Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen Spätaussiedlern – Ergebnisse einer empirischen...
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Marginalisierungstendenzen unter Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen Spätaussiedlernjugendlichen Spätaussiedlern
– – Ergebnisse einer empirischen UntersuchungErgebnisse einer empirischen Untersuchung
PD Dr. phil. habil. Waldemar Vogelgesang
Forschungsgruppe Jugend- und Medienkultur (JMK)Universität Trier
Nürnberg, 30.11.2007Nürnberg, 30.11.2007
Zuwanderung und Integration von Spätaussiedlern (Konferenz)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Nürnberg 29. – 30.11.2007
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Eigene Studien mit Migrationsbezug
1.) Jugend im Stadt-Land-Vergleich (2000)
Text: „Tiefe Gräben und schmale Brücken“
2.) Jugendliche Aussiedler (2003-2006)
Bericht: „Jugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer Heimat“
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Jugendliche Aussiedler: „Forschungsnetzwerk
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Ethnographisch-qualitative Verfahren Beobachtungen Narrative Interviews Exkursionen (Integrationsgymnasium, Omsk) Feldtagebuch / Videodokumentation
Quantitative Verfahren Befragung (standardisiert)
Methodenplurale Lebensweltanalyse
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Assimilationsmodell (Esser) Opportunitäten (Teilhabechancen) Barrieren (Vorurteile, soziale Distanzen, Diskriminierungen) Alternativen (Rückzug in eigenethnische Gruppen/Räume)
Exklusionstheorie (Luhmann) Mehrfachexklusionen (multiple Formen der Benachteiligung) Exklusionsverkettungen (‚Ausgrenzungskarrieren‘)
Theoretischer Bezugsrahmen
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Die Lebenswelt der Die Lebenswelt der jugendlichen Aussiedler jugendlichen Aussiedler
– – betrachtet aus der Perspektive gesellschaftlicher betrachtet aus der Perspektive gesellschaftlicher
Benachteiligung und individueller Benachteiligung und individueller SelbstausgrenzungSelbstausgrenzung
Aktuelle ForschungsergebnisseAktuelle Forschungsergebnisse
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
(Aus-)Bildungsbenachteiligung Sprachdefizite Nichtbeteiligung an Ausreiseentscheidung Sozial-räumliche Segregation ‚Russische‘ Mentalität und Identität Exkurs: Inhaftierte Jugendliche
Assimilationsbarrieren
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
(Aus)Bildungs-(Aus)Bildungs-benachteiligungbenachteiligung
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
11
50
52
33
3717
0%
20%
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100%
Einheimische Aussiedler
GymnasiumRealschuleHauptschule
n = 102
Quelle: eigene Erhebung 2004
BildungEinheimische und (Spät)Aussiedler im Vergleich (in %)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
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14
32
20
67
13
80
50
0
20
40
60
80
100
Einheimische Aussiedler Ausländer
Beruf mitAbschluss
Beruf ohneAbschluss
arbeitslos
n = 414 (Jugendliche in Erwerbsarbeit,
Alter: 14-25 Jahre)
Quelle: Jugendstudie 2001, Vogelgesang
BeschäftigungEinheimische und Migranten im Vergleich (in %)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
unterschiedliche Bildungs- und Ausbildungssysteme verschiedene Unterrichtsformen Nichtanerkennung von Schul- und
Ausbildungsabschlüsse altersheterogene Einstufungspraxis Bildungserwartung der Eltern (materielle
Orientierung / finanzielle Abhängigkeit) Sprachdefizite
Gründe für die (Aus)Bildungsbenachteiligung der Aussiedler
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Sprachdefizite
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Der [jugendliche Aussiedler] saß immer nur alleine in der letzten Bank. Ein halbes Jahr saß er da und hat kein Wort verstanden. Irgendwann kam er dann nicht mehr.“
(Hauptschullehrer)
Interviewauszug: Sprachdefizit
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
3661
52
37
12 2
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Beide Elterndeutschstämmig
Nur ein Elternteildeutschstämmig
Deutsch
Deutsch und Russisch
Russisch
Quelle: Dietz/Roll 1998
SpracheFamiliensprache jugendlicher Aussiedler (in %)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Nichtbeteiligung an Ausreiseentscheidung
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
unfreiwillige Ausreise der jungen Russlanddeutschen (Zitate)
„Ich wurde nicht gefragt, ob ich mit will nach Deutschland oder nicht. Mir ging es da wohl wie den meisten, wir wurden einfach mitgenommen!“
(Sascha, 19 Jahre)
„Meine Großeltern und meine Eltern haben immer von Zwangsumsiedlungen gesprochen. Aber was ist mir denn anderes passiert?“
(Natascha, 15 Jahre)
Die ‚mitgenommene Generation'
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
(Un)freiwillige Wohnsitzname
Nachzugsmigration (Familie, Verwandtschaft, Religion)
‚erzwungene‘ Wohnsitzname (insbes. durch WoZuG)
„Man muss bedenken, dass für die Aussiedler die Familie und auch die Großfamilie der Ort ist, wo man Sicherheit bekommt in diesen unsicheren Zeiten.“
(Mitarbeiterin, Übergangswohnheim Osthofen)
„Staatliche Leistungen an einen Zwangsaufenthalt weit weg von Verwandten und Bekannten zu koppeln, war keine glückliche Entscheidung.“
(Leiter, Übergangswohnheim Osthofen)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Sozial-räumliche Segregation
Folge der ‚Verkettung‘ von best. Migrationsmotiven, Benachteiligungen (in Schule, Ausbildung, Beruf, Vereinen),
Negativetikettierungen und der Selbstghettoisierung in herkunftskulturell bestimmten Lebensräumen
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Rang 1: Einheimische(r)
Rang 2: Amerikaner(in)
Rang 3: Italiener(in)
Rang 4: Afrikaner(in)
Rang 5: Aussiedler(in)
Rang 6: Türke/in
Rang 1: Aussiedler(in)
Rang 2: Einheimische(r)
Rang 3: Amerikaner(in)
Rang 4: Italiener(in)
Rang 5: Türke/in
Rang 6: Afrikaner(in)
Einheimische
Aussiedler
„Könntest du dir vorstellen, folgende Leute in deiner Clique zu haben?“ Quelle: eigene
Erhebung 2004
Wahl der Clique nach ethnischer Herkunft
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Das Schlimme ist – und oft kämpft man da gegen Windmühlen –, dass der Verdacht, wenn etwas passiert ist, zuerst einmal auf die jugendlichen Aussiedler fällt. Die Lufthoheit haben dann wieder einmal die Scharfmacher mit ihren Stammtischparolen: Die Russen waren das. Für die näheren Umstände und wer da wirklich beteiligt war, das interessiert nicht. Die Schuldigen sind ja ausgemacht.“
DEKRA-Mitarbeiterin, Gerolstein
Kriminell und nicht integrierbar? Russlanddeutsche in der Provinz TV-Reportage des Südwestfunks; Report Mainz, Nov. 2003
Fremde Heimat Deutschland. Lange Zeit galten Russland-deutsche als unauffällige Einwanderer – heute führen ihre Söhne die Gewaltstatistiken mit an
Die Zeit, 12. Okt. 2006
Russlanddeutsche unter Generalverdacht: „Die Russen waren das“
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Ich habe nur russische Freunde. Ich glaube, wir verstehen uns untereinander einfach besser. Wir kommen alle aus Russland, sprechen die gleiche Sprache. Mit den Deutschen komme ich nicht so gut klar.“
(Swetlana, 17 Jahre)
Soziale Segregation: Aussiedler im Freundeskreis / in der Clique
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
16
5739
2645
17
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Einheimische Aussiedler
keineAussiedler
einigeAussiedler
viele Aussiedler
n = 102
Quelle: eigene Erhebung 2004
Räumliche Segregation: Aussiedler in der Nachbarschaft (in %)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„„Russische“ Mentalität und Russische“ Mentalität und IdentitätIdentität
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
48
18
10
78
54
40
0 20 40 60 80 100
Ein Mann sollte bereit sein, Frau undKinder mit Gewalt zu verteidigen
Man sollte sich mit körperlicher Gewaltgegen jemanden durchzusetzen, der
schlecht über die Familie redet
Männern sollte es erlaubt sein,Schusswaffen zu besitzen, um Familie
und Eigentum zu beschützen
Aussiedler
Einheimische
Quelle: eigene Erhebung 2004
Männerbild: Vater als ‚Beschützer‘ der Familie (in %)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Bei Schlägereien ist man z.B. die Härte der Russen nicht gewohnt. Diese schlagen mit voller Härte zu. Vielleicht, weil sie es nicht anders gewohnt sind, vielleicht weil sie damit auch einem russischem Ehrenkodex folgen und Macht und Männlichkeit demonstrieren müssen.“
Jugendpolizist, Bitburg
„Man hat dazu (zur Gewalt; W.V.) einfach eine andere Vorstellung als in Deutschland. Wenn man jemanden zusammenschlagen kann, ist man stark und wird respektiert. Es sind andere Werte wichtig.“
Alexander, 21 Jahre, Russlanddeutscher
Härte-Ideale: Zentrum ‚russischer Werte‘
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
32
563
als Deutscher
als Fremder
als irgend etwasdazwischen
„Was würdest du sagen, fühlst du dich eher ...?“ (in %)
Quelle: eigene Erhebung 2004
Identität der jungen Aussiedler
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Exkurs:Exkurs:Inhaftierte JugendlicheInhaftierte Jugendliche
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Stichtag: 31.3.2002
Anzahl: ca. 7500 (davon 250 weibl. Jugendliche)
Ethnische Herkunft: Einheimische: 50%, Ausländer: 30%; Aussiedler: 20%
Deliktformen: Gewalt: 44%, Diebstahl: 37%, Drogen: 10%
0
2000
4000
6000
8000
1992 1994 1996 1998 2000 2002
Inhaftierte Jugendliche
Quelle: Weipert 2003
Inhaftierungen im Jugendstrafvollzug 1992 - 2002
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
JVA Wittlich - Inhaftierungen (Zeitpunkt: 1.3.2004)
insgesamt: 230; Aussiedler: 29
„Von den jungen Deutschrussen sind schon seit längerer Zeit relativ konstant so 25 bis 30 hier. Wir hatten vor längerer Zeit auch schon über 50, aber das ist so ein bis anderthalb Jahre her. Es geht offensichtlich eher zurück, als dass es ansteigt. Und ich gehe auch davon aus, dass sich das Problem in drei, vier oder fünf Jahren im Jugendstrafvollzug auswächst. […] Vielleicht noch ein paar Zahlen dazu vom Januar 2002. Da waren 51% der hier einsitzenden Deutschrussen wegen Drogenstraftaten verurteilt worden “
Leiter der JVA Wittlich
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
JVA Wittlich - Inhaftierungen (Zeitpunkt: 1.3.2004)
insgesamt: 230; Aussiedler: 29
„Von den jungen Deutschrussen sind schon seit längerer Zeit relativ konstant so 25 bis 30 hier. Wir hatten vor längerer Zeit auch schon über 50, aber das ist so ein bis anderthalb Jahre her. Es geht offensichtlich eher zurück, als dass es ansteigt. Und ich gehe auch davon aus, dass sich das Problem in drei, vier oder fünf Jahren im Jugendstrafvollzug auswächst. […] Vielleicht noch ein paar Zahlen dazu vom Januar 2002. Da waren 51% der hier einsitzenden Deutschrussen wegen Drogenstraftaten verurteilt worden “
Leiter der JVA Wittlich
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Zwangsmitgliedschaft in geschlossenen Gruppen
„Innerhalb der Anstalt sind die Deutschrussen eine geschlossene Gruppe, abgeschottet nach außen, wo man auch ganz schlecht reinkommt. […] Sie unterhalten sich in ihrer Landessprache, schreiben Briefe nur auf russisch, geben auch kein Fehlverhalten zu, lassen nichts nach außen dringen und halten zusammen wie Pech und Schwefel.“
„Die haben ein sehr großes Wir-Gefühl, ein sehr großes soziales Verhalten, das ist im Prinzip nichts Schlechtes. […] Nur diese Besonderheit der Gruppen macht uns Probleme, diese Undurchsichtigkeit, diese Aggressivität, die sie an den Tag legen. Auch dieses Radikale, dass es nur rechts und links, nur schwarz und weiß gibt. […] Für die Neuen sind das Zwangsmitgliedschaften, die haben gar keine Wahl. Zudem scheint es harte Aufnahme- und Vertrauensrituale zu geben, nur wissen wir darüber so gut wie nichts.“
Mitarbeiter, JVA Wittlich
Strukturmerkmale: Gegenmacht – Stabilität – Netzwerk („russ. Subkultur“)
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Hierarchische Strukturen
„Die Gruppe ist ganz klar organisiert, streng hierarchisch aufgebaut. […] Wir haben, auch landesweit, im Vollzug eine bestimmte Hierarchie unter den deutschrussischen Häftlingen. Aber es ist schwer zu erkennen, wer die Gruppe führt, und wie die Hierarchie aufgebaut ist. Da stochern wir eigentlich nur im Dunkeln. Das ist halt das Problem.“
Leiter, JVA Wittlich
Positionen: Führer – Vollstrecker – Underdogs – Sozialarbeiter
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Geheime Machtsymbole
Kleiderkodizes – Territorialansprüche – Tätowierungen Einschlüsselung der ‚Tattoo-Sprache‘
Katalog von Abbildungen für den internen Dienst Beispiele:
Krone am Finger hoher Status Taube in Ketten 16. Geburtstag im Gefängnis verbracht Anzahl von Kirchtürmen Zahl der verbüßten Haftjahre Schmetterlinge / Segelschiffe signalisieren Fluchtabsicht
Zwangstätowierungen als ‚Strafrituale‘ Eidechse in Ungnade Gefallen, Ehrverlust Teufel, der eine Frau auszieht abartige sexuelle Neigungen
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Subkulturelle Regelkatalog: ‚Abschtschjak‘ (=Gemeinschaft)
Ursprung: traditionelle russ. Gefängniskultur Schriftstück (‚Appell‘) totale Verhaltensregelung
(Haftraum, Gruppenstruktur, Kommunikation, Dienste, Netzwerk etc)
Schweigekodex: „Aus den Deutschrussen ist nichts herauszubekommen. Wenn die nichts
sagen wollen oder dürfen, dann sagen die auch nichts. Die können schweigen wie ein Grab, egal welche Strafen man ihnen auch androht. Es ist, als hätten sie ein Gelübde abgelegt.“
Mitarbeiter, JVA Wittlich „Die stehen vor dir, als hätten sie die Zunge verschluckt. Ich bin sicher,
manche würden sie sich auch eher abbeißen, als nur einen belastenden Satz über ihre Landsleute zu sagen. […] Am Anfang dachte ich, es liegt an der Sprache, die verstehen mich nicht. Aber die haben mich sehr wohl verstanden, viel zu gut verstanden, um einen der ihrigen ans Messer zu liefen.“
Richter, Bitburg
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Gruppeninterne Sanktionsformen: das ‚Kasjak-System‘
Gruppeninterner Straf- und Bußkatalog Repressionsformen
milde Strafen (Bußgeld, Reinigungsarbeiten, Botendienste, Bestrafungen durchführen)
harte Strafen Demütigungen Schlafentzug Einschüchterung körperliche Gewalt
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Ich war noch nie so Russisch, wie zu der Zeit“ Vitali, 23 Jahre, Russlanddeutscher
„Mein Eindruck ist, viele Deutschrussen haben sich mit ihrer Randgruppenposition nicht nur abgefunden, sondern regelrecht arrangiert. Und was mir noch auffällt, sie haben in der Gesellschaft keine Lobby, die sich für sie einsetzt. […] Es ist eine verlorene Migrantengeneration.“
Mitarbeiter, JVA Wittlich
Migrationsverlierer in der JVA
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
„Im Grunde genommen haben viele junge Russlanddeutsche ihre alte Heimat nie aufgegeben. Sie pflegen ihre Bräuche und Rituale, sie sprechen die russische Sprache und leben die russische Mentalität und Kultur. Möglicherweise tritt dies im Gefängnis stärker in den Vordergrund als anderswo. Denn hier sind sie ‚richtige Russen’ – stark, männlich, als Gruppe akzeptiert und mit einer großen Autorität und Macht ausgestattet, die ihnen jenseits der Gefängnismauern nie zuteil würden. Die Jugendlichen fühlen sich drinnen viel stärker akzeptiert als draußen. Jeder hat seine bestimmte Aufgabe, wird dementsprechend gelobt oder bestraft. Die Unterwerfung in diesem System ist für die meisten Außenstehenden nicht zu verstehen“
(Valdmane, 2005)
Das Gefängnis als ‚russische Gegenwelt‘ und ‚Anschauungsort‘ für Integrationsdefizite
Dr. habil. Waldemar VogelgesangUniversität Trier – Abt. Soziologie
Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung
Integration von AussiedlernBarrieren und Hilfen
Sprachdefizit niedriges
(Aus)Bildungsniveau fehlende Lernmotivation Rollenunsicherheit /
Mentalitätsunterschiede Rückzug in ‚Russencliquen‘ segregierte Wohnformen Nischenökonomie geschlossene religiöse
Gemeinschaften Devianzspirale und (Selbst-)
Marginalisierung
• Sprachkurse / auch Förderung der Erstsprache
• schulische und berufliche Qualifizierung
•Förderung von interkulturellem Lernen und Begegnung
• Vernetzung / Kooperation der vor Ort beteiligten Institutionen, Organisationen und Verbände
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
ppt-Folien: www.waldemar-vogelgesang.de