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gesundes 16. JAHRGANG NR. 1 | APRIL 2014 MAGAZIN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION P.b.b. 03Z034913 M – Verlagspostamt 1020 österreich Praxis Mehr Gesundheits- kompetenz für Migrantinnen Im Interview Thomas Abel, Ilona Kickbusch, Jürgen Pelikan, Josef Probst Thema Informationen verständlich, Systeme einfach gestalten IM GESPRÄCH Gesundheits- kompetenz bringt mehr gesunde Lebensjahre. PAMELA RENDI-WAGNER, SEKTIONSLEITERIN IM GESUNDHEITSMINISTERIUM

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PraxisMehr Gesundheits-kompetenz für Migrantinnen

Im InterviewThomas Abel, Ilona Kickbusch, Jürgen Pelikan, Josef Probst

ThemaInformationen verständlich, Systeme einfach gestalten

IM GESPRÄCH

Gesundheits-kompetenzbringt mehr

gesundeLebensjahre.

“PAMELA RENDI-WAGNER, SEKTIONSLEITERIN IM GESUNDHEITSMINISTERIUM

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IMPRESSUM

Offenlegung gemäß § 25 MedG

Medieninhaber: Gesundheit ÖsterreichGmbH, Stubenring 6, 1010 Wien, FN 281909y,Handelsgericht Wien

Herausgeber:Mag. Georg Ziniel, MSc, Geschäftsführer GÖG,und Dr. Klaus Ropin, GeschäftsbereichsleiterFonds Gesundes Österreich

Redaktionsadresse und Abonnement-Verwaltung:Fonds Gesundes Österreich,Aspernbrückengasse 2, 1020 Wien, Tel.: 01/895 04 00-0, [email protected]

Redaktionsbüro: Mag. Dietmar Schobel,Hietzinger Hauptstr. 136/3, 1130 Wien,www.teamword.at, [email protected], Tel.: 01/971 26 55

Redaktion:Mag.Gudrun Braunegger-Kallinger, Dr. Rainer Christ,Sabine Fisch, Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher, Ing. Petra Gajar, Mag. Rita Kichler, Helga Klee, Dr. Anita Kreilhuber, Mag. Harald Leitner, Mag. Hermine Mandl, Mag. Markus Mikl, Mag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH,Mag. Dietmar Schobel (Leitung), Mag. Gabriele Vasak,Dr. Verena Zeuschner

Graphik: Mag. Gottfried Halmschlager

Fotos: DI Johannes Hloch, DI Klaus Pichler,Fotolia, privat

Foto Titelseite: DI Johannes Hloch

Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H.Erscheinungsweise: 3 x jährlichVerlags- und Herstellungsort:WienVerlagspostamt: 1020 Wien.

Blattlinie: Das Magazin „Gesundes Österreich" ist Österreichs Plattform zumThema Gesundheitsförderung. Es präsentiertMenschen und vermittelt Inhalte und Know-how aus den Handlungsfeldern Politik,Wissenschaft und Praxis.

INHALT01/14

MENSCHEN & MEINUNGEN

Drei Porträts: Beate Wimmer-Puchinger,Werner Bencic und Peter Nowak4

Kurz & bündig5-7

COVERSTORY: Pamela Rendi-Wagner im Inter-view: „Die Bürgerinnen und Bürger sollen mehrMöglichkeiten zur Beteiligung erhalten.“8

Gastbeitrag von Sylvia Groth: „In der Frauenbewegung warenWissen und Macht vonAnfang an Thema.“11

1 Frage an 3 Expert/in-nen: „Erleichtern unsereLebenswelten gesundeEntscheidungen?“12

WISSEN

Kurz & bündig13-15

Thema: Gesundheitskompetenz16

Informationen verständlich,Organisationen übersicht-lich gestalten 16

Settingorientierte Gesund-heitsförderung schafft Gesundheitskompetenz20

Alles, was Sie über Gesund-heitskompetenz wissenmüssen21

Jürgen Pelikan im Interviewüber mögliche Ursachen fürdie geringe Gesundheits-kompetenz der Österreicher22

Von der Heilkraft der Gespräche: 60 Prozentder Zufriedenheit von Patient/innen hängenvon der Kommunikationab.28

Ein Leben lang Gesund-heit lernen: Kindergärten,Schulen und Erwachse-nenbildung können dieGesundheitskompetenzverbessern.30

THEMA„Den Konsum gesünderer Produkte fördern.“ Wie die Wahl des gesünderen Lebensmittels zur einfacheren werden soll.

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Unabhängige Gesund-heitsinformationen sinddie Basis für richtige Ge-sundheitsentscheidungen.32

SELBSTHILFE

Wie Selbsthilfe die Gesundheitskompetenzfördert.37

Auf einen Blick: Die Adressen der Selbst-hilfe-Dachverbände38

Die Selbsthilfegruppe Österreichische Lungenunion39

Prostatakrebs: KeinGrund sich zu verstecken40

PRAXIS

Kurz & bündig41-42

Das Projekt „EmMi“ inGraz wendet sich anMigrantinnen.43

Frauengesundheitszirkelund eine Ausbildung zur „interkulturellen Gesundheitstrainerin“sind Elemente eines Projektes in Niederösterreich44

Die Versicherung VAEB hat in einer gesamten Region einen„Gesundheitsdialog“ mit der Bevölkerung begonnen.46

Ein Dolmetschdienst perVideo ermöglicht rascheÜbersetzungshilfe, wennPatient/innen nicht aus-reichend Deutsch sprechen.48

Ein Projekt in Graz undWien soll die Gesund-heitskompetenz von Migrantinnen, älterenund chronisch krankenFrauen erhöhen.50

Das Projekt „Demenz-freundliche Apotheke“will die Lebensqualitätvon Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen verbessern.52

ber Gesundheits-kompetenz zu ver-fügen heißt, im

Alltag jene Entscheidun-gen treffen zu können,die für das eigene ge-sundheitliche Wohl ambesten sind. Das wirddurch verständliche Ge-sundheitsinformationenund übersichtliche Syste-me erleichtert. Gesund-heitsförderung leistet dazu einen zentralen Beitrag.Sie sorgt in Settings wie Gemeinden, Betrieben,Schulen und dem Gesundheitssystem für Verhält-nisse, welche die gesündere Entscheidung zur ein-facheren machen.Gesundheitskompetenz steht auch in direktem Zusammenhang zu besserer Gesundheit. Eines der2012 beschlossenen Rahmen-Gesundheitsziele lautet deshalb, die Gesundheitskompetenz der Be-völkerung zu stärken. Unser aktuelles Magazin„Gesundes Österreich“ legt den inhaltlichenSchwerpunkt ebenfalls auf dieses Thema. Auf denSeiten 16 bis 36 berichten wir unter anderem überAnsätze für mehr Gesundheitskompetenz im Bildungssystem, in Kommunen und Betrieben undnicht zuletzt auch im Gesundheitssystem. Einer-seits geht es vor allem darum, bessere Bedingungenfür Gesundheitskompetenz zu schaffen, anderer-seits auch darum, die persönlichen Fähigkeitenund Fertigkeiten in diesem Bereich zu erhöhen. Sozial benachteiligten Gruppen muss dabei beson-dere Aufmerksamkeit gelten. Denn nicht nur dieChancen auf Gesundheit sind ungleich verteilt,sondern auch jene auf den Erwerb von Gesund-heitskompetenz. Darauf weist etwa der SchweizerSozial- und Präventivmediziner Thomas Abel im Interview auf Seite 18 hin. Weshalb die Gesundheitskompetenz der Menschenin Österreich relativ niedrig ist, warum Gesund-heitsinformationen im Internet häufig falsch sind,und wie die Wahl gesünderer Lebensmittel erleich-tert werden soll, sind weitere Themen dieses Hef-tes. Außerdem berichten wir über erfolgreiche Pro-jekte und befassen uns mit dem Zusammenhangzwischen Selbsthilfe und höherer Gesundheits-kompetenz.

Ich freue mich, Sie an dieser Stelle auch als neuer Leiter des Fonds Gesundes Österreich begrüßenzu dürfen, und wünsche Ihnen eine informativeund anregende Lektüre,

Klaus Ropin,Geschäftsbereichsleiter des

Fonds Gesundes Österreich

EDITORIALLiebe Leserin, lieber Leser!

24Jeder Kontakt

zählt.Das Gesundheitssystem soll zu mehr Gesundheitskompetenz beitragen.

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„Gesundheitskompetenz zuvermitteln heißt vor allem, dasSelbstbewusstsein der Men-schen in Gesundheitsfragen zustärken“, sagt Beate Wimmer-Puchinger und ergänzt: „AllesWissen nützt nichts, wenn sichjemand nicht traut, bei der Ärz-tin oder dem Arzt auch einmalnachzufragen“. Menschen zubefähigen, ihre gesundheitli-chen Möglichkeiten auch zunutzen, war stets einer der we-sentlichen Inhalte der Arbeitder Psychologin, die an der Uni-versität Salzburg lehrt undforscht und zudem als Gast-professorin im In- und Auslandtätig ist. Sie hat die Frauenge-sundheitszentren FEM und FEMSüd in der Bundeshauptstadt

aufgebaut und geleitet und bis2005 das Ludwig BoltzmannInstitut für Frauengesundheits-forschung. Seit rund 15 Jahrenist Wimmer-Puchinger Frauen-gesundheitsbeauftragte derStadt Wien. Sie ist 1948 geboren, mit einemArchitekten verheiratet und hatzwei Töchter im Alter von 36und 30 Jahren. Ihr Enkelsohn istzweieinhalb Jahre alt. „Ich binein Bewegungsmensch und ha-be schon in der Schulzeit ger-ne geturnt und Leichtathletikbetrieben – von Kugelstoßenund Weitsprung bis zum 100-Meter-Lauf“, erzählt Wimmer-Puchinger. Sie will jedenfallskein „verbiesterter Gesund-heitsapostel“ sein und be-

schreibt sich selbst als „lust-und lachgesteuert“. „Die wich-tigsten Grundlagen für meineeigene Gesundheit sind meinegute Partnerschaft, und dassich die Möglichkeit habe, selbst-bestimmt zu leben und beruf-lich das zu tun, was ich gerntue“, sagt Wimmer-Puchinger.

„Objektive Gesundheitsinfor-mationen aus unabhängigenQuellen für alle zur Verfügungzu stellen, ist wesentlich fürmehr Gesundheitskompetenzder Bevölkerung. Dies solltedeshalb als öffentliche Auf-gabe betrachtet werden undkein Bereich sein, in dem wirt-schaftliche Interessen vorherr-schen“, meint Peter Nowak. Erleitet die 2013 neu gegründe-te Abteilung für Gesundheitund Gesellschaft der Gesund-heit Österreich GmbH, hat

Sprachwissenschaft und Psy-chologie an der UniversitätWien studiert, Forschungsar-beiten zur Arzt-Patient-Kom-munikation durchgeführt undwar von 1990 bis 2008 wis-senschaftlicher Mitarbeiter desLudwig Boltzmann Institutsfür Medizin- und Gesundheits-soziologie. Nowak wurde 1959 in Linzgeboren und hat drei erwach-sene Kinder: Milena (23), Ja-na (20) und Lenny (18). Er istverheiratet, lebt in einer „viel-fältigen und glücklichen“Patchworkfamilie und reno-viert in seiner Freizeit gerne

ein altes Bauernhaus, das erim Ennstal in Oberösterreichgepachtet hat. Pro Tag min-destens zehn Minuten undam Wochenende meist zweibis drei Stunden widmet derGesundheitsexperte der Me-ditation.Nowak verlässt sich hier aufdie Tradition des tibetischenBuddhismus. „Ich betrachtedas nicht als Religion sondernals Wissenschaft“, meint er:„Denn der Buddhismus ver-eint Erfahrungswissen aus2500 Jahren in sich. Und zwarzur Frage: ,Wie können wirglücklich sein?’.“

„Wir müssen das Selbstbewusstsein der

Menschen in Gesundheits-fragen stärken.“

MENSCHEN & MEINUNGEN

Werner Bencic hat in Wien Pharmazie studiertund ab 1985 drei Jahre lang als Angestellter inöffentlichen Apotheken gearbeitet. „Dann kam

das Angebot, daran mitzuarbeiten, wie das Gesundheits-system noch besser funktionieren kann“, erinnert sich Ben-cic, der 1957 in Linz geboren wurde. Seit 1988 ist er fürdie oberösterreichische Gebietskrankenkasse tätig und lei-tet seit 2011 deren Referat für Gesundheitsstrategie undWissenschaftskooperation. Zu seinen Arbeitsschwerpunk-ten zählen Versorgungsforschung, Public Health und imSpeziellen auch Gesundheitskompetenz.„Die Menschen benötigen mehr Wissen als Grundlage fürihre selbst bestimmten Gesundheitsentscheidungen.Gleichzeitig muss das Gesundheitssystem auf sie zukom-men und dessen Mitarbeiter müssen leichter verständlichkommunizieren“, meint Bencic, der 2006 zu den erstenAbsolventen des Lehrgangs für Public Health an der Me-dizinischen Universität in Graz zählte und seit sechs Jah-ren an der Fachhochschule Pinkafeld am StudiengangGesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung un-terrichtet. Der Oberösterreicher hat zwei erwachsene Söh-ne im Alter von 19 und 21 Jahren, ist geschieden und hateine Lebenspartnerin. Was macht der Experte für Ge-sundheitsfragen selbst für sein Wohlbefinden? „Ich ach-te einigermaßen auf meine Ernährung und gehe zwei- bisdreimal pro Woche Rad fahren, Laufen oder ins Fitness-studio“, sagt Bencic: „Am wichtigsten für meine Gesund-heit und mein Lebensglück sind für mich jedoch eine gu-te Beziehung, die Kontakte zu engen Freunden und eingutes Klima am Arbeitsplatz.“

„Das Gesundheitssystemmuss auf die Menschen

zukommen.“WERNER BENCIC, REFERATSLEITER

DER OBERÖSTERREICHISCHEN

GEBIETSKRANKENKASSE

PETER NOWAK, ABTEILUNGSLEITER BEI DER GESUNDHEIT ÖSTERREICH GMBH

BEATE WIMMER-PUCHINGER, FRAUENGESUNDHEITS-BEAUFTRAGTE DER STADT WIEN

„Objektiv und unabhängigüber Gesundheit zuinformieren, ist eineöffentliche Aufgabe.“

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MENSCHEN & MEINUNGEN

NIEDERÖSTERREICH

Ende März 2014 wurde imSchloss Grafenegg bereits zumfünften Mal der Vorsorgepreisdes Landes Niederösterreichverliehen. Er wird in vier Kate-gorien jeweils österreichweitsowie speziell auch für dasLand Niederösterreich verge-ben. Den österreichischen Vor-sorgepreis in der Kategorie„Gemeinden/Städte“ hat die„Ischler Gesundheitswerk-statt“ gewonnen, die unteranderem Alleinerziehende undLangzeitarbeitslose dabei un-terstützt, für sich gesundheits-förderliche Lebensverhältnis-se zu gestalten. Den Preis inder Kategorie „Bildungsein-richtungen“ erhielt das Pro-jekt „Xunde Riedenbörger“an einer Schule in Bregenz. In

der Kategorie „Betriebe“ wur-de das Projekt „Herzblut“ vonTrumer Leistungsdiagnostikund dem RomantikhotelGmachl in Elixhausen in Salz-burg prämiert. Es setzt nach-haltige und positive Impulsezur Gesundheitsförderung für90 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter. Bei den „Privaten Ini-tiativen“ siegte ein Wiener Pro-jekt. „loginclusion“ unterstütztMenschen, die von Arbeitslo-sigkeit, Isolation und Armutbetroffen sind, bei der Integra-tion in gesunde Netzwerke. Al-le genannten Projekte wurdenvom Fonds Gesundes Öster-reich gefördert. Mit dem Sonderpreis der Jury wurde das„Eltern-Kind-Modell Korneu-burg“ ausgezeichnet, bei demeine mobile Kinderkranken-schwester Familien betreut. Die feierliche Veranstaltung

wurde von Vera Russwurmmoderiert. Die Auszeichnun-gen wurden vom niederöster-reichischen LandeshauptmannErwin Pröll überreicht.

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Fünf Jahre österreichischerVorsorgepreis

Fotos: vorsorgepreis/tut gut

Die Preisträger des österreichischen und

niederösterreichischen Vorsorgepreises in der

Kategorie „Gemeinden/Städte(von links im Bild): Walter Troger,

Bernhard Lackner, ChristineSchwanke und Kurt Lartschitsch –Projekt „Rundum gsund im Wein-viertel“, Spitzensportlerin BeateSchrott, der niederösterreichischeLandeshauptmann Erwin Pröll, Moderatorin Vera Russwurm,

PGA-Geschäftsführer Heinz Eiten-berger, Ilona Schöppl und RudolfAdamek vom Projekt „Ischler Gesundheitswerkstatt“ sowie

der niederösterreichische Landeshauptmannstellvertreter

Wolfgang Sobotka.

Das Eltern-Kind-Modell Klosterneuburg wurde mit dem Sonderpreis der Jury ausge-zeichnet (von links im Bild): der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröllmit Grete Melzer, Ferdinand Sator und Günther Ofner.

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MENSCHEN & MEINUNGEN

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EXPERTE FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG

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ARBEITSKREISE FÜR GESUNDHEIT

Der aks austria ist ein seit 2002 bestehenderbundesweiter Zusammenschluss von acht etab-lierten und erfahrenen Landesinstitutionen mitden Schwerpunkten Gesundheitsförderung undPrävention. Ziel dieses Forums österreichischerGesundheitsarbeitskreise ist es, Erfahrungenauszutauschen, zu kooperieren und den Anlie-gen der Gesundheitsförderung und Präventionmehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Der aks austria wird sowohl nach außen als auch nachinnen von einem Koordinator vertreten, denalle zwei Jahre eine andere Organisation benennt. Karin Reis-Klingspiegl, die Geschäfts-führerin von Styria vitalis, hatte diese Funktionbis Ende 2013 inne. Für 2014 und 2015

wurde sie vom Verein für Prophylaktische Gesundheitsarbeit (PGA) und dessen Geschäfts-führer Heinz Eitenberger übernommen. Die weiteren Mitglieder des aks austria sind dieaks Gesundheit GmbH in Vorarlberg, avomedTirol, AVOS Salzburg, Gesundes Niederöster-reich, Gesundheitsland Kärnten und die WienerGesundheitsförderung. Mehr Informationensind unter www.aksaustria.at zu finden.

Heinz Eitenbergervom PGA hat die Ko-ordination des aksaustria von KarinReis-Klingspieglvon Styria vitalis übernommen.

Neuer Koordinator für den aks austria

Foto: Styria vitalis

Foto: VOT

AVA/PID

Der Drache „WiNKi“ wirbt für gesunde Ernährung

WIENER GESUNDHEITSFÖRDERUNG

Beim Projekt Wiener Netzwerk Kindergarten-verpflegung (WiNKi) kommen ausgebildete Ernährungsexpert/innen in die Wiener Kinder-gärten. Mit Geschichten, Rätseln, Bewegungs-übungen und vielen unterhaltsamen Spielenbringen sie Kindern gesunde Ernährung nahe.Als Symbolfigur der Initiative ist der kleine Drache WiNKi in Form einer Handpuppe immermit dabei. Jetzt soll er das Thema auch zu denWiener Familien nach Hause bringen. „DieAbenteuer des kleinen Drachen WiNKi“ sind

zwei spannende Geschichten zum Vorlesen.Kindgerecht aufbereitet geben sie Antwortenauf häufige Fragen zur Ernährung: Wie viel Naschen ist erlaubt? Welche Speisen machenmüde und welche geben frische Energie? Dasgemeinsame Lesen soll auch den Eltern einenAnstoß geben, sich mit ihrer Ernährung aus-einander zu setzen. Für GesundheitsministerAlois Stöger sind die WiNKi-Geschichten des-halb „ein schönes Beispiel dafür, wie wir Kin-der und Eltern gleichzeitig erreichen können.“Die Broschüre kann kostenlos angefordertwerden: telefonisch unter 01/4000/769 24oder per E-Mail an: [email protected].

Neuer Leiter des

FGÖ

Gesundheitsminister Alois Stöger, der Wiener Bildungs-stadtrat Christian Oxonitsch, die Wiener Gesundheits-und Sozialstadträtin Sonja Wehsely und Dennis Beck,

Geschäftsführer der Wiener Gesundheitsförderung, bringen Kindergartenkinder auf den gesunden Geschmack.

Seit Mitte März hat der Fonds Gesundes Öster-reich (FGÖ) einen neuen Leiter. Klaus Ropin,ein national und international anerkannter Experte für Gesundheitsförderung, hat dieseFunktion übernommen. Er ist promovierter Bio-loge und war ab 1995 im Setting Krankenhausfür die Sicherung der Qualität von Hygiene-maßnahmen zuständig. 1997 begann er alsReferent für berufsspezifische Prävention beider Aids Hilfe Wien. Ab Anfang 2001 betreuteer beim FGÖ den Bereich Betriebliche Gesund-heitsförderung (BGF). Er hat wesentlich daranmitgewirkt, dass sich BGF in Österreich zum er-folgreichsten Zweig der Gesundheitsförderungentwickelt hat. Dieses Know-how will Ropinnun auch als FGÖ-Leiter nutzen. „Ein Settinggesünder zu gestalten, ist nur durch das Zu-sammenwirken vieler Partner möglich. Das gilt nicht nur für Betriebe, sondern auch für alleanderen Settings“, betont der Fachmann fürumfassende, systematische und nachhaltigeGesundheitsförderung.

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CHARTA FÜR MEHR GESUNDHEIT

IN BETRIEBEN

Im vergangenen Jahr konnteim Bereich der in Österreichsehr erfolgreichen Betriebli-chen Gesundheitsförderung(BGF) ein besonderes Jubiläumgefeiert werden. Die Firma Art-weger hat im Oktober als tau-sendster Betrieb die 2004 ein-geführte BGF-Charta unter-zeichnet. Damit hat sich derFamilienbetrieb mit Sitz in BadIschl dazu bekannt, sich anden Grundsätzen der BGF zuorientieren. Dazu zählt, mit

größtmöglicher Beteiligung derBeschäftigten gesundheitsför-derliche Maßnahmen zu erar-beiten. Wenn innerhalb vonzwei Jahren keine Aktivitätenerfolgen, werden Unterneh-men wieder von der Liste der„Charta-Betriebe“ genom-men. Die BGF-Charta ist dieerste Stufe eines dreistufigenProgramms zur Qualitätssiche-rung. Dieses wird vom Öster-reichischen Netzwerk für Be-triebliche Gesundheitsförde-rung (ÖNBGF) umgesetzt undvom Fonds Gesundes Öster-reich gefördert. „Unterneh-men sollen als Gesamtorgani-sation im Sinne der Gesundheit

weiterentwickelt werden“, er-klärt Christoph Heigl, der Ko-ordinator des ÖNBGF. DasBGF-Gütesiegel wird für je-weils drei Jahre an Unterneh-men verliehen, die ein Projekterfolgreich abgeschlossen oderan solche Firmen, die BGF be-reits in den Arbeitsalltag inte-griert haben. Der Österrei-chische Preis für BetrieblicheGesundheitsförderung wird al-le drei Jahre für besonders he-rausragende Projekte unterden Gütesiegelträgern verge-ben. Das nächste Mal am 8.Mai 2014. Weitere Informa-tionen sind unter www.netz-werk-bgf.at nachzulesen.

MENSCHEN & MEINUNGEN

Ein Netzwerk für gesunde Bewegung

„Wir wollen ein flächendeckendes Netzwerk ge-sundheitsorientierter Bewegungsangeboteschaffen“, sagt Franz Wutte, der Geschäfts-führer des Vereins Gesundheitsland Kärnten.Diese sollen in den 105 Kärntner Ortschaftenumgesetzt werden, die sich an der Initiative„Gesunde Gemeinde“ beteiligen. Dafür werdenMitglieder von Sportvereinen kostenlos undbedarfsorientiert zu Übungsleiter/innen aus-gebildet. In 44 Ausbildungsstunden kann un-ter anderem Know-how aus der Sportmedizinund Trainingslehre erworben werden. Auch Ers-te Hilfe, Sportpsychologie und rechtliche Aspek-te stehen auf dem Lehrplan.Bisher wurden rund 140 Übungsleiter/innenausgebildet, die nun in ihren Vereinen Kurse mit zielgruppenspezifischen Trainingsinhalten für Kinder, Jugendliche, Erwachsene sowie Senior/innen durchführen können. Vom Kärnt-

ner Gesundheitsfonds und dem Land Kärntengibt es dafür finanzielle Unterstützung. DasProjekt „Netzwerk gesundheitsorientierter Be-wegungsangebote“ wird vom Verein Gesund-heitsland Kärnten in Kooperation mit den dreiSport-Dachverbänden ASKÖ, ASVÖ und Sport-union umgesetzt, sowie mit dem Club 261,dem Laufnetzwerk für Mädchen und Frauen.

GESUNDHEITSLAND KÄRNTEN

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1000 Unternehmenhaben unterzeichnet

Foto: Gesundheitsland Kärnten

Foto: Styria vitalis

Teilnehmer/innen einer Ausbildung für Übungsleiter/in-nen für Kindersport durch die Sportunion.

Alexander Hagenauer: „Wir werden Projekte fördern,welche die Kompetenz stärken, Entscheidungen im Sinneder Gesundheit zu treffen.“

Das „Gremium Gesundheitsziele“ desHauptverbands der Sozialversicherungsträgerund der Pharmawirtschaft stellt für 2014eineinhalb Millionen Euro für die Förderungvon Projekten bereit. Diese sollen „Leucht-turmcharakter haben“, Ideen für einen mög-lichen Regelbetrieb liefern und sich demSchwerpunktthema „Gesundheitskompe-tenz“ widmen. Das ist die Fähigkeit, sich ge-sundheitsrelevante Informationen beschaffensowie diese verstehen, beurteilen und aufderen Basis Entscheidungen treffen zu kön-nen. Die Einreichfrist für Projekte beginnt am1. Mai 2014 und dauert bis 3. Juli 2014.„Wir werden Projekte fördern, welche diegesündere Wahl für die Menschen zur leich-teren machen und welche die Kompetenzstärken, Entscheidungen im Sinne der Gesundheit zu treffen“, erklärt AlexanderHagenauer, Generaldirektor-Stellvertreter imHauptverband. Weitere Informationen sindauf www.pharmig.at nachzulesen, sowieauf www.hauptverband.at im Bereich„Vorsorge“ unter „Gesundheitsziele ausdem Rahmen-Pharmavertrag“.

FÖRDERUNG FÜR MEHR GESUNDHEITSKOMPETENZ

Foto: Hauptverband

1,5 MillionenEuro fürProjekte

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Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium im Interview:Wie die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erhöht und das Gesundheitssystem füralle leichter nutzbar werden soll. Text: Dietmar Schobel

GESUNDES ÖSTERREICH Frau Sektionsleiterin Rendi-Wagner,was ist Gesundheitskompetenz?Pamela Rendi-Wagner: Das ist die Fähigkeit,im Alltag jene Entscheidungen fällen zu können,die für die eigene Gesundheit förderlich sind. Dassetzt Kenntnisse über das Gesundheitssystem so-wie über Gesundheitsförderung und Präventi-

on voraus – und Möglichkeiten, um diese an-zuwenden. Das moderne Konzept von Gesund-heitskompetenz umfasst deshalb nicht nur dieFähigkeiten und das Wissen des einzelnenMenschen. Gesundheitskompetenz bezieht sichvor allem auch darauf, das Gesundheitssystemund Gesundheitsinformationen für alle leichtnutzbar und verständlich zu gestalten.

GESUNDES ÖSTERREICH Was bedeutet das in der Praxis?Das kann zum Beispiel bedeuten, Patienten im„Dschungel Krankenhaus“ und im gesamtenGesundheitssystem bessere Orientierung zugeben. Das kann auch umfassen, dass unab-hängige Quellen telefonisch oder über das In-ternet Gesundheitswissen auf dem neuestenStand leicht verständlich und zielgruppenadä-quat vermitteln. So können die Bürgerinnenund Bürger angesichts der Informationsflut zuGesundheitsthemen besser herausfinden, wasfür sie persönlich wichtig und richtig ist. Schließ-lich sollen Menschen aber auch befähigt wer-den, eine stärkere Rolle im Gesundheitssystemzu spielen. Sie sollen mehr Möglichkeiten zurBeteiligung erhalten und dabei als gleichberech-tigte Partner gesehen werden. Das lässt er-warten, dass das System besser an die Bedürf-nisse der Bevölkerung angepasst und somitauch Behandlungen besser angenommen wer-den und erfolgreicher verlaufen.

GESUNDES ÖSTERREICH Bei einer Studie zur Gesundheits-kompetenz haben die Österreicherin-nen und Österreicher im europäi-schen Vergleich 2011 schlecht abge-schnitten. Sind Maßnahmen zur Ver-besserung in Österreich besondersnotwendig?Österreich hat im Vergleich mit sieben andereneuropäischen Ländern unterdurchschnittlicheResultate erzielt. Das kann zum Teil auch in

IM GESPRÄCH

Fotos: Johannes Hloch/FGÖ

Gesundheitskompetenzbringt mehr gesunde

Lebensjahre

Pamela Rendi-Wagner: „Gesundheitskompetenz istdie Fähigkeit, im Alltag jene Entscheidungen fällen zukönnen, die für die eigene Gesundheit förderlich sind.“

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Zusammenhang zu kulturellen Unterschiedenstehen, bezogen auf die Art und Weise, wie diegestellten Fragen beantwortet werden. DerBedarf, die Gesundheitskompetenz in der Be-völkerung zu erhöhen, ist jedoch in jedem Fallvorhanden. Dies allein schon deshalb, weildadurch auch mit mehr gesunden Lebensjah-ren für die Bevölkerung und positiven Effek-ten für das Gesundheitssystem zu rechnenist. Aus der Studie lässt sich zudem ablesen,dass es zwischen einzelnen Bundesländernbeträchtliche Unterschiede gibt, und dass ziel-gruppenorientiert vorgegangen werden soll-te. Menschen, die sozial schlechter gestellt

sind, ältere Menschen und chronisch Krankesind Gruppen, deren Gesundheitskompetenzim Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerungbesonders gering ist. Sie könnten somit inbesonders hohem Ausmaß von unterstützen-den Rahmenbedingungen profitieren.

GESUNDES ÖSTERREICH Gibt es schon konkrete Vorhaben,wie die Gesundheitskompetenz derÖsterreicherinnen und Österreichererhöht werden soll?Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerungzu stärken, ist eines der zehn Rahmen-

Gesundheitsziele, die in einem Beteiligungs-prozess von Bürgerinnen und Bürgern undFachleuten erarbeitet und im August 2012vom Ministerrat beschlossen wurden. Für vierZiele, denen hohe Priorität zuerkannt wurde,wurden inzwischen Arbeitsgruppen eingerich-tet. Eine davon hat sich speziell mit Gesund-heitskompetenz beschäftigt. Rund 30 Expert/in-nen aus verschiedensten Gesellschaftsberei-chen und Politikfeldern haben drei Wirkungs-ziele festgelegt, konkrete Maßnahmen be-schrieben, wie diese erreicht werden sollen undIndikatoren festgelegt, an denen die Ergebnis-se gemessen werden sollen.

Geboren am 7. Mai 1971 in WienSternzeichen: StierIch lebe mit meinem Mann Michael Rendiund unseren beiden Töchtern (acht Jahre undvier Jahre alt) in Wien.Meine Hobbys sind Pilates, Rad Fahren undstundenlange Spaziergänge. Und natürlich mitmeinen Töchtern zu spielen: Puzzles machenuns besonderen Spaß.Ich urlaube gerne in Südfrankreich und imSommer an der Alten Donau in Wien. Im Wirtshaus bestelle ich Krautfleckerl

und dazu einen Holundersaft gespritzt.Meine Musik sind Songs der kanadischenPop-Sängerin Feist oder auch die Kinderliedervon Nena, die ich ebenfalls oft höre – nicht immer ganz freiwillig.Auf meinem Nachtkästchen liegt aktuell „What Gap?“ von Jessie Gordon. Die britische Autorin beschäftigt sich in diesemSachbuch mit Kommunikation – und welcheUnterschiede es dabei zwischen Männern und Frauen gibt.Was mich gesund erhält, sind persönliche

Ruhezeiten für mich sowie Zeit mit meiner Familie und guten Freunden verbringen zukönnen.Was krank machen kann, ist fremdbe-stimmt leben und etwas tun zu müssen, mit dem man sich nicht identifiziert.Diese drei Eigenschaften beschreiben mich am besten: Ich kann mich gut in andere hineinversetzen,bin weltoffen – und manchmal auch etwas ungeduldig.

ZUR PERSON PAMELA RENDI-WAGNER

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IM GESPRÄCH

Die Wirkungsziele lauten:

• Menschen gesundheitskompetenter zu machen und insbesondere benachteiligteGruppen zu stärken

• das Gesundheitssystem kompetenter zumachen in dem Sinne, dass es für die Nutzerinnen und Nutzer möglichst leichthandhabbar sein soll, und dabei Beteilig-te und Betroffene einzubeziehen

• und die Konsumwelten so zu gestalten, dasses einfacher wird, eine gesündere Wahl zu treffen.

GESUNDES ÖSTERREICH Was sind die nächsten Schritte?Wie Gesundheit insgesamt ist auch Gesund-heitskompetenz ein Thema, das nicht nur dasGesundheitsressort betrifft, sondern ebensoandere gesellschaftliche Bereiche – speziellauch das Bildungssystem, die Wirtschaft und denKonsumentenschutz. Deshalb wird derzeit einKonzept für eine „Plattform Gesundheitskom-petenz“ erarbeitet, welche die Zusammenarbeitund den Austausch der Stakeholder aus ver-schiedenen gesellschaftlichen und politischenBereichen koordinieren und vernetzen soll. ImEinzelnen sollen das Akteurinnen und Akteureaus dem Gesundheits- und Bildungswesen,den Ministerien, der Sozialversicherung, Länder-vertretungen, Patientenvertretungen und ande-ren Nichtregierungs-Organisationen sein. DieEntwicklung der Plattform soll koordiniert mitden entsprechenden Maßnahmen des Bun-des-Zielsteuerungsvertrages geschehen, denBund, Länder und Sozialversicherungen imRahmen der Gesundheitsreform abgeschlossenhaben.

GESUNDES ÖSTERREICH Worin soll die Tätigkeit der Plattform „Gesundheitskompetenz“bestehen?Die Plattform soll unter anderem Maßnahmenzu Gesundheitskompetenz aus verschiedens-ten Gesellschafts- und Politikbereichen bün-deln, abstimmen und bei der Umsetzung undEvaluation unterstützen. Die verschiedenstenPartnerinnen und Partner sollen die Möglichkeithaben, sich aktiv einzubringen. Dabei soll trans-disziplinär in einer Weise zusammengearbeitetwerden, die es ermöglicht, Wissen zu Gesund-heitskompetenz zu entwickeln und auszutau-schen, das über die Grenzen der einzelnen Fach-bereiche hinausreicht. Dabei könnten ergän-

zend zur klassischen Gesundheitsforschungauch Ansätze wie die „Participatory Action Re-search“ oder die „Community-Based Partici-patory Research“ angewendet werden. Das istForschung an der Schnittstelle von Wissenschaftund Praxis, die dazu beitragen kann, die Alltags-sicht von einzelnen Zielgruppen in strukturier-ter Form festzustellen. Daraus sollen sich wie-derum Anknüpfungspunkte für gezielte prakti-sche Maßnahmen ergeben. Die „Plattform Ge-sundheitskompetenz“ inklusive einer nationa-len Koordinationsstelle soll ab Mitte dieses Jah-res operativ tätig sein. Die Koordinationsstellewird mit Unterstützung der Gesundheit Öster-reich GmbH von Walpurga Weiß vom Gesund-heitsministerium geleitet werden.

Pamela Rendi-Wagner stammtaus Wien und hat 1996 ihr Medi-zinstudium an der Universität derBundeshauptstadt abgeschlossen.Während ihrer Studienzeit arbeite-te sie je vier Monate lang in Spitä-lern in England und Finnland. „Ichwar stets sehr an anderen Länderninteressiert und wollte vor allemauch verschiedene Gesundheitssys-teme von innen kennen lernen“,

erzählt Rendi-Wagner und ergänzt:„Vom ,Bedside Teaching’ im RoyalLondon Hospital war ich besondersbeeindruckt. Beim Medizinstudiumin Österreich gab es kaum direktenKontakt mit Patienten.“Die Medizinerin wurde an der Lon-don School of Hygiene and Tropi-cal Medicine zur Fachärztin ausge-bildet und kehrte 1998 an dieWiener Universität zurück. 2007

habilitierte sie am Institut für spe-zifische Prophylaxe und Tropenme-dizin: zum Thema „Epidemiologieimpfpräventabler Erkrankungen“.Danach lehrte die Mutter von zweiTöchtern als Gastprofessorin ander School for Public Health derUniversität Tel Aviv in Israel. Seit März 2011 leitet Pamela Rendi-Wagner die Sektion III, öffentliche Gesundheit und

medizinische Angelegenheiten im Bundesministerium für Gesund-heit. Gemeinsam mit der ehemali-gen Leiterin des Fonds GesundesÖsterreich und jetzigen Kabinett-chefin im GesundheitsministeriumChrista Peinhaupt zeichnet Rendi-Wagner auch für die zehnRahmen-Gesundheitsziele für ein „gesünderes Österreich“ bis2030 verantwortlich.

EIN KURZER LEBENSLAUF VON PAMELA RENDI-WAGNERFoto: Fraue

ngesun

dheitszentrum

Pamela Rendi-Wagner: „Die Bürgerinnen und Bürger sollen mehr Möglichkeiten zur Beteiligung erhalten und dabei als gleichberechtigte Partner gesehen werden.“

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GASTBEITRAG

Gesundheitsbildung ist heute sowichtig wie das Schreiben undLesen. Aus der Flut an Informa-

tionen in Medien und Internet Glaub-würdiges herauszufiltern und im eige-nen Alltag zu nutzen, bleibt für vieleschwierig. Nachhaltig gewappnet sindPatient/innen und Konsument/innen,die über Gesundheitskompetenz verfü-gen. Sie können auf gleicher Augenhö-he mit ihren Ärzt/innen sprechen undholen vor wichtigen Entscheidungeneine zweite Meinung ein. Die Fähig-keit, die richtigen Fragen zu stellen undInformationen kritisch zu prüfen, ge-hört ebenso in den „Gesundheits-Werk-zeugkoffer“ wie ein Grundverständnisüber Zusammenhänge im Gesundheits-wesen und der Krankenversorgung.

Expertinnen für sich selbstGesundheit ist auch ein Markt, undFrauen haben erfahren, dass Leistungs-anbieter/innen nicht unbedingt ihreInteressen vertreten – auch wenn dashäufig behauptet wird. Die Debatterund um die Hormonbehandlung vonFrauen in ihren Wechseljahren etwadauert nun bereits rund 40 Jahre. Siezeigt deutlich, wie wichtig es ist, Frau-en als Expertinnen für sich selbst zusehen, ihnen die Möglichkeit zu geben,Wissen über gesundheitliche Belangezu erwerben und unter Behandlungs-möglichkeiten zu wählen.

Dies haben die Aktivistinnen der Frau-engesundheitsbewegung frühzeitig er-kannt und eingefordert. Sie waren da-mit Vorreiterinnen für informierte Ge-sundheitsentscheidungen. Ihre Initiati-ven – von und für Frauen – haben viel

bewegt. Ein weiterer Erfolg war zumBeispiel die Einführung von Packungs-beilagen – erst zu Antibabypillen, dannzu allen weiteren Arzneimitteln.

Frauengesundheit in eigener HandDie Auseinandersetzung mit mächti-gen Interessengruppen wie Ärzteschaft,Pharmaindustrie und Staat nahm mitdiesen Themen ihren Anfang. Frauenbegannen sich als Expertin für sichselbst zu definieren: Wir erfahren esam eigenen Leib, wir lassen uns keineVorschriften machen, wir verlangenFakten und auch Beteiligung! Damitforderten sie, Laienkompetenz anzuer-kennen und Partizipation strukturellabzusichern. Ein aussagekräftiges Bild der Frauen-gesundheitsbewegung lässt sich auchanhand von drei zentralen Slogans skiz-zieren:

• „Frauengesundheit in eigenerHand!“ lautete die Parole für Selbstbe-stimmung. Noch heute sind Patient/in-nen und Konsument/innen gesund-heitlicher Leistungen unzureichend inEntscheidungsgremien des Gesund-heitswesens vertreten. Dies zeigt, gegenwelch große Widerstände die Bewe-gung kämpft und wie lange Reformenbrauchen.

• „Gemeinsam sind wir stark!“ sprichtden Zusammenschluss zwischen Be-troffenen in Selbsthilfegruppen, aberauch Protestbewegungen an und eben-so den Nutzen gegenseitiger Unter-stützung und Vernetzung.

• „Frauen haben das Recht auf Infor-mation!“ betont den Bedarf nach unddas Recht auf Wissen: über Medika-mente, die Frauen einnehmen, aber

auch über medizinische Eingriffe – unddie Alternativen dazu.

50 Jahre FrauengesundheitsbewegungVieles ist erreicht, vieles bleibt zu tun.Die Lebenszusammenhänge von Frau-en werden immer noch vernachlässigtoder falsch dargestellt. Frauen habennach wie vor Mühe, verständliche, qua-litätsvolle Information über Wirkun-gen und unerwünschte Wirkungen vondiagnostischen und therapeutischenVerfahren zu bekommen, besonderswenn sie zu bildungsfernen Gruppengehören oder die Mehrheitssprachenicht sprechen. So bleibt es Aufgabeder Frauengesundheitszentren, glaub-würdiges Wissen zu bieten – und da-mit Orientierung. Mit gesunder Kom-petenz können Frauen selbst bestim-men, was für sie in ihrer Lebenssitua-tion das Beste ist. Eine Herausforde-rung für das Gesundheitswesen unddie Krankenversorgung.

Der frauenbewegte Kampf um unabhängige Gesundheitsinformation und für Beteiligung ist älter,

als die aktuellen Begriffe „Gesundheitskompetenz“ und „Health Literacy“, meint Sylvia Groth, Geschäftsführerin

des Grazer Frauengesundheitszentrums, in ihrem Gastbeitrag.Denn Wissen und Macht waren von Anfang an Themen

in der Frauengesundheitsbewegung.

Foto: Frauengesundheitszentrum

ZUR PERSON

Sylvia Groth hat Soziologie studiert unddanach die Postgraduierten-StudiengängeMedizin-Soziologie und Frauengesund-heitsforschung an der George WashingtonUniversity, USA, absolviert. Nach zwölfJahren im Feministischen Frauengesund-heitszentrum Berlin wechselte sie 1993 in das Grazer Frauengesundheitszentrum.Sie berät und publiziert zu ihren Arbeits-schwerpunkten Brustgesundheit – Mam-mografie-Screening, Wechseljahre, Patien-tinnenrechte, Patientinnenbeteiligung undGesundheitskompetenz.

Unsere Körper, unsere Leben

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UMFRAGE

Petra RustAssistenz-Professorin am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien

Wenn man sich gesund ernähren möchte, dann hat man in Österreich die besten Möglichkeiten, das auch zu tun. Bei unssind eine sehr große Vielfalt an Obst und Gemüse sowie viele Getreidesorten und unterschiedliche vollwertige Brotsorten er-hältlich. Wer beim Einkauf auf das Preis-Leistungsverhältnis achtet, wird zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit eher regionalund saisonal einkaufen. Die Ernährungspyramide hat ebenfalls viel zur Gesundheitskompetenz im Bereich der Ernährungbeigetragen. Sie gibt seit rund drei Jahren bundesweit einheitliche Ernährungsempfehlungen und macht auch ersichtlich, inwelchen Mengen Lebensmittel genossen werden sollten. Aus Studien wissen wir auch, dass die vorhandenen, numerischenNährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen sowie die Ernährungspyramide von den Konsumenten gut verstandenwerden. Damit der Schritt vom Wissen zum Tun leichter wird, ist es zudem besonders wichtig, das Angebot für Gemein-schaftsverpflegung gesünder zu gestalten. Am besten geschieht das durch bundesweite Programme und nicht durch einzel-ne Projekte. Das ÖGE-Gütesiegel der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung unterstützt Verbraucher/innen ebenfallsdabei, ernährungsphysiologisch wertvolle Menüs auszuwählen. Von Werbeverboten für bestimmte Produkte, wie etwa starkzuckerhaltigen Limonaden, sind jedoch keine günstigen Effekte zu erwarten. Dadurch würden diese Lebensmittel für die Konsument/innen nur umso interessanter werden.

Werner QuasnickaGeschäftsführer der Fit Sport Austria GmbH

Es ist noch sehr viel zu tun, um unsere Lebenswelten bewegungsförderlicher zu gestalten. Das beginnt damit, wie neue Gebäude errichtet werden: Durchwegs stehen die Aufzüge im Mittelpunkt und die Treppenhäuser sind zum Teilnur schwer zu finden. Außerdem müsste die Verkehrsinfrastruktur viel mehr auf Fußgänger/innen sowie Radler/innenausgerichtet werden. Derzeit ist fast alles so organisiert, dass der motorisierte Individualverkehr bestmöglich fließen kann.Auf der Ebene des Gesundheitswissens müssen die positiven Wirkungen von Bewegung durch klare Botschaften undaussagekräftige Bilder noch viel stärker deutlich gemacht werden. Wir Menschen sind von Natur aus nicht dafür ge-macht, den ganzen Tag nur in Büros oder vor dem Computer zu sitzen. Um die Gesundheit zu fördern, sollten wir proTag mindestens 5.000 Schritte gehen oder in ähnlicher Weise körperlich aktiv sein. Regelmäßige Bewegung verbessertzudem unsere geistigen Leistungen. Sportvereine leisten hier einen wesentlichen Beitrag. Wer durch körperliche Aktivi-tät etwas für seine Gesundheit tun will, findet auf unserer Website www.fitsportaustria.at mehr als 8.000 entspre-chende Angebote der Sportverbände ASKÖ, ASVÖ und SPORTUNION. Dort kann gezielt nach gesundheitsorientiertenBewegungsangeboten in der Nähe des eigenen Wohnortes gesucht werden.

Christoph HeiglKoordinator des Österreichischen Netzwerkes für Betriebliche Gesundheitsförderung

Jeder Betrieb ist anders, deshalb lässt sich das nicht pauschal beantworten. Sicher ist jedoch, dass sich durch um-fassende Betriebliche Gesundheitsförderung die Verhältnisse so verändern lassen, dass es für die Beschäftigtenleichter wird, sich gesundheitsförderlich zu verhalten. Dabei gilt jedoch das „Matthäus-Prinzip“, nach dem Bibel-Zitat: „Wer da hat, dem wird gegeben.“ Von den Maßnahmen zur Gesundheitsförderung profitieren diejenigenam meisten, die zuvor bereits über eine vergleichsweise hohe Gesundheitskompetenz verfügt haben. Deshalb istBeteiligung als Grundprinzip der Gesundheitsförderung besonders wichtig, damit möglichst alle Mitarbeiter/innenerreicht werden. Aus Meta-Analysen wissen wir auch, dass Arbeiterinnen und Arbeiter im Durchschnitt wenigerMöglichkeiten haben, ihre Beschäftigung gesund zu gestalten als Angestellte. Gleichzeitig gilt, dass Betriebe ins-gesamt eine Lebenswelt sind, in der prinzipiell Menschen aus sehr vielen unterschiedlichen Gruppen der Gesell-schaft erreicht werden können. Der Idee des Setting-Ansatzes folgend, wird die im Betrieb erworbene Gesund-heitskompetenz dann auch in anderen Lebenswelten umgesetzt, etwa in der Familie oder auch in der Freizeit. Ein interessantes Detail ist, dass laut einer Erhebung in Deutschland bei Personen mit höherer Gesundheitskom-petenz seltener „Präsentismus“ vorkommt. Das heißt, sie arbeiten seltener als andere auch dann, wenn ihr Ge-sundheitszustand es rechtfertigen würde, von der Arbeit fern zu bleiben. Für Betriebe ist das günstig, da Präsen-tismus hohe Kosten verursachen kann. Bei Erkrankungen sind Fehler häufiger und dadurch sinkt die Produktivität.

Sind unsere Lebenswelten so gestaltet, dass gesundes Verhalten erleichtert wird? Was sollte allenfalls verändert werden, damit die gesündere Wahl einfacher wird? Expert/innen für gesunde Betriebe,

Ernährung und Bewegung geben Antworten.

Erleichtern unsere Lebenswelten gesunde Entscheidungen?

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WISSEN

13gesundesösterreich

STUDIE DES LBIHPR

Das Ludwig Boltzmann InstitutHealth Promotion Research(LBIHPR) hat im Auftrag desHauptverbandes der Sozialversi-cherungsträger die Gesundheits-kompetenz von Jugendlichen inÖsterreich erhoben. Dafür wur-den 571 Teenager im Alter von 15Jahren befragt. Die Jugendlichenhatten zu 58 Prozent nur eine„limitierte umfassende Gesund-

heitskompetenz“, schreiben dieAutor/innen der 2013 veröffent-lichten Studie, Florian Röthlin,Jürgen Pelikan und Kristin Ga-nahl. Dies sei somit bei ihnen so-gar „etwas öfter“ der Fall als beiden Österreicher/innen ab 15 Jah-ren, deren Gesundheitskompe-tenz im Rahmen des EuropeanHealth Literacy Survey (siehe auchArtikel auf den Seiten 22 und 23)bestimmt worden war. Die„schlechteste Gruppe mit inadä-quater Gesundheitskompetenz“

sei jedoch mit elf Prozent bei denJugendlichen kleiner als bei denErwachsenen mit 18,2 Prozent.Die Studie zeigt unter anderem,dass Jugendliche mit höherer Ge-sundheitskompetenz auch häu-figer Sport betreiben. Zwischender Gesundheitskompetenz unddem Rauchverhalten, dem Alko-holkonsum oder dem Body MassIndex, einer Messgröße für Über-gewicht, konnten jedoch bei den15-Jährigen keine Zusammen-hänge festgestellt werden.Fo

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ers – Fotolia.com

Was Jugendliche von Gesundheit verstehen

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Entscheidungshilfenim Internet

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AVOS SALZBURG

Soll ich an einem Vorsorge-Screening teilnehmen? Wasspricht für und gegen eine Be-handlungsmethode? Woran er-kenne ich eine gute Arztpraxis?Für Fragen wie diese wurdenauf dem Online-Portalwww.GesundheitSalzburg.atim Bereich „Service“ „Entschei-dungshilfen“ in Form einerLinkliste mit Kurzbeschreibun-gen gesammelt. Unter ge-sundheitsalzburg.at/in-halt/entscheidungshilfenfinden sich nun elektronischeVerknüpfungen zu etlichen Sei-ten und Broschüren, die Pa-

tientinnen und Patienten da-bei unterstützen sollen, jeneGesundheitsentscheidungen zutreffen, die für sie selbst ambesten sind. Dabei geht es zumBeispiel um Themen wie HPV-Impfung, Mammographie-Screening, Hormonbehandlung

in den Wechseljahren, Organ-spenden oder die Früherken-nung von Prostatakrebs.www.GesundheitSalzburg.atwird im Auftrag des LandesSalzburg von AVOS umgesetzt,dem Arbeitskreis Vorsorgeme-dizin Salzburg.

Foto: lassedesignen

WISSEN

NEUER UNI-LEHRGANG

Gerontologieund soziale Innovation

Von Projekten zu Programmen

ARBEITSPROGRAMM2014 DES FGÖ

Mittlerweile wurden in Öster-reich eine Vielzahl von Projek-ten zur Gesundheitsförderungerfolgreich durchgeführt. Nunsollen geeignete Initiativen inForm von Programmen breiterumgesetzt werden. Das wirdim Arbeitsprogramm 2014 desFonds Gesundes Österreich(FGÖ) berücksichtigt. Unter an-derem wurde ein Arbeits-schwerpunkt eingerichtet, derauf einem erfolgreichen Pro-jekt in der Lehrlingsstiftung Eg-genburg aufbaut. Die dabei ge-sammelten Erfahrungen sollenin größerem Maßstab genutztwerden. Überbetriebliche Ein-richtungen zur Lehrausbildungsind eingeladen, Projekte zur

Gesundheitsförderung beimFGÖ einzureichen. Ein ähnli-cher Weg wird beim Transferder Ergebnisse der 2013 er-folgreich abgeschlossenen 1.Phase der Initiative „Auf gesun-de Nachbarschaft!“ des FGÖbeschritten. Die Förderschiene„Gemeinsam gesund in ...“widmet sich nun ebenfalls vor-rangig Projekten, welche dieVernetzung und das Miteinan-der von Menschen in Nachbar-schaften und damit deren Ge-sundheit fördern. Im Arbeits-programm 2014 sind zudemdie Aktivitäten und Ziele in denSchwerpunkten „Kindergar-ten/Schule“, „Arbeitsplatz/Be-trieb“, „Gemeinde/ Stadt“,„Beratungs- und Sozialeinrich-tungen“, „Bewegung und Er-nährung“ sowie „Psychosozia-le Gesundheit“ beschrieben.

Außerdem sind die Prinzipienund Methoden der Gesund-heitsförderung Inhalt des 35Seiten starken Dokuments. ImAbschnitt „Umsetzung“ sindEinzelheiten zur Projektförde-rung durch den FGÖ nachzule-sen. Das Arbeitsprogramm istunter www.fgoe.org im Be-reich „Publikationen“ unter„Downloads“ verfügbar.

Eine Gesellschaft der Langlebigkeit er-fordert nachhaltige soziale Innovatio-nen in allen Feldern des sozialen Han-delns mit und für alte Menschen. Derneue Universitätslehrgang „Gerontolo-gie und soziale Innovation“ bietet hier-für ab Oktober 2014 fundiertes Wissen.„Das Alter“ wird dabei nicht isoliert be-trachtet, sondern als eine von mehre-ren Phasen im Lebenslauf. Der Univer-sitätslehrgang wird vom PostgraduateCenter der Universität Wien in Koope-ration mit der Fachhochschule CampusWien angeboten und von Franz Kolland

geleitet.Im Lehrgang wird eine Übersicht zumSystem der österreichischen Sozialpoli-tik und des Sozialschutzes vermittelt.Dies wird durch die Auseinanderset-zung mit Spezifika der Gesundheitsför-derung und der Pflegepolitik bei altenMenschen ergänzt – und zwar sowohlim Bezug auf die stationäre als auch aufdie ambulante und informelle Versor-gung. Der Lehrgang kostet 9.800 Eurowird berufsbegleitend angeboten unddauert vier Semester. Teilnahmevoraus-setzung ist ein erfolgreich abgeschlos-senes Studium. Die Bewerbungsfristendet mit 30. Juni. Weitere Informatio-nen sind unter www.postgraduatecen-ter.at im Bereich „Bildung und Sozia-les“ nachzulesen.

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Faire Chancen auf Gesundheit für alle

WORKSHOP DER GÖG

„Gesundheitliche Ungleich-heiten konnten in allen indus-trialisierten Ländern für un-terschiedlichste Maße der Gesundheit und des sozioöko-nomischen Status nachge-wiesen werden“, referierteMatthias Richter Ende des ver-gangenen Jahres bei einemWorkshop zur „Gesundheitli-chen Chancengerechtigkeit“in den Räumen der Gesund-heit Österreich GmbH (GÖG)in Wien. Der Direktor des Instituts für Medizinische So-ziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenbergin Deutschland wies zudemdarauf hin, dass sich diese Un-

terschiede in den vergange-nen Jahrzehnten noch vergrö-ßert hätten: „Vereinfacht dar-gestellt könnte man auch sa-gen, dass jeder Euro, den manzusätzlich verdient, die Le-benserwartung beeinflussenkann.“ Ingrid Stegeman von EuroHe-althNet mit Sitz in Brüssel prä-sentierte das EU-Programm„Equity Action“. Dieses wur-de zwischen Februar 2011 undFebruar 2014 in 15 Staatendurchgeführt und war mit ei-nem Budget von 3,6 Millio-nen Euro ausgestattet. Zielwar, Wissen zu Methoden zurReduktion sozio-ökonomischbedingter gesundheitlicher Un-gleichheit zu erwerben undauszutauschen. Außerdem

sollten auf europäischer Ebe-ne effektive Strategien fürmehr Chancengerechtigkeitentwickelt werden. Fallbeispie-le aus verschiedenen Ländernsowie weitere Einzelheitensind unter www.equityac-tion-project.eu nachzule-sen. Insgesamt nahmen rund70 Vertreter/innen aus For-schung, Praxis und Verwaltungan dem Workshop teil. Er wur-de von der GÖG-Task Force„Sozioökonomische Determi-nanten der Gesundheit“ ver-anstaltet, die von GudrunBraunegger-Kallinger vomFonds Gesundes Österreichgeleitet wird. Näheres dazuist unter www.gesundheits-ziele-oesterreich.at nach-zulesen.

WISSEN

15gesundesösterreich

HANDBUCH „WALKABILITY“

Bewegungsförderungin der Kommune

Generationenbeziehungen im Wandel

16. KONFERENZ ZUR GESUNDHEITSFÖRDERUNG

DES FGÖ

Auf die „Generation X“ der90er Jahre ist die „Generati-on Y“ gefolgt. Aktuell spre-chen manche Soziolog/innenvon der „Limbo-Generation“,für die es auch trotz Studiumszunehmend schwieriger wer-de, ihren Platz am Arbeits-markt und in der Gesellschaftzu finden. Was haben die Ge-meinsamkeiten einer Genera-tion früher bedeutet? Was be-deuten sie heute, und waslässt sich daraus für die Theo-rie und Praxis von Gesund-heitsförderung im Lebensver-lauf ableiten? Mit diesen undanderen Fragen zum Thema„Generationen und Genera-tionenbeziehungen im Wan-

del“ wird sich die 16. österrei-chische Gesundheitsförde-rungskonferenz des Fonds Ge-sundes Österreich beschäfti-gen. Sie wird am Montag 16.und Dienstag 17. Juni im De-

sign Center Graz stattfinden.Weitere Informationen sindunter www.fgoe.org verfüg-bar. Die Anmeldung ist unterweiterbildungsdaten-bank.fgoe.org möglich.

Dem Konzept der „Walkability“ ist ein„Handbuch zur Bewegungsförderung inder Kommune“ gewidmet, das Anfangdes Jahres im Verlag Hans Huber in Bernerschienen ist. Dieser Ansatz geht davonaus, dass für nachhaltige Bewegungsför-derung nicht Maßnahmen für einzelneMenschen im Zentrum stehen sollten.Vielmehr sollten die Wohnumgebung unddie gesamte Infrastruktur so gestaltet wer-den, dass körperliche Aktivität erleichtertwird. „Walkability“ ist dabei nicht auf diePerspektive von Fußgänger/innen einge-grenzt, sondern soll die Verhältnisse insge-samt bewegungsfreundlicher machen. Sosollen letztlich auch Effekte auf Ebene derBevölkerung erzielt werden. Das betrifftin der Praxis verschiedene Ressorts derKommunen und dazu können auch ver-schiedene wissenschaftliche Disziplinenbeitragen – von Public Health, Stadt- undVerkehrsplanung und Psychologie überSportwissenschaft und Medizinische Geo-graphie bis zu Umwelt- und Politikwis-senschaft. Deren Blickwinkel auf das The-ma sind in dem erwähnten Handbuch ge-sammelt. Zudem werden methodische As-pekte beschrieben und Praxisbeispiele für„Walkability“ aus der Schweiz undDeutschland vorgestellt.

Jens Bucksch und Sven Schneider(Herausgeber): „Walkability: Das Handbuch zur Bewegungsförderung in der Kommune“. Verlag Hans Huber,Bern, 2014, 352 Seiten, 49,95 Euro.

Foto: Pavel Losevsky - F

otolia.com

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16 gesundesösterreich

WISSEN

W ir alle fällen Entscheidungen,die sich auf unsere Gesund-heit auswirken können. Und

wir tun das jeden Tag. Ob wir mitdem Auto fahren oder zu Fuß ge-hen. Ob wir uns nach dem Essennoch ein kleines Dessert gönnen.Oder doch ein etwas größeres. Obwir uns für eine bestimmte Behand-lung entscheiden, die uns Freunde,Bekannte oder auch Fachleute emp-fohlen haben. Die Fähigkeit, dieseEntscheidungen so zu fällen, dasssie sich möglichst positiv auf unse-re Gesundheit auswirken, wird als„Gesundheitskompetenz“ bezeich-net. Die weltweit renommierte Ge-sundheitsexpertin Ilona Kickbusch(siehe auch Interview auf Seite 35)geht in ihrem 2006 erschienenenBuch „Die Gesundheitsgesellschaft“sogar davon aus, dass „jede Entschei-dung, die wir treffen zugleich auchimmer eine Gesundheitsentschei-dung“ sein könne.„Laut einer international anerkann-ten Definition bezeichnet Gesund-heitskompetenz die Fähigkeit derMenschen, sich Zugang zu gesund-heitsrelevanten Informationen zu ver-schaffen und diese zu verstehen, zubeurteilen und anzuwenden, um fürsich die richtigen Entscheidungen inden Bereichen Gesundheitsversor-gung, Prävention und Gesundheitsför-derung zu treffen“, erklärt Werner Bencic. Zur Unterstützung der Ge-sundheitskompetenz solle nicht da-rauf vergessen werden, Gesundheitund das Gesundheitssystem besserlesbar und besser verständlich zu ma-chen, betont der Leiter des Referats für

Gesundheitsstrategie und Wissen-schaftskooperation der Oberösterrei-chischen Gebietskrankenkasse. DasSpektrum möglicher Maßnahmen rei-che von übersichtlichen gesundheits-relevanten Angaben auf Lebensmittel-verpackungen bis zu Leitsystemen inGesundheitseinrichtungen, die auchvon Menschen mit geringer Gesund-heitskompetenz verstanden werdenkönnten.

Ebenen der GesundheitskompetenzDer australische Public-Health-Ex-perte Don Nutbeam unterscheidet dreiEbenen der Gesundheitskompetenz:Die funktionale Gesundheitskompetenzbezieht sich darauf, dass ausreichen-

de Lese- und Schreibfähigkeiten not-wendig sind. Als interaktive Gesund-heitskompetenz wird die Fähigkeit be-schrieben, Gesundheitsinformatio-nen zu sammeln und dieses Know-how in der Kommunikation mit an-deren auch anzuwenden. Wer zudem kritische Gesundheitskompetenz hat,kann Gesundheitsinformationen auchbewerten und zum Beispiel einschät-zen, ob sie wissenschaftlich gut belegtsind. „Das kann auch bedeuten, Fak-ten mit dem entsprechenden Selbst-bewusstsein dem eigenen Wertesys-tem gegenüberstellen zu können –und sich dann für das zu entscheiden,was einem für das eigene Leben alsrichtig erscheint“, erklärt Sylvia Groth,

Informationen verständlich,

Organisationenübersichtlich gestalten

Fotos:

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Gesundheitskompetenz steht in direktem Zusammenhang zur Gesundheit. Sie kann auf persönlicher Ebene und auf jener der Systeme

unterstützt werden. Text: Dietmar Schobel

Werner Bencic: „Gesundheits-kompetenz heißt, sich Gesundheits-informationen verschaffen und dieseverstehen, beurteilenund anwenden zu können.

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Wer über eine relativ geringe Gesundheitskompetenz verfügt,

• trifft mit höherer Wahrscheinlichkeitschlechtere Gesundheitsentscheidungen,

• nimmt seltener Vorsorgeangebote inAnspruch

• und weiß weniger über Krankheiten.

Weiters ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass

• Diagnosen später gestellt werden,

• die „Compliance“ oder auch „Therapie-treue“ bei Erkrankungen geringer ist

• und die Fähigkeiten zum Selbstmanage-ment bei Erkrankungen schlechter sind.

Schließlich ist auch

• das Risiko für Spitalsaufnahmen erhöht,

• die physische und psychische Gesundheitschlechter,

• das Sterblichkeitsrisiko größer

• und die Gesundheits- und Behandlungs-kosten sind wahrscheinlich höher als jenevon Menschen mit mehr Gesundheits-kompetenz.

Quelle: „Health Literacy – ,The Basics’, Revised Edition“, Seite 20.

„Health Literacy – ,The Basics’, Revised Edition“ heißt eine 2011 veröffentlichte Publikation des Medien-Netzwerkes „World Health Communication Network“, die unter www.whcaonline.org im Bereich „Publikationen“ verfügbar ist. Von Daten aus empirischen Erhebungen ausgehend werden darin die negativen Konsequenzen geringer Gesundheitskompetenz wie folgt beschrieben:

WIE SICH GERINGE GESUNDHEITSKOMPETENZ AUF DIE GESUNDHEIT AUSWIRKT

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Fotos: Julien Eichinger - Fotolia.com

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KK/Landl

die Leiterin des Frauengesundheits-zentrums Graz.

Direkter Zusammenhang zur GesundheitZwischen der Gesundheitskompe-tenz und der Gesundheit besteht eindirekter Zusammenhang. Das heißt,wer über mehr Gesundheitskompe-tenz verfügt, erfreut sich in der Re-gel auch besserer Gesundheit. DieGesundheitskompetenz der Bevöl-kerung weiter zu stärken und insbe-sondere jene von benachteiligtenGruppen ist deshalb auch eines derzehn Rahmen-Gesundheitsziele. Als„richtungsweisende Vorschläge fürein gesünderes Österreich“ sollensie innerhalb der nächsten 20 Jahreden Menschen zwei zusätzliche Le-bensjahre bei guter Gesundheit brin-gen. Unter www.gesundheitsziele-oesterreich.at sind weitere Informa-tionen dazu nachzulesen. In einerArbeitsgruppe, die von Judith delleGrazie vom Gesundheitsministeri-um geleitet wurde, haben rund drei-ßig Expertinnen und Experten ausverschiedenen Ministerien, Interes-senvertretungen und Nicht-Regie-rungsorganisationen konkrete Vor-schläge erarbeitet, wie speziell dasZiel 3, höhere Gesundheitskompe-tenz, durch neue Angebote sowieden Ausbau bestehender erreichtwerden soll. Zu drei „Wirkungszie-

len“, die sich auf das Gesundheits-system, die persönliche Gesund-heitskompetenz und den Dienstleis-tungs- und Produktionssektor be-ziehen, wurden Maßnahmen undIndikatoren erarbeitet.

Geplante MaßnahmenFür das Gesundheitssystem soll einSchwerpunkt dabei zum Beispiel da-rauf liegen, unabhängige Informatio-nen zur Verfügung zu stellen, etwadurch einen telefon- und webbasier-ten Beratungsservice zu Gesund-heitsfragen für alle Bürgerinnen undBürger. Weiters sollen beispielweiseGesundheitseinrichtungen mit Be-teiligung der Patient/innen über-sichtlicher und einfacher nutzbargestaltet werden. Mit Bezug auf diepersönliche Gesundheitskompetenzist ein Vorschlag etwa, das beste-hende bundesweite Programm„Richtig essen von Anfang an“ (RE-VAN) zu erweitern. Es bietet Ernäh-rungsberatung in Schwangerschaft,Stillzeit und Beikostalter und solldurch Workshops für Eltern von ein-bis dreijährigen Kindern und spe-ziell für Menschen mit Migrations-hintergrund und bildungsferneGruppen ergänzt werden.

Ein Thema, das alle angeht„Das Konzept der Gesundheitskom-petenz macht gezieltere Gesund-

heitsversorgung und ebenso Maß-nahmen zur Prävention und Ge-sundheitsförderung zu Themen, diealle angehen und die von allen Ak-teurinnen und Akteuren im Gesund-heitssystem gemeinsam angegan-gen werden können und sollen“,sagt die Wiener Frauengesundheits-beauftragte Beate Wimmer-Puchinger(siehe auch Kurzporträt auf Seite 4),die stellvertretende Leiterin der er-wähnten Arbeitsgruppe zum Rah-men-Gesundheitsziel 3 „Gesund-heitskompetenz“ und ergänzt: „Dasist der große Vorteil dieses Ansat-zes. Er beinhaltet nichts grundle-gend Neues, bezieht jedoch allewichtigen Gruppen im Gesundheits-wesen und anderen gesellschaftli-chen Bereichen mit ein und bietetihnen Anknüpfungspunkte.“Auf Ebene des Gesundheitssystemssei es vor allem wichtig, dieses über-sichtlich und möglichst einfach nutz-bar zu gestalten, und dies speziell fürAngehörige sozial benachteiligterGruppen, meint auch Wimmer-Pu-chinger und ergänzt: „Wir müssenalle Angebote für Gesundheitsver-sorgung und Prävention daraufhinabklopfen, ob sie transparent, nieder-schwellig und für alle gut nachvoll-ziehbar sind.“ Auf individueller Ebe-ne sei es zwar wichtig, den Menschenin möglichst leicht verständlicherSprache mehr Wissen über Gesund-

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GESUNDES ÖSTERREICHHerr Professor Abel, wer arm ist und gering gebildet, hat auch schlechtereChancen auf gute Gesundheit. Kann dasdurch Maßnahmen für mehr Gesund-heitskompetenz verbessert werden?Thomas Abel: Nur wenn Gesundheitskom-petenz gezielt gefördert wird. Denn nicht nurdie Chancen auf Gesundheit sind ungleichverteilt, auch jene für den Erwerb von mehrGesundheitskompetenz. Menschen mit Mi-grationshintergrund, geringem Einkommenund niedrigem Bildungsniveau habenschlechtere Voraussetzungen, ihr Wissen überGesundheitsthemen zu erhöhen und dannauch anzuwenden. Deshalb müssen wir dasKonzept der Gesundheitskompetenz vorMissbrauch bewahren. Es birgt die Gefahr,dass die Eigenverantwortung zu sehr ins Zen-trum gestellt wird, und dass denjenigen, de-nen es gesundheitlich ohnehin schonschlechter geht, die Schuld dafür zugewiesenwird. Letztlich kann dadurch die gesundheitli-che Ungleichheit sogar noch vergrößert wer-den.

GESUNDES ÖSTERREICHWie kann das vermieden werden?Die Mittel zur Förderung von Gesundheits-kompetenz müssen besonders für die Gruppe

der sozial Benachteiligten eingesetzt werden.Ganz wesentlich ist, dass dabei die Men-schen als Expert/innen für ihre Lebensbedin-gungen wahrgenommen werden. Wir müs-sen systematisch erfragen, was aus Sicht derBetroffenen in ihrer Lebenssituation im Vor-dergrund steht und welche Gesundheitsfra-gen in ihrem Alltag von Bedeutung sind.

GESUNDES ÖSTERREICHTrägt letztlich nicht auch der einzelneMensch Verantwortung für seine Gesundheit?Ja, aber dabei ist wichtig, dass es nicht aus-schließlich um Eigenverantwortung, sondernum Mitverantwortung für die eigene Gesund-heit und auch die des eigenen Umfeldesgeht. Das Wissen und die Entscheidungendes Einzelnen sind von Bedeutung, aber zu-erst müssen wir als Gemeinschaft Strukturenschaffen, die es erleichtern, gesund zu blei-ben.

GESUNDES ÖSTERREICHWie sollte das in die Praxis umgesetztwerden?Von reinen Informationskampagnen halte ichwenig. Stattdessen sind praktische Interven-tionen notwendig, die jene sozialen Kompe-tenzen berücksichtigen, die bei einer Gruppe

schon vorhanden sind. Dabei sollten wir dieMenschen als aktive Ko-Produzenten ihrerGesundheit und jener ihrer Gemeinschaftverstehen. Gesundheitskompetenz zu vermit-teln, bedeutet auch, die Menschen zu mehrMündigkeit und Selbstbestimmtheit zu befä-higen und dazu, das Recht auf Gesundheitfür sich und ihre Gruppe einzufordern. Dannkönnte Gesundheitskompetenz letztlich Teileiner „Gesundheitskultur“ sein. Wir brau-chen eine Gesellschaft, die Gesundheitskom-petenz fördert und ihr dann auch Raum gibt.Eine Gesellschaft, in der die Menschen auchwissen, welche strukturellen Lebensbedin-gungen für Gesundheit günstig sind, und inder sie sich aktiv dafür einsetzen, dass solcheBedingungen für sie selbst und ihre Gemein-schaft geschaffen werden.

Thomas Abel von der Universität Bern im Interview: Warum speziell die Gesundheitskompetenz sozial Benachteiligtergefördert werden muss und weshalb das gemeinsam mit den Betroffenen geschehen sollte.

WIR BRAUCHEN EINE GESELLSCHAFT, DIE GESUNDHEITSKOMPETENZ FÖRDERT

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ren in allen ihren Lebenswelten schaf-fen, die das erleichtern – sei das in derSchule, am Arbeitsplatz oder imWohnort.“ Das große Ziel der Ge-sundheitsförderung sei es, dass dieMenschen in und durch ihre Lebens-welten gestärkt würden, ergänztBraunegger-Kallinger: „Partizipationund Empowerment sind Grundprin-zipien der Gesundheitsförderung,und das bedeutet, dass Menschen indie Gestaltung ihrer Lebenswelteneinbezogen werden. Nur wenn dieMenschen ihre Umwelten verstehen,können sie sich gut für die eigenen Be-lange und die ihrer Mitmenschen ein-setzen.“

gen zu vermitteln, so die Wiener Frau-engesundheitsbeauftragte: „Noch soviel Gesundheitswissen nützt nichts,wenn jemand sich nicht traut, bei derÄrztin oder dem Arzt auch einmalnachzufragen.“

Mitreden und mitentscheidenDas betont auch Gudrun Braunegger-Kallinger, Gesundheitsreferentin beimFonds Gesundes Österreich: „Wissendarüber, was gut für das eigene Wohl-befinden ist und die Gesundheitstärkt, ist notwendig. Zudem müs-sen wir aber vor allem die Fähigkeitder Menschen stärken, mitzuredenund mitzuentscheiden und Struktu-

heitsthemen zugänglich zu machen.Wesentlich sei aber vor allem auch,den Bürgerinnen und Bürgern mehrSelbstbewusstsein in Gesundheitsfra-

Thomas Abel ist Professor der Universität Bern und Vize-Direktor vonderen Institut für Sozial- undPräventivmedizin.

Gudrun Braunegger-Kallinger:„Das große Ziel der Gesundheits-förderung ist es, die Menschen in und durch ihre Lebenswelten zu stärken.“

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WISSEN

D ie Gesundheitskompetenz vonMenschen und Systemen zu er-höhen, war immer schon The-

ma der Gesundheitsförderung“, sagtKarin Reis-Klingspiegl. Das bedeutevor allem, Systeme leicht lesbar zugestalten, und so, dass die gesündereWahl für die Menschen die einfache-re werde, ergänzt die Geschäftsführe-rin der steirischen Einrichtung für Ge-sundheitsförderung Styria vitalis.Christian Scharinger sieht das ähnlich:„Das Konzept der Gesundheitskom-petenz kommt vor allem aus der Ver-sorgung, gleichzeitig ist es jedoch mitder Grundidee von Gesundheitsförde-rung verbunden“, sagt der Organisa-tionsentwickler und Experte für Be-triebliche Gesundheitsförderung.

Gesundheitsförderung in SettingsUm Gesundheitsförderung zielorien-tiert und wirkungsvoll umzusetzen,hat sich der so genannte „Settingan-satz“ bewährt. Das heißt, die Men-schen sollen in ihren Lebensweltenoder auch in bestimmten sozialen Zu-sammenhängen erreicht werden. DieRahmenbedingungen in Settings wieKindergarten und Schule, Arbeits-platz, Gemeinde und Stadt sowie Be-ratungs- und Sozialeinrichtungen sol-len so gestaltet werden, dass alle da-von profitieren.Reis-Klingspiegl gibt ein praktischesBeispiel: „Wenn zum Beispiel Kurseoder Vorträge zu Gesundheitsthemenangeboten werden, gehen meistensnur jene hin, die sich ohnehin schon

dafür interessiert haben. Werden hin-gegen die Kernaufgaben von Syste-men gesünder gestaltet, dann habenalle etwas davon. Das kann etwa inden Schulen das Lehren und Lernenoder das können in Betrieben die Ar-beitsprozesse und -bedingungensein.“ Ersteres wird auch „Add-on-Strategie“ genannt und ist eine zu-sätzliche Aufgabe, die auch wiederweggelassen werden kann. Zweite-res ist eine „Add-in-Strategie“ undsoll im Sinne der settingorientiertenGesundheitsförderung für eine ins-gesamt gesündere Lebenswelt sor-gen. Auf Ebene der Gemeinden seidafür unter anderem zentral, wie „be-teiligungsfreundlich“ diese seien, soReis-Klingspiegl.

Informieren, involvieren und investierenChristian Scharinger hebt hervor, dassdas Konzept der Gesundheitskom-petenz stärker in den Vordergrundrücke, dass Informationen leicht ver-ständlich und für alle gleichermaßenzugänglich sein sollten. Der Ober-österreicher beschreibt drei Stufen,wie das umgesetzt werden könne,nämlich: „Informieren, Involvierenund Investieren“. „Das heißt, dasswir zunächst so kommunizieren müs-sen, dass möglichst viele Menscheninteressiert werden. Weiters müssenwir Möglichkeiten zur Beteiligunganbieten und bereit sein, auch perso-nelle und finanzielle Ressourcen zuinvestieren“, sagt Scharinger zusam-menfassend.

Die Gesundheitskompetenz von Menschen undSystemen zu erhöhen, ist ein Kernkonzept der

Gesundheitsförderung. Durch den Settingansatz wird es zielorientiert und wirkungsvoll umgesetzt.

Text: Dietmar Schobel

Gesundheitsförderung schafft Kompetenz

Christian Scharinger:„Das Konzept der Gesundheitskompetenz ist mit der Grundidee von Gesundheitsförderungverbunden.“

Fotos: An

dreas Ba

lon, privat

KOMPETENZ FÜR PSYCHO-SOZIALE GESUNDHEIT

„In der Gesundheitsförderung ist es wichtig, zu ver-mitteln, dass die psychosoziale Gesundheit beein-flussbar ist“, erklärt Gerlinde Rohrauer-Näf, Ge-sundheitsreferentin beim Fonds Gesundes Öster-reich. Das betreffe nicht nur die eigene psychoso-ziale Gesundheit. Auch das Wissen darüber, dassman die psychoso-ziale Gesundheitund das Wohlbefin-den anderer be-wusst oder unbe-wusst beeinflusst,sei wichtig, ergänztRohrauer-Näf: „Dasgilt besonders für El-tern, Lehrer/innen,Führungskräfte, Po-litiker/innen undProjektleiter/innen. Darüber hinaus geht es darum,praktische Lebenskompetenzen zu vermitteln, zumBeispiel für den Umgang mit Emotionen oder auchCoping-Strategien, die uns helfen alltägliche Heraus-forderungen und schwierige Lebensereignisse zubewältigen.“ Diese Kompetenzen könnten durchTrainingsmaßnahmen erfolgreich geschult werden,erläutert Rohrauer-Näf und fügt hinzu: „Nachhal-tige Wirkungen sind vor allem dann zu erwarten,wenn auch das Setting ringsum, wie etwa eineSchule oder ein Betrieb, solche Fähigkeiten fördertund auch insgesamt gesundheitsförderlich ist. Dasist zum Beispiel der Fall, wenn die Beziehungenzwischen Schüler/innen und Lehrer/innen oder Füh-rungskräften und Mitarbeiter/innen unterstützendund vertrauensvoll sind.“

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21gesundesösterreich

Quelle für die drei Grafiken: vereinfacht nach: „Health Literacy – The solid facts“, World Health Organization, 2013

ALLES, WAS SIE ÜBER GESUNDHEITSKOMPETENZ WISSEN MÜSSEN

„Über Gesundheitskompetenz zu verfü-gen, bedeutet zu wissen, was der eigenenGesundheit förderlich ist, und auch da-nach handeln zu können“, erklärt PeterNowak, Leiter der Abteilung Gesundheitund Gesellschaft der Gesundheit Öster-reich GmbH und ergänzt: „Wissenschaft-lich betrachtet ist ,Gesundheitskompetenz’

ein ,relationales Konzept’.“ Das bedeute,dass Gesundheitskompetenz in der Wech-selwirkung zwischen einzelnen Menschenauf der einen und Systemen und Organi-sationen auf der anderen Seite entsteheund bestehe. Wenn Informationen leichtverfügbar und verständlich sind, dann istes einfacher, Gesundheitswissen zu erwer-

ben und anzuwenden. Wenn Systeme, dieKrankenbehandlung, Prävention und Ge-sundheitsförderung anbieten, übersichtlichund einfach zugänglich sind, dann ist esfür die Nutzer/innen eher möglich, gesundzu handeln. In diesem Sinne können Sys-teme „Gesundheitskompetenz fördernd“oder auch „gesundheitskompetent“ sein.

Gesundheitskompetenz heißt, Gesundheitsinformationen verstehen und im Alltag anwenden zu können. Das Gesundheits- und Bildungssystem, Betriebe, Gemeinden und weitere Settings sollen so gestaltet werden, dass das erleichtert wird.

Nutzer/innen

FachleuteSettings

Gesundheitsentscheidungen sind im Bezug aufviele Bereiche des Lebens und der Gesellschaftzu treffen und werden umgekehrt von diesen be-einflusst. In der Publikation „Health Literacy –The solid facts“ werden in diesem Zusammen-hang neben dem Gesundheitssystem vor al-lem auch die Settings oder Lebenswelten Marktund Gemeinde, Arbeitsplatz und Bildungs-wesen hervorgehoben. Weitere wichtige Berei-che sind die Politik sowie Medien und Kommuni-kation. In „gesundheitskompetenten Settings“ ist laut der erwähnten Publikation„ein Bewusstsein für die Bedeutung von Ge-sundheitskompetenz vorhanden und es gibtStrategien, Prozesse und Methoden, um diese zustärken“. Gesundheitskompetenz entsteht undbesteht also in der Wechselwirkung zwischenSettings und deren Nutzer/innen sowie zwischenden Fachleuten, welche die verschiedenen Settings repräsentieren.

verstehen

bewertenanwenden

Krankheits-behandlung

Präventionvon

Krankheiten

Gesund-heitsförde-

rung

sammeln

Gesundheits-informa-tionen

Individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten

Anforderungen und Komplexität der Systeme

Gesundheitskompetenz ist ein Teilbereich der Gesundheitsförderung und ebenso der Prävention und der Behandlung von Krankheiten. Sie besteht auf indivdueller Ebene darin, Gesundheitsinformationen sammeln, verstehen, bewerten und anwenden zu können.

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2

3Gesundheits-kompetenz

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WISSEN

GESUNDES ÖSTERREICH Herr ProfessorPelikan, wie viel „Gesundheitskompe-tenz“ oder auch „Health Literacy“ haben die Österreicherinnen undÖsterreicher im internationalen Vergleich?Jürgen Pelikan: Zunächst: „Gesundheits-kompetent“ zu sein, bedeutet Entscheidun-gen treffen und im Alltag umsetzen zu können,die der eigenen Gesundheit förderlich sind. InÖsterreich ist diese Fähigkeit im internationa-len Vergleich nur in einem unterdurchschnitt-lich hohen Ausmaß vorhanden. Das zeigt der„European Health Literacy Survey“ (HLS-EU),der 2011 in acht Mitgliedsstaaten der Europäi-schen Union durchgeführt wurde. Im Durch-schnitt hatten die beteiligten Europäer/innenzu 53,7 Prozent eine „ausreichende“ oder so-gar „ausgezeichnete“ Gesundheitskompetenz.Bei 34,5 Prozent der Menschen in den unter-suchten Ländern war die Gesundheitskompe-tenz allerdings „problematisch“. Bei 11,8 Pro-zent war sie sogar „inadäquat“. Für Öster-reich sind die Werte noch deutlich schlechter:38,1 Prozent der Bürger/innen hatten eine„problematische“, 16,7 Prozent eine „inadä-quate“ Gesundheitskompetenz. Nur Bulga-rien hat noch schlechter abgeschnitten.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie wurde dieGesundheitskompetenz gemessen?Der European Health Literacy Survey wurde alsForschungsprojekt von der Europäischen Uni-on gefördert und in Österreich vom Fonds Ge-sundes Österreich mitfinanziert und durch dasLudwig Boltzmann Institut Health PromotionResearch in Wien wissenschaftlich betreut.Zunächst wurden von den beteiligten For-

schungsteams gemeinsam eine Definition, einkonzeptuelles Modell und darauf basierendein Messinstrument für umfassende Gesund-heitskompetenz entwickelt. Mit diesem wurdendann 2011 in den beteiligten acht Ländern je1000 Menschen ab 15 Jahren befragt. DasMessinstrument umfasst 47 Fragen zu denThemen Gesundheitsversorgung, Präventionund Gesundheitsförderung sowie sozio-de-mographische Angaben und Fragen zum Ge-sundheitszustand und zum Gesundheitsver-halten. Die „funktionale Gesundheitskompe-tenz“ wurde mit dem Newest Vital Sign-Testüberprüft, das sind sechs Fragen zum Nährwert-etikett einer imaginären Eiscremepackung.Hier kommt es vor allem darauf an, ob ausrei-chende Lese- , Verständnis- und Rechenfähig-keiten vorhanden sind.

GESUNDES ÖSTERREICH Was sind die Ursachen dafür, dass Österreichinsgesamt vergleichsweise schlechtabschneidet?Das lässt sich anhand dieser Untersuchungnicht wissenschaftlich exakt beantworten.Die Österreicherinnen und Österreicherschnitten jedoch bei der funktionalen Ge-sundheitskompetenz, die durch den NewestVital Sign-Test gemessen wird, vergleichs-weise gut ab. Deshalb lässt sich vermuten,dass das schlechte Gesamtergebnis wenigermit den persönlichen Fähigkeiten der Bevöl-kerung als mit Charakteristika des österrei-chischen Gesundheitssystems zusammen-hängen könnte – zum Beispiel damit, dassdieses möglicherweise zu kompliziert ist undInformationen nicht in einer leicht verständli-chen Form weitergegeben werden.

Der renommierte Forscher Jürgen Pelikan im Interview über mögliche Ursachen für die geringe Gesundheitskompetenz der Österreicher und wie

diese verbessert werden könnte. Text: Dietmar Schobel

Gesundheitskompetenzim europäischen

Vergleich

Beim „European Health Literacy Survey“ (HLS EU)wurde für umfassende Gesundheitskompetenz ein Messinstrument angewendet, das aus 47 Fragen zu den Themen Gesundheitsversorgung,Prävention und Gesundheitsförderung besteht. DieTeilnehmer/innen wurden im Einzelnen zum Beispielgebeten, einzuschätzen, ob es für sie „sehr schwie-rig“, „schwierig“, „einfach“ oder „sehr einfach“ ist:

• zu verstehen, was ihr Arzt ihnen sagt?

• zu beurteilen, ob Informationen über eine Krank-heit in den Medien vertrauenswürdig sind?

• Informationen über Unterstützungsmöglichkeitenbei ungesundem Verhalten, wie Rauchen, wenig Bewegung oder zu hohem Alkoholkonsum, zu finden?

• Angaben auf Lebensmittelverpackungen zu verstehen?

• sich für Aktivitäten einzusetzen, die Gesundheit und Wohlbefinden in ihrer Umgebung verbessern?

WAS BEIM EUROPÄISCHEN SURVEY GEFRAGT WURDE

Fotos: Klaus Pichler/F

Jürgen Pelikan: „Es lässt sich vermuten, dass das schlechte Gesamtergebnis mit Charakteristika des österrei-chischen Gesundheitssystems zusammenhängen könnte.“

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23gesundesösterreich

GESUNDES ÖSTERREICH Was machenjene Länder anders, die gut abge-schnitten haben?Die besten Resultate wurden in den Niederlan-den erzielt. Dort gibt es schon seit fast 30 Jah-ren Gesetze, die geschulte Vertreter von Patien-teninteressen mit festgelegten Rechten in Ge-sundheitseinrichtungen mitplanen und mit-entscheiden lassen. Somit können dort dieRückmeldungen der Nutzer/innen zu Proble-men mit dem Gesundheitssystem besser be-rücksichtigt werden. Außerdem wird schonseit den 1970er-Jahren sehr viel in das Bil-dungssystem investiert. Es wird großer Wert da-rauf gelegt, dass möglichst alle Menschen eingewisses Maß an Bildung haben. Die Nieder-lande haben zudem viel früher und umfassen-der in die Qualitätsentwicklung des Kranken-behandlungssystems investiert.

GESUNDES ÖSTERREICH Was ist zu tun, um kurz- und mittelfris-tig in Österreich die Gesundheitskom-petenz der Bevölkerung zu erhöhen?Erstens können die Kenntnisse der Bürgerin-nen und Bürger in den Bereichen Gesund-heitsförderung, Prävention und Krankheits-bewältigung sowie zur Funktionsweise desGesundheitssystems erhöht werden. Hiersind das Bildungssystem, aber auch dasKrankenbehandlungssystem gefordert, inso-

weit es um Patientenschulungen geht. Zwei-tens können das Gesundheitssystem unddessen Angebote einfacher und leichter zu-gänglich gestaltet werden, und drittens kanndie Kommunikationskompetenz der Gesund-heitsprofis verbessert werden. Speziell vonniederschwelligen Angeboten wie telefon-und webbasierten Auskunftsdiensten zu Ge-sundheitsfragen, die den Bürgerinnen undBürgern 24 Stunden am Tag sieben Tage dieWoche zur Verfügung stehen, sind sehr posi-tive Effekte zu erwarten. Bestehende Bei-spiele dafür sind „Medgate“ in der Schweizund „National Health Service direct“ bezie-hungsweise „NHS 111“ in Großbritannien.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Bedeutung hat das Konzept der „Gesundheitskompetenz“ speziell imBereich der Gesundheitsförderung?Gesundheitskompetenz ist ein Kernkonzept derGesundheitsförderung. Schon in der OttawaCharta für Gesundheitsförderung der Weltge-sundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 1986lautet eine der drei zentralen Strategien, dass„alle Menschen befähigt werden sollen, ihrgrößtmögliches Gesundheitspotenzial zu ver-wirklichen“. Das umfasst auch die Möglichkeit,selbst gute Entscheidungen in Bezug auf die per-sönliche Gesundheit treffen zu können. Undzu den fünf wesentlichen Handlungsfeldern

der Ottawa Charta zählt einerseits, persönlicheKompetenzen für den Umgang mit Gesundheitund Krankheit zu entwickeln, und andererseits,die Gesundheitsdienste neu zu orientieren.

Der European Health Literacy Survey hat unter an-derem ergeben, dass folgende Faktoren in einemZusammenhang zu niedriger Gesundheits-kompetenz stehen: höheres Alter, niedrigerselbst wahrgenommener sozialer Status, fi-nanzielle Einschränkungen und geringe Bil-dung. Außerdem wurde belegt, dass hohe Gesund-heitskompetenz in einem direkten Zusammenhangzu einem sehr guten oder guten selbst wahrgenom-menen Gesundheitszustand steht. Das heißt, dieseWirkung besteht auch, wenn relevante soziale Fak-toren kontrolliert sind. Für Österreich gilt das sogarin einem besonders hohen Ausmaß: Wer über hoheGesundheitskompetenz verfügt, fühlt sich also sub-jektiv mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit sehrgesund. Weiters konnten Zusammenhänge zwi-schen hoher Gesundheitskompetenz und einer rela-tiv geringen Zahl von Krankenhausaufenthalten undArztbesuchen der Befragten während der vergange-nen zwölf Monate gezeigt werden. Weitere Infor-mationen finden sich im Internet unter anderem aufwww.health-literacy.eu und www.hls-eu.info.

WAS DIE ERHEBUNG GEZEIGT HAT

Fotos: Klaus Pichler/FGÖ

„Gesundheitskompetenz ist ein Kernkonzept der Gesundheits-

förderung.“JÜRGEN PELIKAN

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24 gesundesösterreich

WISSEN

Der Schauspieler Helmut Qualtin-ger hat einmal gesagt: Österreichist ein Labyrinth, in dem sich je-

der auskennt“, sagt Jürgen Soffried: „Fürdas Gesundheitssystem gilt das nicht.Es ist ein Labyrinth, in dem sich kaumeiner auskennt.“ Der Mediziner undLeiter des Bereiches Public Health desInstitutes für Gesundheitsförderungund Prävention (IfGP) in Graz ergänzt:„Ich habe selbst manchmal Probleme,mich zu orientieren und rasch die rich-tigen Angebote zu finden. Und das,obwohl ich schon seit 14 Jahren im Ge-sundheitswesen tätig bin.“

Das soll sich ändern. Durch die aktuel-le Gesundheitsreform sollen die Pa-tienten künftig mehr im Mittelpunktdes Gesundheitssystems stehen – unddie Institutionen weniger. Dafür sollauch die Gesundheitskompetenz derBevölkerung gestärkt werden. „So lau-tet eines der zehn Rahmen-Gesund-heitsziele für das österreichische Ge-sundheitssystem für die kommenden20 Jahre, und das wurde verbindlich imZiel 8.3.2 des Bundes-Zielsteuerungs-vertrags festgeschrieben, auf den sichSozialversicherung, Länder und Bund2013 geeinigt haben“, erklärt Soffried.

Vorschläge für konkrete MaßnahmenEine Arbeitsgruppe von dreißig Exper-tinnen und Experten hat bereits Vor-schläge für konkrete Maßnahmen erar-beitet. Diese beziehen sich auf drei Be-reiche: die persönliche Gesundheits-kompetenz, den Dienstleistungs- undProduktionssektor sowie nicht zuletztauch auf das Gesundheitssystem. Zuden Vorschlägen zählt etwa ein tele-

fon- und webbasierter Auskunftsdienst,welcher den Österreicherinnen undÖsterreichern 24 Stunden pro Tag undan sieben Tagen pro Woche zur Verfü-gung stehen soll. Nach internationa-len Vorbildern könnten via Telefon,Web oder Video entweder Gesund-heits- und Krankenpfleger/innen Fra-gen beantworten oder auch Ärzte Di-agnosen erstellen.

Das soll unter anderem dazu beitra-gen, dass bei Beschwerden gezielterdie richtige Ambulanz oder Praxis auf-gesucht wird – oder dass das Gesund-heitssystem erst gar nicht in Anspruchgenommen wird, falls das nicht not-wendig sein sollte. „Dafür gibt es gro-ße Potenziale. Eine Studie des briti-schen National Health Service zeigt,dass nur ein Drittel derjenigen, die Pra-

xen aufsuchen, wirklich einen Arztbrauchen“, meint Günter Diem, der inder Arbeitsgruppe für Gesundheits-kompetenz mitgearbeitet hat. Diem iststellvertretender Obmann der Öster-reichischen Gesellschaft für Public Health und gemeinsam mit seinemKollegen Martin Grabher seit Juli desVorjahres Inhaber einer Gemeinschafts-praxis in Lustenau in Vorarlberg.

Selbstmanagement von PatientenEin weiterer Ansatz besteht darin, Pa-tientinnen und Patienten beim „Selbst-management“ von Erkrankungen zuunterstützen. Durch das Programm„Gesund und aktiv mit chronischerKrankheit leben“ soll das in einer stan-dardisierten strukturierten Form ge-schehen. Es wurde an der StanfordUniversität in den USA entwickelt und

Wenn Gesundheitsprofis Informationen leicht verständlich weitergeben, werden Patient/innen

kompetenter. Umgekehrt macht fundiertes Feedback der Nutzer/innen das Gesundheitssystem effizienter.

Text: Dietmar Schobel

Jeder Kontakt zählt

Jürgen Soffried: „Das Gesundheitssystemist ein Labyrinth, indem sich kaum einerauskennt.“

Fotos: ra2 studio - Fotolia.com

, Marvin Kemmler, Ha

uptverband, IfGP,

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25gesundesösterreich

Josef Probst, Generaldirektor des Hauptverbands der Sozialversicherungs-träger, im Interview über Strategien und Maßnahmen für mehr Gesundheitskompetenz.

MIT GEZIELTEN ANGEBOTEN DIE KOMPETENZ DER VERSICHERTEN FÖRDERN

GESUNDES ÖSTERREICH Um die Gesundheitskompetenz der Österreicher/innen ist es laut einer europäischen Studie schlecht bestellt. Was sollte verbessert werden?Josef Probst: Die Handlungsfelder wurdendurch die Rahmen-Gesundheitsziele aufgezeigt.Es geht darum, Lebenswelten und das Gesund-heitssystem verständlicher zu machen, die Kom-petenzen der Patient/innen zu stärken sowie Pro-dukte und Dienstleistungen im Hinblick auf Ge-sundheitskompetenz zu optimieren.

GESUNDES ÖSTERREICH Was kann und soll die Sozialversicherungbeitragen? Wir verfolgen eine Strategie auf zwei Ebenen. Ei-nerseits versuchen wir, mit gezielten Angebotendie Kompetenz der Versicherten zur fördern. Bei-spiele sind die Broschüre „Kompetent als Pa-tientin und Patient“, Schulungen von Patient/in-nen im Rahmen von „Therapie aktiv“ oder dasProjekt „Richtig Essen von Anfang an!“ für ge-sunde Ernährung von Schwangeren und Elternvon Kleinkindern. Der zweite Ansatzpunkt ist,Informationen und Prozesse so zu gestalten,dass sie von den Betroffenen leichter verstandenwerden. Wichtig ist uns auch, dass die entspre-chenden Maßnahmen im Rahmen der Gesund-heitsreform abgestimmt zwischen Bund, Län-dern und Sozialversicherung erfolgen. Laut demBundeszielsteuerungsvertrag soll das ab Mitte2014 umgesetzt werden.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Rollekann stärkere Patientenbeteiligung spielen? Die Beteiligung der Betroffenen ist ein wesent-licher Erfolgsfaktor. Wir müssen an die Lebens-wirklichkeit der Menschen anschließen und dieSysteme so gestalten, dass sie verstanden wer-den. Es geht um mehr Bürgerorientierung, da-mit Lösungen mit den Menschen gefundenwerden, statt Lösungen für Menschen.

GESUNDES ÖSTERREICH Sozial benach-teiligte Gruppen haben die geringsteGesundheitskompetenz – und denschlechtesten Gesundheitszustand. Wie können sie erreicht werden?Chancengerechtigkeit muss zukünftig integra-ler Bestandteil aller Projekte werden. Deshalbmüssen wir mögliche Zugangsbarrieren abbau-en und diese Zielgruppe besser als bisher da-bei einbinden, Programme zu planen und um-zusetzen. Modelle guter Praxis dafür gibt esbereits. Gleichzeitig fehlen uns teilweise nochwissenschaftlich gesicherte Fakten, welcher Be-darf besteht. Der Hauptverband beteiligt sich da-her an einer Studie zur Gesundheitskompetenzbei Migrant/innen. Die Daten sollen uns dabeihelfen, Problemfelder zu identifizieren und Lö-sungsansätze zu entwickeln.

wird in Österreich vom Grazer Frauen-gesundheitszentrum als Partnerin derSchweizer Careum Stiftung angebo-ten. In sechs kostenlosen Kurseinheitenzu je zweieinhalb Stunden erfahrenFrauen und Männer, die mit chroni-schen Erkrankungen leben, zum Bei-spiel, wie sie mit Schmerzen umgehenoder sich am besten auf einen Besuchbei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt vorbe-reiten können. Sie können ihre Erfah-rungen austauschen und erstellenHandlungspläne.

„Das Programm ist krankheitsüber-greifend“, erklärt Ulla Sladek vom Frau-engesundheitszentrum: „Das heißt, eswerden Themen behandelt, die fürFrauen und Männer mit unterschied-lichen chronischen Beschwerden, vonDiabetes und Migräne bis zu Multi-pler Sklerose oder Krebs gleichermaßenwichtig sind.“ Gesundheitsförderungzählt ebenfalls zu den Inhalten. So be-schäftigen sich die Teilnehmer/innenetwa damit, wie sie ihr persönlichesBewegungsprogramm umsetzen odersich gesünder ernähren können.

Alles, was Patientenvertreter wissen müssenDas Frauengesundheitszentrum hat imAuftrag des Gesundheitsministeriumszwischen August 2013 und März 2014auch ein Pilotprojekt für „Health Lite-racy – Capacity Building“ durchge-führt. Dabei wurde ein Curriculum füreine Fortbildung entwickelt und er-probt, die jenes Know-how vermittelnsoll, das für die fundierte Vertretungvon Patienteninteressen in Gremien

des Gesundheitssystems notwendigist. Im Februar wurde ein Pilot durch-geführt, bei dem während eineinhalbTagen eine Einführung in das österrei-chische Gesundheitswesen sowie indie Grundlagen der evidenzbasiertenMedizin gegeben wurde. Außerdemsetzten sich die Teilnehmer/innen da-mit auseinander, was es bedeutet, imSinne der „Advocacy“ oder Anwalt-schaft die Interessen einer Gruppe derBevölkerung zu vertreten.

Ulla Sladekvom Frauenge-sundheitszen-trum Graz

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WISSEN

Kompetent als PatientDie Broschüre „Kompetent als Patien-tin und Patient“, die der Hauptver-band der Sozialversicherungsträger2013 herausgegeben hat, soll Frauenund Männer in Österreich in Gesund-heitsfragen unterstützen. Der Textwurde durch das Frauengesundheits-zentrum erstellt und ebenso wie des-sen andere Veröffentlichungen einemBeirat von Nutzer/innen vorgelegt.Sechs Frauen und Männer mit unter-schiedlichem Bildungshintergrund so-wie aus unterschiedlichen Herkunfts-ländern lesen die Materialien durchund geben Rückmeldung zu den Bil-dern und Texten.Sofern die Formulierungen nicht all-gemein verständlich sind, werden siedann vom Redaktionsteam nochmalsüberarbeitet. So ist letztlich eine Pa-tientenbroschüre entstanden, die auf86 Seiten in leicht lesbarer Form allesWissenswerte zu Themen wie „Ge-sundheitsinformationen bewerten“,„Gespräche mit Ärztinnen und Ärztenvor- und nachbereiten“ oder „passen-de Gesundheits- und Sozialleistungenfinden“ enthält. Sie steht im Internetunter www.hauptverband.at/kompe-tentalspatient zur Verfügung.

Beim System ansetzen„Um mehr Gesundheitskompetenz zuermöglichen, muss vor allem auch beimGesundheitssystem und dessen Ver-treter/innen angesetzt werden. Das istviel effizienter“, hebt der IfGP-Mitarbei-ter Jürgen Soffried hervor. Besonderswichtig sei es, das System übersichtli-cher zu gestalten sowie die Kommuni-kationskompetenz der Gesundheits-

profis und speziell der Mediziner/in-nen zu erhöhen. Diese müssten lernen,besser zuzuhören und mehr auf diePatient/innen einzugehen.

Nach dem Motto „Every contactcounts“, also jeder Kontakt zählt, sol-len freilich auch die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in der Verwaltung je-de Möglichkeit nutzen, Gesundheitsin-formationen in leicht verständlicherForm an die Versicherten weiterzuge-ben. „Die Kommunikationsfähigkeitder Beschäftigten soll verbessert undnach Möglichkeit einfache Sprache ver-wendet werden. Dazu haben sich dieKrankenversicherungen schon im Ziel-vereinbarungsprozess im Rahmen derGesundheitsreform bereit erklärt“, sagtWerner Bencic, Leiter des Referats fürGesundheitsstrategie und Wissen-schaftskooperation der Oberösterrei-chischen Gebietskrankenkasse.

Pfleger/innen können viel beitragenNeben den Ärzten und Verwaltungs-mitarbeiter/innen können auch ver-schiedene andere Gesundheitsberufeviel beitragen, die Gesundheitskom-petenz der Bevölkerung zu stärken.Das gilt speziell für Gesundheits- undKrankenpflegerinnen und -pfleger.„Unsere Berufsgruppe hat sehr vielKontakt mit den Patientinnen und Pa-tienten und deren Angehörigen. Daskönnte für die Kommunikation zu Ge-sundheitsthemen aber auch für prakti-sche Hilfestellungen intensiver und ge-zielter genutzt werden“, meint Ursula

Frohner, die Präsidentin des Österrei-chischen Gesundheits- und Kranken-pflegeverbandes (ÖGKV).

Das in Dänemark undHolland bereits etablier-te Modell der „Familien-gesundheitspfleger/in-nen“ sei zum Beispiel ei-ne gute Möglichkeit, dasin organisierter Form zutun. „Dadurch könntenFamilien mit besonderenBelastungen direkt dabeiunterstützt werden,Krankheiten zu bewälti-

gen oder auch Gesundheit zu fördern“,erklärt Frohner. Insgesamt sollte dasZiel sein „aufsuchende und nieder-schwellige“ Angebote für mehr Ge-sundheitskompetenz der Bevölkerungzu schaffen, die den „ganzen Lebens-bogen abdecken“, so die ÖGKV-Präsi-dentin: „Das Spektrum reicht von Frü-hen Hilfen für die Eltern von Säuglin-gen und Kleinkindern bis zu Maßnah-men für Sturzprävention im Alter.“

Bessere ArbeitsbedingungenMehr Gesundheitskompetenz für alleumfasst jedoch nicht zuletzt auch mög-lichst gesunde Arbeitsbedingungen fürdie Beschäftigten im Gesundheitssys-tem selbst. „Dazu gehören unter ande-rem Maßnahmen zur Gesundheitsför-derung am Arbeitsplatz, Dienstzeiten,die keine Überforderung darstellen,und Angebote, welche die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter bei Belastungenunterstützen“, sagt Frohner.Und der Allgemeinmediziner GünterDiem ergänzt: „Den Gesundheitsein-richtungen wurde in den vergangenenJahren und Jahrzehnten immer mehraufgeladen. Doch der Versuch, das Sys-tem patientenzentrierter zu gestalten,stößt dort an Grenzen, wo einfach kei-ne zusätzlichen Kapazitäten mehr vor-handen sind.“ Deshalb müssten auchdie Arbeitsbedingungen für Ärzte, Pfle-ger, Therapeuten und andere Gesund-heitsberufe wieder attraktiver gestaltetwerden, fordert Diem. – Das sollte letzt-lich wiederum vor allem den Patientenzugute kommen.

Ursula Frohner:„Gesundheits- und Krankenpfleger/innenkönnen viel zur Gesundheitskompetenzder Bevölkerung beitragen.“

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s: Ö

GKV

, priv

atGünter Diem: „Laut einerbritischen Studie braucht nurein Drittel derjenigen, diePraxen aufsuchen, wirklich einen Arzt.“

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WISSEN

D ie Qualität der Kommunikati-on zwischen Ärzten und ande-ren Gesundheitsprofis und den

Patienten ist entscheidend, um dieGesundheitskompetenz der Bevölke-rung zu stärken“, meint Peter Nowak,der Leiter der 2013 neu gegründetenAbteilung für Gesundheit und Ge-sellschaft der Gesundheit ÖsterreichGmbH. Derzeit werde jedoch nochkaum berücksichtigt, dass Gesprächeeine wesentliche Rolle bei der Behand-lung von Krankheiten und der Erhal-tung von Gesundheit spielten, so derPublic Health-Experte. Das österrei-chische Gesundheitssystem sei viel-mehr fast ausschließlich auf die tech-nische Seite der Diagnose und Thera-pie ausgerichtet. „Wissenschaftliche

Erhebungen zeigen jedoch, dass fastzwei Drittel der Zufriedenheit der Pa-tienten mit der Betreuung in Kran-kenhäusern von der Qualität derKommunikation abhängt und dassviele direkte und indirekte Gesund-heitseffekte durch gute Gesprächs-führung entstehen“, weiß Nowak.

Was auf die stationäre Versorgung zu-trifft, gilt auch für die Praxen der nie-dergelassenen Ärzte. „Das Gesprächzwischen Arzt und Patient hat längstnicht jenen Stellenwert, den es haben

sollte“, meint Günter Diem. Er ist stell-vertretender Obmann der Österrei-chischen Gesellschaft für Public Health und gemeinsam mit seinemKollegen Martin Grabher seit Juli desVorjahres Inhaber einer Gemein-schaftspraxis in Lustenau in Vorarl-berg. Die Kommunikation mit denPatient/innen sei im Vergleich zu La-bortests und Untersuchungen mitHigh-Tech-Geräten unterbewertet,sagt der Kassenarzt, für eine Ultra-schall-Untersuchung etwa werde vonder Sozialversicherung ein Vielfaches Fo

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Von der Heilkraft der Gespräche

Praktische Ärzt/innen verbringen 70 Prozent ihrer Zeit mit Gesprächen. Und 60 Prozent der

Zufriedenheit der Patient/innen hängen von der Kommunikation ab. Text: Dietmar Schobel

Das deutsche Picker-Institut hat zwischen2009 und 2012 eine Erhebung durchge-führt, was Patientinnen und Patien-ten wirklich wichtig ist, damit sie mitder Betreuung und Behandlung im Kran-kenhaus insgesamt zufrieden sind. In 197verschiedenen Krankenhäusern wurden111.835 Personen befragt, die akut sta-tionär versorgt wurden. Dabei zeigte sich,dass sich rund 61 Prozent der Ge-samtzufriedenheit durch die Qualitätder Beziehungen und der Interaktion mitÄrzten und Pflegepersonal erklären las-sen. Demgegenüber spielen zum Beispieldie allgemeine Ausstattung des Spitalsund der subjektive Behandlungserfolg fürdie Patienten nur zu rund 15 und zu rund14 Prozent eine Rolle, die Qualität des Es-sens nur zu 0,2 Prozent.

GUTE KOMMUNIKATIONSORGT FÜR ZUFRIEDENE

PATIENTEN

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bezahlt. Diem weiß warum: „Die Me-dizintechnik gilt als sexy, weil die Er-gebnisse in Form von Zahlen, Datenund Fakten ausgedrückt werden kön-nen. Die Qualität eines Gesprächeslässt sich jedoch nicht messen, underhält deshalb kein Gewicht.“

Im Durchschnitt sieben MinutenFlorian Menz hat gemeinsam mit Kol-leg/innen für eine aktuelle StudieTausende von Gesprächen zwischenÄrzt/innen und Patient/innen auf-genommen und analysiert. Im Durch-schnitt dauerten diese sieben bis achtMinuten, und die Sorge mancher Me-diziner vor geschwätzigen Patientenhabe sich als unbegründet herausge-stellt, berichtet der außerordentlicheProfessor am Institut für Sprachwis-senschaft der Universität Wien. Maxi-mal ein Prozent derjenigen, die in ei-ne Praxis kämen, neigten zu allzu gro-ßer Redseligkeit. „Die Menschen wis-sen, dass die Zeit in einer Arztpraxisknapp ist und berücksichtigen dasauch“, sagt Menz.

Auf Seiten der Ärztinnen und Ärzteortet der Experte jedoch großes Poten-zial für Verbesserungen der Art, wieGespräche geführt werden. „Derwichtigste Tipp ist, die Patienten ersteinmal ein oder zwei Minuten lang re-den zu lassen. Wer sehr rasch unter-bricht, um sofort auf den Punkt zukommen, erzielt oft genau das Ge-genteil: die Gespräche kreisen dannhäufig wiederholt um dasselbe The-ma und dauern umso länger“, weißMenz.

Zentral sei auch, dass sich die Patien-ten in der Kommunikation mit dem

Arzt ernst genommen fühlen sollten.Wenn das so sei, könne auch eher da-rauf vertraut werden, dass die Thera-pie genau befolgt sowie Ratschlägendes Arztes zur GesundheitsförderungGehör geschenkt werde. Insgesamtist auch Menz der Meinung: „70 Pro-zent der Tätigkeit im niedergelasse-nen Bereich bestehen darin, mit denPatientinnen und Patienten zu reden.Das wird jedoch im Gesundheitssys-tem noch nicht entsprechend aner-kannt, auch wenn es in der Ausbil-dung inzwischen schon eine größereRolle spielt.“

Bessere AusbildungTatsächlich ist Gesprächsführung mitPatienten sowie speziell mit schwie-rigen Patienten und Psychiatrie-Pa-tienten seit einigen Jahren fixer Be-standteil des Medizinstudiums inÖsterreich. Es gibt theoretischen Un-terricht sowie Übungen mit spezielltrainierten Schauspieler/innen, dieein bestimmtes Beschwerde- oder Per-sönlichkeitsbild simulieren. So wer-den Gesprächstechniken in der Praxiserprobt und das diagnostische Ge-schick und die Empathie der Studie-renden geschult.

Das war nicht immer so. „Bei einemAssessment österreichischer Ärztin-nen und Ärzte für Arbeit in Großbri-tannien vor rund zehn Jahren warendie britischen Kollegen noch entsetztdarüber, wie wir Österreicher unsbeim Patientengespräch präsentier-ten“, erinnert sich etwa Jürgen Sof-fried, Mediziner und Leiter der Ab-teilung für Public Health des Institu-tes für Gesundheitsförderung undPrävention in Graz.

Florian Menz ist freilich noch skep-tisch, wann die neue Kultur der Kom-munikation in der Ausbildung auch inder Praxis deutlich spürbar werdenwird: „Spätestens in der Turnusausbil-dung müssen die Studierenden der-zeit noch erleben, dass der Qualitätvon Gesprächen an Krankenhäusernnoch kaum Bedeutung zugemessen

WISSENFlorian Menz:„70 Prozent der Tätigkeit von Ärz-ten im niedergelas-senen Bereich be-stehen darin, mitPatienten zu reden.Das wird jedoch imGesundheitssystemnoch nicht entspre-chend anerkannt.“

wird“, sagt der Sprachwissenschaf-ter und ergänzt: „Und bis sie einmalselbst in Führungspositionen kom-men, werden noch zehn bis zwanzigJahre vergehen.“ – Zumindest einTipp kann jetzt schon einfach in diePraxis umgesetzt werden: Nach der„Teach Back-Methode“ bittet der Arztseine Patienten am Ende des Gesprä-ches, dessen Inhalte nochmals in eige-nen Worten wiederzugeben. So kanngeklärt werden, ob die wichtigstenPunkte richtig verstanden und dieGesundheitskompetenz des Patien-ten erhöht wurde.

Rund 15 Prozent der Bevölkerung kön-nen laut der deutschen Level-One-Studiemaximal einzelne Sätze lesen oderschreiben, nicht jedoch zusammenhän-gende – auch kürzere – Texte. Die Be-troffenen vermeiden häufig jede Situati-on, in der ihre Lese- und Rechtschreib-schwäche öffentlich werden könnte. Daskann auch dazu führen, dass die Ge-sundheitsversorgung nicht entsprechendgenutzt und etwa Krankenhäuser nichtaufgesucht oder Gesundenuntersuchun-gen nicht wahrgenommen werden. Dennauch hier sind zuerst oft vor allem For-mulare auszufüllen.Die Kärntner Volkshochschulen, die auchGrundbildungskurse durchführen, woll-ten deshalb dazu beitragen, dass die Be-troffenen einen besseren Zugang zur Ge-sundheitsversorgung haben. Bei demvom Fonds Gesundes Österreich geför-derte Projekt „Alpha Power“ wurdenMultiplikator/innen geschult, wie siedie besonderen Bedürfnisse von Men-schen mit geringer Grundbildung wahr-nehmen und auf diese eingehen können.An zehn Workshops zu diesem Themabeteiligten sich bis Anfang 2013 insge-samt 102 Beschäftigte aus Gesund-heitseinrichtungen in Kärnten.

„ALPHA POWER“ FÜR MENSCHEN MIT GERINGER

GRUNDBILDUNG

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WISSEN

30 gesundesösterreich

Der Beitrag des BildungssystemsWallner war auch Mitglied einer vomGesundheitsministerium koordiniertenArbeitsgruppe, in der sich rund 30 Ex-pert/innen damit befassten, wie die Ge-sundheitskompetenz der Bevölkerunginsgesamt gestärkt werden kann. Wasdas Bildungssystem dazu auf persönli-cher Ebene beitragen kann, war einesder drei zentralen Themen, die in die-sem Gremium behandelt wurden. Diebeteiligten Fachleute empfehlen, ent-sprechende Bildungsangebote für alleAltersstufen auszubauen oder neu zuschaffen, beginnend mit dem Programm„Richtig essen von Anfang an!“ (RE-VAN) der Österreichischen Agentur für

Wer in jungen Jahren Kompetenzin Gesundheitsfragen erwirbt,dem bleibt das ein Leben lang

erhalten. Deshalb sollte möglichst frühdamit begonnen werden, diese Fähigkeitzu stärken“, meint Ingrid Wallner. Sieist Vorsitzende der Plattform Elternge-sundheit, in der Bundes- und Landes-verbände österreichischer Elternvereinezusammenarbeiten, um die Gesundheitvon Kindern und Eltern zu fördern.Wichtig sei zunächst, jene grundlegen-den Fertigkeiten zu vermitteln, die not-wendig seien, um Gesundheitsinforma-tionen finden, verstehen, beurteilen undanwenden zu können, so Wallner.Dadurch werde die Basis dafür geschaf-fen, im Alltag jene Entscheidungen zutreffen, welche die eigene Lebensquali-tät und Gesundheit verbessern könnten.„Grundlegende Kenntnisse in Lesen,Schreiben und Rechnen sind dafür Vo-raussetzung“, sagt die Elternvertrete-rin und betont: „Gesundheitskompe-tenz entsteht jedoch keinesfalls nur da-durch, dass Fakten auswendig gelerntwerden. Die Kinder sollten vor allempraktische Fähigkeiten erwerben. ZumBeispiel, indem an der Schule gemein-sam gesund gekocht wird oder Klas-sen gemeinsam Ausflüge auf den Ge-müsemarkt oder einen Biobauernhofunternehmen.“

Gesundheit und ErnährungssicherheitGmbH, des Bundesministeriums fürGesundheit und des Hauptverbandsder Österreichischen Sozialversiche-rungsträger.Dieses wird seit zwei Jahren bundes-weit durchgeführt und soll fundiertewissenschaftliche Informationen zumThema Ernährung vor und nach einerGeburt möglichst weit verbreiten – undgängige falsche Annahmen korrigieren.Dazu werden Workshops in allen Bun-desländern angeboten, die von Schwan-geren, Stillenden und deren Angehöri-gen sowie von Eltern von Säuglingenkostenlos besucht werden können. RE-VAN soll nun um Arbeitskreise für

Kompetenz in Gesundheitsfragen ist ein Leben lang wichtig. Das Spektrum der Angebote, um diese Fähigkeit zu stärken, sollte deshalb von Beratung für Schwangerebis zu Maßnahmen für Senior/innen reichen. Text: Dietmar Schobel

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Ein Leben lang Gesundheit lernen

Ingrid Wallner: „Wer injungen Jahren Kompetenzin Gesundheitsfragen erwirbt, dem bleibt das ein Leben lang erhalten.“

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Eltern von ein- bis dreijährigen Kindernsowie speziell für Menschen mit Migra-tionshintergrund und bildungsferneGruppen erweitert werden.

Nachhaltige Maßnahmen in KindergärtenIn Kindergärten als den ersten Bildungs-einrichtungen soll das Thema Gesund-heitskompetenz künftig ebenfalls einezentrale Rolle spielen. Zwischen Au-gust 2010 und August 2013 wurde inzehn Kindergärten im Land Salzburgein Modellprojekt für Gesundheitsför-derung des Fonds Gesundes Österreich(FGÖ) durchgeführt. Laut der Evalua-tion konnten in Bereichen wie gesundeErnährung, Verkehrssicherheit oder Le-benskompetenz bei den Kindern nach-haltige Verbesserungen erzielt werden.„Außerdem hat sich gezeigt, dass vor al-lem durch umfassende Ansätze die er-wünschten Wirkungen zu erwartensind. Das heißt, dass neben den Kin-dern auch die Eltern in entsprechendeProgramme einbezogen werden solltenund dass neben der Gesundheit derPädgagog/innen und Kindergartenlei-ter/innen auch deren Weiterbildung imSinne von Capacity Building gefördertwerden sollte“, erklärt die zuständigeGesundheitsreferentin des FGÖ PetraGajar.„Für die Schulen bieten unter anderemdie aktuellen bundesweiten Qualitätsini-tiativen die Möglichkeit, das Thema Ge-sundheitskompetenz stärker in den Vor-dergrund zu stellen“, sagt Jürgen Horschi-negg. Er ist Leiter der Koordinations-stelle für Gesundheitsförderung desBundesministeriums für Bildung und

Frauen und war an der erwähnten Ar-beitsgruppe beteiligt. Konkret wird et-wa die Qualitätsinitiative Berufsbildungseit rund zehn Jahren an allen Berufsbil-denden Schulen in Österreich umge-setzt und Gesundheitsförderung ist indiesem Konzept als ein zentrales Qua-litätsziel verankert. „Schulqualität All-gemeinbildung“ heißt die Qualitätsini-tiative für Allgemein Bildende Schulen,die seit einem halben Jahr verwirklichtwird. „Viele Schulen haben sich dabeidafür entschieden, einen Schwerpunktauf Gesundheitsthemen wie etwa Bewe-gung zu legen“, sagt Horschinegg.

Die Eltern als VorbilderNicht zuletzt sind auch die rund 800Ausbildungsstätten unter den insge-samt rund 5.800 Schulen in Österreichzu erwähnen, die bereits an Projektenoder Programmen für Gesundheitsför-derung teilnehmen und dabei einzelneMaßnahmen durchführen oder auch alsGesamtorganisation zur „gesundenSchule“ werden sollen. „Wesentlich ist,dass aus den verschiedenen Ansätzen,die es derzeit gibt, letztlich eine Gesamt-entwicklung in die richtige Richtungentstehen soll, nämlich zu mehr Ge-sundheitskompetenz“, sagt Jürgen Hor-schinegg. Der Vertreter des zuständi-gen Ministeriums hebt jedoch gleich-zeitig hervor, dass die direkten Wirkun-gen des Bildungssystems nicht über-schätzt werden sollten: „Entscheidendist auch, dass ein soziales Umfeld vor-handen ist, das unterstützt.“ Ingrid Wall-ner ist ebenfalls überzeugt, dass das fa-miliäre Umfeld großen Einfluss hat: „DieEltern haben eine Vorbildfunktion, unddazu sollte zum Beispiel gehören, dass

es in der Familie Regeln und klare Struk-turen gibt, wie etwa zumindest einmalam Tag gemeinsam eine Mahlzeit einzu-nehmen.“Den Vorschlägen der Expert/innen zu-folge soll deshalb auch bei den Erzie-hungsberechtigten angesetzt werden,um die Gesundheitskompetenz zu he-ben. Eine Möglichkeit dafür ist es, Eltern-vertreter/innen zu Gesundheitsrefe-rent/innen auszubilden. Elternvereinegibt es an den meisten Schulen in Öster-reich. Außerdem soll dem Wissen undden praktischen Fertigkeiten in Gesund-heitsfragen künftig auch in Einrichtun-gen der Erwachsenenbildung verstärk-te Aufmerksamkeit gewidmet werden.Schließlich ist Gesundheitskompetenzein Thema, das ein Leben lang von Be-deutung ist.

Jürgen Horschinegg:„Schulen könnendas Thema Gesund-heitskompetenz im Rahmen der aktuellen Qualitäts-initiativen stärkerin den Vordergrundstellen.“

Petra Gajar:Vor allem durchumfassende Ansätze, die Kinder, Eltern undPädagog/inneneinbeziehen, sinddie erwünschtenWirkungen zu erwarten.“

„Je älter wir werden, desto mehr Ratschläge zuGesundheitsthemen erhalten wir. Vorsorgeunter-suchungen sollen wahrgenommen und Impfungenvorgenommen werden. Gleichzeitig werden oftdie Beschwerden immer mehr. Facharztordinatio-nen und Ambulanzen müssen aufgesucht und Be-funde gelesen werden. Es gilt, Therapien und Medikationen zu verstehen und durchzuführen“,sagt Rainer Christ, Gesundheitsreferent beimFGÖ, und ergänzt, dass das Gesundheitssystemdeshalb gerade auch älteren Menschen Überblickund Entscheidungssicherheit geben müsse: „Daskann durch klare Strukturen und Zuständigkeitengeschehen sowie durch Informationen, die leichtverständlich vermittelt werden und die Menschenim kompetenten Umgang mit ihrer Gesundheitunterstützen. Dazu gehört Wissen über das, wasuns gerade auch mit zunehmendem Alter gesunderhält, wie etwa soziale Kontakte zu pflegen odersich ausreichend zu bewegen.“

GESUNDHEITSKOMPETENZ FÜRÄLTERE MENSCHEN

Rainer Christ: „Je älter wir werden, desto mehr Ratschlägezu Gesundheitsthemen erhalten wir.“

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Wie seriös sind Artikel zu Ge-sundheitsthemen in Printme-dien? – Um diese Frage zu be-

antworten, haben Gerald Gartlehner undseine Kolleg/innen von der Donau-Universität Krems für eine Studie 57Zeitungsberichte aus dem Gesundheits-bereich mit dem verglichen, was auswissenschaftlicher Sicht zum jeweili-gen Thema als belegt gilt. Das Spek-trum der Medien reichte dabei vonGratis-Boulevardblättern bis zu Quali-tätszeitungen. „Ein Drittel der Artikelsind schlicht falsch“, sagt der Leiterdes Departments für EvidenzbasierteMedizin und Klinische Epidemiologiean der Donau-Universität. Weitere 26Prozent seien leicht und 16 Prozentstark übertrieben. Nur 25 Prozent, al-so ein Viertel der Artikel, seien „eindeu-tig richtig“. Das sei nicht etwa daraufzurückzuführen, dass bewusst nichtdie Wahrheit geschrieben würde, weildie Journalist/innen von Unterneh-men gekauft worden wären, meintGartlehner. Die Gründe seien vielmehrim hohen Zeitdruck zu suchen, unterdem Redakteur/innen bei der Arbeithäufig stünden. Die Pharma-, Medi-zintechnik- und Gesundheitsindustrieverfüge demgegenüber über sehr gro-ße Ressourcen für Marketing und Pu-blic Relations. „Letztlich werden dannPresseaussendungen an die Redaktio-nen versendet, die zwar aussehen undgeschrieben sind wie seriöse Studien,jedoch eben keine sind“, sagt Gartleh-ner und ergänzt: „Um dann noch Fak-ten von interessengesteuerter Informa-tion zu unterscheiden, wäre sehr vielArbeitszeit notwendig, die dafür ofteinfach nicht vorhanden ist.“

Eine Bibliothek wissenschaftlicher FaktenDie „Cochrane Library“ will ebendies,nämlich wissenschaftlich belegte Fak-ten, auf hohem Niveau anbieten. In ei-ner Datenbank werden Informationenzur Wirksamkeit medizinischer Be-handlungsmethoden in Form von sys-tematischen Überblicksarbeiten ge-sammelt. Diese „Reviews“ sollen wie-derum den Inhalt aller relevanten ein-zelnen Studien zu dem jeweiligen Pro-blem zusammenfassen, zum Beispielzu einer Frage wie: „Sind Antibiotikabei Kindern mit akuter Mittelohrent-zündung hilfreich?“. Die Methodikmuss dabei hohen Ansprüchen genü-gen. Dazu gehört auch ein Check derInhalte durch einen „Peer Review“, al-so eine Überprüfung durch mehrereExpert/innen. Gartlehner ist auch Di-rektor der österreichischen Zweigstel-le der „International Cochrane Colla-boration“, die unter www.cochrane.atim Internet zu finden ist.

Cochrane Österreich und das Depart-ment für Evidenzbasierte Medizin undKlinische Epidemiologie der Donau-Uni betreiben gemeinsam auch dieWebsite www.medizin-transparent.at.Diese soll Patient/innen sowie Ärzt/in-nen und Entscheidungstragende imGesundheitswesen beim kritischenHinterfragen von Schlagzeilen unter-stützen. Dafür werden vom Team derWebsite, das aus zwei hauptberuflichengagierten Wissenschaftsjournalistenbesteht, Leseranfragen beantwortetoder selbst Artikel aus österreichischenPrintmedien ausgewählt. Diese wer-den dann mit dem verglichen, was anwissenschaftlichen Fakten zum selbenThema bekannt ist.

Klare Antworten auf klare FragenDabei werden klare Fragen formuliert,wie etwa: „Kommt es durch Zahnfül-lungen aus Amalgam zu gesundheitli-chen Schäden?“. Die Antworten sindebenso konkret, zum Beispiel: „Die Fo

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Unabhängige Information als Basis für gesunde Entscheidungen

Fundierte Fakten sind die Basis für richtige Gesundheitsentscheidungen. Doch viele Gesundheitsberichte in den Medien seien falsch, sagen Fachleute.

Unabhängige Angebote sollen es deshalb erleichtern, sich seriös zu informieren.Text: Dietmar Schobel

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vorhandene niedrige wissenschaftli-che Beweislage deutet nicht auf ein all-gemeines Risiko hin.“ Und zur Frage:„Ist Sport eine wirksame Maßnahmezur Bekämpfung von Depressionen?“ist nachzulesen: „Die aktuelle wissen-schaftliche Beweislage deutet daraufhin, dass Sport die Beschwerden vondepressiven Menschen lindern kann.Allerdings ist der positive Effekt nurmäßig ausgeprägt.“

Das Internet wird häufig als Quelle genutztDas Markt- und Meinungsforschungs-institut Integral hat sich 2012 damit be-schäftigt, in welchem Ausmaß Quel-len wie das Internet, andere Medienoder persönliche Gespräche genutztwerden, um sich zu Gesundheitsfra-gen zu informieren. 911 Österreicher/innen wurden dazu online oder telefo-nisch befragt. Sowohl bei den online Be-fragten mit 72 Prozent als auch bei dentelefonisch Befragten mit 53 Prozentwurde das Internet als zweitwichtigs-te Informationsquelle in Gesundheits-fragen genannt – noch vor Familie undFreunden, Apotheker/innen, Büchernund anderen Medien. An erster Stellestanden mit 89 Prozent in der Online-Umfrage und mit 81 Prozent in der Te-lefonumfrage Ärztinnen und Ärzte.Ein interessantes Detailergebnis war,dass rund ein Drittel derjenigen, dieim Internet nach Informationen ub̈er sieselbst betreffende Symptome oder Be-schwerden gesucht hatten, von demGefundenen „ein wenig“ oder „sehr“verunsichert waren.

Ein Ratgeber der niederösterreichischenPatientenanwaltschaft soll hier Abhil-fe schaffen. 2011 wurde unter dem Ti-tel „Wie finde ich seriöse Gesundheits-informationen im Internet?“ eine rund100 Seiten starke Broschüre veröffent-

licht, die Patient/innen im riesigen In-formationsangebot des World WideWeb Orientierung geben soll. NebenLinktipps für empfehlenswerte Ge-sundheits-Websites sind hier zum Bei-spiel auch Ratschläge zu finden, wie dieQualität einer Seite anhand formalerKriterien eingeschätzt werden kann.Das kann zum Beispiel beinhalten,nachzusehen, wie aktuell die Seite ist,ob ein Impressum vorhanden ist, undwer darin als Betreiber genannt wird,oder ob die Autor/innen der Texte ge-nannt werden und welche Qualifikatio-nen diese haben. Der vollständige Rat-geber steht unter www.patientenan-walt.com im Bereich „Ihre Rechte“ un-ter „Broschüren zum Thema Patien-tenrechte“ zur Verfügung.

Mehr unabhängige Information„Es ist von wesentlicher Bedeutung,dass es im Internet Seiten gibt, auf de-nen unabhängig über Gesundheits-themen informiert wird. Das gilt be-sonders dann, wenn die Patientinnenund Patienten im Sinne der Gesund-heitskompetenz besser zu eigenver-antwortlichen Entscheidungen befä-higt werden sollen“, betont auch Ge-rald Bachinger, der Patientenanwaltvon Niederösterreich und Sprecherder Patientenanwälte Österreichs. Erverweist dabei unter anderem auf An-gebote, die von öffentlichen Einrich-tungen betrieben werden und umfas-sende, objektive Gesundheitsinforma-tionen hoher Qualität bieten. Dazuzählen etwa www.gesundheit.gv.at,das öffentliche GesundheitsportalÖsterreichs, www.gesundheitsinfor-mation.de des deutschen Instituts für

WISSEN

Gerald Gartlehner:„Ein Drittel der Artikel zu Gesund-heitsthemen sindschlicht falsch.“

Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge-sundheitswesen sowie www.patien-ten-information.de des deutschenärztlichen Zentrums für Qualität inder Medizin.

Bachinger fügt jedoch auch kritischhinzu: „Wenn das Thema wirklich ernstgenommen wird, müssen in Österreichkünftig noch wesentlich mehr Ressour-cen für unabhängige Information zurVerfügung gestellt werden. Dazu soll-te auch gehören, Informationen zurQualität der Behandlung in Spitälernund Arztpraxen transparent darzustel-len und für alle Bürgerinnen und Bür-ger einfach abrufbar zu machen.“

www.gesundheit.gv.at ist das „öffent-liche Gesundheitsportal“ Österreichs, dasvom Bundesministerium für Gesundheitbetrieben und von der Gesundheit Öster-reich GmbH redaktionell betreut wird. Es stellt unabhängige, qualitätsgesicherteund serviceorientierte Informationen rundum die Themen Gesundheit und Krankheitzur Verfügung. Neben dem Gesundheits-wesen und seinen Leistungen für dieBürgerinnen und Bürger werden auchzahlreiche Krankheiten, Diagnosen undMethoden der Behandlung beschrieben.Die „Gesundheitsvorsorge“ ist ebenfallsein zentraler Inhalt und dem „GesundenLeben“ in Bereichen wie „Bewegung“,„Ernährung“ oder „Psyche & Seele“ sowie den „Gesunden Lebenswelten“sind eigene Rubriken gewidmet.

DAS ÖFFENTLICHEGESUNDHEITSPORTAL

ÖSTERREICHS

Gerald Bachinger: „AuchInformationen zurQualität der Be-handlung in Spitä-lern und Arztpraxensollten transparentdargestellt werdenund einfach abruf-bar sein.“

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WISSEN

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W ir treffen jeden Tag zahlreicheEntscheidungen, die Einflussauf unsere Gesundheit haben.

Gesundheitskompetenz brauchen wir,um die gesündere Möglichkeit zu wäh-len“, erklärt die weltweit anerkannteGesundheitsexpertin Ilona Kickbusch.Das könne erleichtert werden, wennunsere Lebenswelten entsprechend ver-ändert würden, sagt Kickbusch: „EineMöglichkeit dafür ist, das Angebot an

Lebensmitteln so zu gestalten, dass dieWahrscheinlichkeit für den Konsumgesünderer Produkte erhöht wird.“

Als mögliche Maßnahmen den Kon-sum zu steuern, werden immer wiederAbgaben und Regelungen für dieKennzeichnung diskutiert. Ein aktuel-les Beispiel stammt aus Mexiko. Dortwird dem „Spiegel“ zufolge seit No-vember auf so genannte „energiedich-

te Lebensmittel“ mit mehr als 275 Ki-lokalorien pro 100 Gramm eine „Straf-steuer“ in Höhe von acht Prozent erho-ben. In dem lateinamerikanischen Landsind laut dem deutschen Nachrichten-magazin inzwischen 70 Prozent derErwachsenen und 30 Prozent der Kin-der übergewichtig. Durch die neueSteuer soll auch ein Lenkungseffekt er-zielt werden – falls die teureren Pro-dukte seltener gekauft werden.

Kann die Wahl des gesünderen Produktes gefördert werden? Können Kennzeich-nung und Besteuerung von Lebensmitteln dazu beitragen? Indem Subventionen

umgelenkt werden, kann auch schon bei der Produktion angesetzt werden.Text: Dietmar Schobel

Den Konsum gesündererProdukte fördern

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Die weltweit anerkannte Gesundheitsexpertin Ilona Kickbusch im Inter-view zur „Übergewichtsepidemie“, „Sündensteuern“, die für Gesundheitzweckgewidmet sind, und weshalb sich Normen im Lauf der Zeit auch ändern können.

ÜBERGEWICHT IST KEIN „LUXUS-PROBLEM“ MEHR

35gesundesösterreich

GESUNDES ÖSTERREICH Frau Professor Kickbusch, weshalb sollten wir für ein gesünderes Warenangebot sorgen?Ilona Kickbusch: Damit es den Menschenleichter fällt, im Alltag die gesündere Wahl zutreffen. Das Angebot an Lebensmitteln spieltdabei eine wichtige Rolle. Weltweit sind heu-te immer mehr Menschen übergewichtig odersogar adipös, also krankhaft fettleibig. Da-durch sind auch zunehmend mehr Menschenvon chronischen Erkrankungen betroffen, wieetwa Herz-Kreislauf-Leiden oder Stoffwechsel-störungen wie Typ-2-Diabetes. Das ist längstkein „Luxus-Problem“ mehr. Inzwischen hat dieÜbergewichtsepidemie auch die nicht entwi-ckelten Regionen der Welt erreicht. Menschenaus sozial benachteiligten Gruppen sind invielen Ländern betroffen. Übergewicht, aberauch Rauchen sind heute in Schichten mit ge-ringem Einkommen und geringer Bildung besonders häufig.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie könnte für ein gesünderes Warenangebot gesorgt werden?Welche Ansätze möglich sind und akzeptiertwerden, hängt von der politischen Kultur undder Entscheidungsbereitschaft der Politiker ei-nes Landes ab. In Mexiko etwa wird seit Kur-zem eine Steuer auf stark zuckerhaltige Geträn-ke eingehoben. In Thailand gibt es „Sin Taxes“für Alkohol und Tabak. Diese Abgaben sindzweckgebunden und werden ausschließlichfür Gesundheitsförderung aufgewendet. An-dere mögliche Maßnahmen sind, bereits beider Produktion anzusetzen und gesetzlichoder durch Kooperation mit den Herstellern zuregeln, dass gesündere Waren hergestellt wer-den, zum Beispiel in Bezug auf den Salzgehaltvon Nahrungsmitteln. Oder es können Be-schränkungen oder Verbote von Werbung fürbestimmte Lebensmittel eingeführt werden, be-sonders für so genannte „Kinderlebensmittel“.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Maßnahmen sind ambesten geeignet?Das Übergewichtsproblem ist vergleichswei-se neu und es ist von daher eine große gesund-

heitspolitische Herausforderung, es zu lösen.Was tatsächlich wirksam ist, wird sich wohl invielen Fällen erst in zehn oder zwanzig Jahrenzeigen. Das wird wahrscheinlich in einer Kom-bination von Maßnahmen bestehen. Politike-rinnen und Politiker müssen sich jedoch jetztschon entscheiden – auch wenn vielleicht erstnach der übernächsten Wahl erste Effekte zusehen sein werden. Das Beispiel Tabak zeigt je-doch, dass Lenkung im Sinne der Gesundheitmöglich ist. In vielen Ländern konnte der Ni-kotinkonsum in den vergangenen Jahren durchdie Kombination von Preiserhöhungen, Werbe-beschränkungen und Rauchverboten an öffent-lichen Plätzen deutlich reduziert werden.

GESUNDES ÖSTERREICH Geht es hier nicht um Entscheidungen,die letztlich der freien Wahl des einzelnen Menschen überlassen bleiben sollten?Die Möglichkeit, völlig frei zu wählen, gibt esohnehin nicht. So sind zum Beispiel frischebiologische Lebensmittel nicht für alle Schich-ten der Bevölkerung bezahlbar. Oder es wer-den sehr hohe Summen in Werbung für be-stimmte Produkte investiert, damit diese eherausgewählt werden. Industrie und Handel sol-len selbstverständlich Profite machen und neueStellen schaffen können. Aber weshalb solltedas nicht genauso gut mit gesünderen Produk-ten möglich sein? Was aus historischer Sichtzu einer bestimmten Zeit Anerkennung findet, ist immer auch von gesellschaftlichenEntwicklungen abhängig. GesellschaftlicheNormen können sich ändern.

Ilona Kickbusch:„Wir sollten das

Warenangebot so gestalten, dass es den

Menschen leichter fällt, im Alltag die

gesündere Wahl zutreffen.“

Grünes Licht für mehr Gesundheit?In Großbritannien wurde ein „Ampel-system“ eingeführt, das von den Her-stellern von verarbeiteten Lebensmit-teln freiwillig angewendet werdenkann. Nach Gesamtfett, gesättigtenFettsäuren, Zucker und Salz getrennt,zeigt ein grünes, gelbes oder rotes Sym-bol an, ob von den genannten Nähr-stoffgruppen pro 100 Gramm Lebens-mittel oder bei manchen Artikeln auchpro üblicher Portion des Lebensmit-tels ein niedriger, mittlerer oder hoherAnteil des Richtwertes für die emp-fohlene Tageszufuhr aufgenommenwird.

Monique Goyens, die Generaldirektorindes Bureau Européen des Unions desConsommateurs (BEUC), einem Dach-verband europäischer Konsumentenor-ganisationen, stellt in einer Presseaus-sendung vom Februar fest, dass dieFarbcodes „den Konsument/innen hel-fen könnten, sich für gesündere Le-bensmittel zu entscheiden.“ So könntensie dazu beitragen, Adipositas unddurch Ernährung bedingte Erkrankun-gen zu reduzieren und dadurch auchdie „nationalen Gesundheitssystemeund Volkswirtschaften der Länder derEuropäischen Union entlasten.“

„Nach diesem System würden teilwei-se auch gesunde Produkte wie Bananenoder Olivenöl rot oder gelb gekenn-zeichnet werden“ kritisiert hingegenKatharina Koßdorff, die Geschäftsführe-rin des Fachverbandes der Lebensmit-telindustrie in der WirtschaftskammerÖsterreich. Sie spricht sich stattdessenfür die „sachliche und objektive“ Infor-mation über Mengen und Nährwerte

Monique Goyens:„Farbcodes könntenden Konsument/in-nen helfen, sich fürgesündere Lebens-mittel zu entschei-den.“

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WISSEN

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stoffen mehr enthalten als andere Pro-dukte ihrer Kategorie. Diese Produktekönnen mit dem „grünen Schlüssel-loch“ ausgezeichnet werden. Für eineReihe von Produktgruppen wie etwaMilch und Milchprodukte, Fertigge-richte, Brot oder Pasta wurden Verga-bekriterien entwickelt.

Bei der Produktion ansetzenVon Steuern, welche die Endverbrau-cher/innen treffen würden, erwartetLehner hingegen „keine Lenkungsef-fekte“. Vielmehr sollte bei der Produk-tion angesetzt und die Erzeugung ge-sünderer Waren möglichst gefördertwerden. „Das kann zum Beispiel ge-schehen, indem bestehende Subven-tionen umgelenkt werden“, betont dieErnährungsexpertin. Und im Rahmeneiner vom Gesundheitsministeriumund der Wirtschaftskammer getrage-nen Initiative haben sich zum Beispielauch schon zahlreiche Bäckereien inÖsterreich freiwillig dazu verpflichtet,den Salzgehalt ihrer Waren bis 2015um 16 Prozent zu verringern.

aus, wie sie derzeit schon vielfach aufden Verpackungen verarbeiteter Le-bensmittel in Österreich nachzulesensei. „Mit Geboten und Verboten odergar Steuern kann beim Essen und Trin-ken keine Verhaltensänderung derMenschen erreicht werden“, sagt Koß-dorff und ergänzt: „Im Rahmen einerausgewogenen Ernährung hat auch alles seinen Platz, denn es gibt keine Lebensmittel, die per se gesund oderungesund sind.“

Schweden setzt auf Positiv-Kennzeichnung„Ab 2016 ist in der Europäischen Uni-on die Nährwertkennzeichnung nachden einheitlichen Vorgaben einer Nähr-werttabelle bei allen verpackten Lebensmitteln verpflichtend“, erklärtPetra Lehner, die Leiterin der Abteilung8 Kinder-, Jugend- und Gendergesund-heit sowie Ernährung des Gesundheits-ministeriums. Im Einzelnen seien dieAnteile für die Energie, Gesamtfett, ge-sättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zu-cker, Eiweiß und Salz anzugeben. Zu-sätzliche farbliche oder symbolhafteKennzeichnungen könnten die Ent-scheidung für die Verbraucher/innenmöglicherweise erleichtern, meint Leh-ner, die dabei auch auf das „Keyhole-Modell“ verweist.

Dieses freiwillige Kennzeichnungssys-tem nach Lebensmittelkategorien wur-de in Schweden entwickelt. Es soll denKonsument/innen ermöglichen, jeneLebensmittel rasch zu identifizieren,die von den „kritischen Nährstoffen“wie etwa gesättigten Fetten, Zuckeroder Salz weniger und von den „güns-tigen Nährstoffen“ wie etwa Ballast-

„Es gibt mehrere mögliche Ansätze,für ein gesünderes Lebensmittelange-bot“, sagt Petra Lehner zusammenfas-send: „Die größten Effekte sind jedochzu erwarten, indem die Gemeinschafts-verpflegung gemeinsam mit den An-bietern gesünder gestaltet wird.“ Hiersetzen etwa die bundesweite Initiative„Unser Schulbuffet“ des Gesundheits-ministeriums sowie verschiedene Pro-gramme und Projekte für gesündereGemeinschaftsverpflegung auf Ebeneder Länder und Gemeinden an.

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Katharina Koßdorff: „MitGeboten und Verboten oder garSteuern kann beimEssen und Trinkenkeine Verhaltensän-derung erreicht werden.“

Petra Lehner:„Die Produktion gesünderer Warensollte gefördert werden, zum Beispiel indem bestehende Subven-tionen umgelenktwerden.“

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SELBSTHILFE

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sundheitszentrum Graz 2011 und 2012 durch-geführt hat. 229 Einrichtungen des Gesund-heitswesens von Frauengesundheitszentrenüber Informationsservices von Krankenkas-sen bis zu Selbsthilfegruppen wurden ange-schrieben und gebeten, ihre Angebote zu be-schreiben, die

• den Umgang mit Gesundheits-information verbessern,

• Orientierung im Gesundheitssystem geben, oder

• im Sinne von „Selbstmanagement“ die Kompetenzen von Patienten im Umgang mit ihrer Krankheit fördern.

Die Studienautorinnen erhielten von 77 Orga-nisationen Rückmeldungen über 232 Angebo-te und konnten feststellen, dass die Servicesvon 28 Organisationen Gesundheitskompetenzfördern. Das trifft unter anderem auch aufdie fünf Selbsthilfedachverbände und -unter-stützungsstellen zu, die für die Studie berück-sichtigt werden konnten. „In der Selbsthilfe istdas schon seit Langem ein wichtiges Thema“,hebt auch Maier hervor und weist darauf hin,dass etwa vom Dachverband Selbsthilfe Kärn-ten bereits 1997 erste entsprechende Schu-lungen für Teilnehmer/innen von Selbsthilfe-gruppen angeboten worden seien. Deren In-halt: „Individuelle Kompetenz entwickeln inSelbsthilfegruppen.“

Laut den aktuellen, von der Regierung 2012beschlossenen Rahmen-Gesundheitszielen

I n Selbsthilfegruppen gibt es viele Aktivitä-ten, welche die Teilnehmer/innen dabeiunterstützen können, ihre Gesundheits-

kompetenz zu stärken. Das kann auch bedeu-ten, dann besser in der Lage zu sein, im Alltagjene Entscheidungen zu treffen, die der eigenen Gesundheit förderlich sind“, meintMonika Maier, die Geschäftsführerin des Dach-verbandes Selbsthilfe Kärnten und Bundesvor-sitzende der ARGE Selbsthilfe Österreich. Inder ARGE sind themenübergreifende Selbsthil-fe-Dachverbände und -Kontaktstellen sowiethemenbezogene, bundesweit tätige Selbst-hilfeorganisationen zusammengeschlossen.

In Selbsthilfegruppen werde Betroffenen vor al-lem auch ein guter Überblick über das Ange-bot an Gesundheits- und Sozialleistungen ge-geben und es würden fundierte Informatio-nen vermittelt, die dann gemeinsam mit ande-ren diskutiert werden könnten, ergänzt Maier:„So kann jeder Teilnehmer für sich herausfin-den, was für ihn selbst das Beste ist.“ Nebendem Erfahrungs- und Informationsaustauschführten viele Selbsthilfegruppen zudem ge-sundheitsförderliche Aktivitäten durch, zumBeispiel indem gemeinsam gesunde Bewe-gung gemacht werde.

Erhebung belegt Funktion der SelbsthilfeDass die Selbsthilfe dazu beiträgt, Gesund-heitskompetenz zu erhöhen, wird auch durcheine Erhebung bestätigt, die das Frauenge-

soll Gesundheitskompetenz jedoch nicht nur aufder individuellen Ebene gefördert werden. Viel-mehr soll auch das Gesundheitssystem einfa-cher und Informationen zur Gesundheit sollenverständlicher gestaltet werden. Da geradechronisch kranke Menschen aus eigener Erfahrung manchmal am besten wissen, woranes im Gesundheitssystem möglicherweisekrankt, sollen sie bei dessen Neuorientierungmiteinbezogen werden.

Auf Systemebene ist der Weg noch weit„Das ist ein guter Ansatz. Doch derzeit sind wirnoch weit davon entfernt, das zu verwirkli-chen“, kritisiert Maier: „Wenn Patientinnenund Patienten tatsächlich dazu beitragen sol-len, das Gesundheitssystem zu vereinfachen,wären Modelle für eine echte Beteiligung not-wendig, die über die reine Teilnahme hinaus-gehen.“Gleichzeitig beobachtet die Selbsthil-fe-Vertreterin dennoch „seit etwa fünf Jah-ren“ erste Schritte in die richtige Richtung.„Seither werden die Betroffenen zumindesteinmal eingeladen, an relevanten Gremien desGesundheitswesens teilzunehmen und dort ih-re Perspektive einzubringen“, sagt Maier. EinWeg, der aus ihrer Sicht jedenfalls fortgesetztwerden sollte: „Doch dazu sind künftig auchpartizipative Entscheidungsstrukturen notwen-dig und die Bereitschaft, die Macht der Exper-ten zu überdenken und der Kompetenz derBetroffenen noch mehr Wertschätzung entge-genzubringen“, meint die Bundesvorsitzendeder ARGE Selbsthilfe Österreich.

Wer über „Gesundheitskompetenz“ verfügt, kann besser entscheiden, was für das eigene Wohl das Beste ist. Die Angebote der Selbsthilfe können

wesentlich dazu beitragen, das selbstbestimmt und gut informiert zu tun.

Wie Selbsthilfe die Gesundheitskompetenz

fördert

Monika Maier: „Wenn Patientinnen und Pa-tienten dazu beitragen sollen, das Gesundheits-system zu vereinfachen, sind Modelle für echte Beteiligung notwendig.“

Foto: Eggenberger

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ALLE ADRESSEN AUF EINEN BLICK

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SELBSTHILFE

ÖSTERREICHARGE Selbsthilfe ÖsterreichSimmeringer Hauptstraße 24,1110 Wienarge@selbsthilfe-oesterreich.atwww.selbsthilfe-oesterreich.atBundesvorsitzende: Sabine GeistlingerBundesgeschäftsführer: JohannesRampler, Tel: 0664/34 29 136

BURGENLANDBurgenländischer Landesverband der Selbsthilfegruppenc/o Technologiezentrum Eisenstadt Haus TechLabThomas A. Edison Straße 27000 EisenstadtTel. 0664/783 64 70 (Arnold Fass,Obmann des Landesverbandes)landesverband.burgenland@gmail.comwww.selbsthilfe-landesverband-burgenland.at

KÄRNTENSelbsthilfe Kärnten – Dachver-band für Selbsthilfeorganisa-tionen im Sozial- und Gesund-heitsbereich, Behindertenver-bände bzw. -organisationenKempfstraße 23/3, PF 1089021 KlagenfurtTel: 0463/50 48 71Fax: 0463/50 48 [email protected]

NIEDERÖSTERREICHSelbsthilfe Niederösterreich– Dachverband der NÖ

SelbsthilfegruppenTor zum LandhausWiener Straße 54 / Stiege A / 2. Stock3109 St. Pölten, Postfach 26Tel: 02742/226 44Fax: 02742/226 [email protected]

OBERÖSTERREICHSelbsthilfe OÖ – Dachverband der SelbsthilfegruppenGarnisonstraße 1a/2. StockPF 61, 4021 LinzTel: 0732/797 666Fax: 0732/797 [email protected]

Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Magistrat der Stadt WelsQuergasse 1, 4600 WelsTel: 07242/235-7490Fax: 07242/[email protected]

SALZBURGSelbsthilfe Salzburg – Dachverband der SalzburgerSelbsthilfegruppenIm Hause der SGKK / Ebene 01 / Zimmer 128Engelbert-Weiß-Weg 105021 SalzburgTel: 0662/88 89-1800Fax: 0662/88 [email protected]

STEIERMARKSelbsthilfeplattform Steiermark –Dachverband der Selbsthilfein der SteiermarkGeschäftsstelle: Selbsthilfekon-taktstelle Steiermark/SBZLeechgasse 30, 8010 GrazTel: 0316/68 13 25Fax: 0316/67 82 [email protected]

TIROLSelbsthilfe Tirol – Dachverband der TirolerSelbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und SozialbereichInnrain 43/Parterre6020 InnsbruckTel: 0512/57 71 98-0Fax: 0512/56 43 [email protected]

Selbsthilfe Tirol – Zweigverein Osttirol Selbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und Sozialbereich c/o Bezirkskrankenhaus Lienz – 4. Stock Süd Emanuel von Hibler-Straße 5, 9900 LienzTel./Fax: 04852/606-290Mobil: 0664/38 56 [email protected]/osttirol

VORARLBERGService- und KontaktstelleSelbsthilfe VorarlbergHöchster Straße 30 6850 Dornbirn Tel./Fax: 05572/26 374 [email protected]

Lebensraum BregenzDrehscheibe im Sozial- undGesundheitsbereichClemens-Holzmeister-Gasse 26900 BregenzTel: 05574/527 00Fax: 05574/ 527 [email protected]

WIENSelbsthilfe-Unterstützungs-stelle SUS Wien c/o Wiener Gesundheits-förderung – WiGTreustraße 35-43Stg. 6, 1. Stock1200 WienTel: 01/4000-76 [email protected]

Medizinisches Selbsthilfezentrum Wien„Martha Frühwirth“Obere Augartenstraße 26-281020 WienTel./Fax: 01/330 22 [email protected]

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SELBSTHILFE

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bereiten kann. Zudem werden professionellmit Atemwegserkrankungen Befasste zu Dis-kussionsrunden eingeladen.

Innovative Projekte,… Zusammenarbeit mit Ärzt/innen gibt es ak-tuell auch auf Ebene der Europäischen Uni-on. Man ist gemeinsam dabei, Standards zurBetreuung von COPD-Patient/innen zu ent-wickeln, doch auch im Lande selbst tut sichderzeit einiges an innovativen Aktivitäten.Im Rahmen des Projekts „Sauerstofftank-stelle Apotheke“, das 2009 gemeinsam mitder Apothekerkammer auf den Weg gebrachtwurde, gibt es für chronisch Lungenkranke,die reinen Sauerstoff als Medikament drin-gend benötigen, in 27 Apotheken in Öster-reich die Möglichkeit, ihr tragbares Flüssig-sauerstoffgerät aufzutanken, was auch da-bei hilft, ihre Mobilität zu steigern. „Ein ähn-liches Projekt gibt es in Deutschland, doch esist nicht so groß, und die Patient/innen müs-sen für das Auftanken zahlen. Bei uns hinge-gen ist dieser Service gratis“, zeigt sich Spran-ger stolz auf die österreichische Lösung.

...die erfolgreich laufen Ein anderes erfolgreiches Projekt ist der „Al-lergie-Risiko-Check“, der 2013 in Wien an-gelaufen ist. An Apothekenbesucher/innen,die entsprechende Medikamente einkauf-ten, offensichtlich Allergiesymptomatik zeig-ten oder davon berichteten, wurden in Ko-operation mit den Wiener Apotheken Frage-bögen ausgeteilt. 2.300 wurden ausgefüllt,zwei Drittel der Befragten hatten ein erhöh-tes Allergierisiko. Sie wurden zur exakten Di-agnose an Fachärzt/innen verwiesen.

D ie Österreichische Lungenunion feiertnächstes Jahr ihr dreißigjähriges Be-stehen. Kein Grund, sich entspannt

zurückzulehnen, denn es gibt noch viel zu tun,meint Otto Spranger, Sekretär und Sprecherder Gruppe, die laut Spranger „alles andereals ein Kaffeehäferlverein“ ist und die Selbst-hilfe für Patient/innen mit Allergien, Asth-ma, COPD und Lungenkrebs anbietet. Eineäußerst heterogene Zielgruppe also, eint siedoch alle das Leiden an einer chronischen Er-krankung, mit der umzugehen gelernt seinwill.

Auf Augenhöhe kommunizieren Aufklärung und Information über die einzel-nen Krankheiten, Gesprächsrunden, Vorträ-ge und Diskussionsveranstaltungen,Patient/innenschulungen, Sprechstunden fürEltern von atemwegserkrankten Kindern, Be-ratung und Beantwortung von Anfragen so-wie die Herausgabe des Magazins „Auf-wind“ sind daher die zentralen Angeboteder Selbsthilfegruppe, in die auch Angehöri-ge einbezogen werden.

Wichtig ist den Proponent/innen der Lungen-union zudem, die Partnerschaftlichkeit zwi-schen Ärzten und Patienten zu fördern. OttoSpranger: „Es geht darum, dass auf Augen-höhe kommuniziert werden soll. Denn wennBetroffene in den Diagnose- und Therapiepro-zess miteinbezogen werden, sind sie besserin der Lage, wichtige Entscheidungen selbstän-dig zu treffen, und es erhöht sich dadurch auchihre Therapietreue.“ Deshalb informiert dieLungenunion unter anderem darüber, wieman sich auf Gespräche mit Ärzt/innen vor-

Das Projekt wird heuer ausgeweitet: Auchniederösterreichische, burgenländische undSalzburger Apotheken werden miteinbezogen.

„Uncoole“ Asthmatherapie?Spannend ist auch ein Plan, der sich aufasthmatische Jugendliche bezieht. „Geradebei dieser Zielgruppe zeigen sich immer wie-der große Complianceprobleme. Junge Be-troffene glauben oft, keine Therapie zu be-nötigen oder lehnen sie ab, weil sie ,uncool’ist“, sagt Otto Spranger, der dazu gemein-sam mit dem Europäischen Dachverband fürPatientenorganisationen im Bereich Aller-gien und Atemwegserkrankungen (EFA) inBrüssel ein entsprechendes Projekt entwickelnwill.

Zwei Wünsche Pläne hat der engagierte Selbstbetroffenenoch viele, Wünsche auch. Die zwei wichtigs-ten hat er uns genannt: „Von den Betroffe-nen wünsche ich mir, dass sie sich, sobald sieihre Diagnose haben, an eine Selbsthilfe-gruppe wenden, um sich umfassende Infor-mation und Beratung zu holen. Und von derPolitik wünsche ich mir endlich eine gesetz-liche Verankerung der Selbsthilfe.“

Die Selbsthilfegruppe der Österreichischen Lungenunion kann nicht nur auf eine lange Tradition zurückblicken, sondern setzt auch laufend neue Impulse. Wir sprachen mit dem

Sekretär und Sprecher der Gruppe, Otto Spranger. Text: Gabriele Vasak

Otto Spranger: „Es geht darum, dass zwischen Ärzten und Patienten auf Augenhöhekommuniziert werden soll.“

Alles andere als ein Kaffeehäferlverein

Österreichische Lungenunion Ansprechperson: Otto Spranger Tel: 01/330 42 86 [email protected]

INFO & KONTAKT

Foto: privat

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Krebs der Prostata ist in Österreich die häu-figste Tumorerkrankung bei Männern.24 Prozent aller neu an Krebs Erkrank-

ten sind davon betroffen. Allein 2011 waren daslaut der Statistik Österreich 4.722 Männer. DieProstata oder auch Vorsteherdrüse ist ein männ-liches Geschlechtsorgan, das der Zeugungsfä-higkeit dient, indem es ein Sekret produziert, wel-ches den Samen transportiert.

Ekkehard Büchler, Obmann der Selbsthilfe Pros-tatakrebs Wien, Niederösterreich und Burgen-land, ist selbst Betroffener. Während eines Kran-kenhausaufenthaltes wurde bei ihm 1993 Krebsdiagnostiziert und Büchler wurde als „Hochri-sikokrebspatient“ eingestuft. „Es folgten eineradikale Prostataoperation und später Strah-len- und Hormontherapie“, erzählt Büchler.1997 hat er die Selbsthilfe Prostatakrebs gegrün-det und initiierte in der Folge österreichweitSelbsthilfegruppen. Zudem ist er Gründungsmit-glied des Europäischen Dachverbandes „EuropaUomo“. Die europäische Vereinigung zur Unterstützung von Patienten mit Prostataer-krankungen ist 2002 in Rom entstanden.

Heute gehören ihr Organisationen aus 23 Län-dern als Mitglieder an.

Füreinander da seinDas Telefon klingelt. Büchler unterbricht dasInterview und spricht mit einem Mann, derkürzlich die Diagnose Prostatakrebs erhalten hat.Geduldig hört er zu und beantwortet Fragen. Erist ein positiver Mensch und gibt dies auch anandere weiter. Doch die Arbeit in und für dieSelbsthilfe sei auch oft belastend, sagt Büchler:„In meinen ersten zehn Jahren sind aus einemsechsköpfigen Vorstand insgesamt zehn Män-ner herausgestorben.“ Das sei auch deshalbtraurig, da sich Freundschaften in der Selbsthil-fe begründen. Es gäbe auch Grund, sich zu ärgern, führt derSelbsthilfe-Obmann weiter aus – vor allem,weil Prostatakrebs noch immer ein Tabuthemasei. „Diese Erkrankung kommt bei den Männerngenauso häufig vor wie der Brustkrebs bei denFrauen. Aber während die betroffenen Fraueninzwischen dazu stehen, schämen sich an Pros-

tatakrebs erkrankte Männer noch immer. Undauch die Medien vermeiden das Thema noch im-mer peinlichst“, meint Büchler. Zum Tabu wirddas Leiden nicht zuletzt, weil Inkontinenz undPotenzschwäche häufige Folgen der operati-ven Behandlung sind.

Zusammenarbeit und AustauschDas Ziel der Selbsthilfegruppe sei in erster Liniedie gegenseitige Unterstützung von Patientenund in zweiter Linie die Vorsorge gegen Pros-tatakrebs, sagt Büchler. In der Gruppe werdenErfahrungen, Informationen und Wissen ausge-tauscht. Und es werden unter anderem auch Vor-träge veranstaltet, die von Urologen gehaltenwerden, die sich dafür kostenlos zur Verfügungstellen. Meist kommen an die 50 Personen. DasProblem sei deshalb nicht, neue Mitglieder zufinden, sondern es liege eher darin, tätige Mit-glieder zu bekommen, erläutert Büchler undbetont: „Die Selbsthilfe Prostatakrebs freut sichüber jede Kontaktaufnahme – sei es durch Be-troffene oder durch Unterstützer/innen.“

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung der österreichischen Männer – und wird nach wie vor tabuisiert.

Die Selbsthilfe Prostatakrebs unterstützt und informiert Betroffene. Text: Hermine Mandl

Kein Grund sich zu verstecken

Fotos: agenturfo

tografin - Fotolia.com

, privat

Selbsthilfe ProstatakrebsObmann Ekkehard BüchlerObere Augartenstraße 26-28, 1020 WienTel. & Fax: 01/333 10 [email protected]

Landesvereine:Wien, Niederösterreich, Burgenland:www.prostatakrebse.atTirol: www.prostatakrebs.or.atVorarlberg: www.vsprostatakrebs.at

INFO & KONTAKT

Ekkehard Büchler: „Prostatakrebs ist immer noch ein Tabuthema.“

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PRAXIS

Betriebliche Gesundheits-förderung in Österreich

BEISPIELE GUTER PRAXIS

In der Betrieblichen Gesundheits-förderung (BGF) wird mit stan-dardisierten bewährten Metho-den gearbeitet. Wenn diese mitgesicherter Qualität umgesetztwerden, können Unternehmennachhaltig gesünder gestaltetwerden. Das bedeutet vor allemauch, mit größtmöglicher Betei-ligung aller Mitarbeiter/innen fürgesündere Arbeitsverhältnisse zusorgen. Zum Beispiel indem derZusammenhalt im Team gestärktwird und durch gesunde Füh-

rung, oder indem Arbeitsabläufestressfreier und Arbeitsplätze er-gonomischer gestaltet werden.In einer neu erschienenen Bro-schüre des Fonds GesundesÖsterreich werden 15 Betriebevorgestellt, die das erfolgreichumsetzen. Von einem weltweitin der Stahlerzeugung tätigenKonzern mit 6.800 Mitarbeiter/in-nen über ein Kleinunternehmenfür Gebäudereinigung bis zu ei-nem sozialen Dienstleister, des-sen 15 Mitarbeiter/innen rund60 langzeitarbeitslose Jugendli-che betreuen und begleiten. Alle Betriebe zählen zu jenen

441 Unternehmen, die bis Ende2013 durch das ÖsterreichischeNetzwerk für BGF mit dem Gü-tesiegel für Betriebliche Gesund-heitsförderung ausgezeichnetwurden. Dieses wird für jeweilsdrei Jahre an Unternehmen ver-liehen, die vor Kurzem erfolg-reich ein BGF-Projekt abgeschlos-sen haben oder an solche Be-triebe, die BGF bereits umfas-send und nachhaltig im Arbeits-alltag umsetzen.Weitere Informationen dazu sindunter www.netzwerk-bgf.atnachzulesen. Die Broschüre „Be-triebliche Gesundheitsförderung

in Österreich. Beispiele guter Pra-xis 2014“ kann auf der Websitewww.fgoe.org herunterge-laden oder in gedruckter Formkostenlos bestellt werden.

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Foto: goodluz - Fotolia.com

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Gesundheit einfach

verständlichmachen

PRAXIS

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Foto: Schuster

Infoblätter in15 Sprachen

ZAHNGESUNDHEIT

„Zähne.Zeigen“ heißt ein Pilotprojekt dersteirischen Einrichtung für Gesundheitsför-derung Styria vitalis für mehr Zahngesund-heit für sozioökonomisch Benachteiligte undMenschen mit Migrationshintergrund. Eswurde vom Fonds Gesundes Österreich unddem Land Steiermark gefördert und im De-zember 2013 beendet. 18 Zahngesund-heitsmentorinnen aus zwölf Herkunftslän-dern wurden ausgebildet, um in ihren Com-munities sowie zum Beispiel auch in Warte-zimmern von Kinderärzt/innen oder Eltern-beratungsstellen Know-how rund um dieThemen gesunde Milchzähne und Zähneweiterzugeben.Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass sich Elternauch fundierte schriftliche Informationen zurZahngesundheit wünschen. Beim Folgepro-jekt „Kultursensible Kariesprävention“ wur-den von Styria vitalis deshalb solche Unter-lagen entwickelt. In interkulturellen Dialog-gruppen wurde mit Vertreter/innen dergrößten Gruppen von Migrant/innen disku-tiert und überlegt, in welcher Form Inhaltewie Mundhygiene oder eine zahngesundeErnährung am besten vermittelt werdenkönnten. So sind informative und gleichzei-tig einfach getextete Dokumente zur Zahn-gesundheit in 15 Sprachen entstanden: vonAlbanisch und Arabisch bis zu Spanisch, Tür-kisch und Ungarisch. Diese werden über Mi-grant/innen-Organisationen und -Communi-ties verteilt und sind zum Beispiel auch beiÄrzt/innen, Vereinen und Zahnambulatorienerhältlich. Die Informationsblätter stehenzudem unter www.styriavitalis.at zumDownload bereit.

BROSCHÜREN IN „LEICHTER SPRACHE“

„Wer die Gesundheitskompetenz der Bevöl-kerung stärken will, muss Informationen zu Ge-sundheitsthemen leicht verständlich vermitteln.Das gilt nicht nur für den Bereich der Versor-gung, sondern ebenso für die Gesundheitsför-derung“, betont Dennis Beck, der Geschäfts-führer der Wiener Gesundheitsförderung(WiG). Die WiG hat deshalb vor gut einem Jahrdrei Broschüren veröffentlicht, die das umset-zen und die Menschen positiv zu einem gesünderen Verhalten motivieren sollen. IhreTitel lauten:

• „Bewegung im Alltag wirkt“

• „Gesunde Ernährung schmeckt“

• und „Seelische Gesundheitmacht stark“.

Die jeweils rund 20 Seiten starkenDruckwerke, sollen auch jene errei-chen, die sich sonst wenig für Ge-sundheitsthemen interessieren. Sieenthalten zahlreiche Bilder und sindin „leichter Sprache“ verfasst.

Das bedeutet unter anderem, kurze Sätze zuverwenden. Wenn Fremdwörter oder Fachwör-ter vorkommen, werden sie erklärt. Die Rat-geber stehen unter www.wig.or.at im Be-reich „Downloads“ kostenlos zur Verfügungund sind auch in einer deutsch-türkischensowie in einer deutsch-bosnisch/serbisch/kroa-tischen Version erhältlich. Sie können auch alsDruckwerke kostenlos bestellt werden, tele-fonisch unter 01/4000/769 24 oder per E-Mailan: [email protected] Beck weist auch darauf hin, dass vonInformation allein keine nachhaltige Wirkungzu erwarten sei. „Das muss mit praktischenProjekten kombiniert werden, an denen die Be-troffenen von Beginn an beteiligt werden“,sagt der Geschäftsführer der Wiener Gesund-

heitsförderung und er-gänzt: „Zudem müs-sen wir die Lebenswel-ten insgesamt so ge-stalten, dass es leichterwird, den Schritt vomGesundheitswissenzum gesunden Verhal-ten zu setzen.“

AKS VORARLBERG

Das Programm „Maxima“ der aks gesund-heit GmbH in Vorarlberg soll schon denKleinsten mehr Kompetenz in Fragen der ge-sunden Ernährung vermitteln. Es wird bereitsseit 2003 umgesetzt und inzwischen nehmenüber zwei Drittel der Kindergärten im Ländledaran teil. Die Arbeitsmappe „Maximas ge-sunde Jause“, die dafür erstellt wurde, wurdevor Kurzem inhaltlich und optisch überarbei-tet. Sie enthält nun über 70 gesunde Rezep-te, allgemeine Ernährungstipps sowie Vorla-gen für die Elternarbeit. Zudem gibt es beiMaxima Informationsveranstaltungen für

Kindergartenpädagog/innen und ebensoWorkshops für Eltern sowie für Eltern undKinder. Die Mappe ist für Kindergärten um 50 Euro erhältlich und im Preis ist auch einWorkshop pro Jahr enthalten. Außerdem wird monatlich ein Maxima-Newsletter miteinfachen Rezepten sowie Bewegungs- undWohlfühl-Tipps versendet.

Ernährungskompetenz im Kindergarten

Dennis Beck: „Leicht verständliche Information

muss mit praktischen Projek-ten kombiniert werden.“

Foto: aks Gesundheit GmbH

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PRAXIS

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Wenn es um die eigene Gesundheit geht, stehen Migrantinnen oft vor scheinbarunüberwindlichen Hürden. Ein Projekt in Graz hat ihre Kompetenz in Gesundheitsfragen gestärkt, mit Fokus auf die psychische Gesundheit. Text: Sabine Fisch

Die Unterrichtsunterlagen sowie Infoblätterfür die Frauen zu den Themen Depression,Trauma, Vorsorge und Diskriminierung kön-nen unter [email protected] angefordertwerden.

Workshops für GesundheitsprofisEmMi setzte auch im Gesundheitswesen an, woBeschäftigte zu einem sensibleren Umgang mitMigrantinnen angeleitet werden sollten. Das In-stitut „Peripherie“ führte zunächst 20 aktivieren-de Befragungen von Gesundheitsexpert/innendurch, wie etwa Psychotherapeut/innen, Haus-ärzt/innen und Mitarbeiter/innen von psychoso-zialen Beratungsstellen. Auf die Ergebnisse auf-bauend wurden Workshops konzipiert. In diesenhatten die Teilnehmer/innen die Möglichkeit,sich mit den eigenen Bildern von der Zielgrup-pe auseinander zu setzen, sowie mit den ThemenKrankheit, Gesundheit und speziell psychischesWohlbefinden. Das Projekt EmMi wurde im De-zember 2012 begonnen und Ende März 2014beendet. Die „Frauengesundheitsgespräche“und die Workshops für Beschäftigte im Gesund-heitswesen sollen weiter angeboten werden.

Bei der ersten Befragung sagten dieFrauen erst oft: Es geht mir gut. Wennwir dann aber weitergefragt haben,

kamen oft lange Geschichten von Schmerzen,Belastung und Problemen“, berichtet Marianne Hammani-Birnstingl vom VereinDanaida in Graz, einem Treffpunkt für Migran-tinnen, wo auch Kurse für Basisbildung angeboten werden.Für Migrantinnen ist es oft schwer, rasch denrichtigen Zugang zum österreichischen Ge-sundheitssystem zu finden – vor allem dann,wenn sie nicht deutsch sprechen oder diedeutsche Sprache noch nicht ausreichendbeherrschen. Dolmetscher/innen stehen oftnicht zur Verfügung, aber auch kulturelleUnterschiede im Umgang mit Krankheit undinsbesondere mit psychischen Leiden stel-len Patient/innen wie Gesundheitsdienstleis-ter/innen häufig vor große Probleme. Danai-da hat deshalb gemeinsam mit „Periphe-rie“, dem Institut für praxisorientierte Genderforschung, das Projekt „Empower-ment von Migrantinnen zur Stärkung derpsychischen Gesundheit“ entwickelt, kurz„EmMi“.

BedarfserhebungUm den Bedarf zu erheben, wurden vom In-stitut Peripherie zunächst 20 qualitative In-terviews mit Migrantinnen durchgeführt. DieThemen waren die spezifischen Herausforde-rungen der Migration, die derzeitigen Le-bensbedingungen der Frauen, ihre Ressour-cen und Handlungsstrategien sowie ihre Be-dürfnisse im Bezug auf psychische Gesund-heit. Auf Basis der Befragung entwickelteDanaida Workshops zu Themen psychischerGesundheit für Migrantinnen. Dabei ging esunter anderem um Inhalte wie Depression,Trauma, Vorsorge und Diskriminierung. Die Ar-beitskreise wurden von Dolmetschern undDolmetscherinnen in Albanisch, Arabisch,Türkisch und Russisch sowie in Dari, einer

afghanischen Sprache, begleitet. Aus denWorkshops entstanden drei Gruppen, in de-nen nun „Frauengesundheitsgespräche“stattfinden. Diese sollen letzten Endes zuSelbsthilfegruppen werden. Vorläufig aller-dings werden sie noch angeleitet.

Unterrichtsmaterialien und InfoblätterZudem wurden speziell für Einrichtungen derErwachsenenbildung, die Deutsch als Zweitspra-che anbieten, Unterrichtsmaterialien für Migran-tinnen entwickelt. Dabei wurde besonders vielWert auf alltagsrelevante und zielgruppenori-entierte Informationen gelegt, die nun für folgende Themen vorliegen:

• Allgemeines• Informationen zum eigenen Körper

• Informationen zum Gesundheitssystem(Ärzt/innen, Apotheken und Medikamente)

• Informationen zu einzelnen Erkrankungen.

Information bedeutet Gesundheit

INFO & KONTAKT

Projektleiterin: Petra Eyawo-HaukTel. 0316/710 [email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: Peripherie – Institut für praxis-orientierte Genderforschung, verschiedenen Einrichtun-gen für Gesundheits- und Erwachsenenbildung.

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Gesundheitswissen kann komplex und – in einer fremdenSprache – schwer verständlich sein. Ein vom Fonds Gesundes Österreich gefördertes Projekt vermittelt es Migrantinnen in Niederösterreich auf vielfältige Weise.Text: Gabriele Vasak

PRAXIS

Mädchen und Frauen mit Mi-grationshintergrund in denniederösterreichischen Regio-

nen Industrieviertel und Weinviertel:Man kann sich vorstellen, dass dieseBevölkerungsgruppe – auch – in Sa-chen Gesundheit benachteiligt ist.Und: „Tatsächlich hat sich im Rah-men unserer jahrelangen Sozial- undRechtsberatungstätigkeit für Migran-tinnen und Flüchtlinge eindeutig he-rauskristallisiert, dass diese Fraueneinen enormen Mangel und Bedarfan Gesundheitskompetenz haben, esjedoch kaum entsprechende Angebo-te für sie gibt“, sagt die Leiterin desZentrums für Frauengesundheit inWiener Neustadt, Birgit Haidenwolf,die auch kritisiert, dass Mehrsprachig-keit in Gesundheitsinstitutionen inÖsterreich kaum üblich sei – obwohldies oft dringend notwendig wäre.

Mit Alltagsdeutsch gegen Medizinersprech Dem entgegenzusteuern ist ein Teileines vielfältigen, seit September 2012laufenden, vom Fonds GesundesÖsterreich (FGÖ) geförderten Projektsder Caritas Asyl und Integration Nie-derösterreich. Es trägt den Namen„Frauengesundheitsprogramm fürMigrantinnen – Gesundheitsförde-rung durch Bildung und Gemeinde-

arbeit“ und soll dieser in vieler Hin-sicht benachteiligten Zielgruppe Ori-entierung im österreichischen Gesund-heitssystem geben. In der „Basisstati-on“, dem Gesundheitszentrum in Wie-ner Neustadt, gibt es daher das in die-ser Form einzigartige Angebot vonganzheitlicher muttersprachlicher Ge-sundheitsberatung durch Ärztinnen,Hebammen, eine Ernährungsberate-rin, eine Shiatsu-Praktikerin und einePsychologin in den Sprachen Tür-kisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch,

Die Projektleiterin BirgitHaidenwolf: „Bei dem Projekt werdenauch partizipative Methoden vermittelt,mit denen die Teilnehmerinnen dasErlernte dann an andere Frauenweitergeben können.“

Gemeinsame Kräuterwanderungen sind ebenfallsBestandteil des Frauengesundheitsprogramms für Migrantinnen.

Bei dem Projekt werden unter anderem „interkulturelle Gesundheitstrainerinnen“ geschult.

Wissen gegenOhnmacht

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Mütter und Töchter Besonders interessant ist auch ein wei-teres Projektangebot, das der inter-kulturellen Mädchenberatung, die vonder Psychologin des Gesundheitszen-trums geleitet wird. In diesem Rah-men wird im heurigen Sommer auchein Mütter-Töchter-Camp veranstaltet,mit gemeinsamen sportlichen undkreativen Tätigkeiten und der Mög-lichkeit, das Thema dieser speziellenBeziehung zu reflektieren.

…und die Stolpersteine? Aus gutem Grund wird übrigens zuallen Angeboten auch Kinderbetreu-ung garantiert, und es fragt sich nurnoch, wo die Stolpersteine für diesesambitionierte Projekt liegen. „Vor al-lem in der Gemeinwesenarbeitbraucht es sehr viel Aufbauarbeit undZeitressourcen, und man muss wirk-lich dranbleiben, damit das Projekteines Tages der Selbstläufer wird, alsder es geplant ist“, erklärt Birgit Hai-denwolf. „Aber viele unserer Angebo-te werden auch nach dem offiziellenProjektende im Juni 2014 weiterge-führt werden, und was die mutter-sprachliche Beratung betrifft, so läuftsie schon jetzt so gut, dass sich Kolle-ginnen und Kollegen aus anderen In-stitutionen oft an uns wenden, wennsie ,anstehen’. Darauf sind wir schonein bisschen stolz.“

Russisch, Farsi, Spanisch, Englisch,Französisch sowie auf Anfrage auchin anderen Sprachen.„Unsere Themen sind unter anderemGesundheitsvorsorge, Ernährungsbe-ratung, gynäkologische Beratung, Sexualität und Familienplanung,Schwangerschaft und Geburt, und dieFrauen saugen dieses für sie oft ganzneue Wissen förmlich auf“, erzähltHaidenwolf, die auch das erwähnteProjekt leitet. Sie betont, dass im Hausbegleitend Deutschkurse angebotenwürden, und dass zudem viele Mi-grantinnen über Basiskenntnisse un-serer Sprache verfügten, aber: „Was sievor allem kennen und können ist na-turgemäß Alltagssprache, die jedochbei weitem nicht ausreicht, um etwadie Erklärung eines komplexen Kran-kenbefundes oder die Anordnung ei-ner weiterführenden Therapie zu ver-stehen.“

Bloß kommen und plaudern? Ein weiteres Kernstück des Projektssind Frauengesundheitszirkel, die bis-her in sieben Gemeinden Niederöster-reichs aufgebaut wurden, und in de-nen es vor allem um das gemeinsameAusprobieren und Erleben etwa vonKörperarbeit, Qi Gong, Yoga oder ein-fach einem Ausflug in die Natur geht.Wobei natürlich auch hier das Ziel ist,den Besucherinnen Lust darauf zumachen, später einmal im eigenenUmfeld solche Angebote anzuneh-men. Durch Workshops zu Themenwie Bewegung und Entspannung,weiblicher Zyklus, Krebsvorsorge undgesunde Ernährung wird zudem dasGesundheitsbewusstsein dieser Frau-

en gestärkt und gefördert. Es gehtwiederum auch um Wissensvermitt-lung, denn „bloß kommen und plau-dern ist nicht die Intention dieser Frau-en, die oft weniger isoliert leben alsman glauben könnte, und die wirklichviel erfahren wollen. Es reicht alsonicht, einen Ort zu schaffen, wo mansich einfach nur trifft“, sagt Haiden-wolf.

Interkulturelle Gesundheitstrainerinnen Was das Projekt noch zu bieten hat,sind Lehrgänge, die zur „Interkultu-rellen Gesundheitstrainerin“ schulenund die in fünf Modulen zu je dreiAbenden stattfinden. Hier erfahreninteressierte Frauen mehr über dasösterreichische Gesundheitssystemund andere für sie relevante Gesund-heitsthemen. Die Projektleiterin: „Zu-dem werden dabei partizipative Me-thoden vermittelt, mit denen die Teil-nehmerinnen das Erlernte an andereFrauen weitergeben können. DennZiel ist es, Frauen Gesundheitswis-sen zu vermitteln, damit sie später alsMultiplikatorinnen, die dafür auchein Honorar erhalten, in ihrer Gemein-de, ihrem Verein oder ihrer Commu-nity aktiv werden können.“ So wiebeispielsweise Frau Emine aus derTürkei, die berichtet: „In dieser Aus-bildung habe ich sehr viel gelernt. Ichhabe vorher nichts über diese The-men gewusst, aber jetzt kann ich meinneues Wissen weitergeben, und dasmacht mir große Freude!“. Wer denLehrgang zur „Interkulturellen Ge-sundheitstrainerin“ abgeschlossen hat,erhält dafür auch ein Zertifikat.

Das Projekt wurde unter anderem beim„Flugfeldfest“präsentiert, welchesdas Referat für „Vielfalt und Zusammenleben“ derStadt Wiener Neustadtalljährlich veranstaltet(von links im Bild): Die Caritas-Mitarbeite-rinnen ElisabethSterzinger und Filiz Somay mit der interkulturellenGesundheitstrainerinÜmmü Yildiz und deren Tochter.

INFO & KONTAKT

Projektleiterin: Birgit Haidenwolf Tel. 0664/825 22 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ:Gudrun Braunegger-KallingerTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: Frauengesundheitszentren, insbesondere FEM Süd, Frauenberatungsstellen in Niederösterreich, Marienambulanz der Caritas in Graz,Wiener Frauengesundheitsprogramm, Migrantinnen-vereine wie Maiz, Integrationsbeauftragte der Gemein-den, Vertreter/innen der Gesundheitseinrichtungen.

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Wie lässt sich das Ziel, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken, am besten in die Praxis

umsetzen? Die Versicherung VAEB hat für eine ganze Region ein Projekt gestaltet, das Antworten liefern soll. Text: Dietmar Schobel

er /innen ist dabei jeweils auch ein Managerder VAEB anwesend. Schon beim ersten Tref-fen stand die Frage auf der Tagesordnung:„Was kann jeder einzelne und die Sozialver-sicherung dazu beitragen, mehr Lebensjah-re bei guter Gesundheit zu verbringen“.Mit den Versicherten wurde bei dieser undden folgenden Versammlungen besprochenund diskutiert, was sie unter Gesundheit ver-stehen, und welche Maßnahmen ihnen wich-tig wären, um diese zu erhalten. „Die Versi-cherten haben sich einerseits konkrete Ange-bote der Versicherung für Gesundheitsför-derung gewünscht und andererseits auchverständlichere Informationen zu Gesund-heitsthemen“, erklärt Monika Bauer von In-stitut für Gesundheitsförderung und Präven-tion (IfGP), die stellvertretende Leiterin desProjekts. In der Folge sei versucht worden, bei-des zu berücksichtigen, und es seien unter an-derem entsprechende konkrete Gesundheits-

PRAXIS

W ir wissen heute, dass BetrieblicheGesundheitsförderung wirkt. Jetztwollen wir wissen, was sich durch

das Konzept der Gesundheitskompetenz er-reichen lässt“, sagt Kurt Völkl, der Leiter derVersicherungsanstalt für Eisenbahnen undBergbau (VAEB), mit insgesamt rund 270.000Versicherten. Der „Reality Check“, wie der lei-tende Angestellte der VAEB das nennt, erfolgtin einer ganzen Region, dem Mürztal. Hier sol-len die Menschen in den Bezirken Bruck ander Mur und Mürzzuschlag besser dazu be-fähigt werden, im Alltag jene Entscheidungenzu treffen, die für ihre Gesundheit gut sind.Auch die Bedingungen dafür sollen optimiertwerden.„Wir haben diese Region ausgewählt, weildie VAEB hier sehr gut verankert ist“ erklärtVölkl. Hier gebe es rund 8.000 VAEB-Versi-cherte, zahlreiche Vertragspartner und aucheine von der VAEB betriebene Gesundheits-

einrichtung in Breitenstein mit rund 100 Bet-ten. Am „Gesundheitsdialog Mürztal“, wiedas Projekt betitelt wurde, sollen sich mög-lichst viele Menschen in der Region beteili-gen. „Alle sollen mitmachen: die Versicher-ten, unsere Vertragspartner und unsere Be-schäftigten“, wünscht sich Völkl.

Die Versicherten beteiligenUm die Betroffenen in größtmöglichem Maßzu beteiligen, wurde bei dem 2011 gestar-teten Projekt zunächst ein Rat eingerichtet,in dem die Versicherten eingeladen sind, mit-zureden und mitzuentscheiden, welche Infor-mationen zu Gesundheitsthemen die VAEBvermitteln und welche Angebote zur Ge-sundheitsförderung sie machen soll. Seithertreffen sich rund 20 Teilnehmer/innen zwei-mal pro Jahr beim „Versichertenrat“ im Ge-sundheitszentrum beim Landeskrankenhausin Mürzzuschlag. Neben den Projektbetreu-

Wir wollen es wissen

Fotos: VAEB, IfGP

Im Versichertenrat wird beim „Gesundheitsdialog Mürztal“ der VAEB unter anderem besprochen, welcheMaßnahmen für mehr Gesundheit nach Ansicht der Versicherten vor allem umgesetzt werden sollen

Kurt Völkl: „Durch das gesamte Projekt fürmehr Gesundheitskompetenz sollen mittelfristigmessbare Ergebnisse erzielt werden.“

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angebote für die Region geplant und verwirk-licht worden, die von Mitarbeiter/innen derVAEB koordiniert würden, erklärt Bauer denpartizipativen Ansatz des Projektes.

Bewegung als MedikamentIn Mitterdorf wurden ein Büroraum für dreiProjektmitarbeiterinnen sowie Trainingsräu-me in einem Gesundheitszentrum angemie-tet. Dort wird nun das neu geschaffene An-gebot „Bewegung als Medikament“ umge-setzt. Dieses wendet sich an Versicherte, dienicht chronisch krank sind, bei denen jedochBewegungsmangel oder einer oder mehre-re andere gesundheitliche Risikofaktoren vor-liegen, wie etwa Übergewicht oder Bluthoch-druck. Vertragsärzt/innen der VAEB könnenPatient/innen das Programm für mehr Ge-sundheit empfehlen.Es umfasst nicht nur Maßnahmen für ausrei-chende körperliche Aktivität, die von einem

Sportwissenschafter vermittelt werden, son-dern auch Kurse mit Ernährungsexpert/in-nen. „Bislang sind 14 Gruppen mit je sechsbis zehn Personen entstanden, die diese kostenlose Möglichkeit für Training und Beratung genutzt haben“, freut sich Bauer.Auf 24 Wochen mit je einer oder zwei Trai-ningseinheiten im Fitnesscenter folgt einePhase der Nachbetreuung. In dieser trifft sichdie Gruppe alle zwei Monate mit ihren Be-treuer/innen, um die persönlichen Übungs-pläne für nachhaltige gesunde Bewegungund die Trainingsziele der Teilnehmer/innenzu besprechen.

Neue und bestehende AngeboteEin weiteres Angebot ist der „Gesundheits-dialog Diabetes“. Dabei erhalten Diabetiker/innen ein Handy, über das sie ihre Gesund-heitsdaten tagesaktuell an ihren Arzt über-mitteln können. Außerdem gibt es kostenlo-

se Weiterbildung zu den Themen gesundeErnährung und Bewegung sowie Pflege. FürPensionist/innen, zu denen rund zwei Drittelder VAEB-Versicherten zählen, wurden Kurse mit dem Titel „Gesund: Warum?“ kon-zipiert. In Kleingruppen wird in zehn Einhei-ten das Wissen zu Ernährung und Bewegung erweitert.Anhand von zahlreichen Praxisbeispielenwird auch gezeigt, wie das neue Know-howin den eigenen Alltag eingebaut werdenkann. Bislang konnten rund 50 Teilnehmer/in-nen gezählt werden.„Insgesamt sollen durch das gesamte Projektfür mehr Gesundheitskompetenz mittelfristigauch messbare Ergebnisse erzielt werden“,sagt der VAEB-Leiter Kurt Völkl zusammen-fassend: „Zum Beispiel durch einen geringe-ren Medikamentenverbrauch oder ein besse-res Gesundheitsverhalten der Teilnehmerin-nen und Teilnehmer.“

Das beim „Gesundheitsdialog Mürztal“ neu geschaffene Angebot „Bewegung alsMedikament“ soll durch körperliche Aktivität und Ernährungstipps zu bessererGesundheit beitragen.

Das Angebot „Gesund:Warum?“ vermittelt

Pensionist/innen in zehnEinheiten mehr

Gesundheitskompetenzin Fragen der Ernährung

und Bewegung.

Monika Bauer: „Den Wünschender Versicherten entsprechendwurden neue Gesundheitsangebotegeschaffen und bestehendeausgebaut.“

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48 gesundesösterreich

PRAXIS

Wer kein Deutsch kann oderes nicht ausreichend be-herrscht, hat es schwer, Zu-

gang zur Gesundheitsversorgung zuerhalten. Man kommt nicht so raschwie möglich zur richtigen Behand-lung, zum richtigen Arzt oder an dierichtige Abteilung eines Kranken-hauses“, sagt Maria Kletecka-Pulker,die Geschäftsführerin des Institutsfür Ethik und Recht in der Medizinder Universität Wien und der Öster-reichischen Plattform Patientensi-cherheit. Ein wesentlicher Grund sei-en bei manchen Menschen mit Mi-grationshintergrund Probleme, sichmit dem Arzt oder der Ärztin zu ver-ständigen. Das wird auch durch Stu-dien belegt. Laut einer Fachpublika-tion zu diesem Thema sind „in Kran-kenhäusern in Wien Verständigungs-probleme alltäglich“. Die für eine imJahr 2000 veröffentlichte Forschungs-arbeit befragten Ärzte hätten ange-geben, „im Durchschnitt fünf Patien-ten pro Woche zu versorgen, die überkeine oder nur mangelnde Deutsch-kenntnisse verfügen“.

Das im Juli 2013 gestartete, vomFonds Gesundes Österreich geför-derte Projekt „Gesundheitsförderungvia Videodolmetschen“ soll deshalberproben, wie professionelle Dolmet-scher/innen einen besseren Zugangzum Gesundheitssystem ermögli-

chen können. Außerdem soll gezeigtwerden, wie das Tool „Videodolmet-schen“ einen Beitrag zur erweitertenGesundheitsförderung im niederge-lassenen Bereich leisten kann. AchtDolmetscher/innen mit Universitäts-abschluss wurden dafür zusätzlichauch zu Gesundheitsthemen, sowiein Fragen des sensiblen Umgangs mitMenschen aus anderen Kulturen ge-

schult. Sie stehen für Übersetzungenin Türkisch und Bosnisch/Kroa-tisch/Serbisch (BKS) zur Verfügung.Durch eine Kooperation mit dem Re-layService, einem Vermittlungsdienstfür gehörlose und hörbeeinträchtig-te Menschen, sind außerdem Dol-metscher/innen für Gebärdenspra-che verfügbar. In Österreich gibt esrund 10.000 gehörlose Menschen. Fo

tos:

APA Fotoservice

/Peter Hautzinger, Sabine Parrag

Ein Dolmetschdienst

für alle Fälle

Die Videodolmetscher/innen können rasch zugeschalten werden, wenn bei einer Behandlung Übersetzungen gebraucht werden.

Maria Kletecka-Pulker, Leiterin desProjektes „Video-dolmetschen“:„Wer kein Deutschkann, hat es schwer,rasch Zugang zur bestmöglichen Gesund-heitsversorgung zu erhalten.“

Nicht alle Patient/innen können ausreichend Deutsch, um sich gut mit dem Arzt verständigen zu können. Ein Dolmetschdienst per Video soll ihnen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung verschaffen. Text: Dietmar Schobel

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Kolleg/innen und Kinder helfen ausFalls Bedarf an Übersetzungen be-steht, ist es in Spitälern derzeit oftnoch üblich, Kolleg/innen hinzuzu-rufen, die über Kenntnisse der je-weiligen Fremdsprache verfügen.„Das hält diese Mitarbeiterinnen undMitarbeiter jedoch von ihrer eigent-lichen Betätigung ab und erfolgt zu-dem meist in einer wenig struktu-rierten Form“, meint Kletecka-Pulkerund ergänzt: „Mir ist zum Beispielein Fall bekannt, in dem ein Arzt ei-nen guten Teil seiner Arbeitszeit da-für aufwenden muss, für andere zuübersetzen.“ Manchmal bringen Pa-tient/innen auch ihre Kinder als Dol-metscher/innen mit. Das kann unteranderem dann zu Problemen füh-ren, wenn es im Gespräch mit derÄrztin oder dem Arzt um Themengeht, die dem Alter der Kinder nichtangemessen sind. Zum Beispiel,wenn die Diagnose einer schwerenErkrankung zu besprechen ist oderdie Ergebnisse einer gynäkologi-schen oder urologischen Untersu-chung.

Qualitätssicherung und GesundheitsförderungDas Projekt „Videodolmetschen“dient der Qualitätssicherung der Ver-sorgung und soll mehr Rechtssicher-heit ermöglichen. Schließlich sind dieDolmetscher/innen für ihre Arbeitbestens ausgebildet und vorbereitet.Außerdem sollen den Patient/innennicht nur Einzelheiten von Diagnoseund Therapie übersetzt, sondern nachMöglichkeit in ihrer Mutterspracheauch Informationen zur Gesundheits-förderung weitergegeben werden.Das kann zum Beispiel umfassen,ausgewogene Ernährung und aus-reichende Bewegung anzusprechenund Anleitungen dafür zu geben.Langfristig soll das Projekt auch da-zu beitragen, dass nicht-deutschspra-chige Migrant/innen insgesamt bes-ser über vorhandene Angebote zurGesundheitsförderung Bescheid wis-sen. Die Vorteile des Projektes zeigtauch ein Beispiel aus einer Kinder-ambulanz: „Die Eltern eines Kindes,

Dolmetschzentrale in WienDie „Zentrale“ für die Dolmetscher/innen wurde in einem Büro in derSemmelweis-Klinik in Wien unter-gebracht. Sie ist für Übersetzungenin Türkisch und BKS an sieben Tagendie Woche zwischen 6 und 22 Uhr be-setzt. Übersetzungen in Gebärden-sprache aus der Zentrale des Relay-Services sind von Montag bis Freitagvon 9 bis 15 Uhr möglich. „Damitkönnen wir 80 Prozent der Bedarfsabdecken“, sagt Kletecka-Pulker.Und der ist vorhanden. Die Diensteder Dolmetscher/innen werden inForm von Videokonferenzen in demProjekt aktuell von elf Spitalsambu-lanzen genutzt. Dazu zählen zumBeispiel die Notfall-Ambulanz desAllgemeinen Krankenhauses in Linz,die psychiatrische Ambulanz des nie-derösterreichischen Landesklini-kums in Neunkirchen oder eine Am-bulanz für interne Medizin der Wie-ner Krankenanstalt Rudolfstiftung.Seit Februar beteiligen sich auch dieOrdinationen von niedergelassenenÄrzt/innen.

Innerhalb weniger Minuten verfügbarTechnisch sind auf beiden SeitenComputer oder Laptops, Videoka-meras und Mikrofone hoher Quali-tät notwendig, sowie Datenleitun-gen, die hohen Sicherheitsstandardsgenügen. Falls dies notwendig wird,weil Patient/innen kein Deutschsprechen oder es zu wenig beherr-schen, können sich behandelndeÄrzt/innen oder andere Gesund-heitsprofis innerhalb von ein, zweiMinuten mit den Dolmetscher/in-nen verbinden lassen.

„Im Vergleich zu Telefondiensten hatdie Videoübertragung den großenVorteil, dass die Dolmetscher/innenbesser auf den Arzt oder die Ärztinund die Patient/innen und derenAngehörige eingehen können“, sagtKletecka-Pulker. So lasse sich per Video etwa auch an der Mimikbeobachten, ob die Inhalte eines Gesprächs tatsächlich verstandenworden seien.

bei dem letztlich eine relativ selteneKombination von zwei Erkrankun-gen diagnostiziert werden konnte,haben sich besonders herzlich fürdie Übersetzungshilfe bedankt“, erzählt die Projektleiterin. Sie seienzuvor bereits bei drei anderenÄrzt/innen gewesen, ohne dass esgelungen sei, die Ursache der Be-schwerden festzustellen. Was das bisEnde 2014 laufende Projekt „Video-dolmetschen im Gesundheitswesen“insgesamt bringt, soll eine Evaluati-on zeigen, also eine systematischeAuswertung der Ergebnisse. Dazusollen sowohl das medizinische Per-sonal und die Dolmetscher/innenbefragt werden als auch die teilneh-menden nicht-deutschsprachigen Patient/innen.

Dolmetscherin Maja Stanisic in der Zentrale desÜbersetzungsdienstes für bessere Patientenversorgung.

Projektleiterin:Maria Kletecka-PulkerTel. 01/4277 222-02 oder 0664/602 77 222-02maria.kletecka-pulker@[email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: Zentrum für Translationswis-senschaft, Universität Wien, ServiceCenter ÖGS.barrierefrei/RelayService, E-Dolmetsch GmbH.

INFO & KONTAKT

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50 gesundesösterreich

Ein Projekt in Graz und Wien soll zeigen, wie Gesundheitskompetenz von Migrantinnen und

älteren sowie chronisch kranken Frauen gestärkt werden kann: durch eine Erhebung des Bedarfs und

darauf abgestimmte Angebote. Text: Dietmar Schobel

PRAXIS

Bereiten Sie sich auf Besuche bei Ihrem Arzt vor? Zum Beispiel, indem Sie ein, zwei Fragen notieren,

auf die Sie in der – meist kurz bemes-senen – Sprechstundenzeit gerne Ant-worten hätten? Das kann zu dem zäh-len, was Fachleute unter „Gesundheits-kompetenz“ verstehen. Neben Wissengehört auch Selbstbewusstsein dazu.Nicht alle wagen es, Medizinerinnenund Medizinern Fragen zu stellen, oderum eine neuerliche Erklärung zu bitten,wenn sie etwas nicht gleich verstan-den haben. Oder sich über Alternativenzu einer Behandlung zu informierenund dann die für einen selbst am bes-ten geeignete auszuwählen.

Krankenbehandlung und GesundheitsförderungGesundheitskompetenz bezieht sichjedoch nicht nur auf Fragen der Kran-kenbehandlung, sondern ebenso aufjene der Gesundheitsförderung undPrävention. Letztlich geht es darum, imAlltag die Entscheidungen treffen zukönnen, welche für die eigene Gesund-heit am besten sind.Das vom Fonds Gesundes Österreich,der Wiener Gesundheitsförderung, derWiener Gebietskrankenkasse und demLand Steiermark geförderte Projekt„Durchblick“ soll zeigen, wie diese Fä-higkeit verbessert werden kann undzwar speziell auch bei Frauen mit chro-nischen Erkrankungen, Migrantinnenund älteren Frauen. Laut einer interna-tionalen Erhebung, dem „EuropeanHealth Literacy Survey“ (HLS EU) ausdem Jahr 2012 ist die Gesundheits-kompetenz der Österreicherinnen undÖsterreicher vergleichsweise niedrig.

Bei den erwähnten Gruppen ist sie be-sonders gering (siehe auch Interviewauf den Seiten 22 und 23). Das Projektfür diese Zielgruppen wurde im April2013 begonnen. Es wird von den Frau-engesundheitszentren FEM und FEMSüd in Wien und vom Grazer Frauen-gesundheitszentrum umgesetzt undsoll bis März 2016 laufen.

Beginn mit BedarfserhebungDas Grazer Frauengesundheitszentrumhat zunächst erhoben, wofür am meis-ten Bedarf besteht. „Die Zielgruppendaran zu beteiligen, die Maßnahmen zugestalten, steht bei diesem Projekt imZentrum. Deshalb haben wir zu Be-ginn systematisch bei den Betroffenen

nachgefragt, was ihnen wichtig ist“,erklärt Ulla Sladek, die beim Frauenge-sundheitszentrum für „Durchblick“verantwortlich ist. Mit 33 Frauen, diemit chronischen Erkrankungen leben,wurden in Graz und im Mürztal insge-samt sieben Fokusgruppen veranstal-tet, also moderierte Diskussionen mitbis zu acht Teilnehmerinnen. Weiterswurden zehn Interviews mit Expert/in-nen geführt, die mit Frauen mit chro-nischer Erkrankung arbeiten. Dazuzählten Ärzt/innen, Physiothera-peut/innen, Psychotherapeut/innenund Sozialarbeiter/innen. Zudem nah-men 158 Vertreter/innen verschiede-ner Gesundheits- und Sozialberufe aneiner Online-Umfrage teil. Fo

tos: FEM, Rita Obergeschwandner

Besserer Durchblick inGesundheitsfragen

Hilde Wolf, die Leiterin des FEM Süd und des Gesamtprojektes„Durchblick“.

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vertreten und an Verbesserungen vongesundheitlichen Leistungen mitzu-arbeiten.

Workshops für Migrantinnen und ältere FrauenDie Gesundheitszentren FEM undFEM Süd in Wien haben im Rahmendes Projekts Workshops für mehr Ge-sundheitskompetenz speziell für Mi-grantinnen und ältere Frauen entwi-ckelt. Dafür wurden fünf Fokusgrup-pen mit Teilnehmerinnen aus diesenZielgruppen abgehalten. So sind Kur-se zu den Themen „Gesundheit undGesundheitswissen“ in sechs Einheitenzu je zweieinhalb Stunden entstanden.Worum es darin geht, zeigt ein Auszugaus den Inhalten wie: „Basiswissenüber das österreichische Gesundheits-system“, „Vorsorgeuntersuchungen“,„Tipps zu Gesprächen mit Arzt oderÄrztin, „Meine Rechte als Patientin“oder „Gesunde Ernährung & Bewe-gung“.

Hilde Wolf, Leiterin des FEM Süd unddes Gesamtprojektes „Durchblick“ er-klärt wie diese kostenlosen Angebotemit Vorträgen, Gruppenarbeiten undDiskussionen dorthin gebracht wer-den, wo Nachfrage besteht: „Wir habendie Kurse für Migrantinnen bei An-bietern wie den Volkshochschulen oderdem Verein Station Wien im Anschlussan deren Deutschkurse vorgestellt.Und für die Kurse für ältere Frauenarbeiten wir mit den Pensionistenklubsder Stadt Wien zusammen.“ So konn-ten bereits für beide Zielgruppen meh-rere Kurse erfolgreich veranstaltet werden.

Ein geschützter Rahmen ist wichtigDie Ergebnisse der systematischen Er-hebung zeigen, dass Frauen mit chro-nischer Erkrankung persönliche Bera-tung und Gruppenangebote benöti-gen, die sie unterstützen und stärken.„Wichtig ist dabei ein geschützter Rah-men, um in einer vertrauensvollen At-mosphäre unter sich zu sein und sichmit anderen Frauen mit chronischenErkrankungen austauschen zu kön-nen“, heißt es in dem Bericht zu der Be-darfserhebung. Wichtige Inhalte seienetwa Qualitätskriterien für Gesund-heitsinformationen, Kompetenzen fürden Umgang mit Ärzt/innen sowieKompetenztraining für den Umgangmit Schmerzen.Für Gesundheitsprofis bestehe „eingroßer Bedarf an Vernetzung unterden Berufsgruppen“ sowie an Fort-bildungen, welche die Kommunikati-onskompetenz schulen. Medizinerund andere Fachleute sollen also ler-nen, wie sie sich so ausdrücken kön-nen, dass sie von Laien besser ver-standen werden. Weiters werden aufBasis der Bedarfserhebung auch etli-che strukturelle Verbesserungen emp-fohlen – zum Beispiel, dass ausrei-chend Zeit für Gespräche zwischenÄrzt/innen und Patient/innen zurVerfügung stehen sollte. Oder dassunabhängige Stellen eingerichtet wer-den sollten, die Gesundheitsfragenbeantworten.

Ein Beratungsmodell wird entwickelt„Das Grazer Frauengesundheitszen-trum greift die Ergebnisse der Bedarfs-erhebung auf, etwa das Bedürfnis vonFrauen mit chronischen Erkrankun-gen ,von Anfang an’ gut beraten undunterstützt zu werden“, sagt SylviaGroth, die Leiterin des Frauengesund-heitszentrums. Gemeinsam mit Be-troffenen soll nun unter anderem einBeratungsmodell entwickelt werdenund zudem wird in Graz eine Work-shop-Reihe durchgeführt werden. Ineiner „Peer Group“ sollen Frauen mitchronischen Erkrankungen schließ-lich dabei begleitet und unterstütztwerden, andere Frauen mit chroni-schen Erkrankungen zu stärken, zu

Mehr Sicherheit im Umgang mit dem GesundheitssystemDas Projekt wird von „queraum“ eva-luiert, einem Wiener Institut für Kul-tur- und Sozialforschung. Die Auswer-tung der Ergebnisse soll unter anderemzeigen, ob sich die Teilnehmerinnennach den Workshops im Umgang mitdem Gesundheitssystem kompetenterund sicherer fühlen. Dazu könnte letzt-lich auch ein weiteres Angebot beitra-gen, das im Rahmen von „Durchblick“noch entstehen soll: „Wir möchten do-kumentieren, welche Themen bei denTeilnehmerinnen unserer Workshopsim Vordergrund stehen. Das soll dannwiederum die Grundlage für ein Cur-riculum, also einen Studienplan fürLehrgänge werden, in denen Gesund-heitsprofis für einen besseren Umgangmit Patientinnen und Patienten ge-schult werden“, erklärt Wolf. Entspre-chende Kurse für Beschäftigte des Wie-ner Krankenanstaltenverbundes sol-len 2015 stattfinden.

In Wien wurde das Projektim vergangenen Jahr unteranderem bei einem„Durchblick-Infotag“ in der Volkshochschule im 10.Bezirk präsentiert. Im Bild:Gabi Gundacker, die dasProjektmodul für ältereFrauen leitet.

Projektleiterin:Hilde WolfTel. 01/60 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ:Gerlinde Rohrauer-NäfTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: Wiener Krankenanstaltenver-bund, Wiener Volkshochschulen, Pensionistenklubsder Stadt Wien, queraum, Vereinen im Migrationskon-text sowie dem Frauenreferat der Stadt Graz.

INFO & KONTAKT

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52 gesundesösterreich

PRAXIS

zweite Workshop soll betreuenden Angehö-rigen den Zugang zu „Beratungs- und Unter-stützungsangeboten“, wie etwa Selbsthilfe-gruppen erleichtern. Apothekenmitarbeiter/in-nen erarbeiten sich Kontakte zu entspre-chenden Angeboten in der Region und stel-len so aktiv Vernetzungen her. Plunger dazu:„Die Mitarbeiter/innen von Apotheken sollennicht selbst psychosoziale Beratung machen,sondern ihr Wissen über solche Angebotean betreuende Angehörige und andere Inte-ressierte weitergeben.“ Der dritte Workshop,„Pharmazeutische Betreuung“, zielt daraufab, wichtige Fragen zur Arzneimitteltherapiegesundheitsförderlich und präventiv umzuset-zen und auch dabei die speziellen Bedürfnis-se von Menschen mit Demenz und ihren An-gehörigen nicht aus dem Auge zu verlieren.

Der Schritt in die KommuneAls nächstes soll bei dem Projekt, das imDezember 2015 abgeschlossen werden wird,der Schritt aus den Apotheken in die Kommu-nen folgen. Ziel ist, dass die beteiligten Apotheken selbst kleinere Projekte durch-führen und sich in diesem Zusammenhang mitMenschen, Organisationen und Institutio-nen ihrer Region vernetzen.Dieser Schritt hinein in die Öffentlichkeit istden Betreiber/innen des Projekts, das laufendevaluiert wird, sehr wichtig, denn es gehtihnen schließlich auch darum, Menschen mitDemenz und betreuende Angehörige einzu-binden, soziale Isolation zu vermeiden unddas Tabu rund um Demenz aufzubrechen.Das soll weiterhin engagiert umgesetzt werden.

120.000 Menschen sind eszur Zeit in Österreich, die mit einer Demenzleben. Viele von ihnen wohnen in den eige-nen vier Wänden, und größtenteils werdensie von Angehörigen und nahestehendenPersonen – meist sind das Frauen – betreutund gepflegt. Vor diesem Hintergrund hatsich das partizipative Forschungspraxispro-jekt des Instituts für Palliative Care und Or-ganisationsethik an der Alpen-Adria Uni-versität Klagenfurt zum Ziel gesetzt, dasMiteinander von Menschen mit und ohne De-menz zu fördern und dies auch in die Öffent-lichkeit hineinzutragen. Das Pilotprojekt, dasin Kooperation mit der Österreichischen Apo-thekerkammer und der SelbsthilfegruppeAlzheimer Austria durchgeführt und von Ex-pert/innen begleitet wird, folgt dabei zentra-len Prinzipien von Gesundheitsförderungund ebenso von Palliative Care, also der

Versorgung unheilbar Schwerkranker undSterbender.

Vertrauenswürdige, kompetente Ansprechpersonen„Demenzfreundliche Apotheke“ lautet seinTitel, und es geht darum, die Lebensqualitätvon Menschen mit Demenz und ihren Ange-hörigen zu fördern und Apotheken als Settingsder Gesundheitsförderung für sie zu etablie-ren. „Apotheker/innen werden als vertrauens-würdige, kompetente Ansprechpersonen zugesundheitsrelevanten Fragen gesehen, unddas spezifische Setting von öffentlichen Apo-theken erlaubt es, gesundheitsförderlich aufdie Bedürfnisse von Menschen mit Demenzund ihrer betreuenden Angehörigen einzuge-hen“, erklärt die Projektleiterin, Petra Plun-ger, die sich auch über das große Interesseder Apotheken an dem Projekt freut. Dennstatt der geplanten zehn in Wien und Nieder-österreich nehmen nun 18 Apotheken mitgroßem Engagement daran teil. In der erstenPhase des Projekts, das seit April 2013 läuft,wurde gemeinsam mit allen beteiligten Sta-keholdern eine Workshopreihe für die Apo-theken entwickelt.

Wertschätzend kommunizieren„Im Workshop ,Kommunikation mit Men-schen mit Demenz’ können Mitarbeiter/innenvon Apotheken auf Basis der Methode der Va-lidation, die einen personenzentrierten Zu-gang zu Betroffenen ermöglicht, lernen undausprobieren, wie man mit Menschen mitdementiellen Veränderungen wertschätzendkommuniziert“, erläutert Petra Plunger. Der

Demenz als soziale Aufgabe für unsere Gesellschaft zu thematisieren und das Miteinander von Betroffenen und

Nicht-Betroffenen zu fördern, hat sich ein vom Fonds GesundesÖsterreich gefördertes Projekt zum Ziel gesetzt.

Text: Gabriele Vasak

Demenz als soziale Aufgabe

INFO & KONTAKT

Projektleiterin: Petra Plunger Tel. 01/522 40 [email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit:Österreichische Apothekerkammer, Alzheimer Austria,Initiative „Tut gut!“ in Niederösterreich, Wiener Gesundheitsförderung.

Die Projektleiterin Petra Plunger: „Das Setting Apotheken erlaubt es, gesundheitsförderlichauf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihrer betreuenden Angehörigen einzugehen.“

Foto: privat

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53gesundesösterreich

DER FGÖ IM ÜBERBLICK

KURATORIUM

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, Vorsitzender des Kuratoriums

Präsident Bürgermeister Helmut Mödlhammer,

erster Stellvertretender Vorsitzenderdes Kuratoriums, Österreichischer GemeindebundSL Priv.-Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner,MSc, zweite Stellvertretende Vorsitzendedes Kuratoriums, Bundesministerium für

GesundheitLandesrat Dr. Christian Bernhard,

LandeshauptleutekonferenzDr. Ulrike Braumüller, Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs Senatsrat Mag. Richard Gauss,

österreichischer Städtebund MR. Dr. Silvia Janik

Bundesministerium für Finanzen Abg. z. Wr. Landtag

Ingrid Korosec, Österreichischer SeniorenratManfred Lackner,

Österreichischer Seniorenrat Vizepräsident Dr. Harald Mayer,

Österreichische Ärztekammer SC Kurt Nekula, M.A.,

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Dr. Ilse Elisabeth Oberleitner, MPH, Bundesministerium für Gesundheit Mag. Stefan Spitzbart, MPH, Hauptverband der Österreichischen

SozialversicherungsträgerStadträtin Mag. Sonja Wehsely,

Konferenz der Gesundheitsreferentinnen und Gesundheitsreferenten der Länder

Präsident Mag. Max Wellan, Österreichische Apothekerkammer

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl,Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie

der Med. Universität Graz Martin Hefel,

Leitung Marketing & Kommunikation (Fachhochschule Vorarlberg GmbH),

Obmann des Vorarlberger FamilienverbandesUniv.-Prof. Dr. Horst Noack,

em. Vorstand des Institutes für Sozialmedizin an der Med. Universität Graz Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder,

Curriculum Direktorin der med. Universität Wien, Leiterin des Instituts für

Sozialmedizin der med. Universität WienAss.-Prof. Dr. Petra Rust,

Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien

Mag. Günter Schagerl,ASKÖ – Leiter des Referats für Fitness

und Gesundheitsförderunga.o. Univ.-Prof. Dr. phil. Beate

Wimmer-Puchinger,Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wienund Professorin am Institut für Psychologie

der Universität Salzburg

GESCHÄFTSSTELLE

Dr. Klaus Ropin,Leiter des Geschäftsbereichs FGÖ

Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger Mag. Dr. Rainer Christ

Mag. (FH) Sandra DürnitzhoferIng. Petra Gajar

Mag. (FH) Barbara GlasnerBettina GranditsMag. Rita Kichler

Helga KleeAnna Krappinger, MAIsmihana KupinicSusanne MessnigMag. Markus MiklKatharina MooreGabriele Ordo

Abdüsselam ÖzkanMag. (FH) Sandra Ramhapp

Mag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH Ina Rossmann-Freisling, BA

Sandra SchneiderAlexander Wallner

Als die bundesweite Kontakt-und Förderstelle für Gesund-heitsförderung und Präventionwurde der Fonds Gesundes Österreich 1998 aus der Taufegehoben. Und das auf der Basis eines eigenen Gesetzes –was auch international als vorbildlich gilt.

Wir unterstützen in der Gesundheitsförderung• praxisorientierte und betriebli-che sowie kommunale Projekte

• Fort- und Weiterbildung und Vernetzung sowie internationale Projekte.

Dazu kommen andere wichtigeAufgaben: Durch Information,Aufklärung und Öffentlichkeits-

arbeit wollen wir das Bewusst-sein möglichst vieler Menschenfür Gesundheitsförderung und Prävention erhöhen. Außerdemunterstützen wir bestimmte Aktivitäten im Bereich derSelbsthilfe. Für all das steht unsein jährliches Budget von 7,25Millionen Euro aus öffentlichenMitteln zur Verfügung.

KONTAKTINFORMATIONEN

Fonds Gesundes Österreich, ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbHAspernbrückengasse 21020 WienT 01/895 04 [email protected]

GESUNDHEIT FÜR ALLE

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Medien des FondsGesundes Österreich

Magazin Gesundes ÖsterreichBietet Ihnen unabhängige, qualitätsgesicherte und serviceorientierte Informationen rund um die Themen Gesundheit und Krankheit.

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TERMINPLANER 2014

55gesundesösterreich

APR MAI, ,JUN,AUG SEPT, OKT,ALLES WICHTIGE IM SEPTEMBER

,15.09.Wiener Gesundheitskonferenz 2014Seelische Gesundheit. Inspirationen für die Praxis der GesundheitsförderungRathaus WienInformation: www.wig.or.at

,17.-19.09.Health Literacy als Basis-Kompetenz (in) der GesundheitsgesellschaftVillachInformation:www.fh-kaernten.at/healthliteracy2014

,18.-19.09.19. ONGKG Jahreskonferenz:„Arbeit – Familie – Freizeit im Einklang. Wie kann man die Balance unterstützen?“und 8. Österreichische Konferenz Rauchfreier GesundheitseinrichtungenInnsbruck, TirolInformation:www.ongkg.at/konferenzen.html

,24.-26.09.Kongress DGSMP 2014Permanente Verfügbarkeit in der Arbeits- und Lebenswelt – Risiken und ChancenUniversitätsklinikum Erlangen, DeutschlandInformation: www.dgsmp2014.de

ALLES WICHTIGE IM OKTOBER

,30.-31.10.Health Literacy: Stärkung der Nutzerkompetenz und des Selbstmanagements bei chronischer KrankheitBielefeld, DeutschlandInformation: www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6

,05.06.Tag der offenen Tür in der PGA Akademie, Museumstraße 31a, 4020 LinzInformation: www.pga.at oder [email protected]

,16.06.3. Wiener Selbsthilfe Konferenz „Aus Erfahrung lernen“Urania, WienInformation: www.wig.or.at

,16.-17.06. 16. Gesundheitsförderungskonferenz des Fonds Gesundes ÖsterreichGenerationen und Generationenbeziehungenim Wandel – Herausforderungen für die GesundheitsförderungMesse Congress GrazInformation: www.fgoe.org

,18.06.D|A|CH Tagung„Gesundheit partizipativ gestalten, fördern und erforschen“FH JOANNEUM University of Applied Sciences,GrazInformation: www.dach-fg.net

ALLES WICHTIGE IMAUGUST

,26.-30.08.Beyond prevention and intervention: increasing well-being28th Conference of the European HealthPsychology SocietyInnsbruckInformation: www.ehps2014.com

,27.-29.08.Physical activity promotion in health care settings10th annual meeting and 5th conference of HEPA EuropeZürich, SchweizInformation: www.ispm.uzh.ch/arbeitsbereiche/panh/hepaeurope2014_en.html

ALLES WICHTIGE IMAPRIL

,23.-25.04.22nd Health Promoting Hospitals and Health Services ConferenceChanging hospital & health service culture to better promote healthBarcelona, SpanienInformation: www.hphconferences.org

,30.04.The 2014 State oft he Art in Health Promotion Research – seen through the lens of Health Promotion InternationalLBIHPR WienInformation: www.lbihpr.ac.at

ALLES WICHTIGE IM MAI

,04.05.4. Enquete „Zukunft trotz(t) Herkunft: ArmeSchule – reiche Schule“Bildungszentrum der AK, WienInformation: www.armutskonferenz.at

,22.-23.05.17. Wissenschaftliche Tagung der Österrei-chischen Gesellschaft für Public HealthGesundheitsziele – der Weg als Ziel oder Wegezum ZielCityhotel, St. PöltenInformation: www.oeph.at

ALLES WICHTIGE IM JUNI

,05.06.Fachtagung „Gesunder Kindergarten in Wien“Wiener RathausInformation: www.wig.or.at

,05.06.3. Bundestagung „Gesund & aktiv älter werden“BerlinInformation: www.gesund-aktiv-aelter-werden.de

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