Marcel v. Nencki

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11 A K c IS 1, v. N IS H c IC I Als aos dern fernen Osten am 14. October 1901 die Trauerkunde nacti Deutschland gelangte, dass Marcel v. Nencki in Petersburg oath kurzem Krankenlager verschieden sei, waren es rvohl nur wenige, welcbe die Griisse dieses Verlostes richtig einzuschatzen ver- standen. Nencki’s Name hatre freilich immer einen ausgezeiclincten I(Iung gehabt. Alle Diejenigen, die seine wissenschaftliche Prnduction mit Aufrnerksamkeit verfolgt hatten, und namentlicb die Mhner, die ibm als Freunde oder Schuler naher getreten, wussten, welch’ tiefes W&en und umfa~,sendes Konnen in seiner Person geborgen war. dber Nencki war nicht der Mann gewesen, der, wie so viele seiner ‘medicinischen Fachgenossen , seine wissenschaftliche Ttiatigkeit zur .Het,~~ng seiner Ausseren Stellung ausgeniitzt hatte. Nicht eininal zu den iiblichen Congressbesuchen hatte er sich entschliessen konrien, and so kam es, dass er personlich einer Anzahl Gelehrter, die mit &m die rnsnnigfachsten wissenschaftlichen Xnteressen theilten, fremd geblieben wer. Vielleicht kam noch etwas Auderes hinzu, das die richtige Werthschltznng seiner Leistungen fiir die passe Bwisseii- schaftliche Mengec erschwerte und den vollen Ueberblick iiber seine Thdtigkeit nrrr einer verhaltnissmassig kleinen Znhl von Gelehrtcn ermdglichte: N e n ck i arbeitete wesentlich auf drm Grenzgebiete zweler Wissenschaften, der Medicin und Chemie, und die Erfahrung lehrt, dass eben gerade da das sachverstandige Publicum ein ver- bil&srnHssig kleines ist. Nencki’s ansserer Lebemgang ist in jungen Jahren ein be- rfgter gewesen, stille Jahre ernster und rubiger Gelehrtenarbeit folgten, bi9 endlicb wieder gerade in den letzten Lebeasjahren die gro~sen Aufgaben, die in Russland an ihn herantraten, ibn zn einem un- mhigeo, von wissenschaftlichen Reisen unterbrochenen Schaffensginge nijthigten. Marcel v. Nencki wurde am 15. Januar 1847 als der Sohn *cines Gutsbesitzers calvinistischer Religion auf dem Landgute Boczki im Gouvernement Kalisch geboren. Vom Jahre 1856 an besuchte Bedehte d. D. chern. Gesellscbeft. Jnhrg. mV. 289

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‘11 A K c IS 1, v. N IS H c IC I

Als aos dern fernen Osten am 14. October 1901 die Trauerkunde nacti Deutschland gelangte, dass M a r c e l v. N e n c k i in Petersburg oath kurzem Krankenlager verschieden sei, waren es rvohl nur wenige, welcbe die Griisse dieses Verlostes richtig einzuschatzen ver- standen. N e n c k i ’ s Name hatre freilich immer einen ausgezeiclincten I(Iung gehabt. Alle Diejenigen, die seine wissenschaftliche Prnduction mit Aufrnerksamkeit verfolgt hatten, und namentlicb die M h n e r , die ibm als Freunde oder Schuler naher getreten, wussten, welch’ tiefes W&en und umfa~,sendes Konnen in seiner Person geborgen war. dber N e n c k i war nicht der Mann gewesen, der, wie so viele seiner ‘medicinischen Fachgenossen , seine wissenschaftliche Ttiatigkeit z u r .Het,~~ng seiner Ausseren Stellung ausgeniitzt hatte. Nicht eininal zu den iiblichen Congressbesuchen hatte e r sich entschliessen konrien, and so kam es, dass e r personlich einer Anzahl Gelehrter, die mit &m die rnsnnigfachsten wissenschaftlichen Xnteressen theilten, fremd geblieben wer. Vielleicht kam noch etwas Auderes hinzu, das die richtige Werthschltznng seiner Leistungen fiir die p a s s e Bwisseii- schaftliche Mengec erschwerte und den vollen Ueberblick iiber seine Thdtigkeit nrrr einer verhaltnissmassig kleinen Znhl von Gelehrtcn ermdglichte: N e n c k i arbeitete wesentlich auf drm Grenzgebiete zweler Wissenschaften, der Medicin und Chemie, und die Erfahrung lehrt, dass eben gerade d a das sachverstandige Publicum ein ver- bil&srnHssig kleines ist.

Nencki ’s ansserer Lebemgang ist in jungen Jahren ein be- rfgter gewesen, stille Jahre ernster und rubiger Gelehrtenarbeit folgten, bi9 endlicb wieder gerade in den letzten Lebeasjahren die g r o ~ s e n Aufgaben, die in Russland an ihn herantraten, ibn zn einem un- mhigeo, von wissenschaftlichen Reisen unterbrochenen Schaffensginge nijthigten.

Marcel v. N e n c k i wurde am 15. Januar 1847 als der Sohn *cines Gutsbesitzers calvinistischer Religion auf dem Landgute Boczki im Gouvernement Kalisch geboren. Vom J a h r e 1856 an besuchte

Bedehte d. D. chern. Gesellscbeft. Jnhrg. m V . 289

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er dab Gymnasium ZLI I'iotrkhw, das er in1 J a h r e 1863 verlirsfi io Krakau Philologie zu studiren. Die Wogen polnischer, ndti BegeiRterung giiigen danials noch holier als jetzt, uiid wer M i i r bei einem friibgereiften, I Gjabrigen, warm empfindenden Jiinglin begreiflirh finden, dass auch er seine schwaclren Kiafte in d r n der nationalen Sacbe zu stellen suchte? Mit behaglicbem erztihltc e r mitunter s p i t e r in vertrautem Kreise dieses 0d.r E r l ~ b n i s s aus jenen bewegten Tagen, wie e r einmal 24 Stundcil ! eina1idt.r , hall) schlafend , gelaufen ware, und schliesslich ein aus hiitleid rlen miiden Jungling vor den Haschern gerett?t IIitt Seine Bethtsiligung war jedenfalls keine sehr active, und d e sprecliend ist es auch nicht etwa eine Aufforderung der Be.hi\rd- wesen, die ihn veranlasste, in das Ausland 211 gehen, sondern meb Wunsch, die niithige Ruhe fur seine Studien zu gewinnen. N $rig lSG4 nach Jena , von dol t 1865 nach Berlin, wo er philologischen Studien fortsetzte, bis ihn i m Sominer 1867 einr b Erkenntniss seines eigenen Wollens und Konnens der medici Facultat zufiihrte. Die Zeit seines ptiilologischen Studiums N e n c k i keine rerlorene geweseii: linguistische und philobo Jnteressen hnben ihn noch bis an eein Lebensende beglrit sprnch und Echrieb vorziiglicli Latein, er war vollstBndig frei brauch der franzosischen Sprache, verstaod englisch und ita and lernte noch in splten Jabren das Ruseische mit zie Correctheit sprechen und schreiben. I m J s n u a r 1869 bestand Berlin das Tentamen physicurn, irn Juli 1870 das Examen rlgoros in Berlin. Seine Doctordissertation trug den Titel: ,Die 0 der aromatiwhen Verbindungen im Tbierkiirpera. Wie N e tic. k i schon damals zu dem Grenzgebiete der medicinisc liingezogen fiihlte, g e t t darnus hervor; dase er scho chernischen Laboratoriuni des anatomiscben Institute iiber die Vorstufen des Harnstoffs arbeitete. Sein Dr licber chemischer Ausbildung fiihrte ihii 18G9 in das R a e y e r ' s , der damals die Arbeiten in der alter] G e leitete. Die beidcn Jabre , welche er dort mit G r a c b e , und nndereii aufstrebendeii Talenten verbrlngen durfte In el

w o epochemachende Entdeckungen dem kleinen Laboratoi sprangen, hat er etets als diejenigen betrachtet, die seinen s p a t e q Arbeiten Methode, Richtung urid Ziel gaben. Bereits itn Jabre l,@# erhielt er eiiien Ruf als cbemischer Assistent au das patlwlo&b Institut in Bern, dem er Folge leistete, liauptsachlich dadurcli gi stiinrut , dass sein Mitarbeiter S c h u 11 z e n , dessen Scbwearer ti'& Nenc k i ' s Lebensgefabrtin wurde und i b i n eio glkklicbes Heim 'fie reitete, die Professur fiir innere Medicin in Bern iibernebme:: w~l@

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tS&on 111 tizmselben Jahre habilitirte sich N e n c k i in Bern ale Privat- E n J a h r darauf wurde der talentvolle junge Gelehrte zum

s6Gr Lonorarius ernannt, 1877 zum ausserordentlichen Professor. dnr<iuf iibertrug ihrn die Berner Regierung die neu gegriindete

( t i ? Professur fiir physiologische Chemie und damit die ( I t B oiediciniscb-chemischen Institutes der Universitat, das,

c t ~ in sehr bescheidenen Riumen untergebracht, in1 J a h r e 1888 crsten Stockwerke des neuen pathologischen Institutes ein

er?s IIeim finden musste, weil die Frequenz des h 'encki ' schen r.ituiiums stark gestiegen war. Schon aus der raschen Folge

iilmeren Ereignisse sieht man, wie schrlell sich N e n c k i eine g 1 1 1 der Gelehrtenwelt und im Besonderen in seiner Facultst erben wusste. Seine epochemachenden Arbeiten, seine klaren i>ti ollen Vorlesungen fuhrten ihm bald einen grossen Schiiler- u der sich aim Angehiirigen aller Watio~~en zusammer~setzte,

{ P n n gerade i n jener Zeit sich die Frequenz der Berner medici- eij F.tcultat zu b r b m begann, SO wird man einen Theil dieser r r u n g auf N e n c k i ' s Rechnung zu setzen haben. Aber e r hatte cb ai1c-h dds Gluck, wie er in Bellin in S c h u l t z e n einen ver- ni,slc,llen Mitarbeiter gehabt hatte, der ihm nur zu bald durch Tali entrissen w i d e , auch in Bern Manner wie K o c h e r , g h d n s , L i c h t h e i m , S a h l i , K r o n e c k e r 11. A. als wissen- t l l the Freunde zu finden. Alu er spater auch der Bacteriologie Interrsse zuwandte, fdnd er bei den Professoren der thierarzt- n Bbtlieilung der medicinischen Facultat mannigfache Unter- ung rind vielfacbe Anregung fur seine Bestrebungen auf diesem ete. Schliesslich erwuchs ihni aucb noch in K o s t a n e c k i ein

121 rund und Berather fur seine rein chemisclien Interessen. deli ~iedicinischen Chemiker sind solche Verbindungen yon ent- &UJ;.r Wichtigkeit: denii namentlich in Bezug auf das patholo- e 31'iterial ist er meist auf die freundschaftliche Untersiutzung KIlrliker angewiesen. N e n c k i empfand das weitgehende Ent- &ommen, das er bei den Berner Collegen in dieser Richtung , auf das Dankbarste und befonte oft, dass an mancheu grosseren

>it.rten das Material angeblich von den Rlinikern selbst unter- urld dadurch einer eingehenderen, sti eng wissenschaftlichen ucl,lIng entzogen wiirde, wie sie ihm in Bern durch das enge n,erlarheiten mi t den Klinikern ermoglicht wurde. Alltaglich

asnderte aus den Pavilions des Inselspitales irgend ein gsantes Untersuchungsobject hinauf in die Rkume des N e n c k i - Laboratoriums, das, auf stolzer Hohe gelegen, dem Meister und

en &llii]ern einen herrlichen Blick a u f die Eisgiprel des Berner rlandes gewahrte. Die Stunden der gemeinsamen Arbeit mit

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N e n c k i iu diesem Institute werden jedem seiner Schiiler unvergess. lich sein. Schwer trennte sich ein Jeder von diesem Ort, und hart genug ist es auch N e n c k i angekornmen, als e r irn Jabre 1891 uach fast 20.jahriger Thatigkeit in Bern die liebgewordene Statte der Wi&- sarnkeit rerliess. Aber es waren schwerwiegende Griinde und zwa; wesentlich Grunde wissenschnfiiicher Art, die ihn bestimmteo : $0

dankbnr e r war fur Alles, was man iu Bein auch von Seiten de8

Erziehungsratlis zur Fiirderung seiner Forscher- und Lehr-Thitigkeit getlian hatte, er war doch irnrner durch die knapp bernesseiien Mittel seines Lnboratorioms in seinen weitaussclinuendeii, wissenschaftlkhep Planen und Srbeiten beengt gewesen.

nach Petersburg in dns kaiserliche Institnt fur Experimental-Medicin fiihrte, wo ihin die grosse Liberalitiit des Prinzen A l e x a n d e r ~ 0 1 1 O l d e n b u r g eine wurdlge Arbeitsstatte uiid reichliche Mittel fu r &I(&: suchungen jeder Art zur Verfiiguiig stellte. Es waren vollig n& Verhlltnisse, in die X e n c k i jetzt eintrnt. Ein ihrn frernd gew0rdeq.a Land, eine frernde Sprache umgaben i h n ; es galt, ein neues grosses Institiit zu leiten, uiid es g d t ror Allern, auch viele hochgespanck ErwiLrturigeri zu befriedigen, die sich nu seine Berufung liniipfte!!, M;in daif uhne Eedenken sagen, dnss er sicL iibcrraschend schnell in die ilrm rieueii Vcrhallnisse hineiiigefunden hat, und dass die Hof. nungen, die nuf seiiie wlssenschnfiliche 'Thitiglreit gesetzt wurden, &ti.

erfiillt hi~beri. Erleiciitert worde ihin der Uebergnng dadwch, dasi seine larlgjiiliiige, versriiudnissrolle Mitnrbeirerin, Frau Dr. Nadil:i S i e b e r . und seiii begabter Assisteut, Dr. Sirnoi i D z i e r z g o w s h i , sowie diei seiner Schiiler ihni folgten. Eald snmnielten sich aucb, bier neue Schuler hi grosser Zahl urn ihnl die er zu wisserischaft. lichen Aibeiten nnleitete. Und bald wurde ihm auch bier das Gli,k 211 Theil, ausgmeichnete Mitarbeiter und treue Freunde unter seinrn Collegen 7u liuden. I)er vortrefiliche ptiysiolngische Experimentat<$ Y a w l o \ r ~ wurde Rein Mitarbeiter, und i u dem Chemilier Beilstein, dem Ijlinilrer R a i i c h f u s s fand er Manner, die seiiien wissenscll:ift. lichen BeslreLrnngen das lebhafteste Interesse entgegenbrachten. Auch pralitische Fragen harrten hier ihrer Losung durch N e n c k i . In&- sondere war es die Aetiologie der Rinderpest: die ihn mehrmals za

Forychuiigsi~eisen in dns Innere Russlands veranlasste. Dazu kamen die alljffhrlichen Urlaubsreisen, die e r rneist dazu benGtzte, in seinem geliebten Bern wieder eioe Reihe von Wochen zuzubringen und rris& Kriitte l'ur seine Arbeit zu gewinnen.

Nieuiand unter seinen Freunden und Schiilern hatte gedacht, d;yg

N e n c k i so bald aus seiner erfolgreichen Thatigkeit Irbgeruf'en wktie, Bis kurze Zeit vor seinem Tode erfreute er sich eines fast ungetriib:er

So entschloss e r sich denii, clem Rufe Folge zu leisten, der

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‘i‘io’ilseins: und unerwartet sclinell nahm seine Krankbeit die todtliche Ktrlduug. Er selbst hatte h u m Zeit, sich mit deln Gedanken, dass ei,, echweres Leiden ilin befallen hatte, rertraut 7 u machen. Als die S V L ~ I O U eiu aucgedehntes Magencarcinom ergeben batte. da konnten 2 J S seine FIeunde den rnschen Tod n u r als ein Gliick ansehen: d e : ~ er war so weoigstcns vor !angem, qualvollern Leiden bewallrt gebi&rn. Nach einer ergrcifeendeu TI auerfrier in Petersburg wurde gelne Leiche von seiuen Assislenten n d Warschau ubergeluhrt und dori zur letzten Ruhe Lestattet

Ea ist schwer, eine aucli nur einigermaasseii vollstandige Ueber- sicbt iiber das wiesenschaftliche LrLenswerk N e n c k 1’s zu geben. Seina eigeuen Publicationen urnfaseen circa 150 Nummern, und be- eopders stattlich ist - im ganzeu sind es gegeii 440 Nurnmero - dip Zahl der Arbeiten, welclle seine SchLler i tus seinen Laboratorien Terc&nllicht haben.

Noch vor den) Ersclieinen sciner Iloctnrarbeit veroflentlichte encki eine Untersuchungsreihe, dle er gemeiusam mit 0. S c l i u l t z e n

i n (iem chcmiechen Laboratoiium der Berliner Auatooiie durchgefiihrt hatis. Sie betraf die Vorstufen des Warnstoft’s irn Organismus. Es

ng den Verfassern, hier zuni ersten Male den Nachweis zu fiihren, die Lei der Spaltung des Eiweisses gewonnenen Amidosauren,

R I P Glykocoll und Leuciu, in der That , wenn sie verfiittert werden, als BnrI)stfJff wiedei irri H a m erscheinen, und somit als Vorstufen desselben

’Jetrachten siud. Diese Studien, in denen das Tyrosiu ein etwas ‘rbaeicheiides Verbalten gezeigt hatte, gaben dem jurigen N e n cki ‘rucii die Aiircgung zu seiner Dissertation iiber die roxydat ion ’aroinatischer Verbindungen i m l‘hierk6rperc, in der er theils auf

rnnd der iu der Litteratur vorhandenen Angaben, theils auf eigenen prsuchen fussend, als gesetzmhssig Folgendes feststellen konnte:

In allen :iromatischen SubstanZen, die eine oder mehrere kohlen- s,offhaltige Seitenketten enthalten, wird der Reuzolkern im Organismus

cnicht angegriffen; 2. wird im Uenzolkern neben der kohlenstoff haltigen noch ein zweites Wasserstoffatom durch Chlor, die Nitro- r Hydroxyl vertreten, 60 ist das Verhalten der so entstandenen

mjenigen der niclit substituirten Verbindung gleich; 3. nur die tanzen, die e i n e kohlenstoffhaltige Seitenkette enthalten, werden

& [$ppurskure ausgeschieden ; in denjenigen, die zwei kohlenstoff- baltjge Seitenketten enthalten, wird nur eine zu COOH oxydirt, und

‘fa]l: die COOH-Gruppe schon darin enthalten ist, fiiidet nur eine nfa&e Paarung mit Glykocoll statt. Die Arbeit darf a ls musterhaft

$ten und geht weit iiber das durchschnittliche Niveau hinans,

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welche uneere inedicinischen Dissertationen leider j e t z t inne zo halten pflegen.

Wlhrend der nRchsteu Jahre sind es im Wesentlichen zaei t+e.

danken, die N e n clr i beschaftigen. Seine physiologischen Intere><e werden vornehrnlich durch die Fragpn beherrscht, welche er ac+95

fruher in Angriff genommen hatte: D e r Ablauf der Oxydationen ~m Thierkorper iind damit im Zussmmenhang die Frage nach der .lfi und dem Orte der Harnstoff bildung. In seinen chemischen Arbe1t-B war es besonders ein Problem, nuf das er durch die Sttldien -\. B a e j er’fi iiber die Harnsaure hingelenkt wurde ond das ilin \Vabrend der nachsten Jahre nndauernd beschaftigte, nkmlich die ConstituLtoU und dnschliessend daran die Synthese der Harns5ure. Gestutzt duf

die Untersuchungen A . W. H o f m a n n ’ s uber die Senfole, versu(lib er, Sulfolmrnstoffe in die Harnsaurederiyate mit 4 Atomen Kohlenbroil einzufthren, um SO durch Entschwefelung derselben zu eiuer Syntlrr~e der Harnsiure zu gelxngen. In A. B a e y er’ s Laboratorium str’l:e er aus Alloxan und Su1foh;Lrnstoff durch Einwirkung der schwefIl:ps Saure Sulfopseudoharnsaure her , a u dieser durch Einwirkung on- centrirter Scliwefels$ure die Urosulfinsiiure, ohne dass es ihm geh;, dieser Letzteren den Schwefel zu entziehen und so zu einem der Hxn- saure isumeren Kiirper zu gelangen. anderer, vom theoretischen Standpunkt aus nicht uninteressanter bindungen, so Z. B. dern Cyaiimalonylharnstoff.! Die Entschwefeloq erreichte N e n c k i spater beim Sulfoharnstoff durch Cyanquecksilh:, ein Verfahren, das sich auch beim Acetylsulfoharnstoff, den Nencki darstellte, bewiihrte. D e r Sulfoharnstoff diente N e n c k i aucli als ‘ld9. gangspunkt fur eine Reihe weiterer Studien, iu denen er sich der Harnsauregruppe auf einem anderen Wege zu njhern suchte. Die

Beobachtung von V o l h a r d und D e l i t s c l i . nach der es dur& langeres Erhitzen gelingt, Sulfoliarnstoff in Guauidin uberzufitren, fuhrte ihn zu einem genaueren Studium des Guanidins und S t t n c r

Derivate, von denen besonders die Guananiine ihn langere Zeit be- schaftigten. In einer ganzen Reihe von Arbeiten stellte e r fest, d ~ $ & die Guanidinsalze, anf hohere Temperaturen erhitzt, eine homologe Reihe von Guanaminbssen liefern. Die Krystallformen der Gu3na1,iine der verjchiedenen Fettsauren erweiseri sich weiterhin als so cherak. teristisch diKerent, dass N e n c k i darauf eine Methode zur Identificirq J e r Fettsauren griindete, die e r bei seinen Untersucbungen uber die Faulniss mit Erfolg anwandte. Weitere Untersuchungtu, die er IU

A n s c l h m e daran iiber die polymeren Cyanverbindungen anstell+e, fiihrten ihn zu der AuKassung der Cyansaure als Carbimid und der Cjanursanre als Tricarbimid. Sein Ziel, das ihm wohl bei dI,?

diesen Studien immer noch vorgeschwebt bat, die S j n t h e s e &r

(Aber er kam so zu einer R

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HarnsSure, hat N e n c k i tiicht erreicht, und gerade die reichen Ergeb- &se I(. F i s c h e r ’ s in dem Gebiete der Harnsaiiregruppe haben noch in seioen letzten Lebensjahren N e n c k i wieder z u seinern alten Lietliiigsgedanken zurickgefuhrt, dessen Ausfiihrung ihm aber iiicht meilr beschieden sein sollte.

.iuch die beiden Themata, die seineu ersten Arbeiten zu Grunde lagen. die Bilduxig des Harnstofts im Organismiis nnd die Oxydation der aromatischen Kohlenwasserstoffe im Thierkorper, ha ten . wie schon erwih i l t , N e nck i eigentlich andauernd beschiiftigt. Gerade dieses &he Festhalten an den einmal gewonnenen Interessen iat fur N e n c k i ’ s Arbeilsart charakteristisch. SO nahm er die Frage nach dern Orie der Ilarnstoffbildung i m Organismus, die e r iu aeinen friiheaten A r b y i r e n n u r batte streifen kiinnen, sofort wieder auf, a19 er i n petrrsburg in der Person des ausgezeichneten Physiologen P a w l o w einen Mitarbeiter fand, dessen Operationskiinst fur die Forderung d e r Fr:lgr vie1 versprach. In einer Arbeit uber die Folgeo der Ableitung d e j Pfortaderblutes in die vena cxva (bewirkt durch eine sogenanute Eck‘sche Fistel), sowie der Leberexstirpation, deren phyaiologiscber Thril yon P a w l o w und M a a s s e n ausgefiihrt wurde, wlhrend N e n c k i und H a h n die chemischen Unterauchnngen erledigten, gelaug es SVrncki, P a w l o w und ihren Mitarbeitern, zu zeigen, dass die Leber zwar nicht die einzige, aber doch eine der Hauptbildungsstiitten, des Ilsrnstoffes sei, und dass a19 Vorstufe we3entlich das carbamin- saure Ammonium anzusehen sei. Weitere Untersuchungen, die er in Genirinschaft mit Z a l e s k i und P a w l o w aiisfuhrte, und in denen er sich einer wesentlich verbesserten Methode der Ammoniakbest.immung f i r Iilut, Haru und thierische Organe bediente, fiihrten nur zu einer Bestitigung dieses Resultates, das von vielen Seiten angezweifelt Wordrn war. Die hmmoniakbestimrnung3-Methode hat sich such bei Forsrlrungeu auf anderen Gebieten sehr bewahrt und vielfache An- wendung gefunden, ebenso eine Methode zur Fest~tel lung geririger Harnstoffquantitaten mittels o - Nitrobenzaldehyd, die N e n c k i bei seiiicn Arbeiten iiber die Condensationsproducte des Hamstoff3 rnit .~ l Jdyden fand.

1)er Ablauf der Oxydation im Thierkorper blieb gleichfnlls fur ihn ?in Gegenstand standigen Interesses. Zunachst suchte er aller- dings nur die Uitiwaodelung aromatischer Verbinduogen im Thier- kcrptr fe’eutzustellen. Nachdern er mit S c h u l t z e n die Oxydation des Benrcils zu Phenol, des Toluols zu Benzogsaure, der Xyiole zu Tolurlsauren und spater im Verein mit seinem Bruder L. N e n c k i unci Z i e g l e r die des Mesitylens zu Mesitylensihre, des Benzols zu Benzohaure nxhgewie3en hatte, konote er, wie schon erwiihnt, den Satz nubtellen, dass stets nur eine Seitenkette der Kohlenwassemtoffe

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zu Carhoxyl oxydirt wird. Da bis dahin nur Kolilenwasserstoffe gepreft waren, die Methyl als Seitenkette enthielten, hielt es N e n c k i nu: niehr ft3r wiinschenswerth, auch das Verhalten YOU I<ohlenwasserst&h init kohlenstoffreicheren Seitenketten im Organismen kennen zu lernen, und untersuchte mit G i a c o s a die Ausscheidungen nach Eingabe vcn Aethyl-, Propyl-, Isopropyl-, Butyl-, (1- und $-lsobutJl~Benzol. Daj HesumC diefier Versuche war, dass die gepriiften Kohlenwirsserstoffe nnr zum geringsten Theile oxydirt werden, daes der grossere Theij vermuthlich garuicht resorbirt oder durch die Lungen entfernt w$, Qoweit sie aber oxydirt werdm, triK‘t der Angriff des Sarierstoffea stets entweder den Benzolkern oder das mit dem Kern verbundene Kohlens to~atom. Kachdem N e n c k i bereits friilier festgestellt hatte, dass das Acetophenon nicht, wie e r annahni, zu Benzoylcarbonsg~e,. sondern zu UenzoEsaure und Kohlenskure iin Organismiis oxydirt wird, konnte e r einige J a h r e spiiter fur die arornatischeri Oxyketoq die e r selbst durch Erhitzen r o n Sauren und Phenolen mit Zinki, chlorid dargestellt hatte (Resace,tophenon, Gallacetophecon, Propion!]. phenol), den Scliluss ziehen, (lass, wenn sin aromatisches K&, Hgdroxjlgriippen entbalt, im Organismus die Seitenketten nicht oxydirt werden.

Es kiinnte denjenigen, die physiologischen E’ragen ferner stehen, scheinen, als ob es sich bei diesen Versucheu melir urn eine Lieb liaberei N e n c k i ’ s gehandelt habe. In Wahrheit haben sie der theoretischen Medicin, insbesondere der Phxrniakologie und damit aucll den Chemikern, gute Dienste geleistet. Sie fiihrten eiurna.1 zu einer Klarung der Frage, woraiif die Giftigkeit beza. Ungiftigkeit einzelner arornatisclier Verbindungen besteht. N e n c k i war schon fr6hzei:ig eu d r r Ansiclit gelangt, dass im Organismus ein fortwahrendes Spiel 1.011 Oxydat,ionen und Reductionen stattfindet. D e r durch die Lunge” in das Ulut aufgenommene Sauerstoff verbindet sich mit dem Hamo- globin Zuni leicht dissociirbaren, nicht oxydirend wirkenden Ox,.. Jfanioglobin. I n den Capillaren erfolgt die Dissociation. Der mole. kulare Sauerstoff geht durch die Capillarwand in die Gewebe, dart wird er activ, d . 11. zu freien Atomen, und bewirkt die Oxydation& processe, denen auf der ande.ren Seite Redurtionsprocesse, die v0l1

jeglicher Ar t lebenden Protoplasma ausgeliist werden kiinnen, gegeniibep stehen. Oxydntionsfahige Substanzen, also diejenigen aromatischen Sob- fitanzen, die keine Carboxpl- oder Sulfo-Gruppe enthalten, werden in dies? Reductions- und Oxydations-Vorgange, die nach K e n c k i integrirenden Bestandthejl des Lebens der Organismen bilden, bin&- gczogen werden, sie werden storend auf die normalen Processe im Protoplasma und damit giftjg wirkeu (2. R. Phenol). Dagegen wird die toxische Wirkung derjenigen KBrper, . die bereits die bestandige

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Carboxyl- oder Sulfo-Gruppe enthalten, stets eine herabgesetzte sein .{z. B, Benzoesaure). . Diese Gesetzniassigkeit suchte ?S e n c k i no& durch weitere Versuche mit Acetanilid, OxycarLanil und I'henscetin bezw. dereii Carbansburen zu bestiitigen.

Aber nocli nach einer weiteren Richtring lrin wusste N e ~ ~ k i die Erfahrungeu, die er durch seine Studien iiber den Ablauf der Oxy- dniionsprocesse i m Organisrnus gewonnen hatte, zu verwerthen. Unter- Sxbungen a n Kranken hatten N e n c k i und S i e b e r t ergeben, dass ganz ausserordentlich verschiedene Mengen von Phenol aus der gleichen Menge eingegebenen Benzols yon den einzelnen Patienten ortiildet wurden, 2. €3. bei Diabetes und Leuliamie. Andererseits kct:lnten sie feststdlen, dass von dern gleicheii Individciuin unter den gltichen Bedingungen auch stets dieselbe Menge von Beneol zu phenol oxydirt rvird. Nach fruheren Untersuchungen von N e n c k i u n d S i e b e r wurden aber Eiweiss, Fet.t, Dextrose, Amidosauren bei 3;" und Gegenwart iiberscliiissigen Alkalis nur Busserst langsarn durch nlolekularen Sauerstoff ox! dirt.. Gerade diese Reobachtungen drangten f i tncki zu der Amahme, dass im lebenden O r g a n i h s atomistkcher Sauerstoff wirksam sei. Bei der Wichtigkeit, welc.he die physiologische Osydation fur die Lebensvorgange besitzt, scbien es N e n c k i ange- zejgt, diese Versuche fortzusetzen, und er grundete darauf im Verein mil N. S i e l t e r eine Metbode, die physiologisclie Oxydatiau durch Bejtimrnung des nach Benzoleingabe irn Harn erscheinenden Phenols ZU messen. Er konnte so feststellen, dass bei der Diabetes die 1nangelhaft.e Zuckerverbrennung niclit auf eiuer verniinderten Ox ydation beruhe, sondern wahrscheinlich auf einern Unvrrmogen des Kiirpers, den Traubenzucker in MilchsLure oder aucti andere Sauren (2. El. Gl!-kuronsaure) zu verwandeln, ein Process, der nach N e n c k i der eigentlichen Verbrennung vorangehen muss, weil der 'I'raubenzucker a]: solcher irn Korper wahrscheinlich nicht verbrennlich ist. Dagegeu fanden N e n c k i , S i e b e r und B r z e z i n s k i , S c h o u m o w - Silnanowski bei der Leukamie, bei Phosphor-, Alkohol-, Aether-, Chloralhydrat , Chloroform-Vergiftung eine herabgesetzte Owpdation. Diese Vergiftungsprocesse sind aber unzweifelhaft mit einer Zerstorung d e j protoplasmatischen Eiweiss verbunden X e n c k i nimmt zur Er- klimng mit L o e w und R o k o r n y an, dass das Protoplasma durch seine Selbstverbrennuna die Entstehung des atomistischen Sauerstoffes brmirke, ahnlich wie bei der Oxydation von A ldehyden atomistkcher Sauerstoff frei werde (CG H: . CHO + 02 = C. 115. COOH + 01), und dass &her alle die Processe, welche eine 'I'Gdtung des protoplasmatischen Ejweiss herbeifiihren, auch die Oxydation herabsetzen miissen, wahrend jie Paarung der Oxyrerbindungen (Phenol, Resorcin) mit Schwefel- jgure nnd Glykuronsaure, also ein synthetischer Process, ganz unab-

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hailgig von der Oxydation verlaufc und dementsprechend durch Aet oder 1'hosphor-Ve.rgift.ung gnrnicht beein flusst wird. Die Oxyda ist nach N e n c k i abhangig 1. ron der Sauerstoffzufuhr, 2. von Beschaffenheit der Gewebszellen, innerhalb welcher die Oxgda stattfindet. Eiii gewisser Ueberschuss von Sauerstoff ist nothwm Durch ihre Abhangigkeit von der Sauerstoffzufuhr unterscheiden die lsbilen Eiweisegruppen ini Protoplaanin yon den Aldehyden.

So hntten liier die Anregungen, die N e n c k i aus seiner e Arbeit mit S ch u l t z e n nnd seiner Doctnrdissertation erhalten !I:: ihn :tllni6lilich zu der weiteren Erforschiing des grossen Gebietes physiologischen Oxydalinn gefuhrt und ausserst werthvolle Res:;l;at gezeitigt.

a u f die Beschaftigung iiiit der Mariisiiuregruppe war er, wie er -.

wahnt, wesentlich durch -4nregiingen nus dem B a e y er'schen L:>ho ratoriurn gelenkt worden, unrl das Gleiche darf man wohl von stinegi Arheiteii iiber das Indol sagen, die zugleich den Ausgangspunkt seii-&:

beriihmten Arbeiten zur Eiweiss- und Hacterien.Chemie bilden. J a f f 6 seine Beobachtung verofl'entlicht hntte, dass eingefiihrtes In im Thierkorper in Indican verwandelt wird, reranlasste N P L I

ziinachst seinen Scliuler M a s s o n zu einer Nachpriifung, die ?il:e

volle Restiitigung der J nf fk'schen Angahen brachte. Zugleich ~r . i eb '

N i g g e l e r iii K e n c k i ' s Laboratorium die Verwandelung von Islt;n- in Indigroth durcli den thierischen Organismus nach. Es fragtr Sich nun, woher d a s mitunter schon normaler Weise irn Harn vorkomme::de. Indican st.nnirrie? N e n c l r i gelang es zuerst, sicher nachzunrisen; dass, wie J xffk schon angenommen hatte, das Indol bei der Pankrra5 rerclaiiuiig entstelit. S a c h seiner darnals ausgesprochenen Ar!sicht wird dos irn Darm cntstehende Indol resorbirt, i m Blute zu Indighlao oxydirt und rnit Zucker gepaart als Indican ausgeschieden. Er kllnrlte' zugleich seine Ansicht yon der Entstehung des Indigblau nus Illdo{ dadurch stiitzen. dnss e r Indol durch Ozonisiren in Indighlau iii.,er-' fiihren konnte. Ebenso vermochte N e n c k i den *analytischen S:& weis zu erbringen, dass der von R s e y e r durcti Behandeln dr, lo- dols mi t raiichender Salpetersiiure erhaltene rothe Farbstoff wirkiii,i, salpetersaures Nitroso-Indol ist. A l s Formel des Indols erqittrlte er durch Dampfdichtebestimmung Cg Hi N.

Diese Arbeiten wirkten nach zwni Richtungen hin anrege!l,i al]f N e n c k i ' s weitere wissenscbaftliche Forschungen.

Zuniichst fuhrte die Auffindung des Indols ihn dam, der Sp:,ltr;ng des Eiweissmolekiils durch verschiedene Reagentien seine Aufillerk.

samkeit zuzuwenden, uud damit iiberhaupt dem Problem der Ein.ti>S- chemie. Dann aber wurde N e n c k i schon bei seinen ersten r n t e r - suchungen uber die Pankreasverdauung aiif die Mitwirkung der \ f i k r b

.I.

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Drgauismen und damit auf die Faulnissprocesse aufmerksam, deren A b h f er in der Folge eineni um so grundlicheren Studium unter- warf, als er auch liierin eine Methode der Eiweissspaltung fand, die &die Ergebnisse fur die verwickelte Frage nach der Constitution des Eiweissmolekul8 bringen konnte. In der gleichen Zeitperiode ivurde aber durch P a s t e u r , C . v. N a e g e l i , R o b e r t K o c h und ihrr Schiiler auch die Bedeutung der Mikroorganismen fur die Rrank- bei!serregung festgestellt, die Methodik ziir Trennung und Erforschung der einzelnen Brtcterienarten ausgearbeitet, und so war es nur natijr- bch, dass auch N e n c k i seine reiclien Erfahrungeo, die er durrh frGhere Arbeiten iiber die Faulniss- und Gahrungs-Processe gewonnen hatte, in den Dienst der medicinischen Forschung stellte und damit .nanientlich die chemische Thgtigkeit. der einzelnen isolirten Bacterieii- art?!! zu bearbeiten begann.

ScBon in seiner ersten Publicat,ion uber die Zerstorung der Gel:rtine und des Eiweiss bei der Faulniss mit Pankreas sucht er die

‘durch Mikroorganisrrien crzetigte Fkulniss z u treunen von der Wirkuug der ungeformten Pankreasfermente. Er weist auf die qiialitat.iveo und quantitativen Unterschiede in den auftretenden Spaltuugsproducten, Ilainentlich Gasen, hin und entwickelt bereits die Methodik zur Unter- suchung derartiger Flulnissgemische, zur Isolirung der einzelnen Spaltungsproducte, unt.er denen er nanientlich die Fettsauren zu charakterisiren sucht. Wlbrend in diesen ersten Untersuchungen i\’encki’s die Fiiulniss bei Lnftzutritt statt,fand, hatte sein Schiiler Jeannere t die Aufgabe, dieselben Processe unter Einwirkung der If ikroorganismen des Pankreas bei Luftabschluss zu studiren. Gerade diese Frage musste damals grosses Interesse hervorrufen, nachdem pns teur seine Ansichten uber die Hefegahrung, die nacli ihrn eine Folgt? des Lebens oline freien Sauerstoff war, dargelegt hatte. J p a n n e r e t wies nach, dass die Pankreasbacterien auch ohne Sauer- stof im Wesentlichen die gleichen Faulnissprocesse rnit den gleichen, nur in Bezug auf die Quantitkt verschiedenen Spaltungsproducten 1)rrvorrufen konnen. Da die ails N e n c k i ’ s Laborstorium hervorge- gangenen IJntersuchungen von G u n n i n g angezweifelt wurden: sah jicll, N e n c k i wiederholt veranlasst, u. a. mit L a c h o w i c z zusammen, die Anaerobiosefrage eingehend zu bearbeiten. Er wies nacli, dnss ailcb bei vollstandigstem Abschluss von Sauerstoff Pilzvegetation uiid FBulniss moglich sei. N e n c k i griindete auf seine Untersuchungen P i n e Theorie der AnaSrobiose : die anaerobiotischen Spaltpilze ent- netlmen den Ssuerstoff nicht aus der Luft, sondern aus der Niihr- sutjstanz. In dieser findet also auch eine Desoxydation statt, und es Pntstehen neben Kohlensaure auch reducirte Substanzen. Wenn bei e indr Giihrung uberhaupt Producte entstehen, die mchr Wasserstoff

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und weniger Sauerstoff als die zu vergiilirende SuLstanz enthalten, so ist die Gahrung schon als anaerobiotisch zu betrachten. In diesem Sinne ist aucli der Alkohol ein Reductionsproduct. Neben a,$ Desoxydation tritt bei der Gahrung die Hydratation auf , die ebenfdh von Warnieentwickelung begleitet ist, urid die N e n c k i n i t dem dauungsprocesse der Thiere rergleicht. Diese Fest.stellungen \vareI deshalb besonders wichtig, weil sie das Auftreten von FiioloiPs iln:

Darmrohr, wo weuig oder gar kein Sauerstoff vorhanden ist, erk1;irten Gerade fur die Vorgange irn Darrn hatte N e n c k i aber der FBulllis eine besondere Wichtigkeit zugesprochen, cine Ansiclit, die er frtilic spiiter dahin erlautert hat, dass er irn Gegensatze zu P a s t e u r legte: die 'I'hiitigkeit der Bacterien konne nach der Art ihrer I'roduction; nie eine dern inenschlichen Organismus niitzliche sein. Spht.ere. ein.' gelieiide und bedeutungsrolle Untersuchuugen, die er mit hl a cfay J r n und N. S i e b e r an einer Patientin init einer Dunndarrnfistel anh:eiIte. 1i:iben N e nc, k i ' s Ueberzeugung ron der Bedeutungslosiglieit di.r Bacterienthatigkeit, die riach ihm eher ein Brnalurn iiieritabilea ::lb t i n *maliiin nec.essariunic ist, iln Darm liir die Ernahrung nur bef Einstweilen aber galt es nocli, diese Vorglnge irn Darm chcriiidl nufzuklaren. R r i e g e r , den N e n c k i mit diesen Untersuchungrri be- traiire, lronute selir bald aus den Faeces, neben den bereits belcmi~ta Fiiulnissproducten, einen neuen, f i r die Eiweisscliernie sehr wiciitixer, Kijrper, das Skatol, isoliren und damit. den Kac,hweis liefern, d :1~8

das Indo1 iiicht rnehr ein in dcr organischen Chemie ohne B I I ~ I O ~ ~ ! d:tstehender Korper sei, wie B a e y e r einmal geaussert hatte. Nr.r:cki selbst stellte bald darauf fest, dass das Skatol auch Lei der Paniirt,,s. fiulniss, allerdings bei sehr lang dauernder, entstelie, di~ss ferner :iiicii

Lei der Zersetziing des Eiweiss durch schmelzendes Kal i Skati,l gr- bildet wird. Er wies ferner nach, dass grosse Mengen von Sii:itd leiclit als P ikre t aus fmlendem Gehirn zu isoliren sind, und d,zs cim, Sliatol die ernpirische Formel Cy HsN zrikonirnt. Die Entdeckuiig clrs Indols und Skatols linter den Iqguhissproducten bildete fur h ' t ~ 11c;li i auch die Grundlage fur die Entwickelung seiner weiteren Ansicbtc:] uber das Eiweissmolekiil. S c h i i t z e n b e r g e r , der durch Erhitziu w i l

Eiweiss init Barj t t iydrat unter Druck nur verhaltriissmassig eiti:"ll constituirte Spaltungsproducte er l idten hatte, wollte das Eiweissmt~lrkiil a18 ein coInplexes Urei'd aufgefasst wissen, in welchem die W:iasrr- stofittome des Harristoffs oder Oxarnids durcli Radicale der Aiiiido- siiuren ersetzt sind. D a s eiuzige Spaltungsproduct der aromat i ~ . l i r ~ i

Reihe, d,as Tyrosin, das S c h u t z e n b e r g e r erhalteu hatte, woll:e- bei seinm Betractitungen fiber die Eiweissconstitution vernacl~la-~i;c-11. K e nc. k i weist derngegeniiber zunachst darauf hin, dass die Entdt-ckung

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aes Indols, Skatols, der Ptomai'ne, die meist Diamiue oder davon ab- iten Eind, gegen die S c h i i t z e n b e r g e r ' s c h e Auff~ssung des Ei-

WeissrnolekiilS sprechen, dass ferner mitidestena drei nrornatische pen im Eiweissmolekiil vorhanden seien (Phenylamidopropion- , Tyrosin, Skatolamidoessigsaure), schliesslich dass diese aro-

&.tischen Sauren den zehnten Theil des Eiweissmolekiils aus- f_

Veitere Untersuchungen fiibrten N e n c k i uud S i e b e r zur Ent- eckung des Methylmercaptans unter den Flulnissproducten, d.,s

spater ooo N. S i e b e r und S c h u b e n l r o auch bei Zersetzung d r s Eiweiss rnit schmelzendem Kali gefunden wurde; und das, wie N e n c k i nachwies, den widrigen Geruch des Hnrns nach Spargelgenuss Terursacht.

Der grosste Theil der hier aufgefiihrten gahrungsph ysiologischeu Verauche war von N e n c k i und sei:ien Scliulern nocb init Bacterien- Gemkchen angestellt worden. Die inzwischen rasch vorgescbrittene bacttriologische Methodik errniiglichto es N e n c k i bald, auch Bnc- terleo-fleinculturen in den Kreis dPr Untersuchungen zu ziehen und &C chemische Zusammensetzung rler Bacterienleibessubstariz und der Stofwechselprodacte zu ermitteln. N e n c k i hatte schon friihzeitig niit sell zffer d a s M j koprotei'n durch Extraction von Fhuluissbacterien, die in schleirnsaurem Ammonium gexiichtet w,iren, rnit Kalilauge dar- gestellt and darnit auch die Synthese der complexesten organisctieo Verbindung aus einer rerhiiltnissnihssig einfachen dernonstrirt. Seine spaterin Untersochungcn an Reincult u r en von &I ilzbrnndbacillen fiihr t en an zu dem Schluss, dass das au5 diesen d:irgestellte Anthraxpro:ein vonl Mpkopmtei'n verschieden sei, uiid dass durch die v e r ~ l i i e d e n e Zusammensetzung der Bxcterienleibessubstanz zurn Theil die specifische r l r k u n g der einzelnen Bacteriennrten, auch im Thierliiirper, hedingt sei. Demgcmlss mussten nber auch die Stoffwec1i:elproducte einzelner Bacteriennrlen, die vielfach morphologisch und culture11 nur schwer zu trennen waren, verschiedeti sein. In der That gelang es X e n c k i und Beinen Schiilern, in der Verachiedenheit der gebildeten Milchsaurei~ ein Vittel zu finden, um einzelne Bacteriensrten von einander zu frerlrlen und aie z u identificirer,. Diese Arbeiten haben j e d e n f a b den e inrn Erfolg gehabt, dass die chemische Richtung in der Bacteriologie, d le dorch P a s t e u r ' s Forschunge~i so glanzend iuangurirt, aber durch dle rein morphologischen und culturellen Untersuchungen der K o c h - scl1-n Schule etwas in den Hintergrund gedrangt war, wieder mehr zur Geltung kam. Besonders trugen allerdings auch die erfolgreichen cnttsrsuchungen Br i e g e r ' s iiber die Ptomaine dazu bei, die Be- strebungen der Nencki ' schen Schule zu unterstutzen. Ja, es waren

maeben.

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rivlfach sogar ubertriebene Hoffrlungen, die man in diesem neuen ALsrlinitt der Bacterienchernie an die exacte chernische Erforschung d1.r Racterienthiitigkeit knupfte. Man glaubte, dass es nunrnehr cine ~erhiiltnissmassig leichte A ufgabe sein werde, die specifischen Gift- stoffe gerade der kraukheitserregenden Bacterien zu isoliren und chemisch zu identificiren. Aber nach langei! *Tatwen muhevoller Arbeit sah man sich in dieser Hoffnung getiiuscht. N e n c k i selbst erkannte bald die Unmogliclilreit, diesen labilen Korpern, deren Trennung van den unwirksarnen Eiweiclestoffen so grosse Schwierigkeiten biek!, nlit den vorhandenen cheniischen hlethoden beizukommen. Urn 8,). freudiger begriisste e r es, als das biologische Experiment der chemischen Analyse voraneilte und in der Antitoxintherapie B e h r i n g’e rind E h r l i c h ’ s sich eine glanzende Perspective fur die Bekampfuog drr. Infectionskrankheiten eroffnete. Fur die Einfuhrung der Smother+. ist e r denn auch in Russland auf das Eifrigste thatig gewesen. Er ubertrug die Herstellung und Controlle des Serums seinern bewih&,] Assistenten S. D z i e r z g o w s k i , der in za.hlreichen Arbeiten die Arititoxintherapie i n praktischer und theoretisclier Hinsicht forde&. N e n c k i selbst, der iiainentlich E h r l i c h ’ s theoretische Studien auf diesem Gebiete sehr hoch schlitzte, h t sich zunachst an diesel] Forschungen durch eine Arbeit, die e r gemeinsam mit N. S i e b e r uld S c h o u m o w - S i m a n o w s , k i ausfiilirte, Letlieiligt: Die Arbeit erbrbgt den Nachweis, dass die Verdauungssiifte, insbesondere der Pankreas. saft, die Toxine (Tetanus- und Diphtlierie-Toxin) direct zerstoren. Das Material a n reinen Verdauungssaften zu diesen Studien lieferte wieder die Vivisectionskunst P a w 1 o w ’ s , der sclion fruher N enck i und seinen Mitarbeitern durch tisophagotornirte und gastrotomkte Hunde den Nachweis ermoglicht hatte, dass Kochsalz das Material fur die freie Salzsaure des Magensaftes darstellt, dass bei Chlore1,t- ziehung eingefulirtes Brornnatrium unter Bildung von Bromwasserstoff- s lure ersetzend eintreten kann, und Sulfocyansaure ein constanter BP- standt,heil des Magensaftes ist. Weitere Anregungen zum Studium d k r

Irninunitatsfrage erhielt d a m N e n c k i durch rnehrfache Reisen, die i.r zur Erforschung der Rinderpest in den Kaukasus unternahm. Nencki war keiu Neuling auf dern Gebiete der Zoonosenforschung: sehie enge Verbindung mit der thierkztlichen Abtheilung der medicinischtn Facultat i n Bern hatte ihm schon fruher Gelegenheit gegeben, sich mit der Aetiologie der Thierkrankheiten, insbesoudere rnit der Strepto. coccenmastitis der Kuhe, dern Rauschbrand der Rinder zu beschaftigeu. Bezijglich der Aetiologie der Rinderpest konnte e r rnit seinen M i t arbeiterii N. S i e b e r und W y z n i k i e w i c z zu keinem vollig klaren Resultate lroniinen; abar es gelzDg ihm, rnehrere Immunisirunp~.

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arrhoden auszuarbeiten, durch welche die Rinder in wirksamer Weise W Y der Erkranlrung geschutzt werden (Injection von Pestblut, bezw. I'sstblut und Pestserum). Die Immunisiruug nach den von N e n c k i und seinen Mitarbeitern angegebenen Methoden wild gegenwartig vori zwei Stationen, die N e n c k i organisirte - die eiiie im Knukasus, die agdere in Sibirien gelegsn - mit ausgezeicliiieteni Erfolge durch- grfiihst.

-41s die tiefgrundigsten uiid fur die biologische Cliemie ergebniss- Ir;:hsten unter enclci ' s Arbeiten muss man wobl diejenigen be- zrichneu, die den Blutfarbstoff und dessen Beziehungen ZUITI Blatt- fzhstoff betreffen I ) . Hier zeigt sicb auch die charalrteristische Eigen- lr! der K e n c k i 'schen Forschungeweise am deutlichsten: seiii Fest- balteu an den einmal gewonnenen Interessen, sein Bestrebeii, die Ctemischen Metboden SO wejt als moglich fur die biologische Chemie 1lurzbar zu niachen. Auch hier ist er, nanientlich bei seinen ersteii Arbeiten, von N. S i e b e r unterstctzt worden. Seine ersten Ver- Bfentlichungeu betrafen das Hamin, das er durch Ainylalkohol aus den1 Blute in grossen Quantitsten und sehr rein darstellen konnte, utid als dessen Formel e r C.jzH31 K 4 0 , F e C l feststellte. Spaterp Forschuagen mit Bi a1 o b rz e s k i , R6 z y c k i und 2 a1 e s k i Irachten dvn Nachweis, dass das H h i n zwei Hydroxyle enthalt, dass es liicht allein mit Sauren und Alkylradicalen Aether bildet, soiidern selbst mit indifferenten Verbiiidungen Additionsproducte; eine Eigen- $,-haft, die bei der Darstellung des Hamiiis nicht genugend beachtet 5 ~ u und daher zu sehr verschiedenen Ansichten iiber die Constitutioii &s Hiimins, j e nach der Darst.ellungsniethode, gefuhrt Iiatte. Diese Ergebnisst: wurden durch Darstellung und Analyse einer gaiizen Reihe

S o d a m wandte N e n c k i seine Haupt- a"fmerksamkeit den1 von M u l d e r und H o p p e - S e y l e r untersuchten Himat.oporphyrin zu, das er aus dem Hainin durcli Rehandlung mit Bromwasserstoff in Eisessig eisenfrei erhielt, durch Salzsaure in kry- st;tllinisches salzsaures Sdz uberfuhren und durch Wasserstoff zu ejuem dem Urobilin iihnlichen Korper reducireu konnte. Weitere Gntersuchungen zeigten, dass das Hamatoporphyrin den Charakter tiller Amidosaure besitzt und zwei Hydroxyle enthalt. Als S c h u n c k ulld M a r c h l e w s k i darauf hinwiesen, dass das yon ibnen aus Phyllo- taonin bezw. Chlorophyll erhaltene rothe Phylloporphyrin seiner Zu- jsmmensetzuug nach dem Hiimatoporphyin sehr nahe steht (Phyllo- porphyrin = C16Hie ON,, grill

1) cf. Nadine S i e b e r , M. v. Nencki's Arbeiten iiber die Beziehuugen

Haminderivaten gewonnen.

Haniatoporphyrin = CIS Hls 03 N?), _-

d c . Blut- zum Blatt-Farbstoff. Miinch. med. Wochenschr. 1902.

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N e n c k i den liier geausserten Gedanken sofort auf. Die Tragweite eines Nachweises der cheinischeu Beziehungen von Blatt- nnd Blut- Farbstoff lag fur ihn k la r zu Tage: es konnte dadurch ein Einblick eroffiiet werden nin die entfernteste Vergangenheit der Entwickelun53. geschichte organisirter Wesen, in die Stanimverwandtschaft so vVr- schiedener Organismen, wie es der pflanzliche und thierische sintic. Denn die Verscliiedenheit der Organismen, so legt N e n c k i dar, \I+

ruhe nicht. nur auf der Form, dem Bau der Organe, sondern auch (Ivr cheniischen Verbindungen, aus welchen die Zellen bestehen. Von tier Natur disser Verbindungen hLngt der Modus des Stoffwechsels ab, uad j e nsch dem Stoflwechsel richtet sich die Gestalt der Zellen und il!y< Differenzirung zu einzelnen Organen. N e n c k i versuchte ziln%cI,sr, auf verschiedenen Wegen dem I-Iamatoporphyrin die zwei Atome Sauerstoff zu entziehen, ohne zum Ziele zu gelangen. D a gelang ES

ibm, aus dem Roh-AcethGniin in Eisessig durch Einwirkung von Phos- plioniumjodid einen krystallinischenl jodfreien Korper zu erhaltrll, dem die Formel C,gHls02N2 zukommt, der demuach in der Mitt? zwischen Hamatoporphyrin und Phylloporphyrin steht und desh;db Mesoporphyrin genannt wurde. Dieser Korper erwies sich ale ,:in gliicklicher Fund : er war Bueserst reactionsfiihig, und man Ironnte eine game Reibe von Salzen und Derivaten darstellen. Vor A l l m aher konnten N e i i c k i und Z a l e s k i nacliweisen, dass sich !A lfiiigerer Einwirkung r o n Phospho~iiumjodid in der Whrme auf Han;;,. toporphyrin ein I G r p e r bildet, der mit Wasserdampfen fliichtig, 61- fiirmig iind sauerstofffrei ist und die Formel CsHlrN besitzt. Dit,>e Verbindung, von N e n c k i Hlimopyrrol genannt iind als ein Butji- bezw. Methylprop).l-Pyrrol betruchtet, ermiiglichte den endgiiltigrn Beweis fur die Verwandtschnft von Blut- uud Bhtt-Farbstoff. N entiti hat,te schon friilier darauf hingewiesen, dass, abgesehen von der Forillel des Hamatoporphyrins uiid Phylloporpl~yrins, die Muttersubstanztn Hamin und 1’hyllotao:iin die gemeinsame Eigenschaft besitzen, Ester zii bilden. Es war ferner bereits festgestellt, dass nicht nur Hamatoporphyrin, sondern anch das Phylloporphj-rin bei der trockiipn Destillation Pyrrol resp. seine Momologe liefert. Es kam nun fiir ti-n Nachweis der engeren Verwandtschaft beider Korper vor Allem daraul an, zu zeigen, dass auch aus dem Phylloporphyrin durch Einwirkrq von Phosphoniunijodid, Jodwasserstoffslure und Eisessig Hamopyrroi zu erhalten war. Dieser Nachweis geleng N e n c k i und M a r c h l e w s k j in der That , uiid sie konnten ferner zeigen, dass auch das so rr.

baltene H a m o p p o l sicli ebenso wie das aus Hamatoporphyrin d 2 p

geatellte in Urobilin uberfuhren liess. Die Verwandtscbaft lasst sit:t schematisch folgendermaassen darstellen :

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Hamoglobin Chlorophyll Hamin P hy llocy anin

Hamatin Phyllotaonin Hamatoporphyrin Phylloporphyrin

CxHia Nz 0 3 c1ti Hie "L 0 Mesoporphyriii ,/

/'.

GOHIE Nz 02 \..

H amo p y rr ol (CeHis N )

I Urobilin

G.2 h o O 7 N4.

Diese Befuude gaben N e n c k i Veranlassung, eine Reihe hochst geistvoller Betrachtungen iiber die Verwandtschaft im Chemismus der niederen und hoheren Thiere und Pflanzen aufzustellen. Er weist U. a. darauf bin, dass die niederen Glieder der Pflanzen- und Thier- &ihe kein Chlorophyll resp. Hamoglobin fuhren, dass bei den hoheren Uassen beider Reiche diese beiden Substanzen, welche die grosste Bedeutung fiir das Zellleben besitzen, aus derselben Muttersubstanz aufgebaut werden.

In engem Zusammenhange mit diesen Studien iiber den Blutfarb- s b f f stehen die Arbeiteii N e n c k i ' s und seiner Schuler iiber die tbierischen Pigmente. Man hatte friiher angenommen, dass diese Firbetdffe, die sich aucb in den sogenannten melanotischen Ge- schwiilsten, narnentlich bei Pferden, finden, vom Iilutfnrbstoff deriviren. Diese Annahme muss nac.h den Untersuchungen von N e n c k i , B e r d e z und S i e b e r fallen. Das Pigment der Haare ist eisenfrei, das der Choroidea schwefel- uiid eisen-frei, und die Analyse der Pigmente aus melanotkchen Geechwulsten von Menschen (Phymatorhusiu) und Pferden (Hippomelanin) zeigten, dass diese jedenfalls eher dem Haa.r- pigment nahestehen als dem Blntfarbstoff. N e n c k i nimmt nament- lich mit Riicksicht auf den hohen Sc.hwefelgehalt der pathologischen PigmeUte an, dass sie voin Eiweiss deriviren und zwar ron der chromogenen Griippe desselben.

Gegeniiber solchen grundlegenden Arbeiten auf biologisch-chemi- Bchem Oebiete miissen naturgemass N e n c k i ' s Erfolge auf rein chemi- &em Gebiete etwas in den Hintergrund treten. Auf seine Verdienste

die sl~~digogroppea, seine Arbeiten in der Harnstoff- bezw. Harn- siore-Gruppe wurde schou oben bingewiesen. Dass er aucb durch Bolche Untersucbungen p r a k t i ~ h verwerthbare Resultate zu erreichen reratand, zeigten die Erfolge, welche seine Methoden zur D srstellung

Oxyketooen aus Fettsauren tind Pbenolen bei Cfegenwart von , . B&hto (1. D. cliern. GesellschnR Jahrg. xxxv. Y O

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Zinkclilorid, sciwie voii SCurc estern mittels Phosphoroxychlorid Br-,

zielten. Nach d e i ersteii hlethode wurden zuerst die als Farbstofe der Badisclien Anilin- u n d Soda-Fabrik patentirten Oxyketoue herge-- stellt, nach der zweiten wurde das Salol gewonnen, d a s sich einer $0. ausgedehuteii Anwendung in der Medicin erfreut, nachdem N encki oachgewiesen liatte, dt1.s nicht nur die Fette, sondern auch die Satire. ester der aromatischen Ver bindungen, also auch das salicylszu,e Phenol, VOIII Pankrenfisaft wid Pankreas selbst in ihre Componentei zerlegt werden. Soluit weiden diese Salolester im Darm gespaiten uud konnen also dort eine energische antiseptische Wirkung entfalten, Erwahnt sei insbesondere nuch N e n ck i’s Methode zu r Darstellung der Aurine. Nachdem er zunichst durch Erhitzen von Phenol und --lmeisensiure bei Gegenwnrt von Zinkcblorid das Anhydrid d& ‘Tripheiiolcnrbinols erhalten hatte, konnte er mit der gleichen Metl,c& das Resaurin, Orcinaurin etc. dar stellen. Auch die Synthese d ~ g

Muscarins bezw. Muscarinathers aus Monochloracetal und Trim+ thylamin, die B e r 1 i n e r b 1 a u unter N e n c k i ’ s Leitung ausfiil;13e, ist sehr benchtenswerth, weil sie die Richtigkeit der Schmiedeberg- when Formel und damit die enge Verwandtschaft mit dern Neurin auf anderem Wege bewies.

Diese kurze Analyse kann selbstrerstandlich kein vollstandiges Bild von der umfassenden Lebensarbeit N e n c k i ’ s geben: namentlich die grosse Zabl der Arbeiten seiner Schiiler, die sich zum Theil auf d:ts rein chemische Gebiet erstreckeii, konnte hier nicht beriicksichtig werden. Seine ropern omniac, die dernnachst bei Fr. Vieweg & S o h ii ill Braunschweig erscheinen werden, diirften beredter als alte Nekrologe vim den1 vielseitigen SchafTen N e n c k i ’ s und seiner Schiiler spreclien. Die vielen Einzelnntersuchungen lassen es bePCif. lich ersclieineti, dnss N e n c k i iiie die Zeit gefunden hat, ein LehrLach zu schreiben, ein Ginstand, den Jeder, der seine ail Anregungen u n d neueii Gedankengangen reichen Vorlesungen in Hein gehiht ha!, leb. haft bedauern wird.

hlnn wird es nach Einsichtnahme in sein Lebenswerk auch yep

standlich fiuden, dass ein Mann, der solches geleistet hat, seine ,oat~ze

Zeit und Krnft deiii Labor3toriurn widmen musste. Dadurch trat el

h e r auch seinen Schiilern und Assistenten naher als mancher antier( Gelehrte. E3 entwickelte sich zwischen ihm und denjenigen seine1 Schiiler, die langer bei ihm arbeiteten, bald eine Art von Freund. scliaft~verhaltniss, und er ist Allen, die es verdienten, auch ein trec sorgender Freund geblieben. Selbst seine Mussestunden pflegte el

zuoi Tlieil seineu Schiilern zu widmen. E r war hier in der GeseiIig. keit wie in der A r t des Arbeitens i u gutem Sinne international. Wem er in der Arbei: deli Ideen reicliihuiii seiner Stammesgenossen mi

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Geut-cher Griindlichkeit und deutschem Forschereifer verband, so traten Freunde3krek.e seine echt slavische Liebenswurdigkeit, sein behag-

]Itber Humor, die Einfachheit und Schlichtheit seines Wesens, die a n deir Jchwrizer Burger, der er geworden war, mahnten, deutlich in Erszheinong.

Wohl selteu haben Medicin und Chemie in so gleichem Maasse Verxnlassung, den Verlust eines Mannes zu betrauern, dessen Lebens- arb+:t an der Grenze beider grosser Gebiete unvergaogliche Mark- steirie hinterlasaen hat. Noch tiefer aber ist die Trauer bei allen &net,, die ihin personlich nahe getreten sind und die in ibm nicht obr einen bedeutenden Lehrer, sondern auch einen treuen Freund verloren habeii.

Martin Hahn.

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