Mafia, Geheimdienste und Politik der USA - NPR.NEWS · Seite [2] anzusetzen und diese...

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2015 Autor - R. Kohler http://us-politik.ch TTIP – Aktionsbündnis / Österreich Networking Portal of Resistance Als PDF verarbeitet von W. Nosko http://npr.eulu.info 06.10.2015 Mafia, Geheimdienste und die Politik der USA...

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  • 2015

    Autor - R. Kohler

    http://us-politik.ch TTIP – Aktionsbündnis / Österreich Networking Portal of Resistance Als PDF verarbeitet von W. Nosko http://npr.eulu.info 06.10.2015

    Mafia, Geheimdienste und die Politik der USA...

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    1. EINLEITUNG

    Diese Chronik behandelt die Geschichte des Organisierten Verbrechens und der Geheimdienste in den USA sowie deren Einflüsse auf die Politik Schwerpunkte bilden:

    1. –die Präsidentschaften von John F. Kennedy, Richard Nixon, Ronald Reagan, George Bush sen., George Bush jun. und Barack Obama;

    2. –die Ermordungen von John Kennedy, Robert Kennedy, Marilyn Monroe, Patrice Lumumba, Ernesto Che Guevara, Martin Luther King; Enrico Mattei, Aldo Moro, Oscar Romero, John Lennon, Olaf Palme;

    3. –die Mafia in Chicago, Louisiana und New York; 4. -die Aktivitäten von CIA, FBI, NSA, Secret Service, und der Militärgeheimdienste; 5. -die Kriege gegen Deutschland, Italien und Japan, Korea, Kuba, Vietnam,

    Kambodscha und Laos, den Irak und Afghanistan; 6. -die Putsche im Iran, in Guatemala, Indonesien, Chile, Panama; 7. -der 11.September 2001 und der amerikanische Staatsterrorismus.

    Zudem gibt es viele weitere Informationen zu relevanten, zeitlich angeordneten Ereignissen (siehe Seite 3 - Übersicht.

    Zu Beginn der jeweiligen Abschnitte sind die Stichworte und Personen angegeben, die behandelt werden und mit den Links schnell gefunden werden können.

    Für eine vertiefte Beschäftigung mit dem jeweiligen Ereignis, Akteur oder Land habe ich die verwendeten Quellen angegeben und in einem Quellenregister zusammengefasst. Zum Text Die Chronik ist kein Buchtext mit einer ausgewogenen Darstellung der Geschichte der USA im 20. Jahrhundert, sondern eine Zusammenfassung meiner Recherchen für das Theaterstück Kennedy. Macht. Sex. Die einzelnen Ereignisse und Biographien dieser Chronik sind unterschiedlich genau dargestellt, weil ich primär die Hintergründe für Präsident Kennedys Ermordung verstehen wollte. Ich habe jedoch auch andere wichtige Ereignisse und spätere Entwicklungen (vor

    allem die Präsidentschaften von Nixon und Bush sen. und jun.) in diese Chronik miteinbezogen. Entstanden ist eine komprimierte Zusammenstellung von Fakten, Personen und ihren Verbindungen, die als Anregung für eigene Recherchen dienen soll.

    Methodologische Grundsätze Staaten und Institutionen sind soziale Konstrukte. Wörter wie "Regierung", "CIA" oder "Mafia" verweisen auf kollektive Illusionen, die für die Koordination menschlichen Verhaltens handlungsrelevant sind. Die Konstruktionen in den Köpfen werden durch Handlungen zu Fakten (Faktum = Gemachtes). Wir haben keine andere Wahl, als am Selbstverständnis der Akteure

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    anzusetzen und diese Konstruktionen ebenfalls zu verwenden, um das Funktionieren von Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft rekonstruieren zu können. Die begrifflichen Traditionen erleichtern die historische Analyse, beinhalten aber die Gefahr der alltagstheoretischen Selbstverständlichkeit. Denn "Staatsschutz", "nationale Sicherheitsinteressen" oder "Gesetze" sind im Wesentlichen Legitimationsformeln, um bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten.

    Da die Geheimdienste und die Mafia keine schriftlichen Quellen hinterlassen oder diese meist nur ungenügend zugänglich sind, bleibt die Historiographie ihrer Aktivitäten und Wirkungen ein delikates Unterfangen. Die mangelnden 'Beweise' müssen durch mehrschichtige Rekonstruktionen, systematische Vergleiche und detaillierte Fallanalysen kompensiert werden, entsprechend der kriminalpolizeilichen Doktrin Ciceros: "Cui bono?" (Wem nützt es?)

    Trotzdem bleiben Rekonstruktionen wie diese Chronik anfällig für die Diffamierung als "Verschwörungstheorien." Jede Theorie und jede Geschichtsschreibung muss die Komplexität der Ereignisse und Zusammenhänge auf die wichtigen Faktoren reduzieren und mit Generalisierungen arbeiten. Es gibt keine Person oder politische Gruppe, die die Welt beherrschen könnte, sondern nur unzählige Akteure, die jedoch gruppenspezifische Interessen verfolgen. Von ihren Überzeugungen und Intentionen muss jede historische Analyse ausgehen und diese in Bezug auf die Kontexte rekonstruieren, indem sie nach den Möglichkeiten, Bedingungen und Effekte der Handlungsfelder fragt. Politik ist das Feld der institutionalisierten Machtkämpfe, bei dem die inoffiziellen Kampfmittel nicht ausgeblendet werden dürfen, mit denen die Prozesse im Geheimen wesentlich gesteuert werden. "Wo das Geheimnis beginnt, beginnt die wirkliche Macht" (Hannah Arendt).

    R. Kohler

    Hinweis: Das PDF verfügt über ein anklickbares Inhaltverzeichnis (Lesezeichen) mit dem man bequem zu jedem gewünschten Abschnit oder Thema navigieren kann.

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    2. Übersicht

    Die wichtigsten Themen Teil 1: Die Entstehung und Konsolidierung der Mafia sowie die Karrieren von J. Edgar Hoover,

    Prescott Bush und Joe Kennedy.

    Teil 2: Die Kooperation von Armee, Geheimdienste, Industrie, Mafia, Faschisten und Vatikan im 2. Weltkrieg und danach.

    Teil 3: Verdeckte Operationen der CIA und die Zusammenarbeit von Mafia, Nixon und den Faschisten.

    Teil 4: Die Mafia-Unterstützung für Kennedy und Nixon, die Revolution in Kuba und die Interventionen der CIA.

    Teil 5: Das erste Jahr der Präsidentschaft Kennedys: Aussenpolitik, Geheimdienste, Mafia und Frauen.

    Teil 6: Die Ermordung von Marilyn Monroe und die Kuba-Krise.

    Teil 7: Kennedys Konfrontationspolitik und die Entstehung einer Gegenallianz.

    Teil 8: Die Ermordung von John F. Kennedy und die Ermittlungen der Warren-Kommission.

    Teil 9: Der Vietnamkrieg, der Garrison-Prozess und die Ermordungen von Martin Luther King und Robert Kennedy.

    Teil 10: Die Präsidentschaft von Richard Nixon: Vietnamkrieg, Putsch in Chile und Watergate.

    Teil 11: Die Aktionen der CIA in Italien, Kambodscha, Indonesien, Iran, Afghanistan, Nicaragua und Irak unter Ford und Carter.

    Teil 12: Der Iran-Contra- und der Sparkassenskandal während der Reagan/Bush-Regierung.

    Teil 13: Die Präsidentschaften von George Bush und Bill Clinton mit der Panama-Invasion und dem Golfkrieg.

    Teil 14: George W. Bush und das Terror-Attentat vom 11. September 2001.

    Teil 15: Die Folgen von 9-11: Anthrax, Patriot Act und der Afghanistankrieg.

    Teil 16: Der Irakkrieg und die anderen 'Schurkenstaaten', Finanzkrise, die Präsidentschaft von Barack Obama.

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    1. Teil (bis 1938)

    Dieser Teil der Chronik behandelt die Entstehung, Immigration und Konsolidierung der Mafia, die US-Politik in Lateinamerika und die Aktivitäten von J. Edgar Hoover, Prescott Bush, Joe Kennedy und Franklin D. Roosevelt. Zentrale Themen und Personen: Amerikanische Ideologie, Erste Expansionen, Entstehung der Mafia, Ermordung von Abraham Lincoln und Gründung des Secret Service, Immigration der Mafia, Hegemonialpolitik der USA, Federal Reserve System, Erster Weltkrieg: Prescott Bush, Averell Harriman und George Herbert Walker, Prohibition und Konsolidierung der Mafia, Joseph Kennedy und Frank Costello, J. Edgar Hoover beim FBI, Al Capone in Chicago, Börsenkrise 1929 , Die Mafia in New York: Lucky Luciano, Meyer Lansky, Benny Siegel, Joe Masseria, Castellammare-Krieg, Salvatore Maranzano, Amerikanisierung der Mafia, Albert Anastasia, Roosevelt und Kennedy, Kartell der Erdölgesellschaften: John D. Rockefeller und Aristoteles Onassis, Attentat auf Anton Cemak und Franklin D. Roosevelt, Aufhebung der Prohibition: Glücksspielgeschäft, Gewerkschaften, Heroinhandel, Upton Sinclair, New Deal, Carlos Marcello, Mafiaverfolgung, Hoover, die Nazis und die Mafia, Botschafter Kennedy in England.

    1.1. Amerikanische Ideologie

    Die Gründerväter der USA sehen sich als Erben Moses und Amerika als ihr gelobtes Land. Sie postulieren mit der Verfassung eine Zivilreligion, die die christlichen Konfessionen übersteigt. Die jüdischen Archetypen des Alten Testaments (Exodus, auserwähltes Volk, gelobtes Land, Opfertod, Wiedergeburt, abstrakter Gottesbegriff, Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott, religiöse Freiheit) bleiben jedoch in den Menschenrechten festgehalten. Die Puritaner wollten in der Neuen Welt eine Kirche und Gesellschaft schaffen, die den Vorgaben der göttlichen Bestimmung entspricht und als Vorbild für die korrupte Alte Welt dazu beiträgt, diese vor dem Zerfall zu retten. Die Puritaner glaubten an die Prädestination und an die Gnadenerfahrung, aus der sie auf ihre Überlegenheit und heilsbringende Mission schlossen. Sie glaubten an einen Vertrag mit Gott (Federal Covenant) geschlossen zu haben, der ihnen als Gegenleistung für die Erfüllung der christlichen Tugenden die kollektive Erlösung bringt. Puritanerführer John Winthrop etwa beschreibt sein Programm "to advance the kingdom of our Lord Jesus Christ, and to enjoy the liberties oft he gospel in purity with peace" (in: Kendall Hosmer 1908, II: 100). Nach aussen ist der amerikanische Staat ein missionarisches Projekt, denn es repräsentiert nicht nur Gottes auserwähltes Land, sondern hat auch eine Wächter- und Richterfunktion für andere Nationen. Gleichzeitig stellt der Staat nach innen eine Bedrohung für die religiöse Autonomie dar, die es zu begrenzen gilt. Es waren weniger die Puritaner als vielmehr die Quäker, Baptisten, Täufer und Spiritualisten, die die Unantastbarkeit des inneren Lebens durch den Staat durchsetzten. Wärend die weissen Amerikaner stolz auf das amerikanische Staatsmodell sind und es aufgrund der angenommenen zivilisatorischen Überlegenheit ausbreiten (Eroberung des Westens bis 1848 mit der Ausrottung der Indianer) und exportieren (Imperialismus), sind sie gleichzeitig staatskritisch und befürchten, ihre Glaubens-, Rede- und Handlungsfreiheit könnte durch die Staatsmacht eingeschränkt werden (Individualismus). Im Staatsbegriff nimmt die Armee eine mythische Rolle ein, denn dem Krieg kommt eine zentrale Rolle bei der Expansion der amerikanischen Kultur zu. Die technische und logistische Überlegenheit der amerikanischen Armee wird dabei als moralisch-kulturelle Überlegenheit interpretiert. Das Verhältnis der Amerikaner zur Welt wird vom Kampf dominiert: gegen die Korruption, den Kommunismus, den Terrorismus, und durchwegs moralisch-dualistisch ausgedrückt: unschuldig und moralisch überlegen gegen böswillig und minderwertig.

    Quellen: Madsen (1998).

    http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Ideologiehttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#Expansionenhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1865http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Lincolnhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1869http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1898http://www.us-politik.ch/teil1.htm#fedhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1917http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1920http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Kennedyhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1924http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1925http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1929http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1931http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1932http://www.us-politik.ch/teil1.htm#1933http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Roosevelthttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#Aufhebunghttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#Sinclairhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#newdealhttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1935http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Mafiaverfolgunghttp://www.us-politik.ch/teil1.htm#1937http://www.us-politik.ch/teil1.htm#Kennedy%20in%20Englandhttp://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    1.2. Amerikanische Verfassung

    In heutigen Geschichtsbüchern erscheint die Amerikanische Revolution als eine demokratische Umwälzung. Die Unabhängigkeitsbewegung der Siedlerkolonisten kann als demokratische Erhebung interpretiert werden, denn schon vor der Unabhängigkeitserklärung 1776 hatte eine mächtige Bauernbewegung in North Carolina den Aufstand gegen wohlhabende und korrupte britische Beamte geprobt. Von 1766 bis 1771 konnte die sogenannte Regulatorenbewegung nur durch einen massiven Einsatz des Militärs an einem demokratischen Umsturz gehindert werden. Allerdings wird die politische und soziale Gleichheit in der Verfassung nicht festgeschrieben. Auf dem Verfassungskonvent in Philadelphia 1787 verhindern die Wohlhabenden eine Teilhabe aller am Reichtum und den politischen Entscheidungen. Schon die Unabhängigkeit war ein Projekt der aufsteigenden Neureichen, denn 69% der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung waren englische Kolonialbeamte. Doch war es nach erfolgreichem Unabhängigkeitskampf schwer, den demokratischen Geist der bewaffneten Bevölkerung wieder in die Flasche zu bekommen. Da die Kriegskosten auf die arbeitende Bevölkerung abgeschoben wurden, kam es zu Revolten und zwei blutig niedergeschlagene Volkserhebungen in Massachusetts und Pennsylvania, die die Enteignung der Kriegsspekulanten verlangten. In den Articles of Confederation wird daher das Privateigentum besonders geschützt. Volksführer wie Samuel Adams und Patrick Henry hatten von vornherein auf die Teilnahme am Verfassungskonvent verzichtet. Geschaffen wurde dann Bundesbehörden ohne direkte Kontrolle des Volkes nach dem Vorbild Roms, wobei eine Balance zwischen Demokratie, Aristokratie und Monarchie erreicht werden soll: Ein Präsident mit monarchischen Kompetenzen, ein Senat als Interessevertretung der wohlhabenden Aristokratie und der Kongress als demokratisches Element. Während die demokratischen Vertreter die politischen Repräsentationsorgane vielen Delegierten besetzen wollen, um die Partikularinteressen einzudämmen, setzen die Federalists auf einen Staat mit genügend Repressionsmittel, um die wirtschaftlichen Interessen der besitzenden Klassen nach innen und außen zu schützen. Die Anti-Federalists können durchsetzen, dass die Verfassung durch die Bill of Rights ergänzt wird, was aber keinen Sozialstaat garantiert.

    1.3. Erste Expansionen

    Bereits am 2.12.1823 verkündete Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin, die den Europäern jeglichen Einfluss in den amerikanischen Kontinenten verbietet. Die Briten wollen das bröckelnde Kolonialreich der Spanier beerben, was die USA zu verhindern verstehen. 1824 erfolgt eine militärische Intervention der USA in Puerto Rico, 1831 in Argentinien, und 1845 und 1847 in Mexico, worauf die USA die Hälfte des Territoriums annektieren. Nach dem Ende des Bürgerkriegs proklamierte Präsident Ulysses Grant seinen Glauben an die "offenkundige Bestimmung" der USA, den gesamten Kontinent unter ihre Vorherrschaft zu bringen.Der Konflikt mit den Briten 1895 um die Grenze Venezuelas wird etwa mit der Doktrin der 'Manifest Destiny' gerechtfertigt. Zur "Verteidigung der Demokratie" werden laufend Unabhängigkeits-Bewegungen abgeklemmt.

    Meist wird der amerikanische Imperialismus religiös legitimiert: Schon im Krieg gegen die Mexikaner in den 1840er Jahren wurde mit Rekurs auf die Prädestinationslehre behauptet, Gott selbst habe die Pferde und Kanonen der Vereinigten Staaten gesegnet. 1859 verteidigte Horace Greeley die Massaker an den Prärieindianern mit derselben Logik: "Diese Leute müssen aussterben - es kann ihnen niemand helfen. Gott hat die Erde denen gegeben, die sie sich untertan machen und sie zu kultivieren verstehen; es wäre vermessen, sich seinem gerechten Auftrag zu widersetzen." Die Politik der USA ist von Anfang auf die Elimination der Ureinwohner ausgerichtet, denn die Kolonisation war nicht auf Herrschaft, sondern auf privatrechtliche Ansiedlung angelegt. Deshalb gab es, im Unterschied zu den spanischen Kolonien, nie eine Mestizengesellschaft. Während Jahrhunderten

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    grenzte man die Indianer ‚aus der Gesellschaft' aus und verdrängte sie. Um ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen, wurden bis 1897 fast alle Bisons (30-40 Mio. Tiere) geschlachtet. Erst 1924 erhielten die Indianer auf dem Papier die volle Staatsbürgerschaft, was sich aber in der Praxis nicht durchsetzte.

    1853 laufen im Hafen von Uraga (heute Yokohama) vier US-Kriegsschiffe unter dem Kommando von Admiral Matthew Calbraith Perry ein und belagern die Stadt. Ein Jahr später erhalten sie von der Tokuguwa-Regierung den ersten Handelsvertrag. Damit ist die zweihundert jährige Geschichte der Isolation Japans vorbei, und die Aufrüstung und Modernisierung wird zum zentralen Ziel der Meiji-Ära von 1868 bis 1912. Wie seine westlichen Vorbilder will Japan eine imperiale Grossmacht werden, wobei es sich in Bezug auf die Verwaltung und das Militär stark an Deutschland orientiert. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs beginnt Japans Expansionsstrategie.

    Weder die Konflikte mit den Indianern noch der Krieg gegen Mexiko 1846 belasten die amerikanische Wirtschaft, denn die USA unterhalten eine reguläre Armee von lediglich 26'000 Soldaten. Daher kann das Kapital produktiv eingesetzt werden, und die USA entwickeln sich bis zum Beginn des Bürgerkriegs 1861 zu einer wirtschaftlichen Grossmacht. Nur Grossbritannien hat noch ein deutlich grösseres Produktionsvolumen als die USA. In den vier Jahren des blutigen Bürgerkriegs wird allerdings eine gewaltige Wehrpflichtarmee aufgebaut, sodass die USA die grösste Militärmacht der Welt darstellen: Der Union dienen etwa 2 Mio. Soldaten (auf dem Höhepunkt 186465 etwa 1 Mio. gleichzeitig) und bei den Konföderierten etwa 900'000 (maximal 465'000 gleichzeitig Ende 1863, am Ende bloss noch 155'000); die Union verliert 360'000 und die Konföderierten 258'000 Mann. Der Norden ist wirtschaftlich viel stärker (110'000 Produktionsbetriebe) als der Süden (18'000 Betriebe) und produziert 1,7 Mio. Gewehre und 671 teilweise gepanzerte Kriegsschiffe für die Seeblockade. Im ersten industriellen totalen Krieg kommen Telegraphen, drehbare Geschütztürme, Torpedos und Minen zum Einsatz.

    Die Basis der amerikanischen Industrialisierung liegt im Walfang. Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden Hightech-Schiffe entwickelt, die alle Meere der Welt erobern und die Wale direkt zu Öl verarbeiten, das Schmiermittel, Material und Energie für Licht und Maschinen liefert. Auf dem Höhepunkte um 1850 segeln 750 amerikanische Schiffe (alle anderen Nationen verfügen über insgesamt 150 Walfangschiffe) auf allen Meeren und schlachten über 8000 Wale pro Jahr ab, was einen Gewinn von $11 Mio. bringt. Pottwale enthalten bis zu 3600 Liter hochwertiges Öl, und die Barten der Bartwale sind die Vorform des Kunststoffes. Das durch die Quäker betriebene Walfangzentrum Nantucked und später die Walfangstadt New Bedford werden zu den reichsten Orten. Aufgrund der Expansion werden die Wale soweit dezimiert, dass die Industrie währen dem Bürgerkrieg zusammenbricht. Rund 250'000 Pottwale waren erlegt worden. Auf den Walfang folgen der Goldrausch im Westen und der Petroleumboom in Pennsylvannia.

    Nach dem Bürgerkrieg nutzen die USA ihre Vorteile (fruchtbare Böden, keine unmittelbare Feinde, gewaltige Ressourcen und moderne Technologie wie Eisenbahn, Dampfmaschinen, riesiger Binnenmarkt, Landwirtschaftsmaschinen, Produktions- und Bergbautechniken), sodass sie ihre Rohstoffe nicht mehr exportieren, sondern selbst zum grössten Hersteller von Agrar- und Industrieprodukten werden. Bis zum ersten Weltkrieg steigern sie die Exporte um das Siebenfache; die Aussenpolitik konzentriert sich schon früh auf die Schaffung und Erhaltung von Absatzmärkten. Noch stärker als die Güter prägten die Kapitalabflüsse und -investitionen aus dem Handelsüberschuss mit Europa die politischen Beziehungen.

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    Nicht nur in Europa sind die USA präsent. So nehmen US-Delegierte zum Erstaunen aller an der Kongo-Konferenz 1884-85 in Berlin teil und setzen sich für den Freihandel ein, ohne dass das resultierende Abkommen dann von den USA ratifiziert wird. Mit der Besetzung der Philippinen 1898 werden die USA zu einer asiatischen Kolonialmacht und verlangen 1899, als sie sich mit 2500 Soldaten an der internationalen Interventionstruppe in China beteiligen, auch ein Mitspracherecht in China. 1902 schreibt der britische Journalist W.T.Stead ein Buch über die ‚Amerikanisierung der Welt'.

    Quellen: Kessler (2010), Kennedy (1987).

    1.4. Die Entstehung der Mafia

    Nach 1812 wurde der Feudalismus in Sizilien nach und nach gesetzlich abgeschafft. Da die Landadeligen und Feudalherren die Bauern nicht mehr zur Arbeit zwingen konnten, verpachteten sie ihre Latifundien an skrupellose Dorfhonoratioren, die die Bauern notfalls mit Schlägertruppen auf die Felder treiben. Gegen die Franzosen entstand eine Untergrundbewegung in Form einer Geheimgesellschaft, die mit dem Slogan "Morte Alla Francia Italia Anela!" Aufstände anzettelt. Mithilfe der Bauern können die Truppen Garibaldis 1860 die Bourbonen stürzen und Sizilien wird ein Teil des Königreiches Italien. Aber statt der ersehnten Freiheit von den parasitären Landbesitzern folgen nach der Proklamation des italienischen Nationalstaates die Truppen und Polizisten der Bourgoisie aus dem Norden und beuten den Süden wie eine Kolonie aus. Politisch bleibt jedoch ein Vakuum, in dem lokale Herrscher sich durchsetzen können. 1865 schliessen sich die sizilianischen Grossgrundbesitzer zu einer grossen Geheimgesellschaft, der "onorata società", zusammen. Mitglieder dieser "Ehrenwerten Gesellschaft" erobern die Kontrolle der Stadtregierungen und des Managements der Fabriken. Um 1900 gibt es im westlichen Drittel der Insel kaum eine Ecke, die sich dem Einfluss der Mafia entzieht. Der Begriff "Mafia" wird 1865 das erste Mal von einer Strafverfolgungsbehörde für Gruppen von kleinen Hehlern und Organisatoren von Verbrechen verwendet. Bald darauf wird er nur noch auf kriminelle Vereinigungen bezogen, die von einem Boss geleitet werden und über Klientel-Beziehungen ihre Umwelt beherrschen. Diese Mafiosi mit ihren Schlägertruppen hatten nie die Absicht, die Bauern und Kleingewerbler gegen Unterdrücker zu verteidigen, sondern sie wollten sie selbst ausbeuten. Das insulare Misstrauen gegen die italienische Staatsautorität hat allerdings zu einem gewissen Schutz mafioser Geschäfte durch manche Bevölkerungsgruppen geführt. Obwohl es einen capo di tutti capi gibt, um 1900 ist dies Don Vito Cascio Ferro, der bei Interessenkonflikten und Streitigkeiten oberste Autorität geniesst, bleiben die Mafiosi lokale Herrscher.

    Während es in Sizilien nie eine einheitliche Organisation mit Zentralleitung gibt, hat sich in Neapel ein uniformes, straff hierarchisches Stadt-Gangstertum entwickelt. Im Unterschied zur Mafia besetzen Camorra-Bosse keine hohen politischen Positionen und können jederzeit ausgewechselt werden. Bei der Mafia steht die Familie im Vordergrund; dagegen rekrutiert die 'ndrangheta in Kalabrien ihre Mitglieder aus den untersten Schichten, die gegenüber sozialrevolutionären Ideen viel aufgeschlossener sind. Ihre kriminellen Tätigkeiten liegen im Agrarsektor (Schutzgelderpressung für Plantagen, Beherrschung der grünen Märkte) und im politischen Bereich (Wahlstimmenbeschaffung und Einschüchterung von Gegnern) und haben durchaus auch gewerkschaftliche Aspekte. Der Widerstand des von Fremdherrschaft gezeichneten Südens gegen die Zentralregierung und die damit verbundene Schwäche der staatlichen Institutionen eröffnen jenes Machtvakuum, in dem das Briganten-Gangstertum und die organisierte Kriminalität entstehen können.

    Quellen: Raith: 48-82, Davis (1994): 20-22, Best: 2.

    http://www.us-politik.ch/quellen.htmhttp://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    1.5. April 1865: Die Ermordung von Abraham Lincoln und die Gründung des Secret Service

    Präsident Abraham Lincoln wird vom 21jährigen Schauspieler John Wilkes Booth, einem angeblich verrückten Rassisten, am 14.4.1865 ermordet. Gleichzeitig mit Lincoln werden zwei seiner Kabinettsmitglieder an verschiedenen Orten in Washington angegriffen. Die Motive des Täters und der Tathergang bleiben im Dunkeln, wichtige Beweismaterialien verschwinden, und Booth wird später im Gefängnis umgebracht. Offiziell wollen Booth und seine Komplizen die Abschaffung der Sklaverei verhindern. Vor dem Bürgerkrieg gab es in den USA als letztem modernen Staat der Welt 4 Mio. Sklaven, deren Arbeit die Grundlage des Reichtums und der Macht der USA und der Handelsmächte bildet. Etwa eine halbe Million Afrikaner wurden im 17. und 18. Jahrhundert nach Nordamerika verschleppt. 1808 verboten die USA die Einfuhr von Sklaven, doch insgeheim wurde sie fortgesetzt. 1861 waren von den etwa 9,5 Mio. Einwohnern der abtrünnigen Südstaaten 3,5 Mio. Sklaven. Bei seinem Amtsantritt am 4.3.61 verspricht Lincoln, sich nicht in die Sklavenfrage der Südstaaten einzumischen. Diese nehmen am 12.4.61 das Fort Sumter in South Carolina unter Beschluss, das die Dominanz des Nordens symbolisiert. Die Union erlebt in der ersten Phase des Bürgerkriegs überwiegend Niederlagen, weshalb Lincoln der Union mit dem Emanzipationsedikt eine moralische Überlegenheit verschafft. Indem er die Abschaffung der Sklaverei zum Kriegsziel erklärt, lenkt er vom Machterhalt des industrialisierten Nordostens ab. Die britische Oberschicht und die Textilindustrie können sich nun nicht mehr auf die Seite der Südstaaten schlagen, weil sie sonst als Verteidiger der Sklaverei gelten würden. Zudem flüchten in der Folge Hunderttausende Sklaven zu den Unionstruppen, was die Wirtschaft des Südens empfindlich schädigt, denn in den Armeen der Union kämpfen 200'000 bewaffnete Afroamerikaner in gesonderten Regimentern, und weitere 250'000 sind als Hilfskräfte in den rückwärtigen Diensten tätig. "Wenn ich die Union retten könnte, ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, würde ich es tun", schreibt Lincoln 1862. Die befreiten Sklaven möchte er jedoch "im Ausland" ansiedeln. Erst kurz vor dem Ende des Kriegs, den der Norden aufgrund der technischen Überlegenheit gewinnt, will er den "sehr intelligenten Negern" das Wahlrecht zugestehen. 620'000 Soldaten und 50'000 Zivilisten kommen im sinnlosen Bürgerkrieg ums Leben.

    Nach der Niederlage des Südens sind die Sklaven zwar frei, doch zu der von ihnen erhofften Bodenreform und Aufteilung der grossen Plantagen kommt es nicht. Die meisten Südstaaten verabschieden sofort Gesetze, die die Unterdrückung der ehemaligen Sklaven erlauben. Zudem werden sie durch Pogrome des Ku-Klux-Klan eingeschüchtert. Die Terrororganisation wird 1869 verboten, besteht aber aber im Untergrund weiter. 1877 zieht der Norden seine Truppen aus den Südstaaten zurück, worauf ein System der Rassentrennung installiert wird, das bis in die 1960er Jahre existiert.

    Booth ist Mitglied der katholischen Knights of the Golden Circle. Dieser katholische Laienorden ist "committed to the preservation of slavery in the lands bordering the Caribbean Sea--the so-called 'Golden Circle'." Im März 1865 wird Booth, der sich in Washington öfters mit Jesuiten trifft, vom Erzbischof Spaulding von Baltimore zum römisch-katholischen Christen geweiht. Der Südstaatenführer Jefferson Davis wurde vom Papst Pius IX als neuer Präsident anerkannt, was erst den Bürgerkrieg möglich machte. Aufgrund ihrer aggressiven politischen Interventionen werden die Jesuiten in vielen Ländern verboten: 1757 und 1834 in Portugal, 1747 in Österreich, 1786 in Russland, 1820, 1835 und 1868 in Spanien, 1848 in der Schweiz, 1872 in Deutschland und Guatamala, 1873 in Mexico, 1874 in Brazil, 1875 in Equador und Kolumbien, 1880 und 1901 in Frankreich und 1884 in Costa Rica. Die Päpste Clemens XIII und Clemens XIV, die versuchten, den Jesuitenorden aufzulösen, wurden 1769 bzw. 1774 ermordet. Aufgrund der Kontakte Booths mit katholischen Priestern wird vermutet, dass die Jesuiten unter Kardinal Giacomo Antonelli hinter dem Attentat stecken. Weitere

    http://www.truthontheweb.org/abe.htm

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    Argumente: Lincoln soll die Einführung einer massiven Alkoholsteuer zur Kriegsfinanzierung geplant haben. 25% des Alkohols wird von den katholischen Klöstern hergestellt. Zudem sollen die Rothschilds involviert sein, weil Lincoln ihre hochzinsigen Kreditangebote zur Kriegsfinanzierung ausgeschlagen hat und stattdessen 1862 den Greenback einführte und eine protektionistische Politik verfolgt.

    Booth rekrutiert Samuel Arnold, George Atzerodt, David Herold, Michael O'Laughlen, Lewis Powell und John Surratt für die Durchführung des Attentats. Der Polizist John Frederick Parker, der den Präsidenten bewachen soll, befindet sich während der Aufführung des Theaterstücks im Wirtshaus. Während Booth den Präsidenten im Theater erschiesst, kann Powell den Aussenminister William H. Seward nur verwunden. Atzerodt, der den Vizepräsidenten Andrew Johnson ermorden soll, bekommt Angst und flieht. Michael O'Laughlin kann General Grant ebenfalls nicht ermorden, weil dieser seine Pläne geändert hat. Lincolns Ermordung wird oft als Vorlage für das Kennedy-Attentat verstanden. Trotz grosser Differenzen werden viele fragwürdige Parallelen zwischen den beiden Attentaten gezogen.

    Im gleichen Jahr wird der Secret Service zur Verfolgung von Falschgeldherstellern gegründet, weshalb er dem Finanzministerium untersteht. Obwohl schon am 10.1.1835 ein bewaffneter Angriff auf Präsident Andrew Jackson missglückte, wird erst 1881, nach dem Anschlag auf Präsident James A. Garfield, eine Polizeibewachung des Weissen Hauses organisiert. Secret Service-Agenten übernehmen Begleitschutzaufgaben, als Präsident Grover Cleveland 1884 Morddrohungen erhält. Und erst nach der Ermordung von Präsident William McKinley am 6.9.1901 verfügt der Kongress einen Vollzeitschutz durch den Secret Service. Nach einem Mordversuch an Harry S. Truman 1951 wird der Begleitschutz auch auf Familienangehörige und den Vizepräsidenten ausgedehnt.

    Quellen: Scott (1993): 295, Marrs: 240f

    1.6. Immigration in die USA

    Während dem 19. und 20. Jahrhundert emigrieren über eine Million Sizilianer in die USA. Die italienischen und sizilianischen Einwanderer haben das organisierte Verbrechen nicht als erste in die USA gebracht. Es gibt bereits irische und jüdische Gangster, die sich organisieren. Die Iren haben kein Sprachproblem und alliieren sich mit den Politikern, für die sie Wähler einschüchtern oder gegnerische Wahlveranstaltungen stören.

    Die Sizilianer spezialisieren sich zuerst auf die Erpressung ihrer Landsleute und auf Falschgeldherstellung. In Louisiana formieren sich 1869 vier von der italienischen Polizei aus Palermo ausgewiesene Banditen zu einem Bund, den sie "Stoppagherra Society" nennen und der eine Art Kolonie der sizilianischen Mafia darstellt. Kurz nach dem Bürgerkrieg organisiert der Sohn eines sizilianischen Einwanderers, Joseph Macheca, die erste Familie in New Orleans, die mehrheitlich im Hafen aktiv ist. Der sizilianische Mafioso Giuseppe Esposito flüchtet nach der Ermordung seines Bosses De Leoni nach New Orleans und versucht als "Radzo" den Lokalboss Tony Labruzzo zu entmachten. Dieser schaltet die Polizisten Mike und David Hennessy ein, worauf Esposito verhaftet und nach Italien abgeschoben wird. Labruzzo wird daraufhin von Giuliano Ardotta umgebracht, und auch Mike Hennessy wird erschossen. Ende der 80er Jahre entwickelt sich die Organisation zur ersten voll organisierten Verbrecherfamilie in den USA. An ihrer Spitze stehen als Nachfolger Machecas die Brüder Charles und Tony Matranza, die mit etwa 300 Mitgliedern den French Market für die Standard Fruit Company kontrollieren und die Werften und Kais der gegnerischen Provenzanos ebenfalls unterjochen wollen. David Hennessy, alliiert mit den neapolitanischen Provenzanos, schaltet sich in den entstehenden Krieg ein und wird am 15.10.1890 umgebracht. 19 Mitglieder der Matranza-Bande

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    werden angeklagt, aber dank Todesdrohungen und Bestechungen freigesprochen. Die erzürnte Bevölkerung stürmt unter der Führung von William S. Parkinson das Gefängnis und lyncht 11 der Mobster. Nachfolger der Matranzas wird Sam "Silver Dollar" Carolla, der die Kontrolle der Territorien der Provenzanos sichert.

    Zwischen 1890 und 1920 kommen insgesamt mehr als 18 Millionen neue Bürger in die Vereinigten Staaten, darunter sehr viele Kinder, die durch öffentliche Bildung integriert werden müssen. Als das Stück des jüdischen Autors Israel Zangwill 'The Melting Pot' 1908 in Washington Premiere hat, befinden sich die Vereinigten Staaten mitten in der grössten Einwanderungswelle, die das Land je erlebt hat. Die Metapher des "Schmelztiegels" verweist auf eine Ideologie, weil die Schranken zwischen den verschiedenen Ethnien trotz den Anstrengungen des Schulwesens bestehen bleiben. Alle Einwanderergruppen bringen kriminelle Organisationen hervor. Beispielsweise sind die Banden von Jesse Woodson James in den Südstaaten Anglo-Saxen.

    In Pennsylvania formen Stefano LaTorre und Santo Volpe "The Men of Montedoro", da um die hundert Familien aus diesem sizilianischen Ort stammen. Ihr Einfluss auf die Kohleminenarbeiter führt zur ersten Kontrolle einer Gewerkschaft, der United Mine Workers.

    In Chicago werden nach sozialistischen Agitationen auf dem Haymarket und einer Verschwörung des Managements vier Gewerkschaftsführer zum Tod verurteilt und am 1.5.86 gehängt. Dieser Tag wird seither jedes Jahr als Gewerkschaftstag begangen. Ende des Jahrhunderts entstehen die irische Organisation unter Charles Dion O'Bannion und sizilianische und italienische Gangs wie die "Camoras", die "Secret Hands" oder die "Mysterious Hands", die ihre Landsleute terrorisieren und erpressen. Die bekannteste Gang wird die sizilianische "Black Hands". Deren Chef ist ab 1905 Diamond Joe Esposito, der dank seiner Korruptionstaktik und seinen Beziehungen zur Politik zum Boss aufsteigt. Der zweite wichtige Mann ist Big Jim Colosimo, der seine Karriere bei einer Puffmutter begann und nun die Prostitution kontrolliert. Die zunehmende Konkurrenz der Gangs führt zu Kämpfen und erfordert immer wieder Verstärkung: Esposito lässt die Genna-Brüder aus Sizilien kommen, Colosimo wird Johnny Torrio aus New York holen, und die lokalen Gangs von jungen Kriminellen werden rekrutiert.

    Die sizilianischen Immigranten in New York lassen sich mehrheitlich in Harlem, die neapolitanischen vor allem auf der Lower East Side nieder. Die Sizilianer Ignazio Lupo Saietta und Giuseppe Morello rekrutieren aus diesen Quartieren die Mitglieder ihrer Gang, die um die Jahrhundertwende die grösste der Stadt sein wird. Der einfingrige Morello aus Corleone kämpft sich zum ersten grossen Boss in der neuen Welt durch. Auch in New York gibt es eine "Black Hand", in die sich der Polizeileutnant Joseph Petrosino infiltrieren kann. Als er die Polizeiarbeit gegen die Mafia mit italienischen Fahndern koordinieren will, wird er in Sizilien angeblich von Don Vito Cascio Ferro persönlich ermordet. Bekannt sind auch die "Five Points" und die "James Street Gang" von Johnny Torrio, dem Neffen von Colosimo. Die Politik von New York City wird durch die Tammany Hall, ein ämterverteilender Wahlapparat der Demokratischen Partei, beherrscht. Irische und dann auch jüdische Gangster schmieren die Politiker der Tammany Hall, stellen ihnen die Wahlhelfer und Schläger zur Verfügung, damit sie von Polizei und Justiz in Ruhe gelassen werden. Nach bewaffneten Strassenschlachten im August 1903 zwischen der 1200 Mann starken jüdischen Gang von Monk Eastman mit rivalisierenden Gangs greifen die Behörden ein, allerdings nicht, um die Gangs zu eliminieren, sondern nur, um einen Waffenstillstand zu vermitteln.

    Quellen: Davis (1988): 20-28, Delorme: 17-33, Giancana: 28ff, Marrs: 157, Best, Dash.

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    1.7. Hegemonialpolitik der USA

    Ab Ende der 1880er Jahre bauen die USA die Marine massiv und kontinuierlich aus und legen Stützpunkte in Hawai, Samoa, auf den Philippinen und in der Karibik an. Die Ausgaben für die Schlachtflotte steigen von 6.9% des Staatshaushalts 1890 ($22Mio.) auf 19% 1914 ($139 Mio.), womit sie bereits die drittgrösste der Welt ist. Um 1890 steigen die USA zur weltweit stärksten Nation auf. Der einzige Konkurrent der aufstrebenden USA auf dem amerikanischen Kontinent ist die Kolonialmacht Spanien, das seit dem 16. Jahrhundert Zentral- und Südamerika und die Philippinen beherrschte. Allerdings sind schon viele der Kolonien wie Venezuela, Mexiko und Argentinien unabhängig geworden, und nur Puerto Rico, Kuba, Guam und die Philippinen sind noch in spanischem Besitz. Die Interventionisten setzen sich gegen die Isolationisten durch und planen, die Karibik und den Pazifik dem amerikanischen Imperium einzuverleiben.

    1893 beschliesst die Königin von Hawaii, den Einfluss der aus den USA seit 1820 eingewanderten Pflanzer und Missionare einzuschränken. Mit 250 Marinesoldaten organisieren die USA daraufhin einen Putsch, der die Monarchie abschafft und unter dem Deckmantel einer Republik eine amerikafreundliche Regierung einsetzt. Unter US-Präsident Ulysses S. Grant war 1875 bereits mit dem König von Hawaii ein "Vertrag auf Gegenseitigkeit" unterzeichnet worden, der das Königreich faktisch zu einem Protektorat der USA machte. Am 7.7.1898 beschliesst der USA-Kongress die Annexion des Inselstaats, den sie 1842 noch als unabhängigen Staat anerkannt hatten. Seit 1959 ist Hawaii offiziell der 50. US-Bundesstaat.

    Die Depression im Winter 1893/94 brachte grosse Arbeitslosigkeit, gewalttätige Streiks in den Stahlwerken von Pennsylvania und den Kohlebergwerken von West Virginia. Der Aufruhr zwang die Oligarchen an der Ostküste, etwas zu finden, um den "Eiter aus dem anarchistischen, sozialistischen und populistischen Furunkel zu ziehen", wie ein Banker aus Philadelphia sich ausdrückt. Eine dritte Partei, die People's Party, hat sich im Mittelwesten gebildet und könnte die nächsten Wahlen gewinnen. Das Volk muss abgelenkt werden von der riesigen Kluft der angehäuften Vermögen der Eliten und der Verelendung der Bauern und des Mittelstandes.

    Präsident William McKinley setzt auf einen aggressiven Patriotismus und die Idee eines amerikanischen Empire. Um einen Kriegsgrund zu haben, sprengen die USA am 15.2.98 ihren eigenen Panzerkreuzer USS Maine im Hafen von Havanna in die Luft, wobei 274 Menschen umkommen. Die Pressezaren Joseph Pulitzer von World und William Randolph Hearst vom New York Journal behaupten mehrere Wochen lang, die Spanier hätten eine Mine gelegt. McKinley untergräbt alle Versuche der Spanier zu verhandeln, sondern schickt die Marine. Innerhalb weniger Wochen kontrollieren die USA Kuba und Puerto Rico, das bis zur formalen Annexion von 1952 einem US-Gouverneur unterstellt wird. Am 1.5.1898 zerstört das US-Pazifikgeschwader unter dem Befehl von Kommandant George Dewey die spanische Flotte in der Bucht von Manila innerhalb von wenigen Stunden. Und am 21.6.1898 besetzen US-Truppen Guam, das bis heute zum ‚nichtinkorporierten Territorium' der USA gehört, wo die Andersen Air Force Base und der Marinestützpunkt für Atom-U-Boote im Hafen Apra ein Drittel der Fläche einnehmen.

    Am 10.12.1898 muss Spanien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen den USA abtreten, und die Identität der Amerikaner wird neu definiert. Der Journalist Marse Henry Waterson schreibt daraufhin: "Wir sind eine grosse, imperiale Republik, dazu bestimmt, einen kontrollierenden Einfluss auf die Handlungen der Menschheit auszuüben und die Zukunft der Welt zu formen, wie die Welt niemals geformt ward, nicht einmal durch das Römische Reich." Albert Beveridge, republikanischer Senator aus Indiana, rechtfertigt den US-Imperialismus in Asien in seiner Kongressrede 1900: "Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren

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    Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten." Und 1901: "Wir werden nicht klein beigeben im Auftrag, unserer Rasse, unter Gottes Wille weltweit als Treuhänderin der Zivilisation zu wirken, und wir werden mit unserem Werk weitermachen, ohne wie Sklaven, die zu ihrer Arbeit gepeitscht werden, unseren Schmerz herauszuschreien, sondern mit Dankbarkeit für ein Unternehmen, das unserer Kraft würdig ist, mit Dankbarkeit gegenüber dem allmächtigen Gott, dass er uns als sein auserwähltes Volk bezeichnet hat, das fortan seine Heilung der Welt anführen darf."

    Die Unabhängigkeitsbewegungen unter José Marti auf Kuba und Emilio Aguinaldo auf den Philippinen, die gehofft hatten, dass die mächtigen USA sie in ihrem Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit unterstützen, sind bald enttäuscht. Kuba muss 1901 eine Verfassung übernehmen, die den USA das Recht auf Intervention und Landpacht für ökonomische und militärische Zwecke wie den Stützpunkt Guantanamo gestattet. Die USA dirigieren die Innenpolitik und intervenieren bei Widerstand militärisch: 1906, 1912 und 1917, wonach bis 1934 eine US-Militärverwaltung besteht.

    Im dreijährigen Krieg gegen die philippinischen Rebellen sterben 4324 amerikanische Soldaten und etwa 20'000 philippinische Aufständische. Da 26 der 30 amerikanischen Generäle Veteranen der Indianerkriege sind, gibt es zahlreiche Massaker gegenüber Zivilisten, von den zwischen 250'000 und 1.Mio. umkommen (bei einer Bevölkerung von gut 6 Mio.). Die neue Kolonialmacht erprobt eine Reihe von Methoden der ‚Aufstandsbekämpfung', die später in Korea und Vietnam ausgebaut werden: von Nahrungsmittelblockaden bis hin zur Errichtung ‚strategischer Weiler'. Aufgrund dieser Kriegsführung bildet sich in den USA die Antiimperialistische Liga, deren Vizepräsident von 1901 bis zu seinem Tode 1910 der Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain ist. 1902 werden die Philippinen eine von einem Generalgouverneur verwaltete US-Kolonie mit Englisch als Amtssprache, weshalb viele Englischlehrer ins Land gebracht werden. Allerdings dauert der Krieg im vorwiegend muslimisch geprägten und von ‚Moros' besiedelten Süden bis 1916 an, unter dem Kommando des als ‚Schlächter der Moros' bekannt gewordenen US-General John J. Pershing.

    Auf Hawaii wird mit Pearl Harbor einer der grössten Stützpunkte eingerichtet, und auf einer der schönsten Inseln der Karibik, Vieques, testet das US-Militär an 200 Tagen im Jahr scharfe Bomben.

    Das Muster für die Interventionen ist immer dasselbe. Die USA provozieren oder organisieren einen Überraschungsangriff, worauf eine inszenierte Empörung in der Presse folgt, bei der einzelne Figuren barbarische Züge bekommen, was dann zur Legitimation dient, die lang zuvor ausgearbeitete Angriffspläne umzusetzen. So läuft es beispielsweise bei der Belagerung der US-Gesandtschaft in Peking (1899) oder beim angeblichen Verrat von Emilio Aguinaldo in Manila 1899. Beim Feldzug auf den Philippinen massakrieren die Marines 200'000 Einwohner. Ähnlich auch der Überfall von Pancho Villa in New Mexiko 1916 (18 Tote), die japanischen Bomben auf das US-Kriegsschiff Panay 1938, der Einmarsch der chinesischen Armee in Nordkorea 1950, der Zwischenfall im Golf von Tonkin 1964, der Angriff der Kambodschaner auf die Mayaguez 1975, die Geiselnahme in Teheran 1979, die gefährdeten amerikanischen US-Soldaten auf Grenada oder bedrängten US-Soldaten in Panama 1989.

    Wegen der Kontrolle der Häfen und der Hafengewerkschaften arbeiten die Import- und Exportfirmen, vor allem wenn sie mit schnellverderblichen Gütern handeln, mit der Mafia zusammen. In der Revolution von 1911 in Honduras spielt die Mafia von New Orleans eine führende Rolle. Dabei werden die europäischen Banken und Investoren zurückgedrängt und die US-Bananenfirmen bekommen freie Hand. Samuel Zemurray von der Cuyamel Banana Company, die

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    später zur United Fruit gehört, finanziert den in einem Bordell von New Orleans geplanten Coup. Bereits 1903 und 1905 haben die USA die "Ordnung wiederhergestellt" und 1919 und 1924 erfolgen erneute militärische Interventionen.

    Die Kooperation von US-Firmen, dem Militär, der Mafia und lokalen Herrschern bewährt sich in ganz Lateinamerika: Nach einer ersten Intervention 1853 machte sich der Amerikaner William Walker 1855 dank seiner Söldnerarmee zum Präsidenten von Nicaragua. 1857 und 1860 intervenieren die US-Marines erneut in Nicaragua. 1909 stürzten die Marines Präsident Zelaya und die USA besetzten das Land, wobei die Mafia ihre Zusammenarbeit mit den US-Firmen institutionalisiert. Nach der Intervention von 1912 wurde Adolfo Diaz an die Macht gesetzt, der den Amerikanern die Kontrolle des Finanzsystems Nicaraguas und den Bau einer Militärgarnison bei Managua erlaubte, wo die Marines bis 1925 blieben. 1914 erfolgte der Bryan-Chamorro-Vertrag, der den USA das exklusive Recht auf den Bau eines geplanten Kanals sicherte. Nachdem der US-Schützling Emiliano Chamorro sich an die Macht geputscht hat, greifen die Marines gegen die Unabhängigkeitsarmee von Augusto Cesar Sandino 1927 erneut ein und bauen die berüchtigte Nationalgarde auf, an deren Spitze Anastasia Somozo 1932 die Macht übernimmt.

    1903 erweiterte Theodore Roosevelt die Monroe-Doktrin, indem die USA die Funktion der "Weltpolizei" übernehmen müsse bei einem "Fehlverhalten" eines Staates: "Ständiges Fehlverhalten oder die Unfähigkeit, die auf eine allgemeine Lockerung der Bande der zivilisierten Gesellschaft hinausläuft, können in Amerika, wie auch anderswo, am Ende das Eingreifen irgendeiner zivilisierten Nation erforderlich werden lassen." Da der kolumbianische Senat sich weigerte, die Nutzungsrechte des geplanten Kanals in der Provinz Panama den Amerikanern für hundert Jahre zu überlassen, organisierte Roosevelt die Revolution vom 3.11.1903 in der Provinz Panama: er schickte das Kriegsschiff Nashville mit Soldaten, die die Gebietsabtrennung erzwangen und eine Marionettenregierung einsetzen. Eine Invasion in der kolumbianischen Provinz war bereits 1860 erfolgt. Aufgrund der offensichtlichen Manipulation zahlt der US-Kongress 1921 den Kolumbianern eine Entschädigung von $25 Mio. Trotzdem erhält Panama 1926 faktisch den Status eines der von oligarchischen Diktatoren regiert und US-Firmen wie Standard Oil und United Fruit ausgebeutet wird. Präsident William Taft prophezeit 1912: "Die gesamte Hemisphäre wird uns gehören, da sie uns kraft der Überlegenheit unserer Rasse moralisch eigentlich schon jetzt gehört". In den nächsten 25 Jahren folgen 12 weitere Interventionen und 8 Invasionen. 1915 wird die Republik Haiti erstickt: Unter William B. Caperton landet ein Korps in Port-au-Prince und zwingt das Land, wie schon im Falle der Dominikanischen Republik 1907, die Militär-, Zivil- und Finanzverwaltung sowie das Zoll- und Steuersystem in die Hände der Amerikaner zu übergeben. Die Amerikaner befürchteten, das hoch verschuldete Land könnte seine Schuldenzahlungen einstellen. Bis 1934 halten die USA das Militärprotektorat aufrecht.

    1921 wird mit einer US-Intervention Präsident Herrera in Guatemala gestürzt, der sich gegen die Expansionspläne der United Fruit stellt. 1923 werden Pläne für eine Föderalistische Republik von Guatemala, Honduras und El Salvador vereitelt. General Smedley D. Butler schreibt am 21.8.31 in der New York Times: "Ich half 1903, Honduras für die amerikanischen Fruchtfirmen zu öffnen. Ich half 1914 Mexico, und speziell Tampico, die Ölinteressen zu sichern. Ich half, aus Haiti und Kuba einen netten Platz zu machen, wo die Jungs von der National City Bank Geld verdienen können. Ich half ein halbes Dutzend zentralamerikanischen Republiken für die Wall Street weichzuklopfen. Ich half 1909-1912, Nicaragua für die internationale Bank Brown Brothers zu säubern. Ich öffnete die Dominikanische Republik 1916 für die amerikanischen Zuckerfirmen. In China beschützte ich Standard Oil. Rückblickend denke ich, dass ich Al Capone einige Tipps hätte geben können. Er betrieb seine Erpressungsgeschäfte in 3 Distrikten, ich arbeitete in drei Kontinenten." 1927 behauptet der

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    amerikanische Botschafter in Paris, Myron Herrick: "Die Vereinigten Staaten gieren nicht nach Land. [...] Wer uns imperialistische Absichten unterstellt, kennt die Fakten nicht oder ist unaufrichtig." Nachdem die USA in ganz Lateinamerika totalitäre Militärregimes installiert haben, verkündet Präsident Franklin Roosevelt 1934 die "Politik der gutnachbarschaftlichen Beziehungen".

    Quellen: Delorme: 17-33, CIA-Info: 15f, Davis (1988): 20-28, Best, Lemoine (2003), Ramonet (2003b), Lapham, Kinzer.

    1.8. 1913 Gründung des Federal Reserve Systems

    1790, 1816 und 1863 werden Nationalbanken in den USA begründet, die jedoch entweder von den Rupublikanern bekämpft werden oder Finanz- und Bankkrisen nicht verhindern können. 1907 legt der Kongress die Rahmenbedingungen für ein neues Notenbanksystem auf privater Grundlage. 1910 treffen sich die Chefs der grössten Banken auf der Jekyll Island auf dem Gut von J.P. Morgan und schreiben den Gesetzesentwurf, für den Nelson Aldrich im Kongress lobbyiert.

    Präsidentschaftskandidat Woodrow Wilson unterschreibt das Gesetz bereits vor seiner Wahl, für die er dann von den Grossbanken unterstützt wird. Zwei Tage vor Weihnachten 1913, als die meisten Abgeordneten bereits nach Hause gefahren sind, wird das Gesetz durchgedrückt. Im Federal Reserve Board, in dem der Staat keine Aktien halten darf, sitzen die Bosse von Rockefeller und Rothschild, J.P. Morgan, Lazard Freres, Schoellkopf, Kuhn-Loeb, die Warburgs, Lehman Brothers und Goldman Sachs. Kein Senator oder Abgeordneter darf Mitglied des Federal Reserve-Gremiums oder ein Offizier oder Direktor der Federal Reserve Bank sein. Die Banker schlagen jeweils eine Liste von Kandidaten für das Direktorium vor, aus denen der Präsident auswählen darf. Da das Federal Reserve Board den amerikanischen Grossbanken gehört, können diese sich über ihre eigene ‚Bank' nicht nur neues Geld zuschreiben lassen, sondern die USA müssen für die Verwendung des Geldes sogar Zinsen bezahlen. Zudem bekommen die Federal Reserve Banken für ihre Beteiligung eine fixe Dividende von 6%. Im Übrigen hat der Kongress keine Kontrolle über die Goldbestände, mit denen das Fed die Währung absichert.

    Wilson schreibt später voller Bedauern: ""[Unsere] grossartige Industrienation wird jetzt von ihrem Kreditsystem kontrolliert. Unser Kreditsystem ist privat konzentriert. Deshalb liegen das Wachstum der Nation und all unsere Aktivitäten in den Händen weniger Männer […], die zwangsläufig durch ihre eigenen Beschränkungen wahre ökonomische Freiheit einschränken, kontrollieren und zerstören. Wir wurden so eines der am schlechtesten regierten, meist kontrollierten und beherrschten Länder der zivilisierten Welt - wir haben keine Regierung der freien Meinung mehr, keine Regierung der Überzeugungen und der mehrheitsentscheide mehr, sondern vielmehr eine Regierung der Ansichten und Nötigungen einer kleinen Gruppe dominanter Männer." Der Abgeordnete Louis McFadden analysiert: "Hier wurde ein Weltbankensystem erschaffen, ein durch internationale Bankiers kontrollierter Superstaat. Sie arbeiten zusammen, um die Welt nach ihrem Belieben zu versklaven, die FED hat sich widerrechtlich der Regierung bemächtigt."

    Im Juni 1963 versucht Kennedy, die Macht des Federal Reserve Boards zu brechen, indem er eigene US States-Banknoten drucken lässt. Nach seiner Ermordung wird dieses Geld jedoch sofort wieder aus dem Verkehr gezogen.

    1.9. 1917: Erster Weltkrieg: Bush, Harriman und Walker

    Der Untergang des britischen Ozeanriesen Lusitania vor der Südküste Englands im Mai 1915 liefert Woodrow Wilson den Vorwand, Frankreich und England gegen Deutschland zu unterstützen. Torpedos eines deutschen U-Bootes versenkten das Schiff, wobei 1198 Menschen umkamen (davon

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    128 Amerikaner). Deutschland behauptet, die Lusitania sei kein ziviles Handelsschiff, sondern ein Kriegsschiff gewesen und habe Geschütze und Munition aus den USA nach England transportiert. Ein Geheimpapier belegt, dass 1248 Kästen mit 7,5-Zentimeter-Granaten, 4927 Kisten mit Gewehrpatronen und 2000 Kisten mit weiterer Munition für Handfeuerwaffen an Bord waren. Die amerikanische Presse heizt die Stimmung an, indem behauptet wird, belgische Nonnen würden von den Deutschen über glühenden Kohlen geröstet. Frankreich kann den Krieg gegen Deutschland nur führen, weil Grossbritannien und die USA permanent Kohle, Eisen, Stahl, Werkzeumaschinen, Waffen, Munition und Lebensmittel liefern. Nicht nur Frankreich, sondern auch Grossbritannien wird zunehmend von den Lieferungen und vor allem auch den Krediten der USA abhängig.

    Die Enthüllung des geheimen deutschen Allianzangebots an Mexico (Zimmermann-Depesche) erlaubt Wilson, im April 1917 die Kriegserklärung im Kongress durchzubringen. Allerdings bleibt die Kriegserklärung für ein Jahr, während dess aufgerüstet wird, militärisch praktisch folgenlos. Erst als die europäischen Staaten ausgeblutet sind, intervenieren die USA.

    Der Krieg erlaubt den USA, die Weltmachtstellung der Engländer zu übernehmen, was Wilson etwas anders begründet: "Amerika hat das unendliche Privileg, seine Bestimmung zu erfüllen und die Welt zu retten."

    Der erste Weltkrieg eröffnet ungeahnte Verdienstmöglichkeiten für Börsenspekulanten wie J. P. Morgan oder Edward H. Harriman, der 1898 mit Krediten von William Rockefeller, Otto Kahn, Jacob Schiff und Felix Warburg die Kontrolle der Union Pacific Railroad übernommen hatte. Der Bruder von John D. Rockefeller besitzt die National City Bank (später City Bank), die die Waffenindustrie für den Krieg reorganisierte. Percy A. Rockefeller übernahm die Kontrolle der Remington Arms Company, die die USA, England und Russland mit Maschinengewehren, automatischen Pistolen und Munition beliefert. Die Gesamtkosten des Weltkriegs belaufen sich auf $260 Mia. und fordern (inklusive der Spanischen Grippe) etwa 60 Mio. Menschenleben. 1918 sind die Vereinigten Staaten die stärkste Macht der Welt), während das Wachstum der europäischen Wirtschaften um etwa acht Jahre zurückgeworfen wurde. Aufgrund der massiven Verschuldung gegenüber den USA gelingt es den Briten nicht, London als Handels- und Finanzzentrum zu erhalten, und Wallstreet übernimmt die Führungsrolle. Einer der 14 Punkte Wilsons sieht sieht die Schaffung des Völkerbundes vor, dessen Satzung am 28.4.19 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles (inklusive der Monroe-Doktrin) angenommen wird. Der US-Senat will sich allerdings nicht durch eine übergeordnete Instanz einschränken lassen und ratifiziert den Vertrag nie, und die Sowjetunion wird draussen gehalten.

    Prescotts Vater Samuel P. Bush, Präsident der Buckeye Steel Castings, wird 1918 dank Harriman direkt dem Direktor der staatlichen Waffenbeschaffung unterstellt und nützt diese Position für die Rüstungsfirma Remington. 1934 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Senats mit den Machenschaften des als ‚Merchant of Death' bezeichneten Waffendealers im 1. Weltkrieg. Zudem ist Samuel Bush Präsident der Federal Reserve Bank von Cleveland und Berater des Präsidenten Herbert Hoover.

    Zusammen mit seinem Freund E. Roland Harriman wurde Prescott Bush 1916 in die rassistische Yale-Geheimgesellschaft Skull & Bones aufgenommen. Der exklusivste von rund einem Dutzend Geheimbünden der Ivy-League nimmt jedes Jahr nur 15 Mitglieder auf. Zur Ivy-League gehören acht Eliteuniversitäten im Nordosten der USA: Brown University, Columbia University, Cornell University, Darmouth College, Harvard, Princeton, University of Pennsylvania und Yale (Ivy Plus unfasst noch das Massachusetts Institut of Technology und die Stanford University). Der Zugang zu diesen

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42787456.html

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    Universitäten gelingt fast nur nach dem Besuch teurer Privatschulen wie der Phillips Academy (die die Bushs besuchten), der ‚legacy' (der Vater und der Grossvater haben bereits an dieser Uni studiert) und der Spendenzahlung. Harvard ist mit einem Fond von $22 Mia. die reichste Universität, gefolgt von Princeton und Yale mit je etwa der Hälfte. Die S&B wurde 1832 gegründet und umfasst heute 800 Mitglieder. In Harvard ist es der Porcellian Club und in Princeton der Ivy-Club, die das Old-Boy-Network und damit das rigide Klassensystem der USA reproduzieren. Die Mitglieder dieser Aristokratie schanzen sich die obersten Stellen im Staat (in den Gerichten, im Kongress, der CIA und der Regierung) und in der Wirtschaft (in den Anwaltskanzleien und den Konzernen) zu.

    George Herbert Walker baut 1919 die Privatbank W.A. Harriman & Co mit auf, an der unter anderem Percy Rockefeller als Direktor mitbeteiligt ist. Averell Harriman bekommt nach monatelangem Taktieren unter nie veröffentlichten Konditionen die von den USA am Ende des ersten Weltkriegs konfiszierten Dampfschiffe der Hamburg-Amerika-Linie, was ihm das Monopol für die nächsten 20 Jahre sichert. Die W.A. Harriman fusioniert mit der Privatbank Morton & Co. und verschafft sich 1922 über die Warburg-Bank den Zugang zur deutschen Schwerindustrie und zu russischen Ölkonzessionen. 1921 heiratet Prescott Bush Walkers Tochter Dorothy und wird 1926 Vizepräsident der W.A. Harriman Bank. Als Geschäftsführer der Union Banking Corp. und der Hamburg-Amerika-Linie wird Bonesman Bush einer der wichtigsten Unterstützer der Nazis.

    Nach der Fusion mit dem Bankhaus Brown Brothers 1931 wird die Brown Brothers Harriman zur grössten und politisch einflussreichsten Privatbank Amerikas, und Averell Harriman berät in Sachen Finanzen insgesamt 6 US-Präsidenten. Er finanziert als Partner von Prescott Bush über die Union Banking nicht nur die Nazis, sondern mit seiner Garanty Trust Company auch die Aufrüstung der Sowjetunion.

    Quellen: Tarpley/ Chaitkin: 13-20, Bröckers, Birnbaum, Lapham (2004), Fantasia (2004), Laurent: 18, Kennedy (1987).

    1.10. Die Prohibition und die Konsolidierung der Mafia

    Während der Prohibition (16.1.20-5.12.33) entwickeln sich die Gangs zu eigentlichen Industrieimperien-Besitzer. Bereits vor dem ersten Weltkrieg führten einige Staaten wie Kansas aufgrund religiöser und feministischer Lobbygruppen das Alkoholverbot ein. Der Krieg verstärkte den Alkoholismus, was die Einführung des nationalen Verbots von Herstellung, Vertrieb und Verkauf alkoholischer Getränke erleichterte. Die jüdischen Mobster (Dutch Schultz mit der Firma Seagrams und Jack "Legs" Diamond) sind die ersten im Alkoholschwarzbrennen und -schmuggeln. Jüdischen Ursprungs sind auch die Bronfman-Brothers in Kanada sowie Arnold Rothstein und Mannie Kessler in New York. Die Iren steigen ebenfalls von Anfang an ins Bootlegging ein: Big Bill Dwyer in New York, Steve Wallace, Dan Carroll und Joe Kennedy in Boston, Tommy McGinley in Cleveland, Tommy Banks in Minneapolis und Charles O'Bannion in Chicago.

    Nach den Juden und Iren entdecken die italienischen Gangs, die viel gewalttätiger sind und sich oft gegenseitig bekämpfen (z.B. Sizilianer gegen Neapolitaner), den Markt. Allerdings arbeiten Juden und Italiener auch manchmal zusammen. Die italienische Mafia, die bisher vor allem die Prostitution und die Geldspiele beherrschte, wird erst durch den Alkoholschmuggel eine bedeutende Macht.

    Um Diamond Joe Esposito nicht in die Quere zu kommen, bleibt Big Jim Colosimo in Chicago beim Prostitutionsgeschäft. Sein Neffe Johnny Torrio holt 1919 Al Capone aus New York, und sie versuchen zu zweit, Colosimo von den Vorteilen des Alkoholschmuggels zu überzeugen. Da er nicht einschwenkt, wird er am 11. Mai 1920 von Frankie Yale umgebracht. Danach baut John Torrio ein weiteres Alkoholkartell in Chicago auf. Während drei Jahren kann Torrio den Frieden

    http://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    aufrechterhalten, indem er die anderen Gangführer überzeugt, dass ohne Bandenkriege mehr Geld zu verdienen ist. 1923 wollen verschiedene Gangs ihre Territorien erweitern, und neue sizilianische Immigranten kommen in Chicago an, die die Unione Siciliana unterwandern, um am Alkoholgeschäft mitzuverdienen. In den 20er Jahren ereignen sich 500 Mafiamorde in Chicago, fast alle ohne eine Verurteilungen der Täter.

    Die Machtstellung von Diamond Joe Esposito ist gesichert, weil er den für die Alkoholproduktion notwendigen Zuckerimport kontrolliert, angeblich eine von Präsident John Calvin Coolidge persönlich ausgestellte Lizenz. Esposito erzählt von mehreren Treffen mit Coolidge, für den er im Gegenzug bei den Wahlen Stimmen organisiert. Der Boss demonstriert seine Macht, indem er von den Italienern verlangt, mit den hübschesten Bräuten vor der Hochzeitsnacht zu schlafen. Trotz dieser Entwürdigung wird ihm während den 20 Jahren seiner Herrschaft keine Jungfrau verweigert. Johnny Torrio, Al Capone, Jake Guzik, Paul Ricca, Murray Humphreys, Frank Nitti, Jack McGurn und Tony Accardo kamen alle aufgrund von Espositos politischen Beziehungen von New York nach Chicago und arbeiten für ihn. Die sechs Genna-Brüder leiten die illegalen Destillerien im Patch und schmieren über 400 Polizisten. Aufkommende Konkurrenten im Alkoholgeschäft werden mit Bomben bekämpft, wofür Gangs wie die "42" angestellt werden. Allein 1925 werden über 100 Bombenattentate verübt. Der wildeste der Aufsteiger ist Al Capone, der 1928 im Alter von 29 Jahren das höchste Privateinkommen in den USA erzielt: $105 Mio.

    In New York City wird die Korruption durch die Vormachtstellung der Tammany Hall besonders gefördert. Es gibt zwei dominierende kriminelle Organisation: Die jüdische um Arthur Rothstein mit Arnold "Dutch Schultz" Flegelheimer und James J. Hines. Und die italienische Organisation um Albert C. Marinelli mit Joe Masseria, der Mitte der 20er Jahre zum dominanten Alkoholdealer in New York aufsteigt und ein riesiges Vermögen anhäuft. Carlo Gambino, Joe Adonis und Albert Anastasia arbeiten für "the Chinese", wie der vulgäre Masseria wegen seinen dicken Backen und schmalen Augen von seinen Feinden genannt wird. Bereits ein Jahr nach Einführung des Alkoholverbots bestehen in New York 5000 Spekeasies, deren Zahl bis 1927 auf 40'000 ansteigt. Der 1920 zum Präsidenten gewählte Warren Harding, selbst ein Alkoholiker, wird wegen seiner sexuellen Beziehungen erpresst, die grossen Schmuggler zu schützen.

    Die unpopuläre Prohibition macht die Gangster zu Helden und salonfähigen Geschäftsherren und festigt die Beziehungen zwischen Gangstern mit der amerikanischen Politik, da Polizisten, Richter und Staatsbeamte durch die enormen Profite grosszügig bestochen werden können. Laut dem Chicagoer Polizeichef Charles Fitzmorris sind 60% der Polizisten im Alkoholgeschäft tätig. Von den jährlich bis zu 4000 wegen illegaler Glückspiele Angeklagten werden durchschnittlich lediglich 175 vor Gericht gestellt.

    Aufgrund der Bandenkriege und des wachsenden Drucks der Behörden verlegen die Gangs ihre Hauptsitze in die umliegenden Vororte. Eine Bewegung weg von den traditionellen Zentren zu besser kontrollierbaren Gemeinden entsteht. Aber die Gangster versuchen in allen Städten, die Ämterverteilung zu beeinflussen. Politiker, die oft nur mit entsprechenden Stimmenkäufen gewählt werden, bleiben anfällig für Skandale und lassen deshalb den Mobster den benötigten Freiraum. Journalisten, Richter, Justizbeamte, Polizisten und FBI-Beamte haben nichts zu fürchten, da sie in den Augen der Mafia nur ihren Job tun. Wenn sie sich schmieren lassen, wird allerdings Loyalität erwartet. Auch normale Bürger haben nichts zu befürchten, es sei denn, sie haben Spielkredite von Loan Sharks aufgenommen, die sie nicht zurückzahlen können. Gefährlich leben hingegen Informanten und Zeugen, die bei Prozessen aussagen.

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    Dutch Schultz baut sein Number Racket-Imperium auf und verdient vorwiegend an den armen Schwarzen. Das einfache Spiel besteht darin, dass der Spieler eine Zahl zwischen 0 und 999 wählt, bei der richtigen Zahl aber höchstens 600 Mal den Einsatz ausbezahlt bekommt. Da viele spielen, setzt Dutch Schultz $80'000 pro Tag um. Dazu kommen die Pferderennwetten, wofür Dutch Schultz das Mathematikgenie Otto Berman als Spielbankexperte anstellt. Mit der Zeit beginnt jedoch die italienische Mafia, Geldspiele und Wetten zu kontrollieren, wobei die Juden die "Banken" und "Buchhaltungen" weiter betreiben und die Runners meist Schwarze sind. Die Kontrolleure kassieren 35% der Einnahmen, wenn sie die Polizei schmieren, sonst 30% und die "Bank" übernimmt die Schmiergelder. Der Kontrolleur bezahlt seinerseits 20 bis 25% seiner Einnahmen an die Runners. Diese ziehen bei einem Gewinner aber auch einen Teil für sich ab. In New York werden die Profite aus dem illegalen Spielgeschäft auf $500 Mio. geschätzt. Die Mobster, die die Number-Rackets kontrollieren, sind zudem die grössten "Loan sharks": für 20% Zins pro Woche leihen sie denen Geld, die sonst keines mehr bekommen, und ihre Methoden der Wiedereintreibung sind effizient.

    Quellen: Giancana: 30ff, 178, Lacey: 59, Best: 9, Davis(1993): 30-36, Delorme: 39, 77-83, Geffen, Behr (2002).

    1.11. Joseph Kennedy und Frank Costello

    Joseph Patrick Kennedy steigt in den Alkoholschmuggel ein und verdient damit das Kapital, um an der Börse im grossen Massstab zu investieren. Sein Vater, Patrick Joseph Kennedy, der Sohn des 1848 aus Dunganastown in Irland eingewanderten Patrick Kennedy, wurde 1885 nur 27jährig Abgeordneter von East Boston im Repräsentantenhaus. Er begann seinen sozialen Aufstieg dank seinem blühenden Alkoholgeschäft. Da er im "Hinterhof von Boston" äusserst populär war, wurde er dreimal zum Senator gewählt, Mitglied des Zentralkomitees und später Vorsitzender des Strategieausschusses der Demokratischen Partei. Trotz dieses Aufstiegs blieb Patrick Joseph Kennedy letztlich nur ein Lokalpolitiker, weshalb er seinen 1888 geborenen Sohn Joseph Patrick an die aristokratische Harvard Universität schickte.

    Obwohl Joe ein Star im Baseball war, blieb er aufgrund seiner irisch-katholischen Herkunft von vielen Aktivitäten des Campus ausgeschlossen. Er setzte sich zum Ziel, mit 30 Millionär zu sein, damit er "auf diese protestantischen Bastarde pissen" könne. Nach dem Harvardabschluss bekam Joe Kennedy dank dem politischen Einfluss seines Vaters einen Posten als staatlicher Bankrevisor mit einem Jahresgehalt von $1500. Da es Joe gelang, die kleine Columbia Trust Company, an der sein Vater wesentlich mitbeteiligt war, vor einer Übernahme zu retten, wofür er sich mit $45'000 persönlich verschuldete, wurde er vom Aufsichtsrat mit nur 26 zum jüngsten Bankpräsidenten der USA befördert.

    1914 heiratete er Rose Fitzgerald, die Tochter des eben rausgeworfenen Bürgermeisters von Boston. Mit vielen gewagten Einsätzen in legalen und anderen Geschäften entstand der Grundstock von Kennedys Vermögen. Um den Aktivdienst zu vermeiden, stieg Kennedy 1917 als stellvertretender Manager der Bethlehem Steel in der riesigen Fore River Werft, wo Zerstörer gebaut werden, ein. Daneben kaufte er sich eine Vertriebskonzession der Universal Pictures.

    John F. Fitzgerald gewinnt am 5.11.1918 die Wahl zum Repräsentanten von Boston gegen den ebenfalls demokratischen Konkurrenten Peter F. Tague. "Honey Fitz" Fitzgerald forderte Tague heraus, da dieser sich nicht an einem einträglichen Grundstückhandel mit dem Fore River Shipyard, wo sein Schwiegersohn Joe Kennedy im Management tätig ist, beteiligen wollte. Seine Wahlkampforganisatoren, zu denen Joe Kennedy gehört, rekrutieren italienische Immigranten und Profiboxer, die Tague-Wähler mittels Drohungen und Schlägen umstimmen. Ein Drittel der ungültigen Stimmen kommen von Personen, die nicht im Bezirk leben, andere Stimmen lauten auf

    http://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    Namen von Kriegsgefallenen oder noch in Europa stationierten Soldaten. Am meisten falsche Stimmen kommen aus dem Prostituiertenmilieu. Am 24.10.19 wird Fitzgerald nach achtmonatiger Untersuchung wegen Wahlbetrugs aus dem Repräsentantenhaus ausgeschlossen. 1942 schickt Joe Kennedy den dann 79-jährigen nochmals ins Rennen, um den populären New Deal Demokraten Joseph E. Casey, einer von Roosevelts Favoriten und daher möglichen Konkurrenten seines Sohnes Joe Jr. zu schwächen. Der Republikaner Henry Cabot Lodge Jr. gewinnt dann zwar, aber die Kennedys haben gelernt, wie man mit viel Geld und geschickter Propaganda auch einen sehr guten Kandidaten ausschalten kann. 1920 steigt Kennedy bei der Massachusetts Electric ein und zieht nach New York an die Wall Street.

    Nach dem Krieg arbeitet Joe Kennedy als Leiter der Aktienabteilung des Maklerhauses Hayden, Stone and Company und macht dank Insiderinformationen mit Börsenspekulationen so viel Geld, dass er sich für seine sechsköpfige Familie ein neues Zwölfzimmerhaus in Brookline und einen neuen Rolls-Royce kaufen kann. Wieviel und wie Kennedy Geld verdient, bleibt sein Geheimnis, auch seiner Familie gegenüber, die gelernt hat, niemals Fragen darüber zu stellen.

    Joe Kennedy, dessen Vater schon Alkohol importierte, benutzt medizinische Erlaubnispapiere für den Import von kanadischem Whiskey, wovon er 200'000 Kisten ins Land geschmuggelt haben soll. Damit wird er zu einem Konkurrenten der Mafiosi, zu denen er zwangsläufig auch partnerschaftliche Kontakte unterhält. Anfangs schifft Kennedy englischen Scotch und Gin an die 12-Meilen Grenze, wo Frank Costellos Leute den Alkohol übernehmen, weshalb Costello später behauptet, er habe Kennedy reich gemacht. Kennedy arbeitet während Jahren auch mit Owny Madden zusammen und mietet Leute von Murder, Inc, um mit den Gewerkschaften fertig zu werden. Weil Kennedy auf dem Gebiet der jüdischen Purple Gang in Detroit ohne Erlaubnis geschmuggelten Rum verkauft, will diese seinen Kopf. Kennedy geht nach Chicago und bittet Diamond Joe Esposito um Unterstützung. Da ihm dieser das Leben rettet, bleibt er in der Schuld der Mafia von Chicago. Die Gewinne aus dem Alkoholschmuggel investiert Kennedy meist an der Börse und beteiligt sich an einer Kinokette. Er gibt seine Stelle bei Hayden, Stone and Company 1923 auf und eröffnet sein eigenes Büro in Boston: "Joseph P. Kennedy, Bankier". Für seine bisher sieben Kinder und seine Frau Rose gründet Kennedy Treuhandfonds, womit er ihnen eine wirtschaftliche Unabhängigkeit für politische Karrieren ermöglicht. Sie sollten schliesslich über je $10 Mio. verfügen können.

    Nachdem er, offenbar auch mit Geldern der Mafia Chicagos, die Kontrolle der "Film Booking Office of America" erringt, zieht Kennedy 1925 nach Hollywood. Hollywood ist seit 1912 von jüdischen Flüchtlingen aus Osteuropa (Samuel Goldman, Louis B. Mayer, Karl Lemmle, William Fox, Adolph Zukor, Harry Cohn und die Brüder Jack und Harry Warner) aufgebaut worden, die wie niemand sonst den American Way of Life definieren. Im Bedürfnis nach Assimilation schufen die Aussenseiter eine idealisierte Welt, bei der das Böse immer vom guten Helden besiegt wird. Mayer verschob seinen Geburtstag auf den 4. Juli und feierte ihn jeweils mit grossem Pomp und hunderten von illustren Gästen. Auch die meisten berühmten SchauspielerInnen wie Kirk Douglas, Paul Newman, Lili Palmer, Clark Gable, Tony Curtis oder Judy Holliday sind jüdischer Herkunft und werden zum Inbegriff der amerikanischen Kultur. Trotzdem werden Juden bis in die 30er Jahre nicht in die Klubs der Reichen aufgenommen, und die gesellschaftliche Anerkennung bleibt den ‚Superamerikanern' versagt.

    Während die Familie in New York wohnt, vergnügt sich Joe Kennedy mit Jean Harlow, Anita Page und Greta Garbo und versucht sich als Filmproduzent von Lowbudgetfilmen. Seine wichtigste Geschäftspartnerin und Liebhaberin ist Gloria Swanson, die ihm einen Sohn (Joseph) zur Welt bringt. Kennedy übernimmt faktisch die Kontrolle über ihr Leben, startet die Gloria Productions und versucht vergeblich, von der Katholischen Kirche einen Dispens zu erhalten, der das Zusammenleben

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    erlaubt hätte. Rose setzt sich häufig nach Europa ab und kompensiert ihre Frustration mit Einkäufen. Besonders der junge Jack leidet unter den dauernden Absenzen seiner Eltern. Mit Käufen und Verkäufen von Filmgesellschaften bereichert sich Kennedy um geschätzte $5 Mio. in Hollywood.

    Quellen: Hersh: 35-43, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 7-54, Giancana: 73, 214, Wolfe: 125ff, Jacobovici, Russel (2000), Geffen, Amara, Gabler.

    1.12. 1924: J. Edgar Hoover und das Bureau of Investigation

    John Edgar Hoover wird im Mai 1924 vorläufiger Chef des Bureau of Investigation, ernannt vom Generalstaatsanwalt Harlan Fiske Stone.

    Hoover übernahm 1918 24jährig die General Intelligence Division, mit dem Auftrag, die subversiven Umtriebe zu studieren. Das Bureau of Investigation wurde 1909 vom rassistischen und schwachsinnigen Präsidenten Theodore Roosevelt gegründet, der seine Karriere als Polizeikommissär in New York begann. Der Chef des Bureau of Investigation, Charles Bonaparte, der Grossneffe Napoleons, ging mit seinen neun Agenten gegen die Arbeiter-Bewegung vor. Die Syndikalismus-Bewegung mobilisierte 4 Mio. Streikende in 2665 Streiks in einem Jahr. Zur Bekämpfung der Gewerkschaften wurden Bürgervereine und Freiwilligenverbände wie die American Protective League gegründet und von der Industrie finanziert. Innenminister A. Mitchell Palmer liess am 2.1.19 ganze Stadtviertel abriegeln und durchsuchen, um Linke zu finden. Hoover beurteilte die vorgenommenen Razzien, Verhaftungen, Verurteilungen und Ausweisungen als "zu lasch". In seinem Eifer umging er die Grundrechte im Kampf gegen die Anarchisten und Kommunisten, indem er diese ohne Gerichtsurteile ausschaffen liess (am 21.12.19 249 Personen und am 2.1.20 556). Das Vorgehen Hoovers kostete Palmer seine Karriere, im Gegensatz zu Hoover, der zu seiner Verteidigung begann, nicht nur Informationen über Radikale und Schwarze zu sammeln, sondern auch über gewählte Politiker, Richter und Wissenschaftler. Im Jahre 1920 verhaftete die Polizei 4000 "subversive Elemente" in 33 Städten. Bekannt wurden die beiden Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die dem Rachewillen der Politiker und der Polizei zum Opfer fielen. Die Mafiosi Joe und Butsey Morelli aus Providence, Rhode Island, waren für die den Anarchisten zugeschobenen Überfälle und Morde verantwortlich.

    Am 22.8.21 wurde Hoover von Justizminister Harry Daugherty zum Vizedirektor des Bureau of Investigation, das bereits Dossiers über 500'000 Personen besitzt, ernannt.

    Stone verbietet dem neuen Bundespolizeichef Untersuchungen in politischen Prozessen und ordnet eine Reform der Abteilung an. Deshalb säubert Hoover das korrupte Netz seiner 657 Agenten, baut eine Elitetruppe auf und führt eine autoritäre Hierarchie ein. Die Agenten des streng presbyterianisch erzogenen Juristen dürfen nicht trinken, keine Schnurrbärte tragen, werden bei Ehebruch sofort gefeuert, permanent kontrolliert und in Akten erfasst. Die Repression der linken Arbeitervertretungen, die Verurteilungen und Rückschaffungen von Kommunisten und Anarchisten und das neue Einwanderungsgesetz lassen die Zahl der Einwanderer ab 1924 stark zurückgehen. Der Johnson-Reed Immigration Act kommt aufgrund der ‚Beweise' der Intelligenzforscher zustande, wonach Schwarze, arme Weisse und Süd- und Osteuropäer, wobei vor allem die jüdischen Einwanderer gemeint sind, geistig minderwertig und potentiell kriminell seien. Die massive Beschränkung der Einwanderung wird unterstützt durch den Ku-Klux-Klan, der Mitte der 20er Jahre 5 Mio. Mitglieder zählt. Der Ku-Klux-Klan war 1915 wiedergegründet worden, um die ethnische, religiöse und moralische ‚Einheit' des ‚Weissen Amerika' zu schützen. Nach einigen Skandalen bricht die Bewegung 1925 aber zusammen.

    http://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    Hoover und seine Agenten legen trotz des Verbots nicht nur über Linke, Bürgerrechtler und Kriminelle, sondern auch über Politiker Dossiers an. Am 25.3.25 eröffnet Hoover sein "Obscene File". Seine Macht beruht auf diesen - zum Teil intimen - privaten Daten, mit denen er die Politiker erpressen kann. Kein Präsident wagt es, Hoover zu entlassen. Sein Stellvertreter William Sullivan bezeichnet Hoover als den grössten Erpresser aller Zeiten. Dank diesen Unterlagen bleibt Hoover bis zu seinem Tod 1972 Direktor des FBI und überlebt acht Präsidenten und 16 Justizminister. Er ist den Präsidenten allerdings auch gefällig: Auf Wunsch von Roosevelt, Truman, Johnson und Nixon lässt er deren Gegner überwachen.

    1925 wird zur Stärkung des umstrittenen FBI die private National Crime Commission geschaffen, allerdings nicht um den Alkoholschmuggel und das Gangstertum zu bekämpfen, sondern um die Macht der Polizei im Kampf gegen die Gewerkschaften zu stärken. Die Gründungsversammlung findet bezeichnenderweise in den Räumen der United States Steel Corporation statt.

    1928 erklärt der Oberste Gerichtshof das Abhören von Telefongesprächen für verfassungsmässig. Am 2.4.28 stellt Hoover seinen Lebenspartner Clyde Tolson ein, der Guy Hottel mitbringt. Die beiden werden seine Vertrauensmänner an der Spitze des Federal Bureau of Investigation. Nebenbei ist Hoover zugleich Direktor einer Versicherungsgesellschaft.

    Quellen: Davis (1984), Fox: 65, Theoharis/ Cox: 21-88, 159, Schulz: 41, Todd, Summers (1993), Tarpley/ Chaitkin: 536f,

    1.13. Al Capone in Chicago

    Benito Mussolini besuchte 1924 das erste Mal Sizilien, und schickt kurz darauf mehrere Infanterieregimente nach Sizilien. Der Präfekt Cesare Mori baute ein System von Spitzeln auf und konnte 1926 die Macht der Mafia brechen, indem er mit Folter und Erpressung die 11'000 Verhafteten zum Reden brachte. Selbst die beiden mächtigsten Bosse Don Calo Vizzini und Genco Russo kamen ins Gefängnis. Mussolini löste damit eine Mafiosi-Fluchtwelle, wozu Stefano und Antonio Magaddino, Salvatore Maranzano, Joe Bonanno, Mike Coppola, Joe Profaci und Joe Magliocco gehörten, ins Paradies der Prohibition aus. Bis Mitte des Jahrhunderts emigrieren insgesamt über 5 Mio. Italiener in die USA, die die lokale Struktur der bisherigen Mafia in den USA verändern.

    In Chicago unterwanderten die Neuankömmlinge aus Sizilien die Unione Siciliana, eine 1895 gegründete Genossenschaft für gegenseitige Hilfe, und benutzten sie als Front für kriminelle Aktivitäten. Michele Merlo, einer der Bosse Chicagos, starb am 8.11.24 an Krebs. Die Mafia hatte im folgenden Mühe, sich zu behaupten. In internen Kämpfen werden sechs führende Mafiosi umgebracht: Angelo Genna und Sam Samoots Amatuna (1925), Antonio Lombardo (1928), Pasquale Lolordo (1929), Giuseppe Aiello (1930) und Agostine Loverdo (1931).

    Neben den verschiedenen Mafia-Familien und dem Syndikat von Torrio mit Alfonso Capone gibt es die irische North Side Gang, die ebenfalls im Alkoholgeschäft tätig ist. Ihr Chef, Charles Dion O'Bannion, wurde am 10.11.24 in seinem Blumenladen, in dem Al Capone für $10'000 rote Rosen und Johnny Torrio für $10'000 Chrysanthemen für das Begräbnis von Merlo bestellt hatten, ermordet. O'Bannion soll selbst für den Mord von 24 Personen verantwortlich gewesen sein. Zum Konflikt kam es, weil seine Männer mehrere Lastwagen mit Alkohol der Genna-Brüder entführten. Nachfolger O'Bannions wurden Frank Gusenberg und George "Bugs" Moran. Sowohl die Gennas wie auch die Aiellos gehören im Gegensatz zu Torrio der Unione Siciliana an.

    http://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    Im Januar 1925 wollen der 17jährige Sam Giancana und Leonard Gianola Johnny Torrio im Auftrag Al Capones umbringen, verletzen ihn aber nur. Capone erträgt es nicht, dass Torrio sich weigert, den Kuchen zu teilen. Torrio verlässt daraufhin die Stadt mit seinen angehäuften $40 Mio. und überlässt Capone seinen Platz. Dieser schaltet nun systematisch alle Konkurrenten aus: Giancana wird im Mai 1925 erneut engagiert, um die Gennas auszuschalten: Nachdem Angelo, Mike und Tony Genna umgekommen sind, flüchten die restlichen drei Brüder. Giancana bringt am 3.10.28 auch seinen Mentor und Beschützer Diamond Joe Esposito um. Am 8.1.29 wird Pasqualino Lolordo von Joe Aiello und den Brüdern Frank und Pete Gusenberg ermordet. Al Capone, der im Laufe seiner Karriere 215 Morde angeordnet haben soll, organisiert das Management des Verbrecherkartells, das mithilfe der geschmierten Kooperation von Politikern, Polizei und Justizbeamten $60-250 Mio. Umsatz erwirtschaftet. Der populäre Capone gibt der Bevölkerung, was sie will: Alkohol, Sex und Spiele, und zusammen mit Paul Ricca führt er die politischen Beziehungen Espositos weiter. Das Syndikat Al Capones ist mit der Lolordo-Familie verbündet, die mit der Aiello-Familie in Konflikt steht.

    Am 14.2.29 wird die irische North Side Gang mit einem siebenfachen Mord ausgeschaltet. Die Mörder fahren am Valentinstag in einem Polizeiauto und in Uniform beim Treffpunkt vor und erschiessen die nichts ahnenden Anwesenden. Capone steht hinter der Ermordung von Frank und Pete Gusenberg, Jack May, Al Weinshank und Adam Heyer. Bugs Moran, eigentliches Ziel des Anschlags, und seine Leibwächter Willie Marks und Ted Newsberry überleben, weil sie verspätet zum Treffpunkt erscheinen. Moran zweigte Capones Alkohol ab und verkaufte ihn an eigene Kunden. Moran verliert trotz dem fehlgeschlagenen Attentat seine Machtbasis und zieht sich aus dem Alkoholgeschäft zurück.

    Damit besitzen Al Capone und und Don Giuseppe Aiello, der am 23.10.30 im Auftrag von Pasquale Prestigiocomi ermordet wird, das Alkoholmonopol in Chicago.

    Aber Al Capones Berühmtheit als ‚scarface' ist den anderen Mafiosi ein Dorn im Auge, weil es das Geschäft gefährdet. Mafia-Bosse von verschiedenen Familien und Städten treffen sich im Mai 1929 in Atlanta City und teilen die Territorien den einzelnen Familien zu. Aufgrund der Prohibition systematisierte sich die Kooperation zwischen den Schmugglern der einzelnen Staaten, wobei die grossen Bosse des Nordwestens den Ton angeben. Dazu gehören Al Capone, Joe Adonis, Lepke Buchalter, Moe Dalitz, Johnny Torrio, Lucky Luciano, Frank Costello, Charlie Solomon, Waxey Gordon, Longy Zwillman, das Reinfeld Syndikat, Meyer Lansky und Bugsy Siegel. In Nebengesprächen wird beschlossen, dass der publizitätssüchtige Al Capone, der die Plätze von Torrio und Esposito und damit die Macht in Chicago übernommen hatte, gehen muss. Auf dem Nachhauseweg von Atlanta wird Capone wegen unerlaubtem Waffenbesitz verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Kaum entlassen, kommt Al Capone wegen Steuerhinterziehung erneut für 11 Jahre ins Gefängnis.

    Paul Ricca übernimmt den Vorsitz in Chicago. Ricca hiess Paul DeLucia, bis er 1920 in die USA flüchtete. Er wurde 17jährig wegen Mordes verurteilt und brachte unmittelbar nach seiner Entlassung den Zeugen, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte, um. In den USA arbeitete er dann in der Zentrale von Esposito, dem Café Bella Napoli, woher er seinen Übernamen "the Waiter" hat. Die Medien sind überzeugt, dass Frank "the Enforcer" Nitti der Nachfolger von "Scarface" sei, was Ricca, Humphreys und Jake Guzik, der für die Finanzen zuständig ist, ziemlich freie Hand lässt. Tatsächlich plante Nitti zusammen mit Capones Cousin Rocco Fischetti die Kontrolle der Organisation zu übernehmen, aber Ricca hat die Rückendeckung des Syndikats. 1939 wird Capone entlassen, stirbt aber kurz darauf an Syphilis, die er sich bei einer seiner minderjährigen Prostituierten zugezogen hatte.

    Quellen: Bradley, Raith: 72f, Delorme: 87ff, 133-145, Giancana: 30-34, 67, Best: 4, 10, Behr (2002), Olgiatti, Russel (2000).

    http://www.us-politik.ch/quellen.htm

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    1.14. Oktober 1929: Börsenkrise

    Drei Monate vor dem Börsen-Crash 1929 stösst Joe Kennedy alle Aktien ab, wie Michel C. Bouvier auch. Er gehört damit zusammen mit Industriellen wie William Crapo Durant von der General Motors und John Davison Rockefeller zu den Auslösern des "Schwarzen Freitags". Die Blase wird wesentlich ausgelöst wegen Anlagefonds, bei denen verschiedene Anlagen gebündelt werden, sodass der Wert der einzelnen Papiere nicht mehr ersichtlich ist. Das erlaubt endlose Anlage-Pyramiden und Spekulationsspiele. Die 1869 von den deutschen Immigranten Marcus Goldman und dessen Schwiegersohn Samuel Sachs gegründete Goldman Sachs steigt spät ins Spekulationsgeschäft ein, dafür aber mit verheerender Wirkung. Die Bank gründet die Goldman Sachs Trading Corporation, für die eine Mio. Aktien à $100 ausgegeben werden, die die Bank selbst aufkauft, um den Preis in die Höhe zu treiben. Mit dem Erlös wird die Blue Ridge Corporation gegründet, deren Aktien von Shenandoah gekauft werden, die auch der Goldman Sachs Trading gehört. Dieses System erlaubt, dass mit einem Dollar neun weitere geliehen werden können, mit diesen 10 weitere 90, mit diesen 100 können weitere 900 bezogen werden, etc.. Beim Crash fällt das Schneeballsystem zusammen und Goldman Sachs fährt einen Verlust ein, der umgerechnet auf die heutige Kaufkraft $475 Mia. entspricht.

    Kennedy wird wie Bernard Baruch oder Jean Paul Getty dank dem Börsencrash zum Multimillionär, weil er sichere Aktien wie beispielsweise von General Electric kauft, die von $391 auf $10 gefallen sind.

    In den USA verringert sich die Produktion um 90%. Die Entlassungswelle führt zu einer Arbeitslosigkeit von 25% und dazu, dass die Bauern ihre Ernten vernichten, obwohl die Bevölkerung hungert, dass viele Wohnungen leer stehen, während die Menschen campen müssen und dass sie sich keine Kleider mehr kaufen können und frieren, obwohl die Lagerhäuser zum Bersten voll sind. Die Kommunistische Partei und andere Arbeiterorganisationen haben regen Zulauf und organisieren Streiks und Fabrikbesetzungen, die mit Truppen niedergeknüppelt werden. Douglas MacArthur und Dwight D. Eisenhower spielen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der unbewaffneten Versammlungen. Selbst gegen die 12'000 Veteranen des Ersten Weltkriegs, die in Washington die Zahlung ihrer Entschädigungen einforderten, schiessen die mobilisierten Truppen. Hoovers Ansehen bricht daraufhin zusammen, und der Gouverneur von New York, Franklin D. Roosevelt, gewinnt die Wahlen 1932 mit einem Erdrutschsieg, allerdings weniger aufgrund seines Konzepts des New Deal, sondern weil er die Prohibition abschaffen will.

    Aufgrund der internationalen Kreditsysteme ist die ganze Welt vom Zusammenbruch betroffen. Allein in den Industrieländern sind 1930 bereits 35 Mio. Menschen ohne Arbeit. Vor allem in Deutschland bewirkt die politische Radikalisierung aufgrund der Arbeitslosigkeit von 40% den Nährboden für den Erfolg des Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg.

    Quellen: Martin: 81f, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 35-54, Hillesheim, Taibbi 2009.

    1.15. Die Mafia in New York

    Charlie Luciano, Benjamin Siegel und Meyer Lansky hatten sich schon vor der Prohibition kennengelernt und schlossen ihre italienische und jüdische Bande zum Kampf gegen die irischen Gruppen zu