Macchi C...MG 151 ausgerüstet worden Foto Sammlung Wolfgang Mühlbauer Bei Macchi war beim Bau der...

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FLUGZEUG CLASSIC 12/2020 39 Macchi C.202 Ursprung & Geschichte Die rund 1060 C.202 erwiesen sich als das Rückgrat der Regia Aeronautica S. 40 Entwicklung Bei Macchi war noch Herzblut und richtige Handarbeit zum Bau der C.202 gefragt S. 42 Profil Der Jagdflieger Giorgio Solaroli trat mit seiner C.202 gegen die Engländer über Nordafrika an S. 46 Im Einsatz Von Nordafrika bis zur UdSSR: Die C.202 kämpfte nicht nur über Italien mit einigem Erfolg S. 48 Die Macchi C.202 bestach durch ihr atemberaubendes Design, ihre Piloten schätzten die großartigen Flugeigenschaften dieses italienischen Jagdflugzeugs. Im harten Luftkampf kränkelte die Bellezza der Lüfte allerdings an ungenügender Waffen- kraft, die so manchen sicher geglaubten Luftsieg vereitelte IM FOKUS Ob über Nordafrika, an der Ostfront oder wie diese Maschine, die für den Einsatz gegen Mal- ta bestimmt war: Die Macchi C.202 war eine der wichtigsten italienischen Jagdflugzeuge des Zweiten Weltkriegs Foto Sammlung Roberto Gentilli ü

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FLUGZEUG CLASSIC 12/2020 39

Macchi C.202

Ursprung & Geschichte

Die rund 1060 C.202 erwiesensich als das Rückgrat der

Regia Aeronautica

S. 40

Entwicklung

Bei Macchi war noch Herzblutund richtige Handarbeit zum

Bau der C.202 gefragt

S. 42

Profil

Der Jagdflieger Giorgio Solarolitrat mit seiner C.202 gegen dieEngländer über Nordafrika an

S. 46

Im Einsatz

Von Nordafrika bis zur UdSSR:Die C.202 kämpfte nicht nurüber Italien mit einigem Erfolg

S. 48

Die Macchi C.202 bestach durch ihr atemberaubendes Design, ihre Piloten schätztendie großartigen Flugeigenschaften dieses italienischen Jagdflugzeugs. Im hartenLuftkampf kränkelte die Bellezza der Lüfte allerdings an ungenügender Waffen-kraft, die so manchen sicher geglaubten Luftsieg vereitelte

IM FOKUS

Ob über Nordafrika, an der Ostfront oder wie

diese Maschine, die für den Einsatz gegen Mal-

ta bestimmt war: Die Macchi C.202 war eine

der wichtigsten italienischen Jagdflugzeuge

des Zweiten Weltkriegs Foto Sammlung Roberto Gentilli

ü

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Als über Europa immer mehr diepechschwarzen Wolken eines dro-henden Krieges aufzogen, war das

Königreich Italien denkbar schlecht aufeinen Waffengang vorbereitet. Die einstso stolze Regia Aeronautica – die könig-liche Luftstreitmacht – besaß Jagdflug-zeuge in ihrem Arsenal, die gut undgerne das Prädikat »museumsreif« ver-dienten. Die Luftfahrtindustrie des Lan-des entwickelte ein ressourcenver-schlingendes Wirrwarr neuer Typen,die entweder nie das Reißbrettstadiumverließen oder sich spätestens nach denersten Testflügen als eine krasse Fehl-

nähernd Paroli zu bieten. Ähnlich wiedie Sowjetunion mit ihren Polikarpow I-152, hielt auch das Königreich mit derFiat CR.42 noch an Doppeldeckerjagd-flugzeugen mit starrem Fahrwerk fest.In allen drei Typen pochte ein 840 PSstarker Fiat-A.74-RC-38-Sternmotor. Die italienische Flugzeugmotoren -

industrie ignorierte in den späten Zwi-schenkriegsjahren sträflich die Entwick-lung von wassergekühlten Reihen-motoren. Alfa Romeo, Piaggio und Isot-ta Fraschini hielten am luftgekühltenSternmotor fest. Dabei versprachen dieReihenmotoren ein massiv höheresLeistungspotenzial als die enorm vielLuftwiderstand generierenden Stern-motoren, was sich wiederum in einehöhere Geschwindigkeit ummünzte.

Die Schwaben sollen es richten Frischer Wind in die maroden Struktu-ren kam erst mit der Ernennung des 49-jährigen Francesco Pricolo. Der neueOberkommandierende der Luftstreit-kräfte kehrte mit dem eisernen Besen.Als eine seiner ersten Amtshandlungenließ er im Januar 1940 die erfolglose, seitzwei Jahren vor sich hindümpelnde Ent-wicklung des A.38-Reihenmotors stop-pen und wies das Herstellerwerk AlfaRomeo an, unverzüglich mit Daimler-Benz Verhandlungen zum Lizenzbaudes DB 601 A aufzunehmen. Der wassergekühlte Zwölfzylinder-

Reihenmotor DB 601 war ab 1934 imWerk Stuttgart-Untertürkheim entwi-ckelt worden. Der von Italien ge-wünschte DB 601 A-1 besaß einen Hub-raum von 33,9 Litern und glänzte miteiner Startleistung von 1100 PS. Die ers-ten Motoren dieser Version liefen ab1937 in den beiden Werken Berlin-Ma-rienfelde sowie Genshagen vom Band.Für den Bau eines einzelnen Triebwerkswaren rund 3000 Arbeitsstunden not-wendig, der Stückpreis für das Reichs-luftfahrtministerium belief sich 1940auf 33800 Reichsmark.

Ein Stern geht auf Im Frühjahr 1940 flatterte bei Aeronau-tica Macchi der Entwicklungsauftrag ei-nes neuen Jagdflugzeugs mit DB-601-A-

konstruktion erwiesen. Als Benito Mus-solini sein Land am 10. Juni 1940 an derSeite des »Dritten Reichs« in den Kriegführte, hatten »Italiens Adler« denkbarschlechte Karten.

Sackgasse Sternmotor Das Rückgrat der italienischen Jagdflie-gerkräfte bestand aus der Fiat G.50 so-wie der Macchi C.200. Das waren Kon-struktionen mit offenem Cockpit undSternmotor, dem die nötigen Pferdestär-ken fehlten, um den in England undDeutschland entwickelten Rolls-Royce-oder Daimler-Benz-Aggregaten nur an-

Alfa Romeoder Lüfte

Die C.202 erwies sich als perfekte Symbiose derAchse Rom-Berlin: Apartes italienisches Designpaarte sich mit grundsolider deutscher Motoren-technik. Die Macchi brauchte den Vergleich mitder Konkurrenz nicht zu scheuen Von Hans-Heiri Stapfer

IM FOKUSMacchi C.202 Ursprung & Geschichte

In der C.202

pochte ein bei

Alfa Romeo un-

ter Lizenz ge-

bauter DB-601-

A-1-Motor, der

die Bezeich-

nung RA 1000

RC 41-1 erhielt.

Er machte die

Folgore zu

einem ernst-

zunehmenden

Konkurrenten

für die

alliierten

Jagdflugzeuge

Foto Carlo Lucchini

1100 PS Startleistung besaß der DB 601 A-1

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Motor ins Haus. Als Grundlage wählteder 52-jährige Chefingenieur Mario Cas-toldi die C.200 Saetta (Blitz), welche beiden Piloten wegen ihrer angenehmenFlugeigenschaften äußerst beliebt war. Der erste und gleichzeitig einzige

Prototyp des mit C.202 bezeichnetenMusters hob am 10. August 1940 mitdem 29-jährigen Testpilot Guido Cares-tiato am Steuer vom bei Varese gelege-nen Macchi-Werksflugplatz von LonatePozzolo ab. Für den nötigen Vortriebsorgte ein aus dem »Dritten Reich« im-portierter DB 601 A-1, der auf eine Piag-gio-P.1001-Luftschraube wirkte. Der mitdem Kennzeichen MM 445 (MM stehtfür Matricola Militare/Militärische Zu-

lassung) versehene Prototyp kam nachAbschluss der Werkserprobung zumTest- und Erprobungszentrum der RegiaAeronautica in Guidonia bei Rom. Die Flugleistungen ließen aufhor-

chen: Der C.202-Prototyp war mit einerHöchstgeschwindigkeit von 596 Stun-denkilometern rund 100 Sachen schnel-ler als jedes andere Jagdflugzeug im Ar-senal der Italiener. Dank des 1175 PSstarken DB 601 A-1 kletterte der Proto-typ binnen sechs Minuten und 26 Se-kunden auf 6000 Meter Höhe. Mit derC.202 – sie erhielt den Namen Folgore(Blitz) – besaß die Regia Aeronautica einJagdflugzeug, das sich vor der Konkur-renz nicht zu verstecken brauchte. ■

Macchi C.202

Macchi C.202

Höchstgeschwindigkeit 599 km/h

Einsatzhöhe 11 500 m

Reichweite 765 km

Höchstgeschwindigkeit 555 km/h

Einsatzhöhe 8992 m

Reichweite 2172 km

Messerschmitt Bf 109 F-2

Konkurrenzvergleich

Höchstgeschwindigkeit 595 km/h

Einsatzhöhe 11 200 m

Reichweite 705 km

Supermarine Spitfire Mk VB

Höchstgeschwindigkeit 594 km/h

Einsatzhöhe 11 100 m

Reichweite 760 km

Unmittelbar nach der Fertigstellung im Macchi-Stamm-

werk von Lonate Pozzolo war der einzige C.202-Prototyp

(MM 445) in Silber gehalten Foto Sammlung Wolfgang Mühlbauer

Im Laufe der Flugerprobung erhielt der C.202-Prototyp

(MM 445) einen Sichtschutz Foto Sammlung Roberto Gentilli

Vorgängerin der C.202: Macchi C.200. Sie besaß noch den

Fiat-Sternmotor A.74-RC 38 Foto Archiv Flugzeug Classic

Einsatzzweck Jagdflugzeug

Besatzung 1 Mann

Antrieb 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder- Reihenmotor Alfa Romeo RA 1000 RC 41-1

Leistung 1175 PS Startleistung

Länge 8,85 m

Spannweite 10,58 m

Höhe 3,03 m

Flügelfläche 16,80 m2

Leergewicht 2350 kg

Startgewicht 2930 kg

Höchstgeschwindigkeit 599 km/h in 5600 m

Reichweite 765 km

Dienstgipfelhöhe 11500 m

Schusswaffen 2 x Breda-SAFAT-12,7-mm-Maschinen- gewehre mit je 400 Schuss 2 x Breda-SAFAT-7,7-mm-Maschinen- gewehre mit je 500 Schuss

100 Änderungen hatte man während des Produktionszyklus an der C.202 durchgeführt

Tomahawk IIB (Curtiss P-40 C)

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Noch während der staatlichen Flug-erprobung des einzigen Prototypserteilte das italienische Verteidi-

gungsministerium grünes Licht für dieMassenfertigung dieses Musters undgab sage und schreibe 1453 C.202 inAuftrag, die auf 16 Baulose verteilt wa-ren. Gegenüber dem Prototyp warendie Serienmaschinen mit einem nichtmehr einziehbaren Heckrad sowie ei-nem verlängerten Lufteinlass an der lin-ken Triebwerkverschalung ausgerüstet. Da das Macchi-Stammwerk in Lona-

te Pozzolo diese Order unmöglich selbst

stemmen konnte, kamen mit Breda undSAI Ambrosini zwei Lizenznehmer insSpiel. Den Löwenanteil an der Produk-tion dieses neuen Musters entfiel auf diein Sesto San Giovanni nördlich von Mai-land beheimatete Fabrik von Breda, die900 Maschinen fertigen sollte. SAI Am-brosini in Passignano westlich von Pe-rugia war mit der Produktion von 150Maschinen betraut. Macchi selbst sollte403 Einheiten vom Band lassen. Die ersten zehn C.202 waren zwi-

schen Mai und Juni 1941 in Lonate Poz-zolo fertig gestellt und unverzüglich

dem bei Gorizia (Görz) im Friaul statio-nierten 4° Stormo (4. Geschwader) über-geben worden. Breda startete im Juli1941 mit der 100 Einheiten umfassendenSerie I, die bis April 1942 an die RegiaAeronautica ging. SAI schaltete sich erstim September 1942 in die Fertigung einund lieferte ihre 50 Exemplare der SerieIV bis Juni 1943 ab.

Manko RüstungsindustrieAuch in den harschen Zeiten des Zwei-ten Weltkriegs hielt sich in allen dreiWerken die Kultur der zeitverschlin-

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IM FOKUS

2000 DB-601-A-1-Motoren fertigte Alfa Romeo unter Lizenz

Die von insgesamt drei Werken in rund 1060 Exemplaren produzierteC.202 war seinerzeit das wichtigste und mit Abstand fortschrittlichsteJagdflugzeug im Arsenal der Regia Aeronautica Von Hans-Heiri Stapfer

Macchi C.202 Entwicklung

Diese fabrik-

neue C.202

schwebt nach

einem Werks-

flug über der

Lombardei zur

Landung ein.

Sie war

keine Fließ-

bandware …

Foto Sammlung

Wolfgang Mühlbauer

Italiens Beste

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des zu errichten, war ein Novum: Bisdato konzentrierte sich die gesamteFlugzeugindustrie im Norden. Insgesamt fertigte Alfa Romeo rund

2000 Stück des RA 1000 RC 41-1. Diemonatliche Produktionsrate überstieg –allen Anstrengungen des Hersteller-werks zum Trotz – selten 50 Triebwer-ke. Damit blieb während des gesamtenProduktionszyklus’ der C.202 die Ver-sorgung mit RA 1000 RC 41-1 unzurei-chend. Dies verzögerte oftmals die Ab-lieferung des Musters.

»Spielzeug-Bewaffnung« Als im Frühling 1941 die ersten C.202vom Band rollten, hatte sich in Deutsch-

land und Japan sowie auch zunehmendin England die Erkenntnis durchgesetzt,dass nur großkalibrige Kanonen Aus-sicht auf Erfolg im Kampf gegen gegne-rische Flugzeuge hatten. Macchi hingegen ignorierte diese

Entwicklung und projektierte für ihrneues Paradepferd der Lüfte zwei über-schwere Breda-SAFAT-Maschinenge-wehre mit einem Kaliber von 12,7 Milli-meter. Diese Waffen waren über demMotorenblock eingebaut und schossendurch den Propellerkreis. Beide BredaSAFAT hatten 800 Schuss Munition. Umdie Feuerkraft zu erhöhen, kamen abMai 1942 zwei Breda-SAFAT-7,7-mm-Maschinengewehre in den Tragflächenzum Einbau, die über einen Munitions-vorrat von je 500 Schuss verfügten. ImEinsatz sind diese »7,7« vielfach ausge-baut worden, weil sie vor allem gegendie schweren Bomber vom Kaliber einerB-17 oder B-24 keine effiziente Waffedarstellten. Die meisten C.202 verfügtenüber ein San-Giorgio-Zielgerät.

Flop mit den Mauser-Kanonen Nicht vom Erfolg gekrönt waren dieAnstrengungen der Macchi-Ingenieure,die Feuerkraft der C.202 durch Kanonenzu erhöhen. In der Tat ist die im Macchi-Stammwerk von Lonate Pozzolo gefer-

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1453 Exemplare der C.202 bestellte die Regia Aeronautica

genden Einzelanfertigung, genauso wiejene der qualitativen Unzulänglichkei-ten – woran allerdings die gesamte ita-lienische Rüstungsindustrie kränkelte.Von auf höchste Effizienz getrimmteFließbänder – wie zum Beispiel im»Dritten Reich« – waren Macchi, Bredaund SAI Ambrosini meilenweit ent-fernt. Während die Messerschmitt AGeine brandneue Bf 109 F bereits nach6000 Mannstunden vom Fließbandschubste, brauchte es für eine C.202 sa-ge und schreibe 21 000 Stunden – ähn-lich viel wie jenseits des Atlantiks fürden viermotorigen Bomber Consolida-ted B-24 Liberator. Auch beim Motoren-Lizenznehmer

Alfa Romeo lief die Produktion allesandere als geschmeidig. Der Fabrikanterstklassiger Sportwagen errichtete extra für die Massenfertigung des RA 1000 RC 41-1 das nördöstlich vonNeapel gelegene Werk von Pomiglianod’Arco. Alfa Romeo bekundete beimNachbau größte Mühe, die ersten Mo-toren der Vorserie verließen erst imSommer 1941 die Werkhallen. Aus die-sem Grund lieferte Daimler-Benz nichtweniger als 400 original DB 601 A-1, diein den ersten Baulosen der C.202 instal-liert waren. Eine Motorenfabrik imkaum industrialisierten Süden des Lan-

Diese im Macchi-Stammwerk von Lonate Pozzolo gefertigte C.202,

Serie XIII (MM 91974), ist im Mai 1943 versuchsweise mit zwei in den

Gondeln unter den Tragflächen untergebrachten 20-mm-Mauser-

MG 151 ausgerüstet worden Foto Sammlung Wolfgang Mühlbauer

Bei Macchi war

beim Bau der

C.202 noch

echte Handar-

beit gefragt.

Darum verließ

eine C.202 erst

nach 21000

Arbeitsstunden

die Werkhallen

Foto Giorgio Apostolo

via Caliaro Luigino

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IM FOKUS

599 Stundenkilometer war die Höchstgeschwindigkeit der Macchi C.202

tigte C.202-Serie XIII (MM 91974) anden Tragflächenunterseiten mit zweiGondeln ausgerüstet worden, um siemit den aus Deutschland importierten20-mm-Kanonen Mauser MG 151 aus-zustatten. Die ersten Schießversuchestarteten am 12. Mai 1943, anschließendwar das Kanonenboot der Lüfte der 84aSquadriglia (84. Staffel) des 4° Stormo(4. Geschwader) zur Einsatzerprobungzugeteilt. Das zusätzliche Gewicht derKanonen – gepaart mit einem vergrö-ßerten Luftwiderstand – machte dieC.202 gefährlich träge in ihren Flugei-genschaften. Im Gegensatz zur Messer-schmitt Bf 109 G-6 der deutschen Luft-waffe haben die Kanonenbehälter ander Macchi C.202 schließlich keinen Ein-gang ins Arsenal der italienischen Luft-streitkräfte gefunden.Die ersten vom Band gelaufenen

C.202 verfügten noch nicht über einenAntennenmast, das Kabel für denAlocchio-Bacchini-B-30-Kurzwellen-sender lief hinter dem Cockpitbereichin den Rumpf. Der größte Teil allerC.202 sind allerdings mit einem Anten-nenmast versehen worden.

Macchi C.202 Entwicklung

… rechten Seite befanden sich vor allem die

Sicherungskästen Fotos (3) Archiv Flugzeug Classic

Blick auf das Instrumentenbrett einer C.202.

Oben ist das Zielgerät zu erkennen,

außerdem sind hier schon Ladegriffe für

die Flügel-MG verbaut

Die linke Seite eines C.202-Cockpits. In der Mitte unten sticht das

Trimmrad für das Höhenleitwerk heraus. Auf der …

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21000 Arbeitsstunden waren für den Bau einer einzigen C.202 notwendig

ler reagierte auf den Seitenwechsel ge-nauso rasch wie brutal: Er ließ kurzer-hand durch seine 20 im Land stationier-ten Divisionen die italienischen Sol-daten entwaffnen. Für viele war es derBeginn einer dramatischen Odyssee:600 000 italienische Militärinterniertemussten als Zwangsarbeiter in deut-schen Rüstungsbetrieben schuften –45000 sahen ihre Heimat nie wieder.Der Wechsel Italiens bedeutete auch

das Ende der C.202-Produktion, da sich

Die eigentlich für den europäischenKriegsschauplatz konzipierte C.202 er-hielt ihre Feuertaufe unter der sengen-den Sonne Nordafrikas, wo die ausÄgypten vorrückenden britischen Trup-pen den in Tunesien und Libyen statio-nierten italienischen Einheiten das Le-ben zur Hölle machten. Diesen harschenKampfbedingungen waren die Macchieinfach nicht gewachsen. Der Typ muss-te – im Gegensatz zur Bf 109 – ohne jeg-liche Modifikationen für den Wüsten-krieg in den Kampf. Ohne effizienteFilter verendeten die Motoren gleich rei-henweise. Dieses Debakel führte nichtnur zum serienmäßigen Einbau vonSandfiltern, sondern am 15. November1941 auf höchster politischer Ebene zurAbberufung von General Francesco Pri-colo als Kommandanten der KöniglichItalienischen Luftstreitkräfte.

Folgenschwerer Wechsel Während ihres Produktionszyklus’ hatdie C.202 rund 100 meist kleine Modifi-kationen durchlaufen. Dazu gehörteauch der Einbau von Panzerglas imCockpitbereich ab der im April 1942aufgelegten Serie VII. Die letzten Baulo-se waren mit Bombenschlössern unterder Tragfläche zur Aufnahme von Bom-ben oder Zusatztanks versehen. DieC.202 ließ sich auch als Fotoaufklärerverwenden. Anstelle der Funkanlagekam dafür im hinteren Rumpfbereicheine Kamera zum Einbau. Die Schweizer Fliegertruppe zeigte

im Frühjahr 1943 reges Interesse an derBeschaffung von 20 C.202 Serie XIII zumStückpreis von 379 000 Franken. Am 30. April und 1. Mai 1943 haben OberstKarl Högger als Technischer Chef desArmeeflugzeugparks sowie EinfliegerOberleutnant Ernst Wyss auf dem Flug-platz Linate die C.202, Serie XIII, Werk-nummer 5202, erprobt. Der Vertrag fürzwei Mustermaschinen war bereits un-terschrieben. Der Deal platzte aber, weildie Eidgenossen nicht das vom Herstel-lerwerk für den Einflug erforderlicheBenzin liefern wollten.König Vittorio Emanuele III. verkün-

digte am 8. September 1943 den Waffen-stillstand mit den Alliierten. Adolf Hit-

Wüstenproblem gelöst: Die fabrikneue C.202, Serie III (MM 7806), rollte im Frühling 1942 im Macchi-

Stammwerk von Lonate Pozzolo vom Band. Die Maschine hat bereits in der Fabrik einen Sandfilter im

Lufteinlauf erhalten Foto Sammlung Wolfgang Mühlbauer

Der Unterhalt forderte von den Mechanikern in der

Wüste Tunesiens alles ab. Diese frühe C.202 war der

zum 3° Stormo gehörenden 18° Gruppo zugeteilt

Foto Sammlung Roberto Gentilli

über Nacht die Montagelinien im Ein-flussbereich des »Dritten Reichs« befan-den, während die Motorenproduktionim süditalienischen Alfa-Romeo-Werknun unter alliierter Kontrolle stand. Ins-gesamt dürften zwischen Mai 1941 unddem September 1943 rund 1060 C.202an die Regia Aeronautica gegangensein. Als einziges Werk produzierte Bre-da unter deutscher Kontrolle noch eini-ge wenige C.202 und komplettierte sodie Serie XII. ■

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IM FOKUS

400 original DB 601 A-1 lieferte Daimler-Benz für die C.202 nach Italien

Seit Herbst 1941 befand sich dieneue Macchi C.202 im Fronteinsatz.In der zweiten Maihälfte 1942 rüs-

tete auch die 74a Squadriglia aus der23° Gruppo, 3° Stormo, von der deut-lich leistungsschwächeren Fiat G.50 aufden Macchi-Jäger um. Am 8. Juli verleg-te die 3° Stormo von Italien zunächstauf den Einsatzplatz Castelbenito beiTripolis in Libyen. Anschließend wardie 23° Gruppo in Darna/Libyen undAbu Haggag/Ägypten stationiert, etwa90 Kilometer von El Alamein entfernt.Mit dabei: Tenente Giorgio Solaroli,Jagdflieger der 74a Squadriglia. Am 4. September 1942 schoss der 25-Jährigeseinen ersten Gegner vom Himmel, ei-ne Curtiss P-40; kurz darauf fiel die

zweite P-40 den MG-Garben ausSolarolis C.202 zum Opfer. Treffer inder eigenen Maschine zwangen ihnjedoch mit verletztem Bein zur Notlan-dung. Diese ging zwar glimpflich aus,doch wie sich dank Einheimischer he-rausstellte, befand sich der junge Italie-ner nun in einem Minenfeld, aus demer jedoch unbeschadet herauskam.Nach der Schlacht von El Alamein

zog sich die 23° Gruppo bis nach Tune-sien zurück. Dem Abschuss einer Spit-fire am 8. Januar 1943 folgte am 23. März 1943 Solarolis siebter und letz-ter Abschuss über Nordafrika.Giorgio Solaroli erzielte bis Kriegs-

ende insgesamt elf Luftsiege und warzudem an einem Abschuss beteiligt. ■

Macchi C.202 Profil

Über Nordafrika

Macchi C.202 der 74a Squadriglia, Anfang 1943 in Tunesien. Die vorderste

Maschine mit der Kennung 74-2 trägt die individuelle »2« an der Seitenflosse

in einem Dreieck und nicht am Rumpf, wie meist üblich Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

Von Mai 1942 an erhielt die 74a Squadrigliadie Macchi C.202 Folgore. Zu den Piloten derJagdeinheit gehörte auch Leutnant GiorgioSolaroli, der den italienischen Jäger überNordafrika flog Von Herbert Ringlstetter

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1175 Pferdestärken leistete der Alfa Romeo RA 1000 RC 41-1 beim Start

Macchi C.202 Folgore der

74a Squadriglia, 23° Gruppo de

Caccia (Jagdgruppe), 3° Stormo,

oftmals geflogen von Tenente (Leut-

nant) Giorgio Solaroli, Tunesien im

Januar 1943 Zeichnungen Herbert Ringlstetter

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Blitz in der Wüste

Die C.202 erwies sich bis zum Seitenwechsel Italiens im September 1943als das Rückgrat der Regia Aeronautica. Die Macchi und ihre Pilotentrotzten der sengenden Sonne Nordafrikas genauso tapfer wie den eisigen Schneestürmen vor den Toren Stalingrads Von Hans-Heiri Stapfer

Macchi C.202 Im Einsatz

IM FOKUS

20 Macchi bestellten die Eidgenossen – sie wurden nie abgeliefert

Als erste Einheit rüstete die 9° Grup-po (9. Gruppe) des 4° Stormo (4. Geschwader) im September

1941 auf die Macchi C.202 um. Eine Ze-remonie, die mit viel Pomp verbundenwar: Schließlich wohnte niemand Gerin-gerer als »Duce« Benito Mussolini – im-merhin Inhaber eines Pilotenscheins –am 25. September 1941 auf dem südöst-lich von Rom gelegenen Flugplatz Ci-ampino der Parade bei. Die 9° Gruppoverlegte anschließend umgehend aufden auf Sizilien gelegenen Flugplatz vonComiso. Am 30. September absolviertendie Piloten dieser Einheit ihren erstenKampfeinsatz, als gegnerische Hurrica-nes die Einsatzbasis der Macchi mit

Bordwaffen belegten. Im anschließen-den Luftgefecht holte die 9° Gruppo ei-nen der Angreifer vom Himmel. Noch am gleichen Tag eskortierten

insgesamt zwölf Folgore eine CantZ.506, die sich im Mittelmeer zur Ret-tung eines abgeschossenen britischen Pi-loten aufgemacht hatte. Auf dieser hu-manitären Mission attackierten siebenHurricane das Schwimmerflugzeug. DiePiloten der 9° Gruppo stürzten sich aufden Gegner und holten zwei Hurricanevom Himmel. Mit der C.202 besaß dieRegia Aeronautica ein Schwert, dass beiEinführung der Hurricane schwer über-legen war und leistungsmäßig durchausauf Augenhöhe mit der Spitfire stand.

Als erste der über der nordafrikanischenWüste kämpfenden Einheiten erhielt dieüber Libyen operierende 8° Gruppo des2° Stormo am 8. Oktober 1941 ihre ers-ten sechs Folgore.

Duell mit den »Tommys« Als die C.202 erstmals ihre Schwingenüber Nordafrika ausbreitete, stand dasLand bereits mit dem Rücken zurWand, zu drückend war die Überlegen-heit der aus Ägypten vorstoßenden Bri-ten. Insgesamt drei Gruppi waren abEnde 1941 in Libyen stationiert. EndeJanuar 1942, als Generalleutnant ErwinRommel seine Gegenoffensive startete,war der 1° Stormo mit der in Ara Phile-

Die C.202 war

bis zum

Kriegsende die

Hauptsäule der

italienischen

Luftwaffe,

obwohl sie ab

1943 kaum

noch eine

Chance gegen

ihre Gegner

hatte. Ein Pilot

und sein Wart

bereiten sich

hier auf einen

Einsatz über

Malta vor

Foto Archiv

Flugzeug Classic

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93 C.202 waren bei der Schlacht um El Alamein in Libyen im Einsatz

20. Oktober 1942 in Fuka und AbuHaggag mehrere C.202 des 3° und 4° Stormo. In den letzten Oktobertagenbüßten diese beiden Einheiten nichtweniger als 15 Flugzeuge bei Luftge-fechten mit der Royal Air Force ein,weitere 46 Macchi trugen zum Teilschwere Schäden davon. Die C.202-Pi-loten deckten so gut wie es nur gingdie Rückzugsgefechte der Italiener ausLibyen. Als sich das Jahr seinem Endenäherte, war die von den Basen Misu-rata und Castelbenito aus operierende9° Gruppo mit dem Schutz von Tripo-lis beschäftigt.Im Januar 1943 – kurz vor ihrem Ab-

zug Richtung Heimat – lieferten sich

die C.202 des im tunesischen Medeninestationierten 3° Stormo erstmals Luft-kämpfe mit amerikanischen LockheedP-38 Lightning der 12th Air Force.

Erfolg über Malta Die Folgore spielte bei der Luftschlachtum Malta eine bedeutende Rolle. ImOktober 1941 flog die 9° Gruppo des 4° Stormo von Sizilien aus erstmals Ein-sätze mit ihren C.202. Dieser Verbandwurde zusätzlich noch durch die zum51° Stormo gehörende und ab Gela ope-rierende 155° Gruppo verstärkt. DieseEinheit schoss am 2. Juni 1942 die ersteSpitfire über Malta ab. Die Hauptaufga-be der C.202 bildete der Begleitschutzvon Cant Z.1007, SM 84 sowie Ju 88,welche die zum britischen Empire ge-hörende Insel mit schöner Regelmässig-keit mit Bomben belegten.Die Italiener flogen bis zum Ende

der Schlacht um Malta im Oktober 1942insgesamt 10 070 Einsätze, die Haupt-last trugen die mit der Folgore ausge-rüsteten Einheiten, die fast 4000 Begleit-schutz-Missionen absolvierten. Der 51° Stormo wies 100 Luftsiege gegendie RAF aus und verlor dabei 27 eigeneMacchi C.202.

Debakel vor Stalingrad Im Mai 1942 entsandte »Duce« BenitoMussolini als Teil des in der ukraini-schen Industriestadt Saporischschja am

Macchi C.202 Folgore fliegen im Patrouillenflug über Nordafrika. Sie war mit das Beste, was die

italienische Jagdfliegerwaffe 1941/42 aufbieten konnte Foto Archiv Flugzeug Classic

Der Mann hat

Humor: Jagd-

flieger Ennio

Tarantalo vor

seiner C.202

»Dai Banana!«

(Los Banane).

Tarantalo war

vor dem Krieg

Bananen-

Importeur

Foto Archiv

Flugzeug Classic

borum stationierten 6° Gruppo und derin Tamet beheimateten 17° Gruppo indie freie Jagd involviert. Der im Mai 1942 in den Kampf ge-

worfene, über 60 Folgore starke 4° Stor-mo unter der Führung von Oberstleut-nant Alfredo Reglieri hatte die Aufgabe,den Himmel Nordafrikas von der Roy-al Air Force zu säubern. Kurz nach Son-nenaufgang griffen am 26. Mai 1942insgesamt 59 Maschinen dieser Einheitdie Heimatbasis der mit Tomahawkausgerüsteten No. 250 Squadron inGambut an. Bis Ende Juni 1942 flogendie C.202 über 1000 Einsätze unter dersengenden Sonne Libyens. Bei diesenKämpfen gingen 17 Macchi verloren.Am 15. Juli 1942 erreichte die Zahl derin Libyen stationierten C.202 mit 93Exemplaren ihren Höhepunkt. Im Herbst 1942 wartete mit der waf-

fenstarrenden Liberator eine echteKnacknuss der Lüfte auf die C.202.Tiefangriffe der Royal Air Force auf Ba-sen der Achsenmächte zerstörten am

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IM FOKUS

Dnepr ansässigen Comando Aeronauti-ca Fronte Orientale (Luftwaffenkoman-do Ostfront) die noch mit der C.200 ausgerüstete 21° Gruppo Autonomo (21. Unabhängige Jagdgruppe) unterdem Kommando von Major EttoreFoschini an die Ostfront. Gegen diewachsende Zahl an Jak-1 und LaGG-3mutierte das Muster schnell zum Kano-nenfutter für »Stalins Adler«. Im September 1942 erhielt die in Wo-

roschilowgrad (heute Luhansk, Ukrai-ne) stationierte 21° Gruppo Autonomo14 C.202, die größtenteils die nach Sta-lingrad vorrückenden Bodentruppender italienischen 8. Armee sicherten.Widrigste Wetterbedingungen ließen le-diglich 17 Einsätze zu, wobei die C.202weder einen Luftsieg über der Ostfrontverbuchen konnte, noch eigene Maschi-nen durch Feindeinwirkung verlor. ImFrühjahr 1943 verlegten die Italienerauf Druck geballter Angriffe der RotenArmee am Don ihre Folgore nach Mil-lerowo, wo am 17. Januar 1943 der letz-te Kampfeinsatz anstand. Anschließendflog die 21° Gruppo Autonomo zur De-mobilisierung nach Stalino (heute Do-nezk, Ukraine). Im Mai 1943 kehrtendie übrig gebliebenen neun C.202 zu ih-rer Heimatbasis Gorizia zurück.

Flucht aus Afrika Mit Beginn der Operation »Torch« imNovember 1942 – der Landung in Alge-rien und Marokko – schufen die Alliier-ten in Nordafrika eine zweite Front undnahmen so die Italiener sowie das Deut-

Macchi C.202 Im Einsatz

Während die italienischen Piloten wintergerecht gekleidet waren, behielten die C.202 auch bei Schnee

die grüne Wüstensand-Tarnung bei Foto Archiv Flugzeug Classic

Die 382a Squadriglia operierte von Woroschilowgrad aus

Foto Giorgio Apostolo via Caliaro Luigino

Italienische Piloten kämpften mit ihren C.202 auch über den eisigen Weiten

der Ostfront. Hier die 21° Gruppo Autonomo, die mit 14 Macchi C.202 sowie

32 C.200 (links) ausgerüstet war Foto Sammlung Roberto Gentilli

14 C.202 operierten ab September 1942 mit der 21° Gruppo an der Ostfront

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FLUGZEUG CLASSIC 12/2020 51

Stumpfes Schwert beider deutschen LuftwaffeIm »Dritten Reich« dienten dieC.202 ausschließlich zur Fort-geschrittenenschulung angehen-der Jagdflieger. Die Eingliede-rung der Macchi in die Arsenaleder Luftwaffe besaß handfestepolitische Gründe: Am 8. Sep-tember 1943 wechselte das Kö-nigreich Italien die Seite, nach-dem Marschall Pietro Badoglioim sizilianischen Dörfchen Cas-sibile einen Waffenstillstands-vertrag mit den Alliierten ausge-handelt hatte. Mit ein Grund fürden Sinneswandel Italiens wardie kaum zwei Monate zuvorbegonnene Landung anglo-amerikani-scher Truppen auf Sizilien, was den Beginn des alliierten Italienfeldzugsmarkierte. Der ehemals stramme Junior-partner des »Dritten Reichs« mutiertepraktisch über Nacht zum Gegner derdeutschen Wehrmacht.

BürgerkriegAdolf Hitler ließ in der Folge Italien be-setzen (Unternehmen »Alarich«/FallAchse), um die für Deutschland kriegs-wichtige Industrie nicht zu verlieren.Der Bruch mit dem »Dritten Reich« riss

das Königreich in den Strudel des nack-ten Chaos und ließ Italien RichtungBürgerkrieg abdriften.

Schul- und FluchtvehikelDie Macchi C.202 erwiesen sich als einewillkommene Ergänzung für die Jagd-fliegerschulen, die vielfach mit Beutegutausgerüstet waren. Leistungsmässig wardas Muster als ein eher stumpfesSchwert zu betrachten und eignete sich– ganz im Gegensatz zum Nachfolge-muster C.205 V Veltro (Windhund) –nicht für den Kampfeinsatz. Ein Großteilder von der Luftwaffe verwendeten

C.202 stammte aus der Produktion vonBreda. Dieses Werk baute nach der deut-schen Besetzung das 150 Einheiten um-fassende Baulos der Serie XII zu Ende. Die Macchi C.202 kamen unter an-

derem beim Jagdfliegergeschwader 108zum Einsatz. Weitere Maschinen warender in Garz auf der Insel Rügen statio-nierten II. Gruppe des Jagdgeschwa-ders 110 zugeteilt.Eine in Garz beheimatete Macchi

diente auch als geflügeltes Fluchtvehi-kel für einen kriegsmüden Luftwaffe-Pi-loten, der sich am 5. Oktober 1944 dis-kret über die Ostsee in das neutraleSchweden absetzte. Die bei Breda ge-baute C.202, Serie XI (MM 9697),»Schwarze 16« bekam bei der Bauchlan-dung rund 1,5 Kilometer westlich vonTomelilla in Südschweden einige Bles-suren ab. Das Personal der FlygflottiljF10 (Luftwaffengeschwader F10) bargsie anschließend. Der fahnenflüchtige,21-jährige Fähnrich Emil Poidinger fris-tete seine Zeit für den Rest des Kriegesim nordwestlich von Kalmar gelegenenLager Vägershult. Das »Dritte Reich«pochte auf die Rückgabe des Fluchtve-hikels und so trat die in ihre Hauptkom-ponenten zerlegte Macchi am 5. Februar1945 per Schiff die Rückreise zum recht-mäßigen Eigentümer an. ■

9 Spitfire fielen im März 1943 über Tunesien den C.202 zum Opfer

Am 5. Okto-

ber 1944

landete ein

deutscher

Pilot mit

seiner

C.202

unsanft in

Schweden

Beim Schulverband JG 108

eingesetzte Macchi C.202 –

feldmäßig aufgebrachte

Lackierung/Farben spekulativ

Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

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IM FOKUS

100 Luftsiege verzeichnete der 51° Stormo während der Luftschlacht um Malta

Bisher erschienen(Auswahl):FC 04/2020Jakowlew Jak-3FC 06/2020 Focke-WulfFw 200FC 08/2020Fairey SwordfishFC 10/2020Dornier Do 335

Macchi C.202 Im Einsatz

sche Afrika Korps in die Zange. Mit demVorrücken der Briten und Amerikanergegen Tunesien wartete wieder viel Ar-beit auf die Macchi-Piloten. Die 151° und153° Gruppo verlegten unverzüglichnach Decimomannu auf Sardinien. Siebesorgten den Geleitschutz für die italie-nischen Bomber, welche die alliierte Lan-dungsflotte vor Bône aufs Korn nahmen. Am 11. November 1942 belegte die

155° Gruppo den bei Tunis gelegenenPlatz El Alouina, während zwei Staffelnder 6° Gruppo nach Sfax verlegten. Ins-gesamt stellten sich in Tunesien 54 C.202den Briten und Amerikanern zum

Kampf. Bei ihren Einsätzen gegen dieBell P-39 der 81st und 350th FighterGroup war die Macchi dank ihrer vor-züglichen Kurvenradien der amerikani-schen Airacobra überlegen. Die immer drückendere Luftüberle-

genheit der Alliierten machte nach undnach den Kernauftrag der C.202 zunich-te: den Nachschub von Italien zum tu-nesischen Kriegsschauplatz zu sichern.Im März 1943 verlegten die 39 noch ver-bleibenden Folgore nach Gabes, um dasDeutsche Afrika Korps zu unterstützen.Bei diesen Luftgefechten holten dieC.202 neun Spitfire sowie eine P-38

Lightning vom Himmel – dies bei gera-de einmal zwei eigenen Verlusten. Am31. März 1943 verheerte ein Überra-schungsangriff von B-25 Mitchell des47th Bomb Wing die Reihen der verblie-benen C.202: Nicht weniger als 17 start-bereite Maschinen wurden ein Opferdes amerikanischen Bombenteppichs. Am 13. Mai 1943 kapitulierten die

Italiener in Tunesien vor der drücken-den alliierten Überlegenheit. Als letzteEinheit der Achsenmächte überhauptverließ der 54° Stormo mit seinen weni-gen noch verbliebenen Folgore Nord-afrika Richtung Sizilien.

Schier unbezwingbar Ab Sommer 1943 trugen die in Nord-afrika stationierten 9th und 12th AirForce den Luftkrieg mehr und mehr insitalienische Mutterland hinein und be-scherten den mit der C.202 ausgerüste-ten Verbänden regelmäßig hohe Verlus-te. Neapel war am 17. Juli 1943 dasOpfer des ersten amerikanischen Groß-angriffs, zwei Tage später geriet dieHauptstadt Rom ins Fadenkreuz derViermotorigen. Die 16° und 22° Gruppolauerten in Süditalien auf den in schwe-ren Kampfformationen einfliegendenFeind, die von der Ostfront zurückge-kehrte 21° Gruppo in Florenz. Den waf-

Ab September

1942 flogen

diese C.202

der 153° Grup-

po, 53° Stor-

mo, des Kom-

mandanten

Major Andrea

Favinivon von

Sizilien aus

Einsätze gegen

Malta

Foto Sammlung

Roberto Gentilli

Im Flug über Nordafrika: Diese C.202 gehört zum 1° Stormo und

hat das Staffel-Emblem der 80a Squadriglia aufgemalt

Foto Archiv Flugzeug Classic

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FLUGZEUG CLASSIC 12/2020 53

fenstarrenden Boeing B-17 Flying Fort-ress und Consolidated B-24 Liberatorkonnte die mittlerweile leicht ange-staubte C.202 kaum etwas entgegenset-zen. Nur eine einzige Angriffsmethodegarantierte den Macchi-Piloten, nichtim feindlichen Feuerhagel unterzuge-hen: die Viermots von vorne aufs Kornzu nehmen. Die schwache Bewaffnungsowie die kurze Angriffsdauer verhin-derten aber Erfolge. Die mit der C.202ausgerüsteten Einheiten der Regia Ae-ronautica wechselten bald die Taktikund stürzten sich nur noch auf einzel-ne, vom Verband abgetriebene Bomber.

Schwerste VerlusteOperation »Husky« – die alliierte Inva-sion Siziliens – erwies sich als ein regel-rechtes Desaster für die C.202. ZumZeitpunkt des Angriffs im Juli 1943 warder 4° Stormo mit seinen 48 Macchi inCatania und Gerbini sowie zwölf C.202der 21° Gruppo in Chinisia stationiert.Sieben C.202 der 153° Gruppo waren fürdie Verteidigung von Palermo abge-stellt. Im hoffnungslosen Versuch, dieInvasionsflotte zu stoppen, erlitt die Re-gia Aeronautica schwerste Verluste, nurgerade zwei Dutzend C.202 überlebtendas Gemetzel. Bereits zehn Tage nachBeginn der Operation »Husky«, neben-bei erwähnt die größte amphibischeOperation während des Zweiten Welt-kriegs, räumten die mit der C.202 aus-gerüsteten Einheiten ihre Basen. DieZeit dieses italienischen Jagdflugzeugsals veritable Waffe im Arsenal von Mus-solinis mittlerweile dramatisch dahin-schmelzender Luftarmada war vorbei.Am 8. September 1943 schloss der

74-jährige König Vittorio Emanuele III.mit den Alliierten einen Waffenstill-stand. In den kommenden Tagen liefeninsgesamt 23 Flugzeugführer aus ver-schiedenen Einheiten mit ihren C.202 zuden Alliierten über. Unter der Bezeich-nung Raggruppamento Caccia (Jagdflie-gergruppe) operierten die ab dem 15. September 1943 mit der italienischenKokarde versehenen Macchi in Albanienund Jugoslawien unter alliierter Flagge– damit war das letzte Kapitel Kampfge-schichte der Folgore aufgeschlagen. ■

23 Piloten liefen nach dem Seitenwechsel Italiens mit ihren C.202 zu den Alliierten über

Während ihres Rückzugs aus Tunesien vom Mai 1943 ließ die zum 54° Stormo gehörende 16° Gruppo

auf dem Flugplatz von Korba ihre fluguntauglichen C.202 zurück. Der 54° Stormo war die allerletzte

Einheit der Achsenmächte, die in Nordafrika kämpfte Foto Sammlung David Doyle

Sinneswandel: Der Trauerflor tragende, 74-jährige König Vittorio Emanuele III. besichtigt im Oktober

1943 in Lecce die bereits mit der italienischen Kokarde versehenen C.202 Foto Sammlung Roberto Gentilli

Diese C.202 gelangte als Kriegsbeute

in die USA. Die Amerikaner testeten

sie im August 1943 mit der Zulassung

EB-300 auf der Wright Air Force Base

Foto Sammlung David Doyle

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