Malula: vom syrischen Bauerndorf zur internationalen .... Escher.pdf · Kapitel 2.8 Wasserprobleme...

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Berg- dorf Malula, in dem bis heute das Aramäische – die Sprache der Bibel – gepflegt wird, ein ärm- liches Bauerndorf und eine unbedeutende christliche Pilgerstätte. In den folgenden Jahr- zehnten prägten Auswanderung nach Übersee und die Abwanderung vieler Bewohner nach Damaskus und Beirut das Dorf und führten zu einem kontinuierlichen Verfall der Bausubstanz des Dorfes. Mitte der 1970er Jahre begannen die Migranten in ihren Herkunftsort zu investie- ren. Malula entwickelte sich seitdem zu einer attraktiven Sommerfrische und zu einem inter- nationalen Zielort des Bildungstourismus. Malula, ein syrisches Bauerndorf Das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts war in Malula sehr einfach und durch landwirt- schaftliche Subsistenzwirtschaft geprägt. Ein betagter Dorfbewohner erinnert sich an den harten Alltag der Bauern: „Sie standen früh morgens auf, stiegen auf ihre Reittiere, arbeite- ten auf den Feldern und kehrten am Abend zurück. Es gab nur wenig zu essen. Die Menschen lebten ein gemeinschaftliches Leben, und sie liebten sich gegenseitig. Das ganze Dorf war wie eine Familie. Einer half dem andern, sie arbeite- ten gemeinsam beim Säen und beim Ernten und feierten gemeinsam ihre Feste.“ Im Regenfeldbau wurden vor allem Getreide, Feigen und Wein angebaut. Aus den Wein- trauben wurden Rosinen und Dibs, ein Brotauf- strich, aber auch Wein und Arrak hergestellt. In der Bewässerungsoase des Dorfes dominierte ein Stockwerkanbau: unter Obstbäumen, vor allem Aprikosen und Pappeln, die als Bauholz verwendet wurden, baute man Gemüse, wie Kartoffeln und Mais, Hülsenfrüchte, vor allem Linsen und Weizen sowie Gerste an. Hühner, Ziegen und Schafe versorgten die Bewohner mit tierischem Eiweiß und brachten bei festlichen Anlässen Abwechslung auf den kargen Speise- plan. All diese Produkte wurden ausnahmslos im eigenen bäuerlichen Haushalt produziert und verzehrt oder als Tauschmittel verwendet. Lediglich das Gerbmittel Sumach, das aus den Blättern des gleichnamigen Strauches gewon- nen wurde, diente als Marktprodukt und liefer- te damit die einzigen monetären Einkünfte. Malula: vom syrischen Bauerndorf zur internationalen Sommerfrische anton escher und carmella pfaffenbach Foto 1 Malula um 1950: Schrägluftaufnahme von Süden. Die Bruchstufe ist gut zu erkennen, der Dorfkern mit der nur geringen Ausbreitung der Häuser auf den Bereichen außerhalb der Quellenabflüsse, der Charakter der Bewässe- rungsoase, die Gärten der Klöster, die Dreschplätze für Getreide östlich der Oase und die Dreschplätze für Sumach nördlich der Bruchstufe.

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Berg-dorf Malula, in dem bis heute das Aramäische –die Sprache der Bibel – gepflegt wird, ein ärm-liches Bauerndorf und eine unbedeutendechristliche Pilgerstätte. In den folgenden Jahr-zehnten prägten Auswanderung nach Überseeund die Abwanderung vieler Bewohner nachDamaskus und Beirut das Dorf und führten zueinem kontinuierlichen Verfall der Bausubstanzdes Dorfes. Mitte der 1970er Jahre begannendie Migranten in ihren Herkunftsort zu investie-ren. Malula entwickelte sich seitdem zu einerattraktiven Sommerfrische und zu einem inter-nationalen Zielort des Bildungstourismus.

Malula, ein syrisches BauerndorfDas Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts warin Malula sehr einfach und durch landwirt-schaftliche Subsistenzwirtschaft geprägt. Einbetagter Dorfbewohner erinnert sich an denharten Alltag der Bauern: „Sie standen früh morgens auf, stiegen auf ihre Reittiere, arbeite-ten auf den Feldern und kehrten am Abendzurück. Es gab nur wenig zu essen. Die Menschenlebten ein gemeinschaftliches Leben, und sie liebten sich gegenseitig. Das ganze Dorf war wieeine Familie. Einer half dem andern, sie arbeite-ten gemeinsam beim Säen und beim Ernten undfeierten gemeinsam ihre Feste.“

Im Regenfeldbau wurden vor allem Getreide,Feigen und Wein angebaut. Aus den Wein-trauben wurden Rosinen und Dibs, ein Brotauf-strich, aber auch Wein und Arrak hergestellt. Inder Bewässerungsoase des Dorfes dominierteein Stockwerkanbau: unter Obstbäumen, vorallem Aprikosen und Pappeln, die als Bauholzverwendet wurden, baute man Gemüse, wieKartoffeln und Mais, Hülsenfrüchte, vor allemLinsen und Weizen sowie Gerste an. Hühner,Ziegen und Schafe versorgten die Bewohner mittierischem Eiweiß und brachten bei festlichenAnlässen Abwechslung auf den kargen Speise-plan. All diese Produkte wurden ausnahmslosim eigenen bäuerlichen Haushalt produziertund verzehrt oder als Tauschmittel verwendet.Lediglich das Gerbmittel Sumach, das aus denBlättern des gleichnamigen Strauches gewon-nen wurde, diente als Marktprodukt und liefer-te damit die einzigen monetären Einkünfte.

Malula: vom syrischen Bauerndorf

zur internationalen Sommerfrische anton escher und carmella pfaffenbach

Foto 1 Malula um 1950: Schrägluftaufnahme von Süden.

Die Bruchstufe ist gut zu erkennen, der Dorfkern mit der

nur geringen Ausbreitung der Häuser auf den Bereichen

außerhalb der Quellenabflüsse, der Charakter der Bewässe-

rungsoase, die Gärten der Klöster, die Dreschplätze für

Getreide östlich der Oase und die Dreschplätze für Sumach

nördlich der Bruchstufe.

Kapitel 2.8 Wasserprobleme und ländliche Entwicklung

Die dörflichen Handwerker, Schmied und Schrei-ner, stellten und reparierten lediglich Alltags-gegenstände. Ein marktorientiertes Handwerkkonnte sich nicht entwickeln. Noch bis Mittedes 20. Jahrhunderts wurde im Dorf Tausch-handel getrieben, wie die älteren Bewohner desDorfes berichten: „Früher gab es überhaupt keinGeld. Wenn der Schreiner einem Bauern einenDreschschlitten zimmerte, dann bekam er dafüreinen Sack voll Weizen.“

In dieser Zeit spielten weder konfessio-nelle noch ökonomische Unterschiede im sozia-len Leben des Dorfes eine entscheidende Rolle.Griechisch-katholische, griechisch-orthodoxeund die wenigen muslimischen Familien wohn-ten zwar in getrennten Dorfvierteln und pfleg-ten abgeschlossene Heiratskreise, doch die reli-giösen Feste und Familienfeiern beging mangemeinsam.

Trotz härtester Arbeit konnte sich die wach-sende Bevölkerung nicht durch den landwirt-schaftlichen Ertrag ernähren, denn die natur-räumlichen Rahmenbedingungen müssen alsausgesprochen schlecht bezeichnet werden:Die jährlichen Niederschläge sind in der Gebirgs-region Qalamun im Regenschatten des Anti-libanon nicht nur sehr gering, sie unterliegenzudem großen jährlichen Schwankungen. DieNotwendigkeit zusätzlicher Einkommen drücktesich bis in die 1920er Jahre in einer saisonalenArbeitsmigration der Männer als Erntearbeiterin den Süden Syriens aus, und zwischen den1890er und den 1950er Jahren in einer margi-nalisierten Dienstleistungstätigkeit der Mäd-chen und jungen Frauen als Haushaltshilfen inDamaskus. Das Bauerndorf Malula war ein Dorfder Armut und der Abgeschlossenheit.

Foto 2, oben Malula um 1950: Westlicher Teil der Siedlung.

Oberhalb der Bruchstufe erblickt man das Kloster des

heiligen Sergius. Direkt darunter erhebt sich die Kirche des

heiligen Lawandius. Gut lassen sich die kleinen Bauern-

häuser um die Kirche von den jüngeren und größeren

Arkadenhäusern im unteren Bereich der Siedlung unter-

scheiden.

Foto 3, unten Malula um 1950: Im Zentrum des Siedlungs-

kerns standen damals nahezu ausschließlich einfache

Lehmhäuser, die teilweise aufgrund von Aus- und Abwan-

derung sowie aufgrund von Neubauten am Siedlungsrand

aufgegeben waren.

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Entwurf: A. Escher, Kartographie: T. Bartsch, bearb. I. Meyer;Kartengrundlage: S. Reich 1937: Villages Araméens, Fig. 30 250 m

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Kapitel 2.8 Wasserprobleme und ländliche Entwicklung

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Malula, ein AuswandererdorfDie politischen Verhältnisse im osmanischenReich trugen schon Ende des 19. Jahrhundertszur Auswanderung der Bewohner nach Über-see bei. Außerdem entwickelte sich eine Arbeits-migration nach Damaskus, Beirut und in an-dere Städte der Levante. Im Durchschnitt ver-fügten die abgewanderten Familien früher überdas niedrigere Einkommensniveau, denn dieFamilien, die im Ort ihr Auskommen gefunden hatten, sahen in der Regel keinen Anlass, dasHeimatdorf zu verlassen.

Die Abwanderung wurde überwiegendüber den Bäckerberuf organisiert. Schon vor Be-ginn der Protektoratszeit 1921 hatten sich Dorf-bewohner in den Bäckereien des Viertels derChristen in Damaskus etabliert. Der orthodoxePriester des Dorfes äußert sich folgendermaßenüber die Dominanz des Bäckerberufes unterabgewanderten Dorfbewohnern: „Und die Leuteim Dorf spezialisierten sich auf die Arbeit amBackofen. Alle arbeiteten am Backofen und nochheute arbeiten die meisten am Backofen. Jederim Dorf, ob er alt ist oder jung, ob er im Dorfwohnt oder in Damaskus, lügt, wenn er zu dirsagt, er habe nie am Backofen gearbeitet. Selbstich habe am Backofen gearbeitet.“

Die Abwanderung von Malula nach Damas-kus folgt nahezu idealtypisch dem Muster vonso genannten Clan- oder Kettenwanderungen.Auch in Beirut und Zahle arbeiten Männer ausMalula in erster Linie als Bäcker. Beirut ist fürdie Menschen aus Malula nicht nur eine Stadtmit Arbeitsmöglichkeiten wie Damaskus. Beirutist generell für die Christen in Syrien ein Mythos:Beirut ist die weite Welt, das große Geld, der In-begriff von Freiheit und Leichtigkeit. Legendärim Ort sind die erfolgreichen Migranten, die alsarme Männer in den Libanon gingen und dortreich wurden.

Malula, eine SommerfrischeDie Abwanderung war bis in die 1970er Jahreals dauerhaftes Verlassen des Dorfes geplant.Erst mit dem Infrastrukturausbau in Malula, derVerbesserung der Verkehrsverbindungen zwi-schen dem Dorf und der Hauptstadt und derVerschlechterung der Wohnbedingungen inDamaskus wurde das Dorf als Sommerfrischeund Altersruhesitz attraktiv. In den Jahren undJahrzehnten ihrer Abwesenheit verlieren dieFamilien, die nach Damaskus ziehen, nie denKontakt zu ihrer Verwandtschaft und zur Dorf-gemeinschaft. Besuche an christlichen Feier-tagen, zu den Dorffesten und zu Familienfeiernsind das Minimum. Die Familien sind inzwi-schen auch als Investoren höchst aktiv. Fastjede Familie will den Lebensabend im Dorf ver-bringen und steckt viele Mühen in den Aufbaueines Alterswohnsitzes und einer zusätzlichenEinkommensquelle im Ort. Bis zum Zeitpunktder Rückkehr verbringt man die Sommerferienim Dorf. Dies erklärt den hohen Anteil an Som-merfrische-Wohnhäusern.

Die Zugehörigkeit zu einer Religion hatim Dorf inzwischen an Bedeutung gewonnen.Das Miteinander ist nicht mehr selbstverständ-lich und reibungsarm, wie dies in früherenZeiten angeblich der Fall war. Die strikte räum-

liche Trennung der Konfessionen ist zwar etwas aufgeweicht, lässt sich jedoch auch heute nochwahrnehmen, denn der Westen des Dorfes ist noch immer überwiegend von griechisch-katholischen und der Osten vor allem von griechisch-orthodoxen Christen bewohnt. DieWohnhäuser der Muslime konzentrieren sichauf einige Viertel im Dorf.

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Kloster der heiligen Thekla Bebaute Fläche Muslimischer Friedhof

Kloster des heiligen Sergius Bewässerungskultur Christlicher Friedhof

Straße Dreschplatz Bewässerungskanal

Trampelpfad Quelle

Abb. 1 Karte der Siedlung und Flur von Malula Mitte des 20. Jahrhunderts

Die aramäische Sprache, die das Dorf nach wie vor zu etwas Besonderem macht, wird von den Dorfbewohnern zum Zwecke der In- undExklusion instrumentalisiert. Die Abwandererder zweiten Generation können das Aramäischezwar kaum noch sprechen, aber sie verstehen es recht gut. Sie ziehen für die alltägliche Kom-munikation in Damaskus, aber auch im Dorf,das Arabische vor. Das Aramäische ist für sie als Sprache ihrer Eltern, als Sprache des Dorfessowie als Sprache der Armut und der Rückstän-digkeit negativ besetzt, wohingegen das Arabi-sche die Sprache der Bildung, des Aufstiegesund des Wohlstandes darstellt.

Die Bautätigkeiten der Pendlerfamilien undSommerfrischler prägen das moderne Gesichtdes Dorfes. Im Zusammenhang mit der Remi-gration und dem Sommerfrische-Aufenthaltwerden die alten Häuser im Dorfkern illegal mitBeton um- und ausgebaut. In den ausgewiese-nen Gebieten der Siedlungserweiterung werdenApartmenthäuser und Sommerwohnungenerrichtet. Am Siedlungsrand entstehen Ferien-villen, und auf der landwirtschaftlich genutztenFlur des Dorfes baut man einfache Landhäuser.

Stellvertretend für die gesamte Bevölkerungbringt es eine junge Zahnärztin auf den Punkt:„Bald wird Malula eine Stadt sein, eine so schöneStadt wie Damaskus.“

Bewässerungsfeldbau

Regenfeldbau (Wein / Sumach)

Regenfeldbau (Obst)

Regenfeldbau (Getreide / Sumach)

Siedlungsfläche

Autobahn

Asphaltstraße

Entwurf: A. Escher 1999, Quelle: TK 1 : 200 000, eigene Erhebungen,Kartographie: T. Bartsch, bearb. I. Meyer

0 2,5 km

Abb. 2 Malula und seine Nachbardörfer

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Maclûla (Malula)

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Gubbcadîn

cAynat-Tîna

nachYabrûd

nachRankûs

nachSaydnâyâ nach

Damaskus

nachAleppo

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0 200 mKartengrundlage: Baladiya, Malula 1994; Bearbeitung: A. Escher, C. Pfaffenbach, M. Barkil 1997;Kartographie: T. Bartsch, bearb. I. Meyer

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Kapitel 2.8 Wasserprobleme und ländliche Entwicklung

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Abb. 3 Die Religionsgemeinschaften in Malula Ende des

20. Jahrhunderts

Kloster der heiligen Thekla

Kirche des heiligen Elias

Kapelle der heiligen Barbara

Kloster des heiligen Sergius

Kirche des heiligen Lawandius

Kirche des heiligen Georg

Kapelle des heiligen Cosimus und Domenikus

Kapelle des heiligen Sôba

Kapelle des heiligen Shirbel

Kapelle des heiligen Thomas

Moschee

Moschee im Bau

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Foto 4 Die alten Traditionen im Dorf haben sich in neuem

Gewand erhalten: Bei allen gesellschaftlich wichtigen

Ereignissen darf die Videokamera nicht fehlen, wie bei der

Hochzeit eines christlichen Paares im Dorf.

Religionsgemeinschaften

griech.-ortho. griech.-kath. sunnit.-islam.

Wohnhaus

Gotteshaus

Kloster

Friedhof

Gebäude (baufällig, unbewohnt, im Bau), sonstige Fläche

Straße, Weg

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0 200 mKartengrundlage: Baladiya, Malula 1994; Bearbeitung: A. Escher, C. Pfaffenbach, M. Barkil 1997;Kartographie: T. Bartsch, bearb. I. Meyer

Kapitel 2.8 Wasserprobleme und ländliche Entwicklung

Abb. 4 Die jahreszeitliche Nutzung der Wohnhäuser und

die touristischen „Highlights“ in Malula

Touristische „Highlights“

Blick auf das Dorf

Blick über das Dorf

Klosterkirche des heiligen Sergius

Kloster der heiligen Thekla

Wohnhöhlen des Dorfes

Staatliche Institutionen

Verwaltungsgebäude

Polizeistation

Krankenstation

Krankenstation (im Bau)

Schule

Schule (im Bau)

Aufenthalt der Familien im Dorf

ganzjährig

nur in den Sommermonaten

genossenschaftliche Sommerwohnungen (im Bau)

Hotelanlage: Hotel (1), Garten (2), Gartenrestaurant (3),Tennisplatz (4), Schwimmbad (5)

Kloster

Gotteshaus

Gebäude (baufällig, unbewohnt, im Bau), sonstige Fläche

Straße, Weg

Friedhof, griechisch-orthodox

Friedhof, griechisch-katholisch

Friedhof, sunnitisch-islamisch

Aufenthalt der Familien im Dorf

ganzjährig 35 %

nur in den Sommermonaten 65 %

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Foto 5, oben Blick von der Bruchkante über den alten

Dorfkern und die baulichen Erweiterungen am Rande der

Bewässerungsflur

Foto 6, unten Kloster des heiligen Sergius

Kapitel 2.8 Wasserprobleme und ländliche Entwicklung

Malula, das internationale TouristendorfDie exotische Attraktivität der aramäischenSprache, die antiken Klosterkirchen, die zahl-reichen Wohnhöhlen und die hellblau getünch-ten Häuser des Dorfkerns haben seit Mitte des20. Jahrhunderts als eine Etappe des „Heiliges-Land-Tourismus“ internationale Reisende an-gezogen. Inzwischen ist Malula in allen Studien-rundreiseprogrammen für Syrien als Besichti-gungspunkt enthalten. Und auch jeder Indivi-dualtourist wird in den Reisehandbüchern aufdie Notwendigkeit eines Besuches des Dorfeshingewiesen. Das syrische Tourismusministe-rium vermarktet Malula als das schönste Dorfdes Landes, wo noch die Sprache Jesu gespro-chen wird.

Heute sind in Malula ca. 1000 Familien mit rund 5000 Personen registriert. Allerdingswächst die Bevölkerung, die in den Wintermo-naten etwa nur 1500 Personen beträgt, in denSommermonaten zeitweise auf etwa 10 000Personen an.

Ein Drittel aller Familien des Dorfes, die ganz-jährig im Ort wohnen, und zum Teil auchPendlerfamilien, betreiben heute Landwirt-schaft nur noch als zusätzliche Einkommens-quelle. Sie haben Fruchtbaumpflanzungen an-gelegt, die mit Hilfe von Motorpumpen be-wässert werden. Nur wenige betreiben nochRegenfeldbau oder bewirtschaften Felder in derBewässerungsoase, die inzwischen teilweisewüst gefallen ist. Der größte Teil der wenigenheutigen Vollerwerbsbauern ist in der Schaf-zucht und im Viehhandel tätig.

Das Dorf Malula konnte sich in den letztenJahrzehnten des 20. Jahrhunderts aufgrund derInvestitionen in den Hausbau durch Pendler undMigranten sowie durch den staatlichen Infra-strukturausbau (Straßen, Strom, Wasser, Telefon,Schulen, Krankenstation, Gemeindeverwaltung)und die verbesserten Transportmöglichkeiten indie Hauptstadt dynamisch entwickeln. Damitist das Dorf nicht mehr als ländliche Siedlungzu bezeichnen, sondern vielmehr als Wohnvor-ort im Ballungsraum Damaskus. Die frühzei-tige Aus- und Abwanderung, bedingt durch die Marginalität der agrarischen Produktion, wareine wesentliche Voraussetzung für diese Ent-wicklungsdynamik.

Foto 7, rechts Die Einfahrt in das Dorf Malula mit Blick

auf den Dorfplatz

Foto 8, links oben Der Dorfkern von Malula mit der an

der Kuppel erkennbaren Kirche des heiligen Lawandius

Foto 9, links unten Im Zentrum des Dorfes zeigen sich

die erheblichen baulichen Veränderungen: Die Lehm-

häuser werden generell durch Zement- und Betonbauten

ersetzt.

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