3

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fensichtlich: So sind die Diskussionen im Weißen Rat zwar gut für die Handlung, ihre Umsetzung aber völ-liger Quatsch. Ein total schwacher Gandalf, der wie ein Schuljunge zu den beiden Elben aufsieht? Gandalf ist ein Maia, eine Art Gott für Galadriel und Elrond – die müssten ganz anders miteinander umgehen.

Jacksons Ergänzungen waren aber bei weitem nicht das einzige Problem, das die Planungsphase des Films begleitete: Es gab die wechselnden Regisseure, Probleme mit den Produzenten, juristische Streitig-keiten etc. Haben Sie je befürchtet, Tolkiens kleiner Held würde dem zum Opfer fallen?

Nein, nie. Aus einem einfachen Grund: Alle Beteili-gten würden sich dieses Geschäft nicht entgehen las-sen. Auch wenn es vielen Beteiligten – und auch Jack-son nehme ich das ab – ihren Aussagen nach darum geht, Tolkien zu ehren, ihn zu interpretieren, ihn noch weiter zu verbreiten, Mittelerde zu zelebrieren usw., geht es doch vordringlich ums Finanzielle. Entspre-chend konnte das Ganze nach dem Erfolg der ersten Trilogie gar nicht schiefgehen. Jackson musste den Film praktisch machen. Wirklich schade ist nur, dass Guillermo del Toro über die Querelen als Regisseur verloren ging. Ich glaube, er hätte dem Film mit seinen neuen Ideen gut getan.

Del Toro und Jackson gelten beide als sehr visuelle Geschichtenerzähler, die sich stark von den eigenen Vorstellungen leiten lassen. Gerade bei Tolkien-Ken-nern wie Ihnen dürften im Laufe der Auseinander-setzung mit den Geschichten Mittelerdes aber ganz eigene Bilder von Tolkiens Kosmos entstanden sein. Lassen sich diese beiden Interpretation vereinen?

Das ist wahrscheinlich eine sehr individuelle Sache und ich kann nur für mich sprechen. Anders als die beiden erwähnten Regisseure bin ich absolut kein visu-eller Mensch, weshalb sich mir Bilder von außen sehr eindrücklich einprägen. Das bedeutet, dass die Bilder

des Filmes meine eigenen Vorstellungen von Personen, Landschaften und Gebäuden stark überlagern.

Das ist aber nicht weiter kritisch! Martin Freeman ist als Bilbo wunderbar, Gandalf sieht seit zehn Jah-ren für mich sowieso aus wie Ian McKellen, die Land-schaft Neuseelands entspricht Tolkiens Beschreibungen schlicht perfekt und Artwork und Bühnenbild von Weta sind auch großartig. Optisch hat Jackson mich persön-lich mit seiner Umsetzung also wirklich sehr geprägt.

Erwarten Sie sich von Der Hobbit: Die Einöde von Smaug also in erster Linie die gewohnt großen Bil-der? Oder wird uns Jackson mit dem zweiten Teil überraschen?

Ich denke, der nächste Film wird mehr von dem zei-gen, was wir jetzt schon gesehen haben. Spannend ist für mich eigentlich nur, ob die stärksten Szenen des ersten Teils – Bilbos und Gollums Rätselwettkampf und die Ankunft der Zwerge in Beutelsend – bei Smaug eine ähnlich starke Entsprechung finden werden. Mal schauen, was Jackson aus Beorn machen wird – da sehe ich das meiste Potential. Und ich hoffe wirk-lich sehr, dass die Spinnen mehr sein werden als ein schlechter Harry Potter-Abklatsch.

Abgesehen davon hoffe ich sehr, dass die Tolkien Ge-sellschaft durch die Hobbit-Trilogie wieder mehr Zu-lauf haben wird, wie es schon 2001 bis 2004 bei Der Herr der Ringe der Fall gewesen ist. Denn das verbes-sert unsere Chancen nachhaltig, den Leuten das echte Mittelerde Tolkiens nahebringen zu können.

Vielen Dank für die informative Unterhaltung und der Tolkien Gesellschaft ein erfolgreiches Jahr. ml n

Foto Christoph Möschke

Für Tolkien-Gegner

Der HobbnixZu den Unarten des modernen Literaturbetriebs gehört, dass jeder fantastische Blockbuster im-mer auch eine Horde meist durchwachsener Par-odien mit sich bringt. Deren Bezug zum Thema beschränkt sich meist auf einen Kalauer im Titel, während eine humorvolle Verfremdung der Vor-lage hingegen eher Kür denn Pflicht ist. Zentrales Verkaufsargument ist vielmehr eine überschau-bar niveauvolle, aber bestmöglich verständliche Sprache gepaart mit derbem Humor.

All das bietet dementsprechend auch Der Hobbnix – der übrigens schon anlässlich der Der Herr der Ringe-Premiere in zu vielen Auslagen zu finden war – und macht seine Sache, glaubt man geneigten Lesern, dabei gar nicht schlecht. Das mag man unterschreiben oder nicht. ml n

Titel Der Hobbnix: Die große Tolkien-ParodieAutor A.R.R.R. RobertsVerlag Heyne • Umfang 352 Seiten • Preis 8,99ISBN 978-3-453-53418-6

Für Historiker

Die wirkliche MittelerdeWährend die Inspiration moderner Genreautoren meist auf einer Legion von Vorgängern fusst, ent-wickelten sich Tolkiens Ideen auf einem anderen, einem akademischen Nährboden. Der wiederum bestand dabei mitnichten nur aus den Epen klas-sischer Literatur, sondern eben auch aus unzähli-gen historischen Einflüssen.

Genau auf diese geht Dr. Arnulf Krause, Profes-sor an der Bonner Universität, in angemessener Breite und Tiefe ein, ohne seine Leser dabei zu belehren. Vielmehr gelingt es ihm, Sachkenntnis und schiere Unterhaltung zu vereinen, was es in der deutschsprachigen Wissenschaft selten zu bewundern gibt. Auch Leser, die das Dickicht der geschichtlichen Forschung sonst meiden, sollten sich Krauses Ausführungen über Zwerge, Dra-chen, Krieger usw. nicht entgehen lassen. ml n

Titel Die wirkliche Mittelerde: Tolkiens Mytholo-gie und ihre Wurzeln im MittelalterAutor Arnulf KrauseVerlag Theiss • Umfang 232 Seiten • Preis 19,95 ISBN 978-3-8062-2478-8

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Titelthema

Nun liegt es an Ihnen: Entweder Sie wollen Ihre warme, gemütliche Wohnhöhle nicht verlas-sen, sich aber doch als guter Gastgeber erwei-

sen und die Zwerge unterhalten (und vielleicht sogar so ablenken), oder Sie sind einem solchen Abenteuer nicht abgeneigt, halten es aber für sinnvoll, sich für eine solche Mission gut vorzubereiten. In beiden Fällen können Ihnen die passenden Spiele helfen – entwe-der weil das die Zwerge auf andere Gedanken bringt oder weil sie somit die Abenteuer im Vorfeld simulieren und sich so darauf vorbereiten können (zudem erzählt man sich, dass sogar Rätselspiele dabei geholfen haben sollen, um nicht von sonderbaren Höhlenbewohner sofort gefressen zu werden).

Passend zur Verfilmung von Der Hobbit sind gleich mehrere Spiele erschienen, die in J.R.R. Tolkiens Mit-telerde angesiedelt sind.

Der Hobbit: Das KartenspielDer kleinste Vertreter der hier vorgestellten Hobbit-Spiele ist Der Hobbit: Das Kartenspiel. Bei diesem Stich-Kartenspiel spielen zwei Teams gegeneinander Bilbo, Thorin und Gandalf gegen Smaug und Bolg (bei weniger Spielern fallen einige der Figuren weg). Im Kampf Gut gegen Böse bekommen die Bösen zunächst mehr Karten, müssen dann aber offen Karten abwer-fen. Gespielt wird jeweils in zwei Durchgängen. Es gilt, Stiche zu machen: Farben müssen bedient werden, die höchste Karte gewinnt und Trumpf sticht alles. Die gewonnenen Karten werden unter den Spielern ver-teilt, wobei für die einzelnen Charaktere unterschied-liche Regeln gelten. Zudem haben die Symbole auf den Karten Auswirkungen: Sterne fügen den Bösen Schaden zu und heilen die Guten, während Orkhelme genau andersherum funktionieren. Pfeifen aus dem ersten Durchgang verleihen Bonuskarten im zwei-ten Durchgang. Hier kommt es also darauf an, wie die Stichkarten nachher verteilt werden. Sammeln die Charaktere im ersten Durchgang zu viele der für sie negativen Symbole, dann scheiden sie aus – wodurch die Partie sogar vorzeitig enden kann. Die Karten sind

dabei einfach, aber stimmig zum eigentlichen Kinder-buchcharakter des Hobbits illustriert.

Auf den ersten Blick ist Der Hobbit: Das Kartenspiel ein simples Stichspiel (gleichnamige Schwerter werden hier jedoch nicht benötigt), das jedoch durch die Son-derregeln deutlich komplexer wird. Damit ist es gut für einen Spieleabend in die Tavernen von Seestadt oder unter Kartenspielfreunden geeignet.

Der Herr der Ringe: KartenspielMit Der Herr der Ringe ist neben Der Hobbit noch ein weiteres Mittelerde-Kartenspiel erschienen. Die Spieler bauen Heldengruppen aus den bekannten Gefährten aus der Herr der Ringe auf und versuchen damit, die vielfältigen Schergen Mordors zu bezwingen. Das Spiel-prinzip ist einfach: Die Spieler bilden aus ihren Gefähr-tenkarten nach und nach Gruppen. Ein Spieler kann mehrere Gruppen aufbauen, aber Gefährten können zwischen diesen nicht wechseln. Jeder Charakter liefert bestimmte Farbsymbole, und um die Feinde zu bezwin-gen, muss eine Gruppe die Farbsymbole dieses Gegners besitzen. Danach wird die Gruppe abgeworfen, aber der Spieler bekommt die Feindkarte als Punktekarte. Dadurch, dass beim Nachziehen der Karten, um wei-tere Gefährten zu sammeln, auch schlechte Mordor-karten gezogen werden können, kommt noch zusätzli-che Dynamik ins Spiel.

Das Spielprinzip von Der Herr der Ringe: Karten­spiel ist so einfach, dass fast sogar ein Troll die Regeln verstehen könnte, und das Spiel passt auch in die Hosentasche eines Hobbits. Für eine schnelle Kar-tenpartie (oder zum Aufwärmen für einen längeren Spielabend) ist Der Herr der Ringe: Kartenspiel daher gut geeignet.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen entspannt in Ihrer gemütlichen Wohnung und plötzlich fällt eine Horde Zwerge bei Ihnen ein (nur weil irgendein dahergelaufe-ner Zauberer ihre Tür bekritzelt hat). Natürlich wollen diese Zwerge etwas essen und trinken, außerdem möchten sie beschäftigt werden (andernfalls könnte es passieren, dass sie spontan zu singen anfangen). Und schlimmstenfalls hecken

diese Zwerge aus schierer Langeweile irgendwelche selbstmörderische Pläne aus, viele Meilen gefährliche Wildnis zu durchwandern, nur um sich dann mit einem

Drachen anzulegen – und ausgerechnet Sie sollen sie dabei begleiten…

Titel Der Hobbit: Das KartenspielVerlag Kosmos • Preis 6,99

Spieler 2-5 • Alter ab 10 Jahre Spielzeit 30 Minuten

Spiele für Hobbits (und andere)

nicht, aber hat doch einen starken Eindruck von der Person. Wer diese Zeichnung gesehen hat, meint Gandalf zu kennen, das ging wahrschein-lich nicht nur mir so. Peter Jackson hat ja für die Visualisierung der Figuren genauestens recher-chiert, nicht zuletzt beim Meister selbst. Entspre-chend gibt es da keine größeren Konflikte zwi-schen meinen Vorstellungen und den Figuren in Der Hobbit: Eine unerwartete Reise.

Wenn das kein Kompliment aus dem Mund eines Tolkien-Lektors ist. Vielen Dank für die persönlichen Einblicke und das informative Gespräch. ml n

>> Fortsetzung von Seite 33…

Titel Der Herr der Ring: KartenspielVerlag Kosmos • Preis 6,99

Spieler 2-4 • Alter ab 8 JahreSpielzeit 30 Minuten

The Hobbit

Von Reiner Knizia stammt die Kartenspielversion: The Hob­bit: An Unexpected Journey (Ravensburger, 14,99).

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Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den BergUnter dem Titel Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den Berg ist eine Saga­Erweiterung für das Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel (nicht zu verwechseln mit dem oben beschriebenen Der Herr der Ringe – Kar­tenspiel!). Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel gehört zu den Living Card Games (LCG), bei denen die Spieler ähnlich wie bei Trading Card Games (TCG) ihre eige-nen Spielkartenstapel zusammenstellen (diese aber im Gegensatz zu TCG als feste Erweiterungen und nicht als zufällige Booster kaufen). Als Saga­Erweiterung fokussiert die Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den Berg stark auf die Romanvorlage und bietet drei Szenarien. Da ziehen wir hin, da lockt Gewinn konfrontiert Bilbo und seine Begleiter mit Trollen, die die Abenteurer »einsacken«. Über die Nebelberge weit ist ein zweiteiliges Setting, das sich um die tobenden Steinriesen und den Kampf mit den Bilwiss-Orks dreht, während Zu Höhlen tief aus der Zeit die Begegnung mit Gollum und die Konfrontation mit den Wargen in den Mittelpunkt stellt. Jedes Szenario hat seinen festen Satz an Begegnungskarten und mit einer Reihe an Helden- und Spielerkarten können die Spieler ihre Decks mit Gandalf, den Zwergen und mehr aufwerten. Hilfreich sind hier auch die neuen Schatzkarten, die Schätze wie den Ring oder Orcrist enthalten. Während diese Erweiterung die erste Hälfte des Romans zum Thema hat, ist bereits eine weitere Saga-Erweiterung angekündigt.

Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den Berg simuliert schon deutlich detaillierter eine gefähr-liche Reise durch Mittelerde und die Begegnung mit Trollen, Bilwissen, Wargen und Gollum. Da das Spiel kooperativ ist, eignet es sich nicht nur für Gruppen von Zwergen zur Abenteuervorbereitung und dürfte von der Komplexität auch für Zauberer interessant sein.

Der Hobbit: Eine unerwartete ReiseWie es der Titel bereits deutlich macht, ist Der Hobbit: Eine unerwartete Reise das Brettspiel zum Film, und damit dreht sich auch dieses Spiel nur um den ersten Teil der Reise Richtung Erebor. Die Spieler arbeiten zusammen und jeder von ihnen übernimmt zwei Zwerge, die Bilbo über den Spielplan begleiten. Ziel der Spieler ist es, diese Spielfiguren vorbei an den Trollhö-hen, Bruchtal, Carrock und Nebelgebirge bis ans Ziel zu führen. Gezogen werden die Zwerge mit entspre-chenden Bewegungskarten. Bilbo, der von jedem Spie-ler vorwärts gebracht werden kann, hat eigene Bewe-gungskarten oder kann mit Ponykarten (dann sogar zusammen mit einem Zwerg) bewegt werden. Je nach-dem, wo sich die Zwerge befinden, können sie andere

Karten nachziehen, so dass die Karten aus Bruch-tal (wenig überraschend) besser als die normalen Nachziehkarten sind. Auf einigen Feldern befinden sich Zwerge und Bilbo aber auf gefährlichem Ter-rain, denn auf den Trollhöhen und im Nebelgebirge müssen Karten vom Abenteuerstapel gezogen werden, die häufig Gegner wie Trolle oder Orks enthalten. Nur wenn der Spieler genügend Zwerge oder Verbün-dete spielen kann, lassen sich diese Gegner besiegen. Falls Gandalf, der auf eigenen Feldern zieht, jedoch am rechten Ort ist, kann er den Zwergen oder Bilbo helfen. Die Niederlage schickt die Spielfigur nur einige Felder zurück, doch die Zeit arbeitet gegen die Spieler. Immer wieder verbergen sich Gefahr-Karten im Kar-tenstapel und lassen einen Marker auf der sogenann-ten Ork-Spirale weiterziehen. Dadurch kann die Figur auf der vordersten Position gefangen werden und muss dann mühevoll befreit werden. Wird das letzte Feld der Ork-Spirale erreicht, haben die Spieler sofort verloren. Hilfreich ist, wenn es gelingt, Bilbo den Ring im Nebel-gebirge finden zu lassen, denn dann ist zumindest er gegen Orkangriffe gefeit.

Auch wenn sich Der Hobbit: Eine unerwartete Reise mit einer großen Box und einer Reihe an Regeln, die jedoch übersichtlich auf vier Seiten erläutert werden, präsentiert, ist das Spiel schnell und einfach zu erler-nen. Man muss kein Zauberer sein, um das Spiel zu verstehen, und sogar Hobbits haben eine faire Chance, das Spiel bezwingen zu können. Als Brettspiel eignet es sich aber nicht für die Mitnahme auf Abenteuer-reise, sondern besser für eine gemütliche Partie in der Hobbit-Höhle.

Fünf Spiele führen den geneigten Spieler zurzeit nach Mittelerde (Der Hobbit von Kosmos haben wir bereits in der Mephisto 55 vorgestellt). Der Hobbit: Eine uner­wartete Reise und Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den Berg eignen sich gut, um die eingangs erwähnten Zwerge auf das Abenteuer vorzubereiten und mit dem Zauberer eine Strategie auszutüfteln. Der Hobbit: Das Kartenspiel und Der Herr der Ringe: Kar­tenspiel sind deutlich einfacher aufgebaut und lassen sich durchaus auf Reisen mitnehmen und in Höhlen unter dem Nebelgebirge spielen.

Einen interessanten Blickwinkel auf Tolkiens Roman bieten auf jeden Fall alle Spiele. bl n

Titel Der kleine Hobbit: Über den Berg und unter den BergVerlag Heidelberger Spieleverlag • Preis 19,95Spieler 1-2 • Alter ab 14 JahreSpielzeit keine Angabe

Titel Der Hobbit: Eine unerwartete ReiseVerlag Kosmos • Preis 24,99Spieler 2-4 • Alter ab 10 JahreSpielzeit 30 Minuten

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Arkham Horror

�� | Mephisto 56

Aufbau

GlaakiDie weise und schwer fassbare Kreatur ausserir­dischen Ursprungs, die als Glaaki bekannt ist, soll angeblich in einem See innerhalb des Severn Valley in England schlummern. Anderen Berichten zufolge soll sie jedoch auch in anderen Seen ge­sehen worden sein. Angeblich kam Glaaki gefan­gen in einem Meteor auf die Erde, welcher beim seinem Aufprall den See, in dem er schlummert, schuf. Glaaki ist von schneckenartiger Gestalt, gespickt mit unzähligen (organischen) Spiessen und ausgestattet mit tentakelartigen Augenaus­wüchsen, die aus dem Wasser hervorragen.Glaaki wird in erster Linie von unbarmherzigen Kreaturen untoter Natur verehrt.

Szenarien­Massaker RELOADEDSzenario 7

Basierend auf dem Szenario von JR Goodwin.Story von Dirk Johannes Dreessen

Allgemeine RegelnDiese Szenarien greifen minimal in den Spielverlauf ein und sind

einfach zu benutzen. Das beigefügte Intro soll einen atmosphä-rischen Einstieg in das jeweilige Szenario vermitteln. Diese Storys fül-len die Übergänge, die zwischen den Szenarien entstehen und bauen aufeinander auf. Die Szenarien sollten in der angegebenen Reihen-folge gespielt werden, damit die Kampagne auch logisch bleibt.

Es können 2-8 Ermittler, die sich jeweils einen der angegebenen Cha-raktere aussuchen, an einem Szenario teilnehmen. Bei folgenden Szena-rien muss der Charakter vom gleichen Spieler gespielt werden, es sei denn, er wird verschlungen… Neue Charaktere aus dem Charakterpool (in Form neuer Spieler) können natürlich zu Beginn einer Partie einsteigen.

AnmerkungenFür dieses Szenario benötigt man das Arkham Horror Grundspiel

und die Erweiterung Das Grauen von Dunwich.

Großer Alter: GlaakiDer Spielaufbau erfolgt normal, wie in den Spielregeln beschrieben.

Die Erweiterung Das Grauen von Dunwich wird komplett hinzugefügt, einschließlich des Spielbretts.

Nur die hier aufgezählten Ermittler dürfen benutzt werden:Darrell Simmons, Carolyn Fern, Mark Harrigan, Schwester Mary,

Harvey Walters, Jim Culver, ›Ashcan‹ Pete, Jacqueline Fine, Gloria Gold-berg, Monterey Jack, Michael McGlen, Rita Young

Die hier aufgeführten Standorte sind zu Spielbeginn geschlossen:Silberloge der Dämmerung, Wälder

Das Spiel beginnt normal mit Start­Hinweismarker auf dem Spielplan und Ermittler erhalten ihre Hinweismarker. Einer der Ermittler MUSS Calvin Wright als Verbündeten wählen, der einen Besonderen Gegenstand des Besitzers ersetzt. Nur Ermittler, die einen Besonderen Gegenstand als zufälligen oder festgelegten Besitz bekommen würden, können Calvin als Verbündeten nehmen.

Kultisten haben eine Horrorstufe von ­3 und fügen 2 Horrorschaden zu. Ausserdem haben sie eine Kampfstufe von ­ 3 und fügen 3 Kampfschaden zu. Befinden sich am Ende

einer Mythosphase 2 oder mehr Kultisten an einem Standort, wird der Terrorlevel um 1 erhöht.

Jeder Spieler kann sich entscheiden, verschlungen zu werden, um 3 Verderbenmarker von der Verderbenleiste zu entfernen. Wird ein Ermittler durch einen Kultisten ins Krankenhaus befördert, entfernt der Spieler den Kultisten vom Spielplan und legt ihn auf seinen Ermittlerbogen.

Wenn Glaaki erwacht, wird jeder Ermittler mit einem Kultisten auf seinem Ermittlerbogen verschlungen.

Fortsetzung Besondere Regeln

Szenario 7Hinweis: Die Anzahl an Hinweismarkern, die am Ende eines Szenarios

nicht von Ermittlern ausgegeben wurden, sollte notiert werden.

Das Brettspiel

www.hds-fantasy.de

Mehr dazu in unserem Forum: forum.hds-fantasy.de

Besondere Regeln

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Arkham Horror | ��

Velma näherte sich dem Tisch, an dem der Mann, den sie als Calvin Wright kannte, saß und, die Hände unter der Tischplatte verborgen, vor sich hin starrte.

»Darf’s noch Kaffee sein, Schätzchen?«Diese Frage war eigentlich rhetorisch, denn es gehörte für

Velma zum guten Ton, dass jeder Gast in ihrem Diner stets ge-nug Kaffee in seinem Becher hatte.

Calvin reagierte erst nicht, dann wandte er den Kopf. Der Blick aus seinen blutunterlaufenen Augen flackerte irre um-her, schien nichts wahrzunehmen, bis er Velmas Gesicht fand. Sie fühlte sich plötzlich unbehaglich, irgendetwas lag in sei-nem Blick, das sie weder deuten noch fassen konnte.

»N… noch Kaffee?«Er nickte knapp und wandte sein Gesicht langsam, fast me-

chanisch, wieder ab. Velma schalt sich eine dumme Gans, dass sie sich so verunsichern ließ – vielleicht hatte er nur schlecht geschlafen! – und goss, ein wenig zu schwungvoll, das heiße Getränk in die noch halbvolle Tasse, die daraufhin überlief.

»Oh Verzeihung, ich mach‘ das gleich weg!«Sie machte auf dem Absatz kehrt, um einen Lappen zu ho-

len, während er den Kopf senkte und auf die sich auf der ver-kratzten Tischplatte ausbreitende Kaffeelache blickte.

Die Beleuchtung spiegelte sich in der Oberfläche des ver-schütteten Kaffees, der langsam drehende Deckenventilator unterbrach diese Reflexe in einem Rhythmus, der mit dem dröhnenden Herzschlag in Calvins Kopf zu verschmelzen schien. Die Flüssigkeit schien mit jedem Schlag schwärzer zu werden, die Reflexe greller, bis sein Gesichtsfeld nur noch aus tiefstem Schwarz und grellem Weiß zu bestehen schien. Der Herzschlag wurde dröhnender, verlangsamte sich, als würde die Zeit selbst immer zähflüssiger verrinnen. Dann hielt sie in einem letzten donnernden Schlag an.

Seufzend saß Wilson Richards auf dem durchgelegenen Bett. Irgendwie war er seit der »Blutnacht von Arkham« nicht mehr er selbst. Er hatte zu viel gesehen, dass sich auf ewig in sein Hirn eingebrannt hatte, Dinge die er sich nicht einmal in sei-nen finstersten Albträumen hatte vorstellen können. Immer wieder sah er die Windschreiter vor sich, wie sie durch die Luft gehetzt waren und wahllos Flüchtende gepackt und zerrissen hatten. Er schüttelte heftig den Kopf, um diese grausamen Ge-danken aus seinem Kopf zu vertreiben. Er zog einen weiteren Riemen seiner Gepäcktasche fest, vergewisserte sich, dass er auch wirklich alles gut und sicher verstaut hatte. Wahrschein-lich war dieser Calvin Wright an allem Schuld! Er hatte dem Kerl von Anfang an nicht über den Weg getraut! Während er sein Gepäck schulterte, noch einen letzten Blick durch den Raum schweifen ließ, der ihm in den letzten Wochen als Un-terkunft gedient hatte, und sich der quietschenden Tür zu-wandte, reifte in ihm ein Entschluss.

Eine alte, runzelige Hand fuhr fast liebevoll immer wieder über den verwitterten Totenschädel einer ziegenähnlichen Kreatur, der auf der rissigen Tischplatte lag, während ein kno-

chiger Finger über die Passagen eines uralten Wälzers glitt. Wenn man bedachte, unter welchen Umständen der Alte dieses Werk, unbeobachtet von neugierigen Augen, aus den Trüm-mern der Orne-Bibliothek geborgen hatte, war es erstaunlich, dass es ohne größere Schäden geblieben war. Der unermess-liche Wert des in Menschenhaut gebundenen Buches lag auch weniger in seinem Äußeren, als in dem, was der wahnsinnige Jemenit namens Abdul Alhazred der Legende nach vor über 1.000 Jahren darin niedergeschrieben hatte.

Seit Stunden stand Whateley nun schon an dem Tisch, strich über den Schädel und murmelte leise die in einer un-verständlichen, bedrohlich klingenden Sprache verfassten Passagen aus dem Buch. Nachdem er die alten Schriften über Wochen studiert hatte, schienen seine Beschwörungen jetzt er-ste Erfolge zu erzielen. Er hatte den schwachen Widerhall ei-ner Antwort erhalten. Die Augen des Magiers öffneten sich und er verstummte. Die lodernden Flammen im Kamin begannen, sich schwarz zu färben und nahmen eine ölige Konsistenz an. Ehe er seine Beschwörungsformeln mit Inbrunst deutlich lau-ter fortsetzte, teilten sich seine schmalen Lippen zu einem dia-bolischen Grinsen.

Calvin glaubte zu schweben. Er sah sich um, konnte aber kaum etwas erkennen. Waren das Wasserpflanzen? Er sah ge-nauer hin und erkannte tatsächlich so etwas wie Pflanzen. Überall schwarze, mit lepröser Haut überzogene Ranken, die träge hin und her wogten. Er schreckte zurück, wollte nur weg! Er ruderte wild mit den Armen, strampelte, aber sein Kör-per bewegte sich keinen Millimeter. Er versuchte zu schreien, doch sein weit aufgerissener Mund füllte sich sofort mit der kalten, übelschmeckenden Flüssigkeit, die kein Wasser sein konnte. Nun überkam ihn die nackte Panik. Weg! Helft mir! Verzweifelt blickte er sich um, suchte nach etwas, das die-sen Albtraum beenden würde. Doch das Schicksal ließ ihm keine Gnade zuteilwerden. Die widernatürlichen tentakel-artigen Auswüchse teilten sich und Calvin blickte in das mit metallischen Stacheln bewehrte Angesicht des kreischenden Wahnsinns.

Auf dem Weg zu Ma’s Gästehaus, wo er hoffte, die anderen zu finden, ging Wilson an Velmas Diner vorbei. Beiläufig blickte er im Vorbeigehen durch das Fenster hinein und blieb wie an-gewurzelt stehen. Erst glaubte er, in dem hell erleuchteten Di-ner wäre eine Schlägerei ausgebrochen, doch dann konnte er sehen, dass offenbar mehrere Personen versuchten, einen wild um sich schlagenden Mann zu bändigen. Er trat näher an die Scheibe und erstarrte. Der Schläger war niemand anderer als Calvin Wright! Seine Augen waren weit aufgerissen und nach hinten gedreht, Schaum troff aus seinem Mund und seine Arme und Beine zuckten wild umher. Wilson ließ seine Tasche fallen und stürmte zur Tür.

Als er sie aufriss, brandete ihm wildes Geschrei entgegen, ein Blitz tauchte die absurde Szenerie in grelles Weiß. Er rann-te auf Calvin zu, der nun wie eine leblose Puppe zusammen-

Szenario 7

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Arkham Horror

�0 | Mephisto 56

sackte und nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie der Fotograf erneut auf den Auslöser drückte. Er schob sich grob durch die herumstehenden Gäste und kniete sich neben Calvin nieder. Seine Augen waren geschlossen, weißer Schaum sickerte aus seinen Mundwinkeln. Atmete dieser Wahnsinnige überhaupt noch? Wilson beugte sich vor, um Calvins Puls zu fühlen, als dieser plötzlich hochfuhr, Wilsons Kopf packte und die Stirn gegen die seine presste.

»Hilf mir…« flüsterte er noch, dann spürte Wilson, wie eine unmenschliche, schwarze Macht seinen Geist packte und aus seinem Körper riss.

Schwester Mary schloss die quietschende Tür zur Kapelle, schloss sie sorgfältig mit dem riesigen Schlüssel ab und wand-te sich um. Sie war gern hier. Hier konnte sie in Ruhe beten, ihre innersten Gefühle und Gedanken mit Gott teilen, ihre Fragen stellen. Sie war weit davon entfernt, an ihrem Glau-ben zu zweifeln, dennoch beunruhigte sie die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse zutiefst. War dies der Beginn des Armageddon, Gottes ultimative Prüfung? Sie wusste es nicht. Dennoch hoffte sie inbrünstig, der Herr möge ihr eine Antwort auf diese Frage geben.

Sie blickte auf in den sternenklaren Nachthimmel und machte sich dann mit knirschenden Schritten über den schmalen Weg zurück zur Kirche. Als sie auf den Hauptweg einbog, nahm sie zum ersten Mal den üblen Geruch wahr, der immer stärker wurde, je näher sie dem kleinen See kam, der das Kirchengelände auf der Südseite begrenzte. Hatte es hier vorhin auch schon so gerochen? Sie beschleunigte ihre Schritte, irgendetwas stimmte hier nicht. Der Gestank ließ sie an ihre Kindheit denken, als sie mit ihrem Vater in den Wäl-dern nahe Dunwich unterwegs gewesen war, um Pilze zu sam-meln. Sie hatten, nachdem sie schon den ganzen Tag im Wald verbracht hatten, auf einer Lichtung eine stark verweste Män-nerleiche entdeckt. Der Geruch, der dem hier am See so sehr ähnelte, und das Geräusch der Myriaden Fliegen verfolgten sie bisweilen heute noch in ihre Träume.

Sie schritt noch schneller aus, rannte fast. Sie musste an dem See vorbei, wenn sie die Sicherheit der Straße mit ihren hell leuchtenden Laternen erreichen wollte. Sie war fast an dem See vorbei, als sie zwischen den nahe am Wasser stehen-den Bäumen eine Gestalt stehen sah. Als diese langsam aus dem Schatten in das helle Mondlicht trat, entrang sich ihrer Kehle ein Schrei und sie begann zu rennen.

Ich hasse diesen Kerl! dachte Bruder Marsh, als er aus dem Diner auf die Straße trat. Diese für sein beherrschtes analy-tisches Wesen eher ungewöhnliche Gefühlsäußerung galt dem alten Whateley, den er zutiefst verabscheute. Mächtig war er, ohne Zweifel, und er würde auch noch eine sehr wichtige Rol-le spielen, dennoch tat er sich schwer damit, diesem Mann so unterwürfig begegnen zu müssen.

Dessen ungeachtet, war er soeben Zeuge einer höchst in-teressanten und aufschlussreichen Begebenheit geworden. Er sah dem gerade davon fahrenden Leichenwagen hinterher und fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn die anderen

auch noch hier gewesen wären. Wright hatte es überlebt, aber den anderen hatte es voll erwischt. Kaum hatte seine Stirn die von Wright berührt, war er erstarrt und schließlich mit blu-tenden Augen und Ohren zusammengebrochen. Vermutlich war er schon tot gewesen, bevor er ganz auf dem Boden auf-schlug. Wright dürfte jetzt wahrscheinlich schon auf der Po-lizeiwache eingetroffen sein, aber es war abzusehen, dass er von dort in kürzester Zeit in das Arkham Sanatorium verlegt werden würde. Dort weggesperrt, würde er keine Gefahr mehr darstellen. Denn es ging eine Gefahr von ihm aus und Bruder Marsh hatte große Pläne.

Glücklicherweise hatte er unmittelbar vor der Miskatonic Uni-versität ein Taxi anhalten können, denn sein schon recht fort-geschrittenes Alter machte Professor Harvey Walters zuneh-mend zu schaffen. Er hatte vor wenigen Minuten einen Anruf von der Polizeiwache erhalten, dass ein gewisser Calvin Wright soeben von seinen Kollegen bei ihm abgeliefert worden sei. Er habe nach Professor Walters verlangt, teilte ihm der dienstha-bende Beamte mit und äußerte gleich darauf seinen Unmut darüber, dass wegen dieses Kerls nun auch noch die Presse auf seiner Wache herumlungere.

Harvey hatte das Gespräch beendet und eine Weile nur da-gestanden, die Augen geschlossen. Er hatte es befürchtet, aber immer gehofft, er würde sich irren. Nun war er sich sicher: es war noch nicht vorbei. Noch lange nicht.

Er hatte alles stehen und liegen lassen und sich unverzüg-lich auf den Weg gemacht.

Der Wagen kam neben der Polizeiwache zum Stehen. Har-vey drückte dem Fahrer einen unanständig hohen Geldbe-trag in die Hand und stieg aus dem Taxi. Er sog die seltsam riechende Abendluft ein und näherte sich dann mit wacke-ligen Schritten der Eingangstür der Polizeistation. Keuchend und mit wild pochendem Herzen stützte er sich kurz an dem schmiedeeisernen Geländer der Eingangstreppe ab und wurde fast von der Tür getroffen, die plötzlich aufgestoßen wurde.

Vor ihm stand ein Mann, der unschwer als Reporter zu er-kennen war.

»Darrell Simmons, Arkham Advertiser. Sind Sie Professor Walters?«

Harvey Walters schloss kurz die Augen und ging dann wort-los an dem Mann vorbei in das Innere des Gebäudes.

Calvin starrte an die rissige, vergilbte Decke seiner Zelle. Der Polizist hatte gerade den Raum verlassen, jedoch nicht, ohne sich zu vergewissern, dass die Manschetten, die Calvin an die Pritsche fesselten, auch richtig festgezurrt waren. Was ge-schieht mit mir? Warum ich? fragte er sich immer wieder.

Er lag schlaff auf der stinkenden Matratze und versuchte, seine Gedanken zu den jüngsten Ereignissen zurückzulenken. Er hatte sich Unterwasser in einer gewaltigen Kaverne befun-den, deren Gewölbe von zyklopischen Säulen gestützt wurde, die mit ihm völlig unbekannten Schriftzeichen und Symbolen bedeckt waren. Er sah die gigantische Kreatur vor sich, die dort lauerte. Spürte immer noch die dunkle, apokalyptische Macht, die von ihr ausging. Das mit metallischen Stacheln be-

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wehrte Monstrum begann sich, einer Schnecke gleich, unauf-haltsam auf ihn zuzuschieben und er hatte um die Gnade der Ohnmacht gebettelt. Als sich einer der Stacheln in ihn hinein zu bohren drohte, spürte er, dass jemand in seiner Nähe war. Sein von Todesangst gepeinigter Geist hatte seine gesamte En-ergie auf diese Person gerichtet und Calvin war inmitten von schreienden Menschen neben der Leiche von Wilson Richards wieder zu sich gekommen.

Er leckte sich über seine gesprungenen Lippen und er-schauerte, denn je mehr er seinen geschundenen Verstand zwang, sich den vergangenen Ereignissen zu nähern, desto sicherer war er, dass noch jemand mit ihm in der Unterwas-serhöhle gewesen war. Jemand, der nur beobachtet und dabei zufrieden gelächelt hatte.

»Es tut mir leid Ma’am, keiner unserer Wagen ist derzeit ver-fügbar. Ich weiß auch nich‘, was im Moment hier los ist.«

Der Telefonhörer knallte härter, als von ihr beabsichtigt, zurück auf die Gabel, doch Carolyn Fern schäumte vor Wut. Das hatte doch nun wirklich noch Zeit! Was bildete sich dieser renitente Polizist eigentlich ein! Er hatte nicht nur darauf be-standen, dass sie jetzt noch auf die Wache kommen und einen Inhaftierten begutachten sollte, sondern war noch nicht ein-mal in der Lage, ihr einen Wagen zu schicken, der sie abholte!

Sie hatte schon das Licht in ihrem kleinen Büro im Erd-geschoss des Arkham Sanatoriums gelöscht und die Tür hin-ter sich geschlossen, als sie ihr Telefon läuten hörte. Wäre sie doch nur nicht zurück ins Büro gegangen! Kopfschüttelnd verließ sie ihr kleines Reich, drehte den Schlüssel zweimal im Schloss und verließ das Gebäude in der Hoffnung, um diese Zeit noch ein Taxi zu finden.

Schwester Mary hatte die von gelblichem Licht erleuchtete Straße erreicht und blickte, nach Atem ringend, zurück. Der See und das Kirchengelände waren menschenleer und lagen, in silbriges Mondlicht getaucht, seelenruhig da. Dieser sonst so beruhigende Anblick hatte nun etwas Bedrohliches, Lau-erndes. War es eine Täuschung gewesen? Spielte ihr Verstand ihr einen Streich? Sie war sich sicher, dass dort jemand ge-standen hatte. Sie brauchte nun jemanden, dem sie vertraute und der ihr mit seinem analytischen Verstand helfen konnte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie winkte ein Taxi herbei und ließ sich zur Miskatonic Universität chauffieren.

Froh, endlich diesem elenden Krankenhaus entfliehen zu kön-nen, ging Monterey Jack den weiß getünchten Flur entlang. Eben war ihm von einem völlig übermüdeter Arzt eröffnet worden, dass es keinen medizinischen Grund mehr gäbe, ihn noch länger im Hospital zu behandeln.

Jack hatte seine Sachen gepackt und war direkt zum Büro Dr. Lee gegangen, um sich zu verabschieden. Verwundert stell-te Jack fest, dass die Tür verschlossen war. Dr. Lee war um di-ese Zeit sonst immer in seinem Büro. Nun, vermutlich traf er sich gerade mit dem Rest der Truppe in Ma‘s Gästehaus, und dort wollte Jack ohnehin als nächstes hin. Er konnte es kaum erwarten, alle wiederzusehen. Endlich schienen sie die Dinge unter Kontrolle zu bekommen.

Als er sich zum Gehen wandte, sah er ein Stück vor sich jemanden mit seltsam eckigen Bewegungen um die Ecke in Richtung Eingangshalle abbiegen. Diese Szenerie ließ ihn in seiner Bewegung erstarren. Fast die ganze Gestalt war von einem großen grünen Tuch bedeckt gewesen, er hatte nur die nackten Füße ausmachen können. Langsam näherte er sich der Ecke und nahm mit Unbehagen war, dass die, soweit er wusste, immer verschlossene Tür, hinter der die Treppe hinun-ter in die Pathologie führte, einen Spalt offen stand. An der Ecke angelangt, hielt er unbewusst den Atem an und blickte zu Boden. Dort lag ein kleines, mit einem zerrissenen Band verse-henes Kärtchen, auf dem deutlich der Name Wilson Richards zu lesen war.

Der Alte saß auf der Veranda und blies zufrieden einen Rauch-ring in den Abendhimmel. Alles war glatt gegangen, er hatte Antwort erhalten. Eine sehr viel versprechende Antwort. Ihm waren Dinge gezeigt worden, die er sich nicht einmal in seinen verkommenen Phantasien hätte ausmalen können. Dinge, die Großes verhießen und er war nur zu gern bereit gewesen, den geforderten Preis für dieses Wissen zu zahlen. Was war schon ein Auge, für das Wissen darüber, was ihm vorherbestimmt war? Die Welt würde nicht mehr das sein, was sie einmal war. Mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln strich er geistesab-wesend über die leere Augenhöhle. Bald, sehr bald, würde sich alles fügen. n

Szenarien-MassakerDie Mephisto veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Spieleverlag regelmäßig neue Szenarien und Spielvarianten für das Cthulhu Brettspiel Arkham Horror.

Die zweite Staffel des Szenarien-Massakers startete in Me­phisto 50, während Sie in Mephisto 4� eine Variante für die Erweiterung Die Schwarze Ziege der Wälder zu Infiltrie-rung, Sabotage und Korrumpierung finden, mit der Arkham

Horror noch spannender und abwechslungsreicher wird!Sollten Ihnen bisher die Erweiterungen entgangen sein,

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Cthulhu

Hexenjagd

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Cthulhu | ��

Hinter den Vorfällen stand Iona Graves, die Tochter einer Hexe namens Caitlinn McDouglas, die vom Geist ihrer Mutter manipuliert wurde, sich bei

deren Mörder, Lord Alexander, einzuschmeicheln, um tödliche Rache zu nehmen – und dabei ihren eigenen Vater zu töten. Lord Alexander verfolgte eigene finstere Pläne mit seiner Braut, überlebte die Hochzeitsnacht jedoch nicht. Iona entkam mit dem Erbe ihrer Mutter, dem Grimoire der McDouglas-Hexen. Der wahre Plan von Caitlinns Geist jedoch, sich des Körpers ihrer Toch-ter zu bemächtigen, war anscheinend gescheitert.

Die fehlenden JahreMehr als 30 Jahre sind seit den Vorfällen auf Mist-

water Manor vergangen, und das schummerige Gas-licht ist den Goldenen Zwanzigern gewichen. Iona Graves Flucht hat sie zunächst durch Europa und dann über den Atlantik in die Neuenglandstaaten geführt, wo ihre Tochter Cara zur Welt kam. Durch ihre eigene Geschichte als Waise fühlte sich Iona dazu verpflich-tet, ihrer Tochter ein normales Leben zu ermöglichen. Sie nahm verschiedene Anstellungen an und aufgrund ihrer berechtigten Sorge, dass Lord Alexanders Verbün-dete weiter Jagd auf sie und das Buch machen würden, blieb sie nie lange an einem Ort. Erst widerwillig und dann mit wachsendem Interesse nahm sie ihr Erbe an und studierte das Grimoire der McDouglas-Hexen. So steigerte sie ihre eigenen Fähigkeiten, die sie zunächst vorsichtig, dann jedoch immer selbstbewusster für ihre Zwecke einsetzte.

Ihre Tochter Cara entwickelte sich hervorragend und war immer ein wenig zu erwachsen und klug für ihr Alter – und auch kälter und berechnender, als man es erwarten würde. Kurz vor deren Volljährigkeit erkannte Iona das Geheimnis, das ihre eigene Toch-ter umgab, dass im jungen Körper der Geist ihrer Mutter Caitlinn McDouglas herangereift war. Aufgrund der Erinnerung an Caitlinns Versuch, Ionas Körper zu übernehmen wollte, entschloss sie sich zu drastischen Schritten und versuchte Cara umzubringen. Ein gna-denloses Duell der beiden Hexen entbrannte. Cait-linns Geist war jedoch zu mächtig geworden, und Cara konnte den Angriff auf ihr Leben abwehren.

Danach sorgte sie geschickt dafür, dass Iona als gefährliche Irre festgenommen wurde und in einer Klinik verschwand – immer mit dem Hintergedanken, dass sie sie vielleicht noch einmal brauchen könnte. Und mehr als zehn Jahre später ist dieser Zeitpunkt gekommen…

Die Charaktere und ihre ZieleIona Graves

Iona Graves hat mehr als zehn Jahre in diversen Heilanstalten verbracht und wurde dabei die meiste Zeit medikamentös ruhiggestellt. Laut ihrer Akte leidet »die Hexe«, wie einige Angestellte der Heilanstalt Burn-wood sie heimlich nennen, an extremen Wahnvorstel-lungen, Paranoia und spontanen Gewaltausbrüchen. Ihre scheinbaren Wahnvorstellungen drehen sich um übernatürliche Monstrositäten, um einen Geheim-bund, der sie jagt, und vor allem um ihre eigene Mutter und Tochter, die beides Hexen seien und ver-suchen würden, ihren Körper zu rauben. Iona wurde von ihrer Tochter nach dem Mordversuch eingeliefert, als Iona erkennen musste, dass sich hinter Caras Fas-sade Caitlinn McDouglas lauerte. Ionas inkonsistentes Gestammel machte den Fall klar, und nach einigen Angriffen auf Pflegepersonal wurde sie zwischen ver-schiedenen Einrichtung hin- und hergereicht, die mit-unter nicht zimperlich mit ihr umgegangen sind.

Iona Graves gehört zu den »Monstern« von Burn-wood, wo man sie erstmalig nicht einfach wegschließt, sondern wo eine Ärztin versucht, diesen extremen Fall mit neuen Methoden zu behandeln – weniger jedoch aus Menschenfreundlichkeit als vielmehr deshalb, weil sie das perfekte Versuchskaninchen für ihre Theorie ist.

Solange Iona sediert ist, ist sie ungefährlich und faselt unzusammenhängendes Zeug über ihre Mutter und ihre Tochter, wobei es fast scheint, als würde sie damit dieselbe Person meinen. Sobald sie jedoch klarer im Kopf wird – was spätestens dann passiert, wenn sie die Nähe ihrer Tochter oder der Osiris-Loge spürt – erwachen ihr Verstand und ihre Fähigkeiten. Auch wenn sie nicht die Mächte ihrer Tochter hat, ist sie immer noch eine mächtige Hexe, die nur ein Ziel kennt: den Geist ihrer Mutter in ihrer Tochter zu ver-nichten und endlich aus der Gefangenschaft zu ent-kommen. Ihr Hass und ihre Angst gegenüber Caitlinn McDouglas kennen keine Grenzen, so dass sie bereit ist, jedes Mittel einzusetzen.

Cara DouglasCara Douglas ist der Name, den Caitlin McDou-

glas im Körper von Cara Graves angenommen hat, nachdem das Bewusstsein der alten Hexe vollkommen

Autor Dr. Björn Lippold Illustrationen Stefanie Odendahl | Elif SiebenpfeifferSystem H.P. Lovecrafts Cthulhu

Hexenjagd ist das zweite Abenteuer einer Reihe für Cthulhu, die mit Das Geheimnis von Mistwater Castle in unserer letzten Ausgabe ihren

Anfang nahm. Es begann wenige Jahre vor dem Ende des 19. Jahrhun-derts mit der Hochzeit von Lord Alexander Fortin und der deutlich jün-

geren Iona Graves. Die Hochzeit wurde von einer Geistererscheinung und dem überraschenden Tod des Lords in der Hochzeitsnacht überschattet. Zudem versuchte der Geheimbund der Osiris-Loge, der Lord Alexander

vorstand, einem alten Hexen-Grimoire seine Geheimnisse zu entreißen.

… danach sorgte sie geschickt dafür, dass Iona als gefährliche Irre festgenommen wurde und in einer Klinik verschwand…

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Cthulhu

erwacht war und sie ihre Mutter in die Psychiatrie los-geworden war. Die letzten Jahre hat Cara die Freiheiten der neuen Welt und einer neuen Zeit in vollen Zügen genossen und stetig daran gearbeitet, ihre Fähigkeiten zu steigern. Sie hat sich mit diversen Geheimbünden und okkulten Gönnern eingelassen und Wissen über Magie und inzwischen auch den Mythos gesammelt.

Cara kennt nur ein Ziel: Sie will ihre Existenz bis in alle Ewigkeit verlängern und hat dafür einen perfiden Plan entwickelt. Nachdem sie selbst mit einer Tochter schwanger ist, sucht sie wieder nach ihrer Mutter, um sie zu töten und deren Geist an das ungeborene Kind zu binden. Wenn die Zeit gekommen ist, soll ihre Toch-ter wieder eine Tochter bekommen, an die Cara ihren Geist bindet, um so Generation für Generation zu über-dauern und mächtiger und mächtiger zu werden.

Die nötigen Rituale beherrscht Cara inzwischen und ihr wichtigstes Ziel ist es, die Seele von Iona in einer Seelenfalle zu binden, um diese dann später an das Kind zu binden. Daher sucht sie nach ihrer Mutter und nach einem Weg, sich deren Seele zu bemächtigen. Da Ionas Seele aus ihrer Sicht der Schlüssel für eine wei-tere Inkarnation ist, ist sie bereit, alles zu tun, um sich ihrer zu bemächtigen.

Die Osiris-LogeDie Osiris-Loge hat den Tod ihres Großmeisters Lord

Alexander nicht verziehen und in den letzten Jahrzehn-ten genug herausgefunden, um das Grimoire der McDou-glas-Hexen als Schlüssel zu sehen, um das Leben der Logenmitglieder zu verlängern. Daher sucht die Loge nach Iona Graves – einerseits weil sie das Grimoire in ihrem Besitz vermutet und andererseits, weil sie sich an ihr für den Tod von Lord Alexander rächen will.

Das Abenteuer in der ÜbersichtDie Geschichte führt die Spielercharaktere in das renommierte und abgelegene Burnwood Sanctuary, eine Nervenheilanstalt, die bald das Ziel schrecklicher Vorfälle wird. An diesem Ort, der größtenteils von Pati-enten aus der High Society frequentiert wird, arbeiten die Ärzte auch mit einigen der bizarrsten und gefähr-lichsten Fälle zusammen, darunter Iona »die Hexe« Graves. Die Spielercharaktere erreichen diesen abge-schiedenen Ort just zu dem Zeitpunkt, an dem Cara Douglas ihre Mutter wieder aufgespürt hat, um ihr die Seele zu rauben. Doch Iona Graves wird sich ihrer Kontrahentin nicht kampflos ergeben.

Der EinstiegEs gibt verschiedene Arten, wie die Spielercharak-

tere in das Abenteuer eingeführt werden. Wichtig für die Handlung ist, dass sie ins Burnwood Sanctuary, ein Sanatorium nahe der kanadischen Grenze, kommen. Mögliche Einstiegszenarien sind:

Mutterliebe: Die Charaktere werden von Cara per-sönlich angeheuert, die eine rührselige Geschichte erzählt, dass sie auf der Suche nach ihrer Mutter ist,

die sich in einer Heilanstalt befinden soll. Cara erzählt, dass ihre Mutter versucht hatte, sie zu töten und sie sie jedoch nun aus persönlichen Gründen wiedersehen möchte. Die Charaktere sollen Caras Mutter aufspü-ren. Sie können die Geschichte, bis die Spielercharak-tere in Burnwood ankommen, beliebig ausschmücken. Die Charaktere sind in Burnwood, wenn Cara eintrifft, weil sie die Ermittler verschwinden lassen will, um ihre Spur zu verwischen.

Ruhe und Stabilität: Vielleicht sind die Charaktere gestresst und benötigen Erholung, um ihre geistige Stabilität zurückzuerlangen. Leider sind sie ausgerech-net nach Burnwood gekommen, um dort wieder zur Normalität zurückzufinden. Als Patienten genießen sie den Luxus und die herausragende Fachkompetenz von Burnwood, bevor Wahnsinn und Gewalt um sich greifen…

Osiris Rachefeldzug: Die Osiris-Loge hat den Tod von Lord Alexander nicht vergessen. Wenn die Spie-lercharaktere okkulte Vereinigungen im Visier haben, können sie erfahren, dass die Loge etwas Wichtiges plant und dass sich ihre Bemühungen auf Burnwood konzentrieren. Vielleicht wollen sie nur beobachten, was die Loge vorhat, oder lieber die Pläne der okkulten Vereinigung vereiteln.

Licht in der Dunkelheit: Manchmal ist es jedoch vielleicht genau der Zufall, der die richtigen Leute an den falschen Ort führt. Bei einer langen Mehrtages-wanderung vom Weg angekommen oder auf den klei-nen Straßen falsch abgebogen erscheint Burnwood wie eine willkommene Anlaufstelle, die Orientierung wieder zu finden.

Berufsalltag: Im Burnwood Sanctuary arbei-tet nicht nur das Fach- und Pflegepersonal, sondern auch eine Reihe Angestellte, die sich um den regu-lären Betrieb der Einrichtung kümmern: Köche, Gärt-ner, Pförtner, Unterhalter usw. Die Spielercharaktere können als Personal in Burnwood arbeiten – und viel-leicht gerade erst im Rahmen einer Reihe von Neuein-stellungen ihren Job angetreten haben.

Burnwood SanctuaryDie Geschichte spielt im Burnwood Sanctuary, einer modernen Heilanstalt im Norden Neuenglands, nahe der kanadischen Grenze. Burnwood ist bewusst an einem abgelegenen Ort errichtet worden. Ursprünglich war das riesige Gebäude als Hotel geplant, das jedoch nie eröffnet wurde, da den Investoren das Geld aus-ging. Das Gebäude wurde von der Burnwood Stiftung gekauft und zu einem Sanatorium umgestaltet. In Burnwood finden sich zwei Arten von Patienten, einer-seits die »Gäste« und andererseits die »Monster«. Nach außen ist Burnwood für seine modernen Methoden und sein hochqualifiziertes Personal bekannt – was zusammen mit einem herausragenden Service dafür gesorgt hat, dass sich in Burnwood viele der Reichen und Schönen eine Auszeit nehmen, um ihren Stress loszuwerden. Sie sind es auch, die das Sanatorium mit großzügigen finanziellen Mitteln ausstatten.

Allerdings ist das Sanatorium aufgrund der Stiftung

Die Wahl der SpielercharaktereNatürlich ist es möglich, dass Spieler, die den er-sten Teil des Abenteuers gespielt haben, mit ih-ren Charakteren weiterspielen wollen – insbe-sondere wenn sie wissen, dass Hexenjagd die Fortsetzung ist. Auch wenn das Abenteuer gut drei Jahrzehnte nach den Vorfällen auf Mistwater Manor spielt, könnten die Spielercharaktere von damals durchaus noch leben. Allerdings werden sie alt sein, und auch sonst ist es stimmiger, den zweiten Teil mit neuen Charakteren ohne jegli-ches Vorwissen zu spielen. Spätestens mit dem dritten Teil der Reihe werden die Spieler ohnehin ihre Charaktere tauschen müssen...

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der Forschung verpflichtet, so dass man in Burnwood auch viele der extremsten Fälle aufnimmt, um sie zu studieren und so neue, radikale Behandlungsmetho-den zu erarbeiten. Die Devise ist, dass man die größten Erfolge nur dann erzielen kann, wenn man sich den größten Herausforderungen stellt. So sind in den tiefen Kellern des ehemaligen Hotels verborgen einige der schlimmsten Psychopathen in Verwahrung.

Burnwood hat zwei extreme Seiten – eine himm-lisch ruhige Welt der Reichen und Schönen (wenn vielleicht geistig instabilen) und eine Hölle, in der die schlimmsten Alpträume der Menschheit und die von den finstersten inneren Dämonen zerfressenen Seele gefangen sind. Und aufgrund der Ereignisse wird sich diese Hölle in Burnwood ergießen…

Nur zu BesuchJe nach Einstieg des Abenteuers sind die Spieler-

charaktere eventuell nur Besucher in Burnwood. Da die Einrichtung sehr entlegen ist, ist man dort darauf eingerichtet, dass die meisten Besucher mindestens für eine Nacht bleiben. Im Wesentlichen genießen die Besucher denselben hervorragenden Service wie die Gäste, allerdings sind sie in einem eigenen Trakt unter-gebracht. Besucher dürfen sich frei auf dem Gelände bewegen. Nur die Behandlungsräume, Patientenzim-mer und die Unterkünfte des Personals sowie der Wirt-schaftstrakt sind ihnen verwehrt.

Geschätzte GästeIn Burnwood werden die normalen Patienten als

Gäste bezeichnet – und auch so behandelt. Bei diesen Patienten handelt es ausnahmslos um Menschen mit eher harmlosen psychischen Problemen. Zwar gibt es auch einige Gäste mit ausgeprägteren Störungen und Phobien, doch keiner von ihnen ist in irgendeiner Art gefährlich. Die Gäste werden vom Personal mit größ-tem Respekt und absoluter Diskretion behandelt. Zwar gibt es verschiedene Behandlungen und Therapiesit-zungen, doch für viele stellt schon die Ruhe und Abge-schiedenheit der Einrichtung den ersten Schritt zur Besserung dar.

Die Gäste genießen große Freiheiten und können sich relativ frei bewegen. Die Zimmer sind groß, freund-lich eingerichtet und luxuriös. Burnwood bietet diverse Freizeitangebote wie Rudern, Segeln, Kunstkurse, Lesungen und nicht zuletzt eine hervorragende Küche mit gesundem Essen. Alkohol ist natürlich aufgrund der Prohibition verboten, doch unter der Hand bei eini-gen Angestellten für den richtigen Preis zu haben.

Die Gäste können sich einiges erlauben – so lange sie entsprechend zahlen. Nur wenn ein Gast für die anderen Gäste zum Ärgernis wird oder zu sehr über die Stränge schlägt, wird er im schlimmsten Fall aus Burn-wood »entlassen«. Andere Zwangsmaßnahmen sind bei den Gästen von Burnwood nicht üblich. Welcher bekannte Künstler und reiche Industrieller würde sich auch schon Zwangsjacken, Medikamentierung oder andere Maßnahmen gefallen lassen.

Wenn die Spielercharaktere als »Gäste« in Burn-wood sind, haben sie weitreichende Freiheiten. Natür-lich sind bestimmte Bereiche der Einrichtung (nicht

zuletzt der Keller) für alle Personen außer dem Perso-nal tabu.

Üblicherweise sind zehn bis dreißig Gäste in Burn-wood untergebracht – von reichen, stressgeplagten Wirtschaftsbossen, Stars mit kleinen Ticks oder Alko-holproblemen, Teenagern aus reichem Haus, die Schwierigkeiten haben, sich in die von ihnen erwar-tete Rolle einzuleben, vernachlässigte Ehefrauen mit Depressionen usw.

Gefürchtete MonsterDie »Monster« von Burnwood werden im riesigen,

schallisolierten und ständig von einem bewaffneten Wachmann bewachten Keller gefangen gehalten. Die Sicherheitsmaßnahmen sind auf den neusten Stand. Auch wenn Kapazitäten vorhanden sind, bis zu zwan-zig dieser Extremfälle hier unterzubringen, sind selten mehr als acht dieser Patienten vor Ort. Dies liegt vor allem daran, dass die Zahl der Patienten mit dem für die Forschungen geeignetem Grad an geistigen Stö-rungen glücklicherweise äußerst gering ist.

Im Keller sind neben den Verwahrungszellen auch die Behandlungsräume für diverse moderne (und dra-stische) Methoden untergebracht. Hier werden Experi-mente mit neuen Medikamenten, Elektroschocks, Hyp-nose und anderen Verfahren durchgeführt.

Das PersonalDas Personal ist in einem großen Nebengebäude

untergebracht, was ursprünglich als Unterkunft für das Hotelpersonal gedacht war und nun die Ärzte, das Pflegepersonal und die sonstigen Angestellten von Burnwood beheimatet. Das Gebäude ist gepflegt, und die Räume sind komfortabel, aber nicht mit dem Kom-fort der Patientenzimmer zu vergleichen. Das Perso-nalgebäude steht Patienten natürlich nicht offen und wird daher immer abgeschlossen.

Willkommen in BurnwoodDer Weg zum Burnwood Sanctuary ist weit. Aufgrund der kleinen Straße, die sich meilenweit durch schier undurchdringlichen Wald schlängelt, beträgt die Fahrt-zeit von der nächsten nennenswerten Stadt fast sechs Stunden. Vier Stunden von Burnwood entfernt gibt es das kleine Dorf Deer Crossing, das jedoch nichts zu bieten hat. In Deer Crossing ist man weder auf fremde Gäste eingestellt, noch dürfen diese mit einem warmen Willkommen rechnen. Über das Sanatorium wissen die Bewohner nichts – und es interessiert sie auch nicht.

Kurz vor dem Ende der Straße weicht schließlich der Wald zurück und gibt den Blick auf einen tief-blauen See frei, an dessen Ufer ein riesiges mehrstö-ckiges Gebäude mit Nebengebäude steht und das mehr an ein Hotel als an ein Sanatorium erinnert. Auf dem See drehen einige kleine Ruder- und Segelboote ihre trägen Runden.

Das parkähnliche Gelände wird zwar von einem Zaun umgeben und Neuankömmlinge müssen sich

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sie vielleicht kennen. Es folgt belangloser Small-Talk, immer durchsetzt von Fragen nach der Tochter.

Gehen die Spielercharaktere auf die Frage nach der Tochter ein, dann wird die ältere Dame im selben ruhigen Ton erzählen, dass ihre Tochter nur kommen würde, um sie zu töten – und wie bedauerlich es sei, dass es ihr damals nicht gelungen ist, ihre Tochter zu töten. Natürlich handelt es sich um Iona, die den Einfluss ihrer Medikamente abgeschüttelt hat und aus ihrer Zelle ausgebrochen ist. Mit dem Zauber Gesang der Sirene hat sie den Wachmann beeinflusst, der ihr die Türen geöffnet hat und im Kellergeschoss auf sie wartet.

Auch wenn Iona sich völlig friedlich verhält, werden die Spielercharaktere das Personal einschalten wollen, wenn Iona sich in ihre scheinbare Paranoia verrennt. Falls Iona nicht vorher einfach geht, erscheinen bald zwei bullige Pfleger und eine Schwester, die Iona, die keinerlei Widerstand leistet, wegschaffen. Mit Psycho-logie kann man allerdings erkennen, dass die Pfleger förmlich Angst vor der alten Dame haben.

Sollten die Spielercharaktere Zeuge geworden sein, wie Iona abgeführt wird, wird ihre behandelnde Ärztin, Dr. Julie Monroe, sie zu einem kurzen Gespräch bitten. Die junge, resolute Ärztin bittet die Charaktere, den Vorfall zu ignorieren und vertraulich zu behandeln. Sie beruft sich darauf, dass es sich bei der Patientin um einen schwereren Fall handeln würde, der in der geschlossenen Abteilung verwahrt würde. Wie sie von dort hat entkommen können, ist Dr. Monroe ein Rätsel, allerdings sieht sie das als einmaliges Problem an. Darüber hinaus wird sie keine weiteren Fragen beant-worten.

BesuchszeitEin paar Stunden nach dem Eintreffen der Charak-

tere taucht Cara in Burnwood auf. Angeblich hat sie sich von einem Auto absetzen lassen, tatsächlich hat sie aber einfach ein Tor geöffnet, um vor Ort zu sein. Das Tor erscheint als ein Muster von Steinen, das am Rande des Waldes der Parkanlage im Gras liegt. Den Ärzten wird Cara erzählen, dass sie nach Burnwood gekommen ist, um sich mit ihrer Mutter auszusöhnen. Natürlich reicht die Begründung nicht, um sie zu Iona zu lassen, und auch das Versöhnungsgeschenk will man nicht weitergeben. Cara soll als Besucher über Nacht in Burnwood warten, während Dr. Monroe eine Entscheidung treffen will (was eine reine Höflichkeits-floskel ist, denn zu Iona würde sie Cara aufgrund der Gefahr nie lassen).

Cara hatte nie erwartet, dass es so einfach werden würde. Ihr Ziel ist nur, Iona das angebliche Versöh-nungsgeschenk, nämlich das Grimoire der McDouglas-Hexen mit der Seelenfalle zuzuspielen, und sie dann umzubringen.

Das BOI greift einIn der Nacht erscheinen noch einmal weitere Besu-

cher in Burnwood, die mit einem teuren schwarzen Wagen vorfahren. Die beiden Herren sind in gute Anzüge gekleidet und weisen sich gegenüber dem Personal als Mr. Perkins und Mr. Dillon, Agenten des Bureau of Investigation, kurz BOI (aus dem 1935 das FBI werden

Caitlinns RückkehrDer ruhelose Geist der Hexe Caitlinn McDou-glas war nach ihrer brutalen Ermordung an das Grimoire ihrer Vorfahren gebunden. Ihr Plan be-stand darin, dass Iona Lord Alexander töten und so das Buch in ihren Besitz bringen würde. Durch die rituellen Vorbereitungen von Lord Alexander und durch die Nähe des Buchs hoffte der Geist darauf, im Körper der eigenen Tochter zurückzu-kehren. Doch der Plan ging nicht auf. Statt mit Ionas Körper verschmolz der Geist mit der win-zigen Saat, die das Produkt der Hochzeitsnacht von Lord Alexander und Iona war. Auch wenn Caitlinns Geist untrennbar mit ihrer eigenen En-kelin verbunden war, die in Ionas Leib heranreifte, dauerte es Jahre, bis dieses Schicksal offensicht-lich wurde.

Caitlinns Macht wuchs mit ihrem Wirtskörper, doch es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis sich der Körper weit genug entwickelt hatte, dass Cait-linns Bewusstsein wieder vollständig erwachte und sie sich ihrer Identität bewusst wurde. Cait-linn McDouglas war zurückgekehrt – oder bes-ser gesagt eine grausamere, kältere Version der Hexe, die nach noch mehr Macht und nach wah-rer Unsterblichkeit giert.

vom Pförtner das eiserne Tor auf das Gelände öffnen lassen. Diese Umfriedung stellt jedoch eher ein dekora-tives Element als eine Sicherheitsmaßnahme dar.

Werden die Charaktere erwartet (z.B. weil sie Pati-enten sind oder sich im Vorfeld angemeldet haben), werden sie vom Pförtner zum Haupteingang geschickt, wo sie Prof. Dr. Carlton D. Burrows, der Leiter der Ein-richtung, persönlich begrüßt. Unangemeldete Besu-cher müssen dem Pförtner zunächst den Grund ihres Besuchs erklären und werden dann darauf hingewie-sen, dass sie einen Termin hätten ausmachen müssen. Falls sie Anwesenheit jedoch einigermaßen begründen können, werden sie durchgelassen und am Eingang von der Oberschwester Olivia Jones erwartet.

Unabhängig davon, aus welchem Grund die Spieler-charaktere nach Burnwood gekommen sind, ist davon auszugehen, dass sie erst am späten Nachmittag dort eintreffen. Daher wird man ihnen anbieten, die Nacht vor Ort zu verbringen, weil es nicht ratsam ist, bei Dunkelheit die Strecke durch den Wald zu fahren und dann einen Unfall mit einem Elch oder gar Bären zu haben (falls die Spielercharaktere partout ihren Auf-enthalt nicht über die Nacht verlängern wollen, kann genau diese Art von Unfall in der Nähe des Sanatori-ums dazu dienen, sie doch an dem Ort festzuhalten).

Burnwood HorrorDie Handlung des Abenteuers erstreckt sich über einen Zeitraum von ungefähr 24 Stunden. Die Ereignisse beginnen mit dem Eintreffen der Spielercharaktere und nachfolgend mit Erscheinen weiterer Personen. Spätestens mit dem Auftritt von Cara bricht in Burn-wood das Chaos aus, wenn die beiden Hexen Cara und Iona sich einen Kampf auf Leben und Tod lie-fern. Dabei legt keine der beiden besondere Rücksicht gegenüber den anderen Anwesenden in Burnwood an den Tag. Das Personal, die anderen Patienten und die Spielercharaktere sind bestenfalls Waffen, die sie im Kampf gegeneinander einsetzen – und schlimmsten-falls einfach Opfer einer brutalen magischen Ausei-nandersetzung.

Der favorisierte Verlauf der Geschichte ist, dass die Spielercharaktere auf der Seite von Cara gegen Iona antreten, doch auch andere Varianten treiben die Handlung voran. Idealerweise hat Cara mit ihrem Plan am Ende Erfolg, doch der dritte Teil der Kampagne ist auch spielbar, wenn alles anders kommt.

Im Folgenden finden Sie einige Szenen und Ereig-nisse, mit denen Sie die Handlung gestalten können. Denken Sie daran, dass viele der Ereignisse und Begeg-nungen der geistigen Stabilität der Spielercharaktere zusetzen werden.

Eine nette DameEinige Zeit nach der Ankunft der Charaktere in

Burnwood treffen sie auf eine ältere Dame, die ein wenig verwirrt wirkt und sich an die Spieler wendet. Offenbar erwartet die Frau den Besuch ihrer Toch-ter und möchte von den Charakteren wissen, ob diese schon eingetroffen ist – oder ob die Spielercharaktere

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wird), aus. Sie haben Papiere dabei, um eine Patien-tin zu einer Befragung abzuholen – natürlich Iona Graves. Die angeblichen Agenten sind Mitglieder der Osiris-Loge, die nach Jahren endlich die Hexe aufge-spürt haben, die sie für den Tod von Lord Alexander verantwortlich machen. Ihr Plan ist es, mit gefälschten Papieren die Herausgabe der Patientin zu erreichen und dann mit ihr zu verschwinden. Die Befragung soll die Loge zum Grimoire führen. Wenn sie dieses Buch erst einmal hätten, würden sie Iona töten.

Sicherheitshalber haben die angeblichen Agenten die Telefonkabel eine halbe Wegstunde von Burnwood entfernt durchtrennt. Ihre Verkleidung reicht aus, das Personal zu täuschen, aber Charaktere aus dem Poli-zeiumfeld können mit Gesetzeskenntnisse oder Ver-borgenes erkennen merken, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Beide sind jedoch bewaffnet und wissen, in welche Schwierigkeiten sie kommen, wenn ihre Entführung auffliegt. Magisch sind sie aller-dings völlig unversiert.

Dr. Monroe wird ihre Patientin aber erst nach aus-reichender Prüfung der Unterlagen herausgeben und ist außer sich, dass das BOI einfach so aufmarschiert – und irritiert darüber, wie viele Ereignisse sich plötz-lich um eine bisher ruhige Patientin drehen.

Die Logen-Mitglieder müssen warten und sind noch da, wenn das Chaos in Burnwood ausbricht, was ihnen aus ihrer Sicht eine Chance gibt, unbemerkt Iona mit Gewalt in ihre Hand zu bringen.

HexenjagdWenn alle Spielsteine – Iona, Cara, die Osiris-Logen-

mitglieder und die Spielercharaktere – in Position sind und sich die Nacht über Burnwood legt, beginnt das magische Duell.

Sobald es ruhig wird und die Patienten auf ihre Zimmer gehen, begibt sich Cara zu Dr. Monroe, um sie dazu zu bringen, sie zu Iona zu führen. Zuvor voll-führt sie das Ritual Nachtnebel, so dass dickster Nebel vom See das Gebäude einhüllt und sich bald auch in den Gängen breitmacht. Noch während die Hexe über-legt, ob sie es bei der inzwischen sichtlich genervten Ärztin mit Überredung oder Gewalt versuchen soll, bricht Iona erneut aus. Dieses Mal wird sie dabei aber von einer zusätzlich abgestellten Schwester gesehen, die einen stillen Alarm aktiviert. Als die Schwester den Wachmann anspricht, der Iona begleitet und immer noch dank Gesang der Sirene unter ihrer Kontrolle steht, schießt dieser sie mit mehreren Schüssen nieder. Die Schussgeräusche hallen durch das Treppenhaus und rufen auch die Logen-Mitglieder auf den Plan, die ihre Chance gekommen sehen, Iona zu entführen. Um sich für den Kampf gegen Cara zu rüsten, lässt Iona durch den Wachmann die anderen gefährlichen Pati-enten aus ihren Zellen holen, während sie erneut ihren Gesang der Sirene singt. Zudem erweckt sie die tote Krankenschwester als Untote und schickt sie los, alles zu töten, was ihr begegnet.

Die Entladung übernatürlicher Kräfte hat auch Auswirkungen auf die anderen Patienten, die sensibel genug sind, um zu spüren, dass sich schlimme Dinge anbahnen. Das Areal von Burnwood ist in dichten

Nebel getaucht, mehrere äußerst gefährliche Psycho-pathen suchen in Ionas Auftrag nach ihrer Tochter. Da diese Hilfstruppen nicht ansatzweise ahnen, wie ihre Zielperson aussieht, machen sie auf alle weiblichen Personen Jagd und greifen mit allerlei improvisierten Waffen auch jeden anderen an. Die Patienten werden entsprechend verängstigt sein oder sogar panisch im Gebäude umherirren und das Chaos noch vergrö-ßern. Das Personal ist auf einen solchen Fall nicht vor-bereitet, und auch wenn die kräftigen Pfleger einen rasenden Patienten normalerweise bändigen können, sieht die Situation anders aus, wenn dieser bewaffnet ist. Natürlich könnte jemand auf die Idee kommen, die angeblichen BOI-Agenten zur Hilfe zu rufen, doch diese haben es nur auf Iona abgesehen – das Überle-ben der Bewohner von Burnwood interessiert sich nicht im mindesten.

Neben dem Kampf ums Überleben werden die Spie-lercharaktere sich irgendwann für eine Seite in dem Konflikt entscheiden müssen.

Jeder ist sich selbst der NächstePragmatische (oder egoistische) Charaktere werden

in der Ausgangslage nur um ihr eigenes Überleben kämpfen. Auch wenn dadurch ein Teil der Geschichte an den Spieler vorbeigeht, ist dies ein plausibles Vorge-hen. Allerdings sehen sich die Spielercharaktere gleich mehreren potentiellen Gegner gegenüber, ohne zu ver-stehen, was eigentlich um sie herum vorgeht. Zwar müssen sie »nur« die Nacht überleben, aber je nach-dem, wer in dem Konflikt siegt, wird der Gewinner der Auseinandersetzungen am Ende wahrscheinlich seine Spuren verwischen wollen. Und was wäre da leichter, als alle potentiellen Zeugen bei einem Brand ums Leben kommen zu lassen. Bis jemand den einsamen Tatort untersuchen wird, wird es keine Spuren mehr geben…

Als die Schwester den Wachmann anspricht, schiesßt dieser sie mit mehreren Schüssen nieder…

Iona Graves

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Für Personal und PatientenEventuell verbünden sich die Spielercharaktere

mit dem Personal oder den Patienten von Burnwood. Im Falle des Personals kann es dies einiges leichter machen, denn die Angestellten haben einen Ortsvor-teil und können dabei helfen, sich zu verschanzen. Allerdings ist niemand darauf vorbereitet, dass zwei Hexen ihre Magie entfesseln, gefährliche Psychopathen durch die Gänge ziehen und Patienten in Panik ver-fallen. Den Patienten zu helfen, sollte für viele Cha-raktere eine moralische Verpflichtung sein, doch dies macht das Überleben nicht leichter, denn die wenigsten werden in der Lage einen klaren Kopf behalten und die Spielercharaktere daher eher behindern als ihnen zu helfen.

Zusammen mit dem BOIVersuchen sich die Charaktere mit den vermeint-

lichen BOI-Agenten zu verbünden, setzen diese ihre Verbündeten gerne als Kanonenfutter ein. Die Logen-Mitglieder haben zumindest eine vage Ahnung, was ihnen bevorsteht, und daher lautet ihre Devise »erst schießen und dann schnell rennen«. Sie werden sich hinter ihrer angeblichen Autorität verstecken. Die Spielercharaktere können schnell erkennen, dass den beiden für Bundesagenten erschreckend wenig am Überleben von Patienten und Personal gelegen ist. Früher oder später werden Logen-Mitglieder auf Iona treffen. Da sie zu entführen keine Option mehr ist, werden sie versuchen, sie zu erschießen – und dabei wahrscheinlich scheitern. Wenn Ionas Gefolge sie nicht in Stücke reißt, wird sie sie mit Schmerzen außer Gefecht setzen – oder auch ihnen ein Lied vorsingen…

Für eine alte DameTreffen die Charaktere auf Iona und waren bei der

ersten Begegnung freundlich, wird die alte Dame ihnen erfreut mitteilen, dass ihre Tochter nun da ist – und dass sie ihr wie der freundliche Wachmann (der immer noch unter ihrem Bann steht) dabei helfen können, ihre böse Tochter zu töten. Solange sich niemand Iona in den Weg stellt oder sie angreift, lässt sie die Charak-tere in Ruhe. Bei der kleinsten Bedrohung wird jedoch der Wachmann feuern, und für Notfälle beherrscht Iona auch noch ein paar Tricks.

Iona wird sich von den Charakteren gerne unter-stützen lassen und gibt sich hilfsbereiten Charakteren gegenüber freundlich. Gleichzeitig hat sie aber keine Skrupel, wenn ihre Helfer über Patienten und Perso-nal herfallen, denn in ihrer Sicht der Dinge sind sie völlig unbedeutend. Wenn sich die Spielercharaktere tatsächlich überraschenderweise auf Ionas Seite stel-

len, werden sie gegen Cara antreten müssen, womit sie es mit einem sehr gefährlichen Gegner zu tun haben. Vielleicht wird Cara sie davon zu überzeugen versu-chen, dass es falsch ist, Iona zu helfen – oder sie sie einfach töten.

Gegen die alte HexeDas Abenteuer geht davon aus, dass die Spielercha-

raktere sich auf Caras Seite stellen oder zumindest Iona als die schlimmere Bedrohung ansehen. Insbe-sondere wenn die Spielercharaktere überhaupt erst durch Cara in die Geschichte hineingezogen wurden, wird Cara versuchen, sie als Verbündete zu nutzen. Zunächst wird sie die Charaktere nur fragen, ob sie ihre Mutter gesehen hätten. Stellen die Charaktere ihr Fragen oder konfrontieren sie sie mit der bedrohlichen Situation, dann wird Cara ihnen die vermeintliche Wahrheit erläutern: Sie sei tatsächlich die Tochter einer Patientin – einer sehr gefährlichen Patientin, die eine Bedrohung für alle darstellt. Vor einigen Jahren hätte ihre Mutter sogar versucht, sie zu töten, und wenn sie nicht gestoppt würde, könnte es dieses Mal Tote geben. Angeblich gibt es etwas, was die drohende mörderische Wut der Hexe stoppen könnte, nämlich ein Buch, das Cara mit sich führt. Natürlich handelt es sich um das Grimoire, das Cara so Iona über Umwege zuspielen will. Alternativ zu den Spielercharakteren kann sie das Buch auch den angeblichen BOI-Agenten zukommen lassen. Dann verlässt sie sich darauf, dass die Logen-Mitglieder dumm genug sind, sich mit Iona anzulegen und diese ihnen das Buch wieder abnimmt.

Das Buch an Iona zu übergeben ist nicht einfach. Einerseits umgibt sie ihr mörderischer Mob, anderer-seits ist die alte Hexe nicht dumm oder vertrauensse-lig. Allerdings weiß sie um die Macht des Grimoires und kann dessen Einfluss kaum widerstehen. Trotz-dem merkt die alte Hexe schnell, dass mit dem Buch etwas nicht stimmt, wenn sie es in die Hände nimmt: Die Magie der Seelenfalle kann sie spüren. In dieser Situation werden die Spielercharaktere für sie auto-matisch zu Feinden. Sollten die Charaktere dem ersten Angriff von Iona und ihrem Gefolge entkommen, wird ihnen Cara eröffnen, dass ihr Plan offenbar gescheitert ist. Sie sieht nur noch die Möglichkeit, Iona zu töten, wobei ihr die Spielercharaktere helfen sollen. Natürlich würde so die Seelenfalle endgültig zuschnappen. Nun geht es für die Charaktere aufs Ganze: Iona wird von ihren Gefährten jeden in Burnwood jagen und töten lassen, um sich so zu schützen, und Cara wird alle ihre Ressourcen einsetzen, um Iona zu töten. Beide Seiten setzen skrupellos ihre Magie ein, erwecken Getötet zu Untoten und – wenn Sie es ganz hart spielen wollen – rufen vielleicht noch ganz andere Kreaturen herbei.

Alternativer Einstieg

Auf Caras SpurEventuell geraten die Spielercharaktere auch des-halb in die Geschichte, weil sie bereits auf Cara getroffen sind. Die Hexe ist im Osten der USA weit herumgekommen und hat die Spuren von okkulten Büchern, finsteren Geheimnissen und alten Geheimbünden verfolgt. Wenn die Cha-raktere sich mit dem Mythos beschäftigen, ist es plausibel, dass sie ihren Weg gekreuzt haben. Cara erscheint als intelligente, charmante – und völlig unmoralische, egoistische und über Leichen gehende junge Frau, die immer dort anzutreffen ist, wo der Cthulhu-Mythos in Erscheinung tritt.

Wenn Sie einen konkreten Aufhänger wollen, können die Spielercharaktere durch einen bruta-len Mord an einem Geheimbundmitglied in die Geschichte gezogen werden. Cara hat sich einen Liebhaber mit ausgeprägten magischen Fähigkei-ten gesucht und diesen kaltblütig umgebracht, nachdem er seine Schuldigkeit getan hat, eine Tochter zu zeugen.

Damit haben die Spielercharaktere einen klaren Einstieg, der jedoch Cara direkt zur Gegen-spielerin macht.

Cara erscheint als intelligente, charmante – und völlig unmoralische, egoistische und

über Leichen gehende junge Frau.

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Das EndeEs gibt mehrere Varianten für den Ausgang des Aben-teuers:

Iona wird von der Seelenfalle gefangen: Mit Ionas Tod bricht auch der Bann über die Menschen, die sie unter ihre Einfluss gebracht hat. Diese sind zwar immer noch gefährlich, werden aber eher aus Burn-wood fliehen, als ein weiteres Blutbad anzurichten. Falls Cara ihre wahren Motive verschleiern konnte, wird sie versuchen, dass Grimoire mit der Seelenfalle in ihre Finger zu bekommen und dann über das Tor zu fliehen. So könnte es zu einer weiteren Konfrontation kommen, aber eine interessante Variante besteht darin, dass Cara und Buch einfach weg sind.

Den Spielercharakteren fehlen – was ihnen nach dem Chaos kaum auffallen dürfte – ein paar Minuten. nämlich die Zeit, in der ihnen das Buch abgenommen wurde und die Cara mit Gnädiges Vergessen aus ihrem Geist gelöscht hat. Falls die Spielercharaktere hartnä-ckig und stark genug sind, dass Grimoire für sich zu behalten, hat Cara später immer noch ein paar Monate Zeit, das Buch zurückzuholen.

Cara stirbt: Gelingt es Iona, ihre Gegnerin auszu-schalten, wird sie danach sofort viel ruhiger, und das Chaos endet. Nach außen ist sie wieder ganz die nette ältere Dame, der man fast nicht zutrauen möchte, was sie getan hat. Iona wird versuchen, das Buch an sich zu nehmen und Burnwood zu verlassen, doch beide Punkte sind für sie nicht wichtig, nachdem es ihr gelungen ist, den Alptraum ihres Lebens zu vernichten. Auch wenn sie sich jetzt ruhig verhält, wird sie früher oder später dennoch ausbrechen und verschwinden.

Beide Hexen überleben die Nacht nicht: Eventuell führt der Konflikt dazu, dass keine der beiden Hexen die Nacht in Burnwood überlebt, sei es weil sich beide gegenseitig töten oder die Logen-Mitglieder oder die Spielercharaktere eingreifen. In diesem Fall bleibt am Ende nur das Grimoire, das immer ein wertvolles Buch darstellt – und wahrscheinlich mindestens eine Seele gebunden hat, auch wenn dies den Charakteren nicht klar sein sollte.

Allerdings haben die Vorfälle in Burnwood ein Nach-spiel, denn mit Sicherheit gab es Tote. Offiziell wird man von einem Ausbruch aus der geschlossenen Abtei-lung und dem Massaker eines oder mehrerer Psycho-pathen sprechen. Augenzeugenberichten von Hexen, Zombies und Zaubern wird niemand glauben, insbe-sondere wenn viele der Augenzeugen psychisch ange-schlagen sind.

Wie die Geschichte um das Grimoire der McDouglas weitergeht, wird sich erst viele Jahrzehnte nach den Vorfällen in Burnwood offenbaren – Sie müssen jedoch nur bis zu nächsten Mephisto warten… n

Cara Douglas

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Mikrokosmosder Verwahrlosung

Eine typische Strassenecke der '70er

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Mikrokosmosder Verwahrlosung Autor Torben Dag Föhrder

Illustrationen Stefanie Odendahl | Peter SiedlKarte Torben Dag FöhrderSystem Shadowrun 4.0 • Ortsbeschreibung

Zwischen zwei Aufträgen muss jeder einmal zur Ruhe kommen. Runner brau-chen Rückzugsorte, wo sie die Umgebung und ihre Bewohner kennen und

sich unter dem Radar des Gesetzes einen sicheren Lebensstil erhalten können. Straßenecken wie diese können Material zur Gestaltung des Hintergrundes

bieten oder zum zentralen Aspekt eines Abenteuers werden. Dabei sind Aufbau und Charaktere so generisch, um in jedem Plex genutzt werden zu können.

Wer in den '70ern in einem deutschen Plex zu Hause ist, kennt viele Viertel wie dieses. Die endlose Betoneinöde der Unterschicht bildet

eine natürliche Barriere zwischen den Habenden im Zentrum und dem Dreck der Gesellschaft im Ghetto. Die gesichtslose Masse aus unterbezahlten Lohnsklaven pfercht sich in marode Häuser zusammen, die schnell und billig hochgezogen wurden.

Spärliche Vegetation ergänzt den fleckigen und auf-gerissenen Asphalt; die Fenster schmuckloser Woh-nungen reflektieren das Flimmern der Tridschirme. Für Runner eignen sich solche Viertel hervorragend um unterzutauchen, Kontakte zu knüpfen oder sich sogar einen dauerhaften Lebensstil aufzubauen. Im sozialen Brennpunkt leben die Bewohner am Rande der Armutsgrenze, gelten aber offiziell noch nicht als Ghettovolk. Die Hoffnungslosigkeit durch die wenigen Chancen auf Änderung ist allgegenwärtig und führt seit Generationen zu Realitätsflucht und gesellschaft-lichem Verfall. Wer das schnelle Glück für ein paar Minuten sucht, findet viele dubiose Gestalten, die die-sen Bedarf nur zu gerne bedienen. Den halbherzigen Streifen kann man leicht entgehen, da nur wirklich großer Ärger die Aufmerksamkeit der überarbeiteten und leicht bestechlichen Polizei auf sich zieht. Ohne so bedrohlich und instabil wie ein tatsächlicher Slum zu sein, bieten diese Viertel nahezu die gleichen Frei-heiten, solange man sich bedeckt halten kann.

Am Rand der Ballungszentren des Plexes gelegen, ist der Stadtteil Hagersberg immer langweilig gewesen. Auf der dem Zentrum abgewandten Seite liegt die Kreu-zung, wo die beiden Straßen in einer verkehrsberuhig-ten Zone aufeinander treffen. Über die Schweigsburger Straße gelangt man zu den größeren Verkehrsadern, während der Werneroder Weg tiefer in das Viertel führt. Durch den Umsteigebahnhof des öffentlichen Nahver-kehrs fahren regelmäßig Bahnen und Busse in anlie-gende Stadtteile, und ein paar Taxis stehen stets bereit. Es gibt öffentliche Kommunikationszellen mit Matrix-zugang, Toiletten und einen beheizten Warteraum. Im Gebäude befinden sich außerdem ein 24h-Stuffer-Plus, ein Dr. Döner und eine Reihe von Automaten für Ein-wegprodukte, Snacks und Getränke. Im Hotel Keilerhof findet sich leichtes Vergnügen für zwischendurch. Der Belegschaft droht der Verlust ihrer Arbeit, wenn sich der Mutterkonzern entscheiden sollte, den Standort zu einem automatisierten Sarghotel auszubauen – daher wird sich Mühe gegeben, den schmalen Kundenstrom bei Laune zu halten: Für ein Trinkgeld verschließt man hier die Augen vor den Vorgängen auf dem Zimmer.

Das gegenüberliegende Restaurant Zum Fasan bietet Gästen warme Küche und Frühstück, da der Keilerhof seine eigene Gastronomie schon vor Jahren einsparen musste. Die fettige Soypampe ist jedoch nicht sehr zu empfehlen. Abends lohnt sich ein Besuch schon eher: Nach den Spätnachrichten sammeln sich die üblichen mit fragwürdigem Fachwissen gesegneten Tresenphi-losophen und mosern bei schalem Bier und Zigaretten über die Missstände in der ADL.

Als eine von vielen T-Kreuzungen entlang der Schweigs-burger Straße zeichnet sich diese durch den Umsteige-bahnhof und die hohe Fluktuation von Pendlern aus. Die Bahntrasse läuft parallel zur Straße und verbin-det das Zentrum des Plexes mit den äußeren Vierteln, die untereinander mit einem weitläufigen Busliniensy-stem erreichbar sind. Am Werneroder Weg finden sich passende und vor allem pünktliche Anschlussmöglich-keiten. Das Gebäude wurde derzeit eigens zu diesem Zweck angelegt und modern gestaltet: Viel Glas und elegante Strukturen ermöglichen eine schnelle Orien-tierung und genügend Platz für die integrierten Shops. Durch jahrelangen Mangel an Wartung ist der Bahn-hof inzwischen allerdings verdreckt und herunterge-kommen. Die Jugendlichen des Viertels lungern herum und verkaufen ihre billigen Straßendrogen, Obdachlo-se wärmen sich bei einem Becher Soykaf im muffigen Warteraum auf, und Ratten huschen in den Schatten umher. Wird man verfolgt, bietet der stete Strom an Passanten eine gute Möglichkeit, in der Masse unter-zutauchen. Für hartnäckige Fälle bieten die Automaten alles was man braucht, um zu verschwinden.

Sobald man die Kreuzung überquert und den Werneroder Weg betritt, befindet sich auf der Westsei-te das Restaurant Zum Fasan. Einst ein beliebter An-laufpunkt, ist der Biergarten inzwischen verfallen und das Gebäude verwittert. Das dunkle Holzimitat der Fas-sade wurde von Smog und saurem Regen grau gewa-schen. Ein urtümliches Schild hängt immer noch über der Eingangstür und trotzt eisern dem Verfall. Sobald man einkehrt, wird man von einer Atmosphäre aus ge-dämpftem Licht und kaltem Rauch empfangen. Die fle-ckigen Sitzpolster sind durch Jahre der Last zu breiter Hintern geplättet und die Theke von einem perma-nenten Schimmer aus getrockneten Getränkepfützen überzogen. Einzelne Sitznischen bieten ein gewisses Maß an Privatsphäre, und ein schlecht eingestelltes Radio liefert ödes Hintergrundgemurmel, das hin und wieder um die Geräusche zweier Spielautomaten er-gänzt wird. Ab 22 Uhr finden sich die üblichen Stamm-gäste ein überwiegend ungepflegtes, männliches Klien-

Zum Beispiel:

Hamburg HagersbergFläche: 23,8 km²Einwohnerzahl: 82.000Einwohner pro km²: 3.445Einwohner mit Migrationshintergrund: 27%Unterhalb der Armutsgrenze: 12%Hauptschulabschluss: 46%Realschulabschluss: 18%Höherer Bildungsabschluss: <3%Menschen: 52%Orks: 38%Elfen: 2%Zwerge: 3%Trolle: 4%Andere: 1%

Reaktionszeit Polizei: 10 + 2W6 MinutenReaktionszeit Notdienst: 10 + 1W6 Minuten

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Shadowrun

tel mit den typischen Gesprächsthemen: die Unfähig-keit der Politik, der Verlust deutscher Arbeitsqualität durch Migranten und natürlich der Sport, ganz beson-ders König Fußball. Der Betreiber Achim Sprenger und seine Frau Jelena haben nur noch wenige Jahre, bis sie sich zur Ruhe setzen, und vermeiden jede unnö-tige Investition. Sie sorgt für billige Küche, und beide schmeißen die Bar. Zum Putzen können sie sich nicht mehr wirklich durchringen, und so verkommt das Restaurant genauso wie seine Umgebung.

Ein gelegentlicher, besonderer Gast ist der Grieche Xilos Papadimas. Er ist der verlängerte Arm des ört-lichen Syndikats und Lieferant für die Dealer und Zu-hälter der Gegend. Wenn er seine Geschäfte aufsucht, um sich direkt mit den Angelegenheiten auseinanderzu-setzen, bemühen sich die Sprengers mit allen Mitteln, in seiner Gunst zu stehen. Der Grieche ist ein deka-denter, braungebrannter Womanizer, der sich mit den Mädchen und Drogen seiner Organisation schmückt. Wie ein König hört er sich dann in seiner Nische die Anliegen der kleineren Größen der lokalen Unterwelt an. Jeder, der ihn sprechen möchte, muss dabei an seinem trollischen Leibwächter Samson vorbei, der von der Bar aus ein Auge auf den Eingang hat.

Xilos hat auch einen Deal mit dem Manager des Ho-tel Keilerhof, Torsten Schlack, abgeschlossen. Über die örtliche Gang können die Angestellten des Hotels je-derzeit eine breite Auswahl Straßendrogen, Prostitu-ierte und BTLs beziehen. Außerdem stehen die Räum-lichkeiten des Hotels dem Syndikat zur Verfügung. Das Syndikat treibt kein Schutzgeld ein, kann dafür im Ge-genzug aber kommen und gehen wie es möchte. Da jeder davon profitiert, ist das Schweigen der hier arbei-tenden Lohnsklaven gesichert. Diese unterstehen ei-ner gesichtslosen Hotelkette, die überall in der ADL Ho-tels in finanzieller Schieflage aufkauft und ausbluten lässt, bis sie keinen Gewinn mehr erwirtschaften. So-bald die Bilanz trotz aller noch so gewissenlosen Ein-sparungsmethoden nicht mehr zu retten ist, werden die Angestellten durch ein automatisiertes Sarghotel ersetzt. Unbezahlte Überstunden und Dauerschichten sind eine Selbstverständlichkeit, da keiner vor den dro-henden Rationalisierungsmaßnahmen sicher ist, und jeder versucht, Bestleistung bei geringen Kosten zu er-wirtschaften. Konzentrationsfördernde und wachhal-tende Drogen sind eine Selbstverständlichkeit, die bei der überarbeiteten Belegschaft Öl ins Feuer gießen und zu dem stressigen Arbeitsklima noch beitragen. In die-sem Umfeld wird geradezu schon erwartet, dass sich ein Gast Stimmungsmacher bestellt oder eine Dame auf das Zimmer geführt bekommen möchte. Wer keine Sonderwünsche hat, wird schnell ignoriert, bis er wie-der mit ein paar Scheinen wedelt. Unter den Angestell-ten herrscht ein ausgeprägter Konkurrenzkampf um die spendabelsten Gäste, was mitunter den Service in Mitleidenschaft zieht. Solange er sein Stück vom Ku-chen abbekommt, sieht Herr Schlack dabei in die an-dere Richtung und bemüht sich darum, die Zahlen seines Berichtes zu beschönigen. Dazu nutzt er intensiv seinen Einfluss und hat seine dicken Finger in diversen schmutzigen Geschäften.

Da das Syndikat das Hotel im eigenen Interesse behalten möchte, sehen sie davon ab, hier die Hand aufzuhalten. Die Organisation ist sich des Wertes dieses ungestörten Spielplatzes wohl bewusst, z.B. um jemanden untertauchen oder beeinflussen zu können. Schlack mimt weiterhin den Hilflosen und arbeitet heimlich daran, seine Position auszubauen. Gelegent-lich stellt er Hilfe ein, um sich unbemerkt einen Vorteil zu ergaunern Die Vorgänge im Hotel sind also natur-gemäß für Runner interessant; außerdem verdient einer der Gäste noch besondere Erwähnung. Der in den Büchern nur als Herr Ralf Uhlmann geführte Norm Ende dreißig aus Zimmer 214 ist ein Dauergast, auf dessen Visitenkarte als Berufsbezeichnung »Vertriebs-unternehmer für Nutzfahrzeuge« steht. Eigentlich ist er nicht besonders bemerkenswert, einzig seine gele-gentlichen Meetings mit Kunden, die nicht nach dem üblichen Gewerbestil aussehen und unregelmäßigen Besuche spät nachts lassen sowohl die Belegschaft wie auch Schlack vermuten, dass mehr hinter Herrn Uhl-mann steckt. Dieser bleibt jedoch höflich bedeckt und vermeidet durch seine großzügigen Trinkgelder, dass ihm jemand zu sehr hinterher…spioniert.

SpielinformationenUnabhängig davon, wie Sie die Straßenecke in Ihr Spiel einbringen möchten, bieten die hier angebotenen Locations und Charaktere jede Menge interessantes Material für Ihre Runde. Die Straßennamen und der Stadtteil sind dabei bewusst generisch gehalten, um in jeden beliebigen Plex übertragbar zu sein. Sie können Ihre Kampagne mit Nebenschauplätzen ergänzen, eine Connection hier wiederholt auftreten lassen oder einen kompletten Run gestalten, der sich mit den Charak-teren vor Ort beschäftigt. Wenn Sie die Location für spätere Ereignisse bewahren wollen, kann ein Teil der Beinarbeit des Runs hier stattfinden. Vielleicht müssen die Runner den Griechen Xilos überreden, ihnen eine Audienz beim lokalen Don zu verschaffen, oder in einem der Konferenzräume des Keilerhof findet ein konspiratives Treffen statt, bei dem die Spieler erfah-ren können, wie sie die Sicherheitsmaßnahmen ihres Ziels umgehen.

Der Bahnhof ist so automatisiert, dass hier kaum jemand länger als ein paar Tage arbeiten muss. Die örtliche Gang ist ebenfalls zu klein und unbedeutend, um außerhalb ihres Viertels große Wellen zu schlagen. Es gibt keine wirkliche Führungsstruktur, bei Streit-fragen übernimmt meist ein albanischer Ork namens Gabriel das Reden. Er scheint um die 15 zu sein und hat genug Grips, um Xilos Gefolge zu leisten und dafür von den größeren Gangs der Gegend in Ruhe gelassen zu werden. Wenn es notwendig werden sollte, verwen-den Sie für die Werte der Gang den Humanis Policlub Schlägertrupp im Grundregelwerk (Seite 325). Wenn man die Teens für sich gewinnt und sich im Gebäude auskennt, um die Umgebung zu seinem Vorteil zu nutzen, ist es ein Leichtes, auch noch so hartnäckige Verfolger loszuwerden.

AbenteuerideenFremder Federschmuck

Die Runner werden von Xilos‘ Leibwächter Samson im Fasan zu einem Treffen eingeladen. Sein Boss wird in ein paar Tagen wieder hier ein-kehren, und Samson hat gehört, dass ein Rivale einen Anschlag geplant hat. Als er Xilos davon be-richtete, ist dieser – sehr zu Samsons Leidwesen – auf die Idee gekommen, den Anschlag mithilfe der Runner zu einer Machtdemonstration zu ma-chen, bei der er wie ein Held die Killer niederstre-cken kann. Der Troll ist mit dieser Lösung nicht be-sonders glücklich, folgt aber der Anweisung und hat für eventuell berechtigte Einwände einen sehr dicken Credstick als Vorschuss mitgebracht.

Für eine Nacht der TräumeDas hinter Xilos stehende Syndikat benötigt

die Unterstützung eines Lokalpolitikers. Der LDFP-Abgeordnete des Stadtrats Simon Mahl ist aller-dings sehr um seine Privatsphäre besorgt und hat um absolute Diskretion gebeten. Um seine Gunst zu gewinnen, wurde ihm eine ungestörte Nacht im Hotel Keilerhof versprochen. Die besten und vertrauenswürdigsten Männer des Syndikats sollen Schnüffler fernhalten und das Hotel von oben bis unten sichern. Die Belegschaft gibt ihr Äußerstes, um im besten Licht dazustehen und Herrn Mahl hoffentlich auch nächstes Mal be-grüßen zu dürfen. Keiner ahnt, dass Herr Schlack plant, die Vorgänge zu dokumentieren, um sie später gegen den Politiker einsetzen zu können. Die Runner sollen also Beweise für die ungezügel-te Orgie im Zimmer beschaffen, ohne die Bezie-hung Schlacks zu dem Syndikat zu gefährden.

Herr UhlmannHerr Uhlmann ist das unbeschriebene Blatt

der Location und hat bewusst keine Werte er-halten. Er ist als Agent von ARGUS ein »grauer Mann« – ein Anzug, der niemandem besonders auffällt. Er ist stets freundlich, aber nicht redselig und so durchschnittlich, dass man sich manch-mal nicht sicher sein kann, immer dem gleichen Mann gegenüberzustehen. Hinter dieser Fassade stecken jedoch ungeahnte Kräfte, die nur auf ihr Kommando warten.

Für einige Jobs heuert er absetzbare Aktivpo-sten an, um Spuren zu verwischen. Oder er be-zieht besondere Informationen durch diese Aktio-nen. Herr Uhlmann wird eine Goldgrube für ta-lentierte Runner sein, da sie über diesen Kontakt wiederkehrend für viele Zwecke des Konzerns eingesetzt werden können, ohne je erfahren zu müssen, für wen sie tatsächlich arbeiten. Die vie-len Aspekte der Spionage werden in Machtspiele – Handbuch für Spione beschrieben.

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Im Fasan wird nur ein Herr Schmidt der unteren Gehaltsklasse (oder ein Schmidt, der nur als ein sol-cher wirken möchte) ein Treffen arrangieren. Anson-sten kann man in dem Restaurant Gerüchte auf-schnappen und sich hin und wieder mit einem Cop im Feierabend bei einem Bier austauschen. Wenn Xilos allerdings im Laden ist, ändert sich der Stellenwert des Restaurants für die lokale Unterwelt gewaltig. Der Grie-che kann für jedes Syndikat arbeiten, das am Besten zu Ihrer Kampagne passt, und sich nach Wunsch spezia-lisiert haben oder ein einflussreicher Machtfaktor im Gefüge der Unterwelt Ihres Spielortes sein. Sein deka-dentes Auftreten und angeberisches Gehabe führen immer zu ausgewachsenen Gelagen. Er richtet sich überwiegend im Fasan ein und verbringt nur wenige Stunden (wenn überhaupt) zum Schlafen im Keiler-hof. Für seine Werte verwenden Sie den Zuhälter im Runnerkompendium (Seite 154). Sein treuer Leib-wächter Samson nutzt die Werte des Troll-Straßendea-lers (Seite 153).

Im Keilerhof bemüht sich der Manager Torsten Schlack beständig darum, seinen Einfluss zu erwei-tern und sich Alternativen zurechtzulegen, sobald er dem Konzern nicht mehr von Nutzen ist. Für ihn ist es nur eine Frage der Zeit, bis mit der Automatisierung des Hotels seine berufliche Sackgasse in einer frist-losen Kündigung gipfelt. Um am Ende nicht als Verlie-rer auf der Straße zu stehen, arbeitet Herr Schlack an seinem Netzwerk aus Informanten und Kontakten, das sich aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zusammensetzt. Er ist immer auf der Suche nach Run-nern, um seine Agenda zu verfolgen und im Fall seiner Entlassung zu einer Tätigkeit als Schieber zu wech-seln. Schätzen Sie ab, auf welchem Niveau Ihre Runde spielt, und bringen Sie Herrn Schlack mit einem ange-messenen Fortschritt bei seinen Pläne ein. So können die Spielercharaktere aktiv an seinem Werdegang mitwirken und am Ende einen einflussreichen Schie-

ber zu ihren Connections zählen, der ihnen einiges schuldig sein dürfte. So lange das Hotel noch von ihm geleitet wird, können die Gäste auch weiterhin den etwas umfassenderen Service nutzen. Die Angestell-ten geben einen Teil ihrer Extraeinnahmen ab, um sich Schlacks Wohlwollen zu sichern. Dieser nutzt das Wissen über die einzelnen Gäste, um eine Menge bela-stendes Material zusammenzustellen, das ihm zukünf-tig hilfreich sein soll. Auch hier muss er gelegentlich auf die Hilfe von Runnern zurückgreifen, was von ihm mit einem ungestörten Unterschlupf direkt im Hotel belohnt werden kann (vermutlich auch, um ein Auge auf seine Mitwisser zu haben). Für ihn verwenden Sie die Werte der Konzern-Lohnsklavin im Runnerkom­pendium (Seite 146). Wenn Ihre Gruppe in entspre-chende Plots verwickelt ist oder durch andere Hinter-gründe mit dem Spionagegeschäft in Kontakt steht, kann Herr Uhlmann eine sehr wertvolle Connection sein oder als graue Eminenz auch gegen die Charak-tere handeln. Die Identität ist natürlich gefälscht und kann jederzeit abgeworfen werden, sobald sie ver-brannt ist. Dahinter steckt ein Agent von ARGUS, der die Rolle Uhlmanns zwischen größeren Einzelaufträ-gen annimmt, um Informanten seines Netzwerkes zu pflegen, die ihn unter dieser unauffälligen Identität kennen. Wenn die Spieler es schaffen, Zugang zu Herrn Uhlmann zu bekommen, kann er ihren Charakteren Runs im Bereich der Spionage(abwehr) vermitteln, die dafür benötigte Spezialausrüstung besorgen und sie für die internationalen Machenschaften des Informati-onskonzern benutzen – bevorzugt natürlich, ohne dass sie wissen, worin sie eigentlich verwickelt sind. Solange es machbar ist, bleibt Herr Uhlmann ein etwas selt-samer »Vertriebsunternehmer für Nutzfahrzeuge«. Die Welt der Spionage und ihrer Agenten, ARGUS und eine Menge Plotmaterial diesbezüglich und besonders den deutschen Raum betreffend, werden in Machtspiele: Handbuch für Spione beleuchtet. n >> Karten

Über die örtliche Gang können die Angestellten des Hotels jederzeit eine breite Auswahl Strasßendrogen, Prostituierte und BTLs beziehen…

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Werneroder Weg Ecke Scheigsburger Strasse

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. . . . . . . .NULLPELLIANach Rubeaus Richtfest ist niemandem nach Feiern zumute. Zu

groß ist die Angst, gegen eine seiner Regeln zu verstoßen. Auch wenn viele Justitian jegliche Zivilisiertheit absprechen mögen, erken-

nen sie spätestens jetzt, dass sie falsch lagen: alles Gute liegt hinter ihnen, und die Wildnis beginnt genau hier, mit Rubeau als einem

ihrer Raubtiere. Nicht auffallen.

Die Nacht ist kühl und ruhig. Keine Wanderer, die vor den Toren auf den Morgen warten, um einge-lassen zu werden. Selbst die Gendorotte, die wäh-

rend des letzten Monds immer wieder die Abfallhalde nach Ratten durchstöbert hat, muss ins Umland wei-tergezogen sein.

Der Richter Markwalt ist Anführer der Nachtwa-che. Er hat ein Problem mit Licht, es verbrennt ihm die Haut und lässt jede Kakerlake im direkten Vergleich als Schönheit dastehen. Diese Spitalier hatten sogar

einen Fachbegriff dafür, den er kein Glas Destillat später bereits vergessen hatte. Er selbst nennt es:

Große Kacke. Doch in dieser Nacht beneidet er seine Kameraden nicht. Er macht seine Run-de: Tore, der Wall, steigt auf den Turm empor, nickt dem Wächter zu und klopft ihm auf die Schulter, dann wieder runter auf den Richt-platz. In gut drei Stunden wird die Sonne ihre ersten Strahlen über die Ostmauer werfen. Es ist Zeit. Markwalt löst seinen Richthammer vom Gürtel, stapft auf die Kasernentür zu, packt den Hammer fest mit beiden Händen und rammt ihn gegen

den Metallbeschlag der Tür. Das ganze Ge-bäude dröhnt wie eine geborstene Glocke. Er hört noch ein dumpfes Rumpeln und

einen Aufschrei, dann ist er bereits weiter, bearbeitet jede Tür, die noch geschlossen ist.

Nichts bringt den Kreislauf so in Wallung wie sein freundliches Anklopfen. Seine Kameraden

lieben ihn dafür.Richter sammeln sich auf dem Platz. Die Wetzlarer

Garnison formiert sich schweigend zu einer doppelten Zweierreihe; die Richter aus Justitian bilden einen Haufen, fluchen und rotzen. Die anderen Mitreisenden taumeln aus der Gaststätte und dem Ratssaal, der für die Nacht hergerichtet worden war.

Rubeau hat bereits aufgesessen, beobachtet das Trei-ben reglos.

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Idee und Text Christian GüntherIllustrationen Klaus ScherwinskiSystem Degenesis

»Richter!« ruft er, »Lasst uns Markwalt dafür dan-ken, dass er uns wie eine Mutti wachgeküsst hat!« Die Wetzlarer Garnison grölt und lacht, einige recken ihre Richthämmer in die Höhe.

»Wir werden in den nächsten Tagen ohne ihn aus-kommen müssen. Ich hoffe, wir schaffen das.« Rubeau schnalzt mit der Zunge und treibt sein Pferd an. »Rich-ter, los jetzt!«

Zwei TagesreisenDie Reise führt entlang versandeter Flüsse, durch Gras-steppen und Fichtenwälder. Der im Umland von Ju-stitian allgegenwärtige rote Staub hat sich im Wind-schatten von Ruinen halten können. Windstöße wir-beln ihn auf und entlassen ihn in roten Schleiern. Doch je länger die Reise andauert, desto seltener knirscht der Teufelsstaub zwischen den Zähnen. Die Justitianer sind misstrauisch und interessiert. Sie grei-fen in den dunklen Humus, riechen daran, stecken sich kleine Klümpchen in den Mund und kauen versonnen. Die ersten anstrengenden Tage scheinen vergessen: Al-les wird gut.

StörungenSeit dem Richttag in Wetzlar sieht Rubeau die Charak-tere als Repräsentanten der Nicht-Richter im Trek. Das heißt zum Einen, dass er erwartet, dass die Charakte-re für Ruhe und Ordnung unter den Zivilisten sorgen, und zum Anderen sieht er sie als eine Ressource. Keine entbehrliche, soweit würde er nicht gehen, aber eine weitestgehend frei einsetzbare.

In Rubeaus Augen sind die Richter eine Macht wie ein Fels: Der wird irgendwo abgesetzt und überdauert die Zeit. Bewegung bedeutet weniger Gewicht, und Ge-wicht ist es, was die Richter so unbezwingbar macht. Dies mag eine Einschränkung sein, aber wie Rubeau immer sagt: »Wenn Luft nass sein will, ist sie keine Luft mehr, sondern Regen.«

Er wird deshalb kategorisch ablehnen, Richter auf Erkundungsmissionen zu schicken. Dafür sind die Charaktere und die Schar an Zivilisten, der sie vorste-hen, weit besser geeignet.

ExodusÜber Jahrzehnte herrschte eine gespannte Lage zwi-schen den Klans der Region. Die Feindschaft war künstlich, angefacht und am Glimmen gehalten von den Mechans. Diese gaben sich stets als distanzierte Freunde, als Ratgeber. Sie setzten Gerüchte in die Welt: Der Nachbar bereite sich auf einen Krieg vor, hieß es. Er tauche seine Speere in Leichensud – was für ein Frevel! Die Bezahlung für diese Warnungen war stets gleich, in jedem Klan, und sie versprach gleichzeitig eine Stabilisierung: Den Mechans wurden vielverspre-

chende Kinder überantwortet, die sie bei den Pneu-manten zu Kriegern ausbilden ließen. Krieger, die nicht für einen Klan, sondern für den Frieden in der Region kämpfen würden. Allzu aggressive Klans mussten da-mit rechnen, dass das Donnern der Pneumohämmer das Letzte war, was sie zu hören bekamen.

Tatsächlich hofften die Klans, dass ihre Brut sich letztlich auf ihre Seite stellen würde. Doch die Pneu-manten tragen Masken, und diese Masken sollen sie nicht so sehr im Kampfe schützen, als vielmehr die Unsicherheit in den Klans schüren: Wer kann schon sicher sein, dass der Pneumant dort nicht vom ver-hassten Nachbarn abstammt?

Ein fragiles Netz aus Lügen überspannt die Ramein-Region, und es ist unlängst zerrissen: Noch wissen es die Charaktere nicht, und auch der Mechan, der im Trek mitzieht, ist ahnungslos: Nullpellia brennt.

Der größte Klan der Region erhebt sich zum Befrei-ungsschlag. Vor über 100 Jahren wurden die Phospho-riten eingekeilt zwischen Nullpellia, nur mühsam ge-bändigten Wilden und dem Sichelschlag. Der Kontakt zur Außenwelt war sporadisch und ohne Tiefe. Nie-mand bei klarem Verstand wagte sich durch das Klan-gebiet, um einen Kontakt herzustellen oder eine Han-delsbeziehung aufzubauen. Jegliche zivilisatorische Entwicklung ging an den Phosphoriten vorbei.

Für die Mechans waren die Phosphoriten mit ihren verspiegelten Masken und den Phosphorgewehren der schwarze Mann, vor dem sich alle fürchteten. Eine Be-drohung, der nur die Pneumanten etwas entgegenzu-setzen hatten.

Doch Schluss mit Scharmützeln und wildem Ge-schrei: die Phosphoriten greifen mit allem an, was ih-nen zu Gebote steht. Der Grund? Der Mechan Amendes glaubt, dass ihnen die Phosphormunition ausgeht. Die-se und ihr Feuerkult gaben ihnen vor Jahrzehnten den Namen. Bis heute weiß niemand, wie sie an die Technik gelangten und woher sie die tödlichen Brandgeschosse bezogen. Irgendwann musste damit Schluss sein.

Aber das sind Spekulationen. Fakt ist, dass der An-griff der flammenden Scharen die Klans in Angst und Schrecken versetzt hat. Dutzende haben ihre ange-stammten Lager verlassen und suchen das Heil in der Flucht.

KlansÜberall sind Klans. Auf der Flucht oder ansässig. Sie verbergen sich in den Ruinen oder kämpfen das letz-te Gefecht in den brennenden Überresten ihrer ange-stammten Behausungen. Erkunden die Charaktere die Umgebung entlang der Reiseroute, werden sie in zahl-lose Konfliktzonen eindringen – und Teil des Konflikts werden.

Rubeau ist bekannt für seine Unnachgiebigkeit. Auch wenn er ablehnt, seine Richter in die Ruinen zu schicken, bietet er 40 Wechsel aus der Kasse Wetzlars pro Kopf eines Wilden, der sich an der örtlichen Bevöl-kerung vergangen hat.

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Die Verflogenen sind einer jener Klans, die jahrhun-dertelang eingekeilt zwischen Nullpellia und Phospho-riten jetzt nach Nordwesten durchbrechen. Sie haben nie etwas anderes gelernt, als dass die Menschen um sie herum ihre Länder, Frauen und Kinder begehren. Von den Phosphoriten vertrieben, plündern und mor-den sie sich durch die Region.

Mit der Auslobung des Kopfgelds hat Rubeau das Ende dieses Klans eingeläutet: Mehrere Kleingruppen spalten sich vom Treck ab und machen sich auf die Jagd. Schließen sich die Charaktere ihnen an, können sie jetzt oder später bei einem Zwischenhalt in Kessel-stadt das Nest der Verflogenen ausfindig machen – und ein Stück der Wahrheit kosten.

Das NestSuchen die Charaktere tagsüber den Horizont nach

Rauchfahnen oder nachts nach Feuerschein ab, kom-men sie dem Klan schnell auf die Spur. Sie haben gut eine Stunde Zeit den Ort zu erreichen, bevor die Klan-ner weiterziehen. Ausgehend von einem niederge-brannten Dorf ermöglicht ein erfolgreicher Wurf auf VER+Überleben (4) es ihnen, die Spur aufzunehmen, was sie letztlich zum Nest der Verflogenen führt.

Die Verflogenen sind martialisch, tragen Klauen-handschuhe und spitz zulaufende, Vogelschnäbeln nachempfundene Kapuzen. Was sie rauben konnten, haben sie sich mit Lederbändern an den Gürtel gebun-den: Essen, Stopfpuppen, Tand, tote Krähen.

Aber aus ihren Blicken spricht bloßes Grauen. Ihre Gesichter sind ausgezehrt, das Weiß ihrer Augen ist gelb und blutunterlaufen. Ihre Körper sind bedeckt mit schwärenden Wunden (Brandwunden, weiß jeder Spi-talier zu diagnostizieren). Sie sprechen untereinander in einem harsch klingenden borcischen Idiom, das die Charaktere anfangs nur verstehen, wenn ihnen ein Ak-tionswurf auf VER+Sprachen (6) gelingt.

Ihre Bewegungen sind schnell und abgehackt und können leicht als Angriff missverstanden werden.

Dabei war Angriff nie ihr Ziel. Als die Phosphoriten vorstießen und sie aus ihrem Stammesgebiet vertrie-ben, flüchteten die überlebenden Verflogenen ins Um-land. Doch dort begegnete man den martialischen Wil-den mit Flinte und Wehrspieß. Sie wollten doch nur essen! Alles geht schief, die Welt hatte sich gegen sie verschworen. Sie mussten kämpfen; ein Dorf nach dem anderen machten sie nieder, es ging ja nicht anders. Die besiegten Feinde opferten sie einem schnell errich-teten und kruden Vogelgott-Idol aus verzurrten Balken, das sie anzündeten, um den Ritus zu vollenden. Das Feuer verschlingt das Opfer, trägt die Asche empor...

Wie die Siedler sind die Charaktere für die Verflo-genen Aggressoren. Wieder jemand, der ihnen etwas nehmen will. Zuerst versuchen sie die Fremden durch Krächzen zu vertreiben, dann rufen sie in ihrer Mund-art »Geht fort mit dem Wind, geht!« Greift ein Charak-ter zur Waffe, gibt es keinen Ausweg als Kampf.

Das Nest ist eine der letzten Fluchtstätten der Ver-flogenen. Von hier aus ziehen sie los ins Umland, hier-her kehren sie mit ihrer Beute zurück. Barrikaden um-schließen das Lager; ein wilder Haufen aus allem, was die Ruinen hergaben, mehr eine Behinderung als eine

tatsächliche Befestigung. Eindrucksvoller sind Dut-zende Vogelmänner, die aus dem Dschungel an Mauer-bruch, Blechen, angespitzten Latten und vertrockneten Nadelbüschen ragen. Sie sind zwei Mann hoch, wurden aus wenigen zusammengezimmerten und miteinan-der verschnürten Balken errichtet. Lumpen wehen als Gefiederersatz von den Querbalken. Und sie triefen vor Destillat. Werden die Charaktere entdeckt, entzünden Kinder die Vogelmänner, die tosend und spuckend ab-brennen. Ihr Gott ist jetzt mit ihnen.

Im Lager selbst drücken sich Zelte aneinander; Felle überspannen Gassen und verbinden Räume voller Tand, Schlafbereiche und das zentrale Rund zu einer geschlossenen Einheit. Viel Leben steckt nicht mehr im Lager. Die Charaktere stoßen hauptsächlich auf Ver-sehrte und Kinder, Widerstand wird von einer Hand-voll Alter und Jugendlicher geleistet. Sie sind müde und verängstigt, wollen nicht kämpfen.

Gleichzeitig mit den Charakteren treffen Jäger aus dem Tross ein. Liebevoll tätscheln sie ihre Flinten; die Verflogenen kämpfen mit Speeren und Klauenhand-schuhen. Gute Chancen, diesmal ohne Blessuren weg-zukommen, nicht wahr?. 40 Wechsel pro Kopf. Nichts kommt gegen dieses Argument an. Wie reagieren die Charaktere? Wohnen sie dem Massaker bei oder stellen sie sich vor die Verflogenen – und wie rechtfertigen sie ihr Handeln vor Rubeau?

KesselstadtNullpellia mag das zerrissene Herz einer einstigen Re-gionalmacht sein, doch noch immer gelten die alten Regeln: Niemand darf sich Nullpellia nähern, hat er nicht die Erlaubnis der Mechan und der Pneumanten. Geht mal wieder jemand in der Ramein-Region ver-loren, wird sofort gemutmaßt, dass er eben jene Re-gel missachtet hat. Jeder Charakter mit einem erfolg-reichen Wurf auf VER+Legendenkenntnis (4) wird das wissen.

Eine der Eingangspforten in das ehemalige Reich der Taunar, jetzt das Hoheitsgebiet der Mechan und Pneumanten, ist Kesselstadt.

Amendes führt den Trek zielstrebig dorthin. Selbst er, ein ranghoher Mechan, wagt es nicht die Pneu-manten zu übergehen.

Flaches Land erstreckt sich vor dem Trek. Verein-zelt durchbrechen Gruppen von Hügeln die Gleichför-migkeit. Birken und dichtes Gebüsch versuchen die Übergänge zu verwischen, ein störrisches Gras wächst überall. Hier und da zeichnen sich massive Steinsäu-len wie Türme vor dem Himmel ab; in ihren Kronen aus Metallstreben haben sich Knollen von Vegetation angesammelt. Krähen sitzen dort oben, beobachten die Eindringlinge.

In der Ferne bemerken die Charaktere eine Rauch-säule. Sie entweicht einem Hügel, der größer ist als alle anderen in seiner Umgebung.

An den Hügelflanken sind Abplattungen zu erken-nen – vom Alter geschwärzte Wände. Durchbrüche und dunkle Rechtecke weiter oben deuten auf Terras-sen hin. Alles ist überwuchert und scheint naturbela-

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ssen. Als hätte der Hügel die letzten Menschen vor vie-len Wintern verabschiedet. Er ist größer, als es den An-schein hatte: Gut dreißig Schritt misst er von der Sohle bis zum Scheitel.

Strukturen durchbrechen die Natur an vielen Stel-len: Schlote, Wände, Eingänge, alles massiv und verwit-tert. Dies ist kein Hügel, sondern ein uraltes Bauwerk, das unter Erde begraben wurde.

»Hei, Fressen!« Ein Schrotter aus dem Trek stürzt sich auf einen Busch, reißt eine Hand voll Trauben ab und lacht. Andere sehen ihn, verlassen die Kolonne und rennen in das Unterholz entlang des Weges, sin-ken zwischen Büschen und knorrigen Ästen auf die Knie. Wilder Wein wuchert dort wie Unkraut. Der Trek, gerade noch ein Wurm im Gleichschritt, lethargisch und unbeirrbar in seinem Fortkommen, zerfällt vom Schwanzende her. Nur die Richter marschieren noch in Zweierreihen hinter Rubeau, doch ihre Köpfe rucken immer wieder in Richtung der Rufe. Wie lange hatten sie kein Obst mehr? Einer von ihnen macht einen Aus-fallschritt zur Seite, greift sich Trauben und versucht sich wieder einzureihen. Der ganze Trek gerät aus dem Tritt. Rubeau reitet unbeirrt weiter.

Drei Gestalten sind auf einer Terrasse des Hügels zu erkennen. Sie verschwinden im Dunkel, um kurz darauf aus einem schmalen und übermannshohen Schlitz in der Seite des Baus zu treten. Es ist Schrotter Ohm, flankiert von zwei Hellvetikern, seinen persön-lichen Wächtern.

Schrotter OhmJa, er hat es zu etwas gebracht. Nur wenige seiner

Kumpane aus dem Technikcentrum können es sich leisten, zwei Stählerne auf ihre Hintern (und natür-lich Funde) aufpassen zu lassen. Ohm erzählt gerne, dass sein Erfolg auf der Kooperation mit den Mechan beruhe. Dass er von ihnen die Erlaubnis habe, im Um-feld der Kesselstädte nach Schrott zu suchen. Zum Teil stimmt das, aber seinen Reichtum verdankt er einer anderen Geschäftsidee.

Jetzt begrüßt er erst einmal die Ankömmlinge. Vor dem Mechan wirft er sich auf die Erde, presst die Stirn in den Dreck, während seine Wächter hinter ihm ste-hen. Einer von ihnen scharrt mit dem Fuß und mu-stert die Fremden grimmig.

Rubeau beendet das Schauspiel. »Steh auf, Ohm.«Der Schrotter richtet sich auf, hat jetzt einen stau-

bigen Fleck auf der Stirn. Er wischt ihn bewusst nicht weg. Ein Zeichen der Demut vor den Mechan. So et-was ist wichtig, wenn man in Ruhe seinen Geschäften nachgehen will.

In den folgenden Stunden weicht Ohm den Charak-teren nicht von der Seite. Will alles wissen über die Ex-pedition. Je mehr er erfährt, umso ärgerlicher blickt er drein. Schließlich fragt er unvermittelt, ob die Charak-tere seine Funde bewerten könnten. Er blickt lauernd, zwinkert aber auffordernd. Gemeinsam marschieren sie durch die hohen, aber schmalen Gänge des Bun-kers, vorbei an versiegelten Portalen, bis zu einem Saal, der von einem seiner Hellvetiker bewacht wird. Ein saurer Geruch umfängt die Charaktere. Kisten vol-ler Schrott türmen sich zwischen Destillen und Ton-

ner voller Trauben, es verbleibt nur ein schmaler Weg zwischen all dem Gerümpel. Ohm schnappt sich eine Öllampe, die rußt, als würde sie feuchtes Holz verbren-nen, und führt die Charaktere in den hinteren Teil des Saals. Der Eingang verschwindet hinter Schrotttürmen. Ohm legt einen Finger auf die Lippen und bedeutet den Charakteren, eine Gitterbox beiseite zu schieben. Da-hinter eines jener Betontore. Uralt, die Führung verro-stet, unbeweglich. Ein Handgriff nur und sie schwingt auf. »Mein kleines Geheimnis« flüstert er.

Der Raum dahinter ist schmal und lang, und weit besser aufgeräumt als Ohms Schrottsaal. Gewehre leh-nen an den Wänden oder hängen an Haken. Daneben mit einem Lederband zusammengeraffte Speere und Stahlrohre. Weiter hinten eine Kiste mit Äxten und Na-gelkeulen. Tonnen voller leerer Patronenhülsen, dane-ben auf einem Tisch eine Art Presse, mit der sich jene Patronen neu befüllen lassen. Eine ganze Armee ließe sich hier ausrüsten.

Jeden Kommentar diesbezüglich wischt Ohm beisei-te. Er hat den Charakteren etwas über die Kesselstädte, Nullpellia und die Mechans zu erzählen.

AtempauseDer Trek bleibt für einen oder zwei Tage in Kesselstadt. Die Charaktere können in der Zeit verschiedenes er-leben:

• Haben sie die Verflogenen noch nicht ausfindig ge-macht, können sie der Spur des Klans jetzt folgen.

• Kesselstadt ist praktisch verlassen, und doch dringen Geräusche aus den Lüftungs- und Heizschlitzen. Die Charaktere können durch die Gänge streifen, sich in Schächte abseilen oder sich an meterdicken Beton-türen versuchen. Sie stoßen auf Dampfaggregate, vielleicht auch auf Konstruktionszeichnungen in Metallzylindern, die sie in Justitian an Manufaktu-risten verkaufen können. Einer der größten Schät-ze dürfte die Bauzeichnung eines Pneumohammers sein. Beschäftigt sich jemand mit dieser Zeichnung, wird ihm das später einen enormen Vorteil verschaf-fen – und vor eine Wahl stellen, die das Schicksal Nullpellias mitentscheidet.

Ohms Räume sind tabu für die Charaktere, minde-stens ein Hellvetiker bewacht diese.

• Die Charaktere stoßen auf Kleidung und Schlafstät-ten; Kesselstadt ist vor wenigen Tagen geräumt wor-den. Ohm begründet dies mit Angriffen von Klans.

• Beobachten die Charaktere die Umgebung, entde-cken sie keine zweihundert Schritt entfernt geduck-te Gestalten in den Büschen. Ihre Gesichter sind mit weißer Erde eingerieben, die Haare zurückgebunden und rot gefärbt. Sie wollen Waffen kaufen bei Ohm, aber der Trek verunsichert sie. Sie werden fliehen, wenn die Charaktere sie aufstöbern.

...SchrotterweisheitOhm weiß viel über die Ramein-Region. Die Lü-cken füllt er mit Fantasie auf:

Die KesselstädteEs gibt viele davon; drei hat er in der Ödnis

aufgespürt und durchwühlt. Sie alle ähneln die-ser Kesselstadt: Es sind gewaltige Bunker, errich-tet um einen zentralen Heizkessel von der Größe eines Drangpanzers. Die in ihm erzeugte Hitze wird durch Leitungen im ganzen Hügelkomplex verteilt. Überall hätte er Schmieden und Tunnel entdeckt; unbewegliche Steintüren verschlössen Korridore und Lager.

»Erbauer war ein Schrotter.« Ohm grinst die Charaktere an. “Er nannte sich ‘der Mechanist’. Wie wird er wohl heute genannt?” Er wartet einen Augenblick auf die Antwort, kommt sie nicht, zuckt er mit den Schultern und sagt »Me-chan.«

Der Mechanist habe einen Traum gehabt: ein Volk aufgeteilt auf kleine autarke Einheiten, jede für sich zwar überlebensfähig, aber doch abge-sichert durch ein Bündnis mit allen anderen. Er war ein Überlebenskünstler, und er brachte ein ganzes Volk durch. Zehntausende lebten über Jahrhunderte seinen Traum, bauten an einer neu-en Zivilisation.

Bis die kriegerischen Taunar aus den nörd-lichen Hügeln herabstiegen und eine Kesselstadt nach der anderen eroberten. Die wissenden Schrotter flohen, viele gingen nach Justitian oder versickerten im Umland. Eine alte Sekte, einem verderbten Klan entstiegen, kämpfte sich an die Macht. Sie sammelte Mechans Zeichnungen und Konstruktionen, sicherte sich ihren Platz an der Seite der Taunar. Die Mechans klebten von jetzt an an der Macht wie Fliegenschiss.

NullpelliaEinst kannten die Menschen Kesselstadt als

Nullpellia. Hier inmitten der Schmiedehallen und Kessel begann alles. Doch es wurde den Taunar zu eng. Sie wollten sich ein Denkmal setzen. Auf dem Steinsee im Osten türmten sie eine neue Stadt auf.

Vor gut zwanzig Wintern zahlten sie für diese Hybris: Ein Stern ging hernieder, schrammte über Häuser, schlug durch Mauern, zerfetzte Mark-stände und Hütten. Am Ende des Sees stand der Palast – der Stern brach mit einem gleißenden Blitz hinein. Ein Zeichen, ohne Zweifel. Von da an änderte sich alles.

Man mag über die Taunar sagen, was man will – aber sie hatten das Volk im Griff. Jetzt ist die Re-gion vergiftet von Hass und Intrigen. »Ihr werdet ein Teil davon, das verspreche ich euch.«

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Degenesis

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Das gebrochene ZahnradAmendes reicht jedem Charakter einen Stoff-streifen mit einem aufgemalten, gebrochenen Zahnrad. »Das Zeichen unseres Bundes. Ein halbes Zahnrad treibt keine Maschine an, so wie die Mechan nur gemeinsam mit den Pneu-manten das Land vor dem Verfall bewahren kön-nen.« Seine Lippen zucken. »Das gebrochene Rad schützt euch vor vielem, aber den Respekt der Pneumanten kann selbst ich euch nicht über-schreiben.«

......

........Jenseits des Palasts gleißen Feuerbälle auf der

Brandmauer – der Festung der Pneumanten. Eini-ge Bauten beiderseits der Schneise brennen, dichter Qualm treibt durch die Straßen.

Amendes sinkt auf die Knie. »Phosphores. Sie grei-fen tatsächlich an.« Seine Stimme klingt, als glaube er es selbst nicht.

Ohne die Charaktere anzusehen, sagt er: »Geht. Steht den Pneumanten bei.« Er werde hier bleiben, auf die Rettung warten. Sobald er die Charaktere außer Sichtweite wähnt, springt er auf und eilt zur Schleuse, dem Eingang in das Reich der Mechans.

Die Charaktere sind auf sich gestellt und können Nullpellia erforschen – und ihren Teil zur Verteidigung beitragen.

Der FrassDer Fallende Stern trieb vor zwanzig Jahre eine

Schneise durch die Stadt, bevor er in den Palast krachte. Noch immer verunziert diese Schneise Null-pellia. Die Saat, die der Stern mit sich brachte, ist nie zur Ruhe gekommen: Schwarze Nanitenkorallen wu-chern im Herzen der Stadt, kristallisieren wie Raureif an den umstehenden Gebäuden, fressen sich in sie hi-nein. Ausgehend vom Palast hat der Fraß sich entlang der Schneise ausgedehnt, und jedes Opfer, das ihm dar-gebracht wird, lässt ihn weiter wachsen.

Nähern sich die Charaktere, werden sie Zeuge, wie gefesselte Menschen von Pneumanten und Bevölke-rung zum Fraß geführt werden. Ihre Kleidung starrt vor Dreck, die Gesichter sind eingefallen, die Haare ver-filzt. »Taunar, Taunar!«brüllt die Menge, treibt die Ge-fangenen mit langen Stäben in das lichtlose Schwarz. Jeder ihrer taumelnden Schritte zieht Fäden wie Teer, doch plötzlich erstarren diese Filamente, durchstoßen das Fleisch, durchwachsen es, breiten sich aus und er-blühen zu schwarzen Fraktalschlingen. Beine brechen in der Bewegung, sind jetzt rußige Stümpfe. Die Gefan-genen gehen kreischend zu Boden, werden aufgefan-gen von der Nanitenblüte. Die Schreie verstummen ab-rupt. Die Umwandlung ist vollendet.

Getrennte StadtDie Schneise trennt die Stadt in zwei Hälften: In

jene, in denen die wohlhabenden Nullpelliden leben und jene, in denen Versehrte, Arme und vom Fraß be-fallene dahinvegetieren. Man bleibt unter sich – selbst Händler wagen es nicht, diese Grenze zu übertreten.

Überrannte ViertelDie Phosphoriten haben die Brandmauer an meh-

reren Stellen umgangen und leisten sich Feuergefechte in den Gassen. Häuser brennen, stürzen ein. Pneu-manten und Aggressoren sind ineinander verkeilt, Bol-zenhagel prasseln gegen besetzte Bauten, Brandmuni-tion zeichnet Spuren in die Luft. Die Lage ist unüber-sichtlich, Freund und Feind sind schwer auszumachen. Die Charaktere können leicht unter Beschuss geraten, von beiden Seiten.

Zeigen die Charaktere ihre Lumpen mit dem gebro-chenen Zahnrad, lassen die Pneumanten sofort von ihnen ab. Sie haben keine Zeit, um nachzudenken oder

Still und heimlichEs wäre zu gefährlich, würde der ganze Trek nach Nullpellia ziehen, selbst mit einem Mechan an der Spitze. Tatsächlich würden die Pneumanten dies für einen Umsturzversuch der Mechan halten. Der Plan ist folgender: Eine kleine Gruppe Repräsentanten macht sich mit Amendes auf den Weg in die Stadt; der Trek folgt Stunden später. Die Ersten würden einen Weg fin-den müssen, die Pneumanten zu besänftigen. Diese Ehre kommt den Charakteren zu.

Rubeau ist nicht erfreut darüber. Was als offizielle Einladung erschien, entpuppt sich als Vorstoß eines ein-zelnen Mechans. Er nimmt die Charaktere beiseite, bevor diese mit Amendes losziehen. »Justitian ist fern, und die Regeln hier draußen werden mit jedem Sonnenaufgang neu geschrieben. Macht den Nullpellianern klar, dass es in Justitian anders läuft. Bringt den Mechan unver-sehrt nach Nullpellia, und schaut euch um. Bietet eure Hilfe an. Sobald wir das Stadtgebiet betreten, feuern wir Leuchtkugeln ab. Kommt dann zurück.«

Ein Pfad zwischen wildem Wein deutet den Weg nach Nullpellia an. Es geht vorbei an anderen Kessel-städten, allesamt überwuchert und vor Jahrzehnten verlassen, die Eingänge unter Vorhängen von Wein und Flechten verborgen. Kiefernwälder lösen das Buschland ab. Unter dicken Moosteppichen schlummern Ruinen, deren Umrisse noch immer zu erahnen sind.

Die Charaktere sind nicht die einzigen, die hier unterwegs sind. Klanner und flüchtige Nullpellianer durchstreifen das Gebiet. Amendes blickt grimmig und schüttelt den Kopf, sollten die Charaktere ihn fragen, ob sie sich den Fremden stellen können. Die Ramein-Region ist ein Schmelztiegel uralter Klans, die unbe-einflusst von Justitians segensreicher Zivilisation der unbezähmbaren Wildheit verfielen. Es beginnt ein Ver-steckspiel, das durch versumpfte Tunnel und verges-sene Kesselstädte führen kann – oder mit Kampf endet.

NullpelliaEin Meer aus Rauch wogt am Horizont, aufgewühlt von Blitzen und Feuerbällen. Dumpfes Knattern, Don-nerschläge. Amendes ist irritiert und nervös, das erste Mal während der Reise fällt die Maske aus herrschaft-licher Selbstsicherheit. Er eilt voraus, die Hände aus-gestreckt. Die Charaktere nähern sich Nullpellia über eine Anhöhe, die Sonne steht hinter ihnen im We-sten, lässt die Stadt vor ihnen in sattem Rot erstrahlen. Ein- und zweistöckige Bauten mit Flachdach, getrennt durch eine schwarze Schneise, die wie ein Fraktal ge-wundene Filamente zu den Seiten hin ausgesandt hat. In der Verlängerung der Schneise, als sei es ihr Ziel gewesen, erhebt sich ein Sammelsurium von Türmen, Mauern und säulengestützten Spitzdächern, alles zu-sammengewachsen durch Arkaden, Galerien und Brü-cken. Doch was wie ein architektonisches Meisterwerk von der Qualität einer Justitianischen Richthalle zu sein scheint, ist nichts weiter als eine Ruine: Der ver-fluchte Herrscherpalast der Taunar.

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der Nähe der Brandmauer. Der Weg zu Rubeau wird zu einer wilden Jagd.

TiefschwarzGemeinsam mit den Pneumanten werden die Cha-

raktere von der Übermacht der Phosphoriten zurück-gedrängt. Sie können die Angreifer in den Fraß locken, und auch den Pneumanten bedeuten, es ihnen nach-zutun. Wenn die Phosphoriten durch den schwarzen Wald stampfen, wirbeln sie Nanokristalle auf, atmen sie ein. Der Fraß erwacht. Menschen stolpern, werden ergriffen von den Naniten, versteinern schreiend vor ihren Kameraden, zerbersten zu Rußwolken, wenn die Nachfolgenden sie niedertrampeln.

Doch noch ist der Angriff nicht zurückgeschlagen. Die enorme Menge an Futter, die der Fraß in diesen

Stunden erhält, führt zu einem gewaltigen Ausbruch. Innerhalb von Minuten dehnt er sich rapide aus, ver-schlingt und versteinert.

HagelschlagDie Chars rennen auf die Stellungen der Richter

zu, die bereits um den Richtstein und die Zivilisten des Treks herum Aufstellung bezogen haben. Die Rich-ter legen an, zielen in Richtung der Charaktere. Die-sen bleiben nur Sekunden, um auszuweichen oder sich zu Boden zu werfen, da donnert bereits die erste Salve über sie hinweg in die Reihen der heranstürmenden Phosphoriten. Diese erwidern das Feuer.

Am Richtstein entscheidet es sich.

EndkampfAuf jeden Charakter kommen vier Phosphores. Ha-

ben die Charaktere die Armee der flammenden Scharen bereits dezimiert, fällt der finale Kampf leichter aus: Pro Aktion, mit der die Charaktere den Phosphoriten geschadet hat, wird die Zahl der Gegner pro Charak-ter um eins reduziert. War eine der Aktionen sehr gut ausgeführt oder überraschend, wird um einen weiteren Gegner reduziert.

In der zweiten Kampfrunde treffen mehrere Phos-phorgeschosse den Munitions-Wagen der Richter. Mit einem erfolgreichen PSY+Wahrnehmen-Wurf wird das den Charakteren bewusst. Ein Charakter kann auf seinen Angriff verzichten, um den Brand zu löschen. Phosphor ist allerdings tückisch: In Runde drei er-wächst aus dem Schwelbrand wieder ein loderndes Feuer, das nahezu unlöschbar ist und sich rasend schnell in das Holz frisst. In Runde fünf detoniert der Wagen. Jeder in einem Umkreis von fünf Metern wird fortgeschleudert und erleidet schweren Schaden (5 Schadenspunkte, Rüstung wird ignoriert). Wird der Wagen allerdings in die Feinde gestoßen und explodiert dort, beendet er den Kampf – die Phosphoriten sind de-moralisiert, wehren sich noch eine weitere Runde, be-vor sie fliehen.

Justitian hat einen großen Sieg errungen.

Sieg?Die Charaktere haben sich den Respekt der Pneu-manten verdient. Nach der Schlacht nähert sich ih-nen eine Delegation Pneumanten, an ihrer Spitze Ka-techan: »Nullpellia dankt den Fremden. Ihr seid will-kommen.« Dann entdeckt er den Richtstein, umrundet ihn, öffnet seine Maske, blickt fragend zu seinen Kame-raden. Er kommt auf die Charaktere zu, seine Stimme wirkt atemlos: »Was soll das hier?«

Das zweite Szenario der Nullpellia-Kampagne endet hier. Die Charaktere haben einen Sieg errungen – aber was ist dieser Sieg wert, wenn er das zweifelhafte Re-gime der Mechans stützt? Sind diese überhaupt bereit, ihre Macht mit den Richtern zu teilen?

Im kommenden Szenario »Hochdruck« überstür-zen sich die Ereignisse, und die Charaktere werden eine Entscheidung treffen. Vielleicht sogar zum Wohle Null-pellias. n

........eine Legitimation des Pneumanten-Obersten zu for-dern, überall sind Gegner, lauert der brennende Tod. Jeder Verbündeter ist willkommen.

Die BrandmauerDie Festung der Pneumanten ist ein verkohlter Rie-

gel, zwanzig Meter hoch und hart umkämpft. Noch hält er, ohrenbetäubendes Gehämmer explodierender Pneumohammer hallt von den Zinnen herab. Gewal-tige Dampfkanonen speien Schrapnell in die Angrei-fer, feuern jetzt immer öfter auch in die Stadt hinein – die Phosphoriten nähern sich von allen Seiten. Jede Detonation lässt den verfluchten Palast erzittern, wir-belt Staub- und Dreck auf, lässt ihn von den Fassaden tanzen.

Welchen Pneumanten die Charaktere auch anspre-chen, sie werden zur Brandmauer verwiesen. Katechan ist einer ihrer Anführer – nur er kann die Passage eines Trupps Fremder nach Nullpellia gestatten – und er kämpft auf der Brandmauer.

Schlagen sich die Charaktere durch und erklim-men die Festung, erkennen sie das ganze Ausmaß der Schlacht. Hier oben reinigen und weihen Mechans die Pneumohämmer, füllen Brennstoff nach und händigen sie rußgeschwärzten Pneumanten aus. Andere verlegen geborstene Dampfleitungen neu, die zu den Dampfka-nonen führen. Rohre platzen, Dampffontänen erfassen Menschen, Leuchtspurmunition prasselt herab, setzt selbst den Stein in Brand.

Katechan hat keine Zeit für lange Reden, ihn inte-ressiert nur: »Seid ihr Krieger?« Die Antwort ist ihm egal, hier oben ist jeder Krieger, oder tot.

BombastHunderte Phosphoriten stürmen die Brandmauer, er-klettern sie an Seilen, brechen auf der Rückseite durch die Verteidigung und stürmen durch die Aufgänge. In wenigen Minuten wird die Festung fallen und je-der niedergemacht werden, der nicht eine Spiegelmas-ke trägt.

Wie gehen die Charaktere vor?Sie können sich im Nahkampf beweisen, die Auf-

gänge freihalten, doch nur für kurze Zeit. Eine Mög-lichkeit wäre, die Dampfkanonen zu überhitzen: wer-den die Druckregler verriegelt, detoniert die ganze Fe-stung und reißt hunderte Phosphores mit in den Tod. Geben Sie den Charakteren Zeit und Gelegenheit, die Möglichkeiten der Dampftechnik auszuloten. Kommen sie nicht von selbst darauf, könnte eine der Kanonen von sich aus detonieren und einen Trupp der Angreifer zerfetzen. Katechan wird jeden Vorschlag annehmen, denn er weiß längst, dass die Festung verloren ist.

LeuchtfeuerRote Leuchtkugeln steigen in den Himmel. Die Rich-

ter kommen. Rubeau wagt sich einige hundert Schritt weit in die Stadt, folgt der Schneise. Weiter will er nicht, nicht ohne Zustimmung der Pneumanten. Hier lässt er den Richtstein abladen und aufstellen.

Die Charaktere sind zu diesem Zeitpunkt noch in

nU L L P E L L I A.....

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Das Schwarze Auge

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Nachts, wenn DerSchlitzer kommt…

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Ein mordlüsternes Monster

In einem kleinen Ort nördlich der Khom geht ein Mörder um: ein Serientäter, der bereits elf mehr oder weniger unbescholtene Bürger auf dem Gewissen

hat. Jeder im Ort kann der Täter sein, und so stoßen die Büttel gegen eine Mauer des Schweigens – schließ-lich will sich niemand durch eine falsche Äußerung zum nächsten Ziel des Mörders machen.

Es erscheint wie eine Gnade der Götter, dass ausge-rechnet in diesem Moment die Heldengruppe den Ort erreicht. So seltsam es auch klingen mag, sind Außen-stehende in der aktuellen Situation die einzig vertrau-enswürdigen Personen, die diese furchtbare Mordserie aufklären können. Sie sind neu in der Stadt und kön-nen von daher nicht die Täter sein.

Nachts, wenn der Schlitzer kommt ist ein kurzes Szenario für Das Schwarze Auge, in dem die Helden eine erschreckende Mordserie in einem kleinen Ort ir-gendwo in der Nordhälfte oder im Westen Aventuriens aufklären müssen. Die Geschehnisse sind hierbei so gestaltet, dass sie relativ problemlos in eine Kampagne eingefügt werden können. Hierbei können Sie auch statt des hier angegebenen Mörders einen oder meh-rere der anderen Verdächtigen zu den Tätern machen, falls ihm das besser ins Konzept passt.

Willkommen im OrtMüde von einem langen Tag der Wanderschaft erreicht die Heldengruppe am frühen Abend den Ort des Ge-schehens. Im Westen senkt sich Praios flammendes Auge gerade zum Horizont herab, als vor der Grup-pe die Mauer einer kleinen Siedlung auftaucht. Eini-ge Wachen sind gerade damit beschäftigt, die großen Torflügel zu schließen. Im letzten Moment können die Helden noch hindurchschlüpfen und werden auf der

anderen Seite vom Hauptmann der örtlichen Büttel in Empfang genommen. Er scheint hoch erfreut über die Ankunft der Gruppe zu sein, begrüßt jeden der An-kömmlinge mit Handschlag und küsst Damen galant die Hand. Noch ehe die Helden irgendwelche Fragen stellen können, bittet der Hauptmann auch schon, dass die Gruppe ihn sogleich zum Bürgermeister begleiten möge, und schreitet ohne weitere Erklärungen voran zum Rathaus des Orts.

Dort steht gerade der Bürgermeister mit einem wei-teren Einwohner auf den Stufen und redet wild gesti-kulierend auf diesen ein. Die Minen der beiden Männer sind finster und es sieht aus, als würden sie im nächsten Moment in einen heftigen Streit miteinander geraten.

Autor Walter Milani-MüllerIllustrationen Flavio Bolla | Nele Klumpe | Florian StitzSystem Das Schwarze Auge

Die Gasse ist dunkel und ein wenig feucht. Nur die Schritte der jungen Frau hallen vom Kopfsteinpflaster und den Wänden der Fachwerkhäuser

wider. Sie zieht ihren Umhang, eigentlich mehr ein Überwurf, enger um sich zusammen, als ein leiser, fröstelnder Windhauch über ihren Körper streift. Nervös blickt sie sich um. War da nicht etwas? Ein Geräusch? Und

lauert dort nicht eine gedrungene Gestalt im Schatten? Die junge Frau be-schleunigt ihren Schritt, rutscht ein wenig auf den nebelbenetzten Pflaster-

steinen. Nicht mehr weit, nur noch am Ende der Gasse um die Ecke und über den Marktplatz. Sie denkt an zu Hause, wo sie sicher sein wird – si-

cher und geborgen wie in Travias Schoß. Welch Narretei, erst so spät losge-gangen zu sein und nicht auf die Zeit geachtet zu haben! Zu Hause – ihr

Mann wartet dort mit den Kindern und sicherlich auch eine Schale mit Eintopf. Der Nebel wird dichter, legt sich wie ein Schleier über die Gasse

und verbirgt, was dort geschieht. Selbst das Madamal sieht nichts, als plötz-lich ein Schrei durch die Stille der Nacht gellt…

Nachts, wenn der Schlitzer ist an keinen bestimm-ten Ort in Aventurien gebunden, eben so wenig an eine bestimmte Epoche. Sie können dieses Szenario einzeln spielen oder auch in ein anderes Abenteuer oder Ihre Kampagne einflechten. Hierbei gibt es nur ein paar wenige Dinge zu beachten:

Der Handlungsort muss klein sein, gerade groß genug, um eine Palisade oder einfache Mauer zu besitzen. Diese sorgt dafür, dass die Gemein-schaft der Bewohner in sich geschlossen ist und bleibt. Der Täter muss aus ihrer Mitte kommen, er kann sich nicht im Dunkel der Nacht in den Ort schleichen und wieder verschwinden. Im Ort darf keine höhere Gerichtsbarkeit vor-handen sein. Bereits ein einfacher Tempel, der die Geschicke der Bürger lenken könnte, ist zu viel Obrigkeit. Im Szenario selbst tritt eine kleine Truppe Büttel auf, die von einem Haupt-mann geführt werden und derzeit hauptsächlich

1.

2.

Mauer und Tore des Ortes überwachen sowie Streife gehen. Das Szenario sollte nach Möglichkeit im frühen Frühjahr oder im späten Herbst, keinesfalls aber im Sommer oder Winter spielen. Der Grund hierfür liegt einfach darin, dass es im Sommer zu lange hell bleibt und im Winter Spuren im Schnee zu finden wären. Die Straßen und Gassen des Orts müssen gepfla-stert sein. Alle anderen Untergründe würden Spuren zeigen, die die Heldengruppe viel zu schnell zum Täter führen könnten. Es ist wichtig, dass Sie Gründe dafür parat haben, warum die Opfer nachts unterwegs waren, obwohl ein Mörder in der Stadt umgeht. Ein oder zwei Verspätungen sind in Ordnung, ebenso ein oder zwei Leichtsinnige. Und es ist auch vorstellbar, dass ein Opfer auf einem Hin-terhof beim nächtlichen Gang zur Latrine abge-passt wurde. Seien Sie ein wenig kreativ.

3.

4.

5.

Hinweise für den Meister

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6� | Mephisto 56

Das Schwarze Auge

Als sich der Hauptmann mit den Helden nähert, klaren sich die Gesichter jedoch sogleich auf und die Mund-winkel wandern zu einem breiten Lächeln aufwärts.

Der Hauptmann erklärt kurz die Ankunft der Hel-den, die daraufhin sofort auch vom Bürgermeister überschwänglich begrüßt werden. Er bittet die Gruppe in seine Amtsstube, wo er sich seiner Manieren besinnt:

»Verzeiht unseren Überschwang, werte Freunde, aber euch schicken die Götter! Ich bin Einhard Gruber, der Bürgermeister unseres bescheidenen Ortes, und dies sind Jost Wintmüller, der Hauptmann unserer Wa-che, und Barun Signarson, der Wirt des Gasthauses Zur grünen Eiche. Wenn es eure Zeit ermöglicht, würden wir euch gerne um einen Gefallen bitten, der nicht euer Schaden sein soll. Wir haben derzeit ein Ungemach in unserer Stadt, dessen unsere Büttel nicht Herr wer-den. Das liegt nicht daran, dass sie nicht dazu befähigt wären – ganz im Gegenteil. Sie können es nur nicht, weil niemand mit ihnen reden will. Ihr müsst wissen, dass eine furchtbare Serie von Morden sucht diesen Ort heim, schon elf Opfer und alle aufgeschlitzt und grau-sam verstümmelt. Der Mörder – und das ist das Furcht-bare an der Sache – muss mitten unter uns weilen. Da-her hat jeder Angst, gegenüber den falschen Personen Verdächtigungen oder Beobachtungen zu äußern. Ihr aber als Fremde seid frei von jedem Verdacht und des-halb die idealen Ermittler in diesem verzwickten Fall. Natürlich würden wir eure Dienst großzügig entloh-nen. Wären freie Kost und Logis in der Grünen Eiche und fünf Silbertaler je Tag für jeden von euch genug?«

Hierauf lässt Bürgermeister Gruber den Helden erst einmal die Möglichkeit zur Reaktion. Natürlich ge-währt er die volle Kooperation der Wache, wird die Bürger per Aushang und Ausruf zur Mitarbeit anhalten und ist auch bereit, mit dem Tageslohn noch ein wenig raufzugehen. Höher als sieben Silbertaler fünf Heller lässt sich der gute Mann jedoch nicht hoch feilschen, und schon das erfordert einiges Verhandlungsgeschick. Schnelle Ergebnisse sind selbstverständlich nicht nur wünschenswert, sie werden regelrecht erwartet.

Sollten die Helden den Auftrag annehmen, werden sie sogleich im Gasthaus einquartiert und können um-gehend mit ihren Ermittlungen beginnen. Ist die Grup-pe einer Mörderjagd eher abgeneigt, wird der Bürger-meister zu Flehen und Betteln übergehen: Die Helden sollen doch die Situation des Ortes überdenken. Wenn der Mörder nicht gestoppt wird, wird er schon bald der Einzige sein, der hier überlebt, wenn es vorher nicht gar zu einem Aufstand kommt. Und außerdem kann es ja nur der Wille der Götter sein, dass die Helden aus-gerechnet in der Stunde der größten Not an den Toren der Stadt aufgetaucht sind…

Ist die Gruppe danach immer noch nicht gewillt, den Auftrag zu übernehmen, so lässt der Bürgermei-

ster sie ohne Groll ziehen, verlangt jedoch, dass sie in ihrem eigenen Interesse nicht länger als eine Nacht im Ort bleibt.

Das Gasthaus Zur grünen EicheGenau wie das Rathaus liegt auch das Gasthaus Zur grünen Eiche am Marktplatz in der Mitte des Ortes. Der Fachwerkbau wurde ursprünglich nicht als Gaststätte sondern als Wohnhaus errichtet und später umgebaut. Wenn man durch die Haustür tritt, steht man in einem winzigen Flur. Zur Linken gibt es eine Tür, auf der ein Holzschild mit der Aufschrift »Privat« angebracht wur-de. Zur Rechten wurde die Tür ausgehängt, so dass man direkt in die Wirtsstube treten kann. Geradeaus führt eine schmale Stiege in das Obergeschoss. Dort finden sich ein Schlafsaal und vier Gästezimmer.

Die Schankstube ist klein aber gemütlich. Die The-ke besteht aus langen Holzbohlen, die oben auf einige Fässer genagelt wurden. Darauf steht in einer Ecke ein angestochenes Bierfass. Hinter der Theke gibt es eine offene Feuerstelle, in der ein großer Kessel mit täg-lich frischem Eintopf und ein Braten über dem Feuer hängen. Im Rauchfang sind ein paar Schinken befe-stigt und werden so kontinuierlich geräuchert. Neben dem Thekenbereich gibt es eine Hintertür, die auf den Hof führt. Dort befinden sich die Latrine, ein Stall, ein großer Holzstoß und ein überdachter Lagerbereich, in dem sich Wein- und Bierfässer sowie Kisten mit Lebens-mitteln und Schnapsflaschen stapeln.

Die Grüne Eiche ist nicht die einzige Taverne im Ort, wohl aber die beste und damit leider auch die teuerste. Alle Preise liegen um 10% über dem Standard, dafür sind aber weder Bier noch Wein gepanscht. Brot, Ein-topf und Braten sind täglich frisch, und die Betten sind weitestgehend frei von Ungeziefer.

Barun Signarson, der Wirt, lebt mit seiner Familie (Ehefrau und zwei Töchter im Kindsalter) in dem Teil des Hauses, der sich hinter dem »Privat«-Schild befin-det und aus einer Wohnstube, einer Schlafkammer und einer rauchigen, ziemlich dunklen Küche besteht. Die einzigen Wertgegenstände im Haus sind die Habe der Gäste sowie die Tageseinnahmen, die aber jeden Mor-gen gleich wieder auf dem Markt für neue Ware verwen-det werden, sowie ein wenig Schmuck von Baruns Frau.

Die MordeDie schreckliche Mordserie, die von den Helden auf-geklärt werden soll, hat über den Lauf der letzten drei

Einhard GruberDer Bürgermeister des Ortes ist nicht nur der hie-sige Zunftmeister der Schreiner und Holzschnit-zer, er war früher auch ein geschickter Jäger. Der Mann ist Mitte Fünfzig, untersetzt und mit einer Halbglatze geschlagen, die er peinlicherweise versucht, unter einigen langen Strähnen seines grauen Haares zu verstecken, die er von rechts nach links über die kahle Haut kämmt.

Barun SignarsonMan könnte den Wirt der Grünen Eiche für ei-nen Thorwaler halten, er ist es aber nicht. Sein Urgroßvater Leif Signarson war einer, kam in den Ort, blieb und machte die Taverne auf. Seit ihm hat sich der Familien-name nicht mehr geändert. Barun hat das beste Bier und den besten Braten im Ort. Er kann so gut mit dem Messer umgehen, dass alle

… schon elf Opfer. alle aufgeschlitzt und grausam verstümmelt. Der Mörder muss

mitten unter uns weilen!

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Wochen bereits elf Opfer gefordert. Jedes dieser Opfer wurde nachts überfallen und bei lebendigem Leibe auf-geschlitzt und regelrecht ausgeweidet. Die ersten drei Fälle wurden noch von der örtlichen Wache genaue-stens untersucht, danach schlug das Vertrauen der An-wohner in Misstrauen um. Niemand will etwas gesehen oder gehört haben, es gibt keine Zeugen. Letztlich kann man es in den Gesichtern aller Bewohner des Ortes se-hen: Sie haben furchtbare Angst, das nächste Opfer zu sein. Niemand will den Zorn des Mörders auf sich la-den, also ist es besser zu schweigen und sich bei Ein-bruch der Nacht in seinem Haus zu verbarrikadieren.

Die Erkenntnisse der Wache sehen wie folgt aus:

• Alle Morde wurden bei Nacht in kleinen, engen Gas-sen oder offenen, stillen Hinterhöfen begangen.

• Bei den ersten drei Morden gab es Zeugen, die von einem plötzlichen Nebel und einem erstickten Schrei berichtet haben.

• Der örtliche Bader und ein im Ort lebender Alchi-mist haben die Leichen untersucht und vermuten übereinstimmend, dass die Tatwaffe über eine etwa eine Elle lange, schmale und äußerst scharfe Klinge verfügt. Beide haben solche Klingen in ihrem Hand-werkszeug. Weitere Besitzer einer solchen Waffe sind alle Schreiner und Holzschnitzer des Ortes, die so gestaltete Messer für ihre Arbeit benötigen, und alle Wirte, die mit Messern dieses Typs ihre Braten auf-schneiden.

• An den Opfern fanden sich folgende Verletzungen: Ein Stich seitlich durch den Hals, der keine groß-en Adern verletzt, wohl aber den Kehlkopf fast völ-lig durchtrennt. Ein langer Schnitt längs über den Körper, der oben und unten durch einen Schnitt quer zum Körper abgeschlossen wird. Auf diese Wei-se entstehen zwei Flügel, die der Mörder aufklappt, um an die Organe im Innern zu gelangen. Dazu kommen diverse Schnitte und Stiche an den inneren Organen. Bei einigen Opfern wurden diese auch he-rausgenommen und neben die Opfer gelegt.

• Sowohl der Hauptmann der Wache als auch der Ba-der und der Alchimist haben daraus geschlossen, dass der Mörder anatomische Kenntnisse besitzen muss, also ein Medicus, ein Heiler, ein Feldscher, ein Bader, ein Alchimist oder ein anderer ausgebildeter Gelehrter sein muss. Ein sehr erfahrener Krieger, ein Schlachter oder Metzger und ein Jäger kämen aller-dings auch in Frage, sowie jeder, der Erfahrung im Schlachten und Zerlegen von Tieren hat.

• In jedem Fall muss sich der Täter zwangsläufig über und über mit Blut besudeln, man hat aber nirgends Spuren von ihm gefunden.

• An keinem der Tatorte wurden seltsame Zeichen oder Symbole entdeckt, trotzdem gehen der Haupt-mann und der Bürgermeister von einem dämo-nischen oder namenlosen Kult aus, der sich unbe-merkt in ihren Ort eingeschlichen hat.

Da nur einmal im Monat ein wandernder Geweih-ter des Boron den Ort besucht, der die Opfer bestatten könnte, haben die Helden die Möglichkeit, die letzten sechs Toten selbst unter die Lupe zu nehmen. Die Kör-

Jost WintmüllerDer Hauptmann der Wache ist ein hochgewachsener Brocken Ende Dreißig mit einer langen Narbe im Ge-sicht. Er war früher Soldat und kennt sich von daher mit Waffen und den Verletzungen, die sie anrich-ten, aus. Er ist dunkelblond und kommt bei den Frauen des Ortes erstaunlich gut an, lebt jedoch für seine Arbeit. Vor kurzem entdeckte er, dass Asche an Rückständen von Handabdrü-cken anhaftet. Dabei zeigen sich dieselben Linien wie auf den Händen. Wie ihm das eventuell helfen kann, weiß Jost jedoch nicht.

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Das Schwarze Auge

Steven EichlingerDer Alchimist und Kräuterkundler hat an verschie-denen Universitäten und Akademien auch Ana-tomie studiert. Er verfügt über alle Kenntnisse eines Medicus, praktiziert aber nicht als solcher.

per werden im Kerker der kleinen Wachfestung des Ortes aufbewahrt und zeigen allesamt bereits Verwe-sungserscheinungen, die vor allem geruchsempfind-lichen Charakteren auf den Magen schlagen könnten. Neben den Befunden des Baders und des Alchimisten, können die Helden nach gelungener Probe auf ein ge-eignetes Talent (Anatomie oder Heilkunde Wunden, zur Not auch Kriegskunst, jedoch um +10 erschwert) erkennen, dass der Mörder mit jeder Tat präziser in seinem Tun wird. Die Schnitte sind genauer, er muss kaum noch absetzen und trennt vor allem die Organe ganz exakt heraus, gerade so, wie sie in einem anato-mischen Lehrbuch abgebildet werden würden. Gelingt die Probe besonders gut, drängt sich die Mutmaßung auf, dass die Opfer den längsten Teil ihres Martyriums überleben und bei mehr oder weniger vollem Bewusst-sein mitbekommen, wegen der durchbohren Kehle je-doch nicht schreien können.

Befragungen der Einwohner des Ortes werden zu keinem Ergebnis führen. Alle haben viel zu viel Angst, das nächste Opfer des Schlitzers zu werden.

Der Kreis der VerdächtigenDie Helden werden den Kreis der Verdächtigen relativ schnell auf eine Hand voll Personen eingrenzen kön-nen (siehe Kästen), da die übrigen Bewohner einfach nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllen. Ein Motiv scheint niemand zu haben.

Es obliegt Ihnen als Meister, passende Indizien zum Täter zu streuen. Sie kennen Ihre Gruppe am besten und können daher am ehesten entscheiden, worauf die Helden anspringen. Wenn Ihnen der Täter und sein Motiv nicht gefallen, können Sie auch auf jemand an-deren zurückgreifen. Beispielsweise könnten der Bür-germeister und der Hauptmann in eine dämonische oder namenlose Sekte verstrickt sein und offen darauf hinweisen, um von sich abzulenken. Die Baderin, der Alchemist oder der Wirt könnten heimlich Geld verlei-hen und säumige Klienten auf diesem Weg aus dem selbigen räumen, getreu dem Motto »Zahle oder der Schlitzer kommt«. All dies bleibt Ihnen überlassen.

Der Mühe LohnNeben der ausgehandelten Prämie für die Ergreifung des Schlitzers erhält jeder Held zwischen 100 und 300 Abenteuerpunkte für dieses kurze Szenario (abhängig davon, wie ausführlich Sie es gestaltet haben und wie gut das Rollenspiel der Spieler war). n

Ein Wort zu Magie und AberglaubeHier ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt, denn es gibt eine ganze Batterie an Zaubern, die Ihnen das Abenteuer sehr schnell völlig zerstören können, angefangen beim Objectovoco an einem der Tatorte über den Chrononautos bis hin zum Nekropathia.

Ein sehr einfacher Weg, dieses Mittel auszuschal-ten, ist eine höchst ungünstige Sternenkonstel-lation, die sämtliche Zauberei schlichtweg unter-drückt. Diese Konstellation sollte auch noch einige

Tage oder sogar Wochen anhalten, damit die Helden nicht einfach ihr Ende abwarten. Machen Sie in einem solchen Fall ruhig zusätzlich darauf aufmerk-sam, dass der Mörder jederzeit wieder zuschlagen könnte, und dann das Blut des Opfers wegen der Untätigkeit der Helden an ihren Händen klebt.

Die Büttel werden den Opfern übrigens immer den Mund schließen, damit die Geister der Toten nicht ruhelos hervorspringen können. Außerdem erzürnt das Aufschneiden eines Toten eigentlich Boron und zieht somit ein furchtbares Unglück nach sich, was der wandernde Borongeweihte aber schon bei seinem letzten Besuch im Ort pro-phezeite.

Hannes HörningDer Lehrling des Alchimisten hat schon viel von diesem gelernt und noch mehr in seinen Büchern gelesen, vor allem auch über Anatomie – bis der Meister just diese Traktate wegschloss. Hannes ist der Schlitzer. Sein Motiv ist schnöder Wis-sensdurst, seine Methode eine Kombination aus Schnelligkeit und alchemistischer Kunst, mit der er Nebel macht und Blut auflöst. Leider hat er die Grenze von der Neugier zum Wahn längst über-schritten und muss gestoppt werden.

Trinen GratenDie Baderin und Zahnreißerin hat früher auf Schlachtfeldern Wunden versorgt und Pfeilspit-zen aus dem Fleisch der Soldaten geschnitten. Sie hätte alle Kenntnisse, die für die Morde nötig sind.

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6� | Mephisto 56

Monster Almanach

Quasidämonen

Gemäß den Lehren des großen Philosophen Matteo di Populi besteht die Welt aus mehreren umei-nander gelegten Sphären. Die äußeren Sphären

sind die der Gottsubstanz, der abstrakten Künste und der Heiligen, die inneren die der Hölle und des Todes. Die Menschheit lebt im ruhigen Auge des Sturms und ignoriert die Absonderlichkeiten der anderen Ebenen. Dennoch kann es manchmal passieren, dass Wesen aus anderen Sphären in die Wirklichkeit eindringen. Be-sonders Dämonen der Hölle scheinen es auf die Men-schen abgesehen zu haben.

Wahre Dämonen sind bizarre Kreaturen, die jede einzigartig und befremdlich sind. Sie können nur kurz in der Wirklichkeit existieren, bevor sie wieder in ihre Sphäre zurücksinken. Manchmal lösen sich allerdings einzelne Wesen ab und bleiben in der Wirklichkeit zu-rück. Sie werden insbesondere an verlassenen und ver-wüsteten Orten heimisch und vermehren sich dort. Diese Quasidämonen stellen eine echte Bedrohung für

die Bewohnerinnen und Be-wohner des Finsterlandes

dar. Sie sind im Gegensatz zu ihren Erschaffern real

und stabil und verfügen über eine rudimentäre Intel-

ligenz. Sie jagen und verskla-ven Menschen oder

terrorisieren ganze Sied-lungen.

Oft gelingt es den Amts-

magiern, spezi-ellen Zauberern,

die die Welt

vor solchen Kreaturen beschützen sollen, nur mithil-fe der Armee, sie zu vertreiben. Besonders verkommene Magier beschwören und binden Quasidämonen, um sie als lebende Waffen einzusetzen. Wer so etwas versucht, muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die-se Wesen zwar leicht zu rufen, aber schwer zu beherr-schen sind.

Die BahöstrenDiese Quasidämonen ernähren sich von Schallwellen, insbesondere von Sprache. Je lauter und panischer der Schrei, je verzweifelter der Hilferuf, desto köstlicher sind sie für diese widerwärtigen Kreaturen. Bahöstren ähneln Mischungen aus Grammophonen und Orgeln, die sich auf mechanischen Spinnenfüßchen fortbe-wegen. Sie nutzen die Trichter der Plattenspieler, um Schall aufzusaugen. Aus diesem Grund ist es um diese Monstren immer totenstill. Jeder Lärm wird von ihrem unmäßigen Hunger erstickt. Erst wenn sie satt sind, entlädt sich überschüssiger Schall in einer ohrenbe-täubenden Kakophonie.

Bahöstren töten ihre Opfer nicht absichtlich und fressen sie auch nicht auf. Erst, wenn ihr Spielzeug keinen Schrei mehr herausbringt, wird es zerquetscht oder erstochen. Getötete Opfer werden dann an gut sichtbaren Orten befestigt, um weitere anzulocken.

Haben die Kreaturen ausreichend gefressen, begin-nen sie, Ableger zu bilden. Diese erinnern zunächst an Schimmelpilze aus ineinander verschlungenen Gram-mophontrichtern und Wachszylindern. Werden sie in diesem Zustand vom Hauptwesen getrennt, kann man sie bis zu einem gewissen Grad abrichten. Gewissenlose Spione und Geheimagenten machen sich auf die Suche nach ihnen, um sie als Abhöranlagen zu verwenden. Sie können dazu gebracht werden, Stimmen aufzuzei-chnen und diese danach wieder abzuspielen. Da sie zu-sätzlich in der Lage sind, sich frei zu bewegen, sind sie ideale »Wanzen«.

Unglücklicherweise sind Bahöstren keine Haustiere. Sobald der äußere Druck weg ist, kann es durchaus passieren, dass sie fliehen und sich selbstständig ma-chen.

Abenteuerideen• Eine dieser Kreaturen hat sich in einem Opernhaus

eingenistet und zwingt den Direktor dazu, ihr neue Künstler zuzuführen. Die Charaktere werden gebe-ten, für die Sicherheit einer Diva zu sorgen.

Bahöstren

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Mephisto 56 | 6�Monster Almanach | 6�

Autor Georg PilsIllustration Klaus ScherwinskiSystem Finsterland

Die Welt des Finsterlandes erscheint zunächst sehr ruhig und normal. Men-schen gehen ihrer Arbeit nach, essen, lieben und kämpfen. Sie werden gebo-ren, verleben ihre Jahre und sterben. Sie verschließen ihre Augen vor allem,

was ihren täglichen Trott unterbrechen könnte. Nur wenige wissen, welche Gefahren unvorstellbarer Scheußlichkeit auf sie hinter dem Horizont ihrer

Wahrnehmung lauern.

• Die Gruppe soll einen angeblichen Spion dingfest machen. Dabei stellt sich heraus, dass es sich um ein kleines Bahöstrum handelt, das mittlerweile sei-ne größeren Verwandten angelockt hat.

• Eine Forscherin möchte das mysteriöse Tal der Stille erkunden und einen dort vermuteten Schatz bergen. Unglückseligerweise wird das Tal von einer solchen Kreatur bewacht.

SussuraphonetenDiese Kreaturen sind ganz junge Exemplare der Bahös-tren. Sie sind frisch entstanden und weder besonders intelligent, noch besonders beweglich. Sie bilden Tep-piche aus ihren Körpern und breiten sich in dunklen Gebieten aus. Sussuraphoneten locken ihre Opfer an, indem sie Stimmen nachmachen – zum Beispiel Hil-ferufe oder Kinderweinen. Es gibt auch Exemplare, die verführerische Stimmen simulieren. Sobald sie ihr Op-fer in ihrer Nähe haben, umschlingen sie es und versu-chen, es zu ersticken. Ist es bewusstlos oder tot, über-nehmen die Sussuraphoneten den Körper und steuern ihn. Dabei gehen sie eher plump vor, können aber die Stimme perfekt nachahmen.

Weil ihre Körper aus einer wachsartigen Substanz bestehen, sind Sussuraphoneten gegen Hitze sehr emp-findlich. Beginnen sie zu schmelzen, wird ihr Verhalten unintelligenter.

CacophonitenAusgewachsene Bahöstren nennt man auch Caco-phoniten. Diese Kreaturen erinnern an ein Wirrwarr aus Schalltrichtern, Orgelpfeifen, Hörnern und Blase-bälgen. Sie ernähren sich von Schallwellen und ver-suchen, andere Lebewesen zu fangen, um aus ihnen Schreie und Rufe herauszupressen. Sie leben vor allem in Industrieruinen und Orten, wo Musik aufgeführt wird. Manche von ihnen haben sich beispielsweise in Opernhäusern eingenistet.

Cacophoniten sind intelligent genug, um mensch-liche Interaktion zu verstehen, und nutzen dieses Wis-sen dazu, ihre Opfer zu manipulieren. Besonders geris-sene Exemplare errichten regelrechte Menagerien von Gefangenen, die sie dazu zwingen, sie mit besonders beeindruckenden Geräuschen zu erfreuen. Die Opfer sind dazu gezwungen, sich den widerlichen Kreaturen zu fügen, um am Leben zu bleiben. n

SussuraphonetBedrohung: 15 Horde: 2ST: 4 | 0 GE: 2 | -2 IN: – | – WA: 4 | 0 CH: 6 | 2 WK: – | – Athletik 1, Aufmerksamkeit 1, Einschätzen –, Koordination 1, Überzeugen 3Lebenspunkte: 10Magiepunkte: –Initiative: 0Angriff: Ersticken, 3x4 Würfel, Schaden: 1, Bonusschaden: –Parade: –Ausweichen: 0 WürfelRüstung: –Magieresistenz: 4 Punkte

Besondere Regeln Der Sussuraphonet ist immun gegen Angst und K.O. Für jeden Erfolg beim Trefferwurf erleiden Ziele des

Sussuraphonets einen Punkt Schaden. Gegner können Angriffen des Sussuraphonets nicht parieren. Die Angriffe des Sussuraphonets ignorieren nicht-magischen Schutz. Der Sussuraphonet kann seinen Tod-Punkt wie ein Spielercharakter retten. Versucht der Sussuraphonet, ein Opfer zu täuschen, erhält er zwei zusätz-liche Würfel. Wird er von einem Feuerangriff getroffen, verliert er seine Aktion in der nächsten Runde. Be-siegt die Kreatur einen Gegner, kann sie eine Reaktion verwenden, um ab dann dessen Rüstung zu nutzen.

CacophonitBedrohung: 50 Bestie: 1ST: 10 | 6 GE: 3 | -1 IN: 4 | 0 WA: 5 | 1 CH: 6 | 2 WK: 6 | 2 Athletik 2, Aufmerksamkeit 2, Einschätzen –, Koordination 2, Überzeugen 3Lebenspunkte: 23Magiepunkte: 15Initiative: 2Angriff: Stoß: 8 Würfel, Schaden: 2W6, Bonusschaden: – Geschrei: 6 Würfel, Schaden: 1W6, Bonusschaden: – (Reichweite: Kurz – 2)Parade: 1 WürfelAusweichen: 0 WürfelRüstung: 4 Magieresistenz: 4 Punkte

Besondere Regeln Der Cacophonit ist immun gegen Angst. Er ist groß. Das Geschrei betrifft alle Ziele in Reichweite. Wer mehr Schaden durch diesen Angriff nimmt, als er Wil-

lenskraft hat, hat in seiner nächsten Runde zwei Würfel weniger bei allen Aktionen. Das Geschrei kann ein-mal verwendet werden. Erst, wenn der Cacophonit einen Tod-Punkt verloren hat, steht dieser Angriff wie-der zur Verfügung.

Solange die Kreatur lebt, haben Charaktere innerhalb von einem Feld Umkreis zwei Würfel weniger auf ihre Zauber sprechen-Aktionen.

Versucht der Cacophonit, ein Opfer zu täuschen, erhält er zwei zusätzliche Würfel.

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Rollenspieltipps

70 | Mephisto 56

Die Steinzeit als Setting hat auf den ersten Blick Vorteile für den Spielleiter: Sie ist einfach. Tech-nologie lässt sich ohne umständliche Begrün-

dung einschränken; es gibt keine komplexen sozialen Gefüge wie Städte, große Reiche oder Firmen. Was aber bietet die Steinzeit dem Spieler?

Gehen wir zunächst von einer realistischen Stein-zeit, einer Steinzeit unserer Welt, aus.

Je nach Region und Periode sind verschiedene Sze-narien möglich. Wichtige Fragen, die sich der Spiellei-ter stellen sollte, sind zum Beispiel: Besteht die Bevölke-rung aus Jägern und Sammlern oder aus Bauern und Handwerkern? Ist sie nomadisch oder sesshaft? Lebt sie in kleinen Familienclans oder großen Dörfern? Und wird sie von einzelnen Stammesoberhäuptern regiert oder einem über eine ganze Region gebietenden Herrscher?

Religion ist ein weiterer Punkt. Eine animistische Religion liegt nahe, doch was hindert den Spielleiter daran, einen bestimmten Gott oder konkurrierende Götter, in den Vordergrund zu stellen? Hat ein Priester oder Schamane eher beratende Funktion oder kann er auch Herrscher sein? Und beruht seine Macht allein auf dem Glauben und dem Wissen über seine Umge-bung – oder steckt vielleicht mehr dahinter? Dieses »mehr« muss nicht einmal ein tatsächliches fantas-tisches Element sein, sondern kann auf recht einfachen aber für den Laien unbekannten Erkenntnissen beru-hen, zu denen der Priester Zugang hat: von chemischen Reaktionen bis zu Methoden der Wettervorhersage.

Es ist möglich, ein isoliertes Setting zu erschaffen, mit ungewöhnlichen Gesellschaftsformen und heute längst vergessenen, fremdartig anmutenden Gebräuchen – oder ein ganze Kontinente umspannendes Netzwerk aus Kulturen auf verschiedenen technologischen Ent-wicklungsstufen, die Handel treiben oder Krieg führen.

Betrachten wir einmal ein bestimmtes Setting: das Europa der Altsteinzeit. Der Cromagnon-Mensch ist (relativ gesehen) erst vor kurzem eingetroffen und lebt nomadisch als Jäger und Sammler. Riesige Ungeheuer wie Mammuts, Wollnashörner, Bären und Höhlenlö-wen sind Nahrungslieferant und Bedrohung zugleich. Die Neandertaler existieren als Konkurrenten oder auch potentielle Verbündete.

Auch ohne fantastische Elemente besteht hier also schon eine große Vielfalt an möglichen Abenteuern. Monster und fremde, intelligente Spezies sind glaub-würdig und vermitteln so ein völlig anderes Gefühl, als in einem Fantasy- oder Science Fiction-Setting. Eine Jagd, die Verteidigung des Lagerplatzes gegen Feinde (ob nun vier- oder zweibeinige), vorsichtige di-plomatische Kontakte oder auch nur ein Ausflug zur nächsten Quelle eines wertvollen Rohstoffes wie Salz oder Feuerstein sind hier halsbrecherische Unterneh-mungen, die Spielercharakteren einiges abverlangen.

Je simpler die Technologie des eigenen Clans ist, de-sto bedrohlicher und begehrenswerter kann die Tech-nik eines anderen erscheinen. Wenn die modernste Waffe der Spielercharaktere ein Wurfspeer ist, wird ein

Die Steinzeitim Rollenspiel

Page 71: M56_Buch

Mephisto 56 | �1Rollenspieltipps | 71

simpler Bogenschütze zum unsichtbaren tödlichen Dä-mon und derjenige, der diesen besiegt und selbst in den Besitz eines Bogens gelangt, zum größten Helden.

Auch das umgekehrte Szenario ist denkbar: ein pri-mitiver Stamm, der dem Clan der Spielercharaktere hilflos ausgeliefert ist und sie vor die Frage stellt, ob – und falls ja – wie sie das ausnutzen sollten.

Bei Begegnungen zwischen unterschiedlichen Men-schenarten mag sich gar die Frage stellen, ob der Ge-genüber überhaupt als Mensch gilt oder doch nur Tier ist, das man jagen und essen darf. Obgleich die meisten Spieler wohl nicht unbedingt das Bedürfnis hegen, Ne-andertaler zu essen, und das auch auf ihre Charaktere übertragen werden, hier bietet sich Konfliktpotenzial innerhalb des Clans).

Spielercharaktere könnten an bedeutenden Entde-ckungen teilhaben, etwa am Zug in ein neues Tal, der durch die zurückgehenden Gletscher gerade erst mög-lich geworden ist, oder an der (tatsächlich nachge-wiesenen) Überquerung des Ozeans von Europa nach Amerika (oder, falls man es nicht ganz so weit haben will, auf eine bisher unbekannte Insel).

Sollen die Spielercharaktere als unabhängige Grup-pe umherziehen, so bieten sich Jäger an, die über einen längeren Zeitraum hinweg eine lohnende Beute ver-folgen, Ausgestoßene, die sich in ihrer Not zusammen-schließen und ums nackte Überleben kämpfen, oder die letzten Überlebenden eines Clans, der durch Feinde oder eine Naturkatastrophe ausgelöscht wurde.

Natürlich sind noch vollkommen andere Ansätze möglich. Jungsteinzeitliches asiatisches Grasland mit den ersten Viehzüchtern und Getreidebauern, wirk-lich frühe Menschen in Afrika oder Neandertaler vor der Ankunft der Cromagnon-Menschen können inte-ressante Geschichten bieten. Auch ein nicht klar defi-niertes Setting hat deutliche Vorteile.

Wie historisch genau ein Spielleiter an die Steinzeit herangeht, liegt natürlich bei ihm. Unser Wissen über diese Zeit ist immer noch sehr lückenhaft und mit je-der neuen Erkenntnis werden frühere Theorien ver-worfen. Der Spielleiter kann sorgfältig recherchieren und sein Steinzeitszenario den aktuellen Theorien an-passen. Oder er kann ein Setting entwerfen, das seinem Gefühl nach einer glaubwürdigen Steinzeit entspricht. Natürlich gibt es noch die dritte Möglichkeit, eine be-wusst unrealistische, klischeebeladene und anachroni-stische Steinzeit zu entwerfen.

Obgleich eine realistische Steinzeit bereits Monster und verschiedenen Menschenarten bietet und mystische Elemente ganz natürlich durch fehlendes Wissen der Charaktere über natürliche Zusammenhänge entste-

hen, ist es selbstverständlich möglich, übernatürliche Elemente in einem Steinzeit-Setting unterzubringen.

Steinzeitliche Mythen (soweit bekannt) können hier ebenso Inspirationsquellen sein wie fiktive Werke wie Rahan (die Comicreihe, aber auch die Fernsehserie).

Selbstverständlich ist es möglich, ein Steinzeitsetting für ein existierendes Rollenspiel zu entwerfen. Wäh-rend vollkommen fiktive Welten möglich sind, bieten auf »unserer« Erde spielende Spiele faszinierendere Möglichkeiten. Speziell ein steinzeitliches Setting für »Cthulhu« erlaubt eine breite Auswahl an bedeutenden oder unbedeutenden aber immer beeindruckenden Be-gegnungen und versperrt dabei nicht den Weg für ganz banale steinzeitliche Abenteuer. Der Einfluss kann von ein paar Zeichnungen eines Großen Alten an der Höh-lenwand, die für die Handlung von geringer Bedeutung sind, über einen steinzeitlichen Kult bis zur Begegnung mit Mythos-Kreaturen reichen.

Regeltechnisch lassen sich die meisten Spiele an-passen, vor allem diejenigen, bei denen ein magischer oder technologischer Effekt, den ein Steinzeitsetting nicht bieten kann, nicht essentiell für grundlegende Regelmechanismen ist. Speziell postapokalyptische Re-gelsysteme können sich mit wenigen Handgriffen an-gepasst werden.

Ein Vorteil eines steinzeitlichen Settings ist dabei sicherlich, dass kaum sonderregelbedürftige Elemente eingeführt werden. Allerhöchstens ein paar neue Krea-turen müssen umgesetzt werden.

Informationen zum Setting sind nicht schwer zu bekommen. Für das meiste genügt Schulwissen über die Steinzeit. Falls eine Information fehlt, ist sie in der Fachliteratur, gerade der populärwissenschaftlichen, oder in Fernsehreportagen leicht zu finden. Wenn man es mit dem Realismus nicht so genau nimmt, eignen sich natürlich auch fiktive Werke als Quellen (Ayla, Rahan etc).

Alles in allem geht es in einem Steinzeit-Setting vor allem um die Atmosphäre. Der Eindruck, der entstehen soll, ist der eines Anfangs, des Beginns der Erforschung einer ganzen Welt (geographisch gesehen ebenso wie naturwissenschaftlich und philosophisch). Der Mensch (persönlich und gemeinschaftlich) ist klein, die Natur (geographisch und zoologisch) riesig und übermäch-tig, ebenso tödlich wie faszinierend. Und wenn man es darauf anlegt, erhält man diesen Effekt, ohne das Ge-fühl eines realistischen Settings zu verlieren.

Wer seinen Spielern mal etwas vollkommen anderes bieten will, als mittelalterliche Fantasywelten oder eine erzkapitalistische nahe Zukunft, dem sei die Steinzeit (oder die Eiszeit) wärmstens empfohlen. n

Rollenspiele neigen im Allgemeinen dazu, in einem Setting zu spielen, das technologisch und gesellschaftlich einer Peri-

ode irgendwo zwischen dem Mittelalter und einer fernen Zukunft entspricht. Selten findet man etwa die Antike oder

gar Eisen- oder Bronzezeit als Hintergrund. Noch nie bege-gnet ist mir allerdings ein steinzeitliches Setting.

Autor Moritz Linden Illustration Kaspar Friedrich Schäper

Je simpler die Technologie des eigenen Clans ist, desto bedrohli-cher und begehrens-werter kann die Technik eines anderen erscheinen…

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72 | Mephisto 56

Private Eye

Der MysteriöseDiebstahl

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Die Örtlichkeit

Das Abenteuer spielt in einem einsam gelegenen, großen Herrenhaus, mit Haupthaus und einem West- und einem Ostflügel. Außerdem gibt es eine

Stallung und ein Kutschhaus, sowie eine große Scheu-ne. Hinter dem Haus befindet sich ein Park mit einer großen Rasenfläche. Dahinter schließt sich ein kleines Wäldchen an, wo hinter ein kleines Dorf folgt.

Der Hausherr, seine Frau und auch einige Angestell-te haben Zimmer im Ostflügel. Die Gäste des Hauses werden im Westflügel untergebracht. Das Personal (Diener, Zofen/Hausmädchen, Butler, Köchin) haben Zimmer im Haupthaus in den Dienstbotenquartieren. Über dem Pferdestall sind Kammern für Stallburschen und Kutscher. Der Gärtner wohnt in einem kleinen Häuschen am Tor. Er ist gleichzeitig der Torwächter.

Die Wiese wird, dank der »Großzügigkeit« des Haus-herrn, hin und wieder von den Dorfbewohnern für Feste und Märkte benutzt. Aus diesem Dorf stammen auch die meisten Angestellten des Hauses.

Das Haus liegt etwa zwei Tagesreisen mit der Post-kutsche von London entfernt.

Die GeschichteEs ist ein später Nachmittag im Mai (Vorschlag: 1892, ein Jahr nachdem Edison in Paris bei der Weltausstel-lung war), am Horizont zieht ein Unwetter auf. Die De-tektive sind mit der Kutsche zurück nach London un-terwegs. Der ein oder andere Reisende wird sich mit der neuesten Zeitungsmeldung über den »Magier«, einen Gentleman-Dieb, der sein Unwesen in der Umgebung von London treibt, beschäftigen.

Die Kutsche ist noch gut zwei Tagesreisen von Lon-don entfernt, als es plötzlich einen gewaltigen Ruck gibt und die Kutsche leicht seitlich geneigt liegenbleibt. Außer ein paar blauen Flecken und einem Schrecken gibt es glücklicherweise keine größeren Verletzungen.

Der Kutscher, Mr. Custer, entschuldigt sich: »Sorry, die Herrschaften, da war ein großer Stein auf dem Weg, den ich leider zu spät gesehen habe.«

Nachdem er sich die Sachlage genauer angesehen

hat, hört man ihn fluchen, dann kommt er zu den Fahrgästen: »Es tut mir furchtbar leid Ihnen sagen zu müssen, dass wir festsitzen. Die Achse ist gebrochen und vor morgen früh kriege ich hier keinen Stellma-cher, der das reparieren könnte.«

Einige Momente später kommt ein Reiter auf die diskutierende Gruppe zu. Als er näher kommt, erkennt man, dass er etwa 40 Jahre alt ist. Seine Reitkleidung ist gepflegt und von guter Qualität. Das Reitpferd ist ein gutes englisches Vollblut. Der Reiter erkennt schnell die Situation.

»Guten Tag Ladies und Gentlemen. Mein Name ist Albert Higgins. Darf ich Ihnen meine bescheidene Hil-fe anbieten. Ich habe ein kleines Haus hier in der Nähe und würde Sie alle herzlichst einladen, bei mir zu spei-sen und zu übernachten. Ich werde nach Hause reiten und dann einen Wagen schicken, der Sie und Ihr Ge-päck abholt. Außerdem werde ich der nächsten Station Bescheid geben lassen, dass Sie sich verspäten werden. Ich freue mich schon auf ein kleines Dinner.«

Der Mann hat ein herrisches Auftreten und spricht fast mit Befehlston. Er erwartet definitiv keinen Wider-spruch. Nach diesen Worten prescht er Mann davon, ohne auch nur einen Moment auf eine Antwort zu war-ten. Sprachbegabten Detektiven fällt die Wortwahl, die Aussprache und der Sprachgebrauch auf. Der Mann ist Amerikaner.

Keine Stunde später taucht eine Kutsche auf, die sehr nobel aussieht und alle Passagiere und ihr Gepäck aufnehmen kann. Der Kutscher wird von einem Stall-burschen begleitet, der sofort absteigt und Mr. Custer hilft, die Koffer und Taschen umzuladen. Danach sieht er sich den Schaden an der Reisekutsche an und unter-hält sich leise mit Mr. Custer.

»Wenn die Herrschaften bitte hier einsteigen möch-ten!«, fordert der Kutscher die Detektive auf und hält höflich, mit leichter Verbeugung, die Tür zur Kutsche auf. Sobald alle Gäste eingestiegen sind, fährt er nun zum Herrenhaus.

Das Haus liegt etwas abseits von der Straße und ist ein Landsitz einer alten englischen Familie mit Haupt-haus und zwei Seitenflügeln. Außerdem sieht man die Stallungen und ein Kutschhaus. Trotz der nun lang-sam hereinbrechenden Dunkelheit kann man noch einen Blick auf eine ausgedehnte Parklandschaft im

Autor Natascha WeilerIllustrationen Stefanie Odendahl | Kaspar Friedrich Schäper | Sarah WisbarSystem Private EyeFrei nach der Geschichte The Western Star von Agatha Christie

Eine Reise mit der Postkutsche, ein unerwarteter Aufenthalt bei einem ungewöhnlichen Herrn, ein Unwetter, das wie ge-rufen erscheint – und schon sind alle Anwesenden Verdäch-

tige in einem Raub. Was ist geschehen? Wer ist der Täter? Kön-nen die Detektive diesen mysteriösen Fall klären?

Der Mann hat ein herrisches Auftreten und spricht fast mit Befehlston. Er erwartet definitiv keinen Widerspruch…

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7� | Mephisto 56

Private Eye

Gästen die bereits anwesenden Personen vor.Mrs. Caroline Higgins, ist eine junge Dame (27),

welche durch die neuen, unerwarteten Gäste schein-bar nicht aus der Ruhe gebracht wurde. Sie ist Englän-derin mit perfekten Manieren, stets höflich aber eher zurückhaltend (steif). Sie trägt eine besonders auffäl-lige Halskette mit einem großen Rubin als Herzstück zu einem eher schlichten Kleid.

Mr. Andrew SaintMichals ist Pfarrer der Gemeinde und guter Freund der Familie. Er trägt einen schlichten dunkelgrauen Anzug und den obligatorischen weißen Kragen. Er ist sehr nett und eher distinguiert.

Mr. Simon Smyth-Davidsen ist Anwalt und ebenfalls guter Freund der Familie. Er trägt einen dunkelblau-en Anzug und hält sich sehr im Hintergrund, antwortet aber auf jede Frage und beobachtet alle im Raum ge-nau. Er steht sehr nah bei Mrs. Higgins.

Ms. Anna-Margaret Weatherby (20) ist nicht sehr hübsch, hat aber ein angenehmes Wesen. Sie scheint schüchtern zu sein, doch wenn man ihren wunden Punkt trifft (die Ehre und das nicht vorhandene Ver-mögen ihrer Familie) wird sie kampflustig und hält mit nichts hinter dem Berg zurück. Ihre Stellung im Haus ist die Gesellschafterin der Hausherrin. Im Lau-fe des Abends stellt sich heraus, dass sie eine entfernte Cousine von Mrs. Higgins ist und außerdem noch eine der wenigen Verwandten, die noch Kontakt mit Mrs. Higgins hat.

Mr. Timothy Ward ist der Sekretär und die rechte Hand des Hausherren – Sehr temperamentvoll für einen Engländer und anscheinend in die Dame des Hauses

verliebt. Seine Blicke wandern immer wieder in ihre Richtung. Er trägt einen schlichten, braunen Anzug.

Die Gäste werden zu Tisch gebeten. Zwischen jedem Detektiv sitzt ein Hausangehöriger. Das Dinner ist her-vorragend, die Köchin hat wirklich gezaubert und man merkt nichts von der Improvisation. Der Hausherr wirkt sehr zufrieden. Seine Frau blickt hin und wieder unauffällig in seine Richtung.

Nach dem Essen begeben sich alle in den Salon.Mr. Higgins erzählt nun von seiner Vergangenheit

als einfacher Arbeiter und später als Vertreter in den Vereinigten Staaten, wo er den Grundstein für sein Ver-mögen gelegt hat. Und dann spricht er offen von sei-nem Erfolg mit mechanischen Webstühlen, die er in seiner Fabrik herstellt und an Textilhersteller in Eng-land verkauft.

Zusätzlich erzählt er, wie er seine Frau kennenge-lernt hat. Er berichtet, wie er das Haus von der Familie seiner Frau gekauft hat, da es ihm gefiel und die Fa-milie hoch verschuldet war. Damals ist er Mrs. Higgins das erste Mal begegnet. Als er dann wusste, dass sie die Richtige ist, hat er ihr das teuerste Schmuckstück ge-kauft, das er finden konnte. Es ist die Halskette, die die Hausherrin nun zu jeder Gelegenheit trägt. Sie lächelt (leicht gequält) zu der Geschichte.

Der DiebstahlNach einer guten Stunde Gesprächen und einigen Drinks schlägt das Unwetter richtig zu. Es donnert ge-waltig, es blitzt und das Licht geht aus.

Es kommt zu einigen Rempeleien, ein Tischchen wird angestoßen, einige Gläser fallen um. Eine Frau schreit auf (die Hausherrin). Etwas zerreißt (Stoff? Eine Kette?), ein metallisches Geräusch ist aus dem Kamin zu hören. Die Tür zur Terrasse wird aufgeris-

Mr. Timothy Ward Ms. Anna-Margaret Weatherby Mr. Smyth-Davidsen

Stile des 19. Jahrhunderts erhaschen.Am Eingang des Herrenhauses werden die Detek-

tive von Charles, dem Butler, begrüßt und sofort zu den bereits vorbereiteten Zimmern im Westflügel gebracht. Auffällig sind die neumodischen elektrischen Lampen, die überall im Haus für Licht und Helligkeit sorgen. Das Gepäck wird von weiteren Hausangestellten sofort in die Zimmer der Detektive gebracht.

»Das Dinner wird um 8.00 Uhr serviert!«, teilt Charles allen mit und überlässt die Detektive sich selbst. Es ist bereits 7.15 Uhr, und so bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich umzuziehen. Damen wird natürlich eine Zofe gestellt. Die Detektive, die schnell sind und schon früher aus dem Gästetrakt kommen, wandern etwas im Haus umher und kommen auch in den Ost-flügel. Dort können sie eine Auseinandersetzung des Hausherren mit seiner Frau hören. Sie möchte etwas nicht tun, doch Mr. Higgins ist unerbittlich. Man hört einzelne Gesprächsfetzen:

»Bitte zwing mich nicht…« »Das ist völlig unangemessen…« »Warum kann ich nicht…« »Du tust, was ich sage!« »Ich dulde keinen Widerspruch!« »Keine weitere Diskussion!«7.45 Uhr kommen der Hausherr und seine Frau, so-

wie die anderen Hausbewohner zum Abendessen he-runter. Um kurz vor 8.00 Uhr wird der Gong geschla-gen, und die Gäste werden im Salon erwartet. Draußen bricht langsam das Unwetter los. Beim Eintreffen im Salon stellt der Hausherr, Mr. Albert Higgins, nun allen

Es donnert gewaltig, es blitzt und das Licht geht aus!

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Private Eye | 7�

sen. Ein Windstoß fährt herein. Große Flammen schla-gen aus dem Kamin. Es wird plötzlich extrem hell, die Flammen leuchten fast weiß. Die Tür zur Eingangs-halle wird geöffnet und ein Diener mit einem Kerzen-halter sowie ein Hausmädchen mit einem Tablett er-scheinen. Dann geht das Licht wieder an. Die Hausher-rin sitzt auf ihrem Sessel mit der Hand am Hals. Man kann zwei Striemen erkennen, wo vorher noch die Ket-te hing. Seitlich ist eine Terrassentür geöffnet. Die Kette ist verschwunden.

Das Hausmädchen wird blass und lässt das Tablett mit den Gläsern fallen und läuft weg. Falls sich die »Detektive« der Gruppe zu erkennen geben, bittet der Hausherr sie um Hilfe, um dann den Täter dem Gesetz zu übergeben.

Die VerdächtigenEs gibt mehrere Verdächtige für den Diebstahl.1. Die Detektive selbst sind eine Gruppe von zufällig

in einer Kutsche zusammengekommenen Fremden. Jeder von Ihnen könnte der Täter sein. Jetzt können sich Polizisten und Detektive zu erkennen geben, wenn sie das möchten. Eventuell glaubt ihnen nicht jeder ihre Position.

2. Der »Magier«, der Gentleman-Dieb, ist aus der Zei-tung bekannt. Die Vorgehensweise hier ähnelt dem, was die Presse in ihren Berichten über die bislang bekannten Fälle zu berichten weiß: mysteriöse Zu-fälle, Eindringen durch Terrassentüren, mit Öl und Magnesiumpulver präparierte Lappen zum Anschü-ren des Feuers usw.

3. Alice, das Hausmädchen, ist eine schüchterne junge Frau und noch neu im Haus. Sie kommt aus Lon-don. Sie versteckt sich in ihrem Zimmer und ist völ-lig aufgelöst. Bei ihrer vorherigen Anstellung wur-

de sie fälschlicherweise des Diebstahls bezichtigt. Nun hat sie Angst, dass dies wieder geschieht und sie folglich keine weitere Anstellung mehr erhält.

4. Der Sekretär, Mr. Timothy Ward, ist dem Hausherrn gegenüber vollkommen loyal. Er hatte stets nur den Schmuck im Auge, da der neu versichert werden sollte. Eigentlich ist er in Ms. Weatherby verliebt, würde je-

doch aufgrund von Standesdünkeln nichts sagen. Er schreibt ihr jedoch hin und wieder Liebesbriefe, die er ohne Unterschrift in ihr Zimmer schmuggelt.

5. Ms. Anna-Margaret Weatherby, die Gesellschafte-rin, ist jung, realistisch, praktisch. Sie ist zwar arm, aber sie hat eine Arbeit, die sie gerne macht. Außer-dem ist sie mit Mrs. Higgins verwandt, und Dieb-stahl kommt für sie unter gar keinen Fall in Frage. Sie erhält regelmäßig Liebesbriefe und weiß nicht genau von wem diese sind. Sie befürchtet, dass der Hausherr ihr schreibt und möchte daher nicht ger-ne darüber reden, da dieser verheiratet ist und sie ist ja auch eigentlich in den Sekretär verliebt ist. Da er sich ihr gegenüber jedoch sehr zurückhaltend be-nimmt, spricht sie ihn darauf nicht an.

6. Mr. Smyth-Davidsen, der Anwalt, ist ein guter Freund und Berater von Mr. Higgins. Er arbeitet be-reits seit einigen Jahren für die Firma von Mr. Hig-gins. Mr. Smyth-Davidsen wirkt wie eine graue Emi-nenz. Er scheint zudem sehr viel von der Hausherrin zu halten und verteidigt sie vehement. Nach einigem Nachfragen gibt er zu, mit der Dame des Hauses verwandt zu sein. Allerdings ist er ein Wechselbalg: Er ist der Sohn ihres Onkels, der eine Dame der Ge-sellschaft verführt hatte und deren Mann dies still-schweigend hinnahm, zugunsten eines Nachkom-men für den Familienstammbaum. Da er als Anwalt recht gut verdient, hat er eigentlich keinen Grund, die Hausherrin zu bestehlen. Er kann die Detektive darauf aufmerksam machen, dass sie den Schmuck

Mr. Andrew SaintMichals Mr. Albert HiggensMrs. Caroline Higgens

nie wirklich mochte, da er zu protzig war und sie eher froh über den Verlust ist.

7. Mr. Andrew SaintMichals, der Pfarrer, ist als Seelsor- ger der Gemeinde an der Seite von Mrs. Higgins, um ihr in der schweren Stunde beizustehen. Er bekommt hin und wieder etwas Geld von Mrs. Higgins für die

Gemeindekasse. Mr. Higgins spendet nur zu Weih-nachten 20 Pfund für die Gemeinde. Allerdings ge-stattet er die Benutzung des Parks für Dorffeste und

Märkte, ohne wie sein Vorgänger Gebühren zu verlan- gen. Der Pfarrer würde sich eher die Hand abschla-

gen, als zu stehlen – besonders nicht von der Lady.8. Charles, der Butler, ist der Familie der Hausherrin

treu ergeben. Er würde alles für sie tun. Schon sein Vater und Großvater haben hier gearbeitet. Er ist sehr stolz auf seine Stellung und würde diese nie-mals einfach so aufs Spiel setzen. Außerdem war er gerade dabei nachzusehen, was den Stromausfall verursacht hat, und hat Anweisungen gegeben, im Salon Kerzen anzuzünden.

Das Opfer, Mrs. Higgins, selbst kann sich nicht vorstel-len, dass einer Ihrer Bekannten/Verwandten die Ket-te gestohlen haben soll. Sie glaubt eher, ein Dieb habe außerhalb des Hauses auf seine Chance gewartet, die Tür geöffnet, den Schmuck gestohlen und ist dann durch die Terrassentür geflohen.

Die SpurenEs gibt einige Spuren, die bei der Lösung des Falls helfen:• Die Spuren am Hals von Mrs. Higgins zeugen vom

gewaltsamen Entfernen der Kette.• Ein kleiner Beistelltisch an der Terrassentür ist um-

geworfen. (Die Richtung ist im Winkel von 90° zur

Page 76: M56_Buch

76 | Mephisto 56

Private Eye

76 | Mephisto 56

Tür und zum Sessel der Dame.)• Es liegen einige zerbrochene Gläser auf dem Bo-

den, einige davon scheinen zertreten, andere zer-sprungen zu sein.

• Im Kamin, in der Asche des Feuers, finden sich klei-ne Metallreste und ein paar (rote) Glassplitter. Zu-sätzlich liegt dort noch ein mit Öl und Magnesium-pulver präparierter Lappen.

• An der Kleidung von Smyth-Davidsen befinden Fle-cken von Whiskey und Scotch. Ebenso bei Mr. Ward und Mr. SaintMichals.

• Mr. Smyth-Davidsen stand vor dem Lichtausfall ne-ben dem Sessel der Hausherrin, nachher stand er neben dem Kamin.

• Auch ein oder zwei Detektive können Flecken von den Getränken aus den umgestoßenen Gläsern auf der Kleidung haben.

• An dem Kleid des Opfers befinden sich einige Flecken (Wein, Whiskey, Scotch, Öl, Magnesiumpulver, Asche)

Die AuflösungDie Hausherrin hat den Diebstahl nur vorgetäuscht. Es war ein willkommener Zufall, dass die Kutsche liegen geblieben ist. Die zusätzlichen Personen bedeuteten zu-sätzliche, potentielle Täter. Da sie nicht mit Detektiven rechnete, glaubte sie, der Dorfpolizist, ein alter Veteran,

würde ihre Version des Diebstahls ungefragt überneh-men, da er sich keine große Mühe machen würde. Sie wird aber alles zugeben, sobald jemand unschuldiges zu sehr ins Kreuzfeuer der Fragen gerät. Alles, was sie wollte, war zu verhindern, dass herauskommt, dass sie das Geschenk ihres Mannes, die Halskette, heim-lich verkauft hat. Mit dem Erlös aus dem Verkauf hat sie eine gute Kopie anfertigen lassen und hatte noch genügend Geld übrig, um die Dienerschaft und eini-ge ausstehende Lebensmittelrechnungen zu bezahlen, sowie einige Kleider zu kaufen. Ihr Mann hält sie sehr an der kurzen Leine und erwartet trotzdem, dass die Küche viel zu bieten hat. Ihm ist nicht klar, dass sie Schulden machen muss, um alles so zu gestalten, wie er es sich vorstellt.

Als Komplize erweist sich der Butler Charles. Er hat im richtigen Moment den Hauptstromschalter umge-legt und somit seiner Herrin die Möglichkeit gegeben, die Kette abzureißen und in einem in Öl getränkten und mit Magnesiumpulver präpariertem Tuch ins Feu-er zu werfen. Mrs. Higgins bittet die Detektive, den But-ler nicht bei ihrem Mann anzuschwärzen, da er nur ih-rem Befehl gehorcht hat, das Licht nach einem lauten Donner und Blitz abzuschalten. Er war an der ganzen Geschichte sonst nicht beteiligt und wusste nicht, wa-rum er das Licht ausschalten sollte.

Nun bleibt es den Detektiven überlassen, wie sie sich in der ganzen Geschichte Verhalten. n

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Mephisto 54 | ��Marktplatz | 77

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7� | Mephisto 56

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Fragen Klaus ScherwinskiHomepage www.karakter.de

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Mephisto Spotlight bietet einen Blick in und hinter die Welt der Fantasy und SciFi-Kunst!

Du hast als Jugendlicher für die Schülerzeitung ge-kritzelt und später auch deine eigene Cartoonserie in der lokalen Tageszeitung gehabt, erinnere ich mich richtig? Damals gab es die Bezeichnung »Concept Artist« noch gar nicht. Wolltest du da schon Zeichner werden, und wie hat sich das weiter entwickelt?

Du erinnerst dich richtig, ich wollte mit etwa 10 Jah-ren erst Architekt werden, und bald darauf Comiczeich-ner. Meine Ambitionen wurden zunächst jedoch ausge-bremst, weil es in Deutschland keine etablierte Comi-ckultur gab. Bis auf eine Handvoll Cartoonisten – Uli Stein, Marunde – gab es schlichtweg keine Vorbilder, die einem hätten sagen können, wie man so als Zeich-ner lebt. Das ist heute im Internetzeitalter ganz anders. Deshalb war ich längere Zeit etwas orientierungslos, probierte Buchkunst, Alte Geschichte, Medienwissen-schaft und Design. Ich bin mit den ganzen abgebro-chenen Studiengängen auf dem Papier der Albtraum der Leistungsstatistiker. Als Karriereentscheidung stand die Illustration dann aber fest, seit ich etwa 20 war.

Dein erster Job im Rollenspiel war eine Kathedra-le für Vampire the Masquerade in Mephisto 1�. Da sah man bereits ein Interesse am Mittelalter und der Architektur. Ist dir das Gebiet sehr wichtig und wie kommt das?

Vielleicht liegt das in der Familie, wir haben inzwi-schen seit drei Generationen Kirchenrestauratoren in der Familie. Ich glaube fest daran, dass man das inner-ste Wesen eines Künstlers sehr an seiner Arbeit erkennt,

auch bei Illustratoren. Was mich betrifft, würde ich mich als die »Typische Nr. 2« charakterisieren, die rechte Hand vom Chef, der erste Offizier. Ich kann es nicht leiden, im Rampenlicht zu stehen oder bestimmte Din-ge durchzuboxen, sondern kümmere mich drum, dass Dinge einfach funktionieren und gut aussehen.

Die Architektur ist so gesehen auch die »Nr. 2« im Hintergrund einer Medienproduktion. Sie bildet als »Bühnenbild« den Rahmen für die Handlung, für die Stars, sie erdet und erhebt das Drama.

Was das Mittelalter betrifft – ich stürze mich gerne in kulturhistorische Bezüge, die geschichtliche Realität bietet für mich Bausteine und Leitlinien, mit denen ich arbeiten kann. Bei Zukunftsthemen fehlt mir dieses Ge-rüst, die Designentscheidungen werden willkürlicher.

Würdest du sagen, dass damals schon die Weichen für deine heutige Arbeit an Game of Thrones gestellt wurden?

Im Rückblick sieht manches im Leben wie eine li-neare, fast schon zwangsläufige Entwicklung aus, aber die Wahrheit ist: Es hätte auch alles ganz anders lau-fen können. Ich könnte heute ebenso gut angestellter Art Director für einen Verlag oder einen Gamedevelo-per sein, aber auch Maler, Dozent für Illustration oder Background Artist für Sony Animation. Vielleicht aber auch einfach Gärtner. Es gibt eben auch den Zufall: Wer trifft wen, wann, unter welchen Umständen?

Mir tun jüngere Menschen, die grade mit der Schu-le fertig sind und krampfhaft versuchen, sich einen

© 2009 Ubisoft Entertainment

Page 79: M56_Buch

Spotlight | 7�

»richtigen« Lebenslauf zusammenzuschrauben, sehr leid. Denen möchte ich am liebsten sagen: Es gibt kei-nen Idealweg, und man läuft garantiert mehr als ein-mal gegen die Wand. Es kommt aber immer darauf an, sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten ehrlich und richtig einzuschätzen, und Chancen zu erkennen und zu ergreifen, wenn sie sich bieten.

Wo wir gerade von Architektur sprechen. Du hast für Engel (Verlag Feder&Schwert) dann später ein paar gigantische Himmel-Turm-Designs abgeliefert. Wel-chen Einfluss hatten Dieter Jüdts Engel-Designs auf deinen Werdegang? Ich erinnere mich, dass du da-mals sehr begeistert warst.

Es war das erste Mal, dass ich ein Projekt nicht selbst anfangen und prägen konnte, sondern in die Fußstapfen eines Vorgängers treten wollte. Theoretisch hätte ich stilistisch machen können, was ich wollte, aber es war mir wichtiger, das Universum visuell ge-schlossen zu halten. Für mich steht immer das Projekt über den individuellen Ambitionen des Künstlers – da sind wir wieder bei der »Nr. 2«.

Deshalb habe ich zu Anfang eine Menge seiner sti-listischen Methoden übernommen, das ist dann aber zunehmend weniger geworden. Insgesamt bin ich sehr froh darüber, wie sich Engel visuell konsistent gehalten hat, auch wenn es inzwischen durch die Hände ver-schiedenster Illustratoren ging.

Wie war es damals, für die Mephisto zu arbeiten? Du bist ja leicht rein gekommen, weil du dir in Ber-lin mit dem damaligen Art Director Marko Djurdje-vic eine WG geteilt hast.

Die WG war ein Faktor, aber am Ende muss die Qua-lität stimmen. Wären meine Bilder nicht gut genug ge-wesen, hätte ich keine Chance gehabt.

Für mich war die Mephisto ein tolles Training; es ging immer darum, besser zu sein als in der letzten Ausgabe. Völliger Wahnsinn, was man damals an Mühe in einen einzigen Artikel gesteckt hat! Da war Markos absoluter Wille zu Qualität schon sehr anspornend.

Marko hat ja damals auch das Endland Rollenspiel nach vorn getrieben, auch durch Mephisto. Schon in der 13 kam eine Werbung für dein Rollenspiel-projekt, AERA. Ein paar PDFs gibt es davon heute noch im Netz, aber es kam nie zu einer Veröffentli-chung. Erzähl doch mal.

Die ersten Ideen zu dem, was AERA einmal werden sollte, hatte ich mit etwa 18 Jahren, gemeinsam mit ein paar Freunden. Ich finde die Welt und ihre Thema-tik heute noch ganz fantastisch, aber ich habe lernen

müssen, dass die Veröffentlichung eines Rollenspiels ökonomisch gesehen eine der dümmsten Sachen ist, die man machen kann. Bis man eine runde Welt und ein rundes System hat, vergehen hunderte von Arbeits-tagen, und da sind die 150 Illustrationen, die man für ein schönes Buch braucht, noch nicht mal eingerech-net. Am Ende muss man dann noch Layout, Druck, Vertrieb und Abrechnung einrechnen, und erreicht vielleicht 3.000 Kunden. Wenn man damit auf einen Erlös von 50 Cent pro Arbeitsstunde kommt, ist man noch gut dabei. Ein Wahnsinn! Da mache ich heute lieber Projekte, die fünf Monate dauern, Millionen von Empfängern haben und sich bezahlt machen.

Leider ist es aber auch so, dass ich gute Projekte nicht verwaisen lassen kann. Ich hasse mich dafür, aber die Chancen stehen gut, dass ich AERA wirklich irgendwann noch durchziehe. Tolkien hat ja auch mehrere Jahrzehnte für seine paar Bücher gebraucht.

Du hast in Berlin Illustration studiert, wie hat man sich das Leben als angehender Illustrator vorzustellen?

Man arbeitet bis in die Nacht, stellt fest, dass man wieder mal den Ladenschluss verpasst hat, und holt sich für teuer Geld ‚ne Tiefkühlpizza von der Tanke. Man hat eine Menge nicht besonders toll bezahlter Jobs, und man braucht aufgrund mangelnder Rou-tine unverhältnismäßig lang für jedes Bild. Und das, obwohl ich doch vorher Hunderte von Comicseiten ge-stemmt hatte! Da hat man schon Existenzängste. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie es war, im Supermarkt nichts außer einer Dose Ravioli kaufen zu können. Nach etwa einem Jahr war ich dann aber so weit, dass ich pro Monat etwa 1.800 Mark erwirtschaf-ten konnte, da war der größte Druck erst mal weg.

In wie weit haben deine Eltern dein Studium unter-stützt? Haben Sie geglaubt, du kannst als Zeichner tatsächlich Geld damit verdienen?

Es war für mich eine Frage des Egos, meine Eltern nicht um viel Hilfe zu bitten. Ich hätte mich Zeit mei-nes Lebens jenen Kollegen unterlegen gefühlt, die echte Selfmademen waren. Meine Eltern haben mich zwar schon unterstützt und das Studium finanziert, doch sie waren auch kritisch. Ihrer Meinung nach würde ich als Zeichner die andere Hälfte meines Talents – ana-lytische Textarbeit in Kombination mit kultureller All-gemeinbildung – brachliegen lassen. Sie hätten mich damals lieber als angehenden Professor, Publizist oder Tageszeitungskarikaturist gesehen.

Die Geldfrage war aber immer wichtig: Eine meiner Großmütter versuchte mich mit dem Argument da-von abzuhalten, sie sei selbst mit einem Künstler ver-

Tobias Mannewitz, geboren 1979 in Oldenburg, wird nicht auf der Straße erkannt – und das ist ihm auch ganz recht so. Von der Mephisto und Rollenspiel-illustrationen hat sich der der talentierte Illustrator bis zu den Emmy Verleihun-gen in Los Angeles hochgearbeitet. Spätestens wenn ein Name von diesem Maga-zin es in den Abspann von HBOs erfolgreichster Fantasyserie geschafft hat, wird

es Zeit einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

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Page 80: M56_Buch

�0 | Mephisto 56

Spotlight

heiratet gewesen, und es wäre einfach eine sehr, sehr schwere Zeit gewesen. Ich hab sie gefragt, ob sie diesen Schritt im Rückblick denn bereut hätte, oder ob sie ihn noch einmal genau so wieder tun würde. Sie meinte, sie würde trotzdem alles noch einmal genau so ma-chen. Da meinte ich: »Siehst du, und ich kann eben auch nicht anders, egal was passiert.« Das hat sie ver-standen, und von da an war das Thema im Familien-kreis akzeptiert. Trotzdem sind alle wahnsinnig glück-lich, dass aus mir am Ende doch noch was »Brauch-bares« geworden ist.

Das kann man so sehen… Wie also bist du zu dem Job bei HBO gekommen? Hatte deine Arbeit für Sunflower’s Anno-Serie einen Einfuss?

Nicht so sehr, nein. Sie zeigt höchstens, dass ich über lange Zeit hinweg erfolgreich an großen Pro-jekten arbeiten kann. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine Reihe weiterer Titel zu bieten, auf das eher knuddelige Anno kam es dabei nicht so sehr an.

Im Wesentlichen laufen solche Sachen immer über eine Kombination aus Qualifikation, Verfügbarkeit und Beziehungen. Im Falle von HBO war innerhalb der VFX-Firma, die für die zweite Season angeheuert wur-de, kein Artist verfügbar, um den Sommer über in Bel-fast zu arbeiten. Also fragten sie ihre Freelancer und Ex-Praktikanten, ob die nicht Zeit hätten, und einer von denen leitete die Anfrage an uns weiter.

Dann stellt man ein Portfolio zusammen, das mög-lichst gut auf die vermutlichen Bedürfnisse des Kun-den zugeschnitten ist und leitet Kontakte zu bisherigen Partnern und Kollegen weiter, die sich im Zweifelsfall positiv äußern würden. Nach etwas politischem Hick-hack auf Kundenseite kommt dann schließlich ein Deal zustande. Genau so ein Netzwerk aus Leuten, die gute Erfahrungen mit einem gemacht haben und ei-nen weiterempfehlen, braucht man als Freiberufler. Meiner Erfahrung nach dauert es rund drei Jahre, bis sich so etwas soweit aufgebaut hat.

Wie viel hängt davon ab, gut designen zu können und wie viel ist tolle und fotorealistische Malerei?

Kommt darauf an, an welcher Stelle im Produkti-onsprozess man sitzt. Ich sitze ziemlich weit vorne, da kommt es fast ausschließlich auf das Design an. Eine rasche, möglichst fotorealistische Inszenierung hilft aber immens dabei, das Design zu verkaufen. Kunden können sich oft erschreckend schlecht vorstellen, wie das fertige Produkt aussehen kann, und je realistischer

der Eindruck des Endergebnisses, desto eher sie sie auch bereit zu sagen: »Machen wir so!«

Hast du vom heimischen Studio aus arbeiten kön-nen? Wie muss man sich die Arbeit mit dem Game of Thrones-Team vorstellen?

Die Arbeit besteht aus einer mehrwöchigen Pha-se in den Studios in Belfast, damit man sich gemein-sam »eingrooven« und die schwierigsten Herausfor-derungen rasch klären kann. Wenn es dann um die weitere Ausarbeitung geht, kann man das auch von zu Hause aus erledigen. Insgesamt benötigt jede Staffel etwa 90 Tage meiner Arbeit. Zu den schönsten Seiten der Arbeit vor Ort gehört es, dass man es mit so vielen unterschiedlichen Spezialisten zu tun bekommt, und dass man jeden Tag beobachten kann, wie drüben in den Hallen die Sets gebaut werden. Das ist schon sehr inspirierend, so etwas hat man bei der Arbeit an Video-spielen natürlich nicht.

Die eigentliche Arbeit muss bei aller Vorbereitung dennoch sehr zügig ablaufen. 90 Tage sind nicht viel Zeit, um Hunderte von VFX-Shots zu konzipieren. Meist arbeite ich an 3-4 Szenen täglich, für andere habe ich jedoch 3-4 Tage Zeit, je nach Komplexität.

Hast du mehr Kostüme entworfen oder Matte-paintings und Spezialeffekte? Was war deine genaue Aufgabe?

Die Kostüme sind allesamt von Michele Clapton und ihrem Team – die haben übrigens ebenfalls 2012 einen Emmy für ihre Arbeit gewonnen.

Ich mache Entwürfe für alles, was man nicht real drehen kann. Also vor allem Designs für Burgen, Lager, Landschaften, Actionszenen mit Fantasykreaturen. Ich versuche dabei, meine Arbeit möglichst unsichtbar zu gestalten; im Idealfall merkt man gar nicht, dass VFX involviert waren. Es soll alles so real wie möglich wirken.

Jetzt in Season 3 taucht eine völlig neue VFX-Krea-tur auf, die ich ohne Bezug auf ältere Designs neu ent-werfen konnte, ich bin schon sehr gespannt wie es am Ende wirken wird. bisher habe ich nur WIP-Fotos der Umsetzung gesehen. Man ist ja doch sehr nervös: Wird man von seinen Kollegen positiv überrascht, oder quält man sich eher mit dem Gedanken: »Das hätte man noch besser machen können!« Ich bin bei Game of Thrones aber schon sehr oft positiv überrascht worden, also hoffe ich auch dieses Mal das Beste!

Gab es immer genaue Anweisungen oder hattest du eine längere Explorationphase für die Designs?

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© 2010, 2012 Kalypso Media GmbH

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Page 81: M56_Buch

Spotlight | �1

Am Anfang gab es von meinen jeweiligen VFX-Su-pervisors stets sehr genaue Anweisungen. Nach einer Weile hatten jedoch alle gemerkt, dass auf mich Verlass ist, so dass zum Ende hin die Briefings nur noch lau-teten: »Hier ist die Szene – mach sie super!« Dann lie-gen die Begrenzungen höchstens noch im Budget.

Inzwischen habe ich auch so viel Erfahrung, dass ich von vornherein weiß, was gut funktionieren wird. Ich brauche also nicht mehr lange herumzusuchen, sondern weiß meist schon genau, wo ich hin will.

Wie wurden deine Designs vom Team später im wei-teren Produktionsprozess verarbeitet?

Meine Entwürfe werden an das VFX-Studio Pixo-mondo weitergeleitet; und bisweilen auch an andere Studios. Dort gab es dann ganze Armeen aus hervor-ragenden Matte-Painters, Supervisors und Editors, die meine Entwürfe als Grundlage für ihre finalen Mat-te Paintings und VFX-Animationen setzen. Im Fall der Kreatur, von der ich sprach, musste allerdings ein Ko-stüm gebaut und Gesichtsprothesen angefertigt wer-den, da waren noch mal ganz andere Leute involviert.

Die Arbeit, die man als Illustrator oder Concept Ar-tist abliefert, wird nicht immer genau so im Pro-duktionsprozess von großen Projekten wie TV-Serien weiterverwertet. Wie viel landet davon auf dem Bo-den des Schnittraums sozusagen und wie fühlt man sich dabei?

Es ist eigentlich gar nicht so viel weggeworfen wor-den – je besser man wird, desto größer die Chancen, dass die eigenen Designs akzeptiert werden. Weh tut es nur dann, wenn man etwas entwerfen muss, an das man selbst nicht glaubt, oder etwas verschlimmbessern muss. Bevor es dazu kommt, kämpft man schon ein wenig für seine eigene Vision, aber manchmal kommt man eben nicht durch, weil gewisse Kriterien eine Ak-zeptanz unmöglich machen.

Was mich übrigens in der Hinsicht entspannter ge-macht hat, war meine Erfahrung als Art Director. Kurz bevor es nach Belfast ging, war ich grade ein halbes Jahr Art Director in Budapest, und dort hatte ich das Vergnü-gen, mit einem exzellenten Illustrator namens Robert Simon arbeiten zu dürfen. Manchmal musste ich ihn mit Tasks regelrecht quälen, und er tat mir fast schon leid, aber er war immer absolut cool: »Kein Problem, mach ich!« Kein Genörgel, einfach nur zuverlässige Ar-beit. Das habe ich mir selbst zum Vorbild genommen.

Bist du eingeweiht wie Game of Thrones einmal en-det? Oder in wie weit die Serie von den Büchern abweichen wird? Hast du die Bücher überhaupt gelesen?

Manches aus den Büchern muss umgeschrieben und umarrangiert werden, um im Serienformat besser zu funktionieren, denn da muss man die Spannungs-bögen ganz anders aufbauen als in einem Buch. Ich finde, die Serie trifft den Mittelweg aus Werktreue und notwendiger Abweichung ganz großartig. Ich mache mir sicherlich einige Feinde, aber mir macht die Serie sogar mehr Spaß als die Bücher. Denn die Schauspieler in der Serie sind besser als die, die in meiner Fantasie beim Lesen der Bücher auftreten. Profis eben.

Die Bücher zu kennen ist wichtig, weil man so lernt, worauf George R.R. Martin ursprünglich hinauswollte. Aber es ist noch wichtiger, sich darauf einzulassen, was die Location Scouts und das Art Department produzie-ren – also die realen Drehorte zu nehmen und behut-sam als VFX weiterzuentwickeln.

Gerüchte besagen, dass die beiden Hauptautoren der Show, David Benioff und D.B. Weiss, den gesamten Plot bis zum Ende von George R.R. Martin erzählt bekom-men haben. Das macht durchaus Sinn, da ansonsten die Gefahr besteht, dass sie Charaktere falsch aufbauen und inszenieren. Ich habe sie einmal selbst nach dem Wahrheitsgehalt dieses Gerüchts befragt, aber selbst darüber schweigen sie.

Was reizt dich gerade an der Welt von Westeros? Ist dein Job einfacher oder schwieriger, weil die Fanta-sy-Elemente bei Game of Thrones eher dezenter sind?

Ich bewundere jede Art von erfolgreichem Design, egal, ob es subtil oder eher grob aufgebaut ist. Ich fin-de die Arbeit mit dezenten Mitteln schwieriger, aber genau deswegen auch in Erfolgsfall befriedigender. Es trainiert das Auge ungemein, man achtet mehr auf Nu-ancen, man wird zum visuellen Feinschmecker.

Lässt du dich von bestimmten historischen Epochen inspirieren, und wenn ja, von welchen? Ist das bei europäischen Drehorten immer europäisch?

Season 2 wurde komplett in Europa gedreht, für Season 3 kam Marokko hinzu. Aber ich habe mir für meine Designs auch Versatzstücke aus Indien, Afgha-nistan, Persien und Ägypten gesucht, um vorsichtig jene Exotik reinzubringen, die man in der Realität nicht vor Ort findet. Meine Inspirationsquellen liegen dabei durchaus bis zu 3.000 Jahre auseinander, aber letzten Endes kommt es darauf an, ein neues, harmo-nisches Gesamtbild zu schaffen.

Du arbeitest hauptberuflich ja nicht für Game of Thrones, sondern im Karakter Design Studio. Wie sieht ein normaler Tagesablauf bei euch im Studio aus?

Wir versuchen üblicherweise, einen klassischen Nine-to-Five-Job zu machen. Als Art Director komme ich selbst dabei kaum zum Malen, sondern stelle eher sicher, dass alles in die Richtige Richtung läuft. Wir sit-zen hier normalerweise mit sieben Kreativen und einer Studio Managerin, die uns den meisten Papierkram vom Hals hält. Da ich aber auch Mitinhaber der Firma bin, geht die Arbeit abends weiter.

Hat jeder bei euch seinen eigenen Teilabschnitt des Auftrages oder malst du auch mal ein Bild von Hen-rik Bolle fertig oder umgekehrt?

Sowohl als auch. Manchmal verderben viele Köche den Brei, aber manchmal ergänzen sich Artists dank ihrer speziellen Fähigkeiten, so dass das Endresultat einfach besser ist, als wenn ein einzelner alles selbst ge-macht hätte. Nur die Game of Thrones-Sachen habe ich bisher ganz alleine gemacht, damit ich nicht einroste.

Dann wünschen wir dir weiterhin viel Spaß dabei und danken dir, für die Einblicke in deine Arbeit! n

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Dystopian Legions: Pulver, Dampf & StromstösseNach dem erfolgreichen Dystopian Wars haben Spartan Games mit Dystopian

Legions das dazu passende 28mm Tabletop für ihre Steampunkwelt des Jahres 1870 veröffentlicht. In unserer Systemvorstellung erfahren Sie alles über die Besonder-heiten und Mechaniken des jüngsten Familienablegers.

Das und viel mehr News, Reviews, Tutorials, Showcases und Systemvorstellungen rund um phantastische Miniaturen und Tabletops finden Sie wie immer in Tabletop Insider! Es gibt eine Systemvorstellung von Godslayer, ein Interview mit dem Kopf hinter Lord Inquisitor, ein beeindruckendes Tyraniden Armeeprojekt und vieles mehr.

Abenteuer, Information und Unterhaltung gibt es auch wieder in Mephisto 5�!

Das Schwarze Auge: Gelenkter HassIn einer bornischen Grenzstadt lebt eine Sippe von Norbarden. Als viele norbar-

dische Familien aus Glorania fliehen, werden sie von ihren entfernten Verwandten aufgenommen. Doch als ein Arzt einen Fall von Zorgan Pocken unter den Flüchtlin-gen feststellt, werden immer mehr Stimmen laut, die Norbarden zu vertreiben…

Gelenkter Hass führt eine Gruppe DSA-Helden ins Bornland, wo sie in den Kon-flikt zwischen Bornländer und norbardischen Flüchtlingen geraten, der schnell in Hass und Gewalt zu eskalieren droht.

Cthulhu: Das Erbe der HexenFast hundert Jahre nach einer grauenhaften Nacht in einer amerikanischen Heil-

anstalt, in der gefährliche Hexenkräfte am Werk waren, ist die Macht der McDouglas- Hexen nicht nur ungebrochen. Vielmehr scheinen die dunklen Mächte fast das Ziel ihrer Pläne erreicht zu haben. Die letzte Konfrontation steht kurz bevor und wird ent-scheiden, ob die Blutlinie der Hexen nun endet oder für alle Ewigkeit bestehen bleibt.

Das Erbe der Hexen für Cthulhu führt die Geschichte von Das Geheimnis von Mistwater Manor und Hexenjagd in der Neuzeit fort. Mächtiger denn je kehrt die Linie der McDouglas-Hexen zurück und muss sich ihren Gegnern stellen.

Mephisto 57 erscheint Mitte Juni 2013

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Page 83: M56_Buch

hDer Krieg der Engelsorden gegen

das Gezücht des Herrn der Flie-gen scheint dem letzten Gefecht

entgegenzueilen. Es ist die Zeit gekommen, einen Blick auf eines

der Schlachtfelder in diesem Krieg zu werfen – ein Schlachtfeld auf

dem die Angeliten, die Diadochen und die Traumsaat um den Sieg

ringen: Aachen.

Himmel über Aachen vereint alle Beiträge der Chronik aus der Mephisto, passt sie an die offi-zielle Zeitlinie an und führt die Geschichte um Aachen zu ihrem Abschluss.

Die komplett überarbeitete, um neues Material ergänzte

und zusätzliche Illustrationen erweiterte Kampagne jetzt im

exklusiven Hardcover!

96 Seiten, farbiger Vorsatz mit Aa-chen-Karte von Tobias Mannewitz,

Fadenheftung, Kapitalband.

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HimmelüberAachen

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Page 84: M56_Buch

www.hobbitpresse.de

»Für Fans von Fantasy mit Sinn für Humor« Seattle Post

Kevin Hearne: Die Chronik des Eisernen Druiden – Die HetzjagdAus dem Englischen von Alexander Wagner 352 Seiten, € 19,95 (D)Auch als E-Book erhältlich.

Kevin Hearne: Die Chronik des Eisernen Druiden – Die HetzjagdAus dem Englischen von Alexander Wagner

Der junge Ire Atticus hat sich mit seinem Wolfshund Oberon im Südwes-ten der USA nieder gelassen. Er betreibt eine Buchhandlung mit okkulten Schriften und verkauft allerlei magischen Krimskrams. An Arizona schätzt er vor allem »die geringe Götterdichte und die fast vollständige Abwesenheit von Feen.« Ein verhängnisvoller Irrtum …

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