Mößbauer-Archäologie – Keramik erzählen lassen · 2015. 7. 15. · Mößbauer-Archäologie...

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Mößbauer-Spektrum einer bemalten Keramik. Die Auswertung der Linien zeigen dessen Zusammensetzung. 1 3 MößbauerEffekte Mehr Informationen: www.deutsches-museum-bonn.de Tonkeramik war in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit eine wichtige Handelsware und diente als Kochgeschirr, Vorratsgefäß oder Grabbeigabe. Die hier ausgestellten Funde stammen aus dem Oppidum von Manching (südlich von Ingolstadt), einer von etwa 280 bis 40 v. Chr. bewohnten großen Keltensiedlung, die seit Ende des 19. Jh. erforscht wird. Die Verwendung von Keramiken gibt einen tiefen Einblick in das Leben vergangener Zeiten. Bei der Untersuchung alter Tonscherben liegt der Schnittpunkt zur Physik in der spezifischen Verteilung von Eisenverbindungen, die je nach Herkunftsort des Tons und der Herstellungsart der Keramik einzigartig ist. Das ausgestellte Mößbauer- Spektrometer der Wissenschaftlichen Elektronik GmbH von 1984 lieferte dazu wichtige Messdaten. Mößbauer-Archäologie – Keramik erzählen lassen Mit der Mößbauerspektroskopie lassen sich die metallische und chemische Beschaffenheit von Tonscherben analysieren und die Verteilung der Eisenverbindungen genau bestimmen. Das Verfahren beruht auf der rückstoßfreien Absorption von Gammastrahlen durch Atomkerne. Diese kann mit sehr großer Präzision gemessen werden und Aufschluss über den genauen Energiezustand der Atomkerne geben. Winzigste Abweichungen dieser Energie lassen Rückschlüsse auf die chemische Umgebung der Atome zu. Für jede chemische Verbindung ergibt sich so ein definiertes Spektrum, das wie ein Fingerabdruck auf seine Herstellung verweisen kann. Was fehlt ist nun eine entsprechende Fingerabdruckkartei. Geschwindigkeit (mm / s) -6 0 6 95 100

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  • Mößbauer-Spektrum einer bemalten Keramik. Die Auswertung der Linien zeigen dessen Zusammensetzung.1

    3MößbauerEff ekteMehr Informationen:

    www.deutsches-museum-bonn.de

    Tonkeramik war in der vor- und frühgeschichtlichenZeit eine wichtige Handelsware und diente als Kochgeschirr, Vorratsgefäß oder Grabbeigabe. Die hier ausgestellten Funde stammen aus dem Oppidum von Manching (südlich von Ingolstadt), einer von etwa 280 bis 40 v. Chr. bewohnten großen Keltensiedlung, die seit Ende des 19. Jh. erforscht wird. Die Verwendung von Keramiken gibt einen tiefen Einblick in das Leben vergangener Zeiten.

    Bei der Untersuchung alter Tonscherben liegt derSchnittpunkt zur Physik in der spezifi schen Verteilung von Eisenverbindungen, die je nachHerkunftsort des Tons und der Herstellungsart der Keramik einzigartig ist. Das ausgestellte Mößbauer-Spektrometer der Wissenschaftlichen Elektronik GmbH von 1984 lieferte dazu wichtige Messdaten.

    Mößbauer-Archäologie – Keramik erzählen lassen

    Mit der Mößbauerspektroskopie lassen sich die metallische und chemische Beschaff enheit von Tonscherben analysieren und die Verteilung der Eisenverbindungen genau bestimmen.

    Das Verfahren beruht auf der rückstoßfreien Absorption von Gammastrahlen durch Atomkerne.Diese kann mit sehr großer Präzision gemessenwerden und Aufschluss über den genauenEnergiezustand der Atomkerne geben. WinzigsteAbweichungen dieser Energie lassen Rückschlüsse auf die chemische Umgebung der Atome zu.

    Für jede chemische Verbindung ergibt sich so ein defi niertes Spektrum, das wie ein Fingerabdruck auf seine Herstellung verweisen kann. Was fehlt ist nun eine entsprechende Fingerabdruckkartei.

    Geschwindigkeit (mm / s)

    -6 0 6

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  • Modell des Oppidiums von Manching.

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    MößbauerEffekte

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    Diese Kartei oder besser gesagt dieser Musterkatalog wurde experimentell angelegt. Im Labor mussten dazu Keramiken mit verschiedenen Brenntechniken und aus verschiedenen Tonproben gefertigt werden. Sie wurden alle spektroskopisch untersucht und zu einem Katalog von definierten Mößbauer-Spektren zusammengefasst. Dieser konnten dann mit den spektrometrischen Ergebnisse der Manchinger Keramikfunde verglichen werden.

    Auf diese Weise gelang es, die Herstellungsverfahren der keltischen Fundstücke zu rekonstruieren. Sie waren auf einem unerwartet hohem technischen Niveau. Herstellungsorte konnten zugeordnet werden und auch die dazugehörigen Handelswege. Sogar Rückschlüsse auf das Wirtschaftssystem der Kelten erlaubten die Messungen dieser Scherben.

    Das Oppidum von Manching war nördlich der Alpen als große keltische Siedlung ein bedeutendes Wirtschafts- und Handelszentrum. Von einer 7,3 km langen Stadtmauer umgeben, wohnten dort um 130 v. Chr. 5.000 – 10.000 Einwohner. Die Lage an zwei wichtigen Verkehrsrouten ermöglichte den Handel bis zum Mittelmeer. Der Niedergang erfolgte mit dem Zusammenbruch des keltischen Wirtschaftssystems im Rahmen der römischen Expansion im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Wie kaum ein anderes geisteswissenschaftliches Fach wendet die Archäologie naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden an. So auch bei dieser interdisziplinären Zusammenarbeit in München zwischen dem Physik-Department der Technischen Universität und der Prähistorische Staatssammlung.

    Das Oppidium von Manching – Physiker und Archäologen

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    In pre-historic and early-historic times, clay ceramics were a significant trading com-modity and were used as cooking pots and storage vessels or as burial objects. The exhibits on display here are from the Oppidum of Manching (south of Ingolstadt), a major Celtic city-like settlement dating back to around 280 to 40 BC. The use of ceramics provides us with considerable insight into how life was lived in the past.The reason that physics joins forces with the study of old fragments of clay lies in the striking distribution of iron compounds that, depending on the origin of the clay and the firing techniques used, can be unique. The 1984 Wissenschaftliche Elektronik GmbH Mößbauer spectrometer on display here has supplied significant measurement data.

    Mößbauer spectroscopy enables the analysisof the metallic or chemical properties sam-ples containing iron and hence enables the distribution of the iron compounds to be determined precisely. The process is based on the recoilless absorp-tion of gamma rays by atomic nuclei. This can be measured with extreme precision and provides information about the energy state of the nuclei. Minute deviations in this energy allow us to draw conclusions about the chemical environment of these nuclei. For every chemical compound, a unique spectrum is thus which can identify its origin like a fingerprint. All that was missing was the fingerprint index.

    This index, or rather this catalogue of samples, was created in an experiment. In the laboratory, ceramics made using different firing techniques and from different clay samples had to be produced. After they had been analysed using spectroscopy it was possible to create a catalogue of defined Mößbauer spectrums. It was now possible to compare the spectrometric results of the ceramics excavated at Manching with the data from the catalogue. This enabled the produc-tion processes behind the Celtic finds to be reconstructed. They proved to be unexpected-ly sophisticated. Production locations could be allocated and thus also trade networks. The measurements performed on the frag-ments from this site even enabled experts to draw conclusions about the Celtic economy.

    Mössbauer effects

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    Mößbauer and Archaeology: Letting Ceramics Tell Their Stories The Oppidum of Manching – Physics Meets Archaeology

    The Oppidum of Manching was a major Celtic settlement and the most important economic and trading centre north of the Alps. In around 130 BC, it was home to 5,000 to 10,000 people, who were protected by a 7.3 kilometre-long wall. Its location on two major trade routes permitted trade as far as the Mediterranean. The demise of Manching came with the collapse of the Celtic economic system in the wake of the Roman expansion in the first century BC. Archaeology’s use of scientific research methods is almost without equal among arts and humanities disciplines. We see it demonstrated here, too, in the form of the inter-disciplinary cooperation between the Physics Department of the Technical University of Munich and the Pre-historic Collection of the Bavarian State in Munich.

    Picture captions: Mößbauer spectrum of a painted ceramic. The evaluation of different lines shows their composition. Model of the Oppidium of Manching.