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323 SIMULATION DER OBERIRDISCHEN BAUSTELLENLOGISTIK BEIM MASCHINELLEN TUNNELVORTRIEB Markus Scheffer B.Sc. Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen Tobias Rahm M.Sc. Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen Abstract: Die Baustellenlogistik wird im maschinellen Tunnelbau als eine der Hauptursachen bei Verzögerungen im Bauablauf erachtet. Erfahrungen aus bereits abgeschlossenen Tunnelbauprojekten zeigen den großen Einfluss der projektspezifischen Stillstandszeiten auf den Bauablauf und die gesamte Bauzeit. Schon der Ausfall eines einzelnen Elements der Logistikkette kann im maschinellen Tunnelbau zum zeitnahen Ausfall des gesamten Produktionsprozesses führen und somit Stillstandszeiten generieren. Da die Versorgung der Tunnelvortriebsmaschine (TVM) durch die oberirdische Baustelle erfolgt, muss die interne und externe Transportlogistik einer Tunnelbaustelle als wesentlicher Faktor der Leistungsfähigkeit verstanden werden und bedarf einer ganzheitlichen, projektspezifischen Betrachtung. Im Rahmen dieser Publikation wird ein Simulationsmodell in AnyLogic vorgestellt, welche die baubetriebliche Analyse der Logistik einer Tunnelbaustelle ermöglicht. In Abhängigkeit unterschiedlicher Vortriebsleistungen der TVM, sowie einer fiktiven Baustellen-Situation, wird die oberirdische Baustellenlogistik simuliert. Anhand der exemplarischen Fallstudie werden hierbei die Interaktionen zwischen einzelnen Simulationskomponenten veranschaulicht. Ein erster Versuchsaufbau demonstriert die Abhängigkeit der Vortriebsleistung von Transportfahrzeugen für den Abraumtransport. Anschließend wird der Einfluss von unterschiedlichen Strategien der Tunnellogistik sowie die Interaktion zwischen Baustellen- und Tunnellogistik auf die Vortriebsleistung analysiert. Schlüsselwörter: maschineller Tunnelbau, Simulation, Logistik, Baustellenlogistik 1. Einleitung Die Einsatzgebiete des maschinellen Tunnelbaus werden seit Jahren stetig erweitert und die Nutzung von Tunnelvortriebsmaschinen (TVM) ist als effiziente Methode zum Erstellen von unterirdischen Ingenieurbauwerken etabliert (Maidl, et al., 2011). Zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses und somit eines effizienten Einsatzes einer TVM ist eine auf die Maschinentechnik und Geologie angepasste oberirdische Baustellenlogistik,

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Simulation der oberirdiSchen bauStellenlogiStik beim maSchinellen tunnelvortrieb

Markus Scheffer B.Sc.ruhr-universität bochum, lehrstuhl für informatik im bauwesen

Tobias Rahm M.Sc.ruhr-universität bochum, lehrstuhl für informatik im bauwesen

Abstract: Die Baustellenlogistik wird im maschinellen Tunnelbau als eine der Hauptursachen bei Verzögerungen im Bauablauf erachtet. Erfahrungen aus bereits abgeschlossenen Tunnelbauprojekten zeigen den großen Einfluss der projektspezifischen Stillstandszeiten auf den Bauablauf und die gesamte Bauzeit. Schon der Ausfall eines einzelnen Elements der Logistikkette kann im maschinellen Tunnelbau zum zeitnahen Ausfall des gesamten Produktionsprozesses führen und somit Stillstandszeiten generieren. Da die Versorgung der Tunnelvortriebsmaschine (TVM) durch die oberirdische Baustelle erfolgt, muss die interne und externe Transportlogistik einer Tunnelbaustelle als wesentlicher Faktor der Leistungsfähigkeit verstanden werden und bedarf einer ganzheitlichen, projektspezifischen Betrachtung. Im Rahmen dieser Publikation wird ein Simulationsmodell in AnyLogic vorgestellt, welche die baubetriebliche Analyse der Logistik einer Tunnelbaustelle ermöglicht. In Abhängigkeit unterschiedlicher Vortriebsleistungen der TVM, sowie einer fiktiven Baustellen-Situation, wird die oberirdische Baustellenlogistik simuliert. Anhand der exemplarischen Fallstudie werden hierbei die Interaktionen zwischen einzelnen Simulationskomponenten veranschaulicht. Ein erster Versuchsaufbau demonstriert die Abhängigkeit der Vortriebsleistung von Transportfahrzeugen für den Abraumtransport. Anschließend wird der Einfluss von unterschiedlichen Strategien der Tunnellogistik sowie die Interaktion zwischen Baustellen- und Tunnellogistik auf die Vortriebsleistung analysiert.

Schlüsselwörter: maschineller Tunnelbau, Simulation, Logistik, Baustellenlogistik

1. einleitungdie einsatzgebiete des maschinellen tunnelbaus werden seit Jahren stetig erweitert und die Nutzung von Tunnelvortriebsmaschinen (TVM) ist als effiziente Methode zum Erstellen von unterirdischen ingenieurbauwerken etabliert (maidl, et al., 2011). Zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Produktionsprozesses und somit eines effizienten Einsatzes einer TVM ist eine auf die maschinentechnik und geologie angepasste oberirdische baustellenlogistik,

Markus Scheffer, Tobias Rahm

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mit funktionierenden umschlagspunkten zwischen baustellen-, beschaffungs- und entsorgungslogistik, notwendig (duhme, 2010). die anforderungen an die oberirdische baustelleneinrichtung leiten sich in großen teilen von den konstruktionsdetails der eingesetzten tvm ab, müssen jedoch auch den weiteren äußeren randbedingungen wie z.  B. verfügbares Platzangebot oder verkehrsplanerischen Aspekten genügen. Im Rahmen der baustellenplanung sind diese unterschiedlichen aspekte im vorfeld zu analysieren und zu einem effizienten und wirtschaftlichen Baustellenkonzept zusammenzuführen.

das auffahren eines tunnels stellt ingenieure schon seit geraumer Zeit vor große technische und logistische Probleme. Zur Sicherung von unterirdisch erstellten hohlräumen bedarf es den gebirgsdrücken entgegenwirkender Sicherungselemente. im maschinellen tunnelbau wird der hohlraum während des bodenabbaus und bis zum einbau der endgültigen Sicherung durch die tvm gestützt. nach beendigung eines vortriebs wird im Schutze der Stahlhülle der tvm ein aus Fertigbetonsegmenten bestehender, kraftschlüssiger und wasserdichter ring erstellt. dieser ring übernimmt nach weiterem vortrieb der tvm die endgültige hohlraumsicherung. diese vorgänge wiederholen sich stetig und werden als Zyklus bezeichnet. die versorgung der tvm mit verbrauchsgütern sowie die entsorgung des abraums, erfolgt über die bereits erstellten tunnelabschnitte. der ausfall einzelner elemente dieser logistikketten führt zeitnah zu Stillständen der Produktionsprozesse der tvm.

durch die enge verknüpfung von Produktions- und logistikprozessen in tunnelbauprojekten ergeben sich auf der baustelle schnell komplexe Zusammenhänge und abhängigkeiten, die eine detaillierte baustellenplanung im vorfeld des Projektes behindern können. Ferner verkomplizieren die Eigenschaften der Baustellenproduktion mit stark projektspezifischer auslegung den Planungsprozess zusätzlich. im maschinellen tunnelbau erschwert die meist nur ungenaue Kenntnis über die zu durchfahrende Geologie die Planungen und führt häufig zu außerplanmäßigen Änderungen des baustellenkonzeptes. unter berücksichtigung dieser aspekte, sind genaue kenntnisse des gesamtsystems baustelle und aller abhängigkeiten und Interaktionen der einzelnen Systemelemente zur Entscheidungsfindung zwingend erforderlich. Zum besseren Verständnis und zur Unterstützung des Entscheidungsfindungsprozesses bietet sich eine ganzheitliche Simulation an. (rahm, 2011)

in bereits veröffentlichten arbeiten zur Simulation von tunnelbaustellen (vgl. (al-battaineh, et al., 2006), (ebrahimy, et al., 2011)), wurden bereits teilbereiche oder ganze tunnelbauprojekte auf unterschiedliche Faktoren untersucht. hierbei wurden mehrere abläufe des maschinellen tunnelbaus zu abstrakten gebilden zusammengefasst, welche Stellvertretend für die

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komplexen Prozesse stehen. das folgende Paper beschreibt den formellen aufbau einer tunnelbaustelle in der System modeling language (Sysml) auf Prozessebene. durch den ansatz der Simulation einzelner Prozesse können Prozessinteraktionen exakter dargestellt und deren Einflüsse analysiert werden. SysML ist eine UML basierende Sprache zur Beschreibung komplexer technischer Systeme. die implementierung erfolgt im Simulationstool anylogic (XJ technologies). das modellkonzept beschreibt die abstraktionen von einer realen baustelle auf eine prozessorientierte Simulation. in einem Fallbeispiel ist exemplarisch die komplexe abhängigkeit zwischen den einzelnen Systemelementen aufgezeigt. durch die variation verschiedener Modellparameter werden die Einflüsse von einzelnen Elementen auf das gesamtmodell verdeutlicht.

2. modellkonzeptZur unterstützung von entscheidungsprozessen und zur erstellung von transparenten variantenvergleichen ist es sinnvoll, komplexe Systeme oder abläufe, deren mehrfachdurchführungen in der realität als unmöglich oder zu kostspielig anzusehen sind, durch ein vereinfachtes modell abzubilden. das Ziel einer modellbildung ist im allgemeinen ein Erkenntnisgewinn über das Verhalten einzelner Modellelemente sowie über den Einfluss von randbedingungen auf das gesamtmodell (märz, et al., 2010). Weitergehend lassen sich Abhängigkeiten und Interaktionen an einem Modell häufig besser identifizieren. Hierbei spielt der gewählte detaillierungsgrad des modells eine entscheidende rolle. ein modell stellt immer nur eine simplifizierte Abbildung der Realität dar und unterliegt somit stets abstraktionen und ungenauigkeiten. im vorfeld der modellierung müssen zur bestimmung des Detaillierungsgrades die Fragestellung bzw. zu untersuchende Zusammenhänge klar definiert sein (bungartz, et al., 2009).

Zur Formulierung des modellziels bedarf es einer genaueren betrachtung der auf der Tunnelbaustelle ablaufenden Vorgänge. Die Kernprozesse müssen hierbei identifiziert und deren Einfluss auf den Produktionsverlauf bewertet werden. Der maschinelle Tunnelbau zeichnet sich besonders durch den zyklischen ablauf zweier, sich wiederholender Prozesse aus. die dauer dieser Prozesse bestimmt die Produktivität und somit maßgeblich die Wirtschaftlichkeit einer TVM. Negativ auf die Effizienz wirken sich geplante oder ungeplante Stillstände aus. Eine möglichst kurze Zykluszeit () ist anzustreben und kann als indikator der Produktivität verwendet werden.

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die Systemleistungen der Prozesse vortrieb ( ) und ringbau ( ) lassen sich auf grundlage von konstruktionsdetails der tvm, sowie erfahrungswerten anderer Projekte hinreichend genau definieren. Zusätzlich sind geplante Stillstände ( ), wie z.  B. Wartungsarbeiten, im Vorfeld eines Projektes als bekannte Systemparameter vorauszusetzen. Schwer abschätzbar, aber erfahrungsgemäß im besonderen maße die Produktivität beeinflussend, sind ungeplante Stillstandszeiten ( ). aufgrund der großen Schwankung von ungeplanten Stillstandszeiten, sowie der jeweils projektspezifischen Stillstandursachen, lassen sich im vorfeld für diesen Parameter keine mathematischen Richtwerte definieren. (Maidl & Wingmann, 2009)

Insbesondere der Einfluss der Baustellenlogistik auf die ungeplanten Stillstandszeiten einer TVM ist noch weitreichend unbekannt. das Simulationsziel des im Folgenden erarbeiteten modells ist es deshalb, die Wirkung einzelner Systemelemente der oberirdischen baustellenlogistik auf die Produktivität einer tvm, bzw. auf die ungeplanten Stillstandszeiten zu untersuchen. um die bedeutung der baustellenlogistik detailliert aufzuzeigen wird ein ungestörter vortrieb der tvm angenommen. als modellgrenzen ergeben sich somit die Schnittstellen zwischen versorgungs- und baustellenlogistik, baustellen- und entsorgungslogistik, sowie zwischen baustellen- und tunnellogistik. alle Prozesse dieser umschlagspunkte der baustellenlogistik müssen durch das modell abgebildet werden (abbildung 1).

abbildung 1: bereiche und Systemgrenzen des modells der oberirdischen tunnelbaustellenlogistik in anlehnung an (Schacht & Schubert, 2009)

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der maschinelle tunnelbau ist von einem hohen automatisierungsgrad und einer großen komplexität der eingesetzten maschinen geprägt. die abbildung aller technischen bauteile im modell übersteigt den wirtschaftlichen modellierungsaufwand um ein vielfaches. Zusätzlich steigt die menge an abzubildenden interaktionen mit der anzahl an Systemelementen. die Menge an Prozessen, welche einen signifikanten Einfluss auf die Produktivität einer TVM haben ist im vergleich zur anzahl an eingesetzten technischen geräten deutlich kleiner und mit vertretbarem aufwand in ein modell zu überführen. unter berücksichtigung des modellziels und der gewählten modellgrenzen bietet sich die Wahl eines ereignis- bzw. prozessorientierten modellierungsansatzes (discrete-event) für die implementierung einer tunnelbaustelle an.

die anzahl an Systemelementen, welche zur modellierung einer tunnelbaustelle benötigt werden, sowie deren eigenschaften und dimensionierung sind direkt an die maschinentechnik und größe der eingesetzten tvm gekoppelt. verschiedene abbaukonzepte oder Strategien zur abraumförderung erhöhen die art und anzahl der benötigten Systemelemente und die komplexität der interaktionen.

im Folgenden sind die zentralen elemente, welche auf einer tunnelbaustelle vorhanden sind oder für den betrieb von tunnelbaustellen benötigt werden, aufgezählt und deren Funktionen erläutert. anschließend wird die hierarchische Struktur des modells in Sysml beschrieben. als Simulationstool wird anylogic in der version 6.9.0 verwendet.

die Systemelemente welche auf jeder tunnelbaustelle benötigt werden, lassen sich von baustelleneinrichtungen bereits abgeschlossener Projekte entnehmen. Zunächst werden die Baustelleneinrichtungen und darauf aufbauend die ablaufenden Prozesse zu identifizieren.

a. Tunnel: versorgungsweg der tunnelvehikel zur versorgung der tvm

b. Schacht: umschlagpunkt zwischen baustellen- und tunnellogistik; zentraler Punkt aller Material- und Informationsflüsse von der TVM kommend / zur TVM gehend

c. TVM: Wird durch baustellenlogistik und tunnelvehikel versorgt werden; verbraucht materialien; produziert abraum

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d. Lagerflächen: Alle Lagerflächen besitzen Entlade- und Beladeflächen

• Segmentlager: lagert die bereits auf die baustelle gelieferten Segmente und dient als Puffer um Schwankungen in der lieferkette oder der vortriebsrate ab-zufangen

• abraumhalde: lagert den während des vortriebs abgebauten abraum, dient als Puffer um Schwankungen in der lieferkette oder vortriebsrate abzufangen, se-pariert ggf. den abraum von während des vortriebs zugegebenen additiven

• Mörtellager: Enthält Lagerflächen für die einzelnen Mörtelinhaltsstoffe, mischt die inhaltsstoffe dem bedarf der tvm entsprechend

e. transportelemente:

• lastwagen: liefert alle von der baustelle benötigten materialien (versorgungs-lastwagen); dient zum abtransport des abraumes von der baustelle zur deponie (entsorgungslastwagen)

• bagger: entleert den abraum von der abraumhalde auf entsorgungslastwagen

• kran: entlädt die versorgungslastwagen, belädt die tunnelvehikel

• tunnelvehikel: liefert die von der tvm benötigten materialien durch den bereits erstellten tunnel zur tvm

Zur realistischen abbildung einer tunnelbaustelle ist es notwendig auch die tvm als Verbraucher von Gütern (z.  B. Mörtel oder Segmenten) und Produzent von Abraum zu modellieren. die tunnellogistik dient hierbei als Schnittstelle und beinhaltet transportfahrzeuge zur Simulation des Weges zwischen tvm und tunnelschacht. analog benötigt die oberirdische baustellenlogistik kräne, bagger und lastwagen um die bewegungen von materialien innerhalb des baustellengeländes darstellen zu können. in abbildung 2 ist das abstrahierte System zur Simulation von logistikprozessen einer tunnelbaustelle in hierarchischer Struktur als SysML - Block Definition Diagram (BDD) aufgezeigt (OMG SysML, 2012).

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abbildung 2: Systemelemente zur Simulation von tunnelbaustellen als Sysml-bdd

3. Fallstudiedie folgende Fallstudie zeigt die Funktionsweise des erstellten Simulationsmodells anhand einer fiktiven Tunnelbaustelle einer Tunnelvortriebsmaschine.

3.1. baustellengeländeDie angenommene Baustellenfläche beträgt ca. 9000m², inklusive des Tunnelschachtes mit 16 meter durchmesser. das begrenzte Platzangebot erlaubt ein Segmentlager zur lagerung von sieben ringen. durch einen auf der baustelle vorhandenen, schienengebundenen Portalkran werden die Segmente von den anliefernden LKW abgeladen und auf der Lagerfläche zwischengelagert. der Portalkran ist zusätzlich zur lieferung der Segmente vom Segmentlager auf die im Schacht wartenden tunnelvehikel zuständig. insgesamt können drei lkW gleichzeitig das baustellengelände befahren und auf belade- oder abladevorgänge warten. Zur temporären lagerung des abraums ist auf der baustelle eine 2400 m³ (ca. 32 vortriebe) fassende abraumhalde vorgesehen. Weitere Flächen werden durch büros, Werkstätten und

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andere baustelleneinrichtungen belegt. abbildung 3 zeigt das im Simulationstool erstellte baustellenmodell inklusive der verwendeten baustelleneinrichtungen.

abbildung 3: modell des baustellengeländes in anylogic

3.2. modellparameterin tabelle 2 sind die für die baustellenlogistik wesentlichen Parameter aufgeführt. es wird jeweils von einer beschränkten normalverteilung mit minimal- und maximalwerten ausgegangen. Zur vergleichbarkeit der Simulationsergebnisse sind die normalverteilungen reproduzierbar und somit für die einzelnen Simulationen gleichbleibend. da die benötigte anzahl an lkW maßgeblich von der Strecke zwischen tunnelbaustelle und logistikzentrum bzw. deponie sowie den verkehrstechnischen randbedingungen abhängig ist, wird im modell die ankunftsrate der lkW simuliert. der materialtransport innerhalb der tunnellogistik wird von einem tunnelvehikel ausgeführt. Zusätzlich sind in tabelle 1: modellparameter baustelleneinrichtung die baustellenrandbedingungen aufgezählt.

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tabelle 2: modellparameter logistik tabelle 1: modellparameter baustelleneinrichtung

Parameter Wert einheit

μ σ min max

vortriebszeit 30 10 20 80 min

ringbauzeit 25 10 15 40 min

Segmentanlieferung 55 10 15 70 min

abraum-abholung 10 2 2 20 min

beladevorgang lkW 2 0 0 2 min

Parameter Wert einheit

durchmesser tvm 8 m

Segmente pro ring 7+1 Stk.

ladevolumen lkW (abraum) 8 m³

ladevolumen lkW (Segmente) 8 Stk.

kapazität Segmentlager 7 ringe

kapazität abraumhalde 2400 m³

tunnellänge 3000 m

tunnelvehikel 1 Stk.

die minimale vortriebszeit einer tvm hängt von den technischen details der vortriebspressen ab. im maschinellen tunnelbau ist die maximale geschwindigkeit von vortriebspressen mit 75 mm/min anzunehmen. Dies führt bei einer Vortriebslänge von 1500 mm zu einer minimalen vortriebszeit von 20 minuten. da die vortriebsgeschwindigkeit stark geologie abhängig ist wird zusätzlich eine maximale Vortriebszeit von 80 Minuten definiert. Im Durchschnitt ist eine vortriebsgeschwindigkeit von 30 minuten für 1500 mm vortrieb angenommen. analog ist die Ringbauzeit von den technischen Details der TVM aber auch von der Qualifikation des Personals abhängig. hierfür ist eine mittlere ringbauzeit von 25 minuten gewählt. da der störungsfreie Zyklus der tvm somit im durchschnitt 55 minuten beträgt, erreicht durchschnittlich alle 55 minuten ein lastwagen zur Segmentanlieferung die baustelle. alle zwei minuten erreicht ein lastwagen zur abraumabholung mit 8 m³ Fassungsvermögen das baustellengelände. die beladezeit für diesen vorgang ist auf zwei minuten festgelegt.

3.3. Simulationsexperimentim Folgenden wird die Produktivität der tvm unter den vorgegebenen randbedingungen ermittelt. die ursachen der sich hierbei ergebenden Stillstandzeiten werden aufgezeigt und durch die variation einzelner modellparameter verringert. es kann aufgezeigt werden, dass die Verbesserung einzelner Modellkomponenten nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung des gesamtsystems führt. dies ist durch die interaktionen der modellkomponenten zu begründen.

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als bewertungswert der baustellenlogistik wird die ungeplante Stillstandszeit der tvm verwendet. im ersten Simulationsexperiment werden die in kapitel 3.2 vorgestellten modellparameter angenommen. hier verlängert sich die Projektdauer durch Stillstände resultierend aus Prozessen der oberirdischen baustellenlogistik um 63 tage. dies entspricht ca. 41 % der gesamten Projektdauer von 155 tage (siehe abbildung 4).

abbildung 4: verteilung der Projektzeit

die Stillstandszeiten resultieren hierbei nahezu ausschließlich aus Wartezeiten auf die für die abraumhalde zuständige entsorgungslogistik. minimale Stillstandszeiten ergeben sich aufgrund von lieferengpässen der tunnellogistik. die versorgungslogistik für Segmente und mörtel generiert in diesem Szenario keine Stillstandszeiten. in abbildung 5 ist der Füllstand der abraumhalde je ring, sowie die aufschlüsselung der ungeplanten Stillstandzeit gezeigt. der Steigung der geraden ist zu entnehmen, dass die entsorgungslogistik stark unterdimensioniert ist. die temporäre reduzierung des Füllstandes ist auf die geplanten Wartungsarbeiten zurückzuführen in denen die tvm keinen abraum produziert, die entsorgungslogistik jedoch weiterhin die abraumhalde leert.

abbildung 5: Füllstand der abraumhalde (links), durch baustellenlogistik verursachte Stillstandszeiten (rechts), Simulationsexperiment 1

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im zweiten versuchsaufbau wird die leistungsfähigkeit der entsorgungslogistik um 30 % erhöht. Somit erreicht im mittel alle sieben minuten ein lkW zur abraumentsorgung das baustellengelände. alle weiteren modellparameter bleiben unverändert.

durch die verbesserung der entsorgungslogistik reduziert sich die ungeplante Stillstandzeit der tvm im vergleich zum Simulationsexperiment 1, um 31 tage. die Stillstandszeit beträgt somit noch 32 tage und somit 26 % der gesamten Projektdauer (124 tage).

abbildung 6: Füllstand der abraumhalde (links), durch baustellenlogistik verursachte Stillstandszeiten (rechts), Simulationsexperiment 2

die entsorgungslogistik ist für die Produktivität der tvm in den ersten 1000 ringen weiterhin als Störfaktor zu identifizieren (siehe Abbildung 6. Ab Ring Nummer 1000 steigt der negative Einfluss der Tunnellogistik allerdings zunehmend an und führt zu Stillständen. Dies ist auf die ansteigenden Fahrtzeiten des tunnelvehikels durch längere Fahrstrecken zurückzuführen.

Zur weiteren reduzierung der Stillstandszeiten die leistung der entsorgungslogistik um weitere 20 % erhöht. dadurch sollten Stillstände in der ersten hälfte des Projektes verhindert werden. Zusätzlich wird ein zweites tunnelvehikel eingesetzt.

abbildung 7: Füllstand der abraumhalde (links), durch baustellenlogistik verursachte Stillstandszeiten (rechts), Simulationsexperiment 3

die Stillstandzeit ist auf 10 tage verringert und resultiert nun ausschließlich aus Prozessen der tunnellogistik. die entsorgungslogistik ist an die äußeren randbedingungen angepasst und ausreichend dimensioniert (siehe abbildung 7). die Projektdauer ist im vergleich zur

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ausgangslage um 34 % verringert worden. insgesamt konnten 53 tage eingespart werden.

Zusammenfassend konnte exemplarisch aufgezeigt werden, dass die kausalkette von Prozessen im maschinellen tunnelbau nicht trivial und somit nur schwer abschätzbar ist. die optimierung eines einzelnen Systemelements kann zur verschlechterung anderer elemente führen und erzeugt somit nicht zwangsläufig eine Verbesserung des Gesamtsystems.

durch die anpassung der entsorgungslogistik an die leistung der tvm wurde erkennbar, dass die tunnellogistik unter den neuen randbedingungen in der zweiten hälfte des Projektes eine nicht ausreichende leistungsfähigkeit besitzt. durch die verbesserung beider komponenten reduziert sich die Stillstandzeit um 84 %.

abbildung 8: Zusammenfassung der Simulationsergebnisse

in abbildung 8 sind die ergebnisse aller Simulationsexperimente gezeigt. die Produktionszeit der tvm ist in allen experimenten gleich und stellt die minimale Projektdauer dar. in Simulationsexperiment 2 wurde deutlich, dass eine verbesserung der entsorgungslogistik prinzipiell eine Verkürzung der Projektdauer zur Folge hat. Durch die nun negativen Einflüsse der tunnellogistik wurde dieser positive effekt jedoch stark verringert. erst die Steigerung der Leistungsfähigkeit beider Logistikelemente führt zu einer signifikanten Verringerung der Projektzeit.

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4. Zusammenfassung und ausblickdie analyse der logistikprozesse einer tunnelbaustelle im maschinellen tunnelbau zeigt ein im komplexes System aus einzelprozessen und Prozessinteraktionen. auswirkungen von veränderungen einzelner Systemelemente auf das gesamtsystem baustelle und insbesondere die Produktivität der tvm sind daher nicht immer direkt nachvollziehbar. durch das entwickelte Simulationsmodell können die randbedingungen einer baustelle simuliert und Parameter der logistikprozesse variiert werden. Während der Planungsphase einer tunnelbaustelle können somit Szenarien erstellt und verglichen werden. Planungsfehler in der logistikkette, welche zu Projektverzögerungen und somit zwangsläufig zu wirtschaftlichen Einbußen führen, sind somit im vorfeld erkennbar.

als modellgrenzen wurden die Schnittstellen zwischen den einzelnen logistikketten angenommen. diese Schnittstellen wurden vereinfacht modelliert und werden in weiteren arbeiten einer detaillierter betrachtet. Ziel ist ein ansatz, welcher das entwickelte Simulationsmodell als Programmbaustein verwendet und in verbindung mit bereits vorhandenen Simulationsbausteinen des maschinellen tunnelbaus bringt. dieser ansatz ermöglicht eine ganzheitliche Ablaufsimulation für Tunnelbauprojekte. Dadurch wird die Endscheidungsfindung während der Planungs- und ausführungsphase von tunnelbauprojekten in großem maße unterstützt.

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