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BILANZ 05 | 2017 54 MARKETS BASEL – DAS BESSERE ZÜRICH DIE SCHÖNE AM RHEIN Die Basler reden weniger über Verdichtung. Sie tun es einfach. Sie haben auch keine Wahl: Ihre Stadt ist eng umschlungen von Landes- und Kantonsgrenzen. Alles muss daher auf kleinem Raum gestaltet und modernisiert werden. MARKETS

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BASEL – DAS BESSERE

ZÜRICH

DIE SCHÖNE AM RHEIN Die Basler reden weniger über Verdichtung. Sie tun es einfach. Sie haben auch keine Wahl: Ihre Stadt ist eng umschlungen von Landes- und Kantonsgrenzen. Alles muss daher auf kleinem Raum gestaltet und modernisiert werden.

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In Zürich wird diskutiert, geplant und rekurriert. In Basel wird gehandelt. von HOLGER ALICH und LEO MÜLLER

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Ergraute Herren treffen zum Apéro im Zürcher «Kaufleuten» ein. Entspannt, ein Weinglas in der Hand, geben sie ihre festen Ansichten zur aktuellen Weltlage preis, ihr aktives Erwerbsleben haben sie zumeist hinter sich. Stadtpräsidentin Corine Mauch ist zum Vortrag vor der Zürcher Volks-wirtschaftlichen Gesellschaft geladen. In einleitenden Worten spricht Martin Scholl, Präsident der Gesellschaft und CEO der Zürcher Kantonalbank, über die Top-Ra-tings von Zürich, über Zürich als Insel der Seligen, über Zürich als «Paradies».

Eine Nummer kleiner? Das geht in Zürich nicht. Die reiche Stadt, von Banken wie UBS und Credit Suisse geprägt, hat

BAU 1 ODER PRIME TOWERDie Basler nannten den Roche-Turm (oben), ihr neues Wahrzeichen, ganz bescheiden «Bau 1». Er ist mit 178 Metern das höchste Gebäude der Schweiz. In Zürich steht auch ein Turm (rechts), bescheidene 126 Meter hoch. Sie nennen ihn «Prime Tower».

Elite-Hochschulen und Spitzenforscher, eine Durchmesserlinie, eine neue Europa-allee und das coole Zürich West. Zürich zieht Talente aus aller Welt an, beheimatet sogar ein Forschungszentrum von Google. Da wird nicht diskutiert, Zürich muss die ewige Nummer eins sein. Noch Fragen?

Wir erlauben uns einen gewagten Blick hinüber zur Schönen am Rhein und ent-decken: Ausgerechnet Basel, die ewig belächelte Rivalin, zeigt Zürich die Rück-lichter. Nicht nur beim Fussball. Auch die Wirtschaftslokomotive der Schweiz dampft heute nicht mehr in Zürich, sondern in Basel. Pharma schlägt Finanzen und damit Basel Zürich.

DIE NACKTEN ZAHLEN «Die Pharmaindustrie ist in guter Verfas-sung, die Finanzindustrie dagegen steckt nach wie vor in schweren Zeiten», begrün-det Martin Eichler, Chefökonom von BAK Basel Economics. «Daher er warten wir für

dieses wie auch für nächstes Jahr, dass der Kanton Basel-Stadt beim Wirtschafts-wachstum sowohl die Stadt als auch den Kanton Zürich über runden wird.»

Ein paar Zahlen zur Ernüchterung der Zürcher. Die Wirtschaft der Stadt wird nach den BAK-Prognosen dieses Jahr mit 1,2 und im nächsten Jahr mit 1,3 Prozent wachsen. Basel aber, dem schmucken Städtchen, von Ländergrenzen umgeben und räum-lich eng begrenzt, trauen die Experten Wachstumsraten von drei Prozent zu. Dies ist nicht einmal ein neues Phänomen: Von 2000 bis 2014 wuchs die Schweizer Wirt-schaft im Schnitt mit 1,8 Prozent. Rund ein Sechstel dieses Wachstums steuerte die Pharmabranche bei, die vor allem in Basel angesiedelt ist. Ihr Wachstumsbeitrag war damit fast doppelt so hoch wie jener der Finanzindustrie, die ihren Schwerpunkt in Zürich hat. Daher übertrifft der Kanton Basel-Stadt auch alle anderen Kantone der Schweiz im Vergleich der Wirtschaftskraft

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pro Kopf: Mit über 160 000 Franken je Einwohner liegt diese Kennziffer um rund 50 Prozent höher als im Kanton Zürich.

Der Erfolg der Basler Pharmakonzerne ist längst zu einer entscheidenden Stütze im Schweizer Aussenhandel geworden. 2016 exportierte die Branche Waren für rund 80 Milliarden Franken, das sind rund 38 Prozent aller Exporte. Und wiederum knapp 60 Prozent der Pharmaexporte stammen aus Basel. Sprich: Ohne Novar-

blick über Stadt und Rheinlandschaft. Der Turm ist beliebt, samstags stehen sogar Besucher Schlange. Zwei Jahre alt ist es schon, das neue Wahrzeichen der Stadt. Und dennoch machen die Basler nicht viel Aufh ebens darum, Roche hat das ga-lante Designgebäude schlicht und cool «Bau 1» getauft.

In Zürich hingegen wurde der erste nen-nenswerte Turm ins Entwicklungs areal Zürich West platziert, zwischen Gleisanla-gen und der unwirtlichen Hardbrücke. Der Standort: praktisch, aber hässlich. Das Gebäude: grünes Glas, zweckmässig, aber langweilig. Mit 126 Metern ein gewöhnli-ches Türmchen im Vergleich zum Basler «Bau 1», aber der Name spricht Bände: Prime Tower! Das wird bald etwas peinlich wirken. Die Basler bauen gerade an einem neuen Turm. Direkt neben dem «Bau 1» soll bis 2022 der «Bau 2» entstehen, 205 Meter hoch, ein weiterer Höhenrekord. Proteste gegen das Grossprojekt? Fehlan-zeige. Für den Baulärm besänftigte Roche die Anwohner mit Gratis-Schutzglas und Mietzinszuschüssen. Rund 3,5 Milliarden Franken investiert Roche insgesamt in Basel. Zum Vergleich: Der Bau des Prime Tower kostete lediglich 350 Millionen.

ARCHITEKTURTRÄUME ODER KONGRESSHAUS-DEBATTENDer Pharma-Riese Novartis darf in Basel Architekturträume ausleben. Milliarden wurden in imposante Bauten investiert, und die Stadt gab dafür sogar eine Strasse ab. Zürich schafft währenddessen nicht einmal ein neues Kongresshaus.

tis, Roche und Co. würde die Schweiz ein Aussenhandelsdefizit ausweisen.

Angesichts dieser Zahlen ist an der Börse die neue Hackordnung der beiden Städte längst Realität. Ende 2006 waren die in Zürich angesiedelten Konzerne wie UBS, ABB oder die Zurich Insurance Group an der Börse gemeinsam noch 402 Milliar-den Franken schwer. Die Basler Industrie brachte es damals nur auf 372 Milliarden. Zehn Jahre später haben die Basler Kon-zerne mit 450 Milliarden Franken mehr als doppelt so viel Marktwert wie die Zürcher im Leitindex SMI. Mit Roche und Novartis sitzen dort gleich zwei der global fünf grössten Pharmakonzerne. Das gibt es nirgends sonst auf der Welt.

Basel schlägt Zürich – nicht immer, aber immer öfter. Ob beim Vergleich der Leit industrien Pharma und Finanz, beim Städtebau, beim Fussball-Entertainment, in der Kunst oder bei der Gestaltung neuer städtischer Areale – die Basler zeigen, wie es geht.

TURM UND TÜRMCHENMittagszeit im Roche-Turm. Oben im 38. Stock, in 178 Meter Höhe, geniessen Mitarbeiter in einer Cafeteria den Rund- !

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MIT 160 000 FRANKEN JE EINWOHNER HAT DER KANTON BASEL-STADT IN DER SCHWEIZ DIE HÖCHSTE WIRTSCHAFTSKRAFT PRO KOPF.

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EINEN SYMBOLSTARKEN „SECOND TOWER” WIRD ES IN ZÜRICH WOHL SO BALD NICHT GEBEN. DENN IN DER FINANZINDUSTRIE SCHRUMPFT DIE ZAHL DER JOBS.

Mit dem Turmbau zu Basel geht es dem Konzern weniger um Prahlerei. Roche ist räumlich im Wettsteinquartier zwischen Autobahn, Bahntrassen und Rhein ein-gequetscht. Wachstum ist nur in die Höhe möglich. Der Konzern wächst – und wie. 2006 beschäftigte Roche in Basel und Kai-seraugst rund 8400 Menschen. Jetzt sind es rund 30 Prozent mehr.

WELTOFFEN UND LIBERAL In Basel wirkt die konzentrierte Pharma-power schon etwas unheimlich. Fünf Pro-zent der Unternehmen kommen für rund 60 Prozent der Gewinnsteuer auf. Winken die Basler daher widerstandslos alles durch, was die Pharmakonzerne wollen? «Mit Sicherheit nicht, wir sitzen eher im Glashaus und werden scharf beobachtet», sagt Gottlieb Keller, Präsident des Bran-chenverbandes Scienceindustries, haupt-

beruflich Chefjurist bei Roche. «Wir kom-men dann mit unseren Vorhaben durch, wenn wir gute Argumente haben», so Kel-ler. Eva Herzog, die Finanzdirektorin von Basel-Stadt, drückt es so aus: «Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Be-völkerung wichtige Projekte unterstützt, weil sie um deren wirtschaftliche Bedeu-tung für die Stadt weiss.» Sprich: Die Bas-ler beissen nicht die Hand, die sie ernährt. Topmanager Keller kann beide Städte ver-gleichen, er hat 30 Jahre lang in Zürich gelebt. «Ich empfinde Zürich oft als klein-karierter und engstirniger, fast schon preus-sisch», erzählt er. «Basel erscheint mir weltoffener und liberaler.»

ST.-JAKOB-PARK ODER HARDTURMDer Fussballclub Basel hat mit dem St.-Jakob-Park (oben) ein ansehnliches Stadion und macht damit sogar 30 Millionen Franken Gewinn. Und wie sieht es um den Neubau des Zürcher Hardturm-Stadions aus? Siehe rechts.

Symbolkraft hat auch das Innenleben der Türme in Zürich und Basel. Hier, am Rhein, die Büros des prosperierenden Pharmakonzerns. Dort, am Gleisbett, die Büros einer Krisenbank. Es ist der Private-Banking-Ableger der Deutschen Bank, der 2011 im Turm einzog, als die Bankenwelt die Krise hinter sich glaubte. Doch es wird weiter gekürzt und gespart. Beim Einzug arbeiteten knapp 320 Mitarbeiter für die Deutsche Bank in Zürich, Ende 2016 waren es nur noch 285. Im Rückblick hatte die Rede von Stadtpräsidentin Mauch zur Ein-weihung des Prime Tower etwas Propheti-sches. Sie bezeichnete das Gebäude als Symbol für den Wandel der Stadt.

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über die Zürcher Baubüro kratie. Durchaus neidisch blickt ein Ex-UBS-Manager Rich-tung Basel: «In Zürich wäre es undenkbar, mitten in der Stadt einen Turm zu bauen.»

Von einem Industriecampus ganz zu schweigen. Mit dem Novartis Campus am Rheinufer hat der ehemalige Konzernchef Daniel Vasella quasi privaten Städtebau betrieben. 7500 Menschen aus über 100 Ländern arbeiten in dieser Stadt in der Stadt, 2500 davon sind Forscher. Nur die Crème de la Crème der internationalen Architektenszene wie Frank O. Gehry, der auch das Guggenheim Museum in Bilbao entwarf, kam beim Umbau des 20 Hektar grossen ehemaligen Fabrikgeländes zu einem Forschungs- und Verwaltungs-campus zum Zug. Um das Projekt zu er-möglichen, verkaufte Basel dem Konzern sogar die Hüningerstrasse, die mitten durch das Gelände verläuft. Auch der stö-rende Rheinhafen wurde kurzerhand ver-legt. «Eine linke Regierung hat das Projekt möglich gemacht», sagt nicht ohne Stolz Guy Morin, langjähriger Regierungspräsi-dent Basels und selbst ein Grüner. Ein Referendum wurde nie ergriffen.

Das schlicht gehaltene Laborgebäude mit der Nummer 14 an der Fabrikstrasse – der Hauptachse des Campus – hat der spanische Stararchitekt Rafael Moneo ent-worfen. Er hätte auch gerne in Zürich ge-baut. Moneo hatte die Pläne für ein neues, grösseres Kongresszentrum entworfen. Politik und Wirtschaft waren sich einig: Zürich braucht ein modernes Kongress-haus – allein schon, um der Zürcher Hoch-schullandschaft adäquate Tagungsräume bieten zu können. Rund 100 Millionen Franken zusätzliche Wertschöpfung pro Jahr versprachen sich die Verantwortli-chen. Doch für den Neubau hätte das alte Kongresshaus aus dem Jahr 1939 abgeris-sen werden müssen. Doch Zürich ist nicht Basel. 2008 sagte das Volk Nein.

WIE MAN BAUT UND WIE NICHTMittlerweile wird am Seeufer zwar gebaut, doch das revidierte Projekt sieht nun lediglich vor, das Kongresshaus und die Tonhalle in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuführen. Sprich: Zürich muss wei-ter auf einen Kongresssaal warten, der einer internationalen Finanz- und Hoch-schulstadt würdig wäre. «Zu satt für grosse Würfe», urteilte der Zürcher «Tages-Anzei-ger» damals.

Nun steht in Zürich ein wahres Jahrhun-dertprojekt an: der Umbau des Hoch-

Wo Basel Zürich schlägt

Marktkapitalisierung

Export von Waren und Dienstleistungen

Finanzdienstleistungs-Exporte der Finanzindustrie

Marktwert der ZürcherKonzerne im SMI

Marktwert der BaslerKonzerne im SMI

2006 2016

Quelle: SIX Group

Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, SIF

Zahlen 2014. Quelle: Statistik-Ämter von Stadt Zürich und Basel-Stadt

2015

2006 2016

Exporte derPharmaindustrie

Stadt Zürich Stadt Basel

Anzahl Museumsbesucher

402 Mrd.

218 Mrd.

372 Mrd.450 Mrd.

21,2 Mrd.

1,12 Mio.1,30 Mio.

85 Mrd.

Wirtschaftswachstum

Jährliches BIP-WachstumStadt Zürich

Jährliches BIP-WachstumStadt Basel

Prognose. Quelle: BAK Basel

2016–2020 2016–2020

1,2%

2,7%

Franken

Franken

Einen Second Tower wird es in Zürich wohl so bald nicht geben. Denn die Zahl der Jobs in der Finanzindustrie schrumpft seit fünf Jahren unaufhörlich. Beschäftig-ten UBS, CS und Co. 2011 noch rund 56 000 Menschen, waren es im vergangenen Jahr nicht einmal mehr 49 000.

In Zürich wird sichtbar vor allem saniert oder erweitert. Und das dauert dort ge-wöhnlich. Die UBS renoviert gerade ihren Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 45. Und am Mythenquai am See bauen die Versiche-rer Swiss Re und Zurich Insurance Group. Die Zurich will ihren denkmal geschützten Konzernsitz am Seeufer durch neue, zweckmässige Gebäude dahinter ergänzen. Der Konzern hat dabei der Stadt mit einem Vertrag über einen Mehrwertausgleich versprochen, sich mit 8,35 Millionen Fran-ken an der Neugestaltung des Mythen-quais zu beteiligen. Anfangs hatten Bürger-liche gegen die «rot-grüne Erpressung» des Konzerns opponiert. Das Projekt kam durch, schliesslich kommt es auch den Zurich-Mitarbeitern zugute. Und von wem haben sich die Zürcher den Mehrwertdeal ab geschaut? Natürlich von den Baslern.

Interessant indes: Roche und die Zurich begannen ungefähr zeitgleich mit den Pla-nungen. Beim Pharmariesen konnten die Mitarbeiter ihre hellen Büros im Turm be-reits im Herbst 2015 beziehen. Die Zurich baut dagegen immer noch. 2020 soll das neue Ensemble endlich fertig sein. Über 1,5 Jahre zogen sich die Verhandlungen mit dem Heimatschutz hin. Hinter vorgehalte-ner Hand fluchten Topmanager schon mal !Fo

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Weibel (GLP, ZH) bei einer Podiumsdis-kussion. «Eindrücklich, wie da am selben Strang gezogen wird.» Das sagt auch Pascal Gentinetta, Head Public Policy bei der Zür-cher Privatbank Julius Bär. «Die Basler Vertreter in Bern treten sehr geschlossen für ihre Anliegen ein. Die Zürcher treten weniger homogen auf», hat Gentinetta be-obachtet. Und er hat auch gleich eine Er-klärung parat: «Ein Grund dafür ist meiner Meinung nach, dass die Zürcher es auf-grund der nationalen Bedeutung der Stadt weniger nötig hatten, hart wie andere Re-gionen für ihre Interessen zu kämpfen.»

Basel macht es besser. Beispiel Unter-nehmenssteuerreform. Im Kampf um

dieses Vorhaben errang die Basler Finanz-direktorin Eva Herzog nationale Berühmt-heit. Die Sozialdemokratin stellte sich ge-gen die eigene Parteileitung und kämpfte für die Reform. Neue Instrumente wie die Patentbox hätten dazu geführt, dass die Steuerlast für Novartis und Co. trotz Ab-schaffung der alten Statusgesellschaften etwa gleich geblieben wäre.

Für ihren Einsatz wurde Herzog aus den eigenen Reihen gar als «Medienspre-cherin von Roche und Novartis» be-schimpft. «Für die Uhren- oder Maschi-nenbauindustrie darf man sich als Politikerin einsetzen», wehrt sich Herzog im Gespräch. «Ich verstehe aber nicht,

„EINDRÜCKLICH, WIE DA AM SELBEN STRANG GEZOGEN WIRD”, STAUNT DER ZÜRCHER BANKEN- LOBBYIST PASCAL GENTINETTA.

WELTMESSEN ODER ZÜSPADie Messestadt Basel hat global bedeutsame Events wie die mondäne Kunsthandelsmesse Art Basel und die Luxuswarenmesse Baselworld aufgebaut und zieht damit Publikum aus der ganzen Welt an. Ja, Zürich hat auch eine Messehalle. Und die Züspa.

schulquartiers. Universität, Uni spital und ETH sollen bis zu 320 000 Quadratme-ter mehr Fläche bekommen. Dank der be-sonderen Konstellation, dass die Planun-gen sowohl eidgenössische (ETH) wie auch kantonale Institutionen (Unispital) berüh-ren, ist die Rechtslage so, dass die Zürcher nie über das wohl grösste städtebauliche Projekt in der Innenstadt werden abstim-men können. Das ist den Verantwortlichen ganz recht so: «Wenn über alle Gebäude von kantonaler Bedeutung auch noch in den Gemeinden abgestimmt würde, wäre der Ablauf enorm lang und schwierig», rechtfertigt sich der Zürcher Baudirektor Markus Kägi.

Basel baut, Zürich bremst. Basel ent-scheidet, Zürich sagt Nein. Das gilt auch im Kampf um die Standortpolitik. «Geht es um die Pharma, sind die Basler stark im Lob-byieren», sagte jüngst Nationalrat Thomas

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warum wir nicht genauso für die Pharma-industrie eintreten können. Sie hat nicht nur für Basel, sondern für die gesamte Schweiz grosse wirtschaftliche Bedeutung. Und entgegen den Behaup tungen der Geg-ner hätte die Pharma nach der Reform so-gar leicht mehr Steuern bezahlt.»

Basler Pharmamanager loben Eva Her-zogs Einsatz: «Wir pflegen mit der Basler Regierung einen engen und konstruktiven Austausch auf Augenhöhe», sagt André Wyss, Geschäftsleitungsmitglied von No-vartis und Länderpräsident der Schweiz, «sie weiss deshalb genau, was wir brau-chen.» In Basel zogen Politik und Wirt-schaft bei dem Thema an einem Strang.

Und in Zürich? Hier ging es fröhlich durcheinander, vor allem in der Politik. Der kantonale Finanzdirektor Ernst Sto-cker (SVP) setzte sich für die Reform ein. Sein Stadtzürcher Amtskollege Daniel Leupi (Grüne) kämpfte dagegen. Letztlich wurde die Reform aber auch in Basel abgelehnt. Doch Novartis-Manager Wyss ist nicht besorgt: «Das ist kein Misstrauens-votum gegen unsere Industrie, wir stan-den nicht im Fokus. Die Vorlage war am Ende vermutlich einfach zu komplex.»

Der Match Basel gegen Zürich ist in der Disziplin Sport dagegen eine ganz einfache Sache. Basel hat mit Roger Federer nicht nur die Sportikone des Landes in den eige-nen Reihen. Auch im Fussball können die beiden Zürcher Clubs, der FC Zürich (FCZ) und der Grasshopper Club Zürich (GCZ), schon lange nicht mehr mit dem FC Basel (FCB) mithalten. Die Basler schicken sich

an, in dieser Saison zum achten Mal in Folge Meister zu werden. Der FCZ ist schon froh, dass der Wiederaufstieg zu gelingen scheint. Noch liegt GCZ, der zweite Zür-cher Traditionsclub, mit 27 Meisterschaf-ten in der ewigen Bestenliste vorn. Doch angesichts der Basler Dominanz scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann der FCB auch hier die Zürcher überholt.

Potente Förderer wie die Roche-Erbin Gigi Oeri haben Millionen in ihren Heimat-verein gepumpt, vor allem in die Nach-wuchsförderung. Mittlerweile trägt sich der Club selbst. Mit einem Jahresumsatz von 132 Millionen Franken spielen die Basler für Schweizer Verhältnisse wirt-schaftlich in einer eigenen Liga. Der Club erzielte 2016 knapp 30 Millionen Franken Gewinn – das ist mehr, als die beiden Zür-cher Clubs überhaupt an Umsatz machen. Treue Fans füllen das eigene Stadion. Dem Club geht es so gut, dass der neue Eigen-tümer Bernhard Burgener den Vertrag von Trainer Urs Fischer trotz zwei gewonne-nen Meisterschaften nicht verlängert.

Und Basel hat das, was Zürich seit über zehn Jahren nicht hinbekommt: ein ver-nünftiges Fussballstadion. 2007 mussten die Grasshoppers aus ihrer alten Spiel-stätte Hardturm ausziehen. Gespielt wird nun im neu gebauten Stadion Letzigrund. Doch für die Fans ist das weiträumige Areal eine Zumutung. 2013 scheiterte ein Neu-bauprojekt am Einspruch von 50,8 Prozent des Stimmvolkes. Nun wagt die Stadt einen neuen Anlauf. Mit dem Projekt «Ensem-ble» sollen auf dem Hardturm-Areal ein Fussballtempel für 18 500 Zuschauer, zwei Wohn- und Geschäftstürme sowie Genos-senschaftswohnungen entstehen.

Wann und ob überhaupt gebaut werden kann, ist aber noch unklar. Das Projekt kommt vermutlich wieder an die Urne. FCZ-Präsident Ancillo Canepa sinnierte schon düster: «Wenn das Stadion nicht kommt, muss man sich überlegen, ob man diesen Sport am Standort Zürich profi-mässig betreiben kann.»

HANDEL UND KUNSTVielleicht ist Zürich einfach zu verwöhnt, um sich dafür zu begeistern, wie 22 ver-schwitzte junge Männer sich dabei abrackern, einen Ball über die gegnerische Torlinie zu befördern. Schliesslich ist Zürich nicht nur das grösste Finanz-zentrum der Schweiz, sondern spielt mit Hochschulen wie der Universität und der ETH als Wissens- und Forschungsstand- !

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TAGEN IM EUROPA-PARK

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ort ohne Zweifel in der Weltliga mit. Ba-sel hat zwar die älteste Universität der Schweiz, doch der permanente Streit um Geld zwischen den beiden Halbkantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft zur Fi-nanzierung der Uni ist ihrer Entwicklung nicht gerade förderlich.

Erstaunlicherweise kann Zürich seinen Vorsprung im Hochschulwesen nicht zu einem Matchpunkt als Tagungsstandort verwandeln. Wer «Messestadt Zürich» googelt, wird über die Gottesdienste der Zürcher Pfarreien aufgeklärt. Ja, und auch ein Hinweis auf eine «VeggieWorld» ist dort zu finden – mit 70 Veganer-Buden. Wer es in Basel versucht, der wird hin-gegen auf Links zu Messen mit Weltrang geführt, der Uhrenmesse Baselworld und der Art Basel, ganz klar die wichtigste Messe des internationalen Kunstmarktes für zeitgenössische Kunst.

Mehr als 140 000 Quadratmeter Ausstel-lungsfläche bietet Basel, in Zürich sind es nur 30 000. Büros, Hotel- und Kongress-säle, Restaurant und Bar sind im 33-stöcki-gen Messeturm untergebracht, erbaut vom Basler Architekturstar Meinrad Morger.

Handel und Kunst gehen in Basel seit Jahrhunderten Hand in Hand. Die 1933

gegründete Emanuel-Hoffmann-Stiftung schreibt in ihren Statuten fest, Werke von Künstlern zu kaufen, «die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Ge-genwart noch nicht allgemein verstande-ner Ausdrucksmittel bedienen, und zwar ohne Rücksicht auf Nationalität». Stiftun-gen wie diese pumpen jedes Jahr Millionen in Kulturprojekte, und zusätzlich gibt Ba-sel für die Kultur im Jahr 914 Franken pro Kopf aus, Zürich nur die Hälfte. Die Zür-cher begreifen Kultur als (verzichtbaren) Kostenfaktor, die Basler verstehen, wie Kultur Werte und Wachstum steigert.

MIT ODER OHNE GLAMOURJa, in Zürich wird das Kunsthaus erweitert. Es soll 2020 fertig sein, geplant vom Briten David Chipperfield. Bauherr ist als Präsi-dent der Zürcher Kunstgesellschaft Walter Kielholz, ein Alt-Banker. Eine Luzerner Stiftung rekurrierte gegen den Entwurf ei-nes «autistischen Kunsttresors». Und legte damit zwei Jahre lang alles lahm. Der spek-takulärste Teil des Bauwerkes ist eine sündteure unter irdische Passerelle. Archi-tekt Chipperfield frotzelte: «Die Schweizer haben das mit den Tunneln tatsächlich im Griff.» Er nennt seinen Plan «auf sehr so-

lide, verantwortungsvolle Weise auffällig und zugleich bescheiden». Die Kunsthaus-erweiterung werde ein «echter Zürcher». Nun denn, ob sie es vielleicht besser mit einem Basler Architekten und ohne einen Banker in der Jury versucht hätten?

Jedenfalls vermisst das Feuilleton jetzt schon den «kulturellen Glamour» und ver-weist auf – na, erraten: Basel. Wie man die Herzen der Menschen gewinnen könne, habe die Fondation Beyeler bewiesen, wo jährlich fast eine halbe Million Besucher gezählt werden, während es im Zürcher Kunsthaus nur 290 000 sind. Und auch das Kunstmuseum Basel spielt in der internati-onalen Topliga. Die Erweiterung wurde 2009 ausgeschrieben – und vor einem Jahr fertig. Gefördert mit 50 Millionen Franken von der Mäzenin Maja Oeri. Und sogar ge-lobt vom Zürcher Feuilleton.

Wie hier sind die privaten Stiftungen überall mit ihren guten Gaben präsent. Etwa 900 Stiftungen mit einem Gesamtver-mögen von rund 15 Milliarden Franken spenden Jahr für Jahr. Und an der Bildung wird ebenfalls nicht gespart. Für 800 Milli-onen Franken wurden Schulen gebaut.

So machen es die Basler.In Zürich gibt es für diese Frage das

Projekt 17/0 des Hochbaudepartements. Ein Ziel: Baukosten bei Schulbauten ein-sparen, zum Beispiel durch «direkt um-setzbare Verzichts- und Kostenoptimie-rungsmassnahmen» oder durch den «Verzicht auf grosszügige Foyers».

So machen es die Zürcher.

WIE MAN DIE HERZEN DER KULTURMENSCHEN GEWINNEN KÖNNE, HABE DIE FONDATION BEYELER BEWIESEN, SCHREIBT DAS ZÜRCHER FEUILLETON.

KULTUR IM QUARTIER ODER EFFIZIENZBAUTEN AM GLEISBETTBasel baut zahlreiche innerstädtische Gewerbeareale um – kreativ, spannend, kontrast-reich und belebend. Und was baut Zürich in seinem Industriequartier Zürich West? Leblose Kästen zwischen Autobahnauffahrten und trostlosen Bürobunkern.

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