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Impressum Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Max-Reger-Straße 4-8 99096 Erfurt

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 2

Inhalt

Vorbemerkung 4

1 Management Summary: Perspektiven für ein digitales Thüringen 5

2 Ausgangslage und Ziel: Entwicklung einer Digitalstrategie für Thüringen 7

3 Leistungsstärker: Leitthema „Mittelstand 4.0“ 13

3.1 Digitalisierung des industriellen Mittelstandes und des Handwerks 13

3.2 Weitere Handlungsfelder (Zukunft der Arbeit, Digitaler Tourismus) 17

4 Lebenswerter: Leitthema „Digitale Landesentwicklung für den städtischen und ländlichen Raum“ 20

4.1 Digitale Städte für Thüringen 21

4.2 Digitale Vernetzung des ländlichen Raums 25

4.3 Weitere Handlungsfelder (Digitale Kultur, Intelligente Energie) 29

5 Lernbereiter: Leitthema „Bildung und Forschung digital“ 30

5.2 Digitaler Kompetenzaufbau in beruflicher Bildung und Weiterbildung 33

5.3 Digitaler Kompetenzaufbau an der Hochschule 35

5.4 Forschung zu digitalen Innovationen und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft 37

6 Mögliche Erstinitiativen 40

7 Grundlagen: Befähiger einer modernen Digitalstrategie 41

7.1 Über Leitthemen hinweg: E-Government 41

7.2 Grundlagen schaffen: Die Bedeutung von Breitband und Rechtsrahmen 41

8 Wirkung sichern: Eckpunkte des Beteiligungs- und Umsetzungsprozesses 44

8.1 Beteiligungsprozess zur Erstellung der Gesamtstrategie 44

8.2 Zentrale Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der Digitalstrategie 45

8.3 Etablierung einer klaren Projektorganisation („Governance“) 46

Quellenverzeichnis 48

Annex 51

Grundlagenpapier der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 3

Vorbemerkung

Dieses Grundlagenpapier bildet den Auftakt zu einem Strategieprozess, an dessen Ende eine Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft stehen soll. Für diese Digitalstrategie formuliert das Papier drei Leitthemen und zeigt in den vertiefenden Kapiteln exemplarisch Handlungsfelder und Maßnahmen in den einzelnen Leitthemen auf.

Das Papier legt die Grundlage für einen umfassenden Entwicklungsprozess hin zu einer Strategie für die Digitale Gesellschaft für den Freistaat Thüringen, der sämtliche Ressorts der Landesregierung ebenso einbezieht wie auch externe Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Sie alle sind eingeladen, die Umsetzung gemeinsam zu entwickeln und kontinuierlich an neue Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen. Hierbei soll kein statischer Maßnahmenkatalog entstehen, vielmehr geht es im Sinne von „Testen und Lernen“ darum, Maßnahmen fortlaufend zu ergänzen und weiterzuentwickeln.

In diesem Kontext dient die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft als Plattform: Sie unterstützt die Umsetzung bestehender und neuer digitaler Initiativen der Landesregierung, erhöht die Aufmerksamkeit für entsprechende Maßnahmen und gibt Impulse für eine digitale Gesellschaft in Thüringen.

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 4

1 Management Summary: Perspektiven für ein digitales Thüringen

Für Thüringen bietet die Digitalisierung Chancen über viele Lebensbereiche hinweg: Höhere Wertschöpfung im Thüringer Mittelstand, Stärkung der Innovationskraft und der Internationalität, verbesserte Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, gesteigerte Lebensqualität in Thüringer Städten, mehr Teilhabe auf dem Land – auch für die ältere Bevölkerung –, moderne Bildung und im bundesdeutschen Vergleich wettbewerbsfähigere Forschung. Für eine optimale Nutzung dieser Chancen bedarf es einer übergreifenden, ambitionierten Digitalstrategie, die thüringenspezifisch Leitthemen setzt und wirkungsvolle Maßnahmen identifiziert.

International und national erfolgreiche Digitalisierungsstrategien (wie z.B. in Schweden oder Estland) fokussieren sich auf wenige, synergetisch verzahnte Leitthemen und Handlungsfelder. Die zentralen Leitthemen für Thüringens digitale Gesellschaft leiten sich ab aus: einer Auswertung von deutschen und internationalen Studien zur Digitalisierung über alle Lebensbereiche, einer Guten-Praxis-Analyse von 12 nationalen und internationalen Digitalisierungsstrategien, Analysen von Strategien und Konzepten der Thüringer Landesregierung mit Schnittpunkt zur Digitalisierung sowie mehr als 70 Interviews mit nationalen und internationalen Digitalisierungsexperten und Umsetzungsakteuren in Thüringen. Zudem baut das Grundlagenpapier auf der Expertise der Beratungsunternehmen McKinsey & Company und Orphoz auf. Die Unternehmen haben ihre Erfahrungen bei der Entwicklung zahlreicher Digitalstrategien für die Bundesregierung, verschiedener Bundesländer, nachgelagerter Behörden und europäischer Regierungen einfließen lassen. Dadurch integriert das Grundlagenpapier auch die Expertise aus einem internationalen Wissensnetzwerk mit über 2.500 Projekten im Bereich Wirtschaft 4.0, die Beratung von über 2.500 Städten mit einem Schwerpunkt im Bereich Smart City sowie einer Datenbank mit Digitalisierungsstudien zu allen relevanten Lebensbereichen.

Als Ergebnis der Analysen wurden für Thüringen die drei Leitthemen: Mittelstand 4.0, vernetzte Stadt/ vernetzter Ländlicher Raum sowie Bildung und Forschung digital als Ausgangsbasis für eine Thüringer Digitalstrategie herausgearbeitet.

Mittelstand 4.0 („Leistungsstärker“) – Digitalisierung trägt zur Zukunftsfähigkeit und höheren Wertschöpfung im Mittelstand bei. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie das Handwerk erzielen einen Großteil der steuerpflichtigen Umsätze in Thüringen und prägen die Wirtschaft des Freistaats. Allerdings gelten nur wenige der Thüringer KMU als digitale Vorreiter. Es gilt, das Bewusstsein für Digitalisierungsmöglichkeiten zu schärfen und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Dabei wird die Digitalisierung vor allem in zentralen Kernbranchen des Landes wie Automobil, Metall, Optik oder Medizintechnik zunehmend ein wichtiger Produktivitätstreiber. Ansatzpunkte können sein: der Aufbau einer „Thüringer Innovationsgarage“ für den Mittelstand und das Handwerk zur Unterstützung neuer digitaler Geschäftsmodelle, ein Unternehmenswettbewerb Thüringer Industrie Champions 4.0 zur Steigerung der Industrie-4.0-Bereitschaft und der Aufbau einer digitalen Lernfabrik für den Mittelstand 4.0.

Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum („Lebenswerter“) – Digitalisierung verbessert die Lebensqualität und Standortattraktivität von Stadt und Land. Als dezentrales Flächenland mit einer zurückgehenden und alternden Bevölkerung kann Thüringen die Digitalisierung zur Verbesserung der Mobilität und Versorgung im ländlichen Raum nutzen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung dem Freistaat als profilierter Industrie- und Forschungsstandort die Möglichkeit, digitale „Smart City“ Initiativen an einem der Thüringer Oberzentren modellartig zu testen und sie

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dann auf kleinere Städte zu übertragen. Digitalisierungsinitiativen in der Stadt können sein: intelligente Systeme zur Optimierung des fließenden und ruhenden Verkehrs, der Stadtbeleuchtung, Versorgung Energie und Gütern des alltäglichen Bedarfs sowie der Entsorgung und Rohstoffgewinnung. Zu den Digitalisierungsinitiativen für den ländlichen Raum zählen beispielweise die bedarfsgerechte und komfortable Mobilität durch digital organisiertes „Taxi-Sharing“ oder die Digitalisierung der Patientenversorgung z.B. durch Onlinesprechstunden.

Bildung und Forschung digital („Lernbereiter“) – Digitales Lernen kann eine noch bedarfsgerechtere Gestaltung der Bildung ermöglichen, das Themenfeld Digitalisierung eröffnet neue Forschungsmöglichkeiten. Der Aufbau digitaler Kompetenzen in allen Bildungsbereichen - von der schulischen Bildung bis zur wissenschaftlichen Weiterbildung - soll u.a. durch die Entwicklung und den bedarfsgerechten Einsatz digitaler Lern- und Lehrformate gestärkt werden. Die Anstrengungen in der Medienbildung werden deshalb intensiviert. Alle betroffenen Personengruppen sollen in die Lage versetzt werden, bereits ab dem Kindesalter moderne Medien verantwortungsbewusst und kompetent zu nutzen. Das garantiert gesellschaftliche Teilhabe und einen hohen Standard fachlicher und beruflicher Qualifikation. Der Freistaat Thüringen sieht im Bereich der digitalen Innovationen auch einen wichtigen Forschungsschwerpunkt und wird diesen weiter ausbauen (u.a. Landesprogramm Forschung digital). Vorhandene Kompetenzen Thüringens als Hochtechnologiestandort bilden hierbei einen Anknüpfungspunkt. Zudem soll die Organisation von Lehre und Forschung durch den verstärkten Einsatz digitaler Managementtools und durch den Auf- und Ausbau entsprechender Infrastrukturen vereinfacht und effizienter gemacht werden. Im Bereich Schule sind als Ansatzpunkte denkbar: Inhaltliche Weiterentwicklung des Fachs „Medienkunde“ in Richtung Digitalisierungskompetenzen oder Einführung eines Wettbewerbs „Schule der Zukunft“ zur Auszeichnung von digitalisierungsaffinen Schulen. Im Bereich Weiterbildung sind denkbar: Der Aufbau eines Werkzeugkasten für eine digitale Berufsschule, die Einführung eines Pflichtfachs Digitalisierung in den Berufsschulen oder ein Zertifizierungsprogramm Industrie 4.0 mit dem Ziel, die digitalen Kompetenzen bereits Berufstätiger auszubauen. Im Bereich Hochschule sind Ansatzpunkte: der Ausbau digitaler Lehr- und Lernangebote, die Weiterentwicklung der Curricula, die Einrichtung neuer Professuren im Bereich Digitalisierung oder der gezielte Ausbau der IT-Servicezentren.

Essentiell ist, dass die Digitalstrategie bei Bürgern und Unternehmen möglichst schnell erste Wirkung erzeugt. Ausgewählte Erstinitiativen sollten daher bereits im ersten Halbjahr 2017, vor dem tatsächlichen Umsetzungsprozess, realisiert werden. Zudem kann eine Digitalstrategie nur zu einem nachhaltigen Erfolg führen, wenn die öffentliche Hand die Grundlagen dafür schafft. Dazu gehören die Forcierung des Breitbandausbaus, der Ausbau des E-Governments, die Weiterentwicklung von IT-Sicherheitsrichtlinien und die Schaffung notwendiger rechtlicher Rahmenbedingungen, wie im Bereich Datenschutz, Cyber-Security und Wettbewerbsrecht.

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2 Ausgangslage und Ziel: Entwicklung einer Digitalstrategie für Thüringen

Die Digitalisierung stellt Thüringen vor umfassende gesellschaftliche Herausforderungen. Enorme Mengen von Daten werden permanent generiert, gespeichert, ausgewertet und zu neuen Informationen verknüpft. Wissen ist jederzeit und an jedem Ort verfügbar, die Digitalisierung ist dafür der wesentliche Treiber. Die digitale Revolution schafft für Thüringen in allen genannten Bereichen neue Chancen der technologischen Innovation, wirtschaftlichen Wertschöpfung und Teilhabe – etwa im Bereich Wirtschaft und Bildung wie im Gesundheitswesen oder der Kultur. Diese Chancen zu nutzen, ist Aufgabe aller Akteure. So müssen etwa für die Partizipation an der Digitalisierung die infrastrukturellen und personellen Grundlagen gesichert (z.B. flächendeckender Breitbandzugang, ausreichendes IT-Personal), die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen (z.B. Urheberrecht, internationale Datentransportabkommen, Wettbewerbsrecht) sowie Datenschutz und -sicherheit (z.B. Schutz vor Cyberkriminalität) gewährleistet werden. Zahlreiche geplante und laufende digitale Initiativen müssen in einen ressortübergreifenden Gesamtzusammenhang gestellt, weitere Maßnahmen identifiziert, thüringenspezifische Chancen genutzt und Herausforderungen angegangen werden. Das ist die Aufgabe der „Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft“.

Eine Analyse von 12 Digitalstrategien anderer Flächenbundesländer (u.a. Bayern, Hessen, Sachsen, Niedersachsen) und des „Digital Evolution Index“ der Tufts University (USA) zu in der Digitalisierung weit fortgeschrittenen Ländern (u.a. Schweden, Dänemark, Estland, Finnland und Singapur) identifiziert als zentralen Erfolgsfaktor eine klare Fokussierung auf wenige Leitthemen mit synergetisch verzahnten Handlungsfeldern und Maßnahmen. Als Grundlage für diese Fokussierung liegt diesem Grundlagenpapier eine Ableitungslogik der Leitthemen für Thüringen in drei Schritten zu Grunde (siehe Schaubild 1).

Schaubild 1 – Drei Schritte als Ableitungslogik für die drei Leitthemen

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SCHRITT 1: Bestimmung von Digitalisierungspotenzialen in zentralen Lebensbereichen.

Die Identifikation von thüringenspezifischen Potenzialen der Digitalisierung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Analyse von Digitalisierungspotenzialen in neun Lebensbereichen (z.B. Wirtschaft 4.0, eHealth, Digitale Kultur), die sich für Digitalisierungsinitiativen auf Landesebene eignen und die sich auf die Expertise von McKinsey & Company und Orphoz stützen.

Die identifizierten Digitalisierungspotenziale in wesentlichen Lebensbereichen gaben den Rahmen vor für eine digitalisierungsfokussierte Analyse der Stärken und Herausforderungen Thüringens. Datengrundlage war eine Analyse der einschlägigen Dokumente von Landesregierung, Wissenschaft und Interessensgruppen in Thüringen sowie rund 35 Experteninterviews mit relevanten Akteuren des Freistaats, u.a. in Ministerien der Landesregierung, Forschungseinrichtungen, Kammern und Netzwerken.

Ausgewählte digitalisierungsrelevante Stärken Thüringens:

• Thüringens Mittelstand prägt die Wirtschaft, der industrielle Mittelstand in Thüringen weist Schwerpunkte in Branchen auf, für die Industrie 4.0 eine hohe unmittelbare Relevanz darstellt, u.a. Maschinenbau und Metall, Automobil, Optik und Medizintechnik (Fraunhofer ISI/IAO, 2016).

• Thüringer Mittelstädte haben das Potenzial durch Digitalisierung Verkehrsflüsse zu optimieren, Parkplatzsuche zu reduzieren, Radfahrersicherheit zu erhöhen und die digitale urbane Infrastruktur auch im Sinne einer „Smart City“ weiter auszubauen.

• Thüringen als einzigartiger Standort von historisch gewachsener Hochkultur (z.B. klassisches Weimar, Wartburg) bietet große Potenziale für ein digital unterstütztes Kulturerlebnis und die Digitalisierung des Bestandes aus konservatorischen Gründen.

• Thüringen als erfolgreicher Bildungsstandort kann Lehr- und Lernqualität durch Digitalisierung weiter steigern. In Leistungsvergleichen schneidet Thüringen über alle Bildungszweige hinweg sehr gut ab. Digitale Lehr- und Lernangebote können einen Beitrag leisten, eine hohe Lehr- und Lernqualität auch in Zukunft zu sichern.

• Thüringen als Forschungsstandort kann auf zahlreiche Forschungseinrichtungen und Netzwerke mit Digitalisierungsbezug zurückgreifen. Dies umfasst neben den Hochschulen mit ihren spezifischen Profilen u.a. Thüringer Zentrum für Maschinenbau, Cluster ITnet, OptoNet, SpectroNet, das Fraunhofer-Institut IDMT und IOSB-AST in Ilmenau, das Fraunhofer-Institut IOF in Jena, die MFPA in Weimar, das CiS in Erfurt und das IMMS in Ilmenau.

Ausgewählte digitalisierungsrelevante Herausforderungen in Thüringen sind:

• Bei zahlreichen Industrie- und Handwerksbetrieben besteht Nachholbedarf bei der Digitalisierung der internen Geschäftsprozesse (z.B. digitale Rechnungslegung), an der Kundenschnittstelle (z.B. Auftragseingang bzw. Onlineterminierung) und bei der Effizienzsteigerung in Produktion und Lieferketten.

• Thüringen ist ein dezentrales Flächenland mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung. Die zurückgehenden Bevölkerungszahlen – prognostizierter Rückgang von 17,5 % bis 2030 gegenüber 2010 – sowie der starke Zuwachs der über 64-Jährigen

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machen Versorgungsfragen auf dem Land besonders drängend (Destatis, 2015). Die moderne Infrastruktur und die Standortattraktivität der Thüringer Städte bieten Möglichkeiten die Digitalisierung in einer Stadt modellartig zu testen und bei Erfolg auch auf kleinere Städte zu übertragen.

• Thüringen weist eine relativ hohe Hilfsfrist von 17 Minuten in dünn besiedelten ländlichen Gebieten auf. Es ist zu prüfen, wie digitale Prozessoptimierung der Rettungskette oder digital unterstützte Formen der Ersthilfe diese weiter senken kann.

• Thüringen weist eine hohe Auflösungsquote von Ausbildungsverträgen auf. Im deutschlandweiten Vergleich hat Thüringen eine hohe Auflösungsquote von Ausbildungsverträgen (29% gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 24,4% – Destatis, 2013) und eine ausbaubare Weiterbildungsbereitschaft (65% gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 75% – Commerzbank , 2016). Digitalisierung kann ein Hebel sein, die Attraktivität des Unterrichts zu steigern und Zugangshürden zu senken.

• Thüringen macht Fortschritte beim Breitbandausbau, sollte aber bereits jetzt die Eckpfeiler einer Breitbandstrategie 2030 entwickeln, um die flächendeckende Versorgung mit Breitband zu sichern.

SCHRITT 2: Ableitung thüringenspezifischer Digitalisierungspotenziale und Leitthemen.

Aufbauend auf den Digitalisierungschancen in neun Lebensbereichen sowie den Stärken und Herausforderungen des Standorts Thüringen ergaben sich verschiedene Ansatzpunkte für thüringenspezifische Digitalisierungsinitiativen auf Landesebene in jedem der neun Lebensbereiche (z.B. Digitalisierung ambulanter Patientenversorgung, Unterstützungen digitaler Gründungen, Digitalisierung von Kulturgütern). Diese Ansätze wurden an den Ergebnissen einer Benchmark-Analyse von 12 Digitalstrategien anderer Flächenbundesländer (u.a. Bayern, Hessen, Sachsen, Niedersachsen) sowie von digital weit fortgeschrittenen Ländern (u.a. Schweden, Dänemark, Estland, Finnland und Singapur, siehe „Digital Evolution Index“ der Tufts University, USA) gespiegelt. Ein zentraler Erfolgsfaktor bewährter Digitalstrategien liegt danach in der klaren Fokussierung auf wenige Leitthemen mit synergetisch verzahnten Handlungsfeldern und Maßnahmen. Leitthemen der Digitalisierung dienen dabei der Profilierung und Fokussierung von Ländern in ihren Digitalisierungsaktivitäten. Derartige Leitthemen können dabei vom digitalen Rundum-Digitalisierer bis hin zu klarer konturierten Profilierung reichen. Dazu gehört bspw. der digital gerüstete Standort für die alternde Bevölkerung oder Vorreiter in der Attraktivitätssteigerung des ländlichen Raums (beides z.B. Schweden), Vorreiter digitaler interaktiver Demokratie (z.B. Estland), effizienter digitaler Staat (z.B. Estland, Dänemark) oder digital unterstützter Mittelstandsstandort in Deutschland (z.B. Bayern).

Aufbauend auf dieser Benchmark-Analyse, 70 Interviews mit nationalen wie internationalen Digitalisierungsexperten sowie ausgewählten Umsetzungsakteuren aus Thüringen, drei Digitalwerkstätten und der Analyse von Stärken und Herausforderungen Thüringens entstanden drei wesentliche Leitthemen für die Nutzung von Digitalisierungspotenzialen in Thüringen (siehe Schaubild 2):

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Schaubild 2: Drei Leitthemen bestimmen die Ausrichtung der Thüringer Digitalstrategie

• Leistungsstärker – Leitthema „Mittelstand 4.0“: Digitalisierung als Produktivitätstreiber für Industrie und Handwerk. Die Digitalisierung ist in den zentralen Kernbranchen Thüringens, wie Maschinenbau und Metall, Automobil, Optik und Medizintechnik, ein wichtiger Produktivitätstreiber (Fraunhofer ISI/IAO, 2016). Die Digitalisierung hat somit substanzielles Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit des Thüringer Mittelstandes zu steigern – vor allem über mehr Effizienz in Produktion und Lieferkette und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Weitere Potenziale liegen bei Produktivitätssteigerungen von Handwerksbetrieben durch bessere Vernetzung mit Kunden über digitale Schnittstellen sowie im Bereich des digital unterstützten Tourismusmarketings.

• Lebenswerter – Leitthema „Digitale Landesentwicklung für den städtischen und ländlichen Raum“: Optimierter Verkehrsfluss und digitale urbane Infrastruktur durch die Vernetzung einer Thüringer Stadt. Digitalisierung im Bereich der „Smart City“/„Smart Town“ bieten die Möglichkeit, Lebensqualität für die Bevölkerung und die Standortattraktivität für die Wirtschaft zu erhöhen sowie Teilhabemöglichkeiten an Infrastruktur und soziokulturellem Leben zu verbessern. Eine ausgebaute digitale Infrastruktur über WLAN hinaus bildet die Grundlage, um das breite Potenzial einer digital vernetzten Stadt auszuschöpfen – von der Verbesserung der Verkehrsflüsse in der Stadt bis zum digital erleichterten, standortunabhängigen Zugang zum kulturellen Angebot.

Verbesserung der Mobilität und Versorgung im ländlichen Raum durch Digitalisierung. Thüringen als dezentrales Flächenland mit einer zurückgehenden und alternden Bevölkerung kann die Lebensqualität auf dem Land durch Digitalisierung steigern. Zu den Digitalisierungsinitiativen für den ländlichen Raum zählen beispielweise die bedarfsgerechte und komfortable Mobilität durch digital organisiertes „Taxi-Sharing“ oder die Digitalisierung der Patientenversorgung z.B. durch Onlinesprechstunden.

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• Lernbereiter – Themenfeld „Bildung und Forschung digital“:

Digitalisierung für den Kompetenzaufbau in der Schule sowie für noch attraktivere Aus- und Weiterbildungsangebote. Neue digitale Lernformate haben das Potenzial, den Unterricht noch stärker zu personalisieren („digital lernen“) und Lernerfolge zu steigern. Ansatzpunkte sind die Entwicklung und Einführung von Lernplattformen und interaktiven Lern-Apps, die noch stärker personalisiertes Lernen (angepasst auf individuelle Fähigkeiten) ermöglichen. Zugleich steigert der Ausbau digitaler Kompetenzen über alle Altersstufen hinweg auch die Affinität zu Berufen mit IT-Schnittpunkten und übt den kritischen Umgang mit digitalen Inhalten („Digitalisierung lernen“). Neue digitale Lehrformate können zudem einen Beitrag leisten, die Abbrecherquote in der beruflichen Bildung zu reduzieren und die Weiterbildungsbereitschaft zu verbessern. Zeit- und ortsunabhängiges digitales Lernen kann den Präsenzunterricht ergänzen und den schulischen Teil der Aus- bzw. Weiterbildung flexibler in das Arbeitsleben integrieren.

Die Digitalisierung kann den Kompetenzaufbau an Hochschulen unterstützen und Hochschulen wettbewerbsfähiger machen. Neue digitale Lehrformate erlauben den Studierenden noch bedarfsgerechteres Lernen. Online verfügbare Lehrveranstaltungen können zeit- und ortsunabhängig auch mehrfach gehört werden. Ein digital unterstütztes Orientierungsstudium zum Beispiel im MINT-Bereich kann nicht nur helfen Digitalisierungskompetenzen aufzubauen, sondern auch die Erfolgsquote in diesem Bereich zu erhöhen. Über alle Bildungszweige hinweg, aber besonders in der Hochschule, bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, komplexe administrative Prozesse zu vereinfachen. So reduziert die Einführung eines Studierenden-Verwaltungsportals administrative Hürden für Hochschule und Studierende.

Die Digitalisierung kann Wissenschaft und Wissenstransfer verbessern. Digitale Forschung gibt wichtige Impulse und eröffnet neue Möglichkeiten. Die Digitalisierung, insbesondere die neuen Möglichkeiten im Bereich der Auswertung von Massendaten, bietet großes Potenzial für die Forschung, die Innovationssteigerung und den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Produktweiterentwicklung. Fortgeschrittene Analytik (Advanced Analytics) eröffnet die Chance, vielversprechende Forschungsideen zu entwickeln und hilft bei der schnellen Überprüfung erster Hypothesen oder einzelner Geschäftsideen. Die digitale Vernetzung von Hochschulen und Unternehmen erlaubt zudem einen schnellen Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

SCHRITT 3: Konkretisierung exemplarischer Handlungsfelder und Maßnahmen in den Leitthemen.

Die erwähnten Analysen, Interviews und Werkstätten dienten auch dazu, innerhalb der Leitthemen exemplarische Handlungsfelder zu identifizieren, initiative Maßnahmenideen zu diskutieren, die

• zeitnah für Thüringer Unternehmen, Forscher, Bürger und weitere Institutionen Wirkung entfalten können („erlebbar“),

• auf die Stärken und Herausforderungen Thüringens justiert sind („thüringenspezifisch“),

• den Vorbildcharakter der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft reflektieren („ambitioniert“).

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Die Thüringer Landesregierung baut ihre gesamtgesellschaftliche Digitale Strategie dabei auf zahlreichen bereits gestarteten Initiativen und Strategien zur Digitalisierung auf, unter anderem die „Strategie für E-Government und IT des Freistaats Thüringen“ (TFM, 2016), die „Thüringer Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften“ (TMMJV, 2011), das „Aktionsprogramm für die Wirtschaft 4.0 in Thüringen“ (TMWWDG, 2016) sowie die „Breitbandstrategie 2020“ (TMWWDG, 2013).

Mit der „Regionalen Forschungs- und Innovationsstrategie für intelligente Spezialisierung für Thüringen“ (TMWWDG, 2014) hat das Land zudem einen Rahmen für die Unterstützung von Forschung, Entwicklung und Innovation in den vier Spezialisierungsfeldern („Industrielle Produktion und Systeme“, „Gesundes Leben und Gesundheitswirtschaft“, „Nachhaltige und intelligente Mobilität und Logistik“, „Nachhaltige Energie und Ressourcenverwendung“) geschaffen. Der technologieübergreifenden Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien und der Digitalisierung als Wachstumsfaktor wird dabei mit dem Querschnittsfeld „Informations- und Kommunikationstechnologie, innovative und produktionsnahe Dienstleistungen“ Rechnung getragen, das über die vier Spezialisierungsfelder Thüringens hinweg agiert.

Für beispielhafte Handlungsfelder je Leitthema (siehe Schaubild 3) benennt das Grundlagenpapier in den vertiefenden Kapiteln die wesentlichen bereits bestehenden Maßnahmen, mögliche Ziele und Maßnahmenideen. Diese sind als erster Vorschlag zu verstehen, die im Beteiligungsprozess mit relevanten Umsetzungsakteuren vertieft und ergänzt werden sollten.

Schaubild 3: Den Leitthemen können beispielhafte Handlungsfelder zugeordnet werden

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3 Leistungsstärker: Leitthema „Mittelstand 4.0“

Thüringen ist vom industriellen Mittelstand geprägt: Mit mehr als 80 Betrieben des verarbeitenden Gewerbes pro 100.000 Einwohner liegt Thüringen mehr als 40% über dem Bundesdurchschnitt. Besonders starke Branchen in Thüringen wie Maschinenbau und Metall, Optik, Kunststoff und Automobil sind zu gleich die Branchen mit hohen Digitalisierungspotenzialen (Fraunhofer ISI/IAO, 2016). Mit mehr als zehn Milliarden Euro erzielen diese Branchen in Thüringen schon heute rund 60% der Umsätze des gesamten verarbeitenden Gewerbes (Destatis, 2016a) und mit der Digitalisierung der Betriebe und Geschäftsmodelle sind weitere positive Wachstumseffekte möglich (Fraunhofer ISI/IAO, 2016). Eine weitere wichtige Säule der Thüringer Wirtschaft bildet das Handwerk, dem sich bspw. durch digitale Kommunikation mit Kunden, modellbasierte Planung und der Digitalisierung der Fertigung, Abrechnung und Lohnbuchhaltung unternehmerische Entwicklungschancen aus der Digitalisierung bieten.

Die Digitalstrategie soll auch auf vorhandenen Strukturen aufbauen. Es bietet sich daher an, die Handlungsfelder und Maßnahmen des Leitthemas Mittelstand 4.0 mit den Spezialisierungsfeldern und dem Querschnittsfeld der RIS3-Strategie Thüringens zu verzahnen. Innovationen im Themenfeld Wirtschaft 4.0 bilden vor allem einen Schwerpunkt im Spezialisierungsfeld „Industrielle Produktion und Systeme“. Gleichzeitig binden die entwickelten Maßnahmenvorschläge im Leitthema Mittelstand 4.0 die in der RIS3-Strategie aufgezeigten Technologiethemen ein, wie u.a. der Maschinen-, Anlagen- und Werkzeugbau sowie die Sensorik und Robotik.

3.1 Digitalisierung des industriellen Mittelstandes und des Handwerks

Dem industriellen Mittelstand bietet die Digitalisierung vier zentrale Ansatzpunkte:

• Mehr Umsatz durch digitale Geschäftsmodelle. Sensoren und neue Kommunikationstechnologien erlauben es Herstellern, Echtzeitdaten aus dem Betrieb ihrer Produkte und Anwendungen von ihren Kunden zu erhalten und zu verwerten. Dazu gehören „As-a-Service“ Geschäftsmodelle, mit denen Industrie 4.0-Anwendungen (z.B. Maschinen, Software) im Abonnement über eine nutzungsbasierte Bezahlung an Dritte vergeben werden. Auch digitale Plattformen, beispielsweise browserbasierte Plattformen für die Steuerung von Produktionsprozessen, erschließen neue Umsatzquellen für den industriellen Mittelstand.

• Mehr operative Effizienz in Produktion und Lieferketten. In Thüringen nennen Unternehmen als zentrale Digitalisierungsthemen u.a. Softwaresysteme zur Produktionsplanung und -steuerung, echtzeitnahe Produktionsleitsysteme, digitaler Datenaustausch mit Kunden/Lieferanten, Techniken zur Automatisierung und Steuerung der internen Logistik sowie digitale Visualisierung der Produktentwicklung (Fraunhofer ISI/IAO, 2016). Grundsätzlich ist für die Effizienzsteigerung der Thüringer Unternehmen die durchgängige Digitalisierung entlang der internen Wertschöpfungskette entscheidend, u.a. über die bessere Verarbeitung von heute nicht erfassten bzw. genutzten Daten entlang des digitalen Datenstroms in der Produktion. Wesentliche Technologietrends sind in Schaubild 4 aufgezeigt.

• Flexiblere und schnelle Zusammenarbeit durch kooperative Wertschöpfungsplattformen. Über Digitale Plattformlösungen können Unternehmen

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flexibel und schnell auftragsbezogene Kooperationen organisieren, die alle Stufen der Produktion – vom Produktwunsch, über Konstruktion und Fertigung bis zur Übergabe an den Kunden – über Branchengrenzen hinweg abdecken. Die neue Form der Zusammenarbeit über digitale Plattformen ermöglicht die Nutzung gemeinsamer Ressourcen, die Arbeit an neuen Produkten oder die Umsetzung größerer Projekte über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Gerade kleine Unternehmen eröffnet das die Möglichkeit, sich zu Systemanbietern zusammenschließen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

• Digitale Grundlagen (unternehmensintern). Unternehmensinterne Digitale Grundlagen ermöglichen eine zielgerichtete Umsetzung der Digitalisierung des industriellen Mittelstandes. Dazu gehören u.a. das Ausbauen von digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter, geeignete Industrie 4.0-Weiterbildung, digitale Kollaborationen im Unternehmensumfeld (z.B. über strategische Partnerschaften mit Lösungsanbietern), das Implementieren einer Datenarchitektur der zwei Geschwindigkeiten sowie das Management der unternehmensinternen IT-Sicherheit.

Schaubild 4: Zentrale Technologietrends zur Digitalisierung in der industriellen Produktion

Vergleichbare Ansatzpunkte für die Digitalisierung gewinnen auch im Thüringer Handwerk an Bedeutung: bspw. eine zunehmende Digitalisierung von Kundenschnittstellen (z.B. im Bereich Online-Terminvereinbarung, digitales Kundenfeedback, Nutzung von digitalen Vertriebsplattformen wie MyHammer), Digitalisierung der Fertigung (z.B. 3D Möbeldruck) und Digitalisierung interner Geschäftsprozesse (z.B. digitale Abrechnungssysteme). Großes Potenzial zur Gewinnung von neuen Kunden sehen Thüringer Handwerksbetriebe dabei in der Nutzung von sozialen Netzwerken, den Möglichkeiten der Onlinebestellung sowie in Kooperationen mit anderen Unternehmen beim Materialeinkauf und der Auftragsdurchführung (Handwerkskammer Erfurt, 2015).

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Allerdings haben bislang nicht alle industriellen Mittelständler und Handwerker die Bedeutung der Digitalisierung erkannt. Die sich bietenden Möglichkeiten werden noch nicht flächendeckend bzw. ausreichend genutzt. Das zeigt sich auch an der bisher vergleichsweise niedrigen Anzahl an Industrie-4.0-Anwendungsprojekten in Thüringen, die sich auf der „Landkarte" der 2015 ausgebauten Plattform Industrie 4.0 des BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016) präsentieren. Darüber hinaus setzen ca. ein Viertel der Thüringer Handwerksbetriebe mobile Anwendungen ein, aber lediglich 4,8% nutzen Online-Verkaufsplattformen (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2014).

Mögliche Ziele: Steigerung der Industrie-4.0-Anwendungen und Steigerung des Digitalisierungsgrads der Handwerksbetriebe

Folgende Ziele sind für das Handlungsfeld möglich:

• Industrie 4.0-Bereitschaftstests. Im Jahr 2020 kann die Mehrzahl der Unternehmen des industriellen Mittelstandes in Thüringen einen bundesweit überdurchschnittlichen Wert bei allgemein anerkannten „Industrie 4.0-Bereitschaftstests" vorweisen (z.B. VDMA Industrie 4.0-Readiness-Check – DMA, 2015).

• Beratungs- und Zertifizierungsangebot. Im Jahr 2020 hat sich ein umfassendes Beratungs- und Zertifizierungsangebot für Industrie 4.0-Grundlagen für den industriellen Mittelstand in Thüringen etabliert – die Angebote des Kompetenzzentrums Wirtschaft 4.0 am Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum (ThEx) oder am vom BMWi unterstützten Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau können Ansatzpunkte sein.

• Neue Industrie-4.0-Geschäftsmodelle aus Thüringen. Ziel ist, dass im Jahr 2020 Thüringer Industrieunternehmen in zentralen Industrie-4.0-affinen Branchen national und international mit neuen Industrie-4.0-Geschäftsmodellen erfolgreich und bekannt sind. Im Freistaat sind bundesweit sichtbare Industrie-4.0-Anwendungsbeispiele entstanden, die die Stärke der Thüringer Industrie in Deutschland angemessen widerspiegeln – gemessen beispielsweise an mehr registrierten Projekten auf der „Landkarte" der Plattform Industrie 4.0 des BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016).

• Digitales Handwerk. Im Jahr 2020 nutzen Handwerksbetriebe intensiv die Chancen der Digitalisierung (z.B. Online-Terminvereinbarung, digitale Fertigung). Die Anzahl registrierter Thüringer Handwerksbetriebe beispielsweise auf der Vertriebsplattform MyHammer kann über dem Bundesdurchschnitt liegen.

Bestehende Aktivitäten:

Auf dem Weg zu diesen Zielen kann Thüringen auf zahlreiche, schon jetzt erfolgreichen Industrie-4.0-Aktivitäten für Mittelstand und Handwerk aufbauen:

• Ausgewählte Industrie-4.0-Institutionen. Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau; Thüringer Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0 als Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern sowie der Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Handwerkskammern; Fraunhofer-Institut IDMT; Fraunhofer-Institut IOF.

• Ausgewählte Clusternetzwerke und Verbundaktivitäten. Cluster ITnet Thüringen, OptoNet, SpectroNet, Wachstumskernvorhaben VIP-Opt, MFPA Weimar.

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• Ausgewählte Unternehmensaktivitäten. Fab-I-4.0 von 3-D Schilling, Digital unterstützte Blechbearbeitungssysteme von Bystronic Maschinenbau, Plattformen zur vorausschauenden Maschinenwartung von Batix Software.

• Ausgewählte Potenzialanalysen. u.a. „Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung industrieller Wertschöpfungsprozesse für Thüringen“ von den Fraunhofer Instituten ISI und IAO; "Auswirkungen der Digitalisierung auf das Handwerk" der Handwerkskammer Erfurt.

• Ausgewählte Beratungsförderung. Möglichkeit zur unternehmerisch individuellen und spezifischen Analyse und Beratung/Coaching von Unternehmen; durch Inanspruchnahme von externen, sachverständigen Beratern über die Thüringer Beratungsrichtlinie.

Mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der Digitalisierung in Industrie und Handwerk:

Beispielhaft sind im Folgenden Maßnahmenideen aufgezeigt, die den industriellen Mittelstand und das Handwerk in Thüringen für die Potenziale der Digitalisierung noch stärker sensibilisieren und konkrete Digitalisierungsprojekte anstoßen.

• Thüringer Innovationsgarage Industrie 4.0. Die Innovationsgarage soll mittelständische Thüringer Unternehmen unterstützen, mit neuen digitalen Geschäftsmodellen zu experimentieren. Die Innovationsgarage ist ein Ort, an dem ein Unternehmen eine Industrie-4.0-Innovation entwickeln kann – z.B. eine neue Produktlinie, ein neues Geschäftsmodell oder eine radikale Prozessveränderung. Ca. 10 bis 20 KMU werden dafür in einem Wettbewerb pro Jahr ausgewählt. Das Team der Innovationsgarage bietet diesen ausgewählten Unternehmen ein Coaching für einen 3-4 wöchigen Prozess, in dessen Verlauf ein funktionsübergreifendes Team des KMU (IT, Produktion, Entwicklung etc.) als ein agiles Start-up-Team an der Innovation arbeitet. Ein professionelles Prozessmanagement mit Fortschrittsberichten und kollaborativer Problemlösung (z.B. Business Case-Analysen, Rapid Prototyping mit schnellem Feedback von Kunden und Geschäftspartnern) sorgt für die rasche Entwicklung der Innovation.

• Unternehmenswettbewerb „Thüringer Industrie-4.0-Champions“. Dieser Wettbewerb zielt darauf, die Bereitschaft zur Digitalisierung im industriellen Mittelstand in Thüringen sowie die Anzahl der Industrie-4.0-Anwendungsprojekte substanziell zu steigern. Durch eine hohe mediale Sichtbarkeit soll der Wettbewerb in der Breite wirksam werden und Nachahmereffekte in den zentralen Industriebranchen Thüringens erzeugen. Der Wettbewerb kann in vier Phasen ablaufen: Bewerbungsphase mit Industrie-4.0-Bereitschaftschecks; Lern- und Zertifizierungsphase; Vertiefungsphase mit Auswahl und Prämierung von Gewinnerprojekten sowie Umsetzungsphase. Die Umsetzung der ausgewählten Projekte sollte mit finanziellen Mitteln und Beratungsangeboten unterstützt werden. Die fünf erfolgreichsten Projekte erhalten medienwirksam eine Auszeichnung als „Beste Industrie-4.0-Champions Thüringens“.

• „Virtuelle Werkstatt – Handwerk in Thüringen digital erleben". Mit dem Ziel, mehr Azubis für das Handwerk zu gewinnen, können erlebbare 3D-Welten von Werkstätten erstellt und flächendeckend auf Ausbildungsmessen präsentiert werden. In den virtuellen Führungen können potenzielle Auszubildende Abläufe in Handwerkerbetrieben virtuell erleben.

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• Ausbau des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums zur digitalen Lernfabrik für Mittelstand und Handwerk. Diese Lernfabrik soll Module bieten, die das gesamte Spektrum vom Einstieg in die Industrie-4.0-Themenwelt bis zur Umsetzung konkreter Lösungen abdecken. Für KMU können Programme aufgesetzt werden, um digitale Fähigkeiten aufzubauen und konkrete Industrie-4.0-Anwendungsprojekte zu unterstützen (siehe Schaubild 5). Ein mögliches Format ist ein viermonatiges Programm "Lernen & Transformieren" für ausgewählte KMU zur Steigerung der Produktivität und Umsetzung von Industrie-4.0-Anwendungen. Dieses Programm kann aus jeweils fünf Lernphasen in Modellfabriken mit einem Zeitaufwand von insgesamt 12-15 Tagen bestehen. Dabei werden zwei Teilnehmer pro KMU intensiv geschult. Die Trainingskosten sollten sich für die KMU innerhalb von sechs bis zwölf Monaten amortisieren.

Schaubild 5: Ansatzpunkte für eine Lernfabrik Industrie 4.0 in Thüringen

3.2 Weitere Handlungsfelder (Zukunft der Arbeit, Digitaler Tourismus)

Zukunft der Arbeit

Die Digitalisierung verändert Berufsbilder und die Anforderungen der Arbeitswelt an Beschäftigte rasant. Die Notwendigkeit neuer Berufsbilder ist erheblich gestiegen (z.B. Rechtsanwalt für IT-Recht oder den Analyst für Informationssicherheit). In den nächsten zehn Jahren werden sich Berufe wie „Big-Data-Mediziner“ oder „Berater für Privatsphäre“ etabliert haben, siehe Schaubild 6 (Stifterverband, 2016).

Die Anforderungen an kontinuierliche Weiterbildung sowie zeitliche und räumliche Flexibilität von Arbeitnehmern werden sich auch auf die Arbeitswelt in Thüringen auswirken. Die genauen Folgen auf Qualifizierungsprofile sind aktuell noch nicht präzise abschätzbar.

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Da der Urbanisierungsgrad im Freistaat deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt, werden flexible Arbeitsmodelle mit Telearbeit von zuhause oder mobilem Arbeiten an verschiedenen Orten auch für Thüringens Arbeitnehmer an Attraktivität weiter gewinnen. An der Zunahme virtueller Meetings, vor allem mit Hilfe von Videokonferenzen lässt sich dies bereits erkennen. Diese Form der Zusammenarbeit spart nicht nur Kosten, sondern trägt auch dazu bei, die Familienfreundlichkeit der Unternehmen zu erhöhen.

Schaubild 6: Entstehung neuer Berufe (Hubley Luckwaldt, 2015, Sparks & Honey, 2013, AOL.com, 2013)

Mögliche Ansatzpunkte in diesem Handlungsfeld sind beispielweise Anreize für Firmen für mehr digital unterstützte, flexible Arbeitszeitmodelle, ein Wettbewerb für den Thüringer Arbeitgeber der Zukunft (mit flexiblen Arbeitszeiten und ortsunabhängiger Arbeit) oder der Anspruch auf mobile Arbeit in der Thüringer Landesverwaltung.

Digitaler Tourismus

Das starke Tourismusgewerbe in Thüringen mit einem Bruttoumsatz von 3,3 Mrd. Euro (dwif-Consulting GmbH, 2014) kann von der Digitalisierung in doppelter Hinsicht profitieren: durch eine digital unterstützte Vermarktung der touristischen Region Thüringens sowie durch Verbesserung des Reiseerlebnisses vor Ort (z.B. durch Apps mit nächstgelegenem Hotel und verfügbaren Betten). Mögliche Ansatzpunkte sind dabei:

• Thüringer-Wald-App. Nutzung von bereits erhobenen Geodaten zu Wanderwegen für eine Thüringer-Wald-App mit Wanderroute und QR-Codes entlang des Rennsteigs, inkl. digitaler Vernetzung mit Rettungsleitstellen und der Möglichkeit, Ruftaxis zu den Endpunkten des Wanderwegs zu bestellen.

• Empfehlungsmarketing/Suchmaschinenoptimierung. Thüringen als Reiseziel kann national und international auf digitale Weise noch besser vermarktet werden (z.B. Thüringen-Gutschein auf Groupon, Präsenz auf finderay.com, Kampagne mit Booking.com).

• Virtuelle Rundwege. Ein gut beworbenes Online-Angebot virtueller Rundwege durch Thüringen kann dem Erstbesucher einen „Live-Eindruck“ vermitteln und gezielt „Aha-

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Effekte“ außerhalb der bekanntesten Thüringer Destinationen und der touristischen Marke Thüringens vermitteln.

• Digital Showroom Tourismus Thüringen. Dieser Showroom am neuen ICE-Knotenpunkt Erfurt kann als eigenständige Sehenswürdigkeit Reisende anziehen, um mittels modernster digitaler Darstellungsmittel auf Kulturerbe und Naturschönheiten Thüringens aufmerksam zu machen und zur Information und Beratung in der Touristeninformation einzuladen.

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4 Lebenswerter: Leitthema „Digitale Landesentwicklung für den städtischen und ländlichen Raum“

Für Thüringen als dezentralem Flächenland mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung verspricht die digitale Vernetzung von Städten und dem ländlichen Raum besonders viele Chancen.

Eine digital vernetzte Stadt schafft durch intelligente Vernetzung und digitale Angebote im Bereich Digitales Haus/Gebäude, Digitale Versorgung/Gesundheit, Digitale Teilhabe sowie Digitale Mobilität und Sicherheit (Schaubild 7) Lebensqualität für Bürger und Standortattraktivität für Unternehmen. Dazu gehören bspw. die Vernetzung von Haushaltsgeräten und Supermärkten (z.B. Kühlschrank mit WLAN), intelligente Stromzähler in Gebäuden, intelligente Abwasserversorgung und Recycling ebenso, wie digitale Nachbarschaftsnetzwerke, sensorgestützte Verbrechensmeldung und digital optimierte Verkehrsflusssteuerung. Die Realisierung dieser digitalen Handlungsfelder kann nur gelingen, wenn neben den Kommunen auch Privathaushalte und Unternehmen in die intelligente Vernetzung investieren. Beim Ausbau der digitalen urbanen Infrastruktur, z.B. über intelligente Straßenlaternen, digital unterstützte Parkleitsysteme oder intelligente Verkehrsflusssteuerung, können Kommunen und Landesregierung einen zentralen Beitrag leisten.

Schaubild 7: Vier zentrale Handlungsfelder bei der Vernetzung von Städten

Die internationale Erfahrung zeigt, dass die digitale Vernetzung der Städte messbare Erfolge liefert; bspw. können eine adaptive Verkehrssteuerung die durchschnittliche Fahrzeit um bis zu 20% senken, digital vernetzte multi-modalen Transportmöglichkeiten die Nutzung des ÖPNVs um bis zu 7% steigern und intelligente Straßenlampen den Stromverbrauch um bis zu 75% senken (Europäische Kommission, 2016, McKinsey & Company, 2013).

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Die Digitalisierung hat zudem das Potenzial, die Lebensqualität des ländlichen Raums zu sichern bzw. zu steigern. Ansatzpunkte sind digital unterstützte Mobilität; verbesserte gesellschaftliche Teilhabe, beispielsweise über digitale Kulturangebote; vereinfachter Zugang zur medizinischen Versorgung durch eine digital optimierte Rettungskette oder digital unterstütztes Einkaufen (insbesondere für ältere Menschen).

Es bietet sich an, die Handlungsfelder und Maßnahmen des Leitthemas Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum insbesondere mit den drei Spezialisierungsfeldern der RIS3-Strategie Thüringen, „Nachhaltige und intelligente Mobilität und Logistik“, „Gesundes Leben und Gesundheitswirtschaft“ sowie „Nachhaltige Energie und Ressourcenverwendung“, zu verzahnen. Die im Rahmen der Digitalstrategie entwickelten Maßnahmenvorschläge binden dabei die in den Spezialisierungsprofilen der RIS3-Strategie Thüringens aufgezeigten Themen ein, u.a. Verkehrssysteme/Verkehrstechnik, Logistik, Gesundheit und Altern sowie Energieeffizienz und -einsparung. Im Folgenden sind erste Ideen aufgezeigt, wie Thüringen im Bereich Digital vernetzte Stadt und vernetzter ländlicher Raum weitere Entwicklungsimpulse setzen kann.

4.1 Digitale Städte für Thüringen

Zahlreiche Städte Thüringens legen bei der Stadtentwicklung hohen Wert auf Emissionsreduktion und Senkung des innerstädtischen Verkehrs durch Verkehrsflussoptimierung (z.B. Luftreinhalteplan Gera), Ausbau der Fahrradinfrastruktur (z.B. Radverkehrskonzept in Jena, Verkehrsentwicklungsplan Erfurt), Ausbau von öffentlich verfügbarem WLAN (z.B. Weimarnetz, Freifunk Community Gera) oder den Zuzug neuer Einwohner (z.B. Einwanderungsstrategie Thüringen). Die weitere Digitalisierung von Thüringer Städten kann einen positiven Beitrag zum Erreichen dieser Ziele leisten.

Durch die hohe Konzentration von Optik- und Photonikunternehmen im „Optical Valley“ der „Lichtstadt“ Jena hat Thüringen zudem besondere Potenziale zur Markenbildung und Technologieanwendung im Themenfeld „Sensorenstadt“. Das Konzept einer „Sensorenstadt“ ist beispielsweise im spanischen Santander bereits Realität. Seit 2009 wurde die Hafenstadt mit 12.000 Sensoren u.a. im Straßenverkehr ausgestattet, um typische Probleme moderner Städte wie stockende Verkehrsflüsse und lange Parkplatzsuche zu lösen (NDR, 2014). Eine visionäre Sensorenstadt wird dabei vernetzt gedacht und liefert perspektivisch Lösungen in Handlungsfeldern wie Mobilität, Sicherheit, Versorgung und Gebäude (siehe Schaubild 8).

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Schaubild 8: Beispiele der digitalen Vernetzung einer Stadt dank Sensorik

Mögliche Ziele:

Mögliche Ziele im Bereich vernetzte Stadt für Thüringen könnten unter anderem sein:

• Erhöhte Lebensqualität durch Verkehrsflussoptimierung und Emissionsreduktion. Die Vernetzung von Städten Thüringens (v.a. Oberzentren) kann einen substanziellen Beitrag zur Reduktion von Emissionen leisten. So kann die intelligente Vernetzung und Steuerung der Stadt mit Sensoren dazu beitragen, unnötige Standzeiten im Verkehr zu reduzieren und Innenstädte zu Stoßzeiten zu entlasten. In einer Stadt mit digitaler Verkehrsflussoptimierung erreichen die Menschen schneller, sicherer und stressfreier ihr Ziel.

• Attraktivitätssteigerung Thüringer Hochschulstädte. Ein mögliches Ziel ist die Steigerung des Anteils der Radfahrer am Gesamtverkehrsaufkommen in Thüringer Städten bis 2020. Die Fahrradnutzung in Thüringen ist teilweise noch gering, selbst in Jena, in der ca. 17% der Einwohner Studierende sind, machen Radfahrer nur 9% des Gesamtverkehrsaufkommens aus (Stadt Jena, 2013). Jena hat sich bereits als Ziel gesetzt, das Radfahraufkommen bis 2020 auf 16% zu erhöhen (Stadt Jena, 2013). Neben höherer Fahrradfreundlichkeit dient beispielsweise der Ausbau des öffentlich verfügbaren WLANs der Attraktivitätssteigerung von Studentenstädten (z.B. von Erfurt, Jena, Weimar).

• Reduktion der Parkplatzsuchzeit. Die Suche nach Parkraum verursacht in den Altstädten Deutschlands bis zu 40% des Verkehrsvolumens (Quantum Immobilien AG, 2012). Mit einer intelligenten Parkraumsteuerung können Emissionen und unnötige Suchzeiten gesenkt und der Parkraum optimiert werden. Die Senkung des Anteils der

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Parkraumsuchenden am städtischen Gesamtverkehrsaufkommen und die Erhöhung der digitalen Anwendungen bei der Parkraumbewirtschaftung sind daher weitere mögliche Ziele.

Bestehende Aktivitäten:

Die Digitalstrategie kann auf bereits umgesetzten Initiativen im Bereich Vernetzte Stadt aufbauen:

• Foren zum Thema Mobilitätskonzepte des Thüringer Clustermanagements. Beispielhafte Themen sind Verkehrsflussoptimierung, integrierte Verkehrsmodelle sowie intermodale Mobilität (ThCM, 2016).

• Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer. Das „Leitbild Radverkehr“ der Stadt Jena setzt erste Ziele zur Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer bis 2020 (Stadt Jena, 2013).

• Installation von LED Straßenbeleuchtung. Zur Einsparung von 75% der bisherigen Stromkosten für Straßenbeleuchtung stellt die Stadt Meiningen 3.300 Straßenlaternen auf LED Beleuchtung um (MDR, 2016).

• Installation von WLAN Hotspots. Der Weimarnetz e.V. betreibt 60 kostenlose WLAN-Hotspots in Weimar.

Neue Maßnahmenideen:

Anknüpfend an den bereits bestehende Maßnahmen bieten sich für Thüringen folgende Initiativen bzw. Pilotprojekte an. Diese sind als erster Vorschlag zu verstehen

• Smart City in Thüringen. Die Entwicklung eines Smart City Pilotprojekts in einem Thüringer Oberzentrum erlaubt es, erste Maßnahmenideen zu testen und diese bei erfolgreicher Umsetzung zu vertiefen und gegebenenfalls auf weitere Kommunen zu übertragen. Unter der Nutzung von Ausschreibungen auf nationaler und EU Ebene (z.B. Horizont 2020) kann ein Thüringer Oberzentrum zu einer digitalen Modellstadt ausgebaut werden und als bundesweites Leuchtturmprojekt agieren. Das Thema Digitale Stadt sollte im Beteiligungsprozess mit relevanten Umsetzungsakteuren – idealerweise im Rahmen einer Pilotstadt – vertieft werden.

• Die Straßenlaterne wird intelligent und multifunktional. Die intelligente Straßenlaterne ermöglicht die Zusammenführung wesentlicher Elemente digitalen Infrastrukturaufbaus in einem Instrument: die LED-Leuchte reagiert auf Bewegung oder Lichteinfall, sodass sich die Helligkeit nach dem Bedarf richtet. Auf dem Markt verfügbare Modelle verfügen zudem über einen WLAN-Hotspot, die Möglichkeit, Handys kabellos aufzuladen, einen Notrufknopf (zur Rettungsleitstelle) sowie Sensoren zur Messung von Umweltparametern wie Feinstaub. Über ihr Energieeinsparpotenzial von 50-75% (Europäische Kommission, 2016) hinaus wird die Lampe durch eine Finanzierung im Rahmen des „Humble-Lampposts“-Programms der EU-Kommission attraktiv, das für 10 Mio. intelligente Straßenlaternen in Europas Städten sorgen soll (siehe Schaubild 9).

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Schaubild 9: Die intelligente Straßenlaterne für die digitale Stadt (Europäische Kommission, 2016)

• Die Stadt wird zur Fahrradstadt – mittels Sensoren. Als gute Praxis in diesem Bereich gilt Kopenhagen, das wiederholt als fahrradfreundlichste Stadt der Welt eingestuft wurde (u.a. auf dem namensgleichen „Copenhagenize Index“ fahrradfreundlichster Städte). 2013 nutzten dort 36 % der Einwohner für die Fahrt zur Arbeit, Schule oder Universität das Rad. Um den Anteil weiter zu steigern, wurde u.a. eine digital unterstützte Fahrrad-Priorisierung im Verkehr eingeführt – das Grüne-Welle-2.0-Verkehrsleitsystem erkennt heranfahrende Fahrradfahrer mittels Sensoren und gibt ihnen an Ampeln Vorrang. Zudem verbessern digitale Lösungen die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen: Persönliche RFID-Chips werden an Fahrrädern angebracht und helfen städtischen Mitarbeitern und der Polizei bei der Identifikation gestohlener Fahrräder (The 2015 Copenhagenize Index, 2015).

• Das Parkproblem lösen – dank Parken 4.0. Die intelligente Lösung des Parkproblems hat entscheidend zur erfolgreichen Profilierung Santanders als digitale Vorreiterstadt beigetragen. Diese in Deutschland weitestgehend noch nicht umgesetzte Praxis kann sich eine Thüringer Sensorstadt zunutze machen. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist hierbei die digitale Vernetzung mit zentralen Parkleitsystemen. In Santander wurden 400 Sensoren im Boden unter Parkplätzen installiert (Die Welt, 2016). Erfasste Daten fließen an ein zentrales Koordinierungssystem. LED-Anzeigen an Knotenpunkten bzw. GPS-Signale im Auto leiten den Fahrer zu den jeweils freien Parkplätzen. Das sensorgestützte Leitsystem wird dadurch ergänzt, dass man per Park-App nicht nur den Parkschein digital bezahlen oder die Parkdauer verlängern kann, sondern die Daten zugleich an ein zentrales Koordinierungssystem fließen. Auf diese Weise können auf der Park-App stadtweit freie Parkplätze anzeigt werden. Ein weiterer Schritt kann eine digital unterstützte Parküberwachung sein. In Anpassung eines z.B. in Moskau praktizierten Systems können die Nummernschilder geparkter Autos durch Kameras erfasst werden. Ein zentrales System überprüft, ob das Auto ordnungsgemäß in der betreffenden Zone parkt und die Parkfrist eingehalten ist (z.B. durch Datenaustausch zwischen Nummernschild und Bezahl-App) (siehe Schaubild 10).

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Schaubild 10: Parken 4.0 in der digitalen Stadt

4.2 Digitale Vernetzung des ländlichen Raums

Bereits heute leben 58% der Bürgerinnen und Bürger Thüringens auf dem Land (Destatis, 2014). Die schrumpfende Bevölkerung sowie der stark steigende Anteil der über 64-Jährigen, die oft in Einpersonenhaushalten leben, machen die Sicherung von Mobilität, Gesundheit und Versorgung zu zentralen Handlungsbereichen der Digitalisierung im ländlichen Raum. Ansatzpunkte sind dabei beispielsweise digital unterstützte, adaptive Mobilitätslösungen (z.B. Rufbusse, Online-Mitfahrzentralen), ein leichterer Zugang zu medizinischer Versorgung durch digital optimierte Rettungsketten, digital unterstütztes Einkaufen für Ältere sowie mehr gesellschaftliche Teilhabe durch digitale Kulturangebote oder mobile Verwaltungsbüros.

Insbesondere die digitale Unterstützung der Patientenversorgung mit direkterem und schnellerem Zugriff auf Fachärzte birgt große Chancen für den ländlichen Raum und die alternde Bevölkerung. Telemedizinische Lösungen erhöhen nicht nur die Behandlungsqualität und den Komfort, sie erlauben auch eine deutlich günstigere Versorgung. Die Offenheit älterer Menschen für neue E-Health-Technologien ist dabei relativ hoch: Schon heute nutzt mehr als ein Drittel der 60- bis 69-Jährigen das Internet zur Kommunikation mit Arzt und Kasse, und mehr als 70% planen, dies in Zukunft zu tun (McKinsey & Company, 2014).

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens umfasst unter anderem die Verbesserung der ärztlichen Versorgung in Notfällen (z.B. schnelle Helfer vor Ort), die Optimierung der Rettungskette durch bessere Vernetzung von Rettungsleitstellen, die Vereinfachung der ambulanten Versorgung durch Onlinesprechstunden sowie den digitalen Austausch von Daten zwischen Patient, Arzt und Apotheke (siehe Schaubild 11).

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Schaubild 11: Digitalisierung des Gesundheitswesens setzt bei vordringlichsten Aspekten der Arzt-Patienten-Beziehung an (Pharmazeutische Zeitung Online, 2013)

Mögliche Ziele:

Mögliche Ziele zur verbesserten Digitalisierung des ländlichen Raums sind:

• Erhöhung der Mobilität auf dem Land durch mehr adaptive, digital unterstützte Mobilitätslösungen. Um besonders der älteren Bevölkerung mehr Teilhabe zu ermöglichen, könnte bis 2020 in Thüringen die Nutzerzahl von adaptiven Mobilitätskonzepten wie dem Rufbus erhöht werden. Einfache digitale „Ein-Knopf-Lösungen“ oder intuitiv bedienbare Apps zum Ruf von Taxi oder Rufbussen können den Mobilitätskomfort substanziell erhöhen. Digital organisierte Fahrgemeinschaften („Online-Mitfahrzentrale“) ergänzen das ländliche Mobilitätsangebot vor allem für Jüngere und erhöhen die Attraktivität des ländlichen Raums.

• Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum durch

Digital unterstützte Reduktion der Hilfsfristen: Durch eine besser abgestimmte Rettungskette oder digital unterstützten Formen der Ersthilfe kann bis 2020 die Zeit zwischen Eintritt des Notfalls und Behandlung in Thüringen reduziert werden. Damit kann ein Beitrag geleistet werden, die gesetzliche festgelegte Hilfsfrist in dünn besiedelten Gebieten in Thüringen von heute 17 Minuten zu verringern (Forplan Dr. Schmiedel GmbH, 2010).

Vereinfachten Patientenkontakt: Um die geringere Ärztedichte auf dem Land (im Landkreis Sömmerda z.B. kommt ein praktizierender Arzt auf rund 1.600 Einwohner, in der Stadt Erfurt auf rund 1.200 (Landesärztekammer Thüringen, 2015)) zu verbessern, soll bis

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2020 das Angebot an Onlinesprechstunden in Thüringen via Videosprechstunde erhöht werden. Die Anzahl der angemeldeten Ärzte auf einer Plattform für Online-Sprechstunden sollte kontinuierlich gesteigert werden.

• Bessere Versorgung aus der Luft: In ländlichen Regionen mit langen Wegen bieten Drohnen mittelfristig Potenzial, die Lieferkette kostengünstiger zu gestalten. In Zukunft werden voraussichtlich ca. 80% des letzten Schrittes der Lieferkette bei der Paketzustellung durch autonome Luftfahrzeuge wie Drohnen oder autonome Bodenfahrzeuge durchgeführt (McKinsey & Company, 2016). Der Freistaat Thüringen kann hier als Unterstützer agieren und durch eine Bundesratsinitiative einen begünstigenden Rechtsrahmen schaffen.

Bestehende Aktivitäten:

Die Digitalstrategie kann auf existierenden Lösungen in Thüringen aufbauen. Das sind unter anderem:

• „Virtuelle Mobilitätszentrale“ in Thüringen. Die bis Ende 2016 eingeführte „Thüringer Mobilitätszentrale“ schafft Transparenz über Reisewege.

• Rufbusse. Rufbusse wie die der Regionalbusgesellschaft KomBus GmbH erlauben semi-flexible Mobilität. Mit der entsprechenden KomBus-App können unterwegs alle Informationen über aktuelle Abfahrtzeiten, Fahrpläne und Tarife abgerufen werden.

• Online Ärzteportal „Patientus“. Erste Ärzte aus Thüringen sind bereits beim online Sprechstundenportal Patientus.de angemeldet (Stand August 2016).

Mögliche Maßnahmen:

Zum Erreichen der Ziele und damit einer besseren ärztlichen Versorgung sowie höheren Mobilität der Bewohner des ländlichen Raums können die folgenden Maßnahmenvorschläge beitragen.

• TaxiPool Thüringen. Diese App könnte Ideen aus (teils umstrittenen) privatwirtschaftlichen Modellen wie uberPOOL (USA und Großbritannien) oder UbiGo (Schweden) übernehmen, aber in Kooperation mit den heimischen Taxifahrern und unter Nutzung der Taxihoheit des Landes weiterentwickeln. Taxifahrer bauen dabei eine zentrale App-Infrastruktur auf, die ein Fahrgemeinschaftssystem („Pooling“) zulässt. Diese App erkennt, wenn angefragte Wege Überschneidungen aufweisen und lässt eine gesammelte Taxifahrt von bis zu drei Bestellern ähnlicher Route zu, wodurch die Kosten für die Fahrten signifikant reduziert werden. Zusätzlich könnten subventionierte Festpreise ins nächstgelegene Oberzentrum oder Finanzierungssysteme wie Zeitabonnements (ähnlich wie UbiGo) ausprobiert werden.

• Regionale Mitfahr-App. Für Bevölkerungsgruppen, die in Stoßzeiten in ähnliche Richtungen unterwegs sind und tendenziell eher zu freiwilliger Mitnahme anderer bereit sind (z.B. Pendler, jugendliche Partygänger) bieten sich Applikationen ähnlich der App „BlaBlaCar“ an, bei denen sich freiwillige Fahrer und potenzielle Kunden registrieren und Anfragen und Angebote für nächtliche Fahrten einstellen. Im Tannheimer Tal in Tirol hat dieses gemeinschaftliche Konzept bereits 1.000 Nutzer bei 3.010 Einwohner gefunden (vgl. Dienstplan auf www.talfuhrwerk.at) (talfuhrwerk.at, 2016).

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• Ersthelfer-App "Mobile Retter". Mit der flächendeckenden Einbindung Thüringens in das Modellprojekt Ersthelfer-App "Mobile Retter" kann die professionelle Notfallerstversorgung noch vor Eintreffen der Rettungskräfte verbessert werden. Über ein innovatives Alarmierungssystem der Notrufzentrale 112 kann zeitgleich zum Notarzt ein sich ggf. in unmittelbarer Einsatznähe befindlicher, medizinisch qualifizierter Ersthelfer über sein Smartphone aufgespürt und alarmiert werden. Mögliche Ersthelfer sind Krankenschwestern, Pfleger, Sanitäter, Rettungsassistenten, Feuerwehrkräfte, DLRG-Schwimmer oder Ärzte. Die Ersthelfer leiten unmittelbar qualifizierte Hilfsmaßnahmen ein, bis der Rettungsdienst eintrifft. Trotz längerer Hilfsfrist im ländlichen Raum kann so eine schnelle medizinische Versorgung gewährleistet werden. Als Erfolgsindikator für die Maßnahme ist die Anzahl der absolvierten Einsätze über die Notfall-App zu erfassen (mobile-retter.de, 2016).

• Digital optimierte Einsatzleitstellen. Der Einsatz eines Big-Data-gestützten Simulationsmodells für Rettungsleitstellen kann helfen, die Hilfsfrist einzuhalten bzw. zu verkürzen, ohne dass zusätzliche Ärzte oder Einsatzmittel erforderlich würden. Eine Softwarelösung, die bereits im Kanton St. Gallen erprobt wurde, kann Spitzenzeiten bzw. Regionen mit besonderer Notfallhäufung und/oder besonders langen Hilfsfristen analysieren und ermöglicht somit den Leitstellen die Dispositionsstrategie der Rettungsfahrzeuge anzupassen. Auch die künftige Einsatzplanung lässt sich auf diese Weise datenbasiert optimieren (Rüttimann & Bildstein, 2012). Als Erfolgsindikator bietet sich die Reduzierung der gesetzlichen Hilfsfristen auf dem Land an.

• Flächendeckendes Angebot von Online-Sprechstunden. In Zusammenarbeit mit Kassenärztlicher Vereinigung und Kassen kann Thüringen ein Pilotprojekt zum Ausbau der Videosprechstunden anregen. Online-Sprechstunden erlauben es Arzt und Patient, zu jeder Zeit und an jedem Ort miteinander zu kommunizieren; der Aufwand der Anfahrt entfällt. Auf bereits existierenden Onlineportalen (z.B. Patientus, Telemedizin Nord) können Patienten nach einem Arzt für ihr Anliegen suchen und bei ihrem Wunsch-Arzt einen Termin für eine Video-Sprechstunde buchen. Thüringen kann, ggf. über Bundesratsinitiativen, bei der Lösung bisheriger Anlaufschwierigkeiten mitwirken, u.a. bei Ausnahmeregelungen beim Fernbehandlungsverbot. Ein Erfolgsindikator wäre die Erhöhung der Anzahl an Ärzte in Thüringen mit Online-Video-Sprechstunden z.B. aus der Plattform Patientus (patientus.de, 2016).

• Bessere Versorgung aus der Luft. In Deutschland wird ein Wachstum von mind. 5% pro Jahr der Lieferungen aus der Luft mit Drohnen erwartet (McKinsey & Company, 2016). Obwohl bislang nur Waren bis 15kg transportiert werden können und die Drohnen viel Platz bei der Landung brauchen, bietet diese Art der Lieferung gegenüber klassischen Liefervarianten diverse Vorteile. So sind wegen geringerem Personalbedarf kostensparende Lieferungen möglich und durch den Wegfall von Verkehrshindernissen ist die Angabe präziser Lieferzeitfenster ausführbar. Gerade in ländlichen Bereichen, wo häufig lange Wege zurückgelegt werden müssen, bieten Drohnen großes Potenzial, die Lieferkette kostengünstiger zu gestalten und dabei auch noch Emissionen zu senken. Der Freistaat Thüringen kann hier als Unterstützer agieren und durch eine Bundesratsinitiative einen begünstigenden Rechtsrahmen schaffen.

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4.3 Weitere Handlungsfelder (Digitale Kultur, Intelligente Energie)

Digitalisierung des kulturellen Angebots Mit dem Klassischen Weimar (inkl. Goethe-Schiller-Archiv, Anna-Amalia-Bibliothek, Nietzsche-Archiv), dem Bauhaus in Weimar und der Wartburg in Eisenach weist Thüringen drei UNESCO-Weltkulturstätten von nationaler und internationaler Bedeutung auf. Zentrale Chancen der Digitalisierung im Bereich Kultur sind vor allem die Bestandsdigitalisierung aus konservatorischen Gründen beispielweise von altertümlichen handschriftlichen Dokumenten und zur vereinfachten wissenschaftlichen Nutzung sowie der digital vereinfachte Zugriff auf Kulturgüter für die breite Bevölkerung. Grundlagen dafür haben bereits bestehende Maßnahmen im Bereich Open-Access der Thüringer Bibliotheken sowie zahlreiche erfolgreiche Apps im Bereich Kultur aus Thüringen geschaffen, wie die App Luther to go (luther2017.de, 2016).

Neue Maßnahmenideen können beispielsweise eine verstärkte Open-Access Kooperation der Thüringer Bibliotheken in den Blick nehmen. Im Bereich digital unterstütztes Kulturerlebnis kann eine zentrale Landes-App „Große Geschichte(n) in Thüringen“ dem kulturellen Empfehlungsmarketing auch für den ländlichen Raum (Goethe in Weimar, aber auch Schloss Kochberg in Großkochberg) dienen, das Erlebnis an den zahlreichen bedeutsamen Orten Thüringens durch erweiterte Realität anreichern und individuelle Themenrouten anbieten. Im Bereich der performativen Kunst bietet sich der Aufbau eines Kulturportals Thüringen für Live-Übertragungen und ein Medien--Archiv für Thüringer Festivals, Theater- und Musikaufführungen an.

Intelligente Energie- und Wasserversorgung

Die Digitalisierung von Prozessen und ganzen Betrieben, die Entwicklung von auf Informations- und Datenverarbeitung basierenden Produkten und Dienstleistungen sowie Kollaborationen über digitale Plattformen bieten enorme Optimierungs-, Effizienz- und Kosteneinsparpotenziale und Chancen zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle der Energiewende. Durch intelligente Anwendung der IKT, wie bspw. bei Verkehrsflusssteuerung, Mobilitätskonzepten und datenbasierter Regulierung ganzer Gebäude („Smart Home“), ergeben sich zudem Möglichkeiten zur Senkung von Emissionen und Ressourcenverbrauch, die auch positive Effekte für den Verbraucher mit sich bringen. Die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, dem Ausbau intelligenter Stromnetze („Smart Grid“) und der vom Bundestag im Juni 2016 beschlossenen flächendeckenden Einführung von intelligenten Stromzählern („Smart Meter“) bis 2032 in Deutschland erste Maßnahmen zur Nutzung dieser Chancen ergriffen. Im Rahmen des anstehenden Beteiligungsprozesses sollten diese Themenfelder thüringenspezifisch adressiert und ggf. zusätzliche Maßnahmen in enger Abstimmung mit Umsetzungsakteuren wie den Stadtwerken entwickelt werden.

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5 Lernbereiter: Leitthema „Bildung und Forschung digital“

Thüringen hat seine sehr gute Position in Ländervergleichen über alle Bildungszweige in den letzten Jahren gefestigt. Beispielsweise belegte Thüringen im Jahr 2013 im IQB-Ländervergleich zur mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I in allen betrachteten Fächern einen der vorderen drei Ränge im bundesweiten Vergleich (Pant, 2013). Thüringer Hochschulen, wie die TU Ilmenau sind in renommierten Hochschulrankings, wie beispielsweise dem CHE-Hochschulranking regelmäßig auf vorderen Plätzen vertreten.

Im deutschlandweiten Vergleich hat Thüringen allerdings eine hohe Auflösungsquote von Ausbildungsverträgen (29% gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 24,4%, Destatis, 2013) und eine geringere Weiterbildungsbereitschaft (65% gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 75%, Commerzbank, 2016). Hier wie in anderen Bereichen kann der Kompetenzaufbau in der Bildung digital unterstützt werden. Die Digitalisierung bietet über alle Bildungszweige hinweg drei zentrale Hebel:

• Nutzung digitaler Lern- und Lehrformate („digital lernen“). Thüringens Bildung steht im deutschlandweiten Wettbewerb und muss dabei nicht zuletzt den wachsenden Anforderungen an moderne, interaktive Lehrformate gerecht werden. Lernen und Lehren mit Hilfe digitaler Medien und datenbasierten Anwendungen kann den Kompetenzaufbau über alle Zweige hinweg unterstützen, u.a. über personalisiertes Lernen, virtuelle Lernräume, soziale Lernplattformen und Simulationswerkzeuge (siehe Schaubild 12).

Schaubild 12: Klassisches Lernen wird durch neue Formate angereichert

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• Ausbau von Digitalisierungskompetenzen („Digitalisierung lernen“). In der Arbeitswelt 4.0 werden grundlegende analytische Tätigkeiten und Routineaufgaben zunehmend automatisiert werden. Akademische Tätigkeiten verlagern sich hin zu Konzeption, Kontrolle und Bewertung von automatisierten Analysen (Stifterverband, 2016); auch die Qualifikationsanforderungen an Fachkräfte werden steigen. Diese neuen Anforderungen an Berufe erfordern eine veränderte berufliche und akademische Ausbildung: Digitales Know-how wird zu einer neuen entscheidenden Querschnittsfähigkeit. So geben branchenübergreifend 62 % der Unternehmen an, dass Kenntnisse im Umgang mit digitalen Technologien bei der Auswahl zukünftiger hoch qualifizierter Mitarbeiter eine wesentliche Rolle spielen (Stifterverband, 2016). Die Bedeutung von Weiterbildung, Umschulung und beruflicher Fortbildung („lebenslanges Lernen“) wird für Fach- und Führungskräfte weiter zunehmen.

• Digitalisierung administrativer Prozesse in Bildungseinrichtungen. Die Bevölkerung erwartet von ihren Bildungseinrichtungen heute zunehmend schlanke und „kundenfreundliche“ Verwaltungsprozesse. Viele Institutionen vor allem im internationalen Umfeld (z.B. die London School of Economics and Political Science) bieten bereits umfassende Online-Services an – von der Bewerbung über online abrufbare Lehrmaterialien bis hin zur Abmeldung kann die gesamte Kommunikation zwischen Hochschulen und den Studierenden zentral auf einer Online-Plattform erfolgen. Neben Hochschulen können auch Schulen und Weiterbildungsinstitutionen durch verschlankte administrative Prozesse effizienter agieren.

Ein weiteres Handlungsfeld mit großem Digitalisierungspotenzial ist die Forschung und der Transfer von Wissen in die Thüringer Wirtschaft. Fortgeschrittene Analytik („Advanced Analytics“) bietet bspw. durch datenbasierte Entwicklung neuer Auswertungs- und Vorhersagealgorithmen die Chance, neue Forschungsideen zu entwickeln und sich neue Erkenntnisse zu erschließen. Digitalisierung der Wissenschaft eröffnet neue Möglichkeiten in der Forschung und stärkt deren Fähigkeit, grundlegende Beiträge zur innovativen Weiterentwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten.

5.1 Digitaler Kompetenzaufbau in der Schule

Im Bereich der Schulbildung gilt Thüringen als eines der profiliertesten Bundesländer Deutschlands. Die Betreuungsquote liegt mit 19,2 Schülern pro Lehrer deutlich besser als der Bundesdurchschnitt von 23,5 Schülern pro Lehrer (Destatis, 2016b). Thüringer Lehrkräfte setzen zunehmend auf Leistungsverbesserung auch durch „digitales Lernen“. Thüringen ist im bundesweiten Vergleich bei der Nutzungshäufigkeit digitaler Medien im Unterricht auf Platz vier (Deutsche Telekom Stiftung, 2015). Kinder können durch „Digitalisierung lernen“, schon in jungen Jahren spielerisch erste Erfahrungen mit der digitalen Welt machen und numerische, sprachliche und motorische Kompetenzen trainieren. Der frühzeitige Kontakt zu Informations- und Kommunikationstechnologien wie auch zu Naturwissenschaften sensibilisiert und qualifiziert Kinder und Jugendliche zudem frühzeitig für eine mögliche Berufs- und Studienwahl in diesen Bereichen. Auch die Kommunikation zwischen berufstätigen Eltern, Erziehern oder Lehrern lässt sich durch digitale administrative Formate vereinfachen.

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Mögliche Ziele: Verbesserung digitaler Kompetenzen und der digitalen Ausstattung an Kindergärten und Schulen

Zum digitalen Kompetenzaufbau in der Schule sind folgende Ziele denkbar:

• Personalisiert lernen. Digitalisierung kann Lernen effektiver gestalten. Als ein Ziel bietet sich daher an, bis 2020 neben tradierten Medien auch situationsbedingt und altersgerecht digitale Medien in Kindergarten und (Vor-)Schule einzusetzen. Digital unterstützter Kompetenzaufbau kann der individuellen Förderung von Talenten dienen.

• Innovatives Denken fördern. Zur Entwicklung von innovativen Ideen und zur Steigerung des Bewusstseins für die Digitalisierung, kann ein „Innovationswettbewerb“ beitragen. Als Beispiel kann hier der „Forschergeist“-Wettbewerb der Telekom-Stiftung dienen.

• Heranführung an Digitalisierung. Sinnvoll als Ziel der Thüringer Strategie ist zudem, den Aufbau digitaler Kompetenzen bis 2020 stärker mit den in den Lehrplänen festgelegten Zielen zu verknüpfen.. In einer sich stark verändernden Welt lernen Kinder so von klein auf mit neuen Technologien verantwortungsvoll umzugehen.

Bestehende Aktivitäten:

Die Digitalstrategie kann auf existierenden Lösungen in Thüringen aufbauen. Das sind unter anderem:

• Kurs Medienkunde. Thüringen hat 2001 als erstes Bundesland den verbindlich zu unterrichtenden Kurs „Medienkunde“ mit dem Ziel der Medienkompetenzentwicklung für die Klassen 5 - 7, ab 2009 bis Klassenstufe 10, eingeführt.

• Lehrerfortbildung. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILM) bietet sowohl Fortbildungsveranstaltungen zur Steigerung der digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte als auch zum Einsatz von digitalen Medien in den einzelnen Unterrichtsfächern an.

• Medienschulen. ThüringerMedienschulen sind Schulen, die in der Arbeit mit digitalen Medien einen Schwerpunkt ihrer Schulentwicklung sehen. Sie sind Vorreiter und Ansprechpartner für andere Schulen.

Mögliche Maßnahmen zum Kompetenzaufbau und digital unterstütztes Lernen:

Folgende Maßnahmenideen bieten sich an:

• Inhaltliche Weiterentwicklung des Kurses Medienkunde. Die Kursplanziele werden im Einklang mit dem technischen und technologischen Fortschritt, dem aktuellen Stand des Wissens und den damit verbundenen digitalen Möglichkeiten weiterentwickelt. Konkrete Schritte ergeben sich aus der zurzeit laufenden Evaluierung des Kurses durch die Technische Universität Ilmenau.

• Entwicklung und Bereitstellung digitaler Werkzeuge. Diese Werkzeuge können Schulen (und in anderer Form Kindergärten) kostenlos an die Hand gegeben werden. So sollen digitale Lernplattformen aufgebaut werden, die zur Aufgabenverwaltung, Evaluation,

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Bereitstellung weiterer Lernmaterialien sowie zur Erleichterung der Kommunikation zwischen den Schülern sowie zwischen Schülern und Lehrern eingesetzt werden. Es erfolgt ein weiterer Ausbau der Mediothek des Thüringer Schulportals (TSP), wo Lernobjekte in Form von Open Educational Resources (OER) zu allen Unterrichtsfächern für Thüringer Lehrkräfte angeboten werden. Möglich ist auch die Entwicklung und Bereitstellung interaktiver Lern-Apps, die sich dem individuellen Lernerfolg und somit bedarfsgerecht den Bedürfnissen der Schüler anpassen.

• Einführung eines Wettbewerbs „Schule der Zukunft“. Ähnlich der Auszeichnung MINT-freundlicher Schulen durch die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT) kann ein Wettbewerb ausgeschrieben werden, bei dem sich Thüringer Schulen bewerben, die im Einsatz schulischer digitaler Medien besonders erfolgreich sind. Schulen, die zuvor festgelegte Kriterien erfüllen, können so ein Siegel „erhalten. Die besten Schulen werden zusätzlich prämiert.

• Ausweitung der Lehrerfortbildung. Das Angebot des ThILM kann bedarfsgerecht ausgeweitet werden, um Lehrkräfte flächendeckend und fachübergreifend im Bereich Digitalisierung weiterzubilden.

5.2 Digitaler Kompetenzaufbau in beruflicher Bildung und Weiterbildung

Digitale Lern- und Lehrformate können ebenfalls den Kompetenzaufbau in beruflicher Bildung und Weiterbildung unterstützen. Ein flexibleres und attraktiveres Curriculum durch digital unterstütztes Lernen könnte dazu beitragen, dass in Thüringen weniger Ausbildungsverträge aufgelöst werden und mehr Arbeitnehmer berufliche Fortbildungen auch berufsbegleitend wahrnehmen können. „Digital lernen“ bietet gerade in der Aus- und Weiterbildung großes Potenzial. Es ermöglicht Auszubildenden und Arbeitnehmern, standort- und zeitunabhängig zu lernen. Flexible Bildungsangebote lassen sich modular in den Arbeitsalltag integrieren, Präsenzphasen entfallen. Bildungsformate um „Digitalisierung zu lernen“ vermitteln zudem im dualen System und in der Weiter-/Fortbildung digitale Grundfertigkeiten und ermöglichen Fach- und Führungskräften eine Höherqualifizierung, die angesichts der bevorstehenden Änderungen in der Arbeitswelt notwendig wird (zunehmende Automatisierung der Tätigkeiten). Zum langfristen Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit sind hier auch Arbeitgeber zunehmend gefragt, ihren Arbeitnehmern Entwicklungsmöglichkeiten und Freiräume für Fortbildungen zu schaffen.

Mögliche Ziele: Digitale Formate reichern Kompetenzaufbau in beruflicher Bildung und Weiterbildung an

Mögliche Ziele im Bereich Aus-, Weiter- und Fortbildung für Thüringen könnten unter anderem sein:

• Teilersatz der Präsenzphasen. Bis 2020 kann in der Weiter- und Fortbildung ein Großteil des theoretischen Unterrichts standort- und zeitunabhängig erfolgen. 61% der branchenübergreifenden Unternehmen sind der Ansicht, dass Lernen an unterschiedlichen Lernorten stärker ermöglicht werden muss (Stifterverband, 2016). Vor allem für den Thüringer Mittelstand ist es schwierig, Mitarbeiter für eine lange Zeit freizustellen. Durch die flexible Gestaltung des Unterrichts lassen sich Beruf und Fortbildung einfacher miteinander vereinbaren und Herausforderungen wie geringe Weiterbildungsbereitschaft adressieren.

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• Digitale Grundlagen für Schüler und Berufsschüler. Die meisten Berufe werden durch die Digitalisierung stark verändert. Bis 2020 kann diese Entwicklung durch die verbindliche Vermittlung digitaler Grundkompetenzen an jeden Berufsschüler Thüringens adressiert werden.

• Zertifizierungen Industrie 4.0. Bis 2020 kann ein Großteil der Mitarbeiter des industriellen Mittelstandes in Industrie-4.0-Kompetenzen zertifiziert werden. Neue Anforderungen an die Arbeit können so schnell und effektiv adressiert werden. Mitarbeiter können sich bedarfsgerecht weiterentwickeln.

• Digitale Grundlagen für Senioren. Im Jahr 2020 könnten deutlich mehr ältere Menschen in Thüringen das Internet sicher nutzen. Um altersübergreifend die Nutzung des Internets zu ermöglichen, sollte das in Thüringen bestehende Angebot an VHS Computerkursen ergänzt und online „Tutorials“ stärker beworben werden.

Bestehende Aktivitäten:

Es bestehen bereits erste Digitalisierungsmaßnahmen in beruflicher Bildung und Weiterbildung:

• Bestehendes Kursangebot. Die Volkshochschulen und IHKs bieten bereits ein breites Curriculum sowohl an digitalunterstützten Kursen als auch an Kursen zum digitalen Kompetenzaufbau an (siehe z.B. IHK Erfurt, Kursprogramm 2016).

• Informatikunterricht an Berufsschulen. Das Curriculum der Berufsschulen sieht den Aufbau digitaler Kompetenzen zum Teil bereits vor. Neben dem Informatikunterricht werden ausbildungsspezifisch digitale Kompetenzen vermittelt.

Mögliche Maßnahmen zur Reduktion der Präsenzphasen und zur Steigerung der digitalen Kompetenzen:

• Entwicklung eines „digitalen Werkzeugkastens“. Um die Vorteile des digitalen Lernens zu nutzen, kann staatlichen Berufsschulen und Weiterbildungseinrichtungen ein umfassender „digitaler Werkzeugkasten“ (online und Apps) zur Verfügung gestellt werden. Ähnlich wie im Bereich der schulischen Bildung kann dieser Werkzeugkasten z.B. Werkzeuge zur Lerndiagnostik (z.B. NoRedInk an amerikanischen Schulen), zum Austausch und zur Verwaltung von Lehrmaterialien (z.B. Moodle) sowie für Evaluationen und Simulationen enthalten (z.B. Pulse!). Darüber hinaus können Onlineunterrichtskurse (z.B. angelehnt an Versal) zugänglich sein, die den Präsenzunterricht im Bereich beruflicher Bildung und Weiterbildung ergänzen.

• Zertifizierung Industrie 4.0. Mit dem Ziel, die digitalen Kompetenzen bereits berufstätiger Thüringer zu verbessern, können bis 2020 ein Großteil der Mitarbeiter des industriellen Mittelstandes in Industrie-4.0-Kompetenzen zertifiziert werden. Dazu kann eine Qualifizierungsoffensive „Thüringen Digital“ ins Leben gerufen werden, die den Aufbau digitaler Lernplattformen sowie eines auf Landesebene anerkannten Zertifizierungsprogramms umfasst. Ein Fokus könnte IT-Sicherheit für den Mittelstand sein. Die Umsetzung erfolgt in Kooperation mit EduTech-Start-Ups und Thüringer Wissensträgern.

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• Online Portal für Senioren. Zudem kann die Einführung eines Online Portals für ältere Bürger zum Aufbau von digitalen Kompetenzen pilotiert werden. Ungeübte Nutzer werden dadurch an das Internet herangeführt. Das Onlineportal bietet Schulungsmaterialien, Tipps und Hilfen, um den Austausch älterer Multiplikatoren zu fördern (digital-kompass.de, 2016).

5.3 Digitaler Kompetenzaufbau an der Hochschule

Die zehn staatlichen Hochschulen Thüringens bieten ca. 50.000 Studierenden ein breites fachliches Spektrum. Thüringer Hochschulen haben zahlreiche Digitalisierungsinitiativen mit unterschiedlicher Intensität gestartet, was auf Unterstützungsmöglichkeiten durch die Bundes- oder Landesebene hinweist (Campus Thüringen, 2016). Dabei gibt es drei zentrale Ansatzpunkte zur Digitalisierung in der Hochschule:

• „Digitales Lernen“ erlaubt den Studierenden flexibles und bedarfsgerechtes Lernen. Online verfügbare Lehrveranstaltungen können zeit- und ortsunabhängig auch mehrfach gehört werden.

• Die Studierenden können durch „Digitalisierung lernen“ auf die neuen Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 vorbereitet werden. Viele analytische Tätigkeiten werden zunehmend automatisiert und akademische Tätigkeiten verlagern sich hin zu Konzeption, Kontrolle und Bewertung von automatisierten Analysen (Stifterverband, 2016).

• Besonders Hochschulen können durch interne Prozessdigitalisierung beispielsweise Bewerbungsverfahren und allgemeine Verwaltungsaufgaben optimieren, Datenverwaltung über Portale organisieren sowie die digitale Vernetzung von Hochschul- und IT-Servicezentren als „Shared Services“ vorantreiben.

Derzeit entwickelt das Land gemeinsam mit den Hochschulen eine Strategie zur Digitalisierung an den Thüringer Hochschulen. Dieser Strategie, die bis Ende 2017 vorliegen soll, möchte das Grundlagenpapier nicht vorgreifen, weshalb die Impulse im Folgenden nur kurz skizziert sind.

Mögliche Ziele: Thüringen treibt die Digitalisierung im Hochschulbereich voran

Im Bereich der Hochschulbildung kann Thüringen unter anderem drei Ziele verfolgen:

• Ergänzung von Präsenzlernen. Bis 2020 kann in Thüringen das digitale Angebot insbesondere nicht-interaktiver Lehrformate (Frontalkurse) deutlich ausgebaut werden. Studierende können somit zeit- und ortsunabhängig Lernen und Lehrveranstaltungen mehrfach hören. Als Indikator kann der Anteil online verfügbarer Lernformate (v.a. Vorlesungen) am Curriculum verfolgt werden.

• Ausbau von Digitalisierungskompetenzen für die Arbeitswelt 4.0. Bis 2020 kann die von Hochschulen angebotene Anzahl digitaler Grundlagenkurse angehoben erhöht werden.

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Hier kann jedes Jahr der Anteil der Studierenden, die einen digitalen Grundlagenkurs belegen, gemessen werden (beispielsweise zu Grundlagen von Programmiersprachen).

• Digitalisierung der administrativen Prozesse. Bis 2020 können administrative Prozesse sowohl innerhalb der Hochschule als auch im Kontakt mit den Studierenden weiter digitalisiert werden. Als Indikator bietet sich der Anteil online abwickelbarer Verwaltungsprozesse zwischen Studierenden und Hochschule an (z.B. digitales Einreichen von Studien- und Prüfungsarbeiten, digitales Ausstellung von Scheinen etc.).

Bestehende Aktivitäten:

Erste Maßnahmen zur Digitalisierung der Hochschulen Thüringens sind bereits umgesetzt oder eingeleitet:

• Neue Professuren im Bereich Digitalisierung. An der Fachhochschule Erfurt wurden zwei, an der Universität Erfurt und der Bauhaus-Universität Weimar jeweils eine neue Professur im Bereich Digitalisierung geschaffen sowie an der Ernst-Abbe-Hochschule und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena jeweils eine digitalisierungsrelevante Stiftungsprofessur eingerichtet.

• Verbesserung der Servicequalität. Die IT-Dienste der Hochschulen, die Hochschulrechenzentren bzw. IT-Servicezentren arbeiten verstärkt zusammen. Die Hochschulrechenzentren der TU Ilmenau und der FSU Jena werden zu IT-Dienstleistungszentren für alle Hochschulen des Freistaats ausgebaut und miteinander verknüpft (Rahmenvereinbarung IV, 2015).

• Enterprise-Ressource-Planning-System. Bis zum 1. Januar 2018 führen alle Hochschulen ein neues Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP) ein. Die Koordinierung erfolgt durch einen gemeinsamen Lenkungsausschuss und das Kompetenzzentrum an der FSU Jena (Rahmenvereinbarung IV, 2015).

Mögliche Maßnahmen: Mit digitalen Formaten Lehrformate und Hochschulprozesse optimieren

Der Digitalisierung der Hochschulen können weitere Impulse gegeben werden, beispielsweise:

• Ausbau des Angebots an digitalen Grundlagenkursen. Zum fächerübergreifenden Aufbau digitaler Grundkompetenzen kann durch die Thüringer Hochschulen ein gemeinsames Kursangebot bereitgestellt werden (z.B. in IT-gestützter Kalkulation und Statistik, Programmiersprachen).

• Orientierungsstudium MINT. Ein Orientierungsstudium MINT baut auf existierenden Initiativen (z.B. „Basic Engineering School“ in Ilmenau) durch vorgezogene Pflichtpraktika und individuellem Coaching für Studienanfänger in MINT-Fächern auf. Das Orientierungsstudium kann Studierenden ein Jahr lang ermöglichen, einen individuellen Kursplan aus Veranstaltungen verschiedener MINT-Fächer zusammenzustellen. Die Veranstaltungen sollen im letztlich gewählten Studiengang anerkannt werden und, wo sinnvoll, digitale Lehrformate einschließen.

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• Anreize zum Aufbau eines niedrigschwelligen Studierenden-Verwaltungsportals. Ein Studierenden-Verwaltungsportal (z.B. "Ilmenau for you“), auf dem sich alle Verwaltungsprozesse von der Bewerbung bis zur Zahlung des Studierendenwerksbeitrages abwickeln lassen sowie Kurse gebucht und Abschlussarbeiten online eingereicht werden können, bietet Erleichterung des administrativen Aufwandes für Hochschule und Studierende.

5.4 Forschung zu digitalen Innovationen und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Der Bedarf an transdisziplinärer Grundlagen- und angewandter Forschung im Bereich Digitalisierung ist groß. Big Data und neue Formen der Datenauswertung bieten Potenzial für Forschung und Erkenntnisprozesse in der Wirtschaft. Theorien und potenzielle Geschäftsideen können schneller überprüft und Hypothesen durch neuartige Verknüpfungen aus großen Datenmengen abgeleitet werden. Zudem revolutionieren digital unterstütze Methoden die Forschung. Derzeit arbeiten 90 Forschergruppen weltweit an der Entwicklung von Softwarelösungen zur automatisierten Hypothesenbildung und zur Untersuchung von Forschungsarbeiten nach Mustern oder Trends. So können aus mehr als 50 Mio. Forschungsarbeiten die vielversprechendsten Hypothesen abgeleitet werden (Stifterverband, 2016).

Der Freistaat Thüringen sieht im Bereich der digitalen Innovationen einen wichtigen Forschungsschwerpunkt und wird diesen ausbauen. Denn Digitalisierung betrifft nicht nur die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens. Durch Digitalisierung und Vernetzung entstehen in immer schnellerer Folge neue Handlungsmöglichkeiten, die alle Lebensbereiche durchziehen. Forschung sucht nach Antworten, wie diese neuen Handlungsmöglichkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden können und gestaltet werden müssen.

Stärker in den Fokus rückt dabei der Transfer von Wissen in Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik. In Thüringen fallen neben erfolgreichen Forschungsaktivitäten die noch relativ geringen FuE-Ausgaben regionaler Unternehmen auf. Nur 51 % der Thüringer Betriebe haben FuE-Kooperationen mit Forschungseinrichtungen, in Sachsen sind es 67% (Zanker & Som, 2015). Es kommt daher auch darauf an, einen schnelleren Transfer anwendungsorientierter Forschung aus Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen in den Mittelstand zu sichern. Auch müssen digitale Innovationen aus internationalen Vorreiterunternehmen schneller den Weg in den Thüringer Mittelstand finden.

Bestehende Aktivitäten:

Thüringer Forschungseinrichtungen arbeiten aktiv an neuen Lösungen und zahlreiche innovative Forschungsprojekte mit Bezug zu Themen der Digitalisierung wurden bereits gefördert:

• Unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena werden im Forschungsverbund „3Dsensation“ neue Form der Mensch-Maschine-Interaktion geschaffen, die unsere Arbeitswelt grundlegend verändern werden.

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• Am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologien (IDMT) in Ilmenau wird derzeit ein neues Geschäftsfelds „Industrielle Medienanwendungen“ aufgebaut. Mit der Kombination der Kompetenzen des IDMT in der akustischen Messtechnik und Signalanalyse sowie des „Machine Learning“ und der sicheren Kommunikation können zukünftig Produktionsprozesse und Produktqualität im Umfeld von Industrie 4.0 intelligenter und effizienter überwacht werden.

• Thüringer Hochschulen erwiesen sich erfolgreich in der Einwerbung von Fördervorhaben des Bundes und des Landes mit unmittelbarem Bezug zur Digitalisierung. Das Themenspektrum reicht dabei von der „digitalen Bildverarbeitung“ (FSU) über „Echtzeitfähige 3D-Datenverarbeitung“ (TUI), die „Erfassung von Gesundheitsdaten“ (UKJ), die „Verwaltung von wissenschaftlichen Multimediadaten“ (FSU), „Open-Data-Anwendungen“ (FHE) bis zu einem Ausgründungskonzept zur „Mitbestimmung 4.0“ (FSU).

• Die Förderung von für die Digitalisierung wichtigen Vorhaben ist zu einem Schwerpunkt der integrierten Innovationsförderung Thüringens geworden. In den Jahren 2015 und 2016 wurden so Einzel- und Verbundvorhaben, bei denen digitale Verfahren zur Anwendung kommen und digitale Themen erforscht werden, mit einer Gesamtsumme von rd. 5 Mio. Euro bewilligt. Dazu zählten Projekte wie „Modulare Signalverarbeitungsplattform für Mobilkommunikation und Funksensorik“ (IIS), „Virtuelle Elektromagnetische Umgebung für die Erprobung und Entwicklung von Funksystemen“ (IIS), „Mikromechanisches Labor zur Simulation und In-situ Beobachtung der Schädigung heterogener Werkstoffe“ (MFPA), „Entwicklung und Evaluation von Analyse-Verfahren zur Erkennung von Echtheit, Originalität und Herkunft von Audiomaterial“ (IDMT) und „Integrative Biodiversitätsforschung- Mustererkennung in Daten und ihre Bedeutung für Biodiversitätsfunktionen“ (FSU). Verbundvorhaben mit hohem unmittelbarem Anwendungsbezug sind Teil der Förderung. Dazu zählen beispielhaft die Projekte „Intelligente und adaptive Methodik zur vereinfachten Simulationserstellung“, „Roboterassistiertes Gangtraining in der orthopädischen Rehabilitation“ und „3D-Lokalisierung und –Rekonstruktion in unbekannten Umgebungen als Basis für intuitive Benutzungsschnittstellen beim Einsatz von Technologien augmentierter und verminderter Realität in der Raumplanung“ oder das Projekt „Vollautomatische Bestandsaufnahme und Transportverfolgung mit hoher Erfassungsrate durch mobile Serviceroboter zur effizienten Logistiksteuerung“.

• Mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds werden zur Zeit sechs Forschergruppen mit einem Gesamtvolumen von rund 4,5 Mio. Euro gefördert. So beschäftigt sich eine Gruppe am HKI mit dem Thema „Pilzinfektionen: neue Verfahren zur digitalen Diagnose und zum Therapiemonitoring“. Eine Forschergruppe des Helmholtz Instituts Jena und der FSU befasst sich mit dem Thema „XUV-Technologie und Verfahren für Bildgebung mit nanoskaliger Auflösung“. An der Weimarer Bauhaus-Universität beschäftigt sich eine Forschergruppe mit Fragen des „Digital Engineering für Planungs- und Revitalisierungsprozesse von Stadtquartieren“.

Mögliche Maßnahmen:

• Landesforschungsprogramm zur Förderung digitaler Forschungsprojekte. Im Rahmen der Neuauflage des ProExzellenz-Programms („Landesprogramm Forschung

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digital“) mit Fokus auf Digitalisierung könnten exzellente Forschungsvorhaben zu Digitalisierung und Vernetzung langfristig finanziert werden. Ein wissenschaftliches Auswahlverfahren sichert dabei die fachliche Qualität der Konzepte, die perspektivisch in Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene münden sollen.

• DLR-Institut „Big and Smart Data”. Thüringen kann sich für ein neues DLR-Institut zu den Themen Big Data und Smart Data bewerben. Das Institut betreibt anwendungsorientierte Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer Konzepte zur Verwaltung, Integration und fachübergreifenden Verarbeitung, Analyse und Aufbereitung großer Datenmengen (z.B. für Fernerkundungsdaten von Satelliten).

• Einrichtung digitale Innovationscampi. Aufsetzend auf dem bereits etablierten Innovationscluster Photonik/Optik kann als Pilotvorhaben ein sog. „Campus Digital“ entwi-ckelt werden, um gezielt den Wissenstransfer zwischen Forschung und Unternehmen zu intensivieren. Hierbei arbeiten an einem physischen Ort anwendungsorientierte Forscher aus universitären und außeruniversitären Einrichtungen mit Vertretern führender Unternehmen Thüringens und ggf. Vertretern von Start-Ups über einen Zeitraum von 2-3 Monaten an einer digitalen Innovation in den Bereichen Optik, Messgeräte, Komponenten oder Systeme. Nach Ende der Programmlaufzeit stellen die beteiligten Akteure ihre Ergebnisse und den ggf. entwickelten Prototypen vor.

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6 Mögliche Erstinitiativen

Damit die Digitalstrategie bei Bürgern und Unternehmen schnell Wirkung entfaltet, bieten sich ausgewählte Initiativen als „Erstinitiativen“ an. Der Umsetzungsstart dieser Initiativen sollte bereits im ersten Halbjahr 2017 liegen. Dafür eigenen sich insbesondere Maßnahmen, für die bereits eine Erstkonzeption vorliegt und deren Finanzierung aus vorhandenen Fördermitteln gesichert werden kann.

Folgende Maßnahmen aus den bereits aufgezeigten Vorschlägen eignen sich grundsätzlich als Erstinitiativen (detailliert jeweils in den Leitthemen):

• Digital Showroom Tourismus Thüringen. Aufbau eines digitalen Showrooms am ICE Knotenpunkt Erfurt, um Thüringen für Einwohner und Touristen digital erlebbar zu machen.

• Unternehmenswettbewerb "Thüringer Industrie 4.0-Champions". Etablierung eines Wettbewerbs zur Steigerung der Digitalisierungsbereitschaft im industriellen Mittelstand Thüringens und Erhöhung der Anzahl der Industrie-4.0-Anwendungsprojekte in Thüringen.

• „Virtuelle Werkstatt – Handwerk in Thüringen digital erleben". Erstellung erlebbarer 3-D-Welten von Werkstätten und flächendeckende Präsentation auf Azubimessen zur Steigerung der Anzahl der Auszubildenden in Thüringen. Dabei kann die Maßnahme über die Grenzen Thüringens hinweg Aufmerksamkeit generieren und so die Attraktivität des Handwerkerstandorts Thüringen erhöhen.

Als eine weitere Erstinitiative bietet sich die Etablierung eines regelmäßigen Forums aus Fachexperten an:

• Forum Zukunft Thüringen – Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im digitalen Zeitalter. Auf Einladung des TMWWDG tauschen sich Politik, Wissenschaft und Praktiker über die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft in Thüringen aus. Dabei sollen im interdisziplinären Austausch Ansätze für eine moderne Wirtschafts-, Rechts- und Gesellschaftsordnung im 21. Jahrhundert definiert werden. Dazu sollen bis zum Ende der Legislaturperiode halbjährlich öffentliche Diskussionsveranstaltungen organisiert werden, in denen Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit den Bürgerinnen und Bürger diskutieren, wie moderne Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im 21. Jahrhundert gelingen kann.

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7 Grundlagen: Befähiger einer modernen Digitalstrategie

7.1 Über Leitthemen hinweg: E-Government

Dem Thema E-Government kommt für jede moderne Digitalisierungsstrategie eine befähigende Rolle zu und bildet eine wichtige Grundlage für alle drei Leitthemen. Die Digitalisierung ermöglicht dem Staat einen verbesserten Service für Bürger und Unternehmen hinsichtlich Information, Interaktion und (idealerweise medienbruchfreier) Transaktion. Der Verwaltung ermöglicht sie höhere interne Produktivität und mehr Wertschöpfung u.a. durch das Teilen von Daten. Für das Leitthema Mittelstand 4.0 spielt E-Government unter anderem eine zentrale Rolle bei der Beschleunigung von Genehmigungsprozessen. Im Bereich vernetzte Stadt/vernetzter ländlicher Raum kommen digitalen Verwaltungsprozessen eine zentrale Rolle für mehr Lebensqualität beispielsweise durch schnellere und komfortablere Erledigung von Bürgerservices zu. E-Government Prozesse sind zudem integraler Bestandteil bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen an Hochschulen im Leitthema Bildung und Forschung digital. Die Digitalisierung kann zudem Elemente des Open-Government befördern, sei es in der Transparenz über öffentliche Vorhaben, der Bereitstellung öffentlicher Daten (im Rahmen des Datenschutzes für Bürger wie Unternehmen), Online-Petitionen und E-Voting.

Auch der Freistaat stellt sich den Anforderungen an eine moderne und zukunftsfeste Verwaltung. So wurde unter Federführung des TFM im Jahr 2014 eine Landesstrategie für E-Government und IT erarbeitet. Zwei exemplarische Maßnahmen im Bereich des E-Governments sind (Nach Absprache mit dem TFM):

• Thüringer Antragssystem für Verwaltungsleistungen (ThAVEL). ThAVEL ist ein kos-tenfreier Dienst des Freistaats Thüringen, der die notwendigen Antragsdokumente für Verwaltungsleistungen auf einem virtuellen Schreibtisch bereitstellt. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung hilft bei der Antragstellung. Der Ausbau in Richtung eines umfassenderen Lande-sportals, auf dem auch die Kommunen Dienstleistungen anbieten können, ist geplant (thavel.thueringen.de, 2016).

• VISkompakt. Das Thüringer Vorgangsbearbeitungs- und Dokumentenmanagementsystem ermöglicht den anwendenden Behörden eine komfortable, zeitgemäße elektronische Dokumentenverwaltung.

E-Government ist ein zentrales Befähigerthema der Thüringer Digitalstrategie. Maßnahmen der E-Government-Strategie beschleunigen Maßnahmen in der Digitalstrategie.

7.2 Grundlagen schaffen: Die Bedeutung von Breitband und Rechtsrahmen

Damit Thüringen die Möglichkeiten der Digitalisierung noch gezielter nutzen kann, sind weitere Voraussetzungen zu schaffen. Neben dem Aufbau digitaler Kompetenzen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, der im Leitthema „Bildung und Forschung digital“ thematisiert wird, zählen insbesondere ein rechtlicher Rahmen, der digitale Innovation ermöglicht aber gleichzeitig disruptive Prozesse moderiert, sowie die Sicherstellung eines flächendeckenden Zugangs zu digitaler Infrastruktur zu den zentralen Grundlagen für eine digitale Gesellschaft.

Um sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen eine sichere Nutzung digitaler Technologie zu ermöglichen, sollte der weitere Ausbau von Datenschutz und Cyber-Security sowie die Klärung

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relevanter Fragen des Urheber- und Wettbewerbsrechts vorangetrieben werden. Der Freistaat sollte dazu auch über Bundes- oder europäische Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen. Darüber hinaus sollten Thüringer Unternehmen noch eindringlicher für das Thema Sicherheit von Daten sensibilisiert werden, z.B. über das Thüringer Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0 als Erst-Anlaufstelle für alle Fragen rund um Wirtschaft 4.0 oder durch Förderung von Security Screenings in Unternehmen. Über einen ersten Wettbewerbsaufruf des TMWWDG zur Förderung von Modellprojekten in den Bereichen „Digitale Innovationen“ und „Digitale Plattformen“ wurden 2016 bereits mehrere Digitalisierungsprojekte unterstützt, bspw. zum Aufbau von internetbasierten Kollaborationsplattformen. Diese Ergebnisse gilt es zeitnah auszuwerten und aufbauend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen weitere Förderinitiativen zu definieren.

Zu zentralen Grundlagenthemen, bei denen Thüringen Erfolge nachweisen sollte und verfügbare Förderprogramme möglichst umfassend nutzen muss, gehört auch der Breitbandausbau. Die Grundlage der digitalen Gesellschaft in Thüringen stellt der flächendeckende Zugang zu NGA-Netzen und damit die Verfügbarkeit von schnellem Breitband-Internet (Next Generation Access Network – Netzwerktechnologie, die anstatt auf leitungsgebundene Übertragungswege, z.B. via Telefonkabel und Fernsehkabel, auf Packet- bzw. IP-basierte Übertragungswege setzt) dar. Kurzfristig soll dieser Zugang im Rahmen der „Breitbandstrategie Thüringen 2020“ durch den Einsatz von Fördermitteln aus dem laufenden Bundesprogramm bei gleichzeitiger Kofinanzierung durch das Land realisiert werden. So können großflächig Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s und wo nötig darüber hinaus angeboten werden.

Datenintensive Anwendungen wie Telemedizin, additive Fertigungsverfahren oder IPTV (Internet Protocol Television – Fernseh- oder allgemeiner: Streamingangebote auf IP-basierten Übertragungswegen) werden aber perspektivisch zu einer deutlich größeren Belastung der Netze führen und zeitnah eine Anpassung der Versorgungsziele notwendig machen. Bereits jetzt sollte die Landesregierung daher den Breitbandausbau bis ins Jahre 2030 in den Blick nehmen. Dabei sollte eine Breitbandstrategie 2030 über MBit Ziele zu einem festgelegten Zeitpunkt deutlich hinausgehen. Zentrale Aspekte einer Breitbandstrategie 2030 sind:

• Feindiagnose Welchen Ausbaustand bzw. welche Flächendeckung konnte in Thüringen – mobil und per Kabel – erreicht werden? Was hat Thüringen aus der Umsetzung der Breitbandstrategie 2020 gelernt? Welche Verfahren und Vorgehensweisen haben sich bewährt? Welche nicht?

• Ziele 2030 Aufbauend auf einer Analyse technologischer Trends, was sollten konkrete Ausbauziele für Thüringen bis zum Jahr 2030 sein? Dabei sollte eine technologieneutrale Herangehensweise gewählt, aber Brückentechnologien ohne langfristige Perspektive nur im Ausnahmefall berücksichtigt werden. Unabhängig davon wird der Ausbau der Glasfasernetze auf der „letzten Meile“ bis in den Keller (FTTB - Fiber to the Basement) bzw. in die Wohnung (FTTH – Fiber to the Home) für die Mehrzahl der Anschlüsse in Thüringen eine zentrale Rolle spielen. Regulatorische Rahmenbedingungen wie die Broadband Strategy & Policy (Europäische Kommission, 2016) und Programme wie Zukunft Breitband (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016) sollten bei der Zielfindung und insbesondere bei der Festlegung von strategischen Zielen berücksichtigt werden. Auch eine regional differenzierte „Zielfunktion“ sollte diskutiert werden, z.B. unterschiedliche Geschwindigkeiten für Ausbau in der Fläche und bei zentralen Gewerbestandorten. Vor

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allem für Geschäftskunden sollte dabei nicht nur Downlink Ziele, sondern insbesondere auch die Uplink Ziele mit betrachtet werden, da diese für Cloud Dienste zentral sind. Zudem stellt auch die Latenz von Netzen für zeitkritische Anwendungen einen wichtigen Faktor dar.

• Ausbauprogramm Thüringer Breitband 2030 Bei der Entwicklung des Ausbauprogramms sollten unter anderen strategische Breitbandausbauoptionen für Thüringen abgewogen werden. Zu prüfende Optionen können sein: (1) Ausschöpfung von Förderprogrammen des Bundes und der EU, ggf. auch unter Kofinanzierung durch landeseigene Mittel, (2) Joint Venture mit Infrastrukturbetreibern (z.B. mit Umsatzteilung), (3) kommunale Netze bzw. Leerrohre zur Vermietung an Service Provider (Betreibermodell) und (4) Genossenschaften.

• Weitere Themen des Programms sollten sein: (1) Mögliche Kooperationspartner für den Breitbandausbau (große Telekommunikationsnetzbetreiber, Kabelnetzbetreiber, Regionale Infrastrukturbetreiber, neue Infrastrukturanbieter mit Fokus ländlicher Raum), (2) Organisatorische Strukturierung und Koordination des Breitbandausbaus 2030 mit Kommunen (dezentral vs. zentral), (3) Nutzung von Synergien im Infrastrukturausbau durch eine koordinierte Umsetzung des DigiNetzG (u.a. zur Mitnutzung von Bundesfernstraßen, Bahn und beim Straßenbau), (4) Vernetzung mit anderen Bundesländern sowie (5) Koordinations- und Beteiligungsformate der Zukunft (aufbauend z.B. auf den Thüringer Breitbandgipfel). Die Umsetzung des Programms „Breitband 2030“ kann dabei allerdings nicht nur Aufgabe des Landes sein, sondern muss vordergründig durch einen privatwirtschaftlichen Ausbau erfolgen.

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8 Wirkung sichern: Eckpunkte des Beteiligungs- und Umsetzungsprozesses

8.1 Beteiligungsprozess zur Erstellung der Gesamtstrategie

Das Grundlagenpapier dient als ein Ausgangspunkt und analytisch-inhaltlicher Impuls für die weitere Detaillierung der Digitalstrategie Thüringens ab Ende 2016. Alle wesentlichen Umsetzungsakteure werden im Rahmen eines Beteiligungsprozesses in die Ausarbeitung der Maßnahmen einbezogen; den Ressorts bietet sie eine gemeinsame Basis zur Umsetzung neuer und bestehender Digitalisierungsmaßnahmen (siehe Schaubild 13).

Schaubild 13 – Nach dem Grundlagenpapier folgt ein stringenter Beteiligungs- und Ausgestaltungsprozess vor Umsetzung der Strategie.

Als ersten Schritt im Ausgestaltungs- und Beteiligungsprozess ist vorgesehen, das Grundlagenpapier dem Kabinett vorzulegen und anschließend interministeriell abzustimmen. Hierbei sollen das TMWWDG und die Ressorts auf Grundlage der strategischen Leitthemen die Ergänzung und Priorisierung der Handlungsfelder vereinbaren und ggf. weitere, leitthemenkonforme Handlungsfelder identifizieren. Darüber hinaus wird die Projektstruktur für die weitere Beteiligungs- und Ausgestaltungsphase detailliert und abgestimmt.

In der Phase der Strategiedetaillierung arbeiten bis Sommer 2017 die beteiligten Ressorts in weiteren ein bis zwei Digitalwerkstätten pro Leitthema an der Ausgestaltung und Priorisierung konkreter Maßnahmen – gemeinsam mit den 10 bis 20 wichtigsten externen Umsetzungsakteuren und unter bedarfsabhängiger Hinzuziehung weiterer Akteure. Für ca. drei zentrale Maßnahmen in Handlungsfeldern des Zuständigkeitsbereichs der jeweiligen Ressorts sollen Ziele, inkl. Definition des Ambitionsniveaus spezifiziert werden. Dabei gilt es auch, Wirkung und Aufwand zumindest grob abzuschätzen, Ansätze zur Finanzierungssicherung zu benennen sowie Verantwortlichkeiten,

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Kennzahlen und Routinen des Berichtswesens für den darauffolgenden Umsetzungsprozess festzulegen.

Transparenz und Austausch sind dabei prägende Leitgedanken bei der Maßnahmenausarbeitung. Deshalb sollen in dieser Phase innovative Arbeitsformate zum Einsatz kommen, die dazu dienen, alle Beteiligten aktiv einzubinden und für das Vorhaben zu begeistern. Das TMWWDG kann bei der Vorbereitung und Moderation von Beteiligungsformaten unterstützen sowie den zeitlichen Ablauf, Teilprodukte und Rahmenbedingungen für den Detaillierungsprozess (inklusive Rückbindung an die strategischen Leitthemen und das methodische Vorgehen) steuern. Folgende Online- und Offline-Beteiligungsformate können sich für diese Phase im Besonderen eignen:

• Ein bis zwei eintägige „Thüringer Digitalwerkstätten“ pro Leitthema mit zentralen Umsetzungsakteuren aus der Landesregierung und Vertretern u.a. von (außer-) hochschulischer Wissenschaft, Unternehmen und Kammern. Dabei werden Erstideen für Handlungsfelder und Maßnahmen vorgestellt und dann gemeinsam mit den Akteuren zu umsetzungsreifen Maßnahmen geschmiedet.

• Digitale Bürgerbeteiligung bei geeigneten Themen wie digitales Gesundheitswesen oder Vernetzung des ländlichen Raums (z.B. über Barcamps, Onlineumfragen zur Maßnahmenergänzung und -priorisierung)

• Eine eintägige „Thüringer Digitalkonferenz“ mit internationalen Impulsen zur Digitalisierung eines Bundeslandes sowie mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Unternehmen und Wissenschaft zur Diskussion der aktuell vorgeschlagenen Handlungsfelder und Maßnahmen.

Die Ergebnisse des Beteiligungs- und Ausgestaltungsprozesses werden bis Herbst 2017 vom federführenden TMWWDG zu einer digitalen Gesamtstrategie zusammengeführt und dem Kabinett vorgelegt. Die Strategie soll neben den prioritären Handlungsfeldern, Zielen, Maßnahmen, Indikatoren, konkreten Umsetzungs- und Aktivitätsplänen auch Vorschläge für das Maßnahmencontrolling und die Projektstruktur im Umsetzungsprozess enthalten.

Damit die Strategie schnell „erlebbar“ wird, initiiert das TMWWDG im Bereich seiner originären Zuständigkeit Erstinitiativen bereits während des Beteiligungs- und Ausgestaltungsprozesses. Die fachlich-inhaltliche Federführung für die einzelnen Themenbereiche verbleibt bei den zuständigen Ressorts. Sie bringen im Rahmen des Beteiligungsprozesses geeignete, bereits verfolgte Maßnahmen ein oder definieren neue, ambitionierte und thüringenspezifische Maßnahmen. Analog zum TMWWDG sind Erstinitiativen, die bereits während des Beteiligungsprozesses beginnen, ausdrücklich gewünscht. Ab Ende 2017 ist der Umsetzungsstart der Maßnahmen vorgesehen.

8.2 Zentrale Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der Digitalstrategie

Aufbauend auf internationalen Erfahrungen beispielweise in Dänemark, Estland und Singapur mit der Entwicklung und Umsetzung von Digitalstrategien, gibt es fünf zentrale Erfolgsfaktoren zur wirkungsvollen Strategiedetaillierung und -umsetzung:

• Strategie als Plattform. Positionieren der Strategie als ressort- und akteursübergreifende gemeinsame Umsetzungsplattform für neue und bestehende Digitalisierungsmaßnahmen

Grundlagenpapier der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 45

in Thüringen – u.a. zur Sicherung von zusätzlicher „politischer Priorisierung“ und ggf. Finanzierung.

• Agile Strategieentwicklung. Aufsetzen der Strategieentwicklung als lebender und hoch agiler Prozess im Rahmen dessen der Maßnahmenkatalog an neue digitale Entwicklungen anpasst wird, inkl. eines „Testen und Lernen Ansatzes“, der auch beinhaltet Pilotinitiativen bei Misserfolg einzustellen.

• Zusätzliche Finanzmittel. Sichern von zusätzlichen Finanzmitteln für neue Maßnahmen der Ressorts im Rahmen der Planungen für den Doppelhaushalt 2018/2019. Dabei sollten Landesmittel möglichst umfassend mit EU- und Bundesmittel ergänzt werden.

• Steuerung aus einer Hand. Sichern der Umsetzungskoordination der Strategie durch ein Projektmanagement, das Prozesskompetenz (inkl. Umsetzungscontrolling) und inhaltliche Kompetenz in den zentralen Leitthemen liefert.

• Partnerschaften. Etablieren von strategischen Partnerschaften mit dem Privatsektor, Hochschulen und anwendungsorientierter Forschung zur gemeinsamen Agieren auf dem Markt unter Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen (u.a. Anbietern von Digitalisierungslösungen).

8.3 Etablierung einer klaren Projektorganisation („Governance“)

Um einen reibungslosen Ablauf des Beteiligungsprozesses sicherzustellen, braucht es neben einem Gesamtfahrplan eine stringente Projektorganisation mit klaren Zuständigkeiten (siehe Schaubild 14):

Schaubild 14 – Zentrale Ebenen der Projektorganisation

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 46

Verantwortlich für Richtungsentscheidungen und Fortschrittskontrolle sollte dabei ein Lenkungsausschuss der beteiligten Ressorts auf Staatssekretärs-Ebene unter Vorsitz des TMWWDG sein. Zur Steuerung der Gesamtaktivitäten im Beteiligungsprozess wird im TMWWDG ein Projektbüro eingerichtet. Für die Bearbeitung der Leitthemen sind drei Arbeitsgruppen unter Leitung des jeweils federführenden Ministeriums vorgesehen, wobei das Thema E-Government durch die Einbindung des CIO des Freistaates Thüringen stets einbezogen wird.

Um den Aufwand für die Beteiligten so weit wie möglich zu verringern, sind Synergieeffekte aus bestehenden Strukturen, z.B. innerhalb der RIS3-Strategie, zu nutzen. Deswegen sollten externe Akteure – ohne Dauermitgliedschaft und in Abhängigkeit von den einzelnen Arbeitsformaten – hin-zugezogen werden. Um Komplexität zu reduzieren, ist ein zusätzlicher Beirat nicht nötig. Die zent-ralen externen Umsetzungsakteure sollten aber in die Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen eng einbezogen werden. Strategische Partnerschaften mit dem Privatsektor sind zudem zur sektorenübergreifenden (privat/öffentlich) Generierung und Umsetzung von Maßnahmenideen wertvoll.

Die vorliegenden Grundzüge einer Digitalstrategie werden dabei helfen, die Chancen der Digitali-sierung zu nutzen – für Thüringens Bürger, für Thüringens Unternehmen, für Thüringens Institutionen. Sie zeigen klar, wo wir auf Stärken aufbauen können und wo Handlungsbedarf besteht, welche Wege wir gehen können und was wir dafür tun müssen. Jetzt gilt es, diese Strategie auszugestalten und sie mit Leben zu erfüllen – für ein leistungsstärkeres, lebenswerteres, lernbereiteres Thüringen.

Grundlagenpapier der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 47

Quellenverzeichnis

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Zanker, D. C., & Som, D. O. (2015). Wachstumspotenziale im Thüringer Mittelstand. Fraunhofer ISI.

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 50

Annex

Interviewte Experten der Thüringer Landesregierung (exemplarisch)

Name Institution Leitthema

Dr. Awe, Sabine TMWWDG Mittelstand 4.0

Dr. Brückner, Thomas TFM Grundlagenthemen

Dr. Dahnke, Klaus TMWWDG Übergreifend

Dr. Ebersold, Bernd TMWWDG Bildung und Forschung digital

Dr. Gude, Martin TMUEN Übergreifend

Dr. Kasper, Marita TSK Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Dr. Prell, Karl-Martin TMIL Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Eggers, Christoph TSK Übergreifend

Engelhard, Angela TMASGFF Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Gemmeke, Peter TMWWDG Bildung und Forschung digital

Kaffenberger, Bijan TMWWDG Übergreifend

Müller, Thomas TMWWDG Übergreifend

Philippus, Udo TMASGFF Mittelstand 4.0

Reitmann, Anja TMWWDG Übergreifend

Schatkowsky, Stefan TMWWDG Übergreifend

Scholtze, Michael TMWWDG Mittelstand 4.0

Schwinger, Gerd TMBJS Bildung und Forschung digital

Strube, Karin TMIL Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Grundlagenpapier der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 51

Interviewte externe Experten (exemplarisch)

Name Institution Leitthema

Alicke, Knut McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Alpesh, Patel McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Althen, Sebastian Siemens Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Berger-de Léon, Markus McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Biesdorf, Stefan McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Binggeli, Urs McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Breunig, Matthias McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Dorn, Emma McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Dr. aus dem Moore, Jan Peter McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Dr. Behrendt, Andreas McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Dr. Eichhorst, Sören McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Dr. Füchsl, Kevin Fraunhofer IOF Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Dr. Günther, Sven Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen, ThEx innovativ

Bildung und Forschung digital

Dr. Klier, Julia McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Dr. Laartz, Jürgen McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Dr. Matthesius, Mauricio Thüringer Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0, ThEx Wirtschaft 4.0

Mittelstand 4.0

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 52

Dr. Seeber, Wolfgang LEG, Thüringer Clustermanagement Mittelstand 4.0

Dr. Stahlecker, Thomas Fraunhofer ISI Mittelstand 4.0

Dr. Stern, Sebastian McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Dr. Wrulich, Martin McKinsey & Company Grundlagenthemen

Fuchs, Christian McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Grenz, Max McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Grönegres, Bärbel Thüringer Tourismus GmbH Mittelstand 4.0

Hieronimus, Solveigh McKinsey & Company Bildung und Forschung

Hoffmann, Peter HWK Südthüringen Mittelstand 4.0

Huhn, Wolfgang McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Isherwood, Tom McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Kirchherr, Julian McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Klink, Christoph McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Lülf, Stefan McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Lundqvist, Martin McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Patel, Jigar McKinsey & Company Bildung und Forschung digital

Prof. Dr. Bergmann, Jean Pierre

Thüringer Zentrum für Maschinenbau an der TU Ilmenau, Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau

Mittelstand 4.0

Grundlagenpapier der Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 53

Prof. Dr. Tünnermann, Andreas

Fraunhofer AOF/ Stellvertretender Sprecher des AK Industrielle Produktion und Systeme

Bildung und Forschung digital, Mittelstand 4.0

Schamp, Emmanuel McKinsey & Company Digitale Stadt/digitaler ländlicher Raum

Schlögel, Gernot McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Wee, Dominik McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Wittkamp, Nina McKinsey & Company Mittelstand 4.0

Grundlagenpapier für die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft 54