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Ma - und Integrationstheorie Alexander Grigorian Universitt Bielefeld WS 2019/2020

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Maß- und Integrationstheorie

Alexander GrigorianUniversität Bielefeld

WS 2019/2020

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Contents

1 Konstruktion von Maß 11.1 Begri¤ von Maß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Ring, Algebra, Halbring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Erweiterung eines Maßes von Halbring auf Ring . . . . . . . . . . . . . . . 51.4 Subadditivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.5 Die Länge ist �-additiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.6 Äußeres Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.7 Erweiterung von endlichem Maß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.8 Erweiterung von �-endlichem Maß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.9 Produktmaß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251.10 Lebesgue-Maßin Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261.11 Monotone Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311.12 Nullmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2 Lebesgue-Integration 412.1 Messbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.2 Lebesgue-Integral von Elementarfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.3 Integral von nichtnegativen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

2.3.1 De�nition von Lebesgue-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512.3.2 Lemma von Fatou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.3.3 Konvergenzsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562.3.4 Positive Linearität von Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

2.4 Lebesgue-integrierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592.5 Integration über Teilmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622.6 Der Begri¤ �fast überall�. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652.7 Satz von der majorisierten Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682.8 Parameter-abhängige Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722.9 Radon-Maßin R und Lebesgue-Stieltjes Integral . . . . . . . . . . . . . . . 752.10 � Riemann-Stieltjes-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802.11 � Lebesgue-Kriterium für Riemann-Integrierbarkeit . . . . . . . . . . . . . 82

3 Produktmaßund Satz von Fubini 853.1 Produktmaß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853.2 Das Prinzip von Cavalieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883.3 Beweis von dem Prinzip von Cavalieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933.4 Satz von Fubini für nichtnegative Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 973.5 Beweis von dem Satz von Fubini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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iv CONTENTS

3.6 Satz von Fubini für signierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1033.7 � Vollständiges Produktmaß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

4 Integration in Rn 1074.1 Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074.2 Integration in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1114.3 � Beweis von dem Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1134.4 Preview von dem Gaußschen Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224.5 Ober�ächenmaß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

4.5.1 Begri¤ von Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224.5.2 Ober�ächenmaßder Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.5.3 Beispiele von Karten und Ober�ächenmaßen . . . . . . . . . . . . . 129

4.6 Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1334.6.1 Reguläre Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1334.6.2 Begri¤ von Fläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

4.7 Hyper�ächen und Normalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1374.7.1 Niveaumengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1374.7.2 Normale zur Hyper�äche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1404.7.3 Normale zur Niveaumenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

4.8 Gaußscher Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1444.9 � Weitere Beispiele zum Gaußschen Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . 1474.10 � Reguläre Parametrisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1514.11 � Beweis von dem Gaußschen Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1534.12 � Hyper�ächen als lokale Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1574.13 � Fixpunktsatz von Brouwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

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Chapter 1

Konstruktion von Maß

16.10.19

1.1 Begri¤ von Maß

Wir bezeichnen immer mit M eine beliebige Menge, wenn nicht anders angegeben. Sieheißt die Grundmenge. Ein Mengensystem in M ist eine Mengen von Teilmengen von Md.h. eine Teilmenge der Potenzmenge P (M).De�nition. Sei S ein Mengensystem in M mit ; 2 S. Eine Funktion � : S ! [0;+1]heißt endlich additiv falls für alle endlichen Folgen fAkgnk=1 von disjunkten Mengen ausS gilt

A :=nGk=1

Ak 2 S ) � (A) =nXk=1

� (Ak) : (1.1)

Gilt (1.1) auch für n =1 (d.h. für abzählbare Folgen fAkg) so heißt � �-additiv.Die Funktion � heißt ein endlich additives Maß(bzw �-additives Maß), falls � (;) = 0

und � endlich additiv ist (bzw �-additiv).

Bemerken wir, dass endlich additives Maßnicht unbedingt �-additiv ist (siehe Aufgabe6 für ein Beispiel dazu).

Die Länge von Intervallen in R. Sei I ein Intervall mit den Grenzen a � b, wobeia; b 2 R, d.h. I ist eines von Intervallen (a; b), [a; b], [a; b), (a; b]. Die Länge ` (I) wird wiefolgt de�niert:

` (I) = jb� aj :

Diese De�nition gilt auch für unbeschränktes Intervall I, d.h. wenn a = �1 oder b = +1,und ergibt ` (I) =1.

Lemma 1.1 Die Länge von Intervallen ist endlich additiv.

Später beweisen wir, dass die Länge auch �-additiv ist.

Beweis. Für müssen folgendes beweisen: ist ein Intervall I eine disjunkte Vereinigungeiner endlichen Folge fIkgnk=1 von Intervallen, d.h.

I =nFk=1

Ik

1

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2 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

so gilt die Identität

` (I) =nXk=1

` (Ik) :

Induktion nach n. Induktionsanfang: für n = 1 ist alles trivial. Induktionsschritt vonn� 1 to n: Seien a und b die Grenzen von I, d.h. I ist eines von Intervallen (a; b), [a; b],[a; b), (a; b]. Eines von Intervallen Ik hat die Grenze b, sei es In: Sei c die linke Grenzevon In, d.h. In ist eines von Intervallen [c; b], (c; b), [c; b) or (c; b]: Dann ist die Di¤erenzI n In ein Intervall mit den Grenzen a und c. Andererseits gilt

I n In =n�1Fk=1

Ik:

Nach der Induktionsbehauptung gilt es

` (I n In) =n�1Xk=1

` (Ik) :

Da` (I) = b� a = (b� c) + (c� a) = ` (In) + ` (I n In) ;

so folgt es, dass

` (I) = ` (In) +n�1Xk=1

` (Ik) =nXk=1

` (Ik) ;

was zu beweisen war.

1.2 Ring, Algebra, Halbring

Sofern haben wir ein Maßmit einem beliebigen De�nitionsbereich S � P (M) de�niert.Aber es ist immer gewünscht, dass der De�nitionsbereich S abgeschlossen bezüglich derMengenoperationen wäre.

Ring.De�nition. Ein Mengensystem S in M heißt Ring (oder Mengenring) falls

� S enthält ;;

� A;B 2 S =) A [B 2 S

� A;B 2 S ) A nB 2 S:

Es folgt, dass auch der Durchschnitt A \B in S liegt, da

A \B = B n (B n A) 2 S:

Somit ist ein Ring S abgeschlossen gegenüber Operationen \;[; n mit endlichen Folgenvon Elementen von S.

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1.2. RING, ALGEBRA, HALBRING 3

Beispiel. Triviale Beispiele von Ringen sind: S = f;g ; S = f;;Mg, S = P (M). Nochein Beispiel: das Mengensystem

S = fA � Z : A ist endlichg (1.2)

ist ein Ring. Das Mengensystem von allen Intervallen auf R ist kein Ring, da die Vere-inigung zweier Intervallen nicht unbedingt ein Intervall ist.Die abzählbaren Vereinigung und Durchschnitt werden in den folgenden De�nitionen

umgefasst.

De�nition. Ein Ring S heißt �-Ring falls alle abzählbaren Vereinigungen von Elementenvon S auch in S liegen; d.h.

Ak 2 S für alle k = 1; 2; :::)1Sk=1

Ak 2 S: (1.3)

Daraus folgt, dass auch abzählbare DurchschnitteTk Ak in S liegen. Sei B eine von

Mengen Ak, so dass B � A. Dann gilt für A =Tk Ak

A = B n (B n A) = B n�S

k

(B n Ak)�2 S:

Beispiel. Triviale Beispiele von �-Ringen sind: S = f;g ; S = f;;Mg, S = P (M).Der Ring (1.2) ist kein �-Ring, da die abzählbare Vereinigung von endlichen Mengenf1g ; f2g ; ::: unendlich ist.

Algebra.De�nition. Ein Ring S heißt Algebra (oder Mengenalgebra) falls M 2 S. Ein �-Ring Sheißt �-Algebra falls M 2 S.Eine Algebra S ist abgeschlossen bezüglich der Mengenoperationen \;[; nmit endlichen

Folgen von Elementen von S; und auch bezüglich der Operation von Komplement da

A 2 S ) Ac :=M n A 2 S:

Eine äquivalente De�nition von Algebra (bzw. �-Algebra) ist wie folgt.

De�nition. Ein Mengensystem S in M heißt Algebra, falls

� S enthält ;;

� A;B 2 S =) A [B 2 S;

� A 2 S =) Ac 2 S:

Eine Algebra S heißt �-Algebra, falls alle abzählbaren Vereinigungen von Elementenvon S auch in S liegen.

In der Tat, ist S eine Algebra im Sinn von zweiter De�nition, so gilt für alle A;B 2 S

A \B = (Ac [Bc)c 2 S und A nB = A \Bc 2 S:

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4 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

O¤ensichtlich enthält S auch M da M = ;c. Somit ist diese De�nition äquivalent zurersten De�nition von Algebra.

Beispiel. Die Mengensysteme S = f;;Mg und S = P (M) sind �-Algebren, währendS = f;g ist nicht. Der Ring (1.2) ist keine Algebra. Betrachten wir anstelle von (1.2) dasfolgende Mengensystem:

S = fA � Z : entweder A ist endlich oder Ac ist endlich.g

Dann ist S eine Algebra aber nicht �-Algebra. O¤ensichtlich A 2 S ergibt Ac 2 S und; 2 S: Auch A;B 2 S ergibt A[B da im Fall von endlichen A;B auch A[B endlich ist,und im Fall von endlichen Ac (oder Bc) es folgt aus

(A [B)c = Ac \Bc � Ac;

dass (A [B)c auch endlich ist und somit A [ B 2 S. Andererseits die abzählbare Vere-inigung von endlichen Mengen f1g ; f3g ; f5g ; ::: ist unendlich, und ihres Komplement istauch unendlich. Somit ist S keine �-Algebra.

Halbring.De�nition. Ein Mengensystem S in M heißt ein Halbring falls

� S enthält ;;

� A;B 2 S =) A \B 2 S;

� A;B 2 S =) A nB ist eine endliche disjunkte Vereinigung von Elementen von S.

Jeder Ring ist o¤ensichtlich ein Halbring.

Beispiel. Das Mengensystem von allen Intervallen in R ist ein Halbring. O¤ensichtlichder Durchschnitt zweier Intervalle ist ein Intervall, und die Di¤erenz zweier Intervallenist entweder ein Intervall oder eine disjunkte Vereinigung von zwei Intervallen. Auch dasMengensystem von allen halb-o¤enen Intervallen der Form [a; b) ist ein Halbring.Das Mengensystem von allen Rechtecken der Form I � J � R2 ist auch ein Halbring,

was später bewiesen wird.

Symmetrische Di¤erenz. Betrachten wir noch eine Mengenoperation.

De�nition. Die symmetrische Di¤erenz zweier Mengen A;B �M ist die Menge

A M B := (A nB) [ (B n A) = (A [B) n (A \B) :

(Das Symbol M ist der griechische Buchstabe "Delta").Eine äquivalente Beschreibung von A M B: ein Element x 2 M liegt in A M B genau

dann, wenn x genau in einer der Mengen A;B liegt; d.h. entweder x 2 A und x =2 B oderx =2 A und x 2 B.

Lemma 1.2 Die symmetrische Di¤erenz hat die folgenden Eigenschaften.

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1.3. ERWEITERUNG EINES MASSES VON HALBRING AUF RING 5

(a) A M B = B M A

(b) (A M B) M C = A M (B M C)

(c) (A M B) \ C = (A \ C) M (B \ C)

(d) A M ; = A und A M A = ;:

(e) Für alle Mengen A1; A2; B1; B2 �M ,

(A1 � A2) M (B1 �B2) � (A1 M B1) [ (A2 M B2) ; (1.4)

wobei � jede von den Operationen [; \; n bezeichnet.

Beweis. Die Identitäten (a) und (d) sind o¤ensichtlich.Für Beweise von (b) siehe Aufgabe 16, und für Beweis von (e) �Aufgabe 10: Die

Identität (c) ist Distributivgesetz für \ über M, und es folgt aus den ähnlichen Distibu-tivgesetzen für \ über [ und n.Die Eigenschaft (e) wird später häu�g benutzt.Die Eigenschaften (a)-(d) ergeben folgendes: ein Mengenring S ist auch ein kommuta-

tiver Ring im algebraischen Sinn mit �Addition�M und �Multiplikation�\. Das Nullele-ment ist ;, und das Negative von A ist A. Die �Multiplikation�hat das EinheitselementM da A \M = A. 18.10.19

1.3 Erweiterung eines Maßes von Halbring auf Ring

Behauptung. Ist fS�g eine nicht-leere Familie von Ringen (bzw �-Ringen), so ist S :=T� S� auch ein Ring (bzw �-Ring). Hier � ist ein Index, der ein Element einer beliebigen

Indexmenge ist.

Warnung. Der DurchschnittT� S� ist eine Operation über Teilmengen von P (M) und

soll mit Operationen über Teilmengen von M nicht verwechselt werden.

Beweis. Sei � eine von Operationen [; n for Teilmengen von M . Es ist gegeben, dassjedes S� abgeschlossen bezüglich � ist. Daraus folgt, dass auch S abgeschlossen bezüglich� ist, da für alle �

A;B 2 S ) A;B 2 S� ) A �B 2 S� ) A �B 2 S:

Auch ; 2 S da ; 2 S� für alle �. Somit erfüllt S die De�nition von Ring.

De�nition. Für jedes Mengensystem S in M bezeichnen wir mit � (S) den Durchschnittvon allen Ringen, die S umfassen.

Für jedes Mengensystem S gibt es immer einen Ring, der S umfasst, z.B. den RingP (M). Deshalb ist � (S) wohlde�niert, und nach der obigen Behauptung ist � (S) einRing. O¤ensichtlich ist � (S) der kleinste Ring, der S umfasst. Das Mengensystem Sheißt der Erzeuger von � (S), und � (S) heißt der erzeugte Ring von S:Der nächste Satz beschreibt den Ring � (S) wenn S ein Halbring ist.

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6 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Satz 1.3 Ist S ein Halbring, so besteht der Ring � (S) aus allen endlichen disjunktenVereinigungen von den Elementen von S:

Beispiel. Betrachten wir das Mengensystem S = fA;Bg das aus zwei Teilmengen A;Bvon M besteht. Wir behaupten, dass

� (S) = f;; A; B; A \B; A nB; B n A; A M B; A [Bg =: R: (1.5)

O¤ensichtlich gilt R � � (S) da alle Elemente von R aus A und B durch Mengenopera-tionen erhalten werden und somit in � (A) liegen. Beweisen wir die Inklusion � (S) � R:Dafür reicht es zu beweisen, dass R ein Ring ist, da nach De�nition � (S) Teilmenge vonjedem Ring ist, der S umfasst. Man kann direkt nach der De�nition von Ring über-prüfen, dass R ein Ring ist, aber dieser Argument ziemlich umständlich ist. Stattdessenbetrachten wir noch ein Mengensystem

S 0 = f;; A \B; A nB; B n Ag ;

dessen Elemente disjunkt sind. Dann ist S 0 ein Halbring (Aufgabe 1). Nach dem Satz1.3, � (S 0) besteht aus (endlichen disjunkten) Vereinigungen von Elementen von S 0. Mankann leicht sehen, dass alle Vereinigungen von Elementen von S 0 genau R ergeben:

(A \B) [ (A nB) = A

(A \B) [ (B n A) = B

(A nB) [ (B n A) = A M B

(A \B) [ (A nB) [ (B n A) = A [B:

Somit erhalten wir � (S 0) = R, woraus folgt, dass R ein Ring ist, was zu beweisen war.

Beweis von dem Satz 1.3. Bezeichnen wir mit R das Mengensystem von endlichendisjunkten Vereinigungen von Elementen von S, d.h.

R =

�nFk=1

Ak : Ak 2 S; n 2 N�: (1.6)

Wir müssen beweisen, dass R = � (S). O¤ensichtlich gilt R � � (S) da � (S) alle Ele-menten

Fnk=1Ak aus (1.6) als ein Ring enthält. Um die Inklusion � (S) � R zu beweisen,

so reicht es zu zeigen, dass R ein Ring ist: da S � R so gilt dann � (S) � R nach derDe�nition von � (S).Dass R ein Ring ist beweisen wir in einigen Schritten. Sind A und B Elemente von

R, so gilt

A =nFk=1

Ak und B =mFl=1

Bl

mit Ak; Bl 2 S und n;m 2 N.Schritt 1. Für alle disjunkte A;B 2 R gilt A t B 2 R, da A t B eine disjunkte

Vereinigung von allen Ak und Bl ist.Schritt 2. Für alle A;B 2 R gilt A \B 2 R, da

A \B =Fk;l

(Ak \Bl)

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1.3. ERWEITERUNG EINES MASSES VON HALBRING AUF RING 7

und Ak \Bl 2 S nach De�nition von Halbring.Schritt 3. Für alle A;B 2 R gilt A nB 2 R. Wir haben

A nB =Fk

(Ak nB) ;

und es reicht zu zeigen, dass Ak nB 2 R (und dann Schritt 1). Dann gilt

Ak nB = Ak nFl

Bl =Tl

(Ak nBl) :

Nach Schritt 2, es reicht zu zeigen, dass AknBl 2 R. Da Ak; Bl 2 S und S ein Halbring ist,so ist AknBl eine endliche disjunkte Vereinigung von Elementen von S, woraus AknBl 2 Rfolgt.Schritt 4. Für alle A;B 2 R gilt A [B 2 R. Wir haben die Identität

A [B = (A nB)F(B n A)

F(A \B) ;

wo alle Mengen A nB, B nA, A\B in R nach den Schritten 2 und 3 liegen. Nach Schritt1 beschließen wir, dass ihre disjunkte Vereinigung auch in R liegt.Nach den Schritten 3 und 4 erhalten wir, dass R ein Ring ist, was zu beweisen war.

Satz 1.4 Seien S ein Halbring und � ein endlich additives Maßauf S:

(a) Es gibt genau ein endlich additives Ma� auf dem Ring � (S), das eine Erweiterungvon � ist (d.h. �jS = �).

(b) Ist � �-additiv so ist � auch �-additiv.

Folglich, für jedes �-additives Maß� auf einem Halbring S gibt es eine eindeutigeErweiterung � auf den Ring � (S) die auch �-additives Maßist. In Anwendungen benutztman für das Maß� die gleiche Notation �:

Beispiel. Sei S der Halbring von allen Intervallen in R. Nach dem Satz 1.3 besteht derRing � (S) aus allen endlichen disjunkten Vereinigungen von Intervallen. Die Länge ` aufS ist endliches Maßund somit sie lässt sich auf � (S) nn. Es is o¤ensichtlich, dass fürjede Menge A =

Fnk=1 Ik aus � (S) (wobei Ik 2 S) gilt ` (A) =

Pnk=1 ` (Ik).

Beweis. (a) Nach dem Satz 1.3, der Ring R = � (S) besteht aus den Mengen

A =Fk

Ak (1.7)

wobeiAk 2 S und die Vereinigung endlich ist. Die Erweiterung � von � aufR ist eindeutig,da es für jede Menge A aus (1.7) gilt

� (A) =Xk

� (Ak) =Xk

� (Ak) :

Um die Existenz der Erweiterung von � zu beweisen, de�nieren wir � (A) für jedes A aus(1.7) mit

� (A) =Xk

� (Ak) : (1.8)

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8 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Zunächst zeigen wir, dass � damit wohlde�niert ist, d.h. der Wert von � (A) unabhängigvon der Wahl der Zerlegung A =

Fk Ak. ist. Gibt es eine andere endliche Zerlegung

A =FlBl mit Bl 2 S, so gilt für jedes k

Ak =Fl

(Ak \Bl) :

Da Ak \Bl 2 S und � endlich additiv auf S ist, so erhalten wir

� (Ak) =Xl

� (Ak \Bl) :

Addieren alle � (Ak) ergibt Xk

� (Ak) =Xk

Xl

� (Ak \Bl) :

Analog haben wir Xl

� (Bl) =Xl

Xk

(Ak \Bl) ;

woraus folgtP

k � (Ak) =P

l � (Bl).Jetzt beweisen wir, dass die Funktion � auf R endlich additiv ist. Dafür reicht es zu

beweise, dass für beliebige zwei disjunkten Mengen A;B aus R gilt

� (A tB) = � (A) + � (B)

(und die gleiche Eigenschaft für disjunkte Vereinigung von n Mengen folgt per Induktionnach n). Seien

A =Fk

Ak und B =Fl

Bl;

mit Ak; Bl 2 S. Dann ist A t B die disjunkte Vereinigung von allen Mengen Ak and Bl,woraus folgt

� (A tB) =Xk

� (Ak) +Xl

� (Bl) = � (A) + � (B) :

(b) Sei A =F1l=1Bl wobei A;Bl 2 R. We müssen beweisen, dass für das Maß� aus

(a) gilt

� (A) =

1Xl=1

� (Bl) : (1.9)

Es gelten die Zerlegungen A =Fk Ak und Bl =

FmBlm wobei fAkgk und fBlmgm die

endliche Folgen von Elementen von S sind. Nach De�nition on � haben wir

� (A) =Xk

� (Ak) und � (Bl) =Xm

� (Blm) : (1.10)

Setzen wirCklm = Ak \Blm

und bemerken, dass Cklm 2 S. Wir haben

Ak = Ak \ A = Ak \Gl;m

Blm =Gl;m

(Ak \Blm) =Gl;m

Cklm

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1.4. SUBADDITIVITÄT 9

undBlm = Blm \ A = Blm \

Gk

Ak =Gk

(Ak \Blm) =Gk

Cklm:

Da � �-additiv auf S ist, so erhalten wir

� (Ak) =Xl;m

� (Cklm)

und� (Blm) =

Xk

� (Cklm) :

Diese Identitäten zusammen mit (1.10) ergeben

� (A) =Xk

� (Ak) =Xk;l;m

� (Cklm)

und Xl

� (Bl) =Xl

Xm

� (Blm) =Xl;m;k

� (Cklm) ;

woraus (1.9) folgt.

1.4 Subadditivität

Beweisen von �-Additivität gegebener Funktion ist häu�g eine schwierige Aufgabe, aberohne �-Additivität funktioniert die Theorie von Lebesgue-Integration nicht. Betrachtenwir den Begri¤ of �-Subadditivität, der helfen kann die �-Additivität zu beweisen.

De�nition. Eine Funktion � : S ! [0;+1] heißt endlich subadditiv falls für alle endlichenFolgen fAkgnk=1 von Mengen aus S gilt

A :=nSk=1

Ak 2 S ) � (A) �nXk=1

� (Ak) : (1.11)

Gilt diese Eigenschaft auch für n = 1 (d.h. für abzählbare Folgen fAkg1k=1) so heißt ��-subadditiv.

Lemma 1.5 Seien S ein Halbring und � ein endlich additives Maßauf S.

(a) Dann ist � endlich subadditiv. Ist � �-additiv so ist � �-subadditiv.

(b) Ist � �-subadditiv so ist � �-additiv.

Siehe auch die Aufgaben 7 und 11:

Beweis. Nach den Satz 1.4, das endlich additive Maß� lässt sich auf den Ring R = � (S)erweitern, so dass die Erweiterung wieder ein endlich additives Maßist. Somit nehmenwir an, dass � auf R de�niert ist.

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10 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

(a) Seien Ak und A die Mengen aus (1.11). Betrachten wir die folgenden Mengen

C1 = A1; C2 = A2 n A1; ::::; Ck = Ak n Ak�1 n :::: n A1; :::

O¤ensichtlich gilt Ck 2 R undA =

nFk=1

Ck:

Da � additiv auf R ist (endlich additiv falls n 2 N und �-additiv falls n =1), so gilt

� (A) =nXk=1

� (Ck) : (1.12)

Da Ck � Ak, so haben wir1 � (Ck) � � (Ak), woraus (1.11) folgt.23.10.19

(b) Wir müssen beweisen, dass für Mengen A und Ak aus S,

A =1Fk=1

Ak ) � (A) =

1Xk=1

� (Ak) : (1.13)

Da � �-subadditiv ist, so haben wir

� (A) �1Xk=1

� (Ak) : (1.14)

Für jedes n 2 N giltA �

nFk=1

Ak:

DaFnk=1Ak 2 R, so erhalten wir nach der endlichen Additivität von � auf R, dass

� (A) � �

�nFk=1

Ak

�=

nXk=1

� (Ak) :

Für n!1 erhalten wir

� (A) �1Xk=1

� (Ak) ;

was zusammen mit (1.14) ergibt (1.13).

1.5 Die Länge ist �-additiv

Mit Hilfe von dem Lemma 1.5 beweisen wir, dass die Länge ` �-additiv ist.Sei S die Menge von allen Intervallen in R, und R = � (S) �der von S erzeugte Ring,

der aus den disjunkten Vereinigungen von Intervallen besteht (Satz 1.3). Nach dem Satz1.4, die Länge ` lässt sich eindeutig auf R als endlich additives Maßerweitern.

1Nach Aufgabe 2 gilt für jedes endlich additives Maßauf einem Halbring

A � B ) � (A) � � (B)

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1.5. DIE LÄNGE IST �-ADDITIV 11

Satz 1.6 Die Länge ` ist ein �-additives Maßauf dem Ring R = � (S) :

Beweis. Da ` (;) = ` ([0; 0)) = 0, so müssen wir nur die �-Additivität von ` beweisen.Nach dem Satz 1.4 reicht es zu beweisen, dass ` auf S �-additiv ist. Da ` nach demLemma 1.1 endlich additiv ist, so reicht es nach dem Lemma 1.5 zu beweisen, dass ` aufS �-subadditiv ist. Seien A; fAkg1k=1 Intervalle aus S: Wir müssen folgendes beweisen:gilt

A :=1Sk=1

Ak 2 S (1.15)

so gilt auch

` (A) �1Xk=1

` (Ak) (1.16)

(der Fall n <1 folgt aus dem Fall n =1, da man zur endlichen Folge fAkgnk=1 unendlichviele leere Intervalle zusetzen kann).Ist eine Intervall von Ak unbeschränkt, dann gilt ` (Ak) = 1 und (1.16) ist o¤en-

sichtlich erfüllt. Jetzt nehmen wir an, dass alle Intervalle Ak beschränkt sind. Für ein" > 0 und für jedes k wählen wir ein o¤enes Intervall Jk � Ak such that

` (Jk) � ` (Ak) +"

2k:

Sei I ein beschränktes abgeschlossenes Teilintervall von A. Da I mit der Folge fJkgvon o¤enen Intervallen überdeckt ist, so erhalten wir nach dem Satz von Heine-Borel(Überdeckungssatz), dass es eine endliche Teilüberdeckung fJkig

ni=1 von I gibt. Nach

Lemma 1.5 ist ` endlich subadditiv, so dass

` (I) � `

�nSi=1

Jki

��

nXi=1

`(Jki):

Es folgt, dass

` (I) �1Xk=1

` (Jk) �1Xk=1

�` (Ak) +

"

2k

�=

1Xk=1

` (Ak) + ":

Da " > 0 beliebig ist, so erhalten wir

` (I) �1Xk=1

` (Ak) :

Da ` (A) = supI ` (I), so erhalten wir (1.16).

Beispiel. Es gibt endlich additive Maße, die nicht �-additiv sind. Betrachten wir auf derMenge M = Q das Mengensystem

S = fI \Q : I ist ein Intervall in Rg ;

und de�nieren die Funktion � : S ! [0;1] mit � (I \Q) = ` (I). Dann ist � endlichadditives Mass, aber nicht �-additiv (siehe Aufgabe 6).

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12 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

1.6 Äußeres Maß

Ab diesem Abschnitt bedeutet das Wort �Maß�immer ��-additives Maß�.Ein natürlicher De�nitionsbereich eines Maßes ist ein �-Ring, der bezüglich abzählbarer

Vereinigungen und Schnitte abgeschlossen ist. Wir wissen schon, dass ein Maßsich vonHalbring auf einen Ring erweitern lässt. Jetzt erweitern wir ein Maßvon Ring auf einen�-Ring. Dafür benutzen wir den Begri¤ von äußerem Maß.Sei R ein Ring auf M und � : R! [0;1] ein Maß.

De�nition. Für jede Teilmenge A �M de�nieren wir das äußere Maß�� (A) mit

�� (A) = inf

( 1Xk=1

� (Ak) : Ak 2 R und A �1Sk=1

Ak

): (1.17)

D.h. wir betrachten alle Überdeckungen von A mit den Folgen fAkg1k=1 von Ele-menten von R und de�nieren �� (A) als das In�mum von allen Summen

P1k=1 � (Ak) über

allen solchen Überdeckungen. Existiert solche Überdeckung nicht, so gilt nach De�nition�� (A) =1.Wir betonen, dass das äußere Maßkein Maßsoll sein. Bemerken wir auch, dass �� (A)

für alle Teilmengen A �M de�niert ist und von � und R bestimmt ist. Wir werden dasäußere Maß�� benutzen, um eine Erweiterung von � zu erstellen. Zunächst beweisen wireinige Eigenschaften von ��.

Lemma 1.7

(a) (Monotonie) Für alle Teilmengen A � B �M gilt �� (A) � �� (B).

(b) Für alle A 2 R gilt �� (A) = � (A) :

Beweis. (a) Sei fAkg eine Überdeckung von B. Dann ist fAkg auch eine Überdeckungvon A, und nach (1.17) gilt

�� (A) �1Xk=1

� (Ak) :

Daraus folgt, dass

�� (A) � inf( 1Xk=1

� (Ak) : B �1Sk=1

Ak

)= �� (B) :

(b) Sei A 2 R. Die Folge fAkg = fA; ;; ;; :::g ist eine Überdeckung aus F (A), worausfolgt

�� (A) � � (A) + � (;) + � (;) + ::: = � (A) : (1.18)

Andererseits, für jede Überdeckung fAkg 2 F (A) erhalten wir nach der �-Subadditivitätvon �, dass

� (A) �1Xk=1

� (Ak) ;

woraus � (A) � �� (A) folgt. Vergleich mit (1.18) ergibt �� (A) = � (A).

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1.7. ERWEITERUNG VON ENDLICHEM MASS 13

Lemma 1.8 Das äußeres Maß�� ist �-subadditiv auf P (M).

Beweis. Wie müssen folgendes beweisen: für alle Teilmengen Ak von M und für

A =1Sk=1

Ak (1.19)

gilt

�� (A) �1Xk=1

�� (Ak) : (1.20)

Gilt �� (Ak) =1 für ein Ak, so gilt o¤ensichtlich auch (1.20). Sei �� (Ak) <1 für alle k.Nach der De�nition von ��, für jedes " > 0 und für jedes Ak gibt es eine Folge fAkng1n=1von Elementen von R mit

Ak �1Sn=1

Akn (1.21)

und1Xn=1

� (Akn) � �� (Ak) +"

2k: (1.22)

Nach (1.19) und (1.21) haben wir

A �1S

k;n=1

Akn:

Da alle Akn in R liegen, so erhalten wir nach De�nition von �� (A) und (1.22), dass

�� (A) �1X

k;n=1

� (Akn) =1Xk=1

1Xn=1

� (Akn) �1Xk=1

�� (Ak) + ":

Für "! 0 erhalten wir (1.20).

Lemma 1.9 Für alle Mengen A;B �M gilt

�� (A) � �� (B) + �� (A M B) : (1.23)

Beweis. DaA � B [ (A nB) � B [ (A M B) ;

so folgt (1.23) aus der Monotonie und Subadditivität von �� (Lemmas 2.8 und 1.8).

1.7 Erweiterung von endlichem Maß

De�nition. Ein Maß� auf ein Mengensystem S heißt endlich falls � (A) < 1 für alleA 2 S.Sei R eine Algebra und � ein Maßauf R. Die Endlichkeit vom � in diesem Fall ist

äquivalent zur Bedingung � (M) <1; daM 2 R. Hier beschreiben wir ein Verfahren fürErweiterung eines endlichen Maß� von einer Algebra auf eine �-Algebra.

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14 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Wir benutzen das äußeres Maß��; das in (1.17) de�niert wurde.

De�nition. Eine Menge A � M heißt messbar (bezüglich R und �) falls es für jedes" > 0 ein B 2 R gibt mit

�� (A M B) < ": (1.24)

D.h., die Menge A ist messbar genau dann, wenn A mit den Mengen aus R beliebiggut approximiert werden kann (im Sinn von (1.24)).

Hauptsatz 1.10 (Erweiterungssatz von Carathéodory I) Sei R eine Algebra und � einendliches Maßauf R: SeiM das Mengensystem von allen messbaren Teilmenge von M .Es gilt folgendes.

(a) M ist eine �-Algebra, die R umfasst.

(b) Die Einschränkung von �� aufM ist ein Maß, das eine Erweiterung von � ist (d.h.��jM ist ein Maßund ��jR = �)

(c) Seien � eine �-Algebra mit R � � � M und � ein Maßauf �, das � erweitert.Dann gilt � = �� auf �. (d.h. �jR = �) � = ��j�).

Somit lässt sich das Mass � auf �-Algebra M erweitern, und diese Erweiterung isteindeutig bestimmt, und zwar nicht nur aufM sondern auch auf jeder �-Algebra � �M.25.10.19

De�nition. Für jedes Mengensystem S in M bezeichnen wir mit � (S) den Durchschnittvon allen �-Ringen, die S umfassen. Das Mengensystem S heißt der Erzeuger von � (S),und � (S) heißt der von S erzeugte �-Ring.

O¤ensichtlich ist � (S) der kleinster �-Ring, der S umfasst. Ist S eine Algebra, so ist� (S) eine �-Algebra.

De�nition. Die �-AlgebraM aus dem Satz 1.10 wird mit � (R; �) oder mit � (R) beze-ichnet.

Es gilt nach De�nition, dass

R � � (R) � � (R) :

Es folgt nach dem Satz 1.10, dass � sich auf � (R) eindeutig erweitern lässt. Die Er-weiterung von � auf � (R) oder � (R) wird häu�g auch mit � bezeichnet.

Beispiel. SeiM ein beschränktes Intervall [a; b]. Bezeichnen wir mit S das Mengensystemvon allen Intervallen in M , und setzen R = � (S) : O¤ensichtlich ist R eine Algebra, unddie Länge ` ist ein endliches Maßauf R. Nach dem Satz 1.10 lässt ` sich zumMaßauf � (R)erweitern. Dieses Maßheißt das Lebesgue-Maßauf [a; b] und wird mit � bezeichnet. Die�-Algebra � (R) heißt die Lebesgue-�-Algebra auf [a; b], und die Elemente davon heißenLebesgue-messbare Mengen. Die kleinere �-Algebra � (R) heißt die Borel-�-Algebra auf[a; b], und die Elemente davon heißen Borel-messbare Mengen oder einfach Borel-Mengen.

Beweis von Satz 1.10. Die Gleichheit ��jR = � wurde in Lemma 1.7 bewiesen. Dieanderen Aussagen werden in einer Reihe von vier Behauptungen bewiesen.

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1.7. ERWEITERUNG VON ENDLICHEM MASS 15

Behauptung 1. M ist eine Algebra, die R umfasst.

Jedes A 2 R ist messbar da

�� (A M A) = �� (;) = � (;) = 0;

wobei �� (;) = � (;) nach ; 2 R gilt. Somit gilt die Inklusion R � M. Insbesondere ;und M liegen inM. Eine Folgerung davon ist, dass �� (A) <1 für alle A �M , da

�� (A) � �� (M) = � (M) <1:

Jetzt beweisen wir, dassM ein Ring ist, d.h. für alle A1; A2 2 M gilt A1 [ A2 2 Mund A1 n A2 2 M. Nach der De�nition der Messbarkeit für jedes " > 0 existieren dieMengen B1; B2 2 R mit

�� (A1 M B1) < " und �� (A2 M B2) < ": (1.25)

Setzen wir A = A1 [ A2 und betrachten wir die Menge B := B1 [ B2. Dann B 2 R undes gilt nach Lemma 1.2

A M B � (A1 M B1) [ (A2 M B2) :

Da �� monoton und subadditiv ist (Lemmas 1.7 und 1.8), so erhalten wir

�� (A M B) � �� (A1 M B1) + �� (A2 M B2) < 2"; (1.26)

woraus die Messbarkeit von A = A1 [ A2 folgt.Genauso beweist man die Messbarkeit von A1 n A2:

Behauptung 2. �� ist �-additiv aufM (d.h. ��jM ist ein Maß).

In den Argumenten unterhalb benutzen wir häu�g Lemma 1.9: für alle A;B �M

�� (B) � �� (A) + �� (A M B) und �� (A) � �� (B) + �� (A M B) ; (1.27)

insbesonderej�� (A)� �� (B)j � �� (A M B) :

DaM eine Algebra ist und �� �-subadditiv nach Lemma 1.8 ist, so reicht es nach Lemma1.5 zu beweisen, dass ��jM endlich additiv ist, d.h. für alle disjunktenMengenA1; A2 2Mund für

A = A1 t A2gilt

�� (A) = �� (A1) + �� (A2) :

Da �� subadditiv ist, es gilt

�� (A) � �� (A1) + �� (A2) ;

und es bleibt zu beweisen, dass

�� (A) � �� (A1) + �� (A2) : (1.28)

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16 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Für jedes " > 0 wählen wir die Mengen B1; B2 2 R mit (1.25) und setzen

B := B1 [B2 2 R:

Da nach (1.26)�� (A M B) < 2";

so erhalten wir nach (1.27)

�� (A) � �� (B)� 2" = � (B)� 2": (1.29)

Andererseits, nach (1.25) gilt

�� (A1) + �� (A2) � (�� (B1) + ") + (�� (B2) + ") = � (B1) + � (B2) + 2": (1.30)

Da � auf R additiv ist, so haben wir

� (B1) + � (B2) = � (B1 [B2) + � (B1 \B2) = � (B) + � (B1 \B2) : (1.31)

(Aufgabe 3). Nach Lemma 1.2 und A1 \ A2 = ; erhalten wir

B1 \B2 = (A1 \ A2) M (B1 \B2) � (A1 M B1) [ (A2 M B2) ;

und mit Hilfe von Subadditivität von �� und (1.26)

� (B1 \B2) = �� (B1 \B2) � �� (A1 M B1) + �� (A2 M B2) < 2": (1.32)

Es folgt aus (1.31) und (1.32), dass

� (B1) + � (B2) � � (B) + 2";

und aus (1.30), dass�� (A1) + �� (A2) � � (B) + 4":

Vergleichen mit (1.29) ergibt

�� (A) � �� (A1) + �� (A2)� 6":

Da " > 0 beliebige ist, so erhalten wir (1.28).

Behauptung 3. M ist �-Algebra.

Sei fAng1n=1 eine Folge von messbaren Mengen. Wir müssen beweisen, dass A :=S1n=1An auch messbar ist. Setzen wireA1 = A1 und eAn := An n An�1 n ::: n A1 für n � 2;

und bemerken, dass

1. eAn ist messbar, daM eine Algebra ist;

2. die Folgen eAno ist disjunkt und es gilt A = F1

n=1eAn:

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1.7. ERWEITERUNG VON ENDLICHEM MASS 17

Wir benennen eAn in An um, und somit können voraussetzen, dass die Folge fAngdisjunkt ist. Wir müssen beweisen, dass A =

F1n=1An messbar ist, d.h. 8" > 0 9B 2 R

mit�� (A M B) < ": (1.33)

Für ein N 2 N (das später abhängig von " gewählt werden wird) betrachten wir dieMengen

A0 =NFn=1

An und A00 =1F

n=N+1

An: (1.34)

DaM eine Algebra ist, so gilt A0 2M. Somit existiert ein B 2 R mit

�� (A0 M B) < "=2:

Wir werden zeigen, dass auch (1.33) mit diesem B gilt, vorausgesetzt, dass N reichendgroßist.Um N zu wählen, bemerken wir zunächst, dass für jedes m 2 N gilt

A �mFn=1

An

woraus folgt

�� (A) � ���

mFn=1

An

�=

mXn=1

�� (An) ;

da �� ein MaßaufM ist. Für m!1 erhalten wir

1Xn=1

�� (An) � �� (A) <1:

Somit ist die ReiheP1

n=1 �� (An) konvergent. Es folgt, dass es ein N 2 N gibt mit

1Xn=N+1

�� (An) < "=2:

Dieses N benutzen wir in De�nition (1.34) von A0 und A00. Nach �-Subadditivität von ��

erhalten wir daraus, dass

�� (A00) �1X

n=N+1

�� (An) < "=2:

Anwendung von Inklusion (1.4) aus Lemma 1.2 für die Mengen A0; A00; B; ; ergibt

A M B = (A0 [ A00) M (B [ ;) � (A0 M B) [ (A00 M ;) = (A0 M B) [ A00;

woraus folgt�� (A M B) � �� (A0 M B) + �� (A00) < "=2 + "=2 = ";

was zu beweisen war.

Behauptung 4. Eindeutigkeit. Sei � eine �-Algebra mit R � � �M. Sei � ein Maßauf � mit �jR = �. Dann gilt � = ��j�.

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18 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Wir müssen beweisen, dass � (A) = �� (A) für alle A 2 �. Nach De�nition von ��haben wir

�� (A) = inf

( 1Xn=1

� (An) : An 2 R und A �1Sn=1

An

):

Nach der �-Subadditivität von � erhalten wir für jede solche Folge fAng, dass

� (A) �1Xn=1

� (An) =

1Xn=1

� (An) :

Anwenden von inf über alle Folgen fAng ergibt

� (A) � �� (A) : (1.35)

Andererseits, da A 2M, für jedes " > 0 existiert ein B 2 R mit

�� (A M B) < ": (1.36)

Nach der Voraussetzung �jR = � und nach Lemma 1.7 gilt

� (B) = � (B) = �� (B) :

Nach (1.27) und (1.36) gilt

�� (A) � �� (B) + " � � (B) + ":

Da � auch subadditiv ist, A;B 2 � und

B � A [ (A4B)

(wie im Beweis von Lemma 1.9), so erhalten wir

� (B) � � (A) + � (A M B)

� � (A) + �� (A M B)

� � (A) + ";

wo wir auch (1.35) und (1.36) benutzt haben. Zusammensetzen von den zwei obige Un-gleichungen ergibt

�� (A) � � (A) + 2":

Für "! 0 erhalten wir daraus und aus (1.35), dass � (A) = �� (A), was zu beweisen war.

Beispiel. Sei R die Algebra, die aus endlichen disjunkten Vereinigungen von Teilinter-vallen von [a; b] besteht (cf. Satz 1.4). O¤ensichtlich ist R keine �-Algebra, da es dieabzählbaren disjunkten Vereinigungen von Intervallen gibt, die nicht in R sind.Versuchen wir die Borel-�-Algebra � (R) zu beschreiben. Man kann vermuten, dass

� (R) aus den abzählbaren Vereinigungen von Intervallen besteht, aber das ist nicht derFall als wir aus dem folgenden Beispiel sehen. Betrachten wir die Cantor-Menge

C :=1Tn=1

Cn;

wobei fCng eine monoton fallende Folge von Teilmengen von [0; 1] ist, die induktiv wiefolgt de�niert wird:

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1.8. ERWEITERUNG VON �-ENDLICHEM MASS 19

1. C1 = [0; 1]

2. C2 erhält man von C1 indem man aus C1 das o¤ene mittlere Drittel entfernt, d.h.

C2 = [0; 1] n�13; 23

�=�0; 1

3

�t�23; 1�;

3. C3 erhält man von C2 indem man aus jedem Intervall von C2 das o¤ene mittlereDrittel entfernt, d.h.

C3 = C2 n�19; 29

�n�79; 89

�=

�0; 1

9

�t�29; 39

�t�69; 79

�t�89; 1�

usw.O¤ensichtlich liegt C in � (R) da alle Cn in � (R) liegen. Man kann auch die folgenden

Eigenschaften von C beweisen (siehe Aufgaben 20, 21).

(i) C fasst kein o¤enes Intervall um (außer ;).

(ii) C ist überabzählbar.

Daraus folgt, dass die Cantor-Menge keine abzählbare Vereinigung von Intervallen ist,d.h. C =2 R�, während C 2 � (R).Es gibt keine einfache explizite Beschreibung von � (R). In meisten Anwendungen

braucht man allerdings keine explizite Beschreibung von � (R) �es reicht nur zu wissen,dass � (R) reichend großist: � (R) fasst alle Intervalle um und ist abgeschlossen bezüglichder abzählbaren Vereinigungen und Schnitte.Es gibt allerdings ein induktives Verfahren für Erstellen � (R) aus R. Bezeichnen wir

mit R� das Mengensystem von allen abzählbaren Vereinigungen von Elementen von R,so dass R � R� � � (R). Bezeichnen mit R�� das Mengensystem von allen abzählbarenDurchschnitten von Elementen von R�; so dass

R � R� � R�� � � (R) :

Dann de�niert man analog R���, R����, usw. Damit erhalten wir eine monoton steigendeFolge von Mengensystemen, die alle Teilmengen von � (R) sind. Man könnte ho¤en, dassdie Vereinigung von allen R�; R��; R���; ::: gleich � (R) ist, aber das ist auch nicht derFall. Um ganzes � (R) zu erhalten, soll man dieses Verfahren überabzählbar oft benutzenund zwar mit Hilfe von trans�niter Induktion. Das ist allerdings außerhalb des Rahmensvon diesem Vorlesungskurs.

30.10.19

1.8 Erweiterung von �-endlichem Maß

Hier verallgemeinern wir den Satz 1.10 zu bestimmten unendlichen Maßen.

De�nition. Ein Maß� : S ! [0;1] auf einem Mengensystem S heißt �-endlich falls eseine Folge fBkg1k=1 von Elementen von S gibt mit

� (Bk) <1 und M =1Sk=1

Bk: (1.37)

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20 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

O¤ensichtlich ist jedes endliches Maßauf einer �-Algebra auch �-endlich. Die Länge `auf das Mengensystem S von allen Intervallen in R ist �-endlich, da die obige De�nitionmit Bk = [�k; k] erfüllt ist (da ` (Bk) <1).Sei R ein Ring auf M und � : R ! [0;1] ein �-endliches Maß. Sei fBkg1k=1 eine

Folge von Elementen von R mit (1.37) mit die nach De�nition von �-Endlichkeit von �existiert. Ersetzen wir die Mengen Bk durch die Mengen

B1; B2 nB1; B3 nB2 nB1; :::;

die auch in R liegen und die gleichen Eigenschaften (1.37) erfüllen. Somit nehmen wirohne Beschränkung der Allgemeinheit an, dass alle Bk disjunkt sind, d.h.

M =1Fk=1

Bk: (1.38)

Zum Beispiel, R ist eine disjunkte Vereinigung von den beschränkten Intervallen [k; k+1),k 2 Z.Für jedes B 2 R de�nieren wir das Mengensystem RB in B mit

RB = R \ P (B) = fA 2 R : A � Bg :

Das Mengensystem RB heißt die Restriktion von R auf B (wobei B als eine neue Grund-menge betrachtet wird). O¤ensichtlich ist RB ein Ring als Durchschnitt zweier Ringen Rund P (B); darüber hinaus ist RB eine Algebra, da B 2 RB:Gilt � (B) < 1, so ist �B := �jRB ein endliches Maßauf der Algebra RB. Nach den

Satz 1.10 beschließen wir folgendes: das Maß�B lässt sich eindeutig zu einer endlichenMaß�B erweitern, und der De�nitionsbereich von �B ist die �-AlgebraMB := � (RB; �B)von allen messbaren Teilmengen von B. Wir werden die Maße �B benutzen, um eineErweiterung von dem Maß� zu erstellen.

De�nition. Eine Menge A �M heißt messbar falls für alle B 2 R mit � (B) <1 gilt

A \B 2MB:

Lemma 1.11 (a) Sei A eine Teilmenge von B1 \ B2, wobei Bi 2 R und � (Bi) <1 füri = 1; 2. Dann gilt

��B1 (A) = ��B2 (A) : (1.39)

Folglich gilt die ÄquivalenzA 2MB1 , A 2MB2

(b) Angenommen sei

M =1Fn=1

Bk;

wobei Bk 2 R und � (Bk) < 1. Dann eine Teilmenge A � M ist messbar genau dann,wenn

A \Bk 2MBk für alle k:

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1.8. ERWEITERUNG VON �-ENDLICHEM MASS 21

Beweis. (a) Nach De�nition von ��B1 gilt es für jedes A � B1 \B2,

��B1 (A) = inf

� 1Pn=1

� (An) : An 2 RB1 ; and A �1Sn=1

An

�; (1.40)

wobei wir benutzt haben, dass �B1 (An) = � (An) : Für eine Folge fAng wie in (1.40)setzen wir

A0n = An \B2:

Dann gilt A0n 2 RB2 (da An \B2 2 R und An \B2 � B2) and

A �� 1Sn=1

An

�\B2 =

1Sn=1

A0n:

Nach De�nition von ��B2 (A) gilt

��B2 (A) �1Pn=1

� (A0n) �1Pn=1

� (An) :

Vergleich mit (1.40) zeigt, dass

��B2 (A) � ��B1 (A) :

Analog gilt die umgekehrte Ungleichung, woraus (1.39) folgt.Erinnern wir uns, dass A 2MB1 folgendes bedeutet: für jedes " > 0 existiert C 2 RB1

mit��B1 (A M C) < ":

Setzen wirC 0 = C \B2:

Dann gilt C 0 2 RB2 und

A \ C 0 = A \ (C \B2) = (A \B2) \ C = A \ C;

woraus folgt

A M C 0 = (A [ C 0) n (A \ C 0) � (A [ C) n (A \ C) = A M C

und somit��B2 (A M C 0) = ��B1 (A M C 0) � ��B1 (A M C) < ":

Wir beschließen, dass A 2MB2.(b) We müssen beweisen, dass

A \Bk 2MBk für alle k , A \B 2MB für alle B 2 R mit � (B) <1:

Die Richtung �(�ist trivial, so wir beweisen �)�. Für beliebige Teilmenge A von Mgilt

A \B =1Gk=1

A \B \Bk: (1.41)

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22 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Nach Voraussetzung gilt A \ Bk 2 MBk für alle k. Da B;Bk 2 R, so gilt B \ Bk 2 RBk

und somit B \Bk 2MBk . Es folgt, dass

A \B \Bk = (A \Bk) \ (B \Bk) 2MBk :

Da A \ B \ Bk eine Teilmenge von B \ Bk ist und in MBk liegt, so erhalten wir nach(a), dass sie auch MB liegt. Da MB eine �-Algebra ist, so folgt es aus (1.41) dassA \B 2MB.

De�nition. Fixieren wie eine Folge fBkg wie in Lemma 1.11(b) : For jede messbare MengeA �M setzen wir

� (A) :=Xk

�Bk (A \Bk) : (1.42)

Hauptsatz 1.12 (Erweiterungssatz von Carathéodory II) Sei � ein �-endliches Maßaufeinem Ring R. Bezeichnen wir mitM das Mengensystem von allen (bezüglich R und �)messbaren Teilmengen von M . Dann folgendes gilt.

(a) M ist eine �-Algebra, die R umfasst.

(b) Die von (1.42) de�nierte Funktion � ist ein MaßaufM, das eine Erweiterung von� ist (d.h. �jR = �).

(c) Sei � eine �-Algebra mit R � � �M und � ein Maßauf �, das eine Erweiterungvon � ist. Dann gilt � = � auf �.

Somit existiert genau eine Erweiterung von � auf �. Insbesondere ist die De�nition(1.42) von � unabhängig von der Wahl der Zerlegung fBkg. Bemerken wir auch, dass �o¤ensichtlich �-endlich ist, als eine Erweiterung von �.Die �-AlgebraM wird mit � (R; �) oder einfach mit � (R) bezeichnet. O¤ensichtlich

gelten die InklusionenR � � (R) � � (R) :

Es folgt aus dem Satz 1.12, dass es genau eine Erweiterung von � auf � (R) gibt.

Beweis. (a) Nach De�nition haben wir

A 2M, A \B 2MB für alle B 2 R mit � (B) <1:

O¤ensichtlich für A 2 R ist diese Bedingung erfüllt, so dass A 2M.Sei fAngNn=1 eine endliche oder abzählbare Folge von messbaren Mengen. Beweisen

wir, dass auch

A =NSn=1

An

messbar ist. Wir habenA \B =

Sn

(An \B) 2MB

daMB eine �-Algebra ist und An \ B 2 MB nach der Messbarkeit von An. Somit giltauch A 2M.

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1.8. ERWEITERUNG VON �-ENDLICHEM MASS 23

Für messbare Mengen A1; A2 2M ist A = A1 n A2 auch messbar, da

A \B = (A1 \B) n (A2 \B) 2MB:

Auch M ist messbar daM \B = B 2MB:

Somit istM eine �-Algebra. 06.11.19

(b) Zeigen wir zunächst, dass �jR = �, d.h. � (A) = � (A) für alle A 2 R. Sei fBkgeine Folge aus (1.38). Für jedes A 2 R gelten

A \Bk 2 R und A \Bk � Bk;

woraus folgtA \Bk 2 RBk :

Nach De�nition von �Bk gilt

�Bk (A \Bk) = �Bk (A \Bk) = � (A \Bk) :

DaA =

Fk

(A \Bk) ;

und � ein Maßauf R ist, so erhalten wir

� (A) =Xk

� (A \Bk) =Xk

�Bk (A \Bk) = � (A) ;

was zu beweisen war.Beweisen wir jetzt, dass � ein Maßist, d.h. � �-additiv ist. Sei A =

FNn=1An mit

An 2M und N 2 N [ f1g. Beweisen wir, dass

� (A) =NXn=1

� (An) : (1.43)

Wir haben

� (A) =Xk

�Bk (A \Bk)

=Xk

�Bk

�Fn

(An \Bk)

�=

Xk

Xn

�Bk (An \Bk)

=Xn

Xk

�Bk (An \Bk)

=Xn

� (An)

was zu beweisen war.

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24 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

(c) Sei � ein Maßauf einer �-Algebra � mit

R � � �M;

und nehmen wir an, dass � = � auf R. Beweisen wir, dass � = � auf �. Setzen wir

�Bk := � \ P (Bk)

und bemerken, dass �Bk eine �-Algebra auf der Grundmenge Bk ist und

RBk � �Bk �MBk :

Da � = � = �Bk auf RBk , so erhalten wir nach dem Satz 1.10, dass � = �Bk auf �Bk .Für jedes A 2 � haben wir A \Bk 2 �Bk und

A =Fk

(A \Bk)

woraus folgt

� (A) =Xk

� (A \Bk) =Xk

�Bk (A \Bk) =Xk

� (A) ;

was zu beweisen war.

Betrachten wir den Halbring S von allen beschränkten Intervallen in R und die Länge` auf S. Nach dem Satz 1.6 ist ` ein Maßauf dem Ring R = � (S) : Dieses Maßist�-endlich, da

R =Sk2Z[k; k + 1) (1.44)

und ` ([k; k + 1)) <1:

Nach dem Satz 1.12, es gibt eine eindeutige Erweiterung von ` zu einem Maß� aufder �-AlgebraM =M (R) von messbaren Mengen.De�nition. Das Maß� heißt das Lebesgue-Maßauf R: Die �-Algebra M heißt dieLebesgue-�-Algebra auf R. Die Elemente von M heißen (Lebesgue-)messbare Mengen.

De�nition. Die von S erzeugte �-Algebra � (S) heißt die Borel-�-Algebra auf R undwird auch mit B = B (R) bezeichnet. Die Elemente von B heißen Borel-messbare Mengenoder einfach Borel-Mengen.

Somit haben wir Inklusionen

S � R � B �M:

Beispiel. Die Cantor Menge C ist eine Borel-Menge und somit auch Lebesgue-messbar.Da `� (C) = 0 (Aufgabe 20), es folgt, dass � (C) = 0:

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1.9. PRODUKTMASS 25

1.9 Produktmaß

Wir benutzen die Theorie von Maßerweiterung um das Lebesgue-Maßin Rn zu de�nieren.Dafür brauchen wir auch den Begri¤ von Produktmaß.Seien M1 und M2 zwei beliebige Grundmengen und S1; S2 Mengensysteme in bzw

M1;M2. Betrachten wir das Produkt zweier Mengen M1 und M2:

M =M1 �M2 := f(x; y) : x 2M1; y 2M2g

und das Produkt zweier Mengensysteme S1 und S2 wie folgt:

S = S1 � S2 := fA�B : A 2 S1; B 2 S2g ;

wobei A�B eine Teilmenge von M ist:

A�B = f(x; y) 2M : x 2 A; y 2 Bg :

Somit ist S ein Mengensystem in M .

Beispiel. Seien M1 = M2 = R und S1 = S2 das Mengensystem von allen beschränktenIntervallen in R. Dann M = R2 und S ist das Mengensystem von allen beschränktenRechtecken in R2.

Satz 1.13 Sind S1 und S2 Halbringe, so ist auch S1 � S2 ein Halbring.

Beweis. Siehe Aufgabe 9.

Das Produkt zweier Ringe ist nicht immer ein Ring, z.B. P (R)�P (R) ist kein Ring.De�nition. Seien S1 und S2 zwei Halbringe. Sei �i ein endlich additives Maßauf Si füri = 1; 2. De�nieren wir das Produktmaß� = �1 � �2 auf dem Halbring S = S1 � S2 wiefolgt: für A 2 S1 und B 2 S2 setzen wir

� (A�B) := �1 (A)�2 (B) :

Für unbestimmten Ausdruck 0 � 1 benutzen wir die Konvention: 0 � 1 = 0:

Satz 1.14 Unter den oben genannten Bedingungen ist das Produktmaß� ein endlichadditives Maßauf S.

Beweis. Siehe Aufgabe 33.

Es folgt aus den Satz 1.14, dass der Flächeninhalt auf dem Mengensystem von allenRechtecken in R2 ein endlich additives Maßist.Bemerkung. Es gilt auch folgendes: sind �1 und �2 �-additiv so ist auch �1 � �2 �-additiv, d.h. das Produktmaßzweier Maße ist auch ein Maß. Der Beweis von dieserAussage in voller Allgemeinheit braucht eine hoch entwickelte Theorie und wird spätergegeben.

Seien S1; :::; Sn Halbringe in bzw den Grundmengen M1; :::;Mn, und sei �i ein endlichadditives Maßauf Si für i = 1; :::; n. Per Induktion nach n de�niert man die Grundmenge

M =M1 � :::�Mn;

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26 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

das ProduktS = S1 � :::� Sn;

das ein Halbring in M ist, und das Produktmaß

� = �1 � :::� �n;

das ein endlich additives Maßauf S ist. Die Multiplikation von Grundmengen, Halbringenund Maßen sind o¤ensichtlich assoziativ.

1.10 Lebesgue-Maßin Rn

Wie früher seien S der Halbring von allen beschränkten Intervallen in R und l die Längeauf S. Sei n 2 N. De�nieren wir in der Grundmenge

Rn = R� :::� R| {z }n

ein MengensystemSn = S � S � :::� S| {z }

n

;

und setzen wir`n = `� `� :::� `| {z }

n

:

Nach dem Satz 1.13 (Aufgabe 9) ist Sn ein Halbring in Rn. Die Elemente von Sn heißenn-dimensionale Quaders. Jeder Quader hat die Form

A = I1 � I2 � :::� In ; (1.45)

wobei Ik beschränkte Intervalle in R sind, und es gilt

`n (A) = ` (I1) ::::` (In) :

Satz 1.15 Die Funktion `n ist �-additiv und �-endlich, d.h. `n ist ein �-endliches Maßauf Sn.

Das Maß̀n heißt n-Volumen (oder n-dimensionales Volumen) in Rn: Insbesondere derFlächeninhalt `2 ist ein �-endliches Maßin R2:Beweis. Nach dem Satz 1.14 (Aufgabe 33), `n ist ein endlich additives Maßauf Sn.Beweisen wir, dass die Funktion `n auf Sn regulär ist, d.h. für jedes A 2 Sn und " > 0 esgibt einen kompakten Quader K 2 Sn und einen o¤enen Quader U 2 Sn mit

K � A � U und `n (U) � `n (K) + ": (1.46)

Nach der Aufgabe 29, ein endlich additives und reguläres Maßist immer �-additiv, worausfolgen wird, dass `n �-additiv ist.Sei A ein Quader A der Form 1.45. Für jedes Intervall Im, m = 1; :::; n, wählen ein

abgeschlossenes Intervall Km und o¤enes Intervall Um so dass

Km � Im � Um

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1.10. LEBESGUE-MASS IN RN 27

und` (Um) � ` (Km) + �;

wobei � > 0 gegeben ist. Daraus folgt, dass der Quader

K = K1 �K2 � :::�Kn

kompakt ist, der QuaderU = U1 � U2 � :::� Un

o¤en ist, und

`n (U) = ` (U1) ::::` (Un)

� (` (K1) + �) :::: (` (Kn) + �)

� ` (K1) ::::` (Kn) +O (�)

= `n (K) +O (�)

für � ! 0: Für reichend kleines � erhalten wir (1.46), was zu beweisen war.Zeigen wir jetzt, dass `n �-endlich ist. Dafür wählen wir eine Überdeckung fIkg1k=1

von R mit beschränkten Intervallen, z.B. wie in (1.44), und bemerken, dass alle Quadernder Form Ik1 � Ik2 � :::� Ikn eine abzählbare Überdeckung von Rn ergeben. Da

`n (Ik1 � :::� Ikn) = ` (Ik1) :::` (Ikn) <1;

so ist `n �-endlich.08.11.19

Nach dem Satz 1.4 lässt sich `n zum Ring Rn = � (Sn) erweitern. Nach dem Satz 1.12existiert eine eindeutige Erweiterung von `n zu einem Maß�n auf der �-AlgebraMn vonallen messbaren Mengen in Rn.De�nition. Das Maß�n auf Mn heißt das Lebesgue-Maßin Rn. Die �-Algebra Mn

heißt die Lebesgue-�-Algebra auf Rn. Die Elemente vonMn heißen (Lebesgue-)messbareMengen.

Das Maß�2 in R2 heißt auch Flächeninhalt, und das Maß�3 in R3 heißt Volumen.Auch �n wird häu�g n-dimensionales Volumen genannt.

De�nition. Die von S erzeugte �-Algebra � (Sn) heißt die Borel �-Algebra und wird mitBn (oder B (Rn)) bezeichnet. Die Elementen von Bn heißen Borel-Mengen.

Somit haben wir Inklusionen

Sn � Rn � Bn �Mn:

Satz 1.16 Bezeichnen wir mit n das Mengensystem von allen o¤enen Teilmengen vonRn und mit Cn das Mengensystem von allen abgeschlossen Teilmengen von Rn. Dann gilt

� (n) = � (Cn) = Bn;

d.h. die Quader, die o¤enen Mengen und die abgeschlossenen Mengen erzeugen die gleiche�-Algebra.

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28 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Somit erhalten wir die folgenden äquivalenten De�nitionen von Borel �-Algebra:

Bn = � (n) = � (Cn) :

Beweis. Da die abgeschlossenen Mengen die Komplemente von den o¤enen Mengen sind,so ist die Identität � (n) = � (Cn) o¤ensichtlich. Wir beweisen, dass � (n) = Bn, unddafür reicht es zu beweisen, dass

n � � (Sn) und Sn � � (n) :

Zeigen wir zunächst, dass jede o¤ene Menge U in � (Sn) liegt. Für jedes x 2 U gibt eseinen o¤enen Quader Qx mit x 2 Qx � U , woraus folgt

U =Sx2U

Qx: (1.47)

Diese Überdeckung von U ist überabzählbar, aber wir zeigen jetzt, dass man darauseine abzählbare Überdeckung erstellen kann, woraus wird folgen, dass U 2 � (S). Dafürwählen wir jeden Quader Qx so dass alle Koordinaten von allen Ecken von Qx rationalsind (d.h. in der Darstellung Qx = I1 � ::: � In haben alle Intervalle Ik die rationalenGrenzen). In der Vereinigung (1.47) können wir nur unterschiedliche QuaderQx benutzen.Da das Mengensystem von allen Quadern mit rationalen Koordinaten abzählbar ist, soerhalten wir eine Darstellung von U als eine abzählbare Vereinigung von Quadern, worausU 2 � (Sn) folgt.Beweisen wir jetzt, dass jeder Quader Q in � (n) liegt. Bemerken zunächst, dass

jedes Intervall I sich als ein abzählbarer Durchschnitt von o¤enen Intervallen darstellenlässt, z.B. für a � b

[a; b] =1\k=1

�a� 1

k; b+ 1

k

�[a; b) =

1\k=1

�a� 1

k; b�

usw. Daraus folgt, dass jeder QuaderQ ein abzählbarer Durchschnitt von o¤enen Quadernist, woraus Q 2 � (n) folgt.

Es folgt aus dem Satz 1.16 dass alle o¤enen und abgeschlossenen Teilmengen von RnBorel-Mengen sind und insbesondere Lebesgue-messbar. Für den Quader der Form

A = I1 � I2 � :::� In

is gilt nach De�nition�n (A) = ` (I1) :::` (In) :

Jede nicht-leere o¤ene Menge U hat positives Maß, d.h. �n (U) > 0, da U einen nicht-trivialen Quader A umfasst und �n (A) > 0.Betrachten wir einige Beispiele von Bestimmung des Lebesgue-Maßes.

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1.10. LEBESGUE-MASS IN RN 29

Satz 1.17 Sei f : [a; b] ! [0;+1) eine Riemann-integrierbare Funktion (wobei a; b 2 Rund a < b). Betrachten wir den Untergraph von f :

Uf =�(x; y) 2 R2 : x 2 [a; b] und 0 � y � f (x)

:

Dann ist Uf eine Lebesgue-messbare Teilmenge von R2 und es gilt

�2 (Uf ) =

Z b

a

f (x) dx: (1.48)

Beweis. Da f beschränkt ist, so liegt die ganze Menge Uf in einem beschränkten Rechteck

M = [a; b]� [�c; c]

wobei c = sup[a;b] jf j : Sei S der Halbring von allen Rechtecken A = I1 � I2 in M , undbetrachten in S die Funktion

`2 (A) = ` (I1) ` (I2) ;

die ein Maßist (Satz 1.15). Sei R = � (S) die von S erzeugte Algebra, die aus endlichendisjunkten Vereinigungen von Rechtecken besteht (Satz 1.3). Das Maß̀2 lässt sich auf Rerweitern (Satz 1.4). Da `2 auf R endlich ist, so erweitern wir `2 mit Hilfe von dem Satz1.10 weiter zum Maß�2 auf der �-AlgebraM von Lebesgue messbaren Teilmengen vonM:Sei p = fxkgnk=0 eine Zerlegung des Intervalls [a; b] : Setzen wir

�k = infx2[xk�1;xk]

f (x) and �k = supx2[xk�1;xk]

f (x) (1.49)

und betrachten die Darboux-Summen

S� (f; p) =nXk=1

�k (xk � xk�1)

und

S� (f; p) =

nXk=1

�k (xk � xk�1) :

Nach dem Satz von Darboux, die Funktion f ist genau dann Riemann-integrierbar wennes für jedes " > 0 ein � > 0 gibt so das für jede Zerlegung p mit der Feinheit m (p) < �gilt

S� (f; p)� S� (f; p) < ": (1.50)

Betrachten wir die Menge

B =nFk=1

((xk�1; xk)� (0; �k)) ;

O¤ensichtlich haben wir B 2 R, B � Uf und

�2 (B) = `2 (B) =nXk=1

�2 ((xk�1; xk)� (0; �k)) =nXk=1

(xk � xk�1)�k = S� (f; p) :

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30 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Betrachten wir auch die Menge

C =n�1Fk=1

([xk�1; xk)� [0; �k]) t ([xn�1; xn]� [0; �n]) :

O¤ensichtlich haben wir C 2 R, C � Uf und

�2 (C) = `2 (C) =

nXk=1

(xk � xk�1) �k = S� (f; p) :

Es folgtUf M B = Uf nB � C nB;

und somit

l�2 (Uf M B) � l�2 (C nB) = l2 (C)� `2 (B) = S� (f; p)� S� (f; p) ;

Da die rechte Seite beliebig klein sein kann, so folgt es, dass `�2 (Uf M B) beliebig kleinsein kann. Somit ist Uf messbar nach Konstruktion von messbaren Mengen im Satz 1.10.Da B � Uf � C, so folgt es, dass

�2 (B) � �2 (Uf ) � �2 (C)

d.h.S� (f; p) � �2 (Uf ) � S� (f; p) :

Für m (p)! 0 erhalten wir

�2 (Uf ) = limm(p)!0

S� (f; p) = limm(p)!0

S� (f; p) =

Z b

a

f (x) dx:

Bemerkung. Ist f stetig, so ist der Untergraph Uf eine abgeschlossen Menge und somitmessbar. In diesem Fall fällt der erste Teil des Beweises aus.

Beispiel. Unter Bedingungen des Satzes 1.17 betrachten wir den Graph der Funktion f :

�f =�(x; y) 2 R2 : x 2 [a; b] ; y = f (x)

:

Beweisen wir, dass �f messbar ist und

�2 (�f ) = 0:

Dafür betrachten die Menge

o

U f =�(x; y) 2 R2 : x 2 [a; b] und 0 � y < f (x)

;

so dass�f = Uf n

o

U f :

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1.11. MONOTONE OPERATIONEN 31

Genauso, wie im Beweis des Satzes 1.17 erhält man, dasso

U fmessbar ist und

�2(o

U f ) =

Z b

a

f (x) dx:

Es folgt, dass �f messbar ist und

�2 (�f ) = �2(Uf )� �2(o

U f ) = 0:

Man kann (1.48) benutzen, um die bekannten Formeln für den Flächeninhalt vongeometrischen Figuren rigoros zu beweisen, zum Beispiel

�2 (Kreisscheibe) = � �Radius2

�2 (Dreieck) =1

2Seite �H�ohe

(siehe Aufgaben 35; 37; 38). Bemerken wir, dass die Kreisscheibe und das Dreieck abgeschlosseneMengen sind, woraus folgt, dass sie messbar sind.

Bemerkung. In Literatur über Maßtheorie wird auch die folgende (abweichende) Termi-nologie benutzt. Sei S ein Mengensystem mit ; 2 S und � : S ! [0;1] eine Funktionmit � (;) = 0:

1. Die Funktion � heißt Inhalt falls � endlich additiv ist (laut unserer Terminologie: �ist endlich additives Maß).

2. � heißt Prämaßfalls � �-additiv ist (laut unserer Terminologie: � ist Maß).

3. � heißt Maßfalls � �-additiv ist und S ein �-Ring ist (laut unserer Terminologie:� ist auch Maßauf einem �-Ring).

13.11.19

1.11 Monotone Operationen

Sei S ein Mengensystem in Grundmenge M . Wie früher, bezeichnen wir mit � (S) denkleinsten Ring, der S umfasst, und mit � (S) �den kleinsten �-Ring, der S umfasst. Hierbesprechen wir wie man � (S) und � (S) enthält.Sei � eine Operation über Teilmengen vonM (z.B. Vereinigung, Schnitt, Komplement,

Limes, usw.).

De�nition. Das Mengensystem S heißt abgeschlossen bezüglich �, falls die Anwendung� auf den Elementen von S wieder ein Element von S ergibt.Für beliebiges Mengensystem S de�niert man den Abschluss S� bezüglich � wie folgt:

S� ist der Durchschnitt von allenMengensystemen inM , die S umfassen und abgeschlossenbezüglich � sind. Dann ist S� die kleinste Übermenge von S, die abgeschlossen bezüglich� ist.Es handelt sich um die folgenden Operationen mit Teilmengen von M .

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32 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

1. Schnitt �\�zweier Mengen, d.h. A;B 7! A \B

2. Monotone Di¤erenz ���. Setzen wir A � B = A n B vorausgesetzt, dass A � B(sonst ist A�B nicht de�niert).

3. Monotoner Limes lim. Sei fAng1n=1 eine monotone Folge von Teilmengen von M .Ist diese Folge steigend, d.h. An � An+1 für alle n, so setzen wir

limAn =1[n=1

An:

Ist diese Folge fallend, d.h. An � An+1 für alle n, so setzen wir

limAn =

1\n=1

An:

Sonst ist limAn nicht de�niert2.

Die Operationen ���und lim heißenmonotone Operationen, da sie nur auf monotonenFolgen de�niert sind.Nach De�nition S� ist der Abschluss von S bezüglich ���, und Slim ist der Abschluss

von S bezüglich lim.Weiter nehmen wir an, dass M 2 S. Dann ist � (S) eine Algebra und � (S) �eine

�-Algebra. Der nächste Satz ergibt die Darstellungen von � (S) und � (S) mit Hilfe vonmonotonen Operationen.

Hauptsatz 1.18 (Satz von Dynkin) Sei S ein Mengensystem in M mit M 2 S.

(a) Ist S abgeschlossen bezüglich \, so gilt

�(S) = S�:

(b) Ist S eine Algebra, so gilt�(S) = Slim:

Korollar 1.19 Sei S ein Mengensystem in M mit M 2 S. Dann gelten die Identitäten:

�(S) = (S\)�: (1.51)

und

�(S) =�(S\)

��lim

: (1.52)

Beweis. Bemerken wir zuerst, dass

� (S) = � (S\) :

2In Aufgabe 18 de�niert man limAn auch für die Folgen, die nicht unbedingt monoton sind, aber hierbrauchen wir diese allgemeinere De�nition nicht.

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1.11. MONOTONE OPERATIONEN 33

Die Inklusion � (S) � � (S\) folgt aus S � S\, und die umgekehrte Inklusion � (S) �� (S\) gilt, da � (S) eine Algebra ist, die S\ umfasst und somit auch � (S\). Nach demSatz 1.18(a) gilt

� (S\) = (S\)�;

woraus (1.51) folgt.O¤ensichtlich gilt

� (S) = � (� (S)) :

Da � (S) eine Algebra ist, so erhalten wir nach dem Satz 1.18(b), dass

� (� (S)) = � (S)lim :

Mit Hilfe von (1.51) erhalten wir

� (S) = � (� (S)) = � (S)lim =�(S\)

��lim

:

Korollar 1.20 Sei ein Mengensystem S in M mit M 2 S. Ist S abgeschlossen bezüglich\;�; lim, so ist S eine �-Algebra.

Beweis. Wir haben nach Voraussetzungen�(S\)

��lim

= S;

was zusammen mit (1.52) ergibt S = � (S), so dass S eine �-Algebra ist.

Die Identität (1.51) ist hoch nicht-trivial. Sie besagt folgendes: jede Teilmenge vonM , die aus den Elementen von S mit Hilfe von endlicher Folge von Operationen \;[; nerstellt werden kann, lässt sich auch aus den Elementen von S wie folgt erstellen: zuersteine endliche Folge von Operation \ und danach eine endliche Folge von Operation ���.Beispiel. Betrachten wir, zum Beispiel, das Mengensystem

S = fM;A;Bg :

In diesem Fall haben wirS\ = fM;A;B;A \Bg ;

und nach (1.51) muss (S\)� auch A [B 2 � (S) enthalten. Somit lässt die Menge A [Bsich aus den Teilmengen M;A;B;A\B nur mit Hilfe von ���darstellen, aber Satz 1.18besagt nicht, wie genau erfolgt diese Darstellung. In diesem Fall die Antwort laut wiefolgt:

A [B =M � ((M � A)� (B � (A \B)))(o¤ensichtlich, alle Di¤erenzen hier sind monoton). In der Tat, es gilt

(M � A)� (B � (A \B)) = Ac nB = Ac \Bc

und somit

M � ((M � A)� (B � (A \B))) =M n (Ac \Bc) = (Ac \Bc)c = A [B:

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34 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Die anderen Elemente von � (S) lassen sich aus den Elementen von S\ mit Hilfe von ���wie folgt darstellen:

A nB = A� (A \B)B n A = B � (A \B)A M B = (A [B)� (A \B) :

Beweis von dem Satz 1.18. (a) Sei S abgeschlossen bezüglich \ und M 2 S. Da� (S) abgeschlossen bezüglich ���ist und S umfasst, so folgt es, dass

� (S) � S�:

Um die umgekehrte Inklusion zu beweisen, reicht es zu zeigen, dass S� eine Algebra ist.Dann liegt � (S) in S� da �(S) die kleinste Algebra ist, die S umfasst.Jetzt beweisen wir, dass S� eine Algebra ist. Dafür reicht es zu beweisen, dass S

die Mengen M und ; enthält und abgeschlossen bezüglich \ und der Operation �c�vonKomplement. O¤ensichtlich haben wir M 2 S� da

M 2 S und ; =M �M 2 S�:

DaA 2 S� ) Ac =M � A 2 S�;

so ist S� abgeschlossen bezüglich �c�.Jetzt beweisen wir, dass S� abgeschlossen bezüglich \ ist, d.h.

A;B 2 S� ) A \B 2 S�: (1.53)

Dafür betrachten wir für jedes A 2 S� das Mengensystem

GA = fB �M : A \B 2 S�g :

Dann ist (1.53) äquivalent zur folgenden Aussage:

für alle A 2 S� gilt GA � S�: (1.54)

Um (1.54) zu beweisen, es reicht zu zeigen, dass für alle A 2 S�

GA ist abgeschlossen bezüglich �� �und GA � S:

Zeigen wir zunächst, dass GA abgeschlossen bezüglich ��� ist. Seien B1 � B2 zweiElementen von GA, d.h.

A \B1 2 S� und A \B2 2 S�:

Dann giltA \ (B1 �B2) = (A \B1)� (A \B2) 2 S�;

woraus folgtB1 �B2 2 GA:

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1.11. MONOTONE OPERATIONEN 35

Jetzt zeigen wir, dass GA � S für jedes A 2 S�, d.h.

A 2 S�; B 2 S ) A \B 2 S�:

Nach Symmetrie ist diese Eigenschaft äquivalent zu:

A 2 S; B 2 S� ) A \B 2 S�:

Die letzte Eigenschaft ist äquivalent zu:

für alle A 2 S gilt GA � S�:

Da S abgeschlossen bezüglich ���, so reicht es zu beweisen, dass

für alle A 2 S gilt GA � S;

d.h.A 2 S; B 2 S ) A \B 2 S�;

was gilt, da S abgeschlossen bezüglich \ ist und S� � S:(b) Sei S eine Algebra. Wir müssen beweisen, dass Slim eine �-Algebra ist. Beweisen

wir zunächst, dass Slim eine Algebra ist. O¤ensichtlich gilt ;;M 2 Slim, und es reichtnoch zu zeigen, dass Slim abgeschlossen bezüglich \ und �c�ist.Beweisen wir, dass Slim abgeschlossen bezüglich \ ist. Betrachten wir für jedes A 2

Slim das Mengensystem

GA =�B �M : A \B 2 Slim

:

Wir müssen beweisen, dass

für alle A 2 Slim gilt GA � Slim:

Dafür reicht es zu zeigen, dass für alle A 2 Slim

GA ist abgeschlossen bezüglich lim und GA � S:

Beweisen wir zuerst, dass GA abgeschlossen bezüglich lim ist. Sei fBkg1k=1 eine monotoneFolge aus GA, d.h.

A \Bk 2 Slim für alle k.

Wir behaupten, dass für den Grenzwert B = limBk gilt

A \B = lim (A \Bk) : (1.55)

In der Tat, ist fBkg monoton steigend, so gilt es nach dem Distributivgesetz

A \B = A \�S

k

Bk

�=Sk

(A \Bk) = lim (A \Bk) ;

und im Fall wenn fBkg monoton fallend erhalten wir

A \B = A \�T

k

Bk

�=Tk

(A \Bk) = lim (A \Bk) :

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36 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Da A \Bk 2 Slim, so folgt es aus (1.55), dass auch

A \B 2 Slim

und somit B 2 GA.Beweisen wir jetzt, dass

für alle A 2 Slim gilt GA � S:

Diese Inklusion ist äquivalent zu

A 2 Slim; B 2 S ) A \B 2 Slim;

was nach Symmetrie ist äquivalent zu

A 2 S; B 2 Slim ) A \B 2 Slim;

d.h. zufür alle A 2 S gilt GA � Slim

Da GA abgeschlossen bezüglich lim ist, so reicht es zu beweisen, dass

für alle A 2 S gilt GA � S;

und die letzte Eigenschaft gilt, da S abgeschlossen bezüglich \ ist.Beweisen wir jetzt, dass Slim abgeschlossen bezüglich der Operation �c�ist. Betrachten

wir das MengensystemG =

�A �M : Ac 2 Slim

:

Wir müssen zeigen, dassG � Slim:

O¤ensichtlich gilt G � S, so bleibt es folgendes zu zeigen:

G ist abgeschlossen bezüglich lim .

Sei fAkg eine monotone Folge aus G, zum Beispiel, monoton steigend. Beweisen wir, dassauch der Grenzwert

A = limAk =Sk

Ak

in G liegt. Die Folge fAckg ist o¤ensichtlich monoton fallend. Da Ack 2 Slim, so gilt

limAck 2 Slim:

Andererseits, es gilt

limAck =Tk

Ack =

�Sk

Ak

�c= (limAk)

c = Ac;

woraus folgt, dass Ac 2 Slim: Somit erhalten wir, dass A 2 G, was zu beweisen war.Da Slim eine Algebra ist und abgeschlossen bezüglich lim, so ist Slim eine �-Algebra

nach dem Lemma 1.21, das unterhalb bewiesen wird.

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1.12. NULLMENGEN 37

Lemma 1.21 Ist eine Algebra R abgeschlossen bezüglich monotones Grenzwertes lim, soist R eine �-Algebra.

Die Umkehrung gilt o¤ensichtlich auch: jede �-AlgebraR ist eine Algebra die abgeschlossenbezüglich lim ist.20.11.19

Beweis. Es reicht zu beweisen, dass für jede Folge fAng1n=1 mit An 2 R gilt

1Sn=1

An 2 R:

Setzen wir Bn =Snk=1Ak und bemerken, dass die Folge fBng monoton steigend ist und

1[n=1

An =

1[n=1

Bn = limBn:

Da Bn 2 R, es folgt, dass limBn 2 R, woraus auchS1n=1An 2 R folgt.

1.12 Nullmengen

Sei S ein Mengensystem auf M und � ein Maßauf S. Erinnern wir uns, dass das äußereMaß�� (A) für alle A �M wie folgt de�niert wird:

�� (A) = inf

( 1Xk=1

� (Ak) : Ak 2 S und A �1Sk=1

Ak

): (1.56)

De�nition. Eine Menge A �M heißt Nullmenge (bezüglich � und S) falls �� (A) = 0:

Man sagt, dass A eine Menge von Maß0 ist, falls A 2 S und � (A) = 0. O¤ensichtlich,jede Menge von Maß0 ist auch eine Nullmenge. Ist A eine Nullmenge und A 2 S, so gilt�� (A) = � (A) = 0 so dass A eine Menge von Maß0 ist. Aber eine Nullmenge A mussnicht in S liegen, und in diesem Fall ist die Nullmenge keine Menge von Maß0.

Beispiel. Sei S ein Halbring von Intervallen in R und ` die Länge auf S. Jede Mengefxg die aus einem Punkt besteht hat die Länge 0 und somit auch eine Nullmenge. Jedeabzählbare Menge A = fxkg1k=1 ist eine Nullmenge da

`� (A) �1Xk=1

`� (fxkg) =1Xk=1

` (fxkg) = 0:

Andererseits die Menge A liegt weder in S noch in � (S).Die Cantor-Menge aus dem Abschnitt 1.6 ist ein Beispiel von einer überabzählbaren

Nullmenge (Aufgaben 20; 21).

Beweisen wir einige Eigenschaften von Nullmengen.

Lemma 1.22 Sei � ein Maßauf einem Ring R.(a) Jede Teilmenge einer Nullmenge ist wieder eine Nullmenge.(b) Das Mengensystem N von allen Nullmengen ist ein �-Ring.

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38 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

Beweis. (a) Die Bedingung A � B impliziert �� (A) � �� (B). Ist B eine Nullmenge,somit ist A auch eine Nullmenge.(b) O¤ensichtlich gilt ; 2 N . Gilt A;B 2 N , so gilt AnB 2 N nach (a), da AnB � A.

Sei

A =NSn=1

An

mit An 2 N und N 2 N[ f1g. Nach der �-Subadditivität von �� (Lemma 1.8) erhaltenwir

�� (A) �Xn

�� (An) = 0

woraus A 2 N folgt.

Satz 1.23 Sei � ein Maßauf einem �-Ring R. Eine Menge A �M ist Nullmenge genaudann, wenn A eine Teilmenge einer Menge von Maß0 ist.

Beweis. In Aufgaben.

Satz 1.24 Sei � ein Maßauf einem �-Ring R. Betrachten wir das folgende Mengensys-tem in M :

R = fA = B M N : B 2 R und N 2 Ng : (1.57)

De�nieren wir die Funktion � auf R mit � (A) := � (B), wobei A und B sind wie in(1.57). Dann gilt folgendes.

(a) R ist der minimale �-Ring, der R und N umfasst, d.h.

R = � (R [N ) :

(b) � ist wohlde�niert auf R, � ist ein Maßauf R und �jR = �.

De�nition. Der �-Ring R heißt die Vervollständigung des �-Ringes R, und dass Maß�heißt die Vervollständigung des Maßes �:

Beweis. Siehe Aufgaben 40-41.

Sei jetzt � ein endliches Maßauf einer Algebra R. Wir wissen, dass � sich auf die�-Algebra � (R) von messbaren Mengen erweitern lässt. Mit Hilfe von Begri¤ von Null-mengen erklären wir den Unterschied zwischen den Algebren � (A) und � (A).

Satz 1.25 Sei � ein endliches Maßauf einer Algebra R. Dann gilt folgendes.

(a) Jede Nullmenge liegt in � (R) :

(b) A 2 � (R) gilt genau dann, wenn es ein B 2 � (R) gibt mit A � B and B nA 2 N :

Korollar 1.26 Sei � ein endliches Maßauf einer Algebra R. Dann � (R) ist die minimale�-Algebra, die � (R) und N umfasst; d.h. � (R) ist die Vervollständigung der �-Algebra� (R).

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1.12. NULLMENGEN 39

Somit gilt� (R) = � (R) = � (� (R) [N ) : (1.58)

Beweis. Die Algebra � (R) ist eine Teilmenge von � (R) nach De�nition von � (R), undN ist eine Teilmenge von � (R) nach dem Satz 1.25(a) : Es folgt, dass

� (R) � � (R) [N

und somit� (R) � � (� (R) [N ) = � (R):

Nach Satz 1.25(b) ; für jedes Element A 2 � (R) gibt es ein B 2 � (R) mit A � B andN := B n A 2 N ; woraus folgt

A = B nN = B M N:

Somit liegt A in der Vervollständigung � (R) der �-Algebra � (R), d.h.

� (R) � � (R);

woraus die Identität (1.58) folgt.

Beweis von dem Satz 1.25. (a) Wie brauchen zu zeigen, dass jede Nullmenge Amessbar ist, d.h. für jedes A 2 N und jedes " > 0 existiert ein B 2 R mit

�� (A M B) < ":

Nehmen wir einfach B = ;. Dann gilt

�� (A M B) = �� (A) = 0 < ";

was zu beweisen war.(b) Sei A eine Teilmenge vonM . Existiert ein B 2 � (R) mit A � B and N := B nA 2

N , so erhalten wirA = B nN 2 � (R) ;

da � (R) ein �-Algebra ist, die � (R) und N umfasst.Sei A 2 � (R) : Wir beweisen jetzt die Existenz von B 2 � (R) mit A � B and

B n A 2 N : Nach De�nition von �� gilt

�� (A) = inf

(Xk

� (Ak) : Ak 2 R; A �Sk

Ak

): (1.59)

Für jedes ein n 2 N betrachten wir eine Folge fAkg wie in (1.59) und mitXk

� (Ak) � �� (A) +1

n:

Setzen wirBn =

Sk

Ak

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40 CHAPTER 1. KONSTRUKTION VON MASS

und bemerken, dass Bn 2 � (R) (da Ak 2 R), A � Bn und

�� (Bn) �Xk

� (Ak) � �� (A) +1

n:

Für die MengeB :=

Tn

Bn

gelten B 2 � (R), A � B und

�� (B) � �� (Bn) � �� (A) +1

nfür alle n 2 N;

woraus folgt�� (B) � �� (A) :

Da A � B, es gilt auch �� (A) � �� (B) und somit

�� (A) = �� (B) :

Da �� auf � (R) ein Maßist, so erhalten wir

�� (B n A) = �� (B)� �� (A) = 0;

und somit B n A 2 N .

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Chapter 2

Lebesgue-Integration

Gegeben seien eine Grundmenge M , eine �-Algebra S in M und ein Maß� auf S. DieStruktur (M;S; �) heißt Maßraum. In diesem Kapitel de�nieren wir den Begri¤ vonLebesgue-Integral in einem Maßraum, d.h. den AusdruckZ

M

f d�

für reellwertige Funktionen f auf M von bestimmter Klasse.Für eine stetige Funktion f (x) auf einem beschränkten Intervall [a; b] de�niert man

das Riemannsche IntegralR bafdx als Limes der Riemann-Summe

nXk=1

f (�k) (xk � xk�1) ;

wobei a = x0 < x1 < ::: < xn = b eine Zerlegung von [a; b] ist und �k 2 [xk�1; xk]Zwischenstellen sind, für maxk (xk � xk�1) ! 0. Der Einfachheit halber nehmen wir an,dass xk � xk�1 =

b�an:

Man kann dieses Verfahren auch wie folgt darstellen. De�nieren wir zuerst das Integralder Indikatorfunktion1 1I von einem Intervall I � [a; b] mitZ b

a

1Idx = ` (I) :

Betrachten wir jetzt die Treppenfunktion

fn =nXk=1

f (�k)1[xk�1;xk)

und de�nieren ihres Integral nach Linearität, d.h.Z b

a

fn (x) dx :=nXk=1

f (�k)

Z b

a

1[xk�1;xk)dx =nXk=1

f (�k) (xk � xk�1) ;

1Die Indikatorfunktion einer Teilmenge A �M ist die folgende Funktion auf M :

1A (x) =

�1; x 2 A;0; x 2 Ac:

41

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42 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

was mit der Riemann-Summe übereinstimmt. Für n ! 1 erhalten wir nach der gleich-mäßigen Stetigkeit von f , dass

fn � f auf [a; b] :

So de�niert man Z b

a

f (x) dx = limn!1

Z b

a

fn (x) :

In dieser Konstruktion ist die Stetigkeit von f wichtig, da f auf jedem Intervall [xk�1; xk]mit einer Konstante approximiert werden muss.Die Idee von Integration im Maßraum (M;S; �) ist ähnlich. Man de�niert zunächst

das IntegralRMfd� für Indikatorfunktionen f = 1A wie folgt:Z

M

1Ad� = � (A) ;

vorausgesetzt, dass A im De�nitionsbereich von � liegt, d.h. A 2 S. Hier gibt es einengroßen Unterschied zum Fall von Riemannscher Integration: in Riemann-Integral benutztman nur Indikatorfunktionen von Intervallen, wobei in Lebesgue-Integration �Indikator-funktionen von beliebigen messbaren Mengen.Man erweitert man diese De�nition nach Linearität auf Elementarfunktionen

f =Xk

ck1Ak ;

die endliche lineare Kombinationen von Indikatorfunktionen mit messbaren Ak sind; d.h.man setzt Z

M

Xk

ck1Akd� =Xk

ck� (Ak) :

Danach de�niert manRMfd� für alle Funktionen, die sich durch Elementarfunktionen

in bestimmten Sinn approximieren lassen. Diese sind messbare Funktionen, die gleichde�niert werden.

2.1 Messbare Funktionen

Sei M eine Grundmenge und S eine �-Algebra von Teilmengen von M . Das Paar (M;S)heißt Messraum. In diesem Abschnitt betrachten wir immer einen Messraum (M;S).De�nition. Eine Menge A � M heißt S-messbar falls A 2 S. Eine Funktion f : M ![�1;+1] heißt S-messbar falls für alle c 2 R die Menge

ff � cg := fx 2M : f (x) � cg

S-messbar ist, d.h. in S liegt.22.11.19

Die De�nition von S-messbarer Funktion lässt sich wie folgt umformulieren. Da

fx 2M : f (x) � cg = f�1[�1; c];

so ist f S-messbar genau dann, wenn für jedes c 2 R das Urbild f�1[�1; c] in S liegt.

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2.1. MESSBARE FUNKTIONEN 43

Man sagt häu�g �messbar�statt �S-messbar�wenn es klar ist, was S ist.In Rn gibt es zwei wichtige �-Algebren: Mn von Lebesgue-messabaren Mengen und

Bn von Borel-Mengen. Die Mn-messbaren Funktionen nennt man Lebesgue-messbare(oder einfach messbare) Funktionen. Die Bn-messbaren Funktionen nennt man Borel-Funktionen.

Beispiel. Sei A eine Teilmenge M . Dann ist die Indikatorfunktion f = 1A genau dannS-messbar, wenn A 2 S. Dies folgt aus der folgenden Beschreibung der Menge ff � cg:

fx 2M : f (x) � cg =

8<:;; c < 0;Ac; 0 � c < 1;M; c � 1;

da die Mengen ; und M in S liegen und Ac 2 S , A 2 S.

Beispiel. Sei M = Rn und S = Bn. Für jede stetige Funktion f : Rn ! R ist die Mengef�1[�1; c] = f�1(�1; c] abgeschlossen in Rn als das Urbild der abgeschlossenen Menge(�1; c] in R. Da alle abgeschlossenen Menge in Bn liegen, so beschließen wir, dass jedestetige Funktion auch eine Borel-Funktion ist.

Beispiel. Jede monotone Funktion f : R! R ist eine Borel-Funktion (siehe Aufgaben).

De�nition. Sei (M;S) ein Messraum. Eine Abbildung f : M ! Rn heißt S-messbarfalls alle Komponenten fk von f S-messbare sind, d.h. für alle k = 1; :::; n und c 2 R dieMenge ffk � cg in S liegt.

Satz 2.1 Für eine Abbildung f :M ! Rn gilt die folgende Äquivalenz:

f ist S-messbar, 8B 2 Bn gilt f�1 (B) 2 S:

Dieser Satz ergibt die äquivalente De�nition von S-messbaren Abbildungen: eine Ab-bildung f : M ! Rn ist genau dann S-messbar, wenn für jede Borel-Menge B � Rn dasUrbild f�1 (B) S-messbar ist.Beweis. Die Implikation �(�; ist o¤ensichtlich, da für die Borel-Menge

B = fz 2 Rn : zk � cg = R� :::� (�1; c]| {z }k-te Position

� :::� R

giltfx 2M : fk (x) � cg = fx 2M : f (x) 2 Bg = f�1 (B) 2 S,

und somit fk S-messbar ist.Beweisen wir die Implikation �)�, d.h. für eine messbare Abbildung f : M ! Rn

und für jedes B 2 Bn gilt f�1 (B) 2 S. Bezeichnen wir mit E das folgende Mengensystemin Rn:

E =�B � Rn : f�1 (B) 2 S

:

Die Implikation �)�ist äquivalent zur Inklusion E � Bn.Bemerken wir, dass E eine �-Algebra ist, da S eine �-Algebra ist und f�1 mit allen

Mengenoperationen vertauschbar (siehe Aufgabe 8). Bezeichnen wir mit Sn das Mengen-system von allen Quadern in Rn. Da Bn = � (Sn), so reicht es zu beweisen, dass E � Sn,d.h. dass alle Quader in E liegen.

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44 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Ein Quader Q 2 Sn heißt speziell, falls Q von der Form

Q = (�1; c1]� (�1; c2]� :::� (�1; cn]

ist für ck 2 R. Für speziellen Quader gilt

f�1 (Q) = fx 2M : f (x) 2 Qg= fx 2M : f1 (x) � c1; f2 (x) � c2; :::; fn (x) � cng

=nTk=1

ffk � ckg 2 S:

Somit liegen alle speziellen Quader in E . Daraus wird folgen, dass auch alle Quader in Eliegen, falls wir die folgende Behauptung beweisen.Behauptung. Jeder Quader lässt sich aus speziellen Quadern mit Hilfe von endlicherFolge von Operationen ���und lim erstellen.

Beweis per Induktion nach n. Für den Induktionsanfang n = 1 müssen wir beweisen,dass jedes Intervall I aus speziellen Intervallen (�1; c] mit Hilfe von endlicher Folgevon � und lim erstellbar. Betrachten wir verschiedene Typen von Intervallen. Für dasIntervall I = (�1; c] gibt es nichts zu beweisen.Für I = (a; b] mit a < b gilt I = (�1; b] � (�1; a], so dass (a; b] aus speziellen

Intervallen erstellbar.Sei I = (a; b). Wählen wir eine streng monoton steigende Folge fbkg1k=1 mit bk " b für

k !1. Dann giltI = (a; b) =

1Sk=1

(a; bk] = lim(a; bk]:

Für das Intervall I = [a; b] wählen wir eine streng monoton steigende Folge fakg1k=1 mitak " a für k !1 und erhalten

I = [a; b] =1Tk=1

(ak; b] = lim(ak; b]:

Für das Intervall I = [a; b) erhalten wir analog

I = [a; b) =1Tk=1

(ak; b) = lim (ak; b) :

Induktionsschritt von n� 1 nach n. Betrachten wir einen n-dimensionalen Quader

Q = I1 � I2 � :::� In = I �Q0;

wobei I = I1 und Q0 = I2 � :::� In (n� 1)-dimensionaler Quader ist. Nach dem Induk-tionsvoraussetzung ist Q0 aus speziellen Quadern mit Hilfe von endlicher Folge von ���und lim erstellbar. Da � mit diesen Operationen vertauschbar ist, so erhalten wir, dassI �Q0 aus den Produkten

I � (spezieller Quader)erstellbar ist. Somit können wir weiter annehmen, dass Q0 speziell ist. Da I aus speziellenIntervallen mit Hilfe von endlicher Folge von ���und lim erstellbar ist, so erhalten wir,dass I �Q0 aus den Produkten

(spezielles Intervall)�Q0 (2.1)

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2.1. MESSBARE FUNKTIONEN 45

erstellbar ist, wobei die Mengen (2.1) spezielle n-dimensionale Quader sind.

Beispiel. Seien f : M ! R eine S-messbare Funktion und C �die Cantor-Menge in R.Dann ist die Menge

f�1 (C) = fx 2M : f (x) 2 CgS-messbar, da C Borel-Menge ist (Aufgabe 20).

Satz 2.2 Seien f1; :::; fn S-messbare Funktionen M ! R und � : Rn ! R eine Borel-Function. Dann ist die Funktion

F = �(f1; :::; fn)

auch S-messbar.

In Kürze: eine Borel-Funktion von messbaren Funktionen ist messbar.

Beweis. Betrachten wir die Abbildung f :M ! Rn mit den Komponenten f1; :::; fn, d.h.

f (x) = (f1 (x) ; :::; f (xn)) 2 Rn:

Diese Abbildung ist S-messbar nach De�nition. Um die S-Messbarkeit von F zu beweisen,müssen wir zeigen, dass für alle c 2 R

fx 2M : F (x) � cg 2 S: (2.2)

Bezeichnen wir I = (�1; c]. Dann haben wir

fx 2M : F (x) � cg = fx 2M : F (x) 2 Ig= fx 2M : � (f (x)) 2 Ig=

�x 2M : f (x) 2 ��1 (I)

= f�1

���1 (I)

�:

Nach Voraussetzung ist ��1 (I) eine Borel-Menge. Nach dem Satz 2.1 erhalten wir, dass

f�1���1 (I)

�2 S;

woraus (2.2) folgt.

Beispiel. Es folgt aus dem Satz 2.2, dass die Summe f1 + f2 zweier S-messbaren Funk-tionen f1 und f2 auch S-messbar ist. Um das zu zeigen, betrachten wir die Funktion

� (z1; z2) = z1 + z2

auf R2, die o¤ensichtlich stetig und somit auch Borel ist. Dann gilt

f1 + f2 = �(f1; f2) ;

und die letzte Funktion ist S-messbar nach dem Satz 2.2.Ein direkter Beweis von S-Messbarkeit von f1 + f2 ist nicht einfach: man muss

dafür zeigen, dass die Menge ff1 + f2 � cg S-messbar ist, obwohl es keine o¤ensichtlicheBeziehung zu den Mengen ff1 � ag und ff2 � bg gibt, denen Messbarkeit gegeben ist.

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46 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Genauso beweist man, dass the folgenden Funktionen S-messbar sind:

f1f2;f1f2(falls f2 6= 0); max (f1; f2) ; min (f1; f2) ; usw.

Beispiel. Sei A1; A2; :::; An eine endliche Folge von S-messbaren Mengen. Dann alleFunktionen 1Ak sind S-messbar, woraus folgt, dass auch die Funktion

f = c11A1 + c11A2 + :::+ cn1An

für beliebige Koe¢ zienten ck 2 R S-messbar ist.De�nition. Man sagt, dass eine Folge ffkg1k=1 von Funktionen M ! [�1;+1] gegenFunktion f punktweise konvergiert und schreibt fk ! f falls für jedes x 2M gilt fk (x)!f (x) für k !1.

Satz 2.3 Sei ffkg1k=1 eine Folge von S-messbaren FunktionenM ! [�1;+1] ; die gegeneine Funktion f punktweise konvergiert. Dann ist f auch S-messbar.

Beweis. Nach De�nition von Limes

f (x) = limk!1

fk (x)

erhalten wir die folgende Äquivalenz für jedes c 2 R:

f (x) � c, 8" > 0 9m 2 N 8k � m fk (x) � c+ ":

O¤ensichtlich reicht es nur die Werte " = 1nmit n 2 N zu betrachten, so dass

f (x) � c, 8n 2 N 9m 2 N 8k � m fk (x) � c+1

n:

Diese logische Äquivalenz lässt sich in eine Gleichheit von Mengen wie folgt umwandeln:

ff � cg =1Tn=1

1Sm=1

1Tk=m

�fk � c+

1

n

�;

wobei der Allquantor 8 sich in den Schnitt \ verwandelt, und der Existenzquantor 9 �indie Vereinigung [.Da jede Mengen ffk � c+ 1=ng in S liegt und S eine �-Algebra ist, so erhalten wir,

dass auch ff � cg in S liegt, was zu beweisen war.27.11.19

Korollar 2.4 Sei ffkg1k=1 eine Folge von Funktionen Rn ! [�1;+1], die punktweisegegen eine Funktion f konvergiert. Sind alle fk Borel-Funktionen (bzw Lebesgue-messbar),so ist auch f Borel-Funktion (bzw Lebesgue-messbar).

Beweis. Diese Aussage folgt aus dem Satz 2.3 mit S = Bn bzw S =Mn.

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2.2. LEBESGUE-INTEGRAL VON ELEMENTARFUNKTIONEN 47

2.2 Lebesgue-Integral von Elementarfunktionen

Sei (M;S; �) ein Maßraum, d.h. M ist eine Grundmenge M , S ist eine �-Algebra in M ,und � ist ein Maß� auf S.De�nition. Eine function f :M ! R heißt Elementarfunktion wenn

f =nXk=1

ak1Ak ; (2.3)

wobei n 2 N; ak 2 [0;+1); Ak 2 S; d.h. f ist eine endliche lineare Kombination vonIndikatorfunktionen von messbaren Mengen mit nichtnegativen Koe¢ zienten.

Wie wissen schon, dass jede Elementarfunktion S-messbar ist.De�nition. Für Elementarfunktion der Form (2.3) de�nieren wir das Lebesgue-IntegralRMfd� mit Z

M

fd� :=

nXk=1

ak� (Ak) : (2.4)

Da ak 2 [0;1) und � (Ak) 2 [0;1], das Produkt ak� (Ak) ist Element von [0;1]. FürMultiplikation mit 1 benutzen wir immer die folgende Regel:

a � 1 =

�1; a > 0;0; a = 0:

Die Summe a + 1 ist immer gleich 1 für alle a � 0. Mit diesen De�nitionen vonOperationen mit 1 erfüllen Addition und Multiplication von Elementen von [0;1] alleüblichen Gesetze (kommutativ, assoziativ und distributiv).Zum Beispiel, für f = a1A erhalten wir nach (2.4)Z

M

fd� = a� (A) :

Beispiel. Betrachten wir auf dem Intervall [0; 1] die Dirichlet-Funktion

f (x) =

�1; x 2 Q;0; x =2 Q:

Diese Funktion ist nicht Riemann-integrierbar, da jede untere Darboux-Summe gleich 0ist, während jede obere Darboux-Summe gleich 1 ist. Andererseits ist die Funktion f eineElementarfunktion, da f = 1A wobei A = Q \ [0; 1] eine Borel-Menge ist. Somit ist dasLebesgue-Integral de�niert und Z

[0;1]

f d� = � (A) = 0:

Bemerkung. Die NotationRMfd� soll als Gesamtheit angenommen werden, da wir den

Begri¤ d� separat nicht de�nieren. Eine andere Bezeichnung für das Integral ist � (f).Damit wird es betont, dass � als ein Funktional auf Funktionen betrachtet wird. Da

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48 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

� (1A) = � (A), bedeutet es, dass wir die Funktion � von Mengen zu Indikatorfunktio-nen übertragen und danach weiter zu linearen Kombinationen von Indikatorfunktionenerweitern. In Wahrscheinlichkeitstheorie bezeichnet man das Maßmit P und das Integralbezüglich P mit E (Erwartungswert). Wir benutzen die traditionelle Bezeichnung

RMfd�

da sie bestimmte Vorteile für Integration in Rn hat.Wir beweisen unterhalb Eigenschaften von Integration von Elementarfunktionen, aber

zunächst beweisen wir, dass das Integral mit (2.4) wohlde�niert ist, d.h. der Wert desIntegrals unabhängig von der Wahl der Darstellung (2.4) its.

Satz 2.5 Seien f =P

k ak1Ak und g =P

l bl1Bl zwei Elementarfunktionen. Gilt f � gauf M so gilt X

k

ak� (Ak) =Xl

bl� (Bl) : (2.5)

Somit ist der Wert des Integrals (2.4) unabhängig von der Darstellung von f in der Form(2.4).

Für den Beweis brauchen wir das folgende Lemma.

Lemma 2.6 Sei fCigni=1 eine endliche Folge von S-messbaren Mengen.

(a) Es existiert eine Zerlegung

M =NFj=1

Dj (2.6)

von M in eine disjunkte Folge fDjg von S-messbaren Mengen so dass jede MengeCi eine Vereinigung von einigen Mengen Dj ist.

(b) Für jede Folge fcigni=1 von nichtnegativen reellen Zahlen existiert eine Folge fdjgNj=1

von nichtnegativen reellen Zahlen mit N = 2n und

nXi=1

ci1Ci �NXj=1

dj1Dj (2.7)

undnXi=1

ci� (Ci) =

NXj=1

dj� (Dj) : (2.8)

Es folgt aus diesem Lemma, dass die Folge fAkg in der De�nition (2.3) von Elemen-tarfunktion f als Zerlegung von M gewählt werden kann, ohne weder f noch

Rfd� zu

ändern.Beweis. (a) Beweisen wir die Existenz der Zerlegung (2.6) per Induktion nach n (sieheauch Aufgabe 14). Für n = 1 setzen wir

D1 = C1 und D2 = Cc1

so dass N = 2 = 2n: Induktionsschritt von n nach n + 1. Gegeben sei die ZerlegungfDjgNj=1 für die Folge fCig

ni=1, de�nieren wir die Zerlegung fEjg

2Nj=1 für die Folge fCig

n+1i=1

wie folgt: für jedes j = 1; :::; N setzen wir

E2j = Dj \ Cn+1 und E2j�1 = Dj \ Ccn+1:

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2.2. LEBESGUE-INTEGRAL VON ELEMENTARFUNKTIONEN 49

Dann gilt

M =2NFj=1

Ej;

jedes Dj ist gleich E2j tE2j�1 und somit lässt jedes Ci mit i � n sich als eine Vereinigungvon einigen Mengen Ej darstellen. Darüber hinaus gilt

Cn+1 =NSj=1

(Dj \ Cn+1) =NSj=1

E2j:

(b) Gegeben sei die Zerlegung (2.6), de�nieren wir �ij für alle Paare (i; j) wie folgt

�ij =

�1; falls Ci � Dj;0; sonst.

Jede Menge Ci ist eine disjunkte Vereinigung von jenen Dj, die Teilmengen von Ci sind,d.h.

Ci =G

fj:�ij=1g

Dj;

woraus folgt� (Ci) =

Xfj:�ij=1g

� (Dj) =Xj

�ij� (Dj)

und1Ci =

Xfj:�ij=1g

1Dj =Xj

�ij1Dj :

Setzen wir

dj =nXi=1

�ijci:

Dann haben wir

Xi

ci� (Ci) =Xi

ciXj

�ij� (Dj) =Xj

Xi

�ijci

!� (Dj) =

Xj

dj� (Dj)

und Xi

ci1Ci =Xi

ciXj

�ij1Dj =Xj

Xi

�ijci

!1Dj =

Xj

dj1Dj ;

was zu beweisen war.

Beweis von dem Satz 2.5. Nach dem Lemma 2.6 gibt es eine Zerlegung (2.6), die dieGesamtfolge

fCig = fAk; Blgk;lbedient, d.h. jede Ak und Bl eine Vereinigung von einigen Mengen Dj ist.Da

f =Xk

ak1Ak +Xl

01Bl und g =Xk

01Ak +Xl

bl1Bl :

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50 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

so existieren die Folgen fdjg und�d0jmit

f =Xj

dj1Dj und g =Xj

d0j1Dj (2.9)

und Xk

ak� (Ak) =Xj

dj� (Dj) undXl

bl� (Bl) =Xj

d0j� (Dj) : (2.10)

Wir können annehmen, dass alle Dj nicht leer sind, da sonst die leeren Mengen Dj sichaus der Folge fDjg entfernen lassen ohne (2.9) oder (2.10) zu stören. Für alle x 2 Dj giltnach (2.9)

f (x) = dj und g (x) = d0j: (2.11)

Da f (x) � g (x), so folgt es dass dj = d0j für alle j. Somit folgt (2.5) aus (2.10).

Lemma 2.7 Seien f; g zwei Elementarfunktionen. Dann gilt folgendes.

(a) (positive Linearität) Für jedes c 2 [0;1) ist cf + g Elementarfunktion undZM

(cf + g) d� = c

ZM

fd�+

ZM

gd�:

(b) (Monotonizität) Gilt f � g so gilt auchZM

fd� �ZM

gd�:

Beweis. (a) Seien f =P

k ak1Ak und g =P

l bl1Bl. Dann haben wir

cf + g =Xk

cak1k +Xl

bl1Bl

und somit ZM

(cf + g) d� =Xk

cak� (Ak) +Xl

bl� (Bl) = c

ZM

fd�+

ZM

gd�:

(b) Stellen wir f und g in der Form (2.9) dar. Die Voraussetzung f (x) � g (x) und(2.11) ergeben dj � d0j, woraus folgtZ

M

fd� =Xj

dj� (Dj) �Xj

d0j� (Dj) =

ZM

gd�:

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2.3. INTEGRAL VON NICHTNEGATIVEN FUNKTIONEN 51

2.3 Integral von nichtnegativen Funktionen

2.3.1 De�nition von Lebesgue-Integral

De�nition. Sei f eine nichtnegative Funktion aufM , d.h. f :M ! [0;1] : Das Lebesgue-Integral von f bezüglich des Maßes � wird wie folgt de�niert:Z

M

fd� = sup

�ZM

'd� : ' ist Elementarfunktion und ' � f

�: (2.12)

Der Wert vonRMfd� liegt o¤ensichtlich in [0;1]. Ist f eine Elementarfunktion,

so ist die Gleichheit (2.12) nicht De�nition sondern eine Aussage, die gilt, da für alleElementarfunktionen ' � f gilt Z

M

'd� �ZM

fd�;

und die Gleichheit hier für ' = f erfüllt ist. Somit für Elementarfunktion f stimmt dieDe�nition (2.12) von Integral mit früherer De�nition (2.4) überein.

Lemma 2.8 Seien f; g zwei nichtnegative Funktionen auf M .

(a) (positive Homogenität) Für alle c 2 [0;1) giltZM

(cf) d� = c

ZM

fd� (2.13)

(b) (Monotonizität) Gilt f � g, so gilt auchZM

fd� �ZM

gd�: (2.14)

(c) Es gilt ZM

(f + g) d� �ZM

fd�+

ZM

gd�: (2.15)

Beweis. (a) Im Fall c = 0 sind die beiden Seiten von (2.13) gleich 0. Im Fall c > 0 giltdie Bedingung ' � f in (2.12) genau dann, wenn c' � cf . Somit folgt (2.13) aus (2.12)und aus Lemma 2.7.(b) Jede Elementarfunktion ' aus (2.12) erfüllt auch ' � g. Somit gilt nach De�nition

von Integral von g, dass ZM

gd� �ZM

'd�:

Da dies für alle ' aus (2.12) gilt, so erhalten wir (2.14).(c) Da für alle Elementarfunktionen ' � f und � g gilt '+ � f + g, so erhalten

wir ZM

(f + g) d� �ZM

('+ ) d� =

ZM

'd�+

ZM

d�

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52 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

woraus (2.15) folgt.

O¤ensichtlich fehlt im Lemma 2.8 die IdentitätZM

(f + g) d� =

ZM

fd�+

ZM

gd�; (2.16)

stattdessen haben wir die Ungleichung (2.15) bewiesen. Bemerken wir, dass die S-Messbarkeit von Funktionen noch nicht benutzt wurde. In der Tat gilt die Identität(2.16) für S-messbare Funktionen f und g, aber der Beweis davon ist komplizierter undwird später im Satz 2.15 gegeben.Jetzt besprechen wir die Beziehung zwischen den Lebesgue- und Riemann-Integralen.

Satz 2.9 Sei M = [a; b] mit reellen a < b und � = � das Lebesgue-Maßauf [a; b]. Seif � 0 eine Riemann-integrierbare Funktion auf [a; b]. Dann stimmt das Lebesgue-IntegralR[a;b]

fd� mit dem Riemann-IntegralR baf (x) dx überein.

29.11.19Beweis. Sei Z = fxkgnk=0 eine Zerlegung von [a; b] d.h.

a = x0 < x1 < x2 < ::: < xn = b:

Setzen wir�k = inf

[xk�1;xk]f; �k = sup

[xk�1;xk]f

und betrachten die Darboux-Summen

UZ (f) =nXk=1

�k (xk � xk�1) ; OZ (f) =nXk=1

�k (xk � xk�1) :

Dann gilt für das Riemann-IntegralZ b

a

f (x) dx = limm(Z)!0

UZ (f) = limm(Z)!0

OZ (f) (2.17)

wobei m (Z) = maxk (xk � xk�1) :Betrachten wir die Elementarfunktionen

'Z =nXk=1

�k1(xk�1;xk) und Z =nXk=1

�k1[xk�1;xk]:

Für diese Funktionen gilt'Z � f � Z

und somit Z[a;b]

'Zd� �Z[a;b]

fd� �Z[a;b]

Zd�:

O¤ensichtlich haben wirZ[a;b]

'Zd� =nXk=1

�k�(xk�1; xk) = UZ (f) ;Z[a;b]

Zd� =nXk=1

�k� [xk�1;xk] = OZ (f) ;

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2.3. INTEGRAL VON NICHTNEGATIVEN FUNKTIONEN 53

woraus folgt

UZ (f) �Z[a;b]

fd� � OZ (f) :

Für m (Z)! 0 erhalten wir die IdentitätZ[a;b]

f d� =

Z b

a

f (x) dx:

2.3.2 Lemma von Fatou

Vor demBeweis von (2.16) beweisen wir die wichtigen Eigenschaften von Integral bezüglichpunktweiser Konvergenz.

Satz 2.10 (Lemma von Fatou I) Sei ffkg eine Folge von nichtnegativen S-messbarenFunktionen auf M die gegen eine Funktion f punktweise konvergiert. Gilt für ein C � 0und alle k � 1 die Ungleichung Z

M

fk d� � C; (2.18)

so gilt auch ZM

f d� � C: (2.19)

Die Aussage gilt trivialerweise auch für C =1.Man kann vermuten, dass unter bestimmten Bedingungen die punktweise Konvergenz

fk ! f auch die Konvergenz von Integralen ergibt:ZN

fkd�!ZM

fd�: (2.20)

Solche Behauptungen heißen Konvergenzsätze, und sie werden später ausführlich betra-chtet werden. Die Konvergenz fk ! f allein ohne zusätzliche Bedingung impliziert (2.20)nicht, und man kann nur die obere Abschätzung (2.19) behaupten.

Beispiel. Betrachten auf M = [0; 1] die Funktionen

fk = k1[ 1k; 2k]

wobei k = 2; 3; :::: O¤ensichtlich gilt für das Lebesgue-Maß� = �ZM

fkd� = k�

�[1

k;2

k]

�= 1

undfk (x)! f (x) � 0 für alle x 2 [0; 1] :

Somit haben wir ZM

fd� < limk!1

ZM

fkd�:

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54 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Lemma von Fatou ist der erste Schritt zu den Konvergenzsätzen.

Beweis von Satz 2.10. Die Funktion f ist auch nichtnegativ und messbar (Satz 2.3).Da Z

M

fd� = sup

�ZM

'd� : ' � f

�wobei ' beliebige Elementarfunktion ist, so müssen wir folgendes beweisen: für Elemen-tarfunktionen ' gilt

' � f auf M )ZM

'd� � C; (2.21)

woraus (2.19) folgen wird. Es reicht folgendes zu beweisen:

' < f auf f' > 0g )ZM

'd� � C (2.22)

(bemerken wir, dass auf der Menge f' = 0g trivialerweise ' � f gilt). In der Tat, ist(2.22) schon bekannt, so gilt für jede Elementarfunktion ' und jedes " 2 (0; 1) dass

' � f auf M ) (1� ")' < f auf f' > 0g ;

und somit nach (2.22) ZM

(1� ")'d� � C: (2.23)

Für "! 0 erhalten wir (2.21).Beweisen wir jetzt (2.22). Sei ' eine Elementarfunktion mit ' < f auf der Menge

A := f' > 0g :

Da ' Elementarfunktion ist, so nimmt ' nur endlich viele Werte, woraus folgt, dassmaxA ' und minA ' existieren und positiv sind, was später benutzt wird.Da f (x) = lim fk (x) für alle x 2M , so erhalten wir

limk!1

fk (x) > ' (x) für alle x 2 A:

Nach der De�nition von lim gilt

8x 2 A 9n 2 N 8k � n fk (x) > ' (x) : (2.24)

Für jedes n 2 N betrachten wir die Menge

An = fx 2 A : 8k � n fk (x) > ' (x)g (2.25)

= A \Tk�n

ffk � ' > 0g :

Die Menge An ist S-messbar als ein abzählbarer Schnitt von S-messbaren Mengen A =f' > 0g und ffk � ' > 0g, da die Funktionen ' und fk � ' S-messbar ist.Die Folge fAng1n=1 ist o¤ensichtlich monoton steigend und es gilt nach (2.24) und

(2.25), dass1Sn=1

An = A: (2.26)

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2.3. INTEGRAL VON NICHTNEGATIVEN FUNKTIONEN 55

Insbesondere gilt� (An)! � (A) für n!1:

Wir werden unterhalb beweisen, dass

� (A) <1: (2.27)

Ist (2.27) schon bewiesen, dann erhalten wir

� (A� An) = � (A)� � (An)! 0 für n!1: (2.28)

Es folgt aus (2.25), dassfn > ' auf An

und somitfn � 1An' auf M: (2.29)

Da' = 1A' = 1An'+ 1A�An'

und 1E' für alle S-messbaren Mengen E Elementarfunktion ist, so erhalten wir nachLemma 2.7, (2.29), (2.12), (2.18) dassZ

M

'd� =

ZM

1An'd�+

ZM

1A�An'd�

�ZM

fnd�+

ZM

(max')1A�And�

� C + (max')� (A� An) :

Für n!1 erhalten wir nach (2.28), dassZM

'd� � C;

was zu beweisen war.Es bleibt noch (2.27) zu beweisen. Setzen wir

a := minA' > 0:

Da An � A, so gilt ' � a auf An und somit nach (2.29)

fn � a1An auf M;

woraus folgt ZM

fnd� �ZM

a1And� = a� (An) :

Diese Ungleichung zusammen mit (2.18) ergibt

� (An) �C

a;

woraus folgt

� (A) = limn!1

� (An) �C

a<1;

was zu beweisen war.

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56 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

2.3.3 Konvergenzsätze

Satz 2.11 (Satz von der monotonen Konvergenz) Sei ffng eine Folge von nichtnega-tiven S-messbaren Funktionen die gegen eine Funktion f punktweise konvergiert. Ist ffngmonoton steigend, so gilt

limn!1

ZM

fn d� =

ZM

fd�: (2.30)

Beweis. Setzen wirC = lim

ZM

fnd�;

wobei der Grenzwert existiert da die Folge�R

Mfn d�

monoton steigend ist. Es folgt,

dass für alle n 2 N ZM

fnd� � C:

Nach dem Satz 2.10 erhalten wir ZM

fd� � C:

Andererseits, da f � fn so gilt ZM

fd� �ZM

fnd�;

woraus folgt für n!1, dass ZM

f d� � C:

Somit gilt ZM

fd� = C;

was zu beweisen war.

Satz 2.12 (Lemma von Fatou II) Sei ffng eine Folge von nichtnegativen S-messbarenFunktionen auf M . Dann giltZ

M

�lim infn!1

fn

�d� � lim inf

n!1

ZM

fnd�: (2.31)

Beweis. Nach der De�nition von lim inf haben wir

f (x) := lim infn!1

fn (x) = limn!1

infk�n

fk (x) = limn!1

gn (x) ;

wobeign (x) := inf

k�nfk (x) = lim

m!1min (fn (x) ; fn+1 (x) ; :::; fm (x)) :

Die Funktion gn ist S-messbar da gn auf den Funktionen fk mit Hilfe von Operationenmin und lim erstellbar ist (siehe auch die Aufgabe 48). Die Folge fgng ist o¤ensichtlichmonoton steigend und konvergiert punktweise gegen f: Nach dem Satz 2.11 erhalten wirZ

M

fd� = limn!1

ZM

gnd�:

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2.3. INTEGRAL VON NICHTNEGATIVEN FUNKTIONEN 57

Da gn � fn, so folgt es

limn!1

ZM

gnd� � lim infn!1

ZM

fnd�;

woraus (2.31) folgt.

Satz 2.13 (Satz von der einseitigen Konvergenz) Sei ffng eine Folge von nichtnegativenS-messbaren Funktionen die gegen eine Funktion f punktweise konvergiert. Gilt für allen dass fn � f auf M , so gilt

limn!1

ZM

fn d� =

ZM

fd�: (2.32)

Beweis. Nach dem Satz 2.12 giltZM

fd� =

ZM

(lim fn) d� � lim infn!1

ZM

fnd�:

Andererseits, da f � fn, so giltZM

fd� � lim supn!1

ZM

fnd�:

Es folgt, dass

lim supn!1

ZM

fnd� =

ZM

fd� = lim infn!1

ZM

fnd�;

woraus auch (2.32) folgt.04.12.19

2.3.4 Positive Linearität von Integral

Für den Beweis von positiver Linearität (2.16) brauchen wir die folgende Aussage.

Lemma 2.14 Für jede S-messbare Funktion f : M ! [0;1] gibt es eine Folge f'ngn2Nvon Elementarfunktionen mit

'n � f und 'n ! f auf M; (2.33)

wobei die Konvergenz punktweise ist. Folglich gilt für jede solche Folge die Identität

limn!1

ZM

'nd� =

ZM

fd�: (2.34)

Beweis. O¤ensichtlich folgt (2.34) aus (2.33) nach dem Satz 2.13.Um eine Folge f'ng zu konstruieren, �xieren wir zunächst eine Folge fqngn2N von

natürlichen Zahlen so dass qnn%1 für n!1 (z.B. qn = n2). Für jedes n 2 N de�nieren

wir die Mengen

Ak =

�x 2M :

k

n� f (x) <

k + 1

n

�; k = 0; 1; :::; qn � 1;

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58 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

undAqn =

nx 2M : f (x) � qn

n

o:

O¤ensichtlich sind alle Ak S-messbar und die Folge fAkgqnk=0 ist eine Zerlegung von M .Betrachten wir die Elementarfunktion

'n =

qnXk=0

k

n1Ak ; (2.35)

d.h.

'n (x) =

�kn; falls k

n� f (x) < k+1

nmit 0 � k � qn � 1;

qnn; falls f (x) � qn

n:

Beweisen wir jetzt (2.33) d.h. für jedes x 2M gilt

'n (x) � f (x) und 'n (x)! f (x) : (2.36)

Dafür betrachten wir zwei Fälle.1. Gilt f (x) <1, so gilt f (x) < qn

nfür alle große n. Für solche n gilt k

n� f (x) < k+1

n

für ein k < qn und somit auch 'n (x) =kn, woraus folgt

0 � f (x)� 'n (x) <k + 1

n� k

n=1

n

und auch (2.36).2. Gilt f (x) = 1, so gilt f (x) > qn

nund somit 'n (x) =

qnnfür alle n, was (2.36)

ergibt.

Im Fall wenn f endlich ist (d.h. f :M ! [0;1)) sieht man aus dem Beweis dass manin der De�nition (2.35) von 'n auf Aqn verzichten kann. Es folgt dann aus (2.34), dassZ

M

fd� = limn!1

qn�1Xk=0

k

n�

�k

n� f <

k + 1

n

�: (2.37)

Die Identität (2.37) kann man als eine alternative De�nition von dem Lebesgue-Integralbetrachten. Die Summe in der rechten Seite von (2.37) heißt die Lebesgue-Summe.

Satz 2.15 Für nichtnegative S-messbare Funktionen f; g auf M giltZM

(f + g) d� =

ZM

fd�+

ZM

gd�:

Beweis. Nach dem Lemma 2.14 existieren zwei Folgen f'ng und f ng von Elementar-funktionen mit

'n � f; 'n ! f

und n � g; n ! g:

Dann f'n + ng ist auch eine Folge von Elementarfunktionen, und zwar mit

'n + n � f + g; 'n + n ! f + g:

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2.4. LEBESGUE-INTEGRIERBARE FUNKTIONEN 59

Nach dem Satz 2.13 und Lemma 2.7 erhalten wirZM

(f + g) d� = limn!1

ZM

('n + n) d�

= limn!1

�ZM

'nd�+

ZM

nd�

�=

ZM

fd�+

ZM

gd�:

2.4 Lebesgue-integrierbare Funktionen

Sei (M;S; �) ein Maßraum.Jetzt de�nieren wir das Lebesgue-Integral von signierten Funktionen. Für jede Funk-

tion f :M ! R setzen wir

f+ (x) =

�f (x) ; falls f (x) � 00; falls f (x) < 0

und f� (x) =

�0; falls f (x) � 0�f (x) ; falls f (x) < 0

:

Die Funktion f+ heißt der positive Teil von f und f� heißt der negative Tail von f . Diebeiden Funktionen f+ und f� sind nichtnegativ und erfüllen die Identitäten

f = f+ � f� und jf j = f+ + f�;

woraus folgen

f+ =jf j+ f

2und f� =

jf j � f

2:

Ist f S-messbar, so ist auch jf j S-messbar da jf j = �(f) mit der Borel-Funktion � (t) =jtj : Daraus folgt, dass auch f+; f� S-messbar sind, da f+; f� die linearen Kombinationenvon f und jf j sind.Da die Funktionen jf j ; f+; f� S-messbar und nichtnegativ sind, so sind ihre Lebesgue-

Integrale de�niert und es giltZM

jf j d� =ZM

f+d�+

ZM

f�d�: (2.38)

De�nition. Eine Funktion f : M ! [�1;+1] heißt Lebesgue-integrierbar bezüglich �(oder �-integrierbar) falls f S-messbar ist undZ

M

jf j d� <1: (2.39)

Nach (2.38) ist die Bedingung (2.39) äquivalent zuZM

f+d� <1 undZM

f�d� <1: (2.40)

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60 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Somit ist die Integrierbarkeit von f äquivalent zu (2.40).

De�nition. Für jede �- integrierbare Funktion f de�nieren wir ihres Lebesgue-Integralmit Z

M

fd� :=

ZM

f+d��ZM

f�d�: (2.41)

Der Wert vonRMfd� ist somit eine reelle Zahl.

Ist f nichtnegativ und S-messbar, so ist f genau dann integrierbar, wennZM

fd� <1:

Da f+ = f , f_ = 0; so stimmt die De�nition (2.41) mit der vorhandenen De�nition desIntegrals überein.

Beispiel. Sei f eine stetige Funktion auf [a; b]. Beweisen wir, dass f auch Lebesgue-integrierbar bezüglich des Lebesgue-Maßes � = � auf [a; b] ist. Da jf j nichtnegativ undstetig ist, so stimmen ihre Lebesgue- und Riemann-Integrale überein. Daraus folgt, dassf integrierbar ist und es giltZ

[a;b]

f d� =

Z[a;b]

f+ d��Z[a;b]

f� d� =

Z b

a

f+ (x) dx�Z b

a

f� (x) dx =

Z b

a

f (x) dx:

Später beweisen wir, dass jede Riemann-integrierbare Funktion auch Lebesgue-integrierbarist und ihre Lebesgue- und Riemann-Integrale übereinstimmen.

Satz 2.16 Seien f und g integrierbare Funktionen auf M:

(a) Für jedes c 2 R ist auch cf integrierbar und es giltZM

cfd� = c

ZM

fd�: (2.42)

(b) Die Funktion f + g ist integrierbar und es giltZM

(f + g) d� =

ZM

fd�+

ZM

gd�: (2.43)

(c) Gilt f � g auf M so gilt auch ZM

fd� �ZM

gd�:

Beweis. (a) Die Funktion cf ist integrierbar daZM

jcf j d� = jcjZM

jf j d� <1:

Beweisen wir (2.42). Für c = 0 sind die beiden Seiten gleich 0. Für c > 0 gelten

(cf)+ = cf+ und (cf)� = cf�;

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2.4. LEBESGUE-INTEGRIERBARE FUNKTIONEN 61

und nach dem Lemma 2.8ZM

cfd� =

ZM

cf+d��ZM

cf�d� = c

ZM

f+d�� c

ZM

f�d� = c

ZM

fd�:

Für c = �1 gelten(�f)+ = f� und (�f)� = f+

woraus folgt ZM

(�f) d� =ZM

f�d��ZM

f+d� = �ZM

fd�:

Für beliebiges c < 0 erhalten wirZM

cfd� =

ZM

(� jcj f) d� = �ZM

jcj fd� = � jcjZM

fd� = c

ZM

fd�:

(b) Nach der Dreiecksungleichung

jf + gj � jf j+ jgjerhalten wir Z

M

jf + gj d� �ZM

jf j d�+ZM

jgj d� <1;

so dass f + g integrierbar ist.Für den Beweis von (2.43) bemerken wir zunächst, dass (f + g)+ nicht unbedingt

gleich f+ + g+ ist, so dass das Argument aus (a) in diesem Fall nicht funktioniert. Wirhaben

f+ + g+ � (f� + g�) = f + g = (f + g)+ � (f + g)�und somit

f+ + g+ + (f + g)� = (f + g)+ + f� + g�:

Alle Funktionen here sind messbar und nichtnegativ, und nach dem Satz 2.15 giltZM

f+d�+

ZM

g+d�+

ZM

(f + g)� d� =

ZM

(f + g)+ d�+

ZM

f�d�+

ZM

g�d�:

Es folgt daraus, daZM

(f + g) d� =

ZM

(f + g)+ d��ZM

(f + g)� d�

=

ZM

f+d�+

ZM

g+d��ZM

f�d��ZM

g�d�

=

ZM

fd�+

ZM

gd�:

(c) Es folgt aus der Identität g = (g � f) + f und aus g � f � 0, dassZM

g d� =

ZM

(g � f) d�+

ZM

f d� �ZM

f d�:

Bemerkung. Somit haben wir den Begri¤von Lebesgue-IntegralRMfd� für zwei Klassen

von Funktionen f de�niert:

1. für nichtnegative Funktionen f , so dassRMfd� 2 [0;1];

2. für integrierbare Funktionen f , so dassRMfd� 2 R:

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62 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

2.5 Integration über Teilmengen

Seien (M;S; �) ein Maßraum und A eine nichtleere S-messbare Teilmenge von M . Be-trachten wir in A eine �-Algebra SA = S \P (A) und die Restriktion �A = �jSA von Maß� auf SA; so dass (A;SA; �A) auch ein Maßraum ist. Somit ist der Begri¤ von Lebesgue-Integral über A bezüglich des Maßes �A de�niert. Ist f eine nichtnegative Funktion aufM , so de�nieren wir das Integral von f über A bezüglich � mitZ

A

f d� :=

ZA

f jA d�A:

Lemma 2.17 Sei f eine nichtnegative S-messbare Funktion auf M: Dann gilt die Iden-tität Z

A

f d� =

ZM

f1A d�: (2.44)

11.12.19Bemerkung. Im Fall A = ; ist die rechte Seite von (2.44) gleich 0 so dass die linke Seiteauch als 0 de�niert wird, d.h. Z

;fd� := 0:

Beweis. Wir müssen beweisen, dassZA

f jA d�A =ZM

f1A d�:

Setzen wir g := f1A und bemerken, dass g S-messbar ist und f jA = gjA. Somit reicht eszu beweisen, dass Z

A

gjA d�A =ZM

g d�; (2.45)

vorausgesetzt, dassg = 0 auf Ac:

Sei zunächst g eine Elementarfunktion, d.h.

g =Xk

bk1Bk (2.46)

mit bk 2 [0;1) und Bk 2 S. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir an-nehmen, dass die Mengen Bk disjunkt sind und alle bk verschieden und positiv sind.Dann gilt g > 0 auf Bk; woraus folgt Bk � A. Somit stellt die Identität (2.46) eineElementarfunktion auch im Maßraum (A;SA; �A) dar, woraus folgt, dassZ

A

gjA d�A =Xk

bk�A (Bk) =Xk

bk� (Bk) =

ZM

g d�:

Sei jetzt g eine beliebige nichtnegative S-messbare Funktion mit g = 0 auf Ac. Sei f'kgeine Folge von Elementarfunktionen auf M mit

'k � g und 'k ! g;

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2.5. INTEGRATION ÜBER TEILMENGEN 63

die nach Lemma 2.14 existiert. Dann gilt 'k = 0 auf Ac, und nach dem ersten Teil von

Beweis erhalten wir ZA

'kjA d�A =ZM

'kd�:

Da die Folge f'kjAg gegen gjA punktweise konvergiert und von gjA beschränkt ist, soerhalten wir nach dem Satz 2.13 dassZ

A

gjA d� = limk!1

ZA

'kjA d�A = limk!1

ZM

'kd� =

ZM

g d�:

Beispiel. Sei M = (a; b) mit a; b 2 [�1;+1], a < b. Sei � = �. Sei f eine nichtnegativemessbare Funktion auf M . Betrachten wir eine streng monoton fallende Folge fang undeine streng monoton steigende Folge fbng mit

an & a und bn % b:

Die Folgefn = 1[an;bn]f

ist monoton steigend und konvergiert punktweise gegen f , woraus folgt nach dem Satzvon der monotonen Konvergenz (Satz 2.11) und Lemma 2.17 dassZ

(a;b)

fd� = limn!1

Z(a;b)

1[an;bn]fd� = limn!1

Z[an;bn]

fd�:

Sei Funktion f stetig auf (a; b). Wir wissen schon, dassZ[an;bn]

fd� =

Z bn

an

f (x) dx;

woraus folgt Z(a;b)

fd� = limn!1

Z bn

an

f (x) dx =

Z b

a

f (x) dx;

wobei das letzte Integral das uneigentliche Riemann-Integral ist. Somit stimmen dasLebesgue-Integral und das uneigentliche Riemann-Integral überein.

Satz 2.18 Sei f eine nichtnegative S-messbare Funktion aufM . De�nieren wir die Funk-tion � : S ! [0;+1] mit

� (A) :=

ZA

f d�: (2.47)

Dann ist � ein Maßauf S.

Beispiel. Jede nichtnegative stetige Funktion f auf dem Intervall (0; 1) bestimmt einneues Maß� in (0; 1) mit Hilfe von (2.47) mit � = �. Zum Beispiel, für die Funktionf = 1

xgilt es für jedes Intervall [a; b] � (0; 1), dass

� ([a; b]) =

Z[a;b]

f d� =

Z b

a

1

xdx = ln

b

a:

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64 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Beweis. Es gilt � (;) = 0 nach De�nition. Beweisen wir, dass � �-additiv ist, d.h. fürjede disjunkte Folge fAng von messbaren Mengen und für

A =1Fn=1

An (2.48)

gilt ZA

f d� =

1Xn=1

ZAn

f d�: (2.49)

Nach Lemma 2.17 ist (2.49) äquivalent zuZM

1Afd� =1Xn=1

ZM

1Anfd�:

Die Bedingung (2.48) ergibt

1A =

1Xn=1

1An

und somit

1Af =1Xn=1

1Anf

wobei die Reihen punktweise konvergieren. Da die Folge von partiellen Summen

SN :=NXn=1

1Anf

monoton steigend ist und SN ! 1Af punktweise, so erhalten wir nach dem Satz von dermonotonen Konvergenz (Satz 2.11), dassZ

M

1Afd� = limN!1

ZM

SNd� = limN!1

NXn=1

ZM

1Anfd� =1Xn=1

ZM

1Anfd�;

was zu beweisen war.

Jetzt betrachten wir Integration über Teilmengen von signierten Funktionen.

Satz 2.19 Sei f eine �-integrierbare Funktion auf M .

(a) Sei A 2 S eine nichtleere Menge. Dann die Funktion f jA ist �A-integrierbar und esgilt Z

A

f jAd�A =ZM

1Af d�: (2.50)

Bemerkung. Wir setzen ZA

f d� :=

ZA

f jAd�A

für nichtleere Menge A undRAfd� = 0 für A = ;:

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2.6. DER BEGRIFF �FAST ÜBERALL� 65

(b) De�nieren wir die Funktion � : S ! R mit

� (A) :=

ZA

f d�:

Dann ist � �-additiv.

Da � (;) = 0 und � �-additiv ist, so ist � ein signiertes Maß.Beweis. (a) Die Funktion f jA ist in A integrierbar, da nach dem Lemma 2.17Z

A

jf jAj d�A =ZA

jf j jAd�A =ZM

1A jf j d� �ZM

jf j d� <1:

Wieder mit Hilfe von dem Lemma 2.17 erhalten wirZA

f jAd�A =

ZA

(f jA)+ d�A �ZA

(f jA)� d�A

=

ZM

1Af+d��ZM

1Af�d�

=

ZM

1Af d�:

(b) Die beiden Funktion f+, f� sind nichtnegativ und integrierbar. Sei fAngn2N einedisjunkte Folge von messbaren Mengen und

A =1Gn=1

An:

Nach dem Satz 2.18 erhalten wir

� (A) =

ZA

f d� =

ZA

f+ d��ZA

f� d�

=1Xn=1

ZAn

f+ d��1Xn=1

ZAn

f�d�

=1Xn=1

�ZAn

f+ d��ZAn

f� d�

�=

1Xn=1

ZAn

f d� =1Xn=1

� (An) ;

was zu beweisen war.

2.6 Der Begri¤ �fast überall�

De�nition. Sei E = E (x) eine Aussage, die von x 2 M abhängt. Man sagt, dass E�-fast überall gilt (kurz: �-f:�u: oder f:�u:), falls die Menge

N = fx 2M : E (x) ist falschg

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66 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

eine Nullmenge ist.

Z.B. seien f; g two Funktionen M ! [�1;+1]. Man sagt, dass f und g gleich f:�u:sind und schreibt f = g f:�u:, falls die Gleichheit f = g fast überall gilt, d.h. die Mengefx 2M : f (x) 6= g (x)g eine Nullmenge ist.

Lemma 2.20 (a) Seien E und F zwei von x abhängige Aussagen. Gelten E f:�u: undE ) F , so gilt auch F f:�u:, d.h.

(E f:�u:) ^ (E ) F ) ) F f:�u:

(b) Sei fEkg1k=1 eine Folge von Aussagen, so dass jede Ek f:�u: gilt. Dann auch dieAussage

E = falle Ek sind erfülltg

gilt f:�u:. d.h.

8k Ek f:�u: )1̂

k=1

Ek f:�u:

Beweis. Für jede Aussage E setzen wir

NE = fx 2M : E (x) ist falschg ;

so dassN cE = fx 2M : E (x) ist richtigg

(a) Die Implikation E ) F ergibt N cE � N c

F , woraus folgt NF � NE. Da NE eineNullmenge ist, so ist auch NF (Lemma 1.22).(b) Wir haben

N cE =

Tk

N cEk=

�Sk

NEk

�c;

woraus folgtNE =

Sk

NEk :

Da alle NEk Nullmengen sind, so ist ihre Vereinigung NE auch eine Nullmenge (Lemma1.22).

Die nächsten Aussagen zeigen die Beziehung zwischen Integration und dem Begri¤f:�u:.

Satz 2.21 (a) Für jede nichtnegative messbare Funktion f gilt die ÄquivalenzZM

fd� = 0 , f = 0 f:�u::

(b) Jede integrierbare Funktion f :M ! [�1;+1] ist endlich f:�u: d.h.ZM

jf j d� <1) jf j <1 f:�u:

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2.6. DER BEGRIFF �FAST ÜBERALL� 67

(c) Sei f : M ! [�1;+1] eine integrierbare Funktion und g : M ! [�1;+1] einemessbare Funktion. Gilt f = g f:�u: so ist g auch integrierbar und es giltZ

M

fd� =

ZM

gd�:

Beweis. (a) Beweisen wir zunächst die Implikation �(�, d.h.

f = 0 f:�u:)ZM

fd� = 0:

Nach De�nition giltZM

fd� = sup

�Z'd� : ' ist eine Elementarfunktion und ' � f:

�In der Darstellung

' =Xk

ak1Ak

der Elementarfunktion ' können wir annehmen, dass ak > 0 für alle k. Da 0 � ' � f soerhalten die Implikation

f = 0 ) ' = 0:

Da f = 0 f:�u:, so erhalten wir nach dem Lemma 2.20 dass

' = 0 f:�u: :

Da ' > 0 auf Ak, so folgt es, dass Ak eine Nullmenge ist, d.h. � (Ak) = 0 für alle k. Somiterhalten wir Z

M

'd� =Xk

ak� (Ak) = 0;

woraus folgtRMfd� = 0: 13.12.19

Beweisen wir jetzt die Implikation �)�, d.h.ZM

fd� = 0) f = 0 f:�u::

Wir müssen beweisen, dass die Menge

A := fx 2M : f (x) > 0g

eine Nullmenge ist. Für jedes k 2 N betrachten wir die Menge

Ak :=

�x 2M : f (x) >

1

k

�und bemerken, dass fAkg eine monoton steigende Folge ist und

A =1Sk=1

Ak = limAk:

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68 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Da Ak und A messbar sind, so folgt es, dass

limk!1

� (Ak) = � (A) : (2.51)

Betrachten wir für ein k die Elementarfunktion

' =1

k1Ak :

O¤ensichtlich gilt ' � f auf M , woraus folgtZM

fd� �ZM

'd� =1

k� (Ak) ;

und somit � (Ak) = 0: Aus (2.51) erhalten wir � (A) = 0:(b) Es reicht diese Aussage für nichtnegative f zu beweisen. Betrachten wir die Menge

A = fx 2M : f (x) = +1g

und beweisen, dass � (A) = 0. Dafür betrachten wir die Elementarfunktion

' = k1A

mit einem k 2 N: Da ' � f , so folgt esZM

fd� �ZM

'd� = k� (A)

und somit

� (A) � 1

k

ZM

fd�:

Für k !1 erhalten wir � (A) = 0; was zu beweisen war.(c) Setzen wir h = g � f so dass h = 0 f:�u: Daraus folgt, dass auch jhj = 0 f:�u.. Nach

(a) erhalten wir ZM

jhj d� = 0

so dass h integrierbar ist. Folglich ist die Funktion g = f + h integrierbar, undZM

gd� =

ZM

fd�+

ZM

hd� =

ZM

fd�:

2.7 Satz von der majorisierten Konvergenz

Sei (M;S; �) ein Maßraum.De�nition. (Konvergenz f:�u:) Eine Folge ffngn2N von Funktionen auf M konvergiertgegen eine Funktion f auf M fast überall falls die Bedingung fn (x)! f (x) für fast allex erfüllt ist, d.h. außerhalb einer Nullmenge. Schreibweise:

fn ! f f:�u:

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2.7. SATZ VON DER MAJORISIERTEN KONVERGENZ 69

Hauptsatz 2.22 (Satz von der majorisierten/dominanten Konvergenz) Sei ffngn2N eineFolge von messbaren Funktion auf M mit

fn ! f f:�u: ;

wobei f auch eine messbare Funktion ist. Nehmen wir an, dass es eine integrierbarenichtnegative Funktion g gibt so dass für jedes n 2 N

jfnj � g f:�u: : (2.52)

Dann sind fn und f auch integrierbar undZM

f d� = limn!1

ZM

fn d�: (2.53)

Die Identität (2.53) lässt such wie folgt umschreiben:ZM

limn!1

fn d� = limn!1

ZM

fnd�;

so dass für die Folge ffng die Operationen lim undRvertauschbar sind. Die Funktion g,

die (2.52) für alle n erfüllt, heißt die Majorante (oder Dominante) der Folge ffng. Mankann den Satz 2.22 wie folgt kurz umformulieren:

Rund lim auf ffng sind vertauschbar,

falls die Folge ffng eine integrierbare Majorante hat.Beweis. Da jede von den Aussagen fn (x) ! f (x) und jfn (x)j � g (x) fast überall gilt,so erhalten wir nach dem Lemma 2.20, dass die Aussage

fn (x)! f (x) und jfn (x)j � g (x) für alle n 2 N (2.54)

auch fast überall gilt. Somit existiert eine Nullmenge N , so dass (2.54) für alle x 2 N c

erfüllt ist. Nach dem Satz 1.23 können wir annehmen, dass N eine Menge von Maß0 ist,d.h. messbar.Betrachten wir die Funktionen 1Ncfn und 1Ncf , die o¤ensichtlich messbar sind und

die folgenden Bedingungen für alle x 2M erfüllen:

1Ncfn (x)! 1Ncf (x) und j1Ncfn (x)j � g (x) für alle n 2 N:

Wir benennen 1Ncfn in fn und 1Ncf in f um, so dass die Bedingungen (2.54) für allex 2M gelten. Die Integrierbarkeit und die Werte von Integralen von fn und f ändern sichnach dem Satz 2.21 nicht, da die neuen Funktionen fn und f von den alten Funktionenauf einer Nullmenge abweichend sind.Angenommen, dass (2.54) für alle x 2M gilt, es folgt, dass jf j � g und somitZ

M

jf j d� �ZM

gd� <1

so dass f integrierbar ist. Genauso sind alle fn integrierbar.Jetzt beweisen wir (2.53). Zuerst nehmen wir an, dass alle fn nichtnegativ sind. In

diesem Fall gilt nach dem Lemma von Fatou (Satz 2.10) die UngleichungZM

fd� � lim infn!1

ZM

fnd�: (2.55)

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70 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Um die umgekehrte Ungleichung zu beweisen, betrachten wir die Funktionen

hn = g � fn und h = g � f;

die nichtnegative und messbar sind. Da o¤ensichtlich hn ! h punktweise, so erhalten wirnach dem Lemma von Fatou, dassZ

M

hd� � lim infZM

hnd�

d.h. ZM

(g � f) d� � lim inf

�ZM

gd��ZM

fnd�

�=

ZM

gd�� lim supZM

fnd�;

woraus folgt

lim sup

ZM

fnd� �ZM

fd�: (2.56)

Vergleichen von (2.55) und (2.56) ergibt (2.53).Jetzt betrachten wir den allgemeinen Fall wenn fn signiert sind. Die Funktionen (fn)+

und (fn)� erfüllen o¤ensichtlich (2.54). Nach dem obigen Argument erhalten wir, dass f+und f� integrierbar sind undZ

M

f+d� = lim

ZM

(fn)+ d� undZM

f�d� = lim

ZM

(fn)� d�;

woraus folgtZM

fd� =

ZM

f+d��ZM

f�d� = lim

�ZM

(fn)+ d��ZM

(fn)� d�

�= lim

ZM

fnd�:

Beispiel. Bestimmen wir das IntegralZ +1

�1e�x

2

dx:

Dafür benutzen wir, dass

e�x2

= limn!1

�1 +

x2

n

��n= lim

n!1fn (x)

wobeifn (x) =

1�1 + x2

n

�n :Die Folge ffng ist positiv und monoton fallend und somit hat die Majorante f1 (x) = 1

1+x2,

die auf R integrierbar ist, daZ +1

�1

dx

1 + x2= [arctan x]+1�1 = �:

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2.7. SATZ VON DER MAJORISIERTEN KONVERGENZ 71

Nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz (Satz 2.22) erhalten wirZ +1

�1e�x

2

dx =

ZRe�x

2

d� = limn!1

ZRfn d� = lim

n!1

Z +1

�1

dx�1 + x2

n

�n :Mit der Substitution y = x=

pn erhalten wirZ +1

�1

dx�1 + x2

n

�n = pn Z +1

�1

dy

(1 + y2)n:

Setzen wir

an :=

Z +1

�1

dy

(1 + y2)n

und verwenden die partielle Integration:

an = �Z +1

�1yd

1

(1 + y2)n= 2n

Z +1

�1

y2dy

(1 + y2)n+1= 2n

Z +1

�1

((1 + y2)� 1) dy(1 + y2)n+1

= 2n (an � an+1) ;

woraus folgt

an+1 =2n� 12n

an: (2.57)

Da

a1 =

Z +1

�1

dy

1 + y2= �;

so erhalten wir nach (2.57) per Induktion

a2 =1

2�; a3 =

3

4a2 =

1 � 32 � 4�; :::

und

an+1 =1 � 3 � ::: � (2n� 1)2 � 4 � ::: � 2n �:

Daraus folgt

an+1 =(2n)!

(2 � 4 � ::: � 2n)2� =

(2n)!

(2nn!)2�

Nach der Stirling-Formel2

k! �p2�k

�k

e

�kfür k !1

2Anstatt der Stirling-Formel kann man das Wallis-Produkt benutzen:

limn!1

(2 � 4 � ::: � 2n)2

(1 � 3 � 5::: � (2n� 1))2 (2n+ 1)=�

2;

was ergibt

limn!1

��

an

�21

2n+ 1=�

2

und somit

a2n ��2

�n=�

n:

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72 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

erhalten wir für n!1

an � an+1 �p4�n

�2ne

�2n22n�p2�n

�ne

�n�2� = 1p�n

� �r�

n:

Daraus folgt, dass

limn!1

Z +1

�1

dx�1 + x2

n

�n = limn!1

pn

r�

n=p�

und somit Z +1

�1e�x

2

dx =p�: (2.58)

2.8 Parameter-abhängige Integrale

Wir geben hier eine Anwendungen von dem Satz von der majorisierten Konvergenz zu denParameter-abhängigen Integralen an. Sei (M;S; �) wie zuvor ein Maßraum. Betrachtenwir eine Funktion f :M � I ! R wobei I � R ein beliebiges Intervall ist. Die Elementenvon M � I bezeichnen wir mit (x; t) wobei x 2M und t 2 I. De�nieren wir die FunktionF : I ! R mit

F (t) =

ZM

f (x; t) d� (x) ; (2.59)

wobei der Ausdruck d� (x) bedeutet, dass der Integrand als eine Funktion von x betrachtetwird; man kann dies auch wie folgt darstellen:

F (t) =

ZM

f (�; t) d�:

Man nennt x die Variable von Integration and t �einen Parameter. Ein Integral der Form(2.59) heißt das Parameter-abhängige Integral.Wir zeigen jetzt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Funktion F (t) di¤eren-

zierbar ist, und zwar die Operationen ddtund

Rvertauschbar sind.

Satz 2.23 Sei f :M � I ! R eine Funktion mit den folgenden Bedingungen.

(i) Für jedes t 2 I ist die Funktion x 7! f (x; t) integrierbar auf M ; insbesondere istdie Funktion F (t) aus (2.59) wohlde�niert.

(ii) Für jedes x 2M ist die Funktion t 7! f (x; t) stetig di¤erenzierbar auf I.

(iii) Die Ableitung f 0 = @f@that eine integrierbare Majorante, d.h. es gibt eine integrier-

bare Funktion g auf M mit

jf 0 (x; t)j � g (x) für alle t 2 I; x 2M:

Dann ist die Funktion x 7! f 0 (x; t) integrierbar auf M für alle t 2 I, die Funktiont 7! F (t) ist stetig di¤erenzierbar, und es gilt für alle t 2 I

F 0 (t) =

ZM

f 0 (x; t) d� (x) : (2.60)

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2.8. PARAMETER-ABHÄNGIGE INTEGRALE 73

Die Identität (2.60) lässt sich wie folgt darstellen:

d

dt

ZM

f (x; t) d� (x) =

ZM

@

@tf (x; t) d� (x)

so dass die Ableitung in t und das Integral vertauschbar sind. 18.12.19

Beweis. Für jedes t 2 I haben wir

F 0 (t) = lims!0

F (t+ s)� F (t)

s

= lims!0

ZM

f (x; t+ s)� f (x; t)

sd� (x)

= lims!0

ZM

f 0 (x; �) d� (x) ; (2.61)

wobei � = � (x; s) ein Mittelwert aus dem Intervall (t; t+ s) ist, der nach dem Mittelw-ertsatz existiert und die Gleichheit

f (x; t+ s)� f (x; t)

s= f 0 (x; �)

erfüllt. Da die Funktion

x 7! f (x; t+ s)� f (x; t)

s

o¤ensichtlich integrierbar ist, so ist auch x 7! f 0 (x; � (x; s)) integrierbar. Für s ! 0erhalten wir

� (x; s)! t;

woraus nach der Stetigkeit von f 0 (x; �) folgt, dass

f 0 (x; �(x; s))! f 0 (x; t) .

Insbesondere ist die Funktion x 7! f 0 (x; t) messbar als ein punktweiser Limes von mess-baren Funktionen.Da jf 0 (x; �)j � g (x) und g integrierbar ist, so erhalten wir dass f 0 (x; t) integrierbar

ist, und nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz3

lims!0

ZM

f 0 (x; �(x; s)) d� (x) =

ZM

f 0 (x; t) d� (x) (2.62)

was zusammen mit (2.61) die Identität (2.60) ergibt.Es bleibt zu beweisen, dass F 0 stetig ist. Für jede konvergente Folge tn ! t in I gilt

nach der Stetigkeit von f 0 (x; �)

f 0 (x; tn)! f 0 (x; t) für alle x 2M:

Da die Folge ff 0 (�; tn)g die integrierbare Majorante g hat, so erhalten wir nach dem Satz2.22 dass

F 0 (tn) =

ZM

f 0 (x; tn) d� (x)!ZM

f 0 (x; t) d� (x) = F 0 (t) ;

3Um den Satz von der majorisierten Konvergenz anwenden zu können, betrachten wir zuerst jedeFolge sn ! 0 so dass (2.62) für s = sn und n!1 gilt. Daraus folgt (2.62) für s! 0:

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74 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

so dass F 0 stetig ist.

Beispiel. Bestimmen wir das Integral

F (t) =

Z 1

0

e�x2 � e�tx

2

xdx

für alle t � 1: Dafür berechnen wir zuerst F 0 (t) und danach auch F (t) : Betrachten wirdie Funktion

f (x; t) =e�x

2 � e�tx2

x

die für x 2 (0;1) und t � 1 de�niert ist. O¤ensichtlich ist f stetig di¤erenzierbar in tund es gilt

f 0 (x; t) =@

@tf (t; x) = x2

e�tx2

x= xe�tx

2

:

Diese Funktion besitzt für alle t � 1 die Majorante g (x) = xe�x2die auf (0;1) integrier-

bar ist da Z(0;1)

xe�x2

d� (x) =

Z 1

0

xe�x2

dx =1

2

Z 1

0

e�x2

d�x2�=1

2:

Die Funktion x 7! f (x; t) ist auf (0;1) auch integrierbar daZ 1

0

e�x2 � e�tx

2

xdx �

Z 1

0

e�x2 � e�tx

2

xdx+

Z 1

1

xe�x2

dx;

wobei das zweite Integral konvergiert wie oberhalb und das erste Integral konvergiert dadie Funktion

e�x2 � e�tx

2

x

auf (0; 1] stetig ist und für x! 0 einen endlichen Grenzwert hat:

limx!0

e�x2 � e�tx

2

x= lim

x!0

(1� x2 + o (x2))� (1� tx2 + o (x2))

x= 0:

Somit erfüllt die Funktion

F (t) =

Z(0;1)

e�x2 � e�tx

2

xd�

alle Voraussetzungen des Satzes 2.23, und wir erhalten für alle t � 1

F 0 (t) =

Z(0;1)

xe�tx2

d� =

Z 1

0

xe�tx2

dx =1

2t

Z 1

0

e�tx2

d�tx2�=1

2t:

Da F (1) = 0, so erhalten wir

F (t) = F (0) +

Z t

1

F 0 (�) d� =

Z t

1

d�

2�=1

2ln t:

Somit gilt Z 1

0

e�x2 � e�tx

2

xdx =

1

2ln t:

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2.9. RADON-MASS IN R UND LEBESGUE-STIELTJES INTEGRAL 75

2.9 Radon-Maßin R und Lebesgue-Stieltjes IntegralSei f eine messbare reellwertige Funktion auf einem Maßraum (M;S; �) : Nach dem Satz2.1, für jede Borel-Menge B 2 B (R) ist die Menge f�1 (B) messbar. De�nieren wir eineFunktion � : B (R)! [0;1] mit

� (B) = ��f�1 (B)

�: (2.63)

Dann ist � ein Maßauf B (R) d.h. � ist ein Borel-Maß. In der Tat, es gilt � (;) = � (;) = 0und � ist �-additiv da für jede disjunkte Folge fBkg von Borel-Mengen in R

�(Fk

Bk) = �

�f�1(

Fk

Bk)

�= �

�Fk

f�1 (Bk)

�=Pk

��f�1 (Bk)

�=Pk

� (Bk)

(siehe auch Aufgabe 8). Das Maß� heißt die Verteilung der Funktion f .In diesem Abschnitt beschreiben wir eine Klasse von Borel-Maßen. Fixieren wir ein

o¤enes Intervall J (z.B. J = R) und betrachten die Maße auf der Borel-�-Algebra B (J) :De�nition. EinMaß� auf B (J) heißtRadon-Maßfalls für alle beschränkten abgeschlosse-nen Intervalle I � J gilt � (I) <1.Zum Beispiel, das Lebesgue Maß� ist ein Radon-Maßauf R. Auch das Maß� aus

(2.63) ist ein Radon-MaßaufR wenn � endlich ist, z.B. wenn � einWahrscheinlichkeitsmaßist.Die Menge von allen Radon-Maßen auf J lässt sich ganz schön beschreiben wie folgt.

Satz 2.24

(a) Für jedes Radon-Maß� auf B (J) existiert eine Funktion � : J ! R mit

�(a; b] = � (b)� � (a) für alle a; b 2 J mit a � b: (2.64)

Außerdem ist diese Funktion � monoton steigend und rechtsstetig.

(b) Für jede monoton steigende rechtsstetige Funktion � : J ! R existiert genau einMaß� auf B (J), die (2.64) erfüllt. Außerdem ist � ein Radon-Maß.

De�nition. Eine Funktion � : J ! R auf einem o¤enen Intervall J � R heißt eineVerteilungsfunktion falls � monoton steigend und rechtsstetig ist. Eine Verteilungsfunk-tion � die (2.64) erfüllt, heißt die Verteilungsfunktion des Maßes �. Das Maß�, die(2.64) mit einer Funktion � erfüllt, heißt das von � erzeugte Maßund wird auch mit ��bezeichnet.

Somit hat jedes Radon-Maßdie Verteilungsfunktion, und jede Verteilungsfunktionerzeugt ein Radon-Maß. Für das Lebesgue Maß� ist die Verteilungsfunktion � (x) = x.

Beweis. Für jede monoton steigende Funktion � sind die beiden Grenzwerte

� (x+) = limy!x+

� (y) und � (x�) = limy!x�

� (y)

wohlde�niert, und es gilt immer

� (x�) � � (x) � � (x+) :

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76 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

Die Funktion � ist rechtsstetig in J , falls � (x+) = � (x) für alle x 2 J , und linksstetig,falls � (x�) = � (x) für alle x 2 J .(a) Existiert eine Funktion � mit (2.64) so gilt für alle a; b 2 J mit a < b

� (b)� � (a) = �(a; b] � 0;

d.h. � monoton steigend ist. Die Funktion � ist rechtsstetig, da für jedes a 2 J und jedemonoton fallende Folge ak # a

limk!1

(� (ak)� � (a)) = limk!1

�(a; ak] = �( limk!1

(a; ak]) = �(\k(a; ak]) = � (;) = 0:

Beweisen wir jetzt, dass es für jedes Radon-Maß� auf J eine Verteilungsfunktion � mit(2.64) gibt. Dafür �xieren wir ein c 2 J und setzen für alle x 2 J

� (x) =

��(c; x]; x � c;��(x; c]; x < c:

(2.65)

Beweisen wir, dass diese Funktion (2.64) für alle a � b aus J erfüllt. Im Fall c � a habenwir

�(a; b] = � ((c; b]� (c; a]) = �(c; b]� �(c; a] = � (b)� � (a) ;

im Fall a < c � b gilt

�(a; b] = � ((a; c] t (c; b]) = �(a; c] + �(c; b] = �� (a) + � (b) ;

und im Fall b < c gilt

�(a; b] = � ((a; c]� (b; c]) = �(a; c]� �(b; c] = �� (a)� (�� (b)) ;

so dass (2.64) in allen Fällen gilt.(b) Gegeben sei eine Verteilungsfunktion � auf J , beweisen wir, dass es ein Maß� auf

B (J) mit (2.64) gibt. Bezeichnen wir mit S das Halbring von allen Intervallen mit denGrenzpunkten aus J und de�nieren wir zuerst � auf S. Seien a; b 2 J mit a � b. Zuerstsetzen wir nach (2.64)

�(a; b] := � (b)� � (a) :

Für die anderen Typen von Intervallen mit den Grenzen a und b wird � notwendigerweisewie folgt de�niert:

� [a; b] := lima0"a

�(a0; b] = lima0"a

(� (b)� � (a0)) = � (b)� � (a�) ; (2.66)

� (a; b) := limb0"b

�(a; b0] = limb0"b� ((b0)� � (a)) = � (b�)� � (a) ; falls a < b;

�[a; b) := lima0"a

�(a0; b) = lima0"a

(�(b�)� � (a0)) = � (b�)� � (a�) :

20.12.19

Wir erhalten die �-Additivität von � auf S aus den folgenden zwei Eigenschaften von�:

(i) � ist endlich additiv;

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2.9. RADON-MASS IN R UND LEBESGUE-STIELTJES INTEGRAL 77

(ii) � ist regulär, d.h. jedes Intervall I 2 S und jedes " > 0 existiert ein kompaktesIntervall K 2 S und ein o¤enes Intervall U 2 S mit

K � I � U � J und � (U) � � (K) + ": (2.67)

Dass (i) und (ii) die �-Additivität von � ergeben wurde in der Aufgabe 29 angegebenund im Beweis des Satzes 1.15 verwendet.(i) Beweisen wir jetzt, dass � endlich additiv ist, d.h. für jede endliche disjunkte Folge

von nichtleeren Intervallen fIkgnk=1 aus S mitnFk=1

Ik = I 2 S

gilt

� (I) =

nXk=1

� (Ik) :

Induktion nach n. Induktionsanfang: für n = 1 ist alles trivial. Betrachten wir den Falln = 2: Sei I = (a; b] (die anderen Typen von Intervallen werden analog behandelt). Fürdie Zerlegung I = I1 t I2 gibt es zwei Möglichkeiten:

� (a; b] = (a; c] t (c; b]

� (a; b] = (a; c) t [c; b]

Im ersten Fall erhalten wir

�(a; c] + �(c; b] = (� (c)� � (a)) + (� (b)� � (c)) = � (b)� � (a) = �(a; b]:

und im zweiten Fall gilt

�(a; c) + � [c; b] = (� (c�)� � (a)) + (� (b)� � (c�)) = � (b)� � (a) = �(a; b]

Somit erhalten wir in den beiden Fällen � (I) = � (I1) + � (I2) :Induktionsschritt von n� 1 nach n: Sei In ganz rechtes Intervall von Ik: Dann ist die

Di¤erenz I 0 = I n In auch ein Intervall und

I 0 =n�1Fk=1

Ik:

Nach der Induktionsbehauptung gilt es

� (I 0) =n�1Xk=1

� (Ik) :

Da I = I 0 t In; so gilt nach dem obigen Argument

� (I) = � (I 0) + � (In) ;

woraus folgt

� (I) =n�1Xk=1

� (Ik) + � (In) =nXk=1

� (Ik) ;

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78 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

was zu beweisen war.(ii) Beweisen wir die Regularität von �. Sei I = (a; b]. Setzen wir für ein a0 2 I

K = [a0; b]

so dass K kompakt ist, K � I und

� (I)� � (K) = (� (b)� � (a))� (� (b)� � (a0�))= � (a0�)� � (a)� � (a0)� � (a)! 0 für a0 # a

da � rechtsseitig stetig ist. Analog setzen wir für ein b0 2 J , b0 > b

U = (a; b0)

so dass U is o¤en, I � U und

� (U)� � (I) = � (b0�)� � (a)� (� (b)� � (a))= � (b0�)� � (b)� � (b0)� � (b)! 0 für b0 # b:

Es folgt, dass die Di¤erenz � (U) � � (K) beliebig klein gemacht werden kann. Analogbetrachtet man die anderen Typen von I.Somit ist � �-additiv auf S: Da J eine abzählbare Vereinigung von kompakten In-

tervallen ist und � somit �-endlich ist, so erhalten wir nach dem Erweiterungssatz vonCarathéodory (Satz 1.12) dass � sich auf die �-AlgebraM� von messbaren Mengen erweit-ern lässt. Da S �M� und somit auch B (J) = � (S) �M�; so ist � auf B (J) de�niert.Das Maß� ist ein Radon-Maß, da für jedes [a; b] � J gilt nach (2.66) � [a; b] <1:Ist � 0 ein anderes Borel-Maßmit (2.64), so gilt � 0 = � auf S und somit auch auf B (J)

nach der Eindeutigkeit der Erweiterung von Maßim Satz von Carathéodory.

De�nition. Das Lebesgue-Integral bezüglich des Maßes �� heißt das Lebesgue-Stieltjes-Integral bezüglich der Funktion � und wird wie folgt bezeichnet:Z

J

fd� :=

ZJ

fd��:

Beispiel. Für die Funktion � (x) = x erhalten wir �� = �: In diesem Fall benutzt manauch die Notation Z

J

f (x) dx :=

ZJ

fd�:

Beispiel. Betrachten wir die Heaviside-Funktion

� (x) =

�1; x � 00; x < 0;

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2.9. RADON-MASS IN R UND LEBESGUE-STIELTJES INTEGRAL 79

die eine Verteilungsfunktion ist. Das entsprechende Maß�� heißt Dirac-Maßund wirdmit � bezeichnet. Für alle a > 0 erhalten wir

�(0; a] = � (a)� � (0) = 1� 1 = 0:

Daraus folgt, dass�(0;1) = lim

a!1�(0; a] = 0:

Analog erhalten wir, dass�(�1; 0) = 0:

Andererseits,� (f0g) = � [0; 0] = � (0)� � (0�) = 1:

Somit ist das Maßauf einem Punkt 0 konzentriert.Die verschobene Heaviside-Funktion � (x� c) erzeugt das Maß�c, das auf dem Punkt

c konzentriert. Bemerken wir, dass für jede Borel Funktion f auf R gilt

f = f (c)1fcg �c-f:�u:

Somit ist f nach dem Satz 2.21 �c-integrierbar undZRfd�c =

ZRf (c)1fcgd�c = f (c) :

Einen anderen Typ von Radon-Maßerhält man wie folgt. Gegeben sei eine nicht-negative Borel-Funktion ' auf dem Intervall J , die auf jedem beschränkten abgeschlosse-nen Intervall I � J integrierbar ist, so de�nieren wir eine Funktion � auf B (J) mit

� (A) =

ZA

'd�: (2.68)

Nach dem Satz 2.18 ist � ein Maß, und zwar � (I) <1 für alle beschränkten abgeschlosse-nen Intervalle I � J . Somit ist � ein Radon-Maß.

De�nition. Die Funktion ' mit (2.68) heißt die Dichtefunktion des Maßes � (oder dieRadon-Nikodym Ableitung von �) bezüglich �.

Man kann beweisen, dass für nichtnegative Borel-Funktion f auf J und für das Maß(2.68) gilt Z

J

fd� =

ZJ

f'd�

(siehe Aufgabe 73).Sei ' stetig. Die Verteilungsfunktion � des Maßes � lässt sich nach (2.65) bestimmen:

für x � c

� (x) = �(c; x] =

Z(c;x]

'd� =

Z x

c

' (t) dt

und für x < c

� (x) = ��(x; c] = �Z(x;c]

'd� =

Z x

c

' (t) dt;

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80 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

woraus folgt �0 (x) = ' (x) : In diesem Fall erhalten wir die IdentitätZJ

fd� =

ZJ

fd� =

ZJ

f'd� =

ZJ

f�0d�:

Beispiel. Die Dichtefunktion

' (x) =1

1

1 + x2

erzeugt das Cauchy-Maß� auf R. Dieses Maßist ein Wahrscheinlichkeitsmaß, da

� (R) =1

Z +1

�1

dx

1 + x2=1

�[arctanx]+1�1 = 1:

Die Dichtefunktion' (x) =

1p2�e�x

2=2

erzeugt das Gauß-Maß auf R: Für dieses Maßgilt nach (2.58)

(R) =1p2�

Z 1

�1e�x

2=2dxy=x=

p2

=1p�

Z 1

�1e�y

2

dy = 1;

so dass auch ein Wahrscheinlichkeitsmaßist.

2.10 � Riemann-Stieltjes-Integral

Wie oberhalb sei M ein o¤enes Intervall in R. Sei � eine Verteilungsfunktion Funktionauf M . Für ein Intervall [a; b] � M und für eine Funktion f auf [a; b] de�nieren wir dasRiemann-Stieltjes-Integral

R bafd� wie folgt. Sei Z = fxigni=0 eine Zerlegung von [a; b] d.h.

a = x0 < x1 < x2 < ::: < xn = b:

Setzen wir�i = inf

[xi�1;xi]f; �i = sup

[xi�1;xi]f (2.69)

und betrachten wir die Darboux-Summen bezüglich �:

UZ (f) =

nXi=1

�i (� (xi)� � (xi�1)) ; OZ (f) =nXi=1

�i (� (xi)� � (xi�1)) :

Dann de�niert man das Riemann-Stieltjes-Integral mitZ b

a

fd� := limm(Z)!0

UZ (f) = limm(Z)!0

OZ (f) (2.70)

wobei m (Z) = maxi (xi � xi�1), vorausgesetzt, dass die zweite Gleichheit in (2.70) gilt.In diesem Fall heißt die Funktion f Riemann-Stieltjes-integrierbar. Zum Beispiel, jedestetige auf [a; b] Funktion f ist Riemann-Stieltjes-integrierbar.Wir beweisen hier, dass die Riemann-Stieltjes und Lebesgue-Stieltjes Integrale übere-

instimmen. Wir benutzen das Ma�� aus dem Satz 2.24 mit dem De�nitionsbereichM�:

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2.10. � RIEMANN-STIELTJES-INTEGRAL 81

Satz 2.25 Ist f Riemann-Stieltjes-integrierbar auf [a; b], so ist f auch ��-integrierbarund es gilt Z b

a

fd� =

Z(a;b]

fd��:

Beweis. Für jede Zerlegung Z = fxigni=0 von [a; b] betrachten wir die signierten Elemen-tarfunktionen

'Z =nXi=1

�i1(xi�1;xi] und Z =

nXi=1

�i1(xi�1;xi];

wobei �i und �i in (2.69) de�niert sind. Da ti(xi�1; xi] = (a; b] so gilt

'Z � f � Z auf (a; b]: (2.71)

O¤ensichtlich haben wirZ(a;b]

'Zd�� =nXi=1

�i��(xi�1; xi] =nXi=1

�i(� (xi)� � (xi�1)) = UZ (f) ;Z(a;b]

Zd�� =nXi=1

�i��(xi�1;xi] = OZ (f) :

Somit erhalten wir Z(a;b]

( Z � 'Z) d�� ! 0 für m (Z)! 0: (2.72)

Die Bedingungen (2.71) und (2.72) ergeben, dass f ��-messbar ist (siehe Aufgabe 62). Esfolgt aus (2.71) dass

jf j � j Z j+ j'Z j

woraus folgt Z(a;b]

jf j d�� <1

so dass f ��-integrierbar ist. Es folgt aus (2.71), dassZ(a;b]

'Zd�� �Z(a;b]

fd�� �Z(a;b]

Zd��;

was äquivalent zu

UZ (f) �Z(a;b]

fd�� � OZ (f)

ist. Für m (Z)! 0 erhalten wir die IdentitätZ(a;b]

f d�� =

Z b

a

f (x) d�:

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82 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

2.11 � Lebesgue-Kriterium für Riemann-Integrierbarkeit

Als noch ein Beispiel von Anwendung des Satzes von der majorisierten Konvergenz, gebenwir den folgenden Satz an.

Satz 2.26 (Satz von Lebesgue) Eine beschränkte Funktion f : [a; b]! R ist genau dannRiemann-integrierbar auf [a; b], wenn f f:�u: stetig ist.

Beweis. Sei D � [a; b] die Menge von Punkten wo f unstetig ist. Nach der Aufgabe 55ist D eine Borel-Menge. Beweisen wir zuerst, dass

� (D) = 0) f ist Riemann-integrierbar:

Fixieren wir eine Zerlegung Z = fxigni=0 von [a; b], setzen

�i = inf[xi�1;xi]

f; �i = sup[xi�1;xi]

f

und betrachten wir die Funktionen

'Z =nXi=1

�i1(xi�1;xi] und Z =nXi=1

�i1(xi�1;xi]:

Für diese Funktionen giltZ[a;b]

'Zd� =nXi=1

�i�(xi�1; xi] = UZ (f) ;Z[a;b]

Zd� =nXi=1

�i�(xi�1;xi] = OZ (f) ;

wobei UZ (f) die untere Darboux-Summe ist und OZ (f) die obere Darboux-Summe. DieRiemann-Integrierbarkeit von f ist äquivalent zu

limm(Z)!0

(OZ (f)� UZ (f)) = 0: (2.73)

Wir haben

Z (x)� 'Z (x) =

nXi=1

(�i � �i)1(xi�1;xi] (x) = �i � �i falls x 2 (xi�1; xi]:

Fixieren wir ein x 2 Dc: Da f in x stetig ist, so gilt folgendes: für jedes " > 0 existiert� > 0 mit

jf (y)� f (x)j � " für alle y 2 [x� �; x+ �] \ [a; b] :Gilt m (Z) < �, so liegt das Intervall (xi�1; xi], das x enthält, in [x� �; x+ �], was ergibt,dass

j�i � f (x)j � " und j�i � f (x)j � ";

und somit�i � �i � 2":

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2.11. � LEBESGUE-KRITERIUM FÜR RIEMANN-INTEGRIERBARKEIT 83

Im Fall x = a liegt x in keinem Integral (xi�1; xi], woraus folgt Z (x) = 'Z (x) = 0:Somit erhalten wir, dass im Fall m (Z) < � gilt

Z (x)� 'Z (x) � 2";

woraus folgt Z (x)� 'Z (x)! 0 für m (Z)! 0

Da dies für alle x 2 Dc gilt und � (D) = 0; so erhalten wir, dass

Z � 'Z ! 0 �-f:�u: für m (Z)! 0:

Da alle Funktionen 'Z ; Z von C := sup jf j beschränkt sind, so erhalten wir nach demSatz von der majorisierten KonvergenzZ

[a;b]

( Z � 'Z) d�! 0;

woraus (2.73) folgt.Beweisen wir jetzt, dass

� (D) > 0) f ist nicht Riemann-integrierbar:

Für jedes x 2 [a; b] setzen wir

� (x) := lim"!0

sup

[x�";x+"]f � inf

[x�";x+"]f

!;

wobei lim existiert da die Funktion in den Klammern monoton fallend in " ist. Dann istf genau dann an x stetig, wenn � (x) = 0. Auf der Menge D gilt � (x) > 0. Bezeichnenwir

Dk =

�x 2 [a; b] : � (x) > 1

k

�:

DaS1k=1Dk = D und � (D) > 0, so gibt es Dk mit � (Dk) > 0. Betrachten wir eine

Zerlegung Z wie oberhalb und setzen D0k = Dk n fxigni=0 : Dann gilt � (D0

k) > 0 auch. Fürjedes x 2 D0

k und jedes Intervall [xi�1; xi], das x enthält, gilt xi�1 < x < xi und

�i � �i � � (x) � 1

k:

Bezeichnen wir mit A die Vereinigung von allen Intervallen [xi�1; xi], die mindestens einenPunkt von D0

k enthalten. Dann gilt � (A) � � (D0k) und

OZ (f)� UZ (f) =

nXi=1

(�i � �i) (xi � xi�1)

�X

fi:[xi�1;xi]�Ag

(�i � �i) (xi � xi�1)

� 1

k

Xfi:[xi�1;xi]�Ag

(xi � xi�1) =1

k� (A) � 1

k� (D0

k) :

Wir sehen, dass OZ (f) � UZ (f) gegen 0 nicht konvergiert, woraus folgt, dass f nichtRiemann-integrierbar ist.

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84 CHAPTER 2. LEBESGUE-INTEGRATION

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Chapter 3

Produktmaßund Satz von Fubini

3.1 Produktmaß

Seien M1;M2 zwei Grundmengen und S1, S2 Halbringe auf M1 bzw M2. Betrachten wirdie Menge M =M1 �M2 und das Mengensystem

S = S1 � S2 := fA�B : A 2 S1; B 2 S2g :

Dann S ist auch ein Halbring (Aufgabe 9).Seien �1 und �2 Maßen auf S1 bzw S2. De�nieren wir das Produktmaß� = �1 � �2

als eine Funktion auf S = S1 � S2 mit

� (A�B) = �1 (A)�2 (B) für alle A 2 S1, B 2 S2:

Nach der Aufgabe 33 (cf. Satz 1.14) ist � endlich additives Maßauf S. Für die Länge `auf R haben wir im Satz 1.15 beweisen, dass das Produktmaß

ln = l � l � :::� l| {z }n

�-additiv ist, d.h. ln ein Maßauf Rn ist, indem wir die Eigenschaften von kompaktenMengen benutzt haben.Wir beweisen hier die �-Additivität von Produktmaßin der allgemeinen Situation.

Hauptsatz 3.1 Seien �1; �2 �-endliche Maße auf Halbringen S1 bzw S2. Dann ist dasProduktmaß� = �1 � �2 �-additiv und �-endlich auf dem Halbring S = S1 � S2 (d.h. �ist ein �-endliches Maßauf S).

Nach dem Erweiterungssatz von Carathéodory (Hauptsatz 1.12), das Maß�1��2 lässtsich von dem Halbring S1 � S2 auf die �-Algebra � (S1 � S2) eindeutig erweitern. Daserweiterte Maßwird auch mit �1 � �2 bezeichnet.Diese Bemerkung motiviert die folgende De�nition.

De�nition. Seien (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) zwei Maßräume mit �-Algebren S1, S2und �-endlichen Maßen �1; �2: Der Produktraum von (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) ist derMaßraum (M;S; �) wobei

M =M1 �M2; S = � (S1 � S2) und � = �1 � �2.

85

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86 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

08.01.20

Beispiel. Zeigen wir, dass der Produktraum von (Rn;Bn; �n) and (Rm;Bm; �m) ist�Rn+m;Bn+m; �n+m

�:

Nach De�nition, Bn = � (Sn) wobei Sn der Halbring von allen Quadern in Rn ist, und �nist die Erweiterung auf Bn von dem n-dimensionalen Volumen `n das auf Sn de�niert ist.O¤ensichtlich gilt Rn+m = Rn � Rm. Es gilt auch

� (� (Sn)� � (Sm)) = � (Sn � Sm)

(siehe Aufgabe 74), woraus folgt, dass die �-Algebra im Produktraum ist

� (Bn � Bm) = � (� (Sn)� � (Sm)) = � (Sn � Sm) = � (Sn+m) = Bn+m:

Somit sind die Maße �n � �m und �n+m auf der gleichen �-Algebra Bn+m de�niert. Daauf Sn � Sm gilt

�n � �m = `n � `m = `n+m = �n+m;

so erhalten wir nach der Eindeutigkeit der Erweiterung von Maßdass

�n � �m = �n+m auf Bn+m:

Beweis von dem Satz 3.1. Nach dem Erweiterungssatz von Carathéodory lassen sich�1 und �2 auf die �-Algebren � (S1) bzw � (S2) erweitern. Insbesondere erhalten wir zweiMaßräume (Mi; � (Si) ; �i), i = 1; 2, wo wir die Integrationstheorie benutzen werden.Sei fCng1n=1 eine disjunkte Folge von Mengen aus S mit

C :=Fn

Cn 2 S:

Wir brauchen zu beweisen, dass

� (C) =Xn

� (Cn) : (3.1)

Seien C = A�B und Cn = An �Bn wobei A;An 2 S1 und B;Bn 2 S2.Betrachten wir die folgenden Elementarfunktionen fn auf M1:

fn = �2 (Bn)1An

und beweisen wir, dass für alle x 2 A giltXn

fn (x) = �2 (B) : (3.2)

Fixieren wir ein x 2 A und bezeichnen mit fnig die Folge von allen Indexen n mit x 2 An.Da fn (x) = 0 wenn x =2 An, so erhalten wirX

n

fn (x) =Xi

fni (x) =Xi

�2 (Bni) : (3.3)

Zeigen wir, dass die Folge fBnig disjunkt ist. Existiert ein y 2 Bni \ Bnj für i 6= j, soerhalten wir (x; y) 2 Cni \ Cnj (da x 2 Ani \ Anj), was unmöglich ist, da Cni und Cnjdisjunkt sind. Somit gilt Bni \Bnj = ;:

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3.1. PRODUKTMASS 87

x M1

M2

C

CniBni

Ani

M

Mengen C = A�B und Cni = Ani �Bni

Zeigen wir, dass Fi

Bni = B: (3.4)

Da o¤ensichtlich Bni � B; so reicht es zu beweisen, dass

B �Si

Bni :

In der Tat, für jedes y 2 B gilt (x; y) 2 C und somit (x; y) 2 Cn = An�Bn für ein n. Esfolgt x 2 An und somit n = ni für ein i: Folglich gilt y 2 Bni, was zu beweisen war.Nach der �-Additivität von �2 erhalten wir aus (3.4), dassX

i

�2 (Bni) = �2 (B) ;

was zusammen mit (3.3) ergibt (3.2).Integration der Identität (3.2) auf A bezüglich �1 ergibtZ

A

Xn

fn

!d�1 = �2 (B) �1 (A) = � (C) :

Da alle Funktion fn nichtnegativ sind, so sind nach dem Satz von der monotonen Kon-vergenz die Operationen

Rund

Pvertauschbar (siehe auch Aufgabe 67). Somit erhalten

wir ZA

Xn

fn

!d�1 =

Xn

ZA

fn d�1 =Xn

�2 (Bn)�1 (An) =Xn

� (Cn) ;

woraus (3.1) folgt.Da �1 und �2 �-endlich sind, so existiert eine Folge fAng aus S1 und eine Folge fBmg

aus S2 mit�1 (An) <1; �2 (Bm) <1

und Sn

An =M1;Sm

Bm =M2:

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88 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Die Mengen Cnm := An �Bm 2 S1 � S2 erfüllen die folgenden Eigenschaften:

� (Cnm) = �1 (An)�2 (Bm) <1

und Sn;m

Cnm =M:

so dass � �-endlich ist.

Bemerkung. Per Induktion de�niert man das Produktmaß�1�:::��n von n �-endlichenMaßen auf Halbringen S1; :::; Sn. Dieses Product ist assoziativ, da

(S1 � S2)� S3 = S1 � (S2 � S3) = fA�B � C : A 2 S1; B 2 S2; C 2 S3g

und

((�1 � �2)� �3) (A�B � C) = �1 (A)�2 (B)�3 (C) = (�1 � (�2 � �3)) (A�B � C) :

3.2 Das Prinzip von Cavalieri

Seien (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) zwei Maßräume mit �-endlichen Maßen. Betrachtenwir den Produktraum (M;S; �) mit M = M1 �M2, S = � (S1 � S2), und � = �1 � �2mit dem De�nitionsbereich S.Für jede Teilmenge A �M und für jedes x 2M1 betrachten wir die Menge

Ax := fy 2M2 : (x; y) 2 Ag ; (3.5)

die x-Schnittmenge von A heißt. Analog de�niert man

Ay := fx 2M1 : (x; y) 2 Ag :

Schnittmengen Ax und Ay

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3.2. DAS PRINZIP VON CAVALIERI 89

Hauptsatz 3.2 (Das Prinzip von Cavalieri) Sei (M;S; �) der Produktraum wie oberhalb.Für jede Menge A 2 S gilt folgendes:

(i) für jedes x 2M1 gilt Ax 2 S2;

(ii) die Funktion x 7! �2 (Ax) auf M1 ist S1-messbar;

(iii) und es gilt

� (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x) : (3.6)

Nach Symmetrie gilt auch die Identität

� (A) =

ZM2

�1 (Ay) d�2 (y) :

Die Identität (3.6) kann benutzt werden, um die Volumen von Teilmengen von Rn zuberechnen.

Beispiel. Betrachten wir für jedes a > 0 die folgende Teilmenge von Rn:

Sn;a = fx 2 Rn : xk � 0 für alle k = 1; :::; n und x1 + :::+ xn � ag :

Die Menge Sn;� heißt n-dimensionales Simplex. Das Simplex ist abgeschlossene Mengeund somit Borel-Menge. Beweisen wir per Induktion nach n mit Hilfe von dem Prinzipvon Cavalieri dass

�n (Sn;a) =an

n!:

Für n = 1 gilt S1;a = [0; a] und somit �1 (S1;a) = a = a1

1!:

Induktionsschritt von n� 1 nach n. Wir benutzen dass (Rn;Bn; �n) der Produktraumvon (Rn�1;Bn�1; �n�1) und (R;B; �) ist. Für jedes t 2 R bezeichnen wir mit Sn;a;t dieSchnittmenge von Sn;a an xn = t d.h.

Sn;a;t =�(x1; :::; xn�1) 2 Rn�1 : (x1; :::; xn�1; t) 2 Sn;a

=

�(x1; :::; xn�1) 2 Rn�1 : alle xk � 0 und x1 + :::+ xn�1 + t � a

:

O¤ensichtlich gilt für t 2 [0; a]

Sn;a;t =�(x1; :::; xn�1) 2 Rn�1 : alle xk � 0 und x1 + :::+ xn�1 � a� t

= Sn�1;a�t

and Sn;a;t = ; sonst.

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90 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Simplex Sn;a für n = 3 und die Schnittmenge Sn;a;t

Nach der Induktionsvoraussetzung haben wir für t 2 [0; a]

�n�1 (Sn;a;t) = �n�1 (Sn�1;a�t) =(a� t)n�1

(n� 1)! :

und Sn;a (t) = ; sonst. Nach (3.6) erhalten wir, dass

�n (Sn;a) =

ZR�n�1 (Sn;a;t) d�1 (t) =

Z a

0

(a� t)n�1

(n� 1)! dt =Z a

0

sn�1

(n� 1)!ds =an

n!:

Für Vergleich bemerken wir, dass für den n-dimensionalen Würfel

Wn;a = [0; a]n = fx 2 Rn : 0 � xk � a für alle k = 1; :::; ng

mit der Seite a gilt�n (Wn;a) = an;

so dass

das Volumen des Simplex =1

n!� das Volumen des Würfels.

Die folgende Aussage ist eine Folgerung des Satzes 3.2 für Untergraphen.

Korollar 3.3 Seien eine Borel-Menge in Rn�1 und f : ! [0;1) eine Borel-Funktion.Betrachten wir den Untergraph von f

U = f(x; y) 2 Rn : x 2 ; 0 � y � f (x)g

und für jedes y � 0 die Schnittmenge

Uy =�x 2 Rn�1 : (x; y) 2 U

= fx 2 : f (x) � yg : (3.7)

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3.2. DAS PRINZIP VON CAVALIERI 91

Dann ist U eine Borel-Teilmenge von Rn, Uy �Borel-Teilmenge von Rn�1, und es geltendie Identitäten

�n (U) =

Z

f (x) d�n�1 (x) (3.8)

und

�n (U) =

Z[0;1)

�n�1 (Uy) d� (y) (3.9)

Der spezielle Fall von (3.8) wenn n = 2 und f Riemann-integrierbar ist wurde im Satz1.17 bewiesen.

Beweis. Betrachten wir auf � R+ (wobei R+ = [0;1)) zwei Funktionen:

(x; y) 7! f (x) und (x; y) 7! y;

Die beiden Funktionen sind Borel, so dass auch die Di¤erenz y � f (x) ist Borel. Dannist die Menge

U = f(x; y) 2 � R+ : y � f (x) � 0g

eine Borel-Teilmenge von � R und somit eine Borel-Teilmenge von Rn: Betrachten wirauch die Schnittmengen

Ux = fy 2 R : (x; y) 2 Ug = [0; f (x)] für x 2

und Uy wie in (3.7). O¤ensichtlich sind Ux und Uy Borel-Teilmengen von R bzw Rn�1(was auch aus dem Satz 3.2 folgt).

Die Schnittmengen Ux und Uy

Wir verwenden den Satz 3.2 für die Maßräume (Rn�;Bn�; �n�) und (R;B; �) derenProduktraum (Rn;Bn; �n) ist. Nach dem Satz 3.2 beschließen wir, dass

�n (U) =

ZRn�1

�1 (Ux) d�n�1 (x) =

Z

f (x) d�n�1 (x)

und

�n (U) =

ZR�n�1 (Uy) d� (y) =

Z[0;1)

�n�1 (Uy) d� (y) :

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92 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Beispiel. Bestimmen wir ZR2

1

1 + (x2 + y2)2d�2:

Betrachten wir die Funktion

f (x; y) =1

1 + (x2 + y2)2;

und ihren Untergraph

U =

�(x; y; z) 2 R3 : 0 � z � 1

1 + (x2 + y2)2

�:

Nach (3.8) haben wir ZR2

1

1 + (x2 + y2)2d�2 =

ZR2fd�2 = �3 (U) :

­2

1 2­1­2 0.0­1

0

x0

12

y 0.5z

1.0

Der Graph der Funktion f (x; y) = 11+(x2+y2)2

Das Volumen �3 (U) kann auch mit Hilfe von (3.9) bestimmt werden, d.h.

�3 (U) =

Z[0;1)

�2 (Uz) d� (z) :

Wir haben für z � 0Uz =

�(x; y) 2 R2 : f (x; y) � z

:

Da das Bildmenge von f gleich [0; 1] ist, so ist Uz leer für z > 1. Für 0 � z � 1 erhaltenwir

Uz =

((x; y) 2 R2 : x2 + y2 �

�1

z� 1�1=2)

;

d.h. Uz ist eine Kreisscheibe von Radius r mit

r2 =

�1

z� 1�1=2

: (3.10)

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3.3. BEWEIS VON DEM PRINZIP VON CAVALIERI 93

Daraus folgt

�2 (Uz) = �r2 = �

�1

z� 1�1=2

und somit ZR2fd�2 = �

Z 1

0

�1

z� 1�1=2

dz (Substitution u =pz) (3.11)

= 2�

Z 1

0

p1� u2du

= 2�

��1

2arcsinu+

1

2up1� u2

��10

=1

2�2:

10.01.20

3.3 Beweis von dem Prinzip von Cavalieri

Beweis von dem Hauptsatz 3.2. Wir beweisen zuerst, dass jede Menge A 2 S dieBedingungen (i) und (ii) erfüllt, d.h.

(i) für jedes x 2M1 gilt Ax 2 S2;

(ii) die Funktion x 7! �2 (Ax) auf M1 ist S1-messbar.

Beweis. Zuerst nehmen wir an, dass �2 (M2) <1: Bezeichnen mit G das Mengensystemvon allen Mengen A 2 S die (i) und (ii) erfüllen und beweisen, dass S = G. Erinnernwir uns, dass S1 � S2 ein Halbring ist, und die folgende Darstellung von S gilt nach demSatz von Dynkin (Satz 1.18):

S := � (S1 � S2) = (� (S1 � S2))lim : (3.12)

Schritt 1. Zeigen wir, dass S1 � S2 � G:

Jede Menge A 2 S1�S2 hat die Form A = A1�A2 mit A1 2 S1 und A2 2 S2. Es giltdann

Ax =

�A2; x 2 A1;;; x =2 A1;

;

und somit Ax 2 S2 für alle x 2M1.

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94 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Menge A = A1 � A2 und Schnittmenge Ax

Es gilt auch

�2 (Ax) =

��2 (A2) ; x 2 A1;0; x =2 A1;

= �2 (A2)1A1 (x) ; (3.13)

und somit ist �2 (Ax) eine S1-messbare Funktion von x. Wir erhalten, dass A 2 G, wasdie Inklusion S1 � S2 � G beweist.

Schritt 2. Zeigen wir, dass G abgeschlossen bezüglich endlicher disjunkten Vereinigungenist.

Seien A;B zwei disjunkte Mengen aus G. Da

(A tB)x = Ax tBx;

es folgt, dass (A tB)x 2 S2. Da

�2 ((A tB)x) = �2 (Ax tBx) = �2 (Ax) + �2 (Bx) ;

es folgt, dass die Funktion x 7! �2 ((A tB)x) S1-messbar ist. Somit A tB 2 G.Da S1�S2 � G und der Ring � (S1 � S2) aus den endlichen disjunkten Vereinigungen

von Elementen von S1 � S2 besteht, so erhalten wir nach den Schritten 1 und 2, dass

� (S1 � S2) � G: (3.14)

Schritt 3. Zeigen wir, dass G abgeschlossen bezüglich monotones Limes ist.

Sei fAng � G eine monoton steigende Folge und setzen wir

A = limn!1

An =Sn

An:

Dann gilt für alle x 2M1

Ax =Sn

(An)x

und somit Ax 2 S2. Auch haben wir

�2 (Ax) = limn!1

�2 ((An)x) : (3.15)

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3.3. BEWEIS VON DEM PRINZIP VON CAVALIERI 95

woraus folgt, dass �2 (Ax) S1-messbar ist als ein punktweiser Grenzwert der Folge vonmessbaren Funktionen. Somit A 2 G:Ist fAng monoton Fallen, dann gilt

A = limn!1

An =Tn

An

und somitAx =

Tn

(An)x

und Ax 2 S2: Nach der Voraussetzung �2 (M2) < 1 sind alle Maße �2 (An)x endlich,woraus folgt, dass die Identität (3.15) in diesem Fall auch gilt (Aufgabe 13).Schritt 4. Zeigen wir, dass S = G:

Nach (3.12), (3.14) und Schritt 3 erhalten wir

S = � (S1 � S2) = (� (S1 � S2))lim � Glim = G;

woraus S = G folgt.Schritt 5. Beweisen wir, dass jede Menge A 2 S die Bedingungen (i) und (ii) erfülltauch wenn �2 (M2) =1:

Da �2 �-endlich ist, so gibt es eine Zerlegung

M2 =Fk

Bk

wobei Bk 2 S2 und �2 (Bk) <1: Für jede Menge A 2 S setzen wir

Ak = A \ (M1 �Bk)

so dass Ak 2 S undA =

Fk

Ak:

Da �2 (Bk) < 1 und Ak � M1 � Bk so erhalten wir nach dem obigen Argument in derGrundmenge M1 �Bk dass Ak die Bedingung (i) und (ii) erfüllt.

Schnittmenge (Ak)x

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96 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Es folgt, dass die Schnittmenge

Ax =Fk

(Ak)x

auch S2-messbar ist und die Funktion

�2 (Ax) =Xk

�2 ((Ak)x)

auch S1-messbar ist.Schritt 6. Beweisen wir jetzt die Aussage (iii) d.h. die Identität (3.6).

Für jede Menge A 2 S setzen wir

� (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x)

und beweisen, dass � ein Maßauch S ist. O¤ensichtlich gilt � (;) = 0: Sei fAng1n=1 einedisjunkte Folge von Elementen von S. Für die Vereinigung A =

FnAn gilt

Ax =1Fn=1

(An)x

und somit

�2 (Ax) =1Xn=1

�2 ((An)x) :

Nach den Satz von den monotonen Konvergenz erhalten wir

� (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 =1Xn=1

ZM1

�2 ((An)x) d�1 =Xn

� (An) ;

was die �-Additivität von � beweist.Die Identität (3.6) ist äquivalent zur Aussage, dass � = � auf S. Vergleichen wir die

Maße � und � zuerst auf S1 � S2: Für eine Menge A 2 S1 � S2 der Form A = A1 � A2mit A1 2 S1 und A2 2 S2 erhalten wir nach (3.13)

� (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x) =

ZA1

�2 (A2) d�1 (x) = �2 (A2)�1 (A1) = � (A) :

Da die Maße � und � auf dem Halbring S1 � S2 übereinstimmen so erhalten wir nachder Eindeutigkeit der Erweiterung (Satz 1.12) dass � = � auf S = � (S1 � S2), under derBedingung, dass � und � �-endlich sind. Das Maß� ist �-endlich nach dem Satz 3.1: esgibt eine Überdeckung

M =Sk

Ck

mit Ck 2 S1�S2 und � (Ck) <1: Da � = � auf S1�S2, so gilt auch � (Ck) <1;so dass� auch �-endlich ist.

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3.4. SATZ VON FUBINI FÜR NICHTNEGATIVE FUNKTIONEN 97

3.4 Satz von Fubini für nichtnegative Funktionen

Hauptsatz 3.4 (Satz von Fubini für nichtnegative Funktionen) Sei (M;S; �) der Pro-duktraum von den Maßräumen (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) mit �-endlichen Maßen �1und �2: Für jede S-messbare Funktion f :M ! [0;1] giltZ

M

f d� =

ZM1

�ZM2

f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x) : (3.16)

Nämlich, die Funktion y 7! f (x; y) ist S2-messbar für jedes x 2M1, die Funktion

ef (x) := ZM2

f (x; y) d�2 (y)

ist S1-messbar und es gilt ZM

f d� =

ZM1

efd�1: (3.17)

Bemerkung. Analog gilt die IdentitätZM

f d� =

ZM2

�ZM1

f (x; y) d�1 (x)

�d�2 (y) : (3.18)

Die Ausdrücke in den rechten Seiten von (3.16) und (3.18) heißen Doppelintegrale.

Korollar 3.5 Für beliebige S-messbare Menge A �M und S-messbare Funktion f : A![0;1] gilt Z

A

fd� =

ZM1

�ZAx

f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x) ; (3.19)

wobei Ax = fy 2M2 : (x; y) 2 Ag die x-Schnittmenge ist.

Beweis. Bemerken wir zuerst, dass

1A (x; y) =

�1; (x; y) 2 A0; sonst

=

�1; y 2 Ax0; sonst

= 1Ax (y) : (3.20)

Erweitern wir die Funktion f aufM mit f jAc := 0 so dass f als Funktion aufM S-messbarist. Nach (2.44), (3.16) und (3.20) erhalten wirZ

A

fd� =

ZM

1Af d� =

ZM1

�ZM2

1A (x; y) f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x)

=

ZM1

�ZM2

1Ax (y) f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x)

=

ZM1

�ZAx

f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x) ;

was zu beweisen war.

Bemerkung. Im Fall f � 1 auf A ist die Identität (3.19) o¤ensichtlich äquivalent zumPrinzip von Cavalieri.

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98 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

In allen Beispielen benutzen wir, dass der Maßraum (Rn;Bn; �n) der Produktraum von(Rn�1;Bn�1; �n�1) und (R;B; �) ist.Beispiel. Sei Q der Einheitsquadrat in R2, d.h.

Q = [0; 1]2 =�(x; y) 2 R2 : 0 � x � 1; 0 � y � 1

:

Berechnen wir das Integral ZQ

(x+ y)3 d�2:

Nach (3.16) erhalten wirZQ

(x+ y)3 d�2 =

Z[0;1]

�Z[0;1]

(x+ y)3 d� (x)

�d� (y)

=

Z 1

0

�Z 1

0

(x+ y)3 dx

�dy

=

Z 1

0

"(x+ y)4

4

#x=1x=0

dy

=

Z 1

0

(1 + y)4 � y4

4dy

=1

4

Z 2

1

z4dz � 14

Z 1

0

y4dy =3

2:

Beispiel. Bestimmen wir wieder das Gauß-Integral

a :=

Z 1

�1e�x

2

dx:

Nach der Aufgabe 77 gilt ZR2e�(x

2+y2)d�2 = �:

Nach dem Satz von Fubini erhalten wirZR2e�(x

2+y2)d�2 =

ZR

�ZRe�x

2

e�y2

d� (y)

�d� (x)

=

Z 1

�1e�x

2

�Z 1

�1e�y

2

dy

�dx

= a

Z 1

�1e�x

2

dx = a2:

Somit erhalten wir die Gleichung a2 = � woraus a =p� folgt.

Für weitere Beispiele brauchen wir die folgende Behauptung (Verallgemeinerung vondem Korollar 3.3).

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3.4. SATZ VON FUBINI FÜR NICHTNEGATIVE FUNKTIONEN 99

Korollar 3.6 Seien U eine Borel-Teilmenge von Rn�1 und h1; h2 zwei reellwertige Borel-Funktionen auf U mit h1 �h2. Betrachten wir die Menge Z � Rn zwischen den Graphender Funktionen h1 und h2, d.h.

Z = f(x; t) 2 Rn : x 2 U; t 2 R; h1 (x) � t � h2 (x)g :

Dann gilt für jede nichtnegative Borel-Funktion f auf Z die IdentitätZZ

fd�n =

ZU

�Z[h1(x);h2(x)]

f (x; t) d� (t)

�d�n�1 (x) : (3.21)

Ux

t h

h

2

1

Z

Rn­1

Zx

t

Die Menge Z

Beweis. Die Menge Z ist o¤ensichtlich eine Borel-Teilmenge von Rn (siehe Korollar 3.3).Nach dem Korollar 3.5 für das Maß�n = �n�1 � � in U � R erhalten wirZ

Z

fd�n =

ZU

�ZZx

f (x; t) d� (t)

�d�n�1 (x) ;

woraus (3.21) folgt, da Zx = [h1 (x) ; h2 (x)].

Beispiel. Bestimmen wir das IntegralZK

��xy3�� d�2;wobei K die Einheitskreisscheibe ist, d.h.

K =�(x; y) 2 R2 : x2 + y2 � 1

:

Da K die Menge zwischen den Graphen der Funktionen y = �p1� x2 und y =

p1� x2

auf U = [�1; 1] ist, so erhalten wir nach (3.21)ZK

��xy3�� d�2 =

Z 1

�1

Z p1�x2

�p1�x2

��xy3�� dy! dx=

Z 1

�12 jxj

Z p1�x2

0

y3dy

!dx

= 4

Z 1

0

x

�y4

4

�y=p1�x2y=0

dx =

Z 1

0

x�1� x2

�2dx =

1

6:

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100 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

15.01.20

Beispiel. Bestimmen wir das IntegralZP

�3x2 + y

�d�2

wobei P das Parallelogramm mit den Seiten

y = x� 1; y = x+ 1; y = 1; y = 3

ist.

P

0 1 2 3 40

1

2

3

4

x

y

Das Parallelogramm P

O¤ensichtlich ist P die Menge zwischen den Graphen der Funktionen x = y � 1; x =y + 1 auf dem Intervall 1 � y � 3. Somit erhalten wirZ

P

�3x2 + y

�d�2 =

Z 3

1

�Z y+1

y�1

�3x2 + y

�dx

�dy

=

Z 3

1

�x3 + xy

�x=y+1x=y�1 dy

=

Z 3

1

�(y + 1)3 � (y � 1)3 + 2y

�dy

=

Z 3

1

�6y2 + 2y + 2

�dy = 64:

Beispiel. Bestimmen wir das DoppelintegralZ 1

0

�Z 1

x

y4e�xy2

dy

�dx:

Stellen wir das Integral in der FormZ[0;1]

�Z[x;1]

f (x; y) d� (y)

�d� (x)

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3.4. SATZ VON FUBINI FÜR NICHTNEGATIVE FUNKTIONEN 101

dar, wobei f (x; y) = y4e�xy2. Nach dem Korollar 3.6 ist dieses Integral gleichZ

Z

f (x; y) d�2;

wobei Z die Menge zwischen den Graphen von Funktionen y = x und y = 1 auf demIntervall [0; 1] ist, d.h.

Z =�(x; y) 2 R2 : 0 � x � 1; x � y � 1

:

Z

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.00.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x

y

Die Zwischenmenge Z

Stellen wir Z in der Form

Z =�(x; y) 2 R2 : 0 � y � 1; 0 � x � y

dar und erhalten nach dem Korollar 3.6Z

Z

f (x; y) d�2 =

Z[0;1]

�Z[0;y]

f (x; y) d� (x)

�d� (y)

=

Z 1

0

�Z y

0

y4e�xy2

dx

�dy

=

Z 1

0

y4

"�e

�xy2

y2

#x=yx=0

=

Z 1

0

y2�1� e�y

3�dy

=

Z 1

0

y2dy � 13

Z 1

0

e�y3

dy3

=

�y3

3

�10

+1

3

he�y

3i10

=1

3+1

3

�e�1 � 1

�=e�1

3:

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102 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

3.5 Beweis von dem Satz von Fubini

Beweis von dem Satz 3.4. Bezeichnen wir mit F die Menge von allen nicht-negativenS-messbaren Funktionen auf M und mit G die Teilmenge von F , die besteht aus denFunktionen f , die alle Behauptungen des Satzes 3.4 erfüllen. Wir müssen beweisen, dassG = F .Schritt 1. Beweisen wir, dass die Indikatorfunktion f = 1A mit A 2 S in G liegt.Nach (3.20) haben wir für alle x 2M1 und y 2M2

f (x; y) = 1A (x; y) = 1Ax (y) :

Nach dem Satz 3.2 gilt Ax 2 S2 und somit ist die Funktion f (x; �) S2-messbar. Darüberhinaus gilt ef (x) = Z

M2

f (x; y) d�2 (y) =

ZM2

1Ax d�2 = �2 (Ax) : (3.22)

Nach dem Satz 3.2 ist die Funktion ef (x) = �2 (Ax) S1-messbar und es giltZM

f d� = � (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x) =

ZM1

efd�1;was beweist (3.17). Somit liegt 1A in G.Schritt 2. Beweisen wir, dass für beliebige Konstanten �; � 2 [0;1)

f; g 2 G ) �f + �g 2 G

Da f; g 2 G so sind die Funktionen f (x; �) und g (x; �) S2-messbar für jedes x 2 M1,die Funktionen

ef (x) = ZM2

f (x; �) d�2 und eg (x) = ZM2

g (x; �) d�2

sind S1-messbar, undZM

fd� =

ZM1

efd�1 und ZM

gd� =

ZM1

egd�1:Setzen wir h = �f + �g: Es folgt, dass für jedes x 2M1 die Funktion

h (x; �) = �f (x; �) + �g (x; �)

S2-messbar ist, die Funktion

eh (x) = ZM2

h (x; �) d�2 = � ef (x) + �eg (x)S1-messbar ist, undZ

M

hd� = �

ZM

fd�+ �

ZM

gd� = �

ZM1

efd�1 + �

ZM1

egd�1 = ZM1

ehd�1:

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3.6. SATZ VON FUBINI FÜR SIGNIERTE FUNKTIONEN 103

Somit liegt h in G.Schritt 3. Sei ffngn2N eine Folge von Funktionen aus G: Gilt fn ! f punktweise undfn � f für alle n, dann liegt f auch in G (d.h. G ist abgeschlossen bezüglich der einseitigenKonvergenz).

O¤ensichtlich f � 0 und nach dem Satz 2.3 ist die Funktion f S-messbar. Nach demSatz 2.13 gilt Z

M

fnd�!ZM

fd�: (3.23)

Für jedes x 2 M1 gilt fn (x; �) ! f (x; �) so dass die Funktion f (x; �) S2-messbar ist. Dafn (x; �) � f (x; �), so gilt nach dem Satz 2.13

efn (x) = ZM2

fn (x; �) d�2 !ZM2

f (x; �) d�2 = ef (x) :O¤ensichtlich gilt auch efn (x) � ef (x) : Da die Funktionen efn S1-messbar sind, so ist auchdie Funktion ef S1-messbar, und nach dem Satz 2.13 giltZ

M

efnd�1 ! ZM1

efd�1: (3.24)

Für die Funktionen fn 2 G gilt die IdentitätZM

fn d� =

ZM

efnd�1;was zusammen mit (3.23) und (3.24) ergibt (3.17), so dass f 2 G:Schritt 4. Beweisen wir jetzt dass jede Funktion f 2 F in G liegt.Nach dem Lemma 2.14 gibt es eine Folge ffng von Elementarfunktionen mit fn ! f

und fn � f: Nach den Schritten 1 und 2 liegen alle Elementarfunktionen fn in G. Nachdem Schritt 3 liegt f auch in G, was zu beweisen war.

3.6 Satz von Fubini für signierte Funktionen

Hauptsatz 3.7 (Satz von Fubini für integrierbare Funktionen) Sei (M;S; �) der Pro-duktraum von den Maßräumen (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) mit �-endlichen Maßen �1und �2: Für jede �-integrierbare Funktion f :M ! R gilt die IdentitätZ

M

fd� =

ZM1

�ZM2

f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x) :

Nämlich, the function y 7! f (x; y) ist �2-integrierbar für �1-fast alle x 2M1, die Funktion

ef (x) := ZM2

f (x; y) d�2 (y) (3.25)

ist �1-integrierbar, und es gilt ZM

fd� =

ZM1

efd�1:

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104 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

Bemerkung. Die Funktion ef (x) wird von (3.25) nur für �1-fast alle x 2 M1 de�niert.Für den Rest von x setzen wir ef (x) = 0:Beweis. Nach der Integrierbarkeit von f haben wirZ

M

f+d� <1 undZM

f�d� <1:

Nach dem Satz 3.4 sind die Funktionenff+ (x) := ZM2

f+ (x; y) d�2 (y) und ff� (x) := ZM2

f� (x; y) d�2 (y)

S1-messbar und es gelten die IdentitätenZM

f+d� =

ZM1

ff+ d�1 und ZM

f�d� =

ZM1

ff� d�1:Die Funktionen ff+ und ff� sind somit �1-integrierbar. Nach dem Satz 2.21 sind ff+ (x)und ff� (x) endlich für �1-fast alle x 2M1, d.h. die Menge

N :=nx 2M1 : ff+ (x) =1 oder ff� (x) =1o

ist eine Nullmenge. Die Funktionen

y 7! f+ (x; y) und y 7! f� (x; y)

sind somit �2-integrierbar für alle x 2 N c. Dann ist auch die Funktion

y 7! f (x; y) = f+ (x; y)� f� (x; y)

�2-integrierbar für alle x 2 N c, insbesondere für �1-fast alle x 2M1: Für alle x 2 N c giltdie Identität ef (x) := Z

M2

f (x; y) d�2 (y) = ff+ (x)�ff� (x) :Für x 2 N setzen wir nach De�nition ef (x) := 0:Dann ist ef �1-messbar da die Menge N c �1-messbar ist undef = 1Nc ef = 1Ncff+ � 1Ncff�:Da ff+ �ff� = ef für �1-fast alle x 2M , so ist ef �1-integrierbar und es giltZ

M1

efd�1 =

ZM1

�ff+ �ff�� d�1=

ZM1

ff+d�1 � ZM1

ff�d�1=

ZM

f+d��ZM

f�d�

=

ZM

f d�;

was zu beweisen war.

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3.7. � VOLLSTÄNDIGES PRODUKTMASS 105

3.7 � Vollständiges Produktmaß

Sei (M;S; �) der Produktraum von den Maßräumen (M1;S1; �1) und (M2;S2; �2) mit �-endlichen Maßen �1 und �2; wobei S = � (S1 � S2) : Betrachten wir auch die �-AlgebraS = � (S1 � S2), die man nach dem Satz 1.12 erhält. Das Maß� = �1 � �2 mit demDe�nitionsbereich S heißt vollständiges Produktmaß.

Hauptsatz 3.8 (Satz von Fubini für vollständige Maße) Seien die Maße �1 und �2 voll-ständig, d.h. alle ihre Nullmengen messbar sind. Sei

�M;S; �

�der Produktraum mit

dem vollständigen Produktmaß. Für jede S-messbare Funktion f : M ! [0;1] gilt dieIdentität Z

M

fd� =

ZM1

�ZM2

f (x; y) d�2 (y)

�d�1 (x) :

Nämlich, the function y 7! f (x; y) ist S2-messbar für �1-fast alle x 2M1, die Funktion

ef (x) := ZM2

f (x; y) d�2 (y)

ist S1-messbar, und es gilt ZM

fd� =

ZM1

efd�1:Die ähnlichen Aussagen gelten für �-integrierbare Funktionen f :M ! R:

Beweis. Wie im Beweis von dem Satz 3.4 es reicht die obigen Aussagen im Fall f = 1Afür alle A 2 S zu beweisen, d.h. das Prinzip von Cavalieri:

� (A) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x) ;

wobeiAx = fy 2M2 : (x; y) 2 Ag :

Nach dem Satz 1.25 gibt es eine Menge B 2 S so dass A � B und B �A eine Nullmengeist. Nach dem Satz 3.2 gilt

� (B) =

ZM1

�2 (Bx) d�1 (x) :

Nach der Aufgabe 91 ist (B � A)x eine Nullmenge in M2 für �1-fast alle x: Da

Ax = Bx � (B � A)x

und �2 vollständig ist, so erhalten wir, dass Ax 2 S2 für �1-fast alle x, und

� (Ax) = � (Bx) für �1-fast alle x:

Es folgt, dass

� (A) = � (B) =

ZM1

�2 (Bx) d�1 (x) =

ZM1

�2 (Ax) d�1 (x) ;

was zu beweisen war.

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106 CHAPTER 3. PRODUKTMASS UND SATZ VON FUBINI

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Chapter 4

Integration in Rn

4.1 Transformationssatz

Sei f eine Riemann-integrierbare Funktion auf einem Intervall [a; b] und ' : [�; �]! [a; b]eine stetig di¤erenzierbare Funktion (wobei a < b und � < �): Die Substitutionsregelbesagt, dass Z '(�)

'(�)

f (y) dy =

Z �

f (' (x))'0 (x) dx: (4.1)

Sei ' monoton steigend mit ' (�) = a und ' (�) = b: Dann schreiben wir (4.1) um als dieIdentität für Lebesgue-Integralen:Z

[a;b]

f (y) d� (y) =

Z[�;�]

f (' (x)) j'0 (x)j d� (x) : (4.2)

Sei jetzt ' monoton fallend mit ' (�) = b und ' (�) = a. Dann erhalten wir aus (4.1)Z b

a

f (y) dy = �Z '(�)

'(�)

f (y) dy = �Z �

f (' (x))'0 (x) dx;

so dass wieder Z[a;b]

f (y) d� (y) =

Z[�;�]

f (' (x)) j'0 (x)j d� (x) :

Somit gilt die Identität (4.2) in den beiden Fällen, d.h. immer, wenn ' ein Di¤eomor-phismus von [�; �] nach [a; b] ist.

De�nition. Seien U; V zwei o¤ene Teilmenge von Rn: Ein Abbildung � : U ! V heißtDi¤eomorphismus falls � bijektiv und stetig di¤erenzierbar ist, und die inverse Abbildung��1 auch stetig di¤erenzierbar ist.

Für di¤erenzierbare Abbildung � : U ! V de�nieren wir die Ableitung �0 (x) als dielineare Abbildung Rn ! Rn, deren Matrix die Jacobi-Matrix�

@�i (x)

@xj

�ni;j=1

ist.

107

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108 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Bemerkung. Eine bijektive stetig di¤erenzierbare Abbildung � : U ! V ist genau dannein Di¤eomorphismus, wenn det�0 (x) 6= 0 für alle x 2 U , da nach dem Satz von derinversen Funktion die inverse Abbildung ��1 : V ! U stetig di¤erenzierbar in der Nähevon jedem Punkt x mit det�0 (x) 6= 0 ist. Es gilt auch�

��1 (y)�0= (�0 (x))

�1

für y = �(x) :

Hauptsatz 4.1 (Transformationssatz) Seien U; V o¤ene Teilmengen von Rn und � :U ! V ein Di¤eomorphismus. Für jede nichtnegative Borel-Funktion f auf V und für� = �n gilt die Identität Z

V

f d� =

ZU

(f � �) jdet�0j d�: (4.3)

Die Identität (4.3) gilt auch für jede integrierbare Borel-Funktion f : V ! R.17.01.20

Bemerkung. Nach dem Satz 2.2 ist die Funktion f �� Borel (als Komposition von Borel-Funktionen) und somit ist das Integral an der rechten Seite von (4.3) wohlde�niert. DieIdentität (4.3) gilt auch für (Lebesgue-)messbare Funktionen f , aber die Messbarkeit vonf � � ist in diesem Fall nicht automatisch und muss bewiesen werden.

Schreiben wir (4.3) ausführlicher um wie folgt:ZV

f (y) d� (y) =

ZU

f (� (x)) jdet�0 (x)j d� (x) ; (4.4)

was mit dem 1-dimensionalen Fall (4.2) übereinstimmt. Die Formel (4.4) lässt sich wieeine Substitutionsregel betrachten: im Integral

RVf (y) d� (y)macht man die Substitution

y = �(x) mit

d� (y) = jdet�0 (x)j d� (x) =����det dydx

���� d� (x) ;wobei dy

dxdie andere Notation für �0 (x) ist. Die Determinante det�0 (x) heißt die Funk-

tionaldeterminante der Transformation y = �(x).Beispiel. Berechnen wir �2 (V ) wobei V � R2 die o¤enen Menge ist, die von den Parabeln

x2 + y = 1; x2 + y = 4

im ersten Quadrant begrenzt ist.

V

0 1 2 3 40

1

2

3

4

x

y

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4.1. TRANSFORMATIONSSATZ 109

Wir habenV =

�(x; y) 2 R2 : 1 < x2 + y < 4; x > 0; y > 0

;

Betrachten wir die neuen Variablen

u = x2 + y; v = y

und die entsprechende Abbildung

(u; v) = (x; y) :=�x2 + y; y

�:

O¤ensichtlich haben wir

U := (V ) =�(u; v) 2 R2 : 1 < u < 4; 0 < v < u

:

U

0 1 2 3 40

1

2

3

4

u

v

Die Abbildung : V ! U stetig di¤erenzierbar, und die inverse Abbildung � = �1

existiert und sieht wie folgt aus:

(x; y) = � (u; v) =�p

u� v; v�:

Die Abbildung � : U ! V ist auch stetig di¤erenzierbar und somit ist ein Di¤eomorphis-mus. Wir haben

�0 =

� 12pu�v � 1

2pu�v

0 1

�und

det�0 =1

2pu� v

:

Mit Hilfe von den Transformationssatz 4.1 und Korollar 3.6 erhalten wir

�2 (V ) =

ZV

d�2 =

ZU

jdet�0j d�2

=

ZU

1

2pu� v

d�2 (u; v)

=

Z 4

1

�Z u

0

1

2pu� v

dv

�du

=

Z 4

1

��pu� v

�v�uv=0

du

=

Z 4

1

pudu =

14

3:

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110 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Beispiel. Bestimmen wir das Integral ZV

x2d�2;

wobei V die o¤ene Teilmenge im ersten Quadrant ist, die von der folgenden vier Kurven

xy = 1=2; xy = 1; y =1

3x; y = 2x

begrenzt ist.

V

0.0 0.5 1.0 1.5 2.00.0

0.5

1.0

1.5

2.0

x

y

Wir haben

V =�(x; y) 2 R2 : x; y > 0; 1=2 < xy < 1; 1=3 < y=x < 2

:

Betrachten wir die neuen Variablen

u = xy; v = x=y

und die Abbildung(u; v) = (x; y) := (xy; x=y)

so dass

U := (V ) =�(u; v) 2 R2 : 1

2< u < 1; 1

2< v < 3

= (1

2; 1)� (1

2; 3):

Die Abbildung : V ! U stetig di¤erenzierbar, und die inverse Abbildung � = �1

existiert und sieht wie folgt aus:

(x; y) = � (u; v) =�p

uv;pu=v�:

Die Abbildung � : U ! V ist stetig di¤erenzierbar und somit ein Di¤eomorphismus. DieFunktionaldeterminante von � ist

det�0 = det

� 12

pvu

12

puv

12puv

�12

puv3

�= � 1

4pv2� 1

4pv2= � 1

2v:

Da x2 = uv; so erhalten wir nach den Transformationssatz und Satz von Fubini, dassZV

x2d�2 (x; y) =

ZU

uv jdet�0j d�2 =Z 1

1=2

�Z 3

1=2

dv

�u

2du =

Z 1

1=2

5

4udu =

5

4

�u2

2

�11=2

=15

32:

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4.2. INTEGRATION IN POLARKOORDINATEN 111

4.2 Integration in Polarkoordinaten

Polarkoordinaten in R2

We benutzen hier die Transformationsformel, um die Integrale auf R2 mit Hilfe von Po-larkoordinaten zu bestimmen. Bezeichnen wir mit (r; ') die Polarkoordinaten in R2 mitden folgenden De�nitionsbereich

U = f(r; ') : r > 0, � � < ' < �g = (0;1)� (�� � �) :

Der Übergang zu den kartesischen Koordinaten (x; y) wird durch die folgende Abbildung� : U ! R2 angegeben:

(x; y) = � (r; ') = (r cos'; r sin') :

x

y (x,y)

0

ϕ

r

Die Bildmenge von � ist

V := � (U) = R2 n f(x; 0) : x � 0g = R2 nHalb-Achse.

Die Abbildung � : U ! V ist bijektiv, ihre Ableitung ist

�0 =

�@r�1 @'�1@r�2 @'�2

�=

�cos' �r sin'sin' r cos'

�;

und somitdet�0 = r 6= 0:

Folglich ist � ein Di¤eomorphismus von U und V .Der Satz 4.1 ergibt die folgende Identität für jede nichtnegative (bzw integrierbare)

Borel-Funktion f auf V :ZV

f (x; y) d�2 (x; y) =

ZU

f (r cos'; r sin') r d�2 (r; ') : (4.5)

Ist f eine Borel-Funktion auf R2; so giltZR2fd�2 =

ZV

fd�2

da die Di¤erenz R2 n V eine Nullmenge ist. Einsetzen dies in (4.5) und Anwendung ander rechten Seite den Satz von Fubini ergibt die Identität

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112 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

ZR2f (x; y) d�2 (x; y) =

Z(0;1)

�Z(��;�)

f (r cos'; r sin') d'

�rdr: (4.6)

Beispiel. SeiD =

�(x; y) : x2 + y2 < R2

die Kreisscheibe von Radius R. Anwendung von (4.6) mit der Funktion f = 1D ergibt

�2 (D) =

ZR21Dd�2 =

Z 1

0

�Z �

��1(0;R) (r) d'

�rdr = 2�

Z R

0

rdr = �R2:

Beispiel. Berechnen wir wieder das IntegralZR2e�(x

2+y2)d�2

mit Hilfe von (4.6):ZR2e�(x

2+y2)d�2 =

Z 1

0

�Z �

��e�r

2

d'

�rdr = 2�

Z 1

0

e�r2

rdr = �

Z 1

0

e�r2

dr2 = �:

Wir kennen schon, dass diese Identität ergibtZRe�x

2

dx =p�:

Polarkoordinaten in R3:

Betrachten wir jetzt die Polarkoordinaten in R3 (Kugelkoordinaten): (r; '; �) mit demDe�nitionsbereich

U = f(r; '; �) : r > 0;�� < ' < �; 0 < � < �g = (0;1)� (��; �)� (0; �) :Der Übergang zu den kartesischen Koordinaten wird durch die folgende Abbildung � :U ! R3 angegeben:

(x; y; z) = � (r; '; �) = (r sin � cos'; r sin � sin'; r cos �) :

ϕ

S

(x,y,z)

Z

X

Y

z

(x,y)

r

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4.3. � BEWEIS VON DEM TRANSFORMATIONSSATZ 113

Kugelkoordinaten

Die Bildmenge von � ist

V = �(U) = R3 n f(x; 0; z) : x � 0; z 2 Rg = R3 nHalb-Ebene.

Die Abbildung � : U ! V ist bijektiv und ihre Ableitung ist

�0 =

0@ @r�1 @'�1 @��1@r�2 @'�2 @��2@r�3 @'�3 @��3

1A =

0@ sin � cos' �r sin � sin' r cos � cos'sin � sin' r sin � cos' r cos � sin'cos � 0 �r sin �

1A :

Wir haben

det�0 = cos �

���� �r sin � sin' r cos � cos'r sin � cos' r cos � sin'

����� r sin �

���� sin � cos' �r sin � sin'sin � sin' r sin � cos'

����= �r2 sin � cos2 � � r2 sin3 �

= �r2 sin � 6= 0:

Somit ist � : U ! V ein Di¤eomorphismus. Nach dem Transformationssatz 4.1 und demSatz von Fubini erhalten wir die folgende Identität für jede nichtnegative (bzw integrier-bare) Borel-Funktion f auf R3:Z

R3fd�3 =

Z(0;1)

�Z(��;�)

�Z(0;�)

f (x; y; z) sin �d�

�d'

�r2dr (4.7)

wobei x; y; z die Funktionen von r; '; � sind.

Beispiel. Bestimmen wir das Volumen �3 (BR) der Kugel

BR =�(x; y; z) 2 R3 : x2 + y2 + z2 < R2

von Radius R > 0. Nach (4.7) mit f = 1K erhalten wir

�3 (BR) =

ZR31Kd�3 =

Z 1

0

�Z �

��

�Z �

0

1(0;R) (r) sin �d�

�d'

�r2dr

=

Z 1

0

�Z �

��[� cos �]�0 d'

�1(0;R) (r) r

2dr

= 4�

Z R

0

r2dr =4

3�R3:

4.3 � Beweis von dem Transformationssatz

Der Beweis des Satzes 4.1 besteht aus einer Reihe von Schritten. Wir nennen die Abbil-dung � gut falls (4.3) für alle nicht-negativen (und integrierbaren) Borel-Funktionen gilt.Um den Satz 4.1 zu beweisen, brauchen wir zu zeigen, dass jeder Di¤eomorphismus gutist.

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114 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Schritt 1. Ein Di¤eomorphismus � : U ! V ist gut genau dann, wenn für jede Borel-Menge A � U gilt

� (� (A)) =

ZA

jdet�0j d�: (4.8)

Beweis. Bemerken wir, dass � (A) 2 B (V ) nach dem Satz 2.1. Die Identität (4.8) fürA 2 B (U) ist äquivalent zu (4.3) für f = 1�(A) daZ

V

fd� = � (� (A))

und ZA

(f � �) jdet�0j d� =ZU

1A jdet�0j d� =ZA

jdet�0j d�

wobei wir benutzt 1�(A) (� (x)) = 1A (x) haben.Insbesondere folgt daraus die Implikation (4.3))(4.8). Für die Implikation (4.8))(4.3)

bemerken wir, dass jede Menge B 2 B (V ) sich in der Form B = �(A) darstellen lässt,und zwar für A = ��1 (B). Somit gilt (4.3) für alle Indikatorfunktionen von Borel-Mengen aus V . Nach Linearität gilt (4.3) auch für alle Borel-Elementarfunktionen. Dajede nicht-negative Borel-Funktion f ein monoton steigender Limes von Elementarfunk-tionen ist, so erhalten wir nach dem Satz von den monotonen Konvergenz, dass (4.3) füralle nicht-negativen Borel-Funktionen gilt.Sei jetzt f eine integrierbare Borel-Funktion. Dann erfüllen die beiden Funktion f+

und f� die Identität (4.3), woraus (4.3) für f folgt.

Schritt 2. Sind � : U ! V und : V ! W gut, so ist die Komposition � � auchgut.

Beweis. Sei f : W ! R eine nicht-negative Borel-Funktion. Wir müssen beweisen, dassZW

f d� =

ZU

(f � ( � �))��det ( � �)0�� d�: (4.9)

Da gut ist, so erhalten wirZW

f d� =

ZV

(f �) jdet0j d� =ZV

gd�;

wobeig = f � jdet0j :

O¤ensichtlich ist g eine nicht-negative Borel-Funktion auf V . Da � gut ist, so haben wirZV

g d� =

ZU

(g � �) jdet�0j d�

=

ZU

f � � � jdet (0 � �)j jdet�0j d�:

Nach der Kettenregel gilt( � �)0 = (0 � �)�0

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4.3. � BEWEIS VON DEM TRANSFORMATIONSSATZ 115

und somitdet ( � �)0 = det (0 � �) det�0;

woraus (4.9) folgt.

Schritt 3. Alle nichtsinguläre a¢ ne Transformationen in Rn sind gut.

Beweis. A¢ ne Transformation ist eine Abbildung � : Rn ! Rn der Form

� (x) = �x+ �

wobei � eine nichtsinguläre n� n Matrix ist und � 2 Rn: In diesem Fall gilt �0 = �, und(4.8) ist äquivalent zu

� (�A+ �) = jdet�j� (A) (4.10)

für alle A 2 B (Rn), und (4.3) ist äquivalent zuZRnfd� = jdet aj

ZRnf (�x+ b) d� (x)

für alle nichtnegativen Borel-Funktionen f auf Rn:Im Fall von Diagonalmatrix

� = diag (�1; :::; �n)

gilt det� = �1:::�n, und (4.10) wurde in Aufgabe 63 gemacht. Somit ist die Abbildung� (x) = �x + � mit Diagonalmatrix � gut. Insbesondere gilt es für Translation � (x) =x+ �; die � = Id entspricht.Da die Abbildung x 7! �x + � die Komposition von der linearen Abbildung x 7! �x

und Translation x 7! x + � ist, so reicht es zu zeigen, dass alle nichtsinguläre lineareAbbildungen gut sind.Sei � = �x eine lineare Abbildung mit einer nichtsingulären Matrix �. Es folgt von

dem Gaußschen Eliminationsverfahren, dass jede nichtsinguläre lineare Abbildung eineKomposition von elementaren Abbildungen von der folgenden drei Typen ist:

1. � (x1; : : : ; xn) = (x1 + x2; x2; : : : ; xn) ;

2. � (x1; : : : ; xi; : : : ; xj; : : : ; xn) = (x1; : : : ; xj; : : : ; xi; : : : ; xn) (Permutation von xi undxj);

3. � (x1; : : : ; xn) = (cx1; x2; : : : ; xn) für ein c 6= 0.

Diese Typen von � entsprechen zu elementaren Zeilenumformungen einer Matrix umsie zur Diagonalmatrix zu bringen. Nach Schritt 2 reicht es zu zeigen, dass jede elementarelineare Abbildung � gut ist.Im Fall 1 haben wir für jede nicht-negative Borel-Funktion f nach dem Satz von FubiniZ

Rnf d� =

ZRn�1

�ZRf (x1; :::; xn) d� (x1)

�d�n�1 (x2; :::; xn)

=

ZRn�1

�ZRf (x1 + x2; :::; xn) d� (x1)

�d�n�1 (x2; :::; xn)

=

ZRnf (x1 + x2; x2; : : : ; xn) d�

= jdet�0jZRnf (� (x)) d�;

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116 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

wobei wir die Translationsinvarianz von Integral in R und det�0 = 1 benutzt haben.Im Fall 2 betrachten wir zunächst den Fall n = 2, i = 1; j = 2, d.h. die Abbildung

� (x1; x2) = (x2; x1) :

Nach dem Satz von Fubini erhalten wirZR2f d�2 =

ZR

�ZRf (x1; x2) d� (x2)

�d� (x1)

=

ZR

�ZRf (y2; y1) d� (y1)

�d� (y2)

=

ZR2f (y2; y1) d�2 (y)

= jdet�0jZR2(f � �) d�2;

wobei wir den Wechsel von Notation (keine Substitution!) y1 = x2, y2 = x1 benutzt habenund det�0 = �1:Für n > 2 reicht es die Permutation von xi und xi+1 zu betrachten da beliebige Permu-

tation eine Komposition von solchen Permutationen ist. Mit Hilfe von der Bezeichnungu = (x1; :::; xi�1), v = (xi+2; :::; xn) und der Darstellung

Rn = Ri�1 � R2 � Rn�i�1

erhalten wir nach dem Satz von FubiniZRnfd�n =

ZRi�1

�ZR2

�ZRn�i�1

f (u; xi; xi+1; v) d�n�i�1 (v)

�d�2 (xi; xi+1)

�d�i�1 (u) :

(4.11)Nach dem obigen Fall n = 2 können wir im mittleren IntegralZ

R2(� � � ) d�2 (xi; xi+1)

die Variablen xi; xi+1 vertauschen. Somit lässt die Funktion f in der rechten Seite von(4.11) durch f � � ersetzen, woraus folgt, dassZ

Rnfd�n =

ZRn(f � �) d�n = jdet�0j

ZRn(f � �) d�n:

Im Fall 3 ist die Matrix der Abbildung � diagonal, und wir wissen schon, dass � indiesem Fall gut ist.

Bemerkung. Aus dem Schritt 3 brauchen wir weiter nur zu wissen, dass die Permu-tation von Komponenten xi; xj eine gute Abbildung ist. Trotzdem ist es hilfreich einenunabhängigen Beweis für alle a¢ nen Abbildungen zu haben, da wir unterhalb im Beweisfür allgemeine Abbildungen ein Verfahren anwenden, das ähnlich zu Diagonalisierung vonMatrizen ist.

Schritt 4. Wir sagen, dass ein Di¤eomorphismus � : U ! V lokal gut ist wenn fürjeden Punkt p 2 U existiert eine o¤ene Umgebung Up von p in U so dass �jUp gut ist.Beweisen wir die Implikation: � ist lokal gut ) � ist gut.

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4.3. � BEWEIS VON DEM TRANSFORMATIONSSATZ 117

Beweis. Beweisen wir die Identität

� (� (A)) =

ZA

jdet�0j d� (4.12)

für alle A 2 B (U). Die beiden Seiten dieser Gleichung sind Maße auf B (U) und zwar�-endliche Maße. Betrachten wir das Mengensystem

S = fA 2 B (U) : 9p 2 U mit A � Upg :

Nach Voraussetzung gilt (4.12) für alle A 2 S. Das Mengensystem S ist ein Hal-bring, da S abgeschlossen bezüglich der Di¤erenz und des Schnittes ist. Zeigen wir,dass � (S) = B (U). Da fUpgp2U eine o¤ene Überdeckung von U ist, so existiert eineabzählbare Teilüberdeckung fUpig

1i=1. Dann für jede Menge A 2 B (U) gilt

A =1Si=1

(A \ Upi) ;

woraus folgt, dass A 2 � (S) da alle A\Upi in S liegen. Nach dem Satz von Carathéodorygilt (4.12) dann für alle A 2 B (U).

Schritt 5. Beweisen wir den Satz 4.1 im Fall n = 1: Nach Schritt 1 reicht es zu beweisen,dass für jedes A 2 B (U)

� (� (A)) =

ZA

j�0 (x)j d� (x) : (4.13)

Beweis. Da die beiden Seiten von (4.13) �-endliche Maße auf B (U) sind, so reicht esdiese Identität für alle Intervalle A zu beweisen. Sei A = [a; b] � U . Auf [a; b] ist dieFunktion � entweder monoton steigend oder monoton fallend. Im ersten Fall gilt

� (� (A)) = � ([� (a) ;� (b)]) = � (b)� � (a) =Z b

a

�0 (x) dx =

ZA

j�0 (x)j d� (x)

und im zweiten Fall

� (� (A)) = � ([� (b) ;� (a)]) = � (a)� � (b) = �Z b

a

�0 (x) dx =

ZA

j�0 (x)j d� (x) ;

was beweist (4.13) für abgeschlossene Intervalle. Ein beliebiges Intervall A ist immerein monoton steigender Limes von abgeschlossen Intervallen, woraus (4.13) folgt für alleIntervalle.

Schritt 6. Beweisen wir jetzt per Induktion nach n, dass jeder Di¤eomorphismus � :U ! V gut ist.

Beweis. Der Induktionsanfang gilt nach Schritt 5, so es bleibt den Induktionsschritt vonn� 1 nach n durchzuführen, was der Hauptteil von dem Beweis ist. Nach dem Schritt 4reicht es zu beweisen, dass � lokal gut ist. Wählen wir einen Punkt p 2 U und beweisen,dass es eine o¤ene Umgebung Up von p in U gibt, so dass �jUp gut ist. Da det �0 (p) 6= 0,so es gibt ein Element @xj�1 (p) in der ersten Zeile von �

0 (p), das nicht Null ist. Da

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118 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Permutation von x1 und xj eine gute Abbildung ist, so können wir annehmen, dass j = 1,d.h.

@x1�1 (p) 6= 0:Betrachten wir die Abbildung

: U ! Rn

(x1; :::; xn) = (�1 (x) ; x2; :::; xn) :

Wir haben

0 =

@x1�1 ?

0 Idn�1

!und somit

det0 = @x1�1:

Insbesondere gilt det0 (p) 6= 0, und nach dem Satz von der inversen Funktion existierteine o¤ene Umgebung U 0 von p in U wo jU 0 ein Di¤eomorphismus ist. Wir werdenzeigen, dass � in U 0 gut ist.Um die Notation einfacher zu machen, benennen wir U 0 nach U um und setzen W =

(U) so dass : U ! W ein Di¤eomorphismus ist. Auch de�nieren wir die neue MengeV mit V = �(U), so dass � : U ! V wieder ein Di¤eomorphismus ist.

u=(x2,…,xn)

tRn

Rn­1

U

Φ1(t,u)

x1

W

Ψ

x

Ψ(x)

Uu

Wu

Abbildung : U ! W

Zeigen wir, dass gut ist. Bezeichnen wir t = xn und u = (x2; :::; xn) so dass x = (t; u).Mit dieser Notation gilt

(t; u) = (�1 (t; u) ; u) : (4.14)

Bemerken wir, dass für jedes u 2 Rn�1 die u-Schnittmengen Uu undWu o¤en sind und dieAbbildung t 7! �1 (t; u) ein Di¤eomorphismus von Uu nach Wu ist, da �1 (�; u) bijektivist und @t�1 6= 0 in Uu:Für jede nicht-negative Borel-Funktion f (t) aufWu erhalten wir nach dem Induktion-

sanfang ZWu

f (t) d� (t) =

ZUu

f (�1 (t; u)) j@t�1 (t; u)j d� (t) :

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4.3. � BEWEIS VON DEM TRANSFORMATIONSSATZ 119

Sei jetzt f (t; u) eine nicht-negative Borel-Funktion auf W . Anwendung von der obigenIdentität auf die Funktion t 7! f (t; u) ergibtZ

Wu

f (t; u) d� (t) =

ZUu

f (�1 (t; u) ; u) j@t�1 (t; u)j d� (t)

=

ZUu

f ( (t; u)) jdet0 (t; u)j d� (t) ;

Ferner erhalten wir nach dem Satz von Fubini (cf. (3.19)), dassZW

fd�n =

ZRn�1

�ZWu

f (t; u) d� (t)

�d�n�1 (u)

=

ZRn�1

�ZUu

f ( (t; u)) jdet0 (t; u)j d� (t)�d�n�1 (u)

=

ZU

(f �) jdet0j d�n:

Somit ist eine gute Abbildung.Wir haben zwei Di¤eomorphismen � : U ! V und : U ! W , woraus folgt, dass

auch die KompositionF := � ��1 : W ! V

ein Di¤eomorphismus ist. Dann gilt

� = F �:

Rn

Rn­1

x1

W

F

ΨΦ

x2,…,xn

V

U

Abbildungen � = F �

Da gut ist, so reicht es zu zeigen, dass F gut ist. Nach De�nition von F haben wirfür alle (t; u) 2 U

� (t; u) = F ( (t; u)) = F (�1 (t; u) ; u)

that is,F (�1 (t; u) ; u) = (�1 (t; u) ;�2 (t; u) ; :::) :

Es folgt, dass für jedes (t; u) 2 W gilt

F1 (t; u) = t;

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120 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

und somitF (t; u) = (t; F2 (t; u) ; :::; Fn (t; u)) :

Für jedes t 2 R bezeichnen wir

Ft (u) = (F2 (t; u) ; :::; Fn (t; u))

so dass Ft eine Abbildung von Wt nach Vt ist.

t

Rn

Rn­1

x1

W

x=(t,u) F(x)

V

F

u Wt Vt

FtFt(u)

Die Abbildung F : W ! V

Diese Abbildung ist stetig di¤erenzierbar und bijektiv, und es gilt

F 0 =

1 0

? F 0t

!und somit

detF 0 = detF 0t :

Es folgt, dass detF 0t 6= 0, so dass Ft ein Di¤eomorphismus ist. Nach dem Induktionsschritterhalten wir für jede nichtnegative Borel-Funktion f auf VtZ

Vt

fd�n�1 =

ZUt

f (Ft (u)) jdetF 0t j d�n�1 (u) :

Somit gilt für jede nicht-negative Borel-Funktion f auf VZV

fd�n�1 =

ZR

�ZVt

f (t; �) d�n�1�d� (t)

=

ZR

�ZUt

f (t; Ft (u)) jdetF 0t j d�n�1 (u)�d� (t)

=

ZR

�ZUt

f (F (t; u)) jdetF 0j d�n�1 (u)�d� (t)

=

ZU

(f � F ) jdetF 0j d�n;

was zu beweisen war.

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4.3. � BEWEIS VON DEM TRANSFORMATIONSSATZ 121

Korollar. (Transformationssatz für Lebesgue-messbare Funktionen) Sei � : U ! Vein Di¤eomorphismus von o¤enen Teilmengen U; V von Rn: Für jede nichtnegative (bzwintegrierbare) Lebesgue-messbare Funktion f auf V und für � = �n giltZ

V

f d� =

ZU

(f � �) jdet�0j d�: (4.15)

Beweis. Der Beweis besteht aus drei Schritten. Hier betrachten wir das Ma� = �n imDe�nitionsbereichMn �die �-Algebra von Lebesgue-messbaren Mengen.

Schritt 1. Für jede Nullmenge C � U auch Bildmenge � (C) ist eine Nullmenge.

Nach dem Satz 4.1 haben wir für jede Borel-Menge B 2 B (U)

� (� (B)) =

ZV

1�(B)d� =

ZU

1B jdet�0j d� =ZB

jdet�0j d�:

Die Nullmenge C ist nicht unbedingt Borel, aber nach dem Satz 1.23 liegt C immer ineiner Borel-Nullmenge B: Dann gilt

� (C) � � (B)

und

� (� (B)) =

ZB

jdet�0j d� = 0;

woraus folgt, dass � (C) eine Nullmenge ist.

Schritt 2. Beweisen wir, dass für jede Lebesgue-messbare Menge A � U

� (� (A)) =

ZA

jdet�0j d�:

Nach dem Satz 1.25 hat jede Lebesgue-messbare Menge A die Form A = B�C wobeiB eine Borel-Menge und C eine Nullmenge ist. Somit erhalten wir

� (A) = � (B)� � (C) :

Da� (B) Borel-Menge und� (C) eine Nullmenge ist, so ist � (A)messbar. Ferner erhaltenwir

� (� (A)) = � (� (B))� � (� (C)) = � (� (B)) =

ZB

jdet�0j d� =ZA

jdet�0j d�:

Schritt 3. Beweisen wir jetzt die Transformationsformel (4.15) für alle nichtnegativenLebesgue-messabaren Funktionen f .

Nach Schritt 2 gilt (4.15) für f = 1�(A) für alle Lebesgue-messbaren Mengen A �U; d.h. für alle Lebesgue-messbaren Indikatorfunktionen auf V . Nach der Linearitätdes Integral gilt (4.15) auch für Elementarfunktionen. Für jede nichtnegative Lebesgue-messbare Funktion f auch V gibt es eine Folge ffng von Elementarfunktionen so dassfn ! f und fn � f: Die Identität (4.15) gilt für alle Funktionen fn; und für n ! 1erhalten wir nach dem Satz 2.13 dass (4.15) auch für die Funktion f gilt.

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122 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

4.4 Preview von dem Gaußschen Integralsatz

Der Gaußscher Integralsatz ist eine mehrdimensionale Verallgemeinerung von der Funda-mentalsatz der Analysis. Es besagt folgendes. Für beschränkte o¤ene Menge � Rnmit glattem Rand @ und für stetig di¤erenzierbare Funktion f : ! R gilt für jedesi = 1; :::; n Z

@f

@xid�n =

Z@

f�id�n�1; (4.16)

wobei �n�1 das Ober�ächenmaßauf der Fläche @ ist und �i die i-te Komponente deräußeren Einheitsnormale � zum Rand @ ist.Zunächst werden wir die Begri¤e von Fläche, Ober�ächenmaßund Normale einführen

und deren notwendigen Eigenschaften beweisen.

4.5 Ober�ächenmaß

4.5.1 Begri¤ von Karte

Fixieren wir natürliche Zahlen k und n mit 1 � k � n:

De�nition. Sei U eine o¤ene Teilmenge von Rk: Eine Abbildung ' : U ! Rn heißtParametrisierung wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1. ' : U ! Rn ist injektiv

2. ' ist stetig di¤erenzierbar;

3. die Jacobi-Matrix '0 ist nichtsingulär, d.h.

rang'0 (u) = k 8u 2 U: (4.17)

Die Menge M = ' (U) heißt k-dimensionale Karte. Das Paar (U;') heißt Para-metrisierung von M und das Dreifache (M;U; ') heißt parametrisierte Karte.

Die Menge M heißt auch Flächenstück oder lokale Fläche.

Parametrisierung (U;')

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4.5. OBERFLÄCHENMASS 123

22.01.20O¤ensichtlich ist die Abbildung ' : U ! M bijektiv. Wir bezeichnen die Punkte in

U mit u und die Punkte in Rn mit x. Für jeden Punkt x 2M gibt es genau einen Punktu 2 U mit

x = ' (u) = ('1 (u) ; :::; 'n (u)) :

Die Komponenten u1; :::; uk heißen die lokalen Koordinaten von x. Die Jacobi-Matrix(=totale Ableitung) von ' ist

'0 =

�@'i@uj

�=

0BB@@u1'1 @u2'1 ::: @uk'1@u1'2 @u2'2 ::: @uk'2� � � � � � � � � � � �@u1'n @u2'n ::: @uk'n

1CCA ;

die eine n � k Matrix ist. Die Bedingung (4.17) dass ' nichtsingulär ist, bedeutet, dassder Rang der Matrix '0 (u) an jeder Stelle u 2 U maximal möglich ist.Die inverse Abbildung '�1 :M ! U ist nicht immer stetig. Ist '�1 stetig so heißt die

Parametrisierung (U;') regulär. Reguläre Parametrisierungen werden später im Abschnitt4.6.1 besprochen.

Beispiel. Als Beispiel betrachten wir ein Gebiet M auf der Ober�äche der Erde. MitHilfe von Googlemap erhält man eine Karte U von M auf dem Bildschirm, wo es dienatürlichen Koordinaten u1; u2 gibt.

Die Parametrisierung ' ergibt dann die 3-dimensionalen Koordinaten von dem Punktmit den Koordinaten (u1; u2) auf dem Bildschirm. Wir nennen die Karte nicht die MengeU , sondern die Menge M:

Beispiel. Die Abbildung

' : (��; �)! R2

' (t) = (cos t; sin t)

ist stetig di¤erenzierbar, injektiv und nichtsingulär, da

'0 (t) = (� sin t; cos t)T

und rang'0 = 1 da immer sin t 6= 0 oder cos t 6= 0: Somit ist M = ' (U) eine 1-dimensionale Karte, die der Einheitskreis ohne den Punkt (�1; 0) ist.

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124 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

­1.0 ­0.5 0.5 1.0

­1.0

­0.5

0.5

1.0

x

y

Kreis

Der ganze Kreis lässt sich wie folgt darstellen

' : [��; �]! R2

' (t) = (cos t; sin t) ;

aber dies keine richtige Parametrisierung ist, da [��; �] nicht o¤en ist und ' nicht injektivist. Der ganze Kreis ist somit keine Karte.

Beispiel. Sei U = (��; �)� (0; �) und

' : U ! R3

' (u; v) = (sin v cosu; sin v sinu; cos v) ;

wobei u 2 (��; �) und v 2 (0; �). Die Abbildung ' ist o¤ensichtlich stetig di¤erenzierbarund injektiv, da u; v die Polarwinkel von dem Punkt ' (u; v) sind (u ist Horizontalwinkelund v ist Vertikalwinkel). Das Bild M = ' (U) ist die Sphäre von Radius 1 ohne einenLängengrad (die Werte u = �� entsprechen dem Längengrad und v = 0; � entsprechenden Polen).

Sphäre

Die Jacobi-Matrix ist

'0 =

0@ @u'1 @v'1@u'2 @v'2@u'3 @v'3

1A =

0@ � sin v sinu cos v cosusin v cosu cos v sinu

0 � sin v

1A :

Da sin v 6= 0 und einer von sinu; cosu ist immer 6= 0, so erhalten wir, dass entweder���� sin v cosu cos v sinu0 � sin v

���� = � (sin v)2 cosu 6= 0

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4.5. OBERFLÄCHENMASS 125

order ���� � sin v sinu cos v cosu0 � sin v

���� = (sin v)2 sinu 6= 0;woraus folgt, dass rang'0 = 2. Somit ist M eine Karte.

Beispiel. Sei U = (��; �)� (�1;1) und

' : U ! R3

' (u; v) = (cosh v cosu; cosh v sinu; v) :

Die Abbildung ' ist stetig di¤erenzierbar und injektiv, da das System

x = cosh v cosu

y = cosh v sinu

z = v

höchstens eine Lösung (u; v) für gegebene (x; y; z) besitzt. Das Bild M = ' (U) ist dasKatenoid mit einem fehlenden Längengrad.

Katenoid

Die Jacobi-Matrix ist

'0 =

0@ � cosh v sinu sinh v cosucosh v cosu sinh v sinu

0 1

1A :

Da cosh v 6= 0 und entweder sinu 6= 0 oder cosu 6= 0, so gilt rang'0 = 2: Somit ist Meine Karte.

Beispiel. Sei U eine o¤ene Teilmenge von Rn�1 und g : U ! R eine stetig di¤erenzierbareFunktion. Betrachten wir den Graph von g:

G = f(u; g (u)) 2 Rn : u 2 Ug :

Betrachten auch die Abbildung

' : U ! Rn

' (u) = (u; g (u))

und bemerken, dass ' stetig di¤erenzierbar und injektiv ist.

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126 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Graph als eine Karte

Auch ist ' nichtsingulär, da

'0 =

0BBBBB@1 0

1. . .

0 1

@u1g @u2g::: @un�1g

1CCCCCA (4.18)

und o¤ensichtlich rang'0 = n� 1: Somit ist G = ' (U) eine (n� 1)-dimensionale Karte.O¤ensichtlich ist die inverse Abbildung

'�1 : G! U

'�1 (u; g (u)) = u

stetig, so dass G eine reguläre Karte ist.

4.5.2 Ober�ächenmaßder Karte

Wir fangen mit der folgenden Bemerkung an.Behauptung. Jede Karte M = ' (U) ist immer eine Borel-Teilmenge von Rn.

Beweis. Die o¤ene Menge U ist immer eine abzählbare Vereinigung von kompaktenMengen fKig1i=1, z.B. wenn fKig die Sammlung von allen in U liegenden abgeschlossenKugeln mit rationalen Radien und rationalen Koordinaten der Zentren. Somit gilt auchM =

S1i=1 ' (Ki) : Da alle Bildmengen ' (Ki) kompakt sind, so folgt es daraus, dass M

Borel ist.

Für jede Borel-TeilmengeM von Rn bezeichnen wir mit B (M) die Borel-�-Algebra inM , d.h. B (M) = B (Rn) \ P (M) (da M selbst Borel ist, so liegt M auch in B (M)).De�nition. Sei (M;U; ') eine k-dimensionale parametrisierte Karte. Für jede TeilmengeA 2 B (M) de�nieren wir das k-dimensionale Ober�ächenmaß�M;U;' (A) mit

�M;U;' (A) =

Z'�1(A)

rdet�('0)T '0

�d�k: (4.19)

Die Determinante det�('0)T '0

�heißt die Gramsche Determinante von ' und wird mit

gram' bezeichnet, d.h.gram' = det

�('0)

T'0�:

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4.5. OBERFLÄCHENMASS 127

Lemma 4.2 Die rechte Seite von (4.19) ist wohlde�niert, und die Funktion �M;U;' ist einMaßauf B (M) :

De�nition.DasMaß�M;U;' heißt dasOber�ächenmaßder parametrisierten Karte (M;U; ') :

Beweis. Setzen wir m = '0 so dass m eine n � k Matrix ist. Dann ist mTm eine k � kMatrix, so dass det

�mTm

�de�niert ist. Die Matrix mTm ist symmetrisch, da�mTm

�T= mT

�mT�T= mTm;

und nichtnegativ de�nit, da für alle Spaltenvektoren � 2 Rk�mTm�; �

�= (m�;m�) � 0;

wobei (�; �) das Skalarprodukt in Rk bzw Rn ist. Somit sind alle Eigenwerte von mTmreell und nichtnegativ, woraus folgt det

�mTm

�� 0.

Folglich ist die Funktionpgram' reell und nichtnegativ. Da sie auch stetig ist, so ist

das IntegralRB

pgram'd�k für alle Borel-Teilmengen B � U de�niert. Nach dem Satz

2.18 ist die Funktion

B 7!ZB

pgram'd�k

ein Maßauf B (U).Da ' : U ! Rn stetig und somit Borel ist, so ist die Menge '�1 (A) Borel für alle Borel-

Teilmengen A 2 B (M) (Satz 2.1). Somit ist das Integral in (4.19) wohlde�niert. Da '�1mit allen Mengenoperationen vertauschbar ist (Aufgabe 8), insbesondere mit disjunktenVereinigungen, so erhalten wir, dass auch die Funktion

A 7!Z'�1(A)

pgram'd�k

ein Maßauf B (M) ist, was zu beweisen war.

Beispiel. Sei (M;U; ') eine parametrisierte Karte mit k = n: Nehmen wir auch an, dassM eine o¤ene Teilmenge von Rn ist. Die Abbildung ' : U ! M zwischen den o¤enenTeilmengen von Rn ist bijektiv, stetig di¤erenzierbar und es gilt det'0 6= 0 (was im Fall

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128 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

von n�n Matrizen äquivalent zu rang'0 = n ist). Somit ist ' ein Di¤eomorphismus vonU und M . Da die Matrix '0 quadratisch ist, so erhalten wir

det�('0)

T'0�= det ('0)

Tdet'0 = (det'0)

2;

woraus nach dem Transformationssatz folgt, dass für alle A 2 B (M)

�M;U;' (A) =

Z'�1(A)

jdet'0j d�n = �n�'�'�1 (A)

��= �n (A) :

Somit stimmen das n-dimensionale Ober�ächenmaß�M;U;' und das Lebesgue-Maß�n inM überein. Insbesondere ist �M;U;' unabhängig von der Wahl der Parametrisierung.

Wir werden unterhalb sehen, dass die Unabhängigkeit von der Parametrisierung auchfür k < n gilt. Deshalb wird häu�g das Maß�M;U;' einfach mit �M bezeichnet und dasOber�ächenmaßaufM genannt. Man benutzt für �M auch die folgenden Bezeichnungen:�k;M und �k.

Satz 4.3 Sei (M;U; ') eine Karte. Dann gilt für alle nicht-negative (bzw �M;U;'-integrierbare)Borel-Funktionen f auf M die IdentitätZ

M

fd�M;U;' =

ZU

f � 'pgram'd�k: (4.20)

Beweis. Die Identität (4.20) für f = 1A mit A 2 B (M) ist äquivalent zu (4.19). Danngilt (4.20) für alle Elementarfunktionen und nach dem Satz von der einseitigen Konvergenzauch für alle nichtnegative Borel-Funktionen. Für integrierbare Funktion f folgt (4.20)mit Hilfe von f = f+ � f�.

Bemerkung. Die Identität (4.20) lässt sich als die folgende Substitutionsregel betrachten:ZM

f (x) d�M;U;' (x) =

ZU

f (' (u))pgram' (u) d�k (u)

mit x = ' (u) und d�M;U;' (x) =pgram'd�k (u) :

Bemerkung.Die Gramsche Determinante gram' lässt sich expliziter wie folgt darstellen.Die Jacobi-Matrix '0 hat k Spalten @ui', i = 1; :::; k, woraus folgt, dass

('0)T'0 =

��@ui'; @uj'

��ki;j=1

wobei (�; �) das Skalarprodukt in Rn ist. Somit gilt

gram' = det��@ui'; @uj'

��ki;j=1

:

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4.5. OBERFLÄCHENMASS 129

4.5.3 Beispiele von Karten und Ober�ächenmaßen

Dimension k = 1:

Das 1-dimensionale Ober�ächenmaß�1 heißt Länge. Seien U ein o¤enes Intervall in Rund (M;U; ') eine 1-dimensionale parametrisierte Karte in Rn. Die Karte M heißt indiesem Fall eine parametrisierte Kurve. Alle Komponenten '1; :::; 'n von ' hängen voneiner Variable t 2 U ab, und es gilt

'0 = ('01; :::; '0n)T:

Es folgt, dass

gram' = det�('0)

T'0�= ('0; '0) =

nXi=1

('0i)2;

wobei (�; �) das Skalarprodukt in Rn ist. Somit erhalten wir

d�1 =qPn

i=1 ('0i)2d� (4.21)

und

�1 (M) =

ZU

qPni=1 ('

0i)2d� =

R ��

qPni=1 ('

0i)2dt;

wenn U = (�; �) :

Beispiel. Die Parametrisierung (U;') mit U = (��; �) und

' (t) = (cos t; sin t)

bestimmt den Einheitskreis ohne einem Punkt, deren Länge somit ist

�1 (M) =

Z �

��

psin2 t+ cos2 tdt = 2�:

Beispiel. Sei f eine stetig di¤erenzierbare Funktion auf einem o¤enen Intervall U . DerGraph G dieser Funktion ist eine 1-dimensionale Karte mit der Parametrisierung

' : U ! R2

' (t) = (t; f (t)) :

Die Länge von G ist somit

�1 (G) =

ZU

q('01)

2 + ('02)2dt =

ZU

q1 + f 0 (t)2dt:

24.01.20

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130 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Dimension k = 2:

Das 2-dimensionale Ober�ächenmaß�2 heißt Flächeninhalt. Sei (M;U; ') eine 2-dimensionaleparametrisierte Karte in Rn. Wir haben

'0 =

0BB@@u1'1 @u2'1@u1'2 @u2'2::: :::

@u1'n @u2'n

1CCA =

0BBB@ @u1' @u2'

1CCCA ;

wobei @ui' den Spaltenvektor (@ui'1; :::; @ui'n)T bezeichnet. Dann gilt

('0)T'0 =

�(@u1'; @u1') (@u1'; @u2')(@u2'; @u1') (@u2'; @u2')

�;

und somit erhalten wir

gram' = k@u1'k2 k@u2'k

2 � (@u1'; @u2')2 : (4.22)

Folglich erhalten wir

d�2 =qk@u1'k

2 k@u2'k2 � (@u1'; @u2')

2 d�2 :

Bemerkung. Im Fall n = 3 kann man zeigen, dass

gram' = k@u1'� @u2'k2 ;

wobei � das Kreuzprodukt von Vektoren in R3 ist.

Beispiel. Betrachten wir eine Parametrisierung ' : U ! R3 mit

U = (��; �)� (0; �)

und' = (R sin v cosu;R sin v sinu;R cos v) ;

wobei R > 0: Die Parameters (u; v) sind die Polarwinkel, und die 2-dimensionale KarteM = ' (U) ist die Sphäre von Radius R ohne einen Längengrad. Dann haben wir

@u' =

0@ �R sin v sinuR sin v cosu

0

1A ; @v' =

0@ R cos v cosuR cos v sinu�R sin v

1Aund nach (4.22)

gram' = R2 sin2 v �R2 � 0 = R4 sin2 v

Somit erhalten wir

�2 (M) = R2ZU

jsin vj d�2 (u; v)

= R2Z �

��

�Z �

0

sin vdv

�du

= 4�R2:

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4.5. OBERFLÄCHENMASS 131

Beispiel. Betrachten wir eine Parametrisierung ' : U ! R3 mit

U = (��; �)� (�R;R)

und' (u; v) = (cosh v cosu; cosh v sinu; v) :

Die Karte M = ' (U) ist ein beschränktes Katenoid ohne einen Längengrad. Wir haben

@u' =

0@ � cosh v sinucosh v cosu

0

1A ; @v' =

0@ sinh v cosusinh v sinu

1

1A ;

undgram' = cosh2 v

�1 + sinh2 v

�� 0 = cosh4 v:

Es folgt, dass

�2 (M) =

ZU

cosh2 v d�2 (v; u)

=

Z R

�R

�Z �

��du

�cosh2 v dv

= 2�

Z R

�Rcosh2 v dv

= 2�

�1

4sinh 2v +

1

2v

�R�R

= � (sinh 2R + 2R) :

Graph als eine Karte.

Sei U eine o¤ene Teilmenge von Rn�1 und g : U ! R eine stetig di¤erenzierbare Funktion.Betrachten wir den Graph G von g:

G = f(u; g (u)) 2 Rn : u 2 Ug :

Wir wissen schon, dass G eine Karte mit der Parametrisierung (U;') ist, wobei

' : U ! Rn

' (u) = (u; g (u)) :

Berechnen wir gram'. Setzen �i = @uig und bemerken, dass nach (4.18)

'0 =

0BBBBB@1 0

1. . .

0 1�1 �2 ::: �n�1

1CCCCCA =:

0BBBBB@ v1 v2 ::: vn�1

1CCCCCA ;

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132 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

wobei vi die i-te Spalte von '0 bezeichnet. Dann gilt

B := ('0)T'0 = ((vi; vj))

n�1i;j=1 =

0BBB@1 + �21 �1�2 : : : �1�n�1�1�2 1 + �22 : : : �2�n�1

� � � � � � . . . � � ��1�n�1 �2�n�1 ::: 1 + �2n�1

1CCCA :

Behauptung. Es gilt

gram' = detB = �21 + �22 + :::+ �2n + 1 (4.23)

wobei �i = @uig:

Beweis. Um detB zu berechnen, betrachten die folgende n� n Matrix

A =

0BBBBB@1 0 �1

1 �2. . . :::

0 1 �n�1�1 �2 ::: �n�1 �1

1CCCCCA =

0BBBBB@ v1 v2 ::: vn�1

�1�2:::�n�1�1

1CCCCCA :

Bemerken wir, dass

ATA =

0@ B 0

0 �

1Amit � = �21 + :::+ �2n�1 + 1; woraus folgt, dass

(detA)2 = det�ATA

�=��21 + :::+ �2n�1 + 1

�detB: (4.24)

Die Determinante detA lässt sich mit Hilfe von Entwicklung nach der n-ten Zeile berech-nen. Da alle Minoren Dreiecksmatrizen sind, so erhalten wir

detA = (�1)1+n �1 (�1)n�2 �1 + (�1)2+n �2 (�1)n�3 �2 + :::

+(�1)(n�1)+n �n�1 (�1)n�n �n�1 + (�1)n+n (�1) 1= �

��21 + :::+ �2n�1 + 1

�:

Einsetzen in (4.24) ergibt (4.23).

Es folgt, dass

gram' = 1 +n�1Xi=1

(@uig)2 = 1 + kg0k2 (4.25)

und

d�n�1 =q1 + kg0k2 d�n�1 : (4.26)

Insbesondere gilt die Identität

�n�1 (G) =

ZU

q1 + kg0k2 d�n�1:

Beispiel. Das hyperbolische Paraboloid (Sattel�äche) wird durch die Gleichung z = x2�y2 angegeben.

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4.6. FLÄCHEN 133

Die Sattel�äche

Berechnen wir den Flächeninhalt des Graphes G der Funktion g (x; y) = x2 � y2 aufder Kreisscheibe

U =�x2 + y2 < R2

:

Wir haben g0 = (2x; 2y) woraus folgt

�2 (G) =

ZU

p1 + 4x2 + 4y2 d�2 (x; y)

=

Z R

0

�Z �

��

p1 + 4r2d'

�rdr

= 2�

Z R

0

p1 + 4r2

1

8d�1 + 4r2

�=

6

��1 + 4R2

�3=2 � 1� :

4.6 Flächen

4.6.1 Reguläre Karten

Sei (M;U; ') eine parametrisierte Karte. Da M eine Teilmenge von Rn ist, so ist dieEuklidische Abstandsfunktion d auf M de�niert, und somit ist (M;d) ein metrischerRaum. Betrachten wir die Abbildung ' : U !M als eine Abbildung zwischen metrischenRäumen. Diese Abbildung ist bijektiv und stetig. Die inverse Abbildung '�1 : M ! Uist wohlde�niert, aber ist nicht unbedingt stetig.Die Stetigkeit von '�1 ist sehr gewünscht, da ' in diesem Fall ein Homöomorphismus

zwischen U und M ist.De�nition. Eine Parametrisierung (U;') von der Karte M = ' (U) heißt regulär wenn' : U !M ein Homöomorphismus ist. Eine KarteM heißt regulär wenn sie eine reguläreParametrisierung hat.

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134 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Alle oberhalb gegebenen Beispiele von Karten sind regulär. Insbesondere ist derGraph einer stetig di¤erenzierbaren Funktion eine reguläre Karte. Tatsächlich hat dieParametrisierung ' (u) = (u; g (u)) des Graphes einer stetig di¤erenzierbaren Funktiong : U ! Rn die inverse Abbildung '�1 (u; g (u)) = u die o¤ensichtlich stetig ist.Einer von Vorteilen von regulären Karten ist wie folgt.

Behauptung. Ist (U;') regulär so gilt �M;U;' (A) < 1 für jede kompakte TeilmengeA �M:

Beweis. Da '�1 stetig ist, so ist die Menge B = '�1 (A) � U kompakt. Es folgt, dass

�M;U;' (A) =

ZB

pgram'd�k <1;

da �k (B) <1 und die stetige Funktionpgram' auf B beschränkt ist.

Satz 4.4 Seien (U;') und (V; ) zwei reguläre k-dimensionale Parametrisierungen einerKarte M . Dann stimmen die Maße �M;U;' und �M;V; auf B (M) überein.

Im speziellen Fall n = k wurde diese Aussage im Beispiel im Abschnitt 4.5.2 bewiesen.Beweis. Da ' : U !M und : V !M Homöomorphismen sind, so ist die Abbildung

� := �1 � ' : U ! V

auch ein Homöomorphismus. Die Abbildung � heißt der Koordinatenwechsel zwischen Uund V .

Di¤eomorphismus � : U ! V

Behauptung. Die Abbildung � : U ! V ist ein Di¤eomorphismus.

Diese Behauptung wird separat im Abschnitt 4.10 mit Hilfe von dem Satz von derimpliziten Funktion bewiesen.Da � ein Di¤eomorphismus ist, so erhalten wir nach dem Satz 4.3 und Transforma-

tionssatz, dass für jede nicht-negative Borel-Funktion f auf MZM

fd�M;V; =

ZV

f � pgram d�k

=

ZU

f � � �p(gram ) � � jdet�0j d�k: (4.27)

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4.6. FLÄCHEN 135

Da ' = � � so giltf � � � = f � ':

Nach der Kettenregel haben wir

'0 = ( 0 � �)�0; (4.28)

woraus folgt, dass

('0)T'0 = (( 0 � �)�0)T ( 0 � �)�0 = (�0)T ( 0 � �)T ( 0 � �)�0

und somit

gram' = det�('0)

T'0�

= det (�0)Tdet�( 0 � �)T ( 0 � �)

�det�0

= (det�0)2(gram ) � �:

Es folgt, dass pgram' =

p(gram ) � � jdet�0j ;

und Einsetzen in (4.27) ergibtZM

fd�M;V; =

ZU

f � 'pgram'd�k =ZM

fd�M;U;':

Daraus folgt die Identität �M;V; = �M;U;'.

4.6.2 Begri¤ von Fläche

Fixieren wir eine Menge M � Rn und betrachten M als einen metrischen Unterraum vonRn:De�nition.DieMengeM heißt k-dimensionale Fläche, wenn es eine abzählbare Überdeck-ung M =

S�2NM� gibt, wobei jede Menge M� eine o¤ene Teilmenge von M und auch

eine k-dimensionale reguläre Karte ist. Das Mengensystem fM�g heißt Atlas.Wir betrachten auch alle Teilmengen K � M die o¤ene reguläre k-dimensionale

Karten sind und nennen solche MengenK Karten in M: Da die FlächeM eine abzählbareVereinigung von Karten ist, so ist M eine Borel Teilmenge von Rn:

Satz 4.5 Für jede k-dimensionale Fläche M gibt es genau ein Maß�M auf B (M) sodass für jede Karte K in M gilt

�M (A) = �K (A) für alle A 2 B (K) :

Darüber hinaus ist �M �-endlich.

In anderen Wörter, es gibt eine eindeutige Erweiterung der Ober�ächenmaßen vonden Karten in M auf das ganze M .

De�nition. Das Maß�M heißt das Ober�ächenmaßauf der Fläche M .

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136 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Das Ma�M wird auch �k;M oder �k bezeichnet. 29.01.20

Beweis. Betrachten wir das folgende Mengensystem

S = fA 2 B (K) für eine Karte K in Mg =SK

B (K) :

O¤ensichtlich S � B (M) und S ist ein Halbring, da S abgeschlossen bezüglich derMengenoperationen Di¤erenz und Schnitt ist. In der Tat, für A;B 2 S sind die MengenA \ B und A n B Borel und liegen in dieselber Karte wie A, so dass A \ B und A n BElemente von S sind. Auch gilt

� (S) = B (M) ;

da o¤ensichtlich � (S) � B (M) und für jede Menge A 2 B (M) gilt

A =S�

(A \M�) 2 � (S) ;

da A \M� 2 B (M�) � S, woraus folgt B (M) � � (S) :De�nieren wir die Funktion �M auf S wie folgt:

�M (A) = �K (A) wenn A � K;

wobei K eine Karte in M ist. Zeigen wir zuerst, dass die Funktion �M wohlde�niert ist,d.h. �M (A) ist unabhängig von der Wahl der Karte ist falls A in mehreren Karten liegt.Seien K1 und K2 zwei Karten mit A � K1 \ K2: Seien (U;') und (V; ) reguläre

Parametrisierungen von K1 bzw K2: Wir müssen beweisen, dass

�K1 (A) = �K2 (A) : (4.29)

Da K = K1 \K2 eine o¤ene Teilmenge von M ist, so sind die Mengen

U 0 = '�1 (K) und V 0 = �1 (K)

o¤ene Teilmengen von Rn.

Die Karte K = K1 \K2

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4.7. HYPERFLÄCHEN UND NORMALEN 137

Somit ist K eine Karte in M mit zwei regulären Parametrisierungen (U 0; ') und(V 0; ), und die Identität (4.29) folgt aus dem Satz 4.4. Somit ist �M (A) auf S wohlde�niert.Zeigen wir, dass die Funktion �M �-additiv auf S ist. Gilt A = tiAi mit A;Ai 2 S, so

liegt die Menge A in einer Karte K, und somit auch alle Ai liegen in K, woraus folgt�M (A) =

Pi �M (Ai), da �M ein Maßauf B (K) ist.

Zeigen wir, dass �M �-endlich ist. In der Tat ist jede Karte K eine abzählbare Vere-inigung von kompakten Teilmengen, und jede kompakte Teilmenge hat endliches Maß. Esfolgt, dass M eine abzählbare Vereinigung von Teilmengen mit endlichen Maßen ist, d.h.�M �-endlich ist.Nach dem Erweiterungssatz von Carathéodory lässt sich �M eindeutig auf � (S) =

B (M) erweitern.

4.7 Hyper�ächen und Normalen

De�nition. Eine (n� 1)-dimensionale Fläche in Rn heißt Hyper�äche.Sei U eine o¤ene Teilmenge von Rn�1 und g : U ! R eine stetig di¤erenzierbare

Funktion. Wie wir schon wissen, der Graph

G = f(u; g (u)) 2 Rn : u 2 Ugeine (n� 1)-dimensionale Karte mit der Parametrisierung ' (u) = (u; g (u)) ist. DieseParametrisierung ist regulär da die inverse Abbildung

'�1 (u; g (u)) = u

o¤ensichtlich stetig ist. Somit istG eine reguläre (n� 1)-dimensionale Karte, eine (n� 1)-dimensionale Fläche und auch eine Hyper�äche.

4.7.1 Niveaumengen

Betrachten wir eine andere Typ von Hyper�ächen.De�nition. Seien eine o¤ene Teilmenge von Rn und F : ! R eine stetig di¤eren-zierbare Funktion. Betrachten wir die Niveaumenge von F , d.h. die Menge

M = fx 2 : F (x) = 0g : (4.30)

Die Niveaumenge M heißt nichtsingulär, falls F 0 (x) 6= 0 für alle x 2M .

Lemma 4.6 Eine nichtsinguläre Niveaumenge M von F ist eine Hyper�äche.

Beweis. Für jeden Punkt p 2 M gibt es ein i = 1; :::; n mit @xiF (p) 6= 0: OhneBeschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass i = n, d.h. @xnF (p) 6= 0: Nachdem Satz von der impliziten Funktion lässt die Gleichung F (x1; :::; xn) = 0 sich in derNähe von p eindeutig bezüglich xn lösen: es gibt eine o¤ene Umgebung Wp von p in derForm Wp = U � J wobei U eine o¤ene Teilmenge von Rn�1 und J ein o¤enes Intervall,und eine stetig di¤erenzierbare Funktion g : U ! J so dass

F (x) = 0, xn = g (x1; :::; xn�1) 8x 2 Wp

Folglich ist Mp := M \Wp ein Graph und somit eine reguläre Karte. Die Menge Mp isteine o¤ene Teilmenge von M da Wp eine o¤ene Teilmenge von Rn ist.

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138 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Zylinder Wp

Das Mengensystem fWpgp2M ergibt eine o¤ene Überdeckung von M . Da M eineabgeschlossene Teilmenge von ist, so gibt es eine abzählbare Teilüberdeckung fWpigi2Nvon M , woraus folgt, dass fMpigi2N ein Atlas ist und M eine Hyper�äche ist.

Bestimmen wir das Ober�ächenmaß�M in der Karte Mp. Da F = 0 in Mp, soerhalten wir für alle x 2 Wp die Identität

F (x1; :::; xn�1; g (x1; :::; xn�1)) = 0:

Es folgt, dass für jedes i = 1; :::; n� 1

@xiF + (@xnF ) @xig = 0 (4.31)

und somit@xig = �

1

@xnF@xiF: (4.32)

Nach (4.26) haben wir für das Ober�ächenmaß�n�1 auf M

d�n�1 =

q1 +

Pn�1i=1 (@xig)

2d�n�1:

Da

1 +

n�1Xi=1

(@xig)2 = 1 +

1

(@xnF )2

n�1Xi=1

(@uxF )2 =

1

(@xnF )2

nXi=1

(@xiF )2 =

kF 0k2

(@xnF )2 ;

so erhalten wir die folgende Identität:

d�n�1 =kF 0kj@xnF j

d�n�1 : (4.33)

Beispiel. Betrachten wir in Rn die Funktion

F (x) = kxk2 �R2

so dass die Niveaumenge

S = fx 2 Rn : F (x) = 0g = fx 2 Rn : kxk = Rg

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4.7. HYPERFLÄCHEN UND NORMALEN 139

die Sphäre von Radius R ist. Es gilt

F 0 = (2x1; 2x2; :::; 2xn)

und somit auf SkF 0k =

q4x21 + :::+ 4x2n = 2R 6= 0:

Insbesondere ist S eine Hyper�äche in Rn: Es folgt aus (4.33), dass in jede Karte wo Sein Graph bezüglich xn ist, gilt

d�n�1 =kF 0kj@xnF j

d�n�1 =R

xnd�n�1: (4.34)

Z.B. die HalbsphäreS+ = fx 2 S : xn > 0g

ist der Graph der Funktion

xn = g (u) =

qR2 � kuk2; u 2 U;

wobei u = (x1; :::; xn�1) und

U =�u 2 Rn�1 : kuk < R

:

In der Karte S+ gilt nach (4.34)

d�n�1 =Rq

R2 � kuk2d�n�1

und somit

�n�1 (S+) =

ZU

RqR2 � kuk2

d�n�1:

Zum Beispiel, im Fall n = 4 ist S eine Hyper�äche in R4 und U die Kugel in R3: Mit Hilfevon den Kugelkoordinaten in R3 erhalten wir

�3 (S+) =

Z R

0

�Z �

��

�Z �

0

RpR2 � r2

sin �d�

�d'

�r2dr

= 4�R

Z R

0

r2drpR2 � r2

= 4�R

�Z R

0

R2drpR2 � r2

�Z R

0

R2 � r2pR2 � r2

dr

�= 4�R

R2harcsin

r

R

iR0��1

2rpR2 � r2 +

1

2R2 arcsin

r

R

�R0

!= 4�R3

��2� �

4

�= �2R3:

Daraus folgt, dass �3 (S) = 2�2R3:

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140 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Beispiel. Betrachten wir das ganze Katenoid K = '�U�wobei U = [��; �]� (�1;1)

und

' : U ! R3

' (u; v) = (cosh v cosu; cosh v sinu; v) :

Die Menge K ist keine Karte, aber wir zeigen, dass K eine Hyper�äche in R3 ist. Fürjeden Punkt (x; y; z) 2 K gilt

x2 + y2 = (cosh v cosu)2 + (cosh v sinu)2 = cosh2 v = cosh2 z;

so dass die folgende Funktion

F (x; y; z) = x2 + y2 � cosh2 zauf K verschwindet. Es ist leicht zu sehen, dass K die Niveaumenge der Funktion F inR3 ist. Wir haben

F 0 = (2x; 2y;�2 cosh z sinh z) ;so dass F 0 nur am Punkt 0 =2 K verschwindet. Somit ist die Niveaumenge K nichtsingulärund K ist eine Hyper�äche.

4.7.2 Normale zur Hyper�äche

De�nition. Seien M eine Hyper�äche in Rn und K eine Karte in M mit einer Para-metrisierung (U;'). Die Vektoren @u1'; :::; @un�1' 2 Rn und ihre lineare Kombinationenheißen Tangentialvektoren zu M im Punkt x = ' (u) : Die lineare Hülle

TxM := span�@u1'; :::; @un�1'

�� Rn

heißt Tangentialraum zu M im Punkt x:

Lemma 4.7 Es gilt dimTxM = n� 1 und TxM ist unabhängig von der Wahl der KarteK 3 x:

31.01.20Folglich ist das orthogonale Komplement (TxM)

? von TxM in Rn eindimensional.De�nition. Jeder Vektor N 2 (TxM)? n f0g heißt Normale zum M im Punkt x:

Der Tangentialraum TxM und die Normale N

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4.7. HYPERFLÄCHEN UND NORMALEN 141

Beweis. Die Vektoren @u1'; :::; @un�1' sind die Spalten der Matrix '0. Da rang'0 = n�1,

so sind die Vektoren @u1'; :::; @un�1' linear unabhängig und dim TxM = n� 1:Beweisen wir die Unabhängigkeit von TxM von der Wahl der Karte. Da der Schnitt

zweier Karten auf M auch eine Karte ist (siehe den Beweis des Satzes 4.5), so reicht eszu beweisen, dass TxM unabhängig von der Wahl der Parametrisierung ist. Seien (U;'),(V; ) zwei regulären Parametrisierungen einer Karte K in M . Wir zeigen, dass in jedemPunkt x = ' (u) = (v) gilt

span�@u1'; :::; @un�1'

�= span

�@v1 ; :::; @vn�1

�: (4.35)

Nach der Behauptung aus dem Beweis von dem Satz 4.4, die Abbildung

� := �1 � ' : U ! V

(der Koordinatenwechsel) ein Di¤eomorphismus ist. Wir haben ' = � � und nach derKettenregel gilt

'0 (u) = 0 (� (u)) �0 (u) = 0 (v) �0 (u) :

Für die Komponenten '0 (u)ij mit dem Zeilenindex i = 1; :::; n und Spaltenindex j =1; :::; n� 1 erhalten wir nach der Regel von Multiplikation der Matrizen

'0 (u)ij =n�1Xk=1

0 (v)ik �0 (u)kj :

Nach der De�nition der Jacobi-Matrix haben wir

@uj'i (u) =n�1Xk=1

@vk i (v) @uj�k (u) :

Es folgt, dass für die Spaltenvektoren @uj' gilt

@uj' (u) =n�1Xk=1

@vk (v) @uj�k (u) :

Somit ist @uj' eine lineare Kombination von den Vektoren @vk . Analog ist @vk einelineare Kombination von den Vektoren @uj'; woraus (4.35) folgt.

Beispiel. Für das Katenoid K in R3 mit Parametrisierung

' (u; v) = (cosh v cosu; cosh v sinu; v) ;

wobei u 2 (��; �) und v 2 R, erhalten wir die Tangentialvektoren

@u' = (� cosh v sinu; cosh v cosu; 0)@v' = (sinh v cosu; sinh v sinu; 1) :

Bestimmen wir die Normale zu K. Das Kreuzprodukt @u' � @v' ist orthogonal zu @u'und @v', so dass der Vektor

N = @u'� @v'

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142 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

eine Normale ist. Somit erhalten wir

N =

����� cosh v cosu 0sinh v sinu 1

���� ;� ���� � cosh v sinu 0sinh v cosu 1

���� ; ���� � cosh v sinu cosh v cosusinh v cosu sinh v sinu

�����= (cosh v cosu; cosh v sinu;� cosh v sinh v)

=

�x; y;�1

2sinh 2z

�:

Beispiel. Sei G der Graph in Rn einer stetig di¤erenzierbaren Funktion g : U ! R wobeiU eine o¤ene Teilmenge von Rn�1 ist. Für die Parametrisierung

' (u) = (u; g (u))

von G erhalten wir, für jedes j = 1; :::; n� 1, dass

@uj' = (0; :::; 1; :::; 0; @ujg);

wobei 1 in der Position j steht. Der folgende Vektor ist o¤ensichtlich orthogonal zu allen@uj' und somit ist eine Normale zu G:

N = (�@u1g; :::;�@un�1g; 1) = (�g0; 1) : (4.36)

Zum Beispiel, das hyperbolische Paraboloid P in R3 ist durch die Gleichung z = x2�y2angegeben, d.h. P der Graph der Funktion g (x; y) = x2 � y2 ist. Somit erhalten wir diefolgende Normale zu P :

N = (�gx;�gy; 1) = (�2x; 2y; 1) :

4.7.3 Normale zur Niveaumenge

Sei eine o¤ene Teilmenge von Rn, und F : ! R eine stetig di¤erenzierbare Funktion.Betrachten wir die Niveaumenge von F

M = fx 2 : F (x) = 0g

und nehmen wir an, dass M nichtsingulär ist, d.h. F 0 6= 0 auf M . Wir wissen schon, dassM eine Hyper�äche ist.

Lemma 4.8 In jedem Punkt p 2M ist der Vektor F 0 (p) eine Normale zu M:

Beweis. In der Nähe von jedem Punkt p 2 M lässt sich M als ein Graph darstellen, seivon der Funktion xn = g (u) mit u = (x1; :::; xn�1) 2 U: Nach (4.36) ist der Vektor

N =��@x1g; :::;�@xn�1g; 1

�eine Normale zu M im Punkt p. Nach (4.32) haben wir

�@xig =1

@xnF@xiF;

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4.7. HYPERFLÄCHEN UND NORMALEN 143

woraus folgt, dass auch der Vektor

(@xnF )N =�@x1F; :::; @xn�1F; @xnF

�= F 0

eine Normale ist.

Zusammen mit F 0 (p) ist auch jeder Vektor der Form

N = cF 0 (p)

mit c 2 R n f0g eine Normale zu M im Punkt p: Für c = � 1kF 0(p)k erhalten wir, dass

kNk = 1:De�nition. Eine Normale mit der Norm 1 heißt Einheitsnormale.

Jetzt besprechen wir eine natürliche Wahl des Vorzeichens von c, d.h. die Richtungder Einheitsnormale.Betrachten wir die Mengen

+ = fx 2 : F (x) > 0g und � = fx 2 : F (x) < 0g

und für eine Normale N im Punkt p die Gerade

x (t) = p+ tN; t 2 R;

die durch p in die Richtung N geht.

De�nition. Die Normale N heißt äußere Normale bezüglich � wenn es ein " > 0 gibtso dass für alle t 2 (�"; ")

x (t) 2�� falls t < 0+ falls t > 0:

In diesem Fall heißt M auch innere Normale bezüglich +:

Lemma 4.9 Die Normale F 0 (p) ist eine äußere Normale bezüglich �:

Beweis. Wir haben nach der Di¤erenzierbarkeit von F

F (p+ h) = F (p) + (F 0 (p) ; h) + o (khk)

für khk ! 0: Insbesondere für h = tF 0 (p) und t! 0

F (x (t)) = F (p) + (F 0 (p) ; F 0 (p) t) + o (t)

= kF 0 (p)k2 t+ o (t) :

Da kF 0 (p)k2 > 0, so erhalten wir F (x (t)) > 0 und x (t) 2 + für kleine positive Wertevon t, und F (x (t)) < 0 und x (t) 2 � für kleine negative Werte von t; was zu beweisenwar.

Es folgt, dass auch die Normale N = cF 0 (p) mit c > 0 eine äußere Normale bezüglich� ist.

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144 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Bezeichnen wir mit � die äußere bezüglich � Einheitsnormale zu M; die somit ein-deutig bestimmt ist:

� =F 0 (p)

kF 0 (p)k : (4.37)

Beispiel. Die Niveaumenge der Funktion F (x) = kxk2�R2 in Rn ist die Sphäre SR vonRadius R, und die Menge fF < 0g ist die Kugel BR von Radius R. Die äußere bezüglichBR Normale zur SR ist somit F 0 (x) = 2x; und die äußere Einheitsnormale ist

� =F 0

kF 0k =x

R: (4.38)

4.8 Gaußscher Integralsatz

De�nition. Eine Menge G � Rn heißt Gebiet, wenn die folgenden Bedingungen erfülltsind:

� G ist eine beschränkte o¤ene Teilmenge von Rn;

� es gibt eine o¤ene Umgebung von G und eine stetig di¤erenzierbare Funktion F ,so dass

G = fx 2 : F (x) < 0g ;

� die NiveaumengeM = fx 2 : F (x) = 0g

ist nichtsingulär (d.h. F 0 6= 0 auf M).

Erinnern wir uns, dass nach der De�nition des Randes @G gilt

@G = G \Gc = G nG:

Behauptung. Für ein Gebiet G gilt @G =M . Insbesondere ist @G eine Hyper�äche.

Beweis. Für p 2 M gilt nach der Voraussetzung F 0 (p) 6= 0. Somit ist p kein lokalesExtremum von F , und deswegen gibt es in jeder Umgebung von p die Punkte mit F (x) < 0und F (x) > 0, woraus p 2 G \Gc = @G folgt.Für p 2 @G gibt es in jeder Umgebung die Punkte von G und Gc, d.h. die Punkte mit

F (x) < 0 und F (x) � 0, woraus F (p) = 0 und p 2M folgt.

Bezeichnen wir mit � die äußere bezüglich G Einheitsnormale zu @G =M .

De�nition. Ein Vektorfeld V in ist eine Abbildung V : ! Rn: Ist V di¤erenzierbar,so de�nieren wir die Divergenz von V als eine Funktion div V : ! R mit

div V :=nXi=1

@xiVi = SpurV0:

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4.8. GAUSSSCHER INTEGRALSATZ 145

Hauptsatz 4.10 Seien G ein Gebiet von Rn und � die äußere bezüglich G Einheitsnor-male zum Rand @G. Dann gilt für jeden stetig di¤erenzierbaren Vektorfeld V : G ! Rndie Identität Z

G

div V d�n =

Z@G

(V; �) d�n�1; (4.39)

wobei (V; �) das Skalarprodukt in Rn ist.

Der Beweis ist im Abschnitt 4.11. Sei f : G! R eine stetig di¤erenzierbare Funktion.Für den Vektorfeld

V = (0; :::; f; :::; 0)

mit f auf der Position i erhalten wir div V = @xif und (V; �) = f�i, so dass (4.39) ergibtZG

@xif d�n =

Z@G

f�id�n�1;

was mit (4.16) übereinstimmt.

Beispiel. Die Kugel in Rn von Radius R

BR = fx 2 Rn : kxk < Rg

ist ein Gebiet, da BR = fF < 0g für die Funktion F (x) = kxk2�R2 und die NiveaumengeSR = fF = 0g nichtsingulär ist. Nach (4.38) ist � = x

Rdie äußere Einheitsnormale zur

Sphäre SR. Für den Vektorfeld V (x) = x gilt div V = n, so dassZBR

div V = n�n (BR) :

Andererseits haben wirZSR

(V; �) d�SR =

ZSR

�x;x

R

�d�SR =

ZSR

R2

Rd�SR = R�n�1 (SR) ;

wobei wir benutzt haben, dass (x; x) = kxk2 = R2 auf SR. Somit erhalten wir aus (4.39)die folgende Identität:

n�n (BR) = R�n�1 (SR) :

Zum Beispiel, in R3 gilt �3 (BR) =43�R3 woraus folgt, dass �2 (SR) = 4�R2: In R4 gilt

�3 (SR) = 2�2R3, woraus folgt, dass �4 (BR) =

�2

2R4:

Beispiel. Sei G ein Gebiet in R2. Für den Vektorfeld V (x) = x = (x1; x2) erhalten wir,wie im obigen Beispiel,

2�2 (G) =

Z@G

(x1�1 + x2�2) d�1: (4.40)

Der Rand @G ist eine 1-dimensionale Fläche, d.h. ein Kurve. Nehmen wir an, dass' : J ! R2 eine Parametrisierung von @Gnfein Punktg ist. Dann der tangentiale Vektorist '0 = ('01; '

02) und eine Normale ist

N = ('02;�'01) :

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146 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Für die äußere Einheitsnormale � gilt somit

� = � 1q('01)

2 + ('02)2('02;�'01)

(das Vorzeichen its entweder + oder � auf ganzem Intervall J), woraus folgt

(V; �) = � 1q('01)

2 + ('02)2('1'

02 � '2'

01)

Nach (4.21) gilt für das Ober�ächenmaß�1 auf @G

d�1 =

q('01)

2 + ('02)2dt; t 2 J:

Einsetzen in (4.40) ergibt

�2 (G) = �12

ZJ

('1'02 � '2'

01) dt = �

1

2

ZJ

���� '1 '2'01 '02

���� dt: (4.41)

Die Wahl von � ist hier o¤ensichtlich, da �2 (G) � 0.Betrachten wir z.B. @G mit der folgenden Parametrisierung:

' (t) =

�sin t+

1

4sin 2t;� cos t

�; t 2 (��; �) : (4.42)

­1.0 ­0.5 0.5 1.0

­1.0

­0.5

0.5

1.0

x

y

G

Das Gebiet G mit dem Rand (4.42).

In diesem Fall gilt

('1'02 � '2'

01) =

�sin t+

1

4sin 2t

�sin t+ cos t

�cos t+

1

2cos 2t

�= sin2 t+

1

4sin 2t sin t+ cos2 t+

1

2cos 2t cos t

= 1 +1

8(cos t� cos 3t) + 1

4(cos t+ cos 3t)

= 1 +3

8cos t+

1

8cos 3t;

woraus folgt

�2 (G) =1

2

Z �

��

�1 +

3

8cos t+

1

8cos 3t

�dt = �:

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4.9. � WEITERE BEISPIELE ZUM GAUSSSCHEN INTEGRALSATZ 147

4.9 � Weitere Beispiele zum Gaußschen Integralsatz

Beispiel. Nehmen wir an, dass der punktierte Rand @G n fPunktg des Gebietes G � R2parametrisch in Polarkoordinaten angegeben ist als (r (t) ; � (t)) mit t 2 (a; b), wobei r derPolarradius und � der Polarwinkel sind. Die Parametrisierung in kartesischen Koordinatenist wie folgt:

' (t) = (r (t) cos � (t) ; r (t) sin � (t)) ;

und die Determinante in (4.41) ist gleich

'1'02 � '2'

01 =

���� r cos � r sin �r0 cos � � r (sin �) �0 r0 sin � + r (cos �) �0

���� = r2�0:

Somit erhalten wir die Identität

�2 (G) = �12

Z b

a

r2 (t) �0 (t) dt : (4.43)

Betrachten wir z.B. den Rand @G mit der Parametrisierung

r (t) =

r1 +

1

2cos t (4.44)

� (t) = 1 +1

3sin t+

1

2sin2 t (4.45)

wobei t 2 (��; �) :

­0.5 0.0 0.5 1.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

x

y

G

Das Gebiet G mit dem Rand (4.44)-(4.45).

Nach (4.43) erhalten wir

�2 (G) = �1

2

Z �

��

�1 +

1

2cos t

��1

3cos t+ sin t cos t

�dt:

Da�1 +

1

2cos t

��1

3cos t+ sin t cos t

�=

1

3cos t+

1

2cos2 t sin t+ cos t sin t+

1

6cos2 t

=1

12+1

3cos t+

1

4sin t+

1

2cos 2t sin t+ cos t sin t+

1

2cos 2t;

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148 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

so sehen wir, dass alle Glieder außer 112nach Integration von �� bis � die Null ergeben.

Somit erhalten wir �2 (G) = 112�:

Beispiel. Berechnen wir in R3 das IntegralZS1

x21x22d�2:

Da �1 = x1, so gilt für die Funktion f (x) = x1x22Z

S1

f�1d�2 =

ZS1

x21x22d�2:

Andererseits erhalten wir nach (4.48)ZS1

f�1d�2 =

ZB1

(@x1f) d�3 =

ZB1

x22d�3:

Das letzte Integral kann direkt in den Kugelkoordinaten berechnet werden, aber ist esleichter zu bemerken, dass alle drei IntegraleZ

B1

x21d�3;

ZB1

x22d�3;

ZB1

x23d�3

gleich sind und dass ihre Summe gleichRB1r2d�3 ist, wobei r2 = x21 + x22 + x33: In den

Kugelkoordinaten erhalten wirZB1

r2d�3 = 4�

Z 1

0

r2�r2dr

�=4�

5;

woraus folgt, dass ZB1

x22d�3 =4

15�:

Somit erhalten wir ZS1

x21x22d�2 =

4

15�:

Beispiel. Berechnen wir in R2 das IntegralZB1

x41d�2:

Für die Funktion f (x) = x41x2 gilt @x2f = x41: Nach (4.48) erhalten wirZB1

x41d�2 =

ZB1

(@x2f) d�2 =

ZS1

f�2d�S1 =

ZS1

x41x22d�S1 :

Mit der Parametrisierung

' (t) = (cos t; sin t) ; t 2 (��; �)

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4.9. � WEITERE BEISPIELE ZUM GAUSSSCHEN INTEGRALSATZ 149

von S1 n f(�1; 0)g erhalten wir, dassZS1

x41x22d�S1 =

Z �

��cos4 t sin2 tdt:

Wir haben Z �

��cos4 t sin2 tdt =

1

2

�Z �

��cos4 t sin2 tdt+

Z �

��sin4 t cos2 tdt

�=

1

2

Z �

��cos2 t sin2 tdt

=1

8

Z �

��sin2 2t dt

=1

16

Z �

��(1� cos 4t) dt = �

8;

und somit ZB1

x41d�2 =�

8:

Beispiel. Berechnen wir in R2 das IntegralZB1

arcsin2 x2d�2:

Dafür betrachten wir die Funktion f (x) = x1 arcsin2 x2 so dass @x1f = arcsin

2 x2: Nach(4.48) erhalten wirZ

B1

arcsin2 x2d�2 =

ZB1

(@x1f) d�2 =

ZS1

f�1d�S1 =

ZS1

x21 arcsin2 x2d�S1 :

Nach Symmetrie reicht es das letzte Integral im ertsen Quadranten zu berechnen, d.h.über L = S1 \ fx1; x2 > 0g. Mit Parametrisierung

' (t) = (cos t; sin t) ; 0 < t < �=2

von L erhalten wirZL

x21 arcsin2 x2d�L =

Z �=2

0

cos2 t (arcsin sin t)2 dt

=

Z �=2

0

�cos2 t

�t2dt

=

�1

4t cos 2t� 1

8sin 2t+

1

4t2 sin 2t+

1

6t3��=20

=1

48���2 � 6

�:

Somit erhalten wir ZB1

arcsin2 x2d�2 =1

12���2 � 6

�:

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150 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Beispiel. Seien G ein Gebiet in Rn und f; g : G ! R die C1 Funktionen. Beweisen wirdie Regel der partiellen Integration:Z

G

(@xif) gd�n = �ZG

f (@xig) d�n +

Z@G

fg�id�@G:

Dafür wenden wir die Identität (4.48) auf der Funktion fg an so dassZG

@xi (fg) d�n =

Z@G

fg�id�@G:

Nach der Produktregel gilt

@xi (fg) = (@xif) g + f (@xig)

woraus die Behauptung folgt.

Beispiel. Sei jetzt f : G! R eine C2 Funktion. Der Di¤erentialoperator

�f :=nXi=1

@2f

@x2i

heißt der Laplace-Operator. Beweisen wir die IdentitätZG

(�f) d�n =

Z@G

(@�f) d�@G (4.46)

wobei � die äußere bezüglich G Einheitsnormale zu @G ist und @�f die Ableitung von fin der Richtung �, d.h. @�f = (f 0; �) : Dafür betrachten wir den Vektorfeld V = f 0 undbemerken, dass

div V =nXi=1

@Vi@xi

=nXi=1

@2f

@x2i= �f

und (V; �) = @vf . Somit folgt (4.46) aus (4.39).Eine C2 Funktion f heißt harmonisch falls im De�nitionsbereich �f = 0. Es folgt aus

(4.46), dass für harmonische in G Funktion f giltZ@G

(@�f) d�@G = 0:

Es gibt viele Beispiele von harmonischen Funktionen. Zum Beispiel, die Funktion f (x) =ln kxk ist harmonisch in R2 n f0g und die Funktion f (x) = kxk2�n ist harmonisch inRn n f0g.

Beispiel. Seien jetzt f; g zwei C2 Funktionen auf G. Beweisen wir die Greensche FormelZG

(�f) gd�n = �ZG

(f 0; g0) d�n +

Z@G

(@�f) gd�@G: (4.47)

Dafür betrachten wir den Vektorfeld V = gf 0 und bemerken, dass nach der Produktregel

div V = g (div f 0) + (f 0; g0) = g�f + (f 0; g0)

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4.10. � REGULÄRE PARAMETRISIERUNGEN 151

und (V; �) = g@�f . Somit folgt (4.47) aus (4.39).

Beispiel. Der elektromagnetische Feld in R3 lässt such durch zwei Vektorfelder D (x) undB (x) beschreiben, wobei D (x) die elektrische Flussdichte ist und B (x) die magnetischeFlussdichte. Die ersten zwei der vier Maxwell-Gleichungen besagen, dass

divD = � und divB = 0;

wobei � die Ladungsdichte ist. Es folgt aus dem Gaußschen Integralsatz, dass für jedesGebiet G � R3 Z

@G

(D; �) d�@G =

ZG

�d�3Z@G

(B; �) d�@G = 0:

Der BetragRG�d�3 ist die elektrische Ladung von demGebietG. Das Integral

R@G(D; �) d�@G

heißt der elektrische Fluss durch die Ober�äche @G des G. Somit stimmt der elektrischeFluss durch @G mit der Ladung von G überein. Der magnetische Fluss durch @G istimmer gleich 0, da es keine magnetische Ladung gibt.

4.10 � Reguläre Parametrisierungen

Fortsetzung von dem Beweis des Satzes 4.4.Da ' : U !M und : V !M Homöomorphismen sind, so ist die Abbildung

� := �1 � ' : U ! V

auch ein Homöomorphismus. Hier beweisen wir, dass� ein Di¤eomorphismus ist. Zunächstbeweisen wir, dass � stetig di¤erenzierbar ist. Es reicht zu zeigen, dass � in einer Umge-bung von beliebigem Punkt a 2 U stetig di¤erenzierbar ist. Setzen wir b = �(a) 2 Vund betrachten die Jacobi-Matrix 0 an der Stelle b:

0 (b) =

0BBBBB@@v1 1 ::: @vk 1

@v1 2 ::: @vk 2

:::

@v1 n ::: @vk n

1CCCCCADa rang 0 (b) = k, so gibt es in 0 (b) k linear unabhängige Zeilen. Ohne Beschränkungder Allgemeinheit nehmen wir an, dass die k ertsen Zeilen linear unabhängig sind. Be-trachten wir dann die Abbildung

e : V ! Rke (u) = ( 1 (u) ; :::; k (u)) ;

die in der Nähe von b die Bedingung rang e 0 = k erfüllt. Da e 0 eine k � k Matrixist, so gilt auch det e 0 (b) 6= 0. Nach dem Satz von der inversen Funktion es existiert

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152 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

eine o¤ene Umgebung V 0 von b, so dass W = e (V 0) o¤en ist, e jV 0 invertierbar ist, unddie inverse Abbildung e �1 : W ! V 0 stetig di¤erenzierbar ist. Insbesondere ist e einDi¤eomorphismus von V 0 nach W .

u1,…,uk

ϕ

x1,…,xk

ψ

Rk

U'

Rk

V'

v1,…,vk

M

Φ = ψ­1oϕ

Ua

Vb

W

ϕ~ ψ~

Rn

Zwei Parametrisierungen (U;') und (V; ) von M

Nach der Stetigkeit von � es gibt eine o¤ene Umgebung U 0 von a, so ist � (U 0) � V 0.Betrachten wir auch die Abbildung

e' : U 0 ! Rke' (u) = ('1 (u) ; :::; 'k (u)) :

Für ein u 2 U 0 setzen wir v = �(u) so dass v 2 V 0. Dann gelten die folgenden Implika-tionen:

v = �(u) ) (v) = ' (u)

) e (v) = e' (u)) v = e �1 � e' (u)

(was auch ergibt, dass e' (u) 2 W und somit e' (U 0) � W ). Wir erhalten, dass � = e �1 �e'in U 0: Da e �1 � e' stetig di¤erenzierbar ist, so folgt es, dass � stetig di¤erenzierbar ist.Analog beweist man, dass ��1 = '�1 � auch stetig di¤erenzierbar ist. Somit ist

� : U ! V ein Di¤eomorphismus.

Lemma 4.11 Sei (M;U; ') eine parametrisierte Karte. Dann für jede o¤ene MengeU 0 b U ist die Restriktion 'jU 0 ein Homöomorphismus zwischen U 0 und M 0 = ' (U 0), sodass M 0 eine reguläre Karte ist.

Die Notation U 0 b U bedeutet, dass U 0 eine relativ kompakte Teilmenge von U ist,d.h. der Abschluss U 0 kompakt ist und U 0 � U:

Beweis. Um die Stetigkeit von '�1 : M 0 ! U 0 zu beweisen, reicht es zu zeigen, dass fürjede abgeschlossene Teilmenge A � U 0 die Bildmenge ' (A) abgeschlossen in M 0 ist. DaU 0 kompakt ist, so ist A auch kompakt. Dann nach der Stetigkeit von ' ist die Bildmenge' (A) kompakt, woraus folgt, dass ' (A) abgeschlossen ist.

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4.11. � BEWEIS VON DEM GAUSSSCHEN INTEGRALSATZ 153

Zeigen wir ein Beispiel einer Karte, die nicht regulär ist.

Beispiel. Die Abbildung

' : (0; 2� + 1)! R2

' (t) =

�(cos t; sin t) ; 0 < t � 2�;(1; t� 2�) ; 2� � t < 2� + 1

erfüllt alle Bedingungen von der obigen De�nition für k = 1, aber '�1 ist nicht stetig.Zum Beispiel, die Folge von Punkten xk =

�cos 1

k; sin 1

k

�für k ! 1 gegen x = (1; 0)

konvergiert, während

'�1 (xk) =1

k! 0 und �1 (x) = 2� 6= 0:

­1.0 ­0.5 0.5 1.0

­1.0

­0.5

0.5

1.0

x

y

4.11 � Beweis von dem Gaußschen Integralsatz

Beweis von dem Satz 4.10. Die Identität (4.39) ist äquivalent zu folgendes: für jedestetig di¤erenzierbare Funktion f : G! R und für jedes i = 1; :::; n giltZ

G

@xif d�n =

Z@G

f�id�n�1: (4.48)

Gilt (4.48), so erhalten wir (4.39) indem wir (4.48) auf f = Vi anwenden und für alle i =1; :::; n addieren. Gilt (4.39), so erhalten wir (4.48) indem wir in (4.39) V = (0; :::; fi; :::; 0)einsetzen.Wir beweisen (4.48) in drei Schritten. Wir benutzen die Notation ; F;M aus der

De�nition des Gebietes G.

Schritt 1. Beweisen wir (4.48) im Fall wenn supp f eine kompakte Teilmenge von Gist.

Da f in der Nähe von @G verschwindet, so muss man in diesem Fall beweisen, dassZG

@xif d�n = 0: (4.49)

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154 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir i = 1 an. Erweitern wir die Funktionf auf Rn indem wir f = 0 in G

csetzen. Dann ist f in Rn stetig di¤erenzierbar, in G

integrierbar, und es gilt nach dem Satz von FubiniZG

@x1f d�n =

ZRn@x1f d�n =

ZRn�1

�ZR@x1f d� (x1)

�d�n�1 (x2; :::; xn) :

Da die Funktion x1 7! f (x1; x2; :::; xn) einen kompakten Träger hat, so erhalten wir nachdem Fundamentalsatz der Analysis, dassZ

R@x1f d� (x1) = 0;

woraus (4.49) folgt.

Schritt 2. Sei Q � ein o¤ener Quader so dass M \ Q ein Graph ist. Beweisen wir(4.48) für alle stetig di¤erenzierbare Funktionen f mit supp f � Q:

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass Q = U � (�; �),wobei U ein o¤ener Quader in Rn�1 ist und � < �; und dass für eine stetig di¤erenzierbareFunktion g : U ! (�; �) gilt

fM :=M \Q = f(u; xn) 2 Q : xn = g (u)g ; (4.50)

wobei u = (x1; :::; xn�1). Betrachten wir den Untergraph Q� und den Obergraph Q+ derFunktion g:

Q� = f(u; xn) 2 Q : xn < g (u)g ; (4.51)

Q+ = f(u; xn) 2 Q : xn > g (u)g . (4.52)

Die Mengen Q� und Q+

Zeigen wir, dass die MengeG\Qmit entwederQ� oderQ+ übereinstimmt. InQ_[Q+verschwindet F nicht. Da Q+ und Q� zusammenhängend sind (weil U zusammenhängendist), so folgt es, dass das Vorzeichen von F in Q+ und in Q� konstant ist. Hat F dasgleiche Vorzeichen in Q+ und Q�, so sind alle Punkte in fM Extrempunkte von F , woraus

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4.11. � BEWEIS VON DEM GAUSSSCHEN INTEGRALSATZ 155

folgt, dass F 0 = 0 auf M , was ein Widerspruch ist, da fM nichtsingulär ist. Somit hat Fin Q_ und Q+ die verschiedenen Vorzeichen.Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass F < 0 in Q�, d.h.

G \Q = Q�: (4.53)

Beweisen wir, dass für die äußere bezüglich G Einheitsnormale � zu M gilt in Q

� =

��@u1g; :::;�@un�1g; 1

�q1 + kg0k2

: (4.54)

Dafür betrachten wir in Q die FunktioneF (x) = xn � g (u)

so dass fM =nx 2 Q : eF = 0o und Q� =

nx 2 Q : eF < 0

o:

Bezeichnen wir mit e� die äußere bezüglich Q� Einheitsnormale e� zu fM: Es folgt aus(4.53), dass � = e� auf fM: Nach (4.37) haben wir

e� = eF 0jj eF 0jj :

Da eF 0 = ��@u1g; :::;�@un�1g; 1�so erhalten wir (4.54).Nach (4.26) haben wir

d�M =p1 + kg0kd�n�1 (u) : (4.55)

Jetzt beweisen wir (4.48) in zwei Fällen.Nach dem Korollar 3.6 haben wirZ

G

@xnf d�n =

ZQ�

@xnf d�n

=

ZU

Z g(u)

@xnf (u; xn) dxn

!d�n�1 (u)

=

ZU

f (u; g (u)) d�n�1 (u)

=

ZU

(f � ') d�n�1:

Andererseits erhalten wir mit Hilfe von (4.20), (4.54) und (4.55), dassZM

f�nd�M =

ZU

(f � ') (�n � ')q1 + kg0k2d�n�1

=

ZU

(f � ') 1q1 + kg0k2

q1 + kg0k2d�n�1

=

ZU

(f � ') d�n�1;

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156 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

woraus (4.48) folgt.Wir fangen mit der IdentitätZ

G

@xif d�n =

ZU

Z g(u)

@uif (u; xn) dxn

!d�n�1 (u)

an. Um das innere Integral zu berechnen, bezeichnen wir

h (u; v) =

Z v

f (u; xn) dxn

und erhalten nach der Kettenregel und dem Satz 2.23, dass

@ui

Z g(u)

f (u; xn) dxn

!= @ui (h (u; g (u)))

= (@uih) (u; g (u)) + (@vh) (u; g (u)) @uig

=

Z g(u)

@uif (u; xn) dxn + f (u; g (u)) @uig; (4.56)

Jetzt integrieren wir die Identität (4.56) auf U . Da die Funktion

u 7!Z g(u)

f (u; xn) dxn

einen kompakten Träger in U hat, so erhalten wir nach dem Schritt 1ZU

@ui

Z g(u)

f (u; xn) dxn

!d�n�1 (u) = 0:

Es folgt, dassZU

Z g(u)

@uif (u; xn) dxn

!d�n�1 (u) = �

ZU

f (u; g (u)) @uig (u) d�n�1 (u) ;

und wir erhalten ZG

@xif d�n = �ZU

f (u; g (u)) @uig (u) d�n�1 (u)

= �ZU

(f � ') @uig d�n�1

=

ZU

(f � ') (�i � ')q1 + kg0k2d�n�1

=

ZM

f�id�M ;

was zu beweisen war.

Schritt 3. Jetzt beweisen wir (4.48) für alle stetig di¤erenzierbare Funktionen f auf G.

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4.12. � HYPERFLÄCHEN ALS LOKALE GRAPHEN 157

Für jeden Punkt p 2 @G wählen wir einen o¤enen beschränkten Quader Qp � sodass p 2 Qp undM in Qp ein Graph ist. Für jeden Punkt p 2 G wählen wir einen o¤enenQuader Qp mit p 2 Qp und Qp � G, der nach der O¤enheit von G existiert. Dann ist�12Qp

p2G eine o¤ene Überdeckung von G. Da G kompakt ist, so gibt es eine endliche

Teilüberdeckung�12Qpl

ml=1. Für jedes l wählen wir eine stetig di¤erenzierbare Funktion

wl : Rn ! [0;1)

mitsuppwl � Qpl und wl > 0 auf

1

2Qpl :

Zum Beispiel, in 1-dimensionalen Fall für Intervall I = (�2; 2) setzen wir

w (t) =

�exp

�� 11�t2

�; jtj < 1;

0; jtj � 1:

x

y

Funktion w (t)

Für beliebiges beschränktes o¤enes Intervall I � R erhalten wir solche Funktion mitHilfe von Verschiebung und Skalierung von t, und für den Quader I1 � ::: � In nehmenwir das Produkt von entsprechenden Funktionen von Intervallen I1; :::; In.Dann ist die Funktion W =

Pml=1wl stetig di¤erenzierbar in Rn und ist echt positiv

in einer o¤enen Umgebung 0von G. Somit sind alle Funktionen

zl :=wlW

stetig di¤erenzierbar in 0 und es giltP

l zl = 1 in 0. Die Folge fzlg heißt die Zerlegung

der Eins bezüglich der Überdeckung fQplg, da supp zl � Qpl. Folglich gilt es in 0

f =

mXl=1

zlf:

Da supp (zlf) � Qpl, so gilt (4.48) für die Funktionen zlf nach den Schritten 1,2, worausfolgt, dass (4.48) auch für f gilt.

4.12 � Hyper�ächen als lokale Graphen

Für o¤ene Menge U � Rn�1 und o¤enes Intervall J setzen wir

U �i J := f(x1; :::; xn) 2 Rn : (x1; :::; xi�1; xi+1; :::; xn) 2 U; xi 2 Jg :

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158 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Die Menge Q = U �i J ist ein o¤ener Zylinder in Rn.De�nition. Wir sagen, dass eine Menge M � Rn im Zylinder Q = U �i J ein Graphbezüglich xi ist, falls M \Q der Graph einer C1-Funktion g : U ! J ist, d.h.

M \Q = f(x1; :::; xn) 2 Rn : u := (x1; :::; xi�1; xi+1; :::; xn) 2 U; xi = g (u)g :

Wir sagen, dass eine Menge M � Rn lokal ein Graph ist falls es für jeden Punkt p 2 Meinen o¤enen Zylinder Q � Rn gibt, so dass Q 3 p undM im Q ein Graph bezüglich einervon Koordinaten xi ist.

M ist ein Graph im Q

Lemma 4.12 Ist M lokal ein Graph, so ist M eine Hyper�äche. Umgekehrt, jede Hy-per�äche M ist lokal ein Graph.

Beweis. Wir haben schon gesehen, dass der Graph eine reguläre (n� 1)-dimensionaleKarte ist. Ist M lokal ein Graph, so ist jeder Schnitt M \Q eine o¤ene reguläre Karte inM . Da M mit solchen Schnitten überdeckt wird, so ist M eine Hyper�äche.Beweisen wir jetzt, dass jede Hyper�äche M lokal ein Graph ist. Nach De�nition von

Hyper�äche gibt es eine o¤ene UmgebungW von p in Rn so dassK := W\M eine reguläre(n� 1)-dimensionale Karte ist. Wir können W immer verkleinern, damit W ein Quaderist. Sei ' : U ! Rn eine reguläre Parametrisierung von K. Setzen wir a = '�1 (p) : Darang'0 (a) = n�1, so gibt es in der Matrix '0 (a) genau n�1 linear unabhängigen Zeilen.Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, das die ersten n� 1 Zeilen linearunabhängig sind. Wie im Beweis von Lemma 4.4, betrachten wie die Abbildung

e' : U ! Rn�1e' (u) =�'1 (u) ; :::; 'n�1 (u)

�:

Diese Abbildung ist ein Di¤eomorphismus in der Nähe von a, d.h. es existiert eine o¤eneUmgebung U 0 von a, wo e' invertierbar ist und e'�1 C1 in V := e' (U 0). Die Menge V lässtsich immer verkleinern, so wir können annehmen, dass V ein Quader ist (und U 0 auchentsprechend verkleinert werden soll).

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4.12. � HYPERFLÄCHEN ALS LOKALE GRAPHEN 159

Die Gleichung x = ' (u) hat eine eindeutige Lösung x 2 K für jedes u 2 U . Füru 2 U 0 erhalten wir

(x1; :::; xn�1) = e' (u)und somit

u = e'�1 (x1; :::; xn�1) ;was zusammen mit xn = 'n (u) ergibt

xn = 'n � e'�1 (x1; :::; xn�1) :Wir sehen, dass im Quader Q = W \ (V � R) die Bedingung x 2M äquivalent zu

xn = g (x1; :::; xn�1) ;

ist, wobei (x1; :::; xn�1) 2 V und g = 'n � e'�1 C1 ist. Somit ist M \ Q der Graph derFunktion xn = g (x1; :::; xn�1) in V .

Der Satz 4.10 gilt auch für die folgende allgemeinere De�nition des Gebietes.

De�nition. Eine o¤ene beschränkte Menge G � Rn heißt Gebiet, wenn @G eine Hyper-�äche ist und @G = @G:

Der obigen Beweis des Satzes 4.10 funktioniert auch für diese De�nition von Gebietdank dem folgenden Lemma.

Lemma 4.13 Sei G ein Gebiet in Rn. Für jedes p 2 @G gibt es einen o¤enen QuaderQ 3 p, so dass @G in Q der Graph einer C1 Funktion ist und G \ Q der Untergraphoder Obergraph dieselber Funktion ist. Insbesondere ist der Begri¤ der äußeren bezüglichG Normale zu @G wohlde�niert.

Beweis. Nach Lemma 4.12 existiert ein Quader Q = U �i I 3 p wo M := @G der Graphist. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir i = n an. Sei g : U ! I die C1

Funktion deren Graph mit M \ Q übereinstimmt. Betrachten wir den Untergraph Q�und den Obergraph Q+ wie in (4.51)-(4.52). Bezeichnen wir C = G

cund bemerken, dass

C eine o¤ene Teilmenge von Rn ist mit

Rn = G t C tM

woraus folgtQ� tQ+ � G t C:

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160 CHAPTER 4. INTEGRATION IN RN

Die Menge Q+ ist zusammenhängend und somit muss vollständig in einer von den o¤enenMengen G;C liegen; gleiches gilt für Q�. Die Vereinigung Q+tQ� kann in G nicht liegen,da sonst G � Q und somit @G keinen Punkt im Q hat, was im Widerspruch zu @G = @Gsteht. Auch kann Q+tQ� in C nicht liegen, da sonst G und somit @G im Q keinen Punkthat. Es folgt, dass G genau eine von Q�; Q+ umfasst, und somit G \Q mit genau einervon Q+; Q� übereinstimmt.

4.13 � Fixpunktsatz von Brouwer

Denote by B the open unit ball B = fx 2 Rn : kxk < 1g and by B its closure (the closedunit ball).

Hauptsatz 4.14 (The �xed-point theorem of Brouwer) Any continuous mapping T :B ! B has a �xed point, that is, a point x 2 B such that T (x) = x:

Beweis. By an approximation argument we can assume that T is smooth enough, say T 2C2. Assume that T has no �xed point and bring this to contradiction. The assumption x 6=T (x) implies that there is exactly one point of intersection of the ray x+� (T (x)� x) ; � �0, with @B. Denote this point by ' (x) so that ' : B ! Rn is a C2 mapping such that itsimage is @B and 'j@B = Id : Such a mapping is called a retraction of B onto @B.Assuming that there is a C2 retraction ' : B ! @B, let us brings this to contradiction.

Consider the expansion of the following n� n determinant in the �rst row:

det

0BB@�1 ::: �n

@x1'2 ::: @xn'2::: ::: :::

@x1'n ::: @xn'n

1CCA = �1�1 + :::+ �n�n;

where �1; :::; �n are independent variables and �1; :::;�n are the corresponding cofactors.Consider the vector �eld � = (�1; :::;�n) and apply the divergence theorem 4.10 to thevector �eld V = '1� on B. We have by the product rule

div ('1�) = (@x'1;�) + '1 div �:

The �rst term ist equal to

(@x'1;�) = det

0BB@@x1'1 ::: @xn'1@x1'2 ::: @xn'2::: ::: :::

@x1'n ::: @xn'n

1CCA = det'0 = 0

since rang'0 < n. Then we need to verify that div � = 0; that is,

det

0BB@@x1 ::: @xn@x1'2 ::: @xn'2::: ::: :::

@x1'n ::: @xn'n

1CCA = 0 (4.57)

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4.13. � FIXPUNKTSATZ VON BROUWER 161

Observe that

det

�@xi @xj@xi'2 @xj'2

�= @xi@xj'2 � @xj@xi'2 = 0: (4.58)

Let us expand (4.57) in the �rst two rows using the Laplace theorem. All the 2 � 2determinants formed by the �rst two rows vanish by (4.58). Therefore we obtain (4.57).By the divergence theorem we obtain

0 =

ZB

div ('1�) d�n =

Z@B

'1 (�; �) d�n�1:

Let us show that(�; �) = �1 on @B: (4.59)

Since ' (x) = x on @B, this will imply that the last integral is equal toZ@B

x1�1d�n�1 =

ZB

(@x1x1) d�n = �n (B) > 0;

which will be a contradiction.Let us prove (4.59). Observe that � = (x1; :::; xn) and, hence, (�; �) = D where

D := det

0BB@x1 ::: xn

@x1'2 ::: @xn'2::: ::: :::

@x1'n ::: @xn'n

1CCA : (4.60)

We need to prove that D = x1. Recall that 'k = xk on @B. Let us show that D can becomputed by substituting in (4.60) 'k � xk; that is, D is independent of the values of 'kin B. Let us expand D in the �rst two rows. Then we have to use the following 2 � 2determinants

det

�xi xj

@xi'2 @xj'2

�= xi@xj'2 � xj@xi'2 = @�'2

where � = xi@xj � xj@xi : The vector �eld � ist tangential to @B. Therefore, @�'2 dependsonly on the values of '2 on @B, which implies that also D depends only in the values of'2 on @B: In the same way, expanding (4.60) in the �rst and (k + 1)-th row, we obtainthat D depends only on the values of 'k on @B.Hence, substituting 'k � xk in (4.60), we obtain

D = det

0BBB@x1 x2 ::: xn

1 0. . .

0 1

1CCCA = x1; (4.61)

which was to be proved.