m:con visions Ausgabe 13 November 2010

68
Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche 13/November 2010 Schutzgebühr 5,– EUR www.mcon-visions.de WISSEN ABENTEUER ZUKUNFT Wie geht es weiter nach der Krise? Annette Schavan zur Zukunft der Forschung in Deutschland. Frank Schirrmacher über den Wandel der Medien- landschaft. MARKT Was macht einen erfolgreichen Kongressstandort aus? Berlin, Wien und Mannheim im Vergleich. M:CON Kreativwirtschaft im Aufwind – Mannheim überzeugt bei ADAM & EVA-Award. SCHLUSSPUNKT Liegt unsere Zukunft im All? Ein Interview mit dem deutschen Astronauten Ernst Messerschmid.

description

m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Transcript of m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Page 1: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Das m:con-Magazin für die Kongress-Branche 13/November 2010 Schutzgebühr 5,– EUR� www.mcon-visions.de

WISSEN ABENTEUER ZUKUNFT Wie geht es weiter nach der Krise? Annette Schavan

zur Zukunft der Forschung in Deutschland. Frank Schirrmacher über den Wandel der Medien-

landschaft. MARKT Was macht einen erfolgreichen Kongressstandort aus? Berlin, Wien

und Mannheim im Vergleich. M:CON Kreativwirtschaft im Aufwind – Mannheim überzeugt

bei ADAM & EVA-Award. SCHLUSSPUNKT Liegt unsere Zukunft im All? Ein Interview mit dem deutschen Astronauten Ernst Messerschmid.

Page 2: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

m:con geht neue Wege: innovative Lösung zurOnline-Live-Übertragung und On-Demand-Bereit-stellung von Vorträgen. Zeitmangel hindert somanchen daran, an einem Kongress teilzuneh-men. Auch interessieren sich viele potenzielle Teilnehmer nur für einen bestimmten Vortrag. Damit Sie diese Zielgruppen zukünftig erreichen können, haben wir m:con_vidoc entwickelt.

Speakers- online-Corner

Kongresse, Tagungen und Events ohne Teilnehmerbegrenzung mit m:con_vidoc.

m:con_vidoc ist ein exklusiv für m:con entwickeltes Videodokumentationssystem und ermöglicht Vorträge, Präsentationen und Symposien per Live-Stream oder „on demand“ bereitzustellen. m:con_vidoc präsentiert den Vortrag als Video mit gleichzeitiger Einblendung der Präsentationsfolien. Über Stichworte ist es möglich, die Teile des Vortrags abzurufen, die von besonderem Interesse sind.

Erhöhen Sie Ihre Teilnehmerkapazität durch virtuelle Teilnahmemöglichkeiten und bieten Sie Ihren Kongress- besuchern einen einzigartigen Service zur Nachbereitung. Erleben Sie die Vorteile von m:con_vidoc unter http://streaming.mcon-mannheim.de oder rufen Sie unter +49(0)621/4106-175 unseren Spezialisten Thomas Hohm an, er berät Sie gerne über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von m:con_vidoc.

Expect more inspiration, more innovation and more full service.

Einen Kongress live verfolgen an jedem Ort zu jeder Zeit: m:con_vidoc

Page 3: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Michel MaugéGeschäftsführer m:con Mannheim und Honorarkonsul der Republik Frankreich

Unsere Branche. Eine ganz neue SichtweiseMannheim als Mittelpunkt für Kongresse und mediale Großereignisse

Liebe Leserinnen und Leser,

in den Siebzigerjahren hat der Autovermieter Avis seine Werbekampagne mit dem Slogan „we try harder“ unterschrieben. Dieser Satz ist für Amerika gedacht und wie für Mannheim gemacht.

Unser ständiger Windmühlenkampf, unser Engagement in den Gremien, Zirkeln, Verbänden und die nie endende Überzeugungsarbeit für eine sogenannte B-Destination ist belohnt wor-den: Das Congress Center Rosengarten, die m:con – mannheim:congress GmbH und die ganze Stadt Mannheim wurden mit dem Preis „Bestes Kongresszentrum 2010“ ausgezeichnet.

Wir sind dankbar dafür – und ein wenig stolz.

Der Stolz der Stadt auf ihre Historie zeigt sich auch an anderer Stelle. Wenn wir im nächsten Jahr gemeinsam den 125-jährigen Geburtstag des Automobils feiern, dann ist die ganze Stadt, die Region und die Welt hier eingebunden.

Das erste Auto war Mannheimer – unser Motto, mit dem wir im nächsten Jahr „autosymphonic“ feiern. Eine Welturaufführung zum Abschluss und als Höhepunkt des „Automobilsommers 2011“ hier in Mannheim.

Erstmalig auch in Mannheim – die Verleihung des „ADAM & EVA“-Awards. Eine tolle Inszenierung, ein einmaliges Ereignis und eine beispielhafte Dokumentation,wie ganzheitlich wir uns und unsere ganze Branche entwickelt haben: Die Kreativwirtschaftfeiert ihre Kreativität – und sich selbst als Standortfaktor.

Der Kraft der Inszenierung wohnt ein übergeordnetes Grundverständnis inne:Die Kraft des Denkens und die Kraft des Handelns.

Darum haben wir der schöpferischen, kreativen und neuen Wissenschaft Platz geschaffen in dieser neuen Ausgabe der „Visions“. Somit geben wir unserem Magazintitel stellvertretend einen Raum und eine neue Bedeutung – und unserer eigenen Philosophie eine inhaltliche Plattform.

Wir wünschen uns, dass Sie spannende Anregungen finden und neue Anstöße mitnehmen.

Ihr

Michel Maugé

seite 03

November 2010 Standpunkt

Page 4: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 04

Seite 10

Mit dem legendären Halbkugelversuch, mit dem Otto von Guericke 1654 die Existenz des Vakuums bewies, wurde der Wissenschaftssommer 2010 in Magdeburg eröffnet.

Page 5: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Das m:con-Magazin für die Kongress-Branchem:convisions

StandpunktUnsere Branche. Eine ganz neue Sichtweise. Mannheim als Mittelpunkt für Kongresse und mediale Großereignisse 03

WISSEN Abenteuer ZukunftNach der Wirtschaftskrise: Wie geht es weiter? 09

Das Morgen schon heute kennen?Berliner Institut erforscht Zukunft mit wissenschaftlichen Methoden: neuer Studiengang „Zukunftsforschung“ – der erste seiner Art in Deutschland. 10

“The biggest losers will be the countries that fail to learn from the experience”Hamish McRae, chief economic commentator of the Independent, about the European economy after the crisis 16

Deutschland auf WachstumskursEin Gespräch mit Dr. Ferdinand Fichtner, DIW Berlin: Stärkung der Binnennachfrage und Haushaltskonsolidierung haben oberste Priorität. 18

Bundesregierung unterstützt TechnologietransferEin Interview mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan über die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland und die „Hightech-Strategie 2020“. 21

Das Ende des Wissensmonopols E-Learning ändert unsere Bildungsstrukturen von Grund auf. Ein Gespräch mit Professor Peter A. Henning von der Hochschule Karlsruhe. 24

Wer erwirtschaftet in Zukunft unseren Wohlstand? Demografischer Wandel als Herausforderung für die Wirtschaft. Professor Jutta Rump, Geschäftsführerin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE), über die tiefgreifenden demografischen Veränderungen in unserer Gesellschaft. 27

Kein Grund für Kulturpessimismus Ein Gespräch mit Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, über Tageszeitungen als Leuchttürme in einer sich verändernden Medienlandschaft. 31

Zukunft der Medien oder Medien der Zukunft Die moderne Gesellschaft verabschiedet sich vom Leitmedium Buch: ein Interview mit Medienwissenschaftler Professor Norbert Bolz über das Ende der Gutenberg-Galaxis 34

Kongresse verändern ihr Gesicht Michel Maugé über die Zukunft der Kongresswirtschaft: Wie sehen die künftigen Anforderungen an zeitgemäße Kongresszentren aus? 38

seite 05

November 2010 Inhalt

Page 6: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

MARKTImmer die Trends von morgen im BlickWirtschaftsmotor Zukunft – mit Weitblick, Visionen und Kreativität zum Erfolg. 40

Kongressstandorte – mit Kreativität in die Zukunft Erfolg hat drei Namen: Berlin, Wien, Mannheim. Das Geheimnis dahinter sind Innovationskraft, Service und Nachhaltigkeit, die Veranstalter und Besucher überzeugen. 42

New media foster the changeAn interview with Luca Favetta, Senior Director Global Events EMEA and India at SAP AG, about new trends in the event business: Right partnership and service remain crucial criteria 46

2010 – das Jahr des hybriden Events Stefan Luppold, Professor für Messe-, Kongress- und Eventmanagement, über die Verknüpfung von Live-Veranstaltungen mit virtuellen Elementen. 50

„Wir müssen die Kunst der Rhetorik wieder erlernen.“Ein Interview mit Michel Maugé über offene Konferenzformen. 52

OrganisationsTicker 54

KongressTicker 55

M:CONDie Stadt der Zukunft ist die Stadt der Kreativen Die Kreativwirtschaft gilt als Maßstab für die Wettbewerbsfähigkeit von Städten und Regionen. Bestes Beispiel ist Mannheim, wie die Verleihung des ADAM & EVA-Awards oder die m:con-Modenschau zeigt. 56

Mannheim begeistert die Kreativwirtschaft Bei der ADAM & EVA-Preisverleihung im Congress Center Rosengarten punktete die Quadratestadt mit ihrem kreativen Potenzial. 61

„Mit einem Auto Musik machen, das ist einfach toll.“ „autosymphonic“: Popakademie unterrichtet 120 Nachwuchsschlagzeuger, die bei der Aufführung am 10. September 2011 Fahrzeuge wie Instrumente spielen. 63

News /EventTicker 64

Impressum 65

SchlusspunktLiegt unsere Zukunft im All?Ein Gespräch mit dem Astronauten Ernst Messerschmid über die Bedeutung des Weltraums für den Menschen. 66

nEu: Zusatznutzen online. Der Visions-Webcode führt Sie unkompliziert zu unserem Zusatzangebot im Internet. Einfach Online-Magazin www.mcon-visions.de besuchen, Webcode des Artikels eingeben und Sie kommen direkt zum Video-Podcast.

seite 06

November 2010Inhalt

Page 7: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 07

Seite 63

Die Suche nach dem perfekten Sound: Marios Joannou Elia beim Rolls-Royce- Casting für die „autosymphonic“.

Page 8: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 08

November 2010WISSEn

Page 9: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Der Blick in die Glaskugel hat ausgedient: Während die Herrscher früherer Jahrhunderte Propheten und Sterndeuter befragten, beauftragen Politiker und Unternehmen heute Wirtschaftsforschungsinstitute. Vor allem in Krisenzeiten sorgen sich die Men-schen um ihre Zukunft. Bestes Beispiel ist die Wirtschaftskrise. Plötzlich steht alles infrage: Werden wir unseren wirtschaftlichen Wohlstand erhalten können? Welche Zukunft hat die Forschung in Deutschland? Wie müssen wir künftig mit Wissen umgehen und was müssen wir lernen? Wie muss unsere Arbeitswelt gestaltet sein, damit wir konkurrenzfähig bleiben können?

Auch wenn heutige Prognosen auf der wissenschaftlichen Auswertung von Daten und Fakten beruhen – wie die Welt von morgen aussehen wird, weiß letztendlich niemand genau. Wie schnell sich die Gesellschaft wandeln kann, führt uns die rasante Ent-wicklung der Medientechnik täglich vor Augen. Das Buch gehört längst einem anderen Universum, der „Gutenberg-Galaxis“, an, die Leitmedien der Zukunft sind digital. Das verändert nicht nur unseren Medienkonsum, sondern unsere gesamte Lebensweise.

Diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen wirken sich alle auch massiv auf die Zukunft der Kongresswirtschaft aus. Die Anforderungen und Bedingungen wandeln sich so schnell wie nie zuvor. Wo geht die Reise hin? Bekannte Journalisten wie Hamish McRae oder Frank Schirrmacher, Wissenschaftler wie Norbert Bolz und Jutta Rump oder Politiker wie Annette Schavan geben in dieser Ausgabe Antworten auf die Frage nach künftigen Entwicklungen und zeigen Perspektiven auf. Das Gute: Große Veränderungen brechen in der Regel nicht plötzlich über uns herein. Zukunft wird gestaltet – und das täglich von jedem von uns.

Nach der

Wirtschaftskrise: Wie geht es weiter?

Abenteuer Zukunft

seite 09

WISSEn

Page 10: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Berliner Institut erforscht Zukunft mit wissenschaftlichen Methoden

Das Morgen schon heute

kennen?

Jeder würde sie gerne kennen, die Zukunft. Welche großartigen Möglichkeiten würden sich daraus ergeben – im Privatleben,

in Politik oder Wirtschaft. Die Prognosen der Wirtschaftsweisen oder Prophezeiungen zum Klimawandel zeigen: Vorhersagen

liegt im Trend. Doch ist es überhaupt möglich, eine seriöse Prognose über kommende Ereignisse abzugeben? An der Freien

Universität Berlin geht man seit dem Wintersemester 2010 im viersemestrigen Masterstudiengang „Zukunftsforschung“ –

übrigens dem ersten seiner Art in Deutschland – dieser Frage nach.

Von Bernhard Schenk

seite 10

WISSEn

Page 11: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 11

WISSEn

Die Zukunft der Forschung – vorgestellt beim Wissenschafts- sommer 2010 in Magdeburg.

Page 12: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Virtuelle Welten werden immer realistischer.

Auch die Zukunft der Form wird heiß diskutiert: Internationales Designfestival Berlin 2010.

seite 12

WISSEn

Page 13: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Die Zukunft vorhersagen zu können – das ist wahrscheinlich einer der ältesten Wünsche der Menschheit. Das Orakel von Delphi, die römischen Auguren und Haruspizes oder der französische Arzt und Astrologe Michel de Nostredame, besser bekannt als Nostradamus, zeugen davon: Die unterschiedlichsten Kulturen strebten zu allen Zeiten danach, zu wissen, was die Zukunft bringt. Und die Meinung der Seher war hoch geachtet. Das Delphische Orakel gab den von den Persern bedrohten Athenern 480 v. Chr. den Rat, „Schutz hinter hölzernen Mauern“ zu suchen. Der attische Feldherr Themistokles forcierte daraufhin den Ausbau der Flotte und konnte so die Perser in der Seeschlacht von Salamis entscheidend schlagen.

Heute liegen Voraussagen über das Kommende nicht mehr in den Händen von Hohepriestern, Wahrsagern oder Prophe-ten. An der Freien Universität (FU) Berlin wird seit diesem Jahr in einem eigenen Masterstudiengang die Zukunft streng nach wissenschaftlichen Kriterien erforscht. Zukunftsforschung im Vorlesungsverzeichnis einer renommierten Hochschule? Die Vorstellung ist nicht selbstverständlich. Lange galt Futu-rologie – ein Ausdruck, den man am Berliner Institut wegen seiner esoterischen und unseriösen Konnotation meidet – als nicht wissenschaftlich. Selbst der Jurist und Politologe Ossip K. Flechtheim, der den Begriff 1943 prägte, räumte ein, dass in der Futurologie nicht der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit steckt.

Ganz anders stellt sich dagegen Zukunftsforschung an der FU Berlin dar. Professor Gerhard de Haan, seit dem Jahr 2000 Lei-ter des Instituts für erziehungswissenschaftliche Zukunftsfor-schung (institutfutur), versucht fernab von Glaskugeln und Kartenlegen, Science-Fiction oder Organen geschlachteter Opfer-tiere dem Mysterium kommender Ereignisse auf den Grund zu gehen. Seine Vorgehensweise ist nüchtern und faktenbasiert. Er

arbeitet mit quantitativen und qualitativen Erhebungsmetho-den sowie Interviewtechniken, die den Sozialwissenschaften entlehnt sind.

In der Methodik liegt das wesentliche Unterscheidungs-merkmal der Wissenschaft zum Hokuspokus. Der bekannte Zukunftsforscher Rolf Kreibich definiert es folgendermaßen:

„Heute liegen Voraussagen über das Kommende nicht mehr in den Händen von Hohepriestern, Wahrsagern oder Propheten.“

Mensch-Maschine-Interfaces: Werden wir bald alle zu Cyborgs?

November 2010 WISSEn

seite 13

Page 14: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Der Ausstellungszug „Expedition Zukunft“ vermittelt allen Besuchern und speziell jungen Menschen einen Überblick darüber, welche Wissensgebiete sich weltweit besonders dynamisch und vielversprechend entwickeln und wie diese in den kommenden zwei Jahrzehnten unser Leben beeinflussen.

seite 14

Page 15: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

„Die Zukunftsforschung unterliegt in Abgrenzung zu zahlreichen pseudowissenschaftlichen Tätigkeiten wie ‚Trendforschung‘, ‚Prophetie‘ oder ‚Science-Fiction‘ grundsätzlich allen Qualitäts-kriterien, die in der Wissenschaft an gute Erkenntnisstrategien und leistungsfähige Modelle gestellt werden: Relevanz, logische Konsistenz, Einfachheit, Überprüfbarkeit, terminologische Klar-heit, Angabe der Reichweite, Explikation der Prämissen und der Randbedingungen, Transparenz, praktische Handhabbarkeit.“

Mittlerweile ist Zukunftsforschung als universitäre Disziplin anerkannt – auch außerhalb der Seminarräume und Vorlesungs-säle. Und das Wissen der Zukunftsforscher ist gefragt. Ob nun in der freien Wirtschaft, der Forschung oder in der Politik – die Einsatzmöglichkeiten für die Absolventen des Studiengangs sind vielfältig und ihr Rat ist in vielen unterschiedlichen Organisati-onen eine wertvolle Hilfe bei schwerwiegenden Entscheidungen. Beispielsweise geht derzeit das institutfutur im Projekt „Com-putersimulation von Innovationstransfer“, das vom Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung mit knapp 300.000 Euro gefördert wird, unter anderem der Frage nach, welche Zukunft Elektromobilität hat.

Wie kann man sich eine Beratung durch die Zukunftsforscher konkret vorstellen? De Haan erklärt eine mögliche Herangehens-weise: „Wir befragen Experten, welche Entwicklung sie bei einem bestimmten Thema in den nächsten zehn bis 15 Jahren erwarten, und setzen die Entwicklung, die sie sich wünschen, dagegen.“ In aller Regel ergebe sich zwischen diesen beiden Polen eine große Diskrepanz, sagt de Haan. Diese Diskrepanz zu analysieren und präzise zu definieren, ist ein wichtiger Schritt in der Vorgehens-weise der Zukunftsforscher. Durch das Ergebnis werden viele mög-liche Prozesse, ob gewünscht oder nicht, aufgezeigt. So wird die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf die Bandbreite potenzieller Entwicklungen gelenkt und veranlasst sie, sich damit auseinan-derzusetzen. Zukunftsforschung will in diesem Fall also in erster Linie Impulse geben und Diskussionen anregen.

Ähnlich arbeitet auch die Szenariomethode, die den Studen-ten schon im ersten Semester vermittelt wird. De Haan: „Man erarbeitet – ausgehend von den aktuellen Fakten – einen ‚worst case‘ und einen ‚best case‘. In dieser Spannbreite bewegt man sich nun, wenn man verschiedene Optionen durchspielt. Dadurch gewinnt man vor allem Handlungsfähigkeit.“ Das heißt, dass die Akteure sich auf verschiedene Fälle innerhalb der Randbe-dingungen vorbereiten können und somit für eine Vielzahl von möglichen Szenarien gewappnet sind – was sich besonders bei unerwarteten Entwicklungen als strategischer Vorteil erweist. Das erste Unternehmen, das mit dieser Methode sehr erfolgreich

gewesen ist, war der Ölkonzern Royal Dutch Shell. „Shell hatte die erste Ölkrise 1973 antizipiert und ist dementsprechend gut aus der Situation rausgekommen“, sagt de Haan.

Das alles klingt zunächst nicht viel anders als klassische Unternehmensberatung – ist es aber. Zum einen geben die For-scher vom institutfutur ihre Prognosen für einen Zeitpunkt oder -raum ab, der mindestens zehn Jahre in der Zukunft liegt, also deutlich langfristiger angelegt ist als die kurz- und mit-telfristigen Planungen des wirtschaftlichen Consultings. Zum anderen ist der Ansatz von de Haan und seinen Mitarbeitern wesentlich universeller angelegt. Das zeigt sich bei den Metho-den, die nicht nur ökonomische Aspekte, sondern beispielswei-se auch kulturelle, technologische oder ökologische Faktoren einbeziehen. Im Mittelpunkt steht immer die Frage nach der möglichen Einflussnahme der gesellschaftlichen Akteure auf die Strukturen, die sie umgeben, um die Zukunft zu gestalten. Bewusst interdisziplinär und breit ist der Studiengang ausgelegt. Das sieht man an der ganz unterschiedlichen Vorbildung der Masterstudenten, vom Psychologen bis zum Politikwissenschaft-ler, aber auch in der Auswahl der Dozenten, die zum großen Teil aus dem außeruniversitären Bereich kommen und einen Einblick in aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft geben.

Zukunftsforschung habe sehr viel mit Optionen und weniger mit Planung zu tun, meint de Haan. Es geht darum, mögliche Handlungsweisen zu verschiedenen Szenarien aufzuzeigen – nicht mehr und nicht weniger. Denn eine bestimmte Entwick-lung mit Bestimmtheit voraussagen können die Berliner natür-lich nicht. Das erwartet auch niemand – selbst die Zukunftsfor-scher selbst stellen diesen Anspruch nicht. Prof. de Haan bringt es auf den Punkt: „Im Deutschen gibt es leider nur das Wort ‚Zukunft‘. Man müsste eigentlich von ‚Zukünften‘ reden.“ Denn aus der Sicht des heutigen Tages gibt es mehr als eine.

Professor Dr. Gerhard de Haan, geboren

1951 in Kampferfehn, schloss 1978 sein

Studium der Erziehungswissenschaft,

Soziologie und Psychologie an der Freien

Universität Berlin mit Auszeichnung

ab. Er ist seit dem Jahr 1991 Professor für

allgemeine Erziehungswissenschaft/

Umweltbildung. De Haan ist unter anderem Vorsitzender der Deut-

schen Gesellschaft für Umwelterziehung, des Nationalkomitees der

UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und Mitglied

im Beirat für nachhaltige Entwicklung und Ressourcenschonung

des Landes Brandenburg. Seit 2000 leitet er das Institut für Erzie-

hungswissenschaftliche Zukunftsforschung (institutfutur) an der

Freien Universität Berlin.

„Zukunftsforschung will Impulse geben und Diskussionen anregen.“

seite 15

November 2010 WISSEn

Page 16: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

“The biggest losers will be the countries that fail to learn from the experience”The European economy after the crisis

It seems the worst is over. The European economy, driven by a strong growth in Germany, is steadily recovering from the

financial crisis triggered by the collapse of Lehman Brothers Inc. But is that impression correct? Will the economic system be

the same as before the crisis? What are the implications for financial institutions? Bernhard Schenk from m:convisions asked

one of Great Britain’s most renowned financial journalists, Hamish McRae, chief economic commentator of The Independent

and The Independent on Sunday.

how robust is the current economic recovery? Hamish McRae: The world economy is in the early stages of its recovery, for most of the major developed world economies are little more than a year into it. Typically in the cycles since the 1960s it takes two to three years of growth before the previous peak is attained. Quite frequently there is some sort of pause in the recovery, sometimes even a double-dip, and it is therefore quite likely we will experience a pause in the coming months. So it would be

quite normal for the economy to feel fragile at this stage. Since this has for most developed countries, not all, been an unusually deep recession, there is all the more cause for nervousness. But it is important to recall that in the emerging world there has been little or no recession, so if you take a global perspective, rather than a European or North American one, the recovery appears very solid.

Ups and downs are inherent to a market economy.

WISSEn

seite 16

Page 17: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

What are the implications of the recovery for the European eco-nomy in the short term? We have learnt a great deal about our economies but the lessons are different for different countries. The Eurozone as a whole has learnt that there are huge tensions between the North and the South and that these will have to be managed. The stronger countries, most notably Germany, have seen their excellence in exporting pulling them out of recession. The weaker countries have learnt that fiscal discipline is vital. Countries that have strong banking systems have reaped the benefit, while those with weaker banks are still suffering. And most of Europe should be concerned about the weak employment growth so far and the dangers of a “jobless recovery”.

and in the long term? I think Europe has to ask itself some really serious questions about its economic and social model. The cycle has revealed long-term structural weaknesses. Is the size of its public sector sustainable, given rising sovereign debts and its ageing population? Is its education system good enough? Why is Europe not creating as many new companies as the US? How do the weaker economies learn from the stronger ones? We have to confront the truth that most of Europe has had a more serious recession than North America and of course much more serious than the rest of the world. And we have to get public finances into shape to withstand future slow-downs.

do you expect more – even stronger – crises in the future? Not necessarily. Yes, there is such a thing as the global economic cycle and so it is sensible to expect some sort of economic slow-down towards the end of this decade. For some countries this may well turn into recession. But that need not become a crisis. Given the experience of the past two years we have surely learnt enough to avoid the mistakes that turned a normal cycle into a really serious one.

Is the European economy strong enough after the crisis to com-pete with emerging countries like China or India? It depends on what is meant by “compete”. Europe cannot compete on costs with the merging countries, nor should it attempt to do so. It can, for the time being at least, compete on quality, on design, on service and so on. But nothing will change the fact that Europe faces the issue of a declining workforce, whereas China for the time being and India for the foreseeable future, have a growing supply of labour. So Europe will inevitably become less impor-tant, in relative terms, in the world economy.

Which European country must be regarded as the biggest loser due to the crisis? And what country – if any – did benefit from it? I don’t think it is helpful to see any particular countries in a league table of losers, except in the sense that we are all losers. We have all lost jobs, all lost real output, all suffered slower growth in living standards. The biggest losers will be the countries that fail to learn from the experience.

What are the immediate implications for the financial business due to stricter rules, participation of the state etc.? Finance will be smaller, or at least the industry will grow more slowly than it otherwise would. There will be disintermediation: borrowers and lenders will find ways of dealing directly with each other (see already the surge in corporate bond issues) rather than through banks. We will move towards a more secure financial system but one that in the short-term is less supportive of growth.

Concerning the congress business. What do convention centres need to stay competitive in the future? Convention centres offer a vital service. People need to meet face to face. One of the great lessons of globalisation is that the more international the world economy, the more people in the business community need to travel to meet each other. The key functions of conventions are to enable people to meet efficiently and to enable them to learn in the space of a few hours or days things that would otherwise have taken weeks or months. Convention centres need both to foster such efficiency and also to generate a good social experi-ence. Conventions should be enjoyable, if also hard work.

Hamish McRae is associate editor of The

Independent newspaper in London and

principal economic commentator for The

Independent and The Independent on

Sunday. He is author, amongst other books,

of “The World in 2020”, which has been

translated into more than a dozen langu-

ages. His new book “What Works – Success in Stressful Times” was

published in January 2010 and has been long-listed for the Financial

Times Goldman Sachs Business Book of the Year Award. He has

a masters degree in economics and political science from Trinity

College, Dublin, and is currently a visiting professor at the School

of Management, Lancaster University. His most recent awards are:

Best Communicator in the 2007 Business Journalist of the Year

Awards; Business and Finance Journalist of the Year in the 2006 Bri-

tish Press Awards; and the David Watt Prize for political and econo-

mic journalism in 2005. He is married to Frances Cairncross, rector

of Exeter College, Oxford. They have two grown-up daughters.

“Europe cannot compete on costs with the merging countries, nor should it attempt to do so.“

seite 17

November 2010 WISSEn

Page 18: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Stärkung der Binnennachfrage und Haushaltskonsolidierung haben oberste PrioritätDeutschland auf WachstumskursVon Saskia Höhne

Die Wirtschaftskrise führte zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit. Doch jetzt scheint das Schlimmste überstanden und

es geht bergauf mit der deutschen Wirtschaft: Das gesamtwirtschaftliche Wachstum soll, laut den Prognosen des DIW (Deutsches

Institut für Wirtschaftsforschung) Berlin, 2010 bei 3,4 Prozent liegen. Doch welche Spuren hat die Krise hinterlassen und was soll-

ten wir lernen aus beinahe zwei Jahren am weltwirtschaftlichen Abgrund? Vorausgesetzt der Aufschwung ist beständig.

„Wir befinden uns in einem kontinuierlichen Prozess der Erho-lung“, ist sich Dr. Ferdinand Fichtner, Leiter der Querschnitts-gruppe „Konjunkturpolitik“ des DIW Berlin, sicher. Die deutsche Wirtschaft habe sich überraschend gut von der Krise erholt, der Wachstumskurs wird sich laut den Prognosen des Instituts fort-setzen – wenngleich in etwas weniger rasantem Tempo: „Die Bundesrepublik kommt im Jahr 2010 auf ein sehr massives Jah-reswachstum von 3,4 Prozent, aber auch 2011 sehen wir ein soli-des und tragfähiges Wachstum von zwei Prozent“, so Fichtner.

Exportwirtschaft als treibende Kraft

Die Zunahme der Wirtschaftskraft im Jahr 2010 wird von den Exporten getragen. Hier rechnen die DIW-Experten für das

laufende Kalenderjahr mit einem Zuwachs von gut 15 Prozent, für 2011 immerhin noch mit acht Prozent. Damit erreiche die Produktion in der Exportwirtschaft bald ein ähnliches Niveau wie vor der Krise. Auch für die Zukunft hält Fichtner eine klare Exportorientierung der Bundesrepublik für notwendig, aller-dings mit Einschränkungen, denn die Volatilität in der Produk-tion während der Krise sei in erster Linie der Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Export und damit vom internationa-len Wirtschaftssystem geschuldet gewesen. Deshalb spricht sich Fichtner für mehr Unabhängigkeit vom Export aus.

Binnennachfrage stärken – Unabhängigkeit gewinnen

Doch wie soll das funktionieren? Fichtners Lösungsvorschlag: eine Verschiebung der Prioritäten hin zu einer Stärkung der Binnennachfrage: „Das heißt, es muss darum gehen, die priva-ten Haushalte zum Konsumieren zu animieren.“ Im Moment ist die Republik hinsichtlich der Binnennachfrage auf einem guten Weg: Im zweiten Quartal haben die Bundesbürger erstmals seit einem Jahr wieder mehr konsumiert – preisbereinigt rund 0,6 Prozent mehr als im ersten Quartal 2010. „Diese positiven Werte, die in erster Linie auf stabile Preise und eine gute Ent-wicklung auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen sind, sollten weiter gestärkt werden“, so Fichtner. Ein wichtiger Faktor, die-

Verkettete Volumenangaben in Mrd. € Veränderung gegenüber dem Vorquartal [1] in Prozent

Kalenderbereinigte Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent Prognose

[1] Auf Jahresrate hochgerechnet. Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des DIW Berlin.

Bruttoinlandsprodukt

Exporte Importe

Konsumausgaben der privaten Haushalte

3,4 2,7 1,0 - 4,7 3,4 2,0

590

570

550

530

510

490 2006 2007 2008 2009 2010 2011

12

6

0

-6

-12

-18

Mrd. €

13,1 7,7 2,5 -14,3 15,4 7,6

340

300

260

220

180

2006 2007 2008 2009 2010 2011

45

30

15

0

-15

-30

-45

Mrd. € %

11,9 5,0 3,3 - 9,4 14,8 7,8

300

260

220

180

140

2006 2007 2008 2009 2010 2011

40

20

0

-20

-40

Mrd. € %

1,4 - 0,2 0,7 - 0,2 0,1 1,1

325

320

315

310

305

300 2006 2007 2008 2009 2010 2011

10

5

0

-5

-10

-15

Mrd. €

Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2006 2007 2008 2009 2010 2011Reales Bruttoinlandsprodukt [1] (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) 3,4 2,7 1,0 -4,7 3,4 2,0

Erwerbstätige im Inland (1000 Personen) 39.074 39.724 40.276 40.271 40.337 40.382Erwerbslose, ILO 4.250 3.602 3.141 3.227 3.014 2.916Arbeitslose, BA 4.487 3.777 3.268 3.423 3.248 3.143Erwerbslosenquote, ILO [2] 9,8 8,3 7,2 7,4 7,0 6,8Arbeitslosenquote, BA [2] 10,8 9,0 7,8 8,2 7,7 7,5Verbraucherpreise [3] 1,6 2,3 2,6 0,3 1,1 1,5Lohnstückkosten [4] -1,7 -0,2 2,4 5,7 -1,2 -0,2Finanzierungssaldo des Staates [5]

in Mrd. Euro -37,1 6,3 2,8 -72,7 -100,0 -85,0in Prozent des BIP -1,6 0,3 0,1 -3,0 -4,0 -3,3

Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP 6,5 7,6 6,8 4,9 4,9 4,8

[1] In Preisen des Vorjahres [2] Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA)[3] Verbraucherpreisindex [4] Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer bezogen auf das Bruttoinlandspro-dukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigen [5] In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG). Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; Berechnungen des DIW Berlin 2009 bis 2011: Prognose des DIW Berlin

seite 18

WISSEn

Page 19: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Konsumklima Deutschland

ses Ziel zu erreichen, ist für den Leiter der Querschnittsgruppe „Konjunkturpolitik“ ein höheres Lohnniveau. Vor allem in Bran-chen, in denen die Qualität „Made in Germany“ und weniger ein günstiger Preis ausschlaggebend für die Kaufentscheidung der (internationalen) Konsumenten sei. Beispielsweise bestehe in der Automobilindustrie Spielraum für höhere Lohnabschlüsse. „In exportorientierten Branchen, in denen starke internationale Konkurrenz herrscht, wie im Dienstleistungssektor, muss es allerdings weiterhin moderate Lohnabschlüsse geben, um auf dem Markt bestehen zu können“, gibt Fichtner zu bedenken.

Vertrauensverlust als Konjunkturdämpfer

Doch allein nach dem Motto „Mehr Geld = mehr Konsum“ geht die Rechnung für Fichtner nicht auf: „Um die Haushalte zum Konsu-mieren anzuregen, ist ein relativ stabiles politisches Umfeld nötig, in dem die Politik den Bürgern Sicherheit vermittelt.“ Dies sieht er momentan nicht als gegeben. „Durch die Krise hat es außerdem einen großen Vertrauensverlust der Deutschen in das politische System gegeben. Das hat für Verunsicherung gesorgt und die Nach-frage bei den privaten Haushalten gedämpft“, erklärt Fichtner.

Staatshilfen nur teilweise hilfreich

In der Krise habe die Politik keine gute Figur gemacht: „Sie hat insgesamt wenig dazu beigetragen, die Wirtschaft zu konsolidie-ren. Positive Beispiele sind für mich das Kurzarbeitergeld und der Deutschlandfonds, der die Gefahr von Finanzierungseng-pässen gebannt hat. Andere groß angekündigte Konjunkturpro-gramme, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur, sind völlig ins Leere gelaufen. Die Gelder liegen noch heute auf den Konten der Länder.“ Auch die Abwrackprämie sieht Fichtner kritisch. Sie habe zwar kurzfristig funktioniert, werde aber zulasten künftiger Generationen gehen, da sie die Staatsverschuldung weiter in die Höhe getrieben habe.

Die hohe Staatsverschuldung durch teure Konjunkturpro-gramme, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern vor allem in anderen Ländern des Euroraumes, ist für Fichtner die größte

Bedrohung für das momentane Wachstum. „Am Beispiel Grie-chenland haben wir gesehen wohin die hohe Staatsverschuldung führen kann und wie sprunghaft die Kapitalmärkte in solch einem Fall reagieren können.“ Ein weiteres Problem sei das instabile Wachstum und die hohe Arbeitslosigkeit bei wichti-gen Handelspartnern Deutschlands, etwa den USA: Sinkende Importe deutscher Produkte durch die Amerikaner könnten zu einem erneuten Einbruch der Produktion führen.

Gefahren für das Wachstum

Was also sollte die Politik tun, um die Bundesrepublik auf Wachs-tumskurs zu halten und eine erneute Krise zu verhindern? Neben der schon erwähnten Stärkung der Binnennachfrage, die für eine größere Unabhängigkeit vom internationalen Markt sorgt, hat für Fichtner eine Sanierung des Staatshaushaltes oberste Priorität. Im Gegensatz zu vielen Politikern sieht er in beiden Maßnahmen keinen Widerspruch: „Es darf schlicht keine weiteren Konjunkturprogramme durch Steuererleichterungen oder Ähnliches geben. Zur Stabilisierung der Binnennachfrage ist das auch gar nicht nötig: Spüren die Bürger ein Gefühl der Sicherheit, steigt die Binnennachfrage ganz von selbst.“

Dr. Ferdinand Fichtner ist seit April

2010 Leiter der Querschnittsgruppe „Kon-

junkturpolitik“ und wissenschaftlicher

Mitarbeiter in der Abteilung Konjunktur

des Deutschen Instituts für Wirtschafts-

forschung (DIW) Berlin. Er promovierte

2008 an der Universität zu Köln über

„Die Auswirkungen der Bildung von Währungsunionen“ und war

anschließend an der Universität Duisburg-Essen sowie bei der Euro-

päischen Zentralbank tätig. Fichtners Forschungsschwerpunkte

liegen im Bereich der Analyse internationaler wirtschaftlicher

Zusammenhänge und der Konjunkturpolitik.

80

60

40

20

0

-20

-40

-60

2008 2009 20102007

Erwartungen Arbeitslosigkeit

Einkommenserwartungen

Preiserwartungen

Sparneigung

Konjungturerwartungen

Abschaffungsneigung

Gesamtindex

Quelle: DIW Berlin

seite 19

November 2010 WISSEn

Page 20: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 20

WISSEn

Page 21: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

„Hightech-Strategie 2020“ soll den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern Bundesregierung unterstützt Technologietransfer

Deutschland ist als größte Volkswirtschaft Europas erstaunlich gut aus der Wirtschaftskrise hervorgegangen. Nachdem

im Krisenjahr 2009 noch ein Minus von 4,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt verzeichnet werden musste, wird das

Wachstum für 2010 deutlich größer ausfallen als ursprünglich erwartet. Damit Deutschland auch weiterhin im globalen

Wettbewerb erfolgreich bleibt, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die „Hightech-Strategie

2020“ vorgelegt, die vom Bundestag in diesem Sommer verabschiedet wurde. m:convisions-Redakteur Ulrich Erler befragte

Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan zur Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Frau dr. Schavan, eine der herausforderungen für Ihr Ministe-rium ist es, den Weg vom Wissen zum produkt zu verkürzen, also Wissenschaft und Wirtschaft so zu verzahnen, dass For-schungsergebnisse möglichst schnell in Innovationen am Markt und in die Gesellschaft überführt werden können. Wie gehen Sie dabei vor? Wir wissen, dass die großen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen nur durch einen engen Schulterschluss von Wissenschaft und Wirtschaft bewältigt werden können. Wenn Sie die internationalen Studien ver-gleichen, dann zeigt sich, dass in Deutschland bereits eine gute Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft besteht. Wir wissen aber auch, dass wir hier noch besser werden kön-

nen. Daher unterstützt die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie ganz besonders den Wissens- und Technolo-gietransfer. Einen wesentlichen Brückenschlag bilden hier die Spitzencluster und die Innovationsallianzen, um nur zwei von den Maßnahmen zu benennen, die wir erfolgreich gestartet haben. In beiden Maßnahmen gehen Wissenschaft und Wirt-schaft längerfristige strategische Partnerschaften ein. Der Spitzencluster-Wettbewerb, der im Übrigen auch international viel Aufmerksamkeit erfährt, bündelt die Spitzenkräfte einer Region zu einem Thema.

können Sie uns auch schon konkrete Success-Stories nennen? Zwei gute Beispiele sind das Solarvalley Mitteldeutschland und der Biotechnologie-Cluster Rhein-Neckar. Die Tatsache, dass die Partner entlang der gesamten Innovations- und Wertschöp-fungskette an einer gemeinsamen Strategie arbeiten, garan-tiert, dass die Ergebnisse auch schnell in konkrete Produkte und Dienstleistungen überführt werden. Bei den Innovati-onsallianzen unterstützen wir Industriepartnerschaften, die gemeinsam eine Anwendung mit hohem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Mehrwert entwickeln – zum Beispiel Lithium-Ionen-Batterien. Die Vielzahl von Akteuren, die sich allein bei diesen Maßnahmen engagieren, und die Dynamik, die sich dort entfaltet, zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg.

kleinere und mittlere unternehmen sind in deutschland in vielen Bereichen Vorreiter des technologischen Fortschritts. die mit Spitzenforschung verbundenen Risiken sind aber für Mittelständler nur sehr schwer zu schultern. Wie können Sie hier unterstützen? Die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist ein weiteres zentrales Anliegen der Hightech-Strategie. Gegenüber 2005 haben wir die jährlichen Mittel hierfür um mehr als 70 Prozent auf über eine Milliarde Euro im Jahr 2009 aufgestockt. Mit der Förderinitiative KMU-innovativ, die im Herbst 2007 gestartet wurde, unterstützen wir insbesondere KMU, die Spitzenforschung betreiben. Wir eröffnen ihnen neue Wege zu Forschungsmitteln aus unseren Fachprogrammen – mit Erfolg, wie kürzlich die Zwischeneva-luation gezeigt hat: Die Unternehmen loben besonders, dass der Ablauf des Antragsverfahrens klar, effizient und gut planbar ist. In dem Programm werden seitdem knapp 700 KMU in ihren Forschungsvorhaben unterstützt. Besonders erfreulich ist, dass

„Die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen ist ein zentrales Anliegen der Hightech-Strategie.“

seite 21

November 2010 WISSEn

Page 22: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

sich überdurchschnittlich viele junge und sehr dynamische Unternehmen an dem Programm beteiligen, die Forschung für neue Hightech-Produkte betreiben und sich stark auf interna-tionale Märkte ausrichten.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Innovationspolitik sind her-vorragend qualifizierte Fachkräfte. doch insbesondere speziali-sierte Fachkräfte und Ingenieure werden schon heute von den personalabteilungen der unternehmen händeringend gesucht. der demografische Wandel wird diese Situation weiter verschär-fen. auch in der Wissenschaft fehlt es an Fachkräften. Viele junge Wissenschaftler beginnen ihre karriere im ausland und bleiben dort. Was sind die Gründe dafür und wie lässt sich diese Ent-wicklung umkehren? In Wissenschaft und Forschung leben wir vom Austausch über Grenzen hinweg – wir sprechen da auch von „brain circulation“. Sich international zu vernetzen spielt eine wichtige Rolle. Insofern ist die Mobilität hoch qualifizierter Fachkräfte groß – und das ist gut so. Für Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es ein sinnvoller Abschnitt ihrer Qualifizierung und Weiterbildung, wenn Sie im Ausland studieren oder forschen. Ein großer Teil von ihnen bleibt von vorneherein nur für eine begrenzte Zeit dort. Studien zeigen: Die überwiegende Mehrheit möchte gerne nach Deutschland zurückkehren. Um diese kümmern wir uns besonders: Wir orga-nisieren gezielte Informations- und Recruiting-Veranstaltungen, zum Beispiel die alljährliche GAIN-Tagung im September in den USA. Die Alexander von Humboldt-Stiftung hat für Rückkehrer eine Onlinedatenbank eingerichtet, und es gibt gezielte Rück-kehrerprogramme vom DAAD und der Humboldt-Stiftung. Der Forschungsstandort Deutschland ist attraktiv, nicht zuletzt dank der Exzellenzinitiative der Bundesregierung. Sie hat vie-le neue Stellen für hochkarätige Forscherinnen und Forscher geschaffen. Bisher wurden rund 4.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rekrutiert, davon kommen circa 25 Prozent aus dem Ausland.

die Betriebe kritisieren immer häufiger die nachlassende aus-bildungsfähigkeit der Schulabgänger. die Ergebnisse von inter-

nationalen leistungsvergleichen wie pISa, IGlu oder tIMSS haben ja die Schwächen des deutschen Bildungssystems aufge-deckt – insbesondere bei zentralen Gebieten wie lesen, Mathe-matik oder naturwissenschaften. Zudem entscheidet in kaum einem anderen Industriestaat die soziale herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen. Wo wollen Sie da den hebel ansetzen? Was PISA angeht, hat sich Deutschland seit der ersten Erhebung im Jahr 2000 immerhin kontinuierlich gesteigert. Ich bin gespannt auf die neuen PISA-Ergebnisse, die am 7. Dezember veröffentlicht werden. IGLU hingegen hat eher Stärken als Schwächen aufgezeigt. Die deutschen Grundschulen liegen international in der Spitzengruppe. Die wichtigste Frage lautet: Wie gelingt es uns, dass Bildungschancen weniger von der sozialen Herkunft abhängen als bisher. Ich setze mich zusam-men mit meinen Länderkollegen dafür ein, dass Eltern ohne akademischen Abschluss genau über die Bildungsmöglichkeiten informiert und ermutigt werden, ihr Kind aufs Gymnasium zu schicken. Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer müssen dafür sensibilisiert werden, dass Kinder aus akademi-schen Elternhäusern bei gleicher Leistung häufiger eine Gym-nasialempfehlung erhalten als Kinder aus nicht akademischen Elternhäusern. Die Jugendlichen müssen wir dabei unterstützen, ihren Abschluss zu schaffen. Dem dienen die Bildungslotsen, ein Projekt, das ich mit auf den Weg gebracht habe und das gerade

anläuft. Ausgehend von einer Potenzialanalyse der Schülerin-nen und Schüler ab der 7. Klasse wollen wir ihnen die Orientie-rung auf dem Weg in einen Beruf erleichtern, durch individuelle schulische und außerschulische Maßnahmen. Außerdem setzen wir hauptamtliche Berufseinstiegsbegleiter – die Bildungslot-sen – ein, die besonders gefährdete Jugendliche unterstützen. Damit schaffen wir an den Übergängen zwischen Schule und Beruf mehr Durchlässigkeit.

Zurück zur „hightech-Strategie“. lassen Sie mich ein Zukunftspro-jekt herausgreifen: „krankheiten besser therapieren mit indivi-dualisierter Medizin.“ deutschland galt ja lange als apotheke der Welt. diese Zeit scheint aber vorbei. Inzwischen kommen fast alle neuen arzneien aus labors in den uSa. Warum gelan-gen Forschungsergebnisse aus deutschen labors so selten in die apotheken? Wo stockt der Technologie-Transfer? Fest steht: In Deutschland mangelt es weder an der wissenschaftlichen Exzellenz noch an guten Ideen. Und wir sind Produktionsstand-

„Kongresse bieten einen exzellenten Rahmen für den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.“

seite 22

November 2010WISSEn

Page 23: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

ort Nummer eins in Europa, wenn es um biopharmazeutische Medikamente geht. Doch bis aus der Idee für eine Therapie tat-sächlich ein Medikament wird, vergeht in der Tat viel Zeit. Das liegt auch an der aufwendigen Prüfung zur Arzneimittelsicher-heit, an der eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure beteiligt ist. Als Ministerium wollen wir Anreize dafür schaffen, dass viele kommerziell interessante Ideen entwickelt werden und dass die verschiedenen Partner der Pharmawertschöpfungskette schon frühzeitig strategisch zusammenarbeiten. Dazu dienen verschiedene Förderinitiativen, die wir 2007 unter dem Dach der Pharmainitiative für Deutschland gebündelt haben. Sie reichen von der Wirkstoffsuche bis hin zur Weiterentwicklung von Produktionsverfahren. Wichtig ist uns aber auch der stra-tegische Gedanke. Deshalb investieren wir allein 100 Millionen Euro in die Biopharmainitiative, mit der wir drei Konsortien aus Wissenschaft und Wirtschaft unterstützen, die intelligente Konzepte für eine strategische Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette umsetzen. Künftig wollen wir unseren Fokus in der Förderung von Pharmaforschung noch mehr auf die Chancen der individualisierten Medizin richten – ein Feld, das sich gerade erst entwickelt und das mit enormen Chancen

für effizientere Therapien verbunden ist. Die deutsche Indust-rie muss auch in diesem internationalen Markt für innovative Arzneimittel eine wichtige Rolle spielen.kongresse sind ein wichtiger Impulsgeber für Wirtschaft und Wissenschaft. dabei nimmt deutschland eine führende position ein. Werden diese Branchenzusammenkünfte auch weiterhin Bestand haben oder wird einiges davon ins Internet abwandern? In der Tat bieten Kongresse einen exzellenten Rahmen für den persönlichen formellen und informellen Austausch, auch zwi-schen Wissenschaft und Wirtschaft. Ich glaube nicht, dass das Internet diese Art der Kommunikation, nämlich die persönliche Begegnung, ersetzen kann. Diskussionsforen, die dort eingerich-tet werden, sind vielmehr eine ideale Ergänzung, um solche Veranstaltungen zu begleiten oder sie vor- und nachzubereiten.

Sie nehmen selbst oft an kongressen teil. Was würden Sie sich von den Verantwortlichen wünschen, um diese Veranstaltungen noch interessanter zu machen? Kongresse leben doch in erster Linie von ihren Teilnehmern. Meine Erfahrung ist: Wenn das Persönlichkeiten mit interessanten Botschaften sind, wird auch ein lebendiger Austausch stattfinden.

Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft: Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, setzt sich dafür ein, dass künftig mehr Kinder einen Schulabschluss machen und eine Berufsausbildung absolvieren.

seite 23

WISSEn

Page 24: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

E-Learning ändert unsere Bildungsstrukturen von Grund aufDas Ende des WissensmonopolsVon Bernhard Schenk

E-Learning spielt eine zunehmend größere Rolle in der Wissensvermittlung – ob an Universitäten, in Unternehmen

oder sogar in der Grundschule. Lernen ganz ohne Neue Medien wie Computer und Netzwerke, wird das überhaupt noch

praktiziert? Professor Peter A. Henning, Physiker und Informatikdozent an der Hochschule Karlsruhe – Technik und

Wirtschaft, meint ganz klar: nein.

„Digitale Techniken sind beim Lernen heute so selbstverständlich geworden, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen“, sagt Professor Henning, der Informatik an der Hochschule Karls-ruhe – Technik und Wirtschaft lehrt. Hennings Definition von E-Learning, also elektronisch unterstütztem Lernen, ist weit gefasst: Darunter fallen für ihn alle Formen von Bildung, bei denen elektronische Medien in irgendeiner Form eingesetzt wer-den. Das beginne schon in der Grundschule, wenn der Lehrer den Kindern eine Recherche im Internet als Hausaufgabe mitgebe, sagt Henning. Kurz gefasst: E-Learning ist heute omnipräsent.

Vorreiter bei der Entwicklung waren allerdings nicht die Hochschulen, sondern die Wirtschaft. Anders als an Schulen

oder Universitäten stehen hier pädagogische Aspekte weniger im Fokus. In den Unternehmen komme es auf Effizienz an, auch bei der Wissensvermittlung, wie Henning ausführt. Computerge-stütztes Lernen bietet da enorme Vorteile gegenüber klassischen Seminaren, Workshops und Präsenztrainings: zum Beispiel die Unabhängigkeit von Zeit und Ort oder die Veranschaulichung komplizierter Sachverhalte mittels multimedialer Darstellung.

Die Motivation, E-Learning-Konzepte einzuführen, war an Universitäten und Schulen eine andere als in der Wirtschaft. „Die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen ist heute das Internet. Fast 100 Prozent der Heranwachsenden sind dort sehr aktiv – ob sie sich in einem Social Media Network aufhal-

Faszinierende Multimedialität: E-Learning spielt bei der Wissensvermittlung eine immer größere Rolle.

seite 24

WISSEn

Page 25: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

ten oder eine neue Applikation für das Handy herunterladen. Die Bildungseinrichtungen tragen mit ihrer Hinwendung zu elektronischen Medien einer gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung“, erklärt Henning.

Wenn aus Studenten Avatare werden

Vorbehalte gegen elektronisch unterstützte Didaktik hat der Karlsruher Professor keine: „Ich stelle meine Lehrunterlagen nicht nur im Netz zur Verfügung, sondern streame meine Vor-lesungen auch in Echtzeit in die Internetwelt von ‚Second Life‘.“ Das Besondere dabei: Die Studenten können nicht nur passiv die Vorlesung verfolgen, sondern sich auch aktiv beteiligen. Wie funktioniert das? „Mittels eines Avatars, also des grafischen Stellvertreters im ‚Second Life‘, können die Studenten virtuell

an mich herantreten und mir zeigen, dass sie gerne eine Frage stellen möchten. Ich sehe das und kann dann Kontakt mit ihnen aufnehmen.“ Bereits zehn bis 15 Prozent der Studierenden nut-zen diese Möglichkeit laut Henning regelmäßig.

Mit der Erfahrung aus 30 Jahren E-Learning weiß Henning genau, worauf es ankommt, wenn rechnergestützte Bildung erfolgreich sein soll: „Menschen lernen nicht gut, wenn man sie einfach vor einen Computer setzt. Sie brauchen einen Ansprech-partner, der ihnen, beispielsweise über eine Hotline, helfen kann. Und zwar weniger, weil sie fachliche Unterstützung benötigen, sondern um das Gefühl zu haben, dass jemand bereitsteht zu hel-fen.“ Besonders bei technischem Support sei das enorm wichtig, weiß Henning. Bei Problemen mit der Hard- oder Software ist die Geduld der User extrem gering – sogar bei solchen, die sich mit Computern gut auskennen. Henning hat beobachtet, dass selbst bei kleinsten Schwierigkeiten die Akzeptanz zur Wissensauf-nahme sofort verschwindet. Wesentliche Voraussetzung für die Effektivität von E-Learning ist eine reibungslos funktionierende Technik. „Man sollte besser einfache, aber problemfreie Systeme einsetzen, statt neueste Features einzubauen, die potenzielle Fehlerquellen darstellen“, führt der Informatiker aus.

Deutschland für kommende Entwicklungen gut gerüstet

Im internationalen Vergleich sieht Henning Deutschland gut positioniert, wenn auch die USA und andere englischsprachige Länder ein Stück weiter in der Entwicklung seien. Die Gründe liegen in den strukturellen Unterschieden der Bildungssysteme. Denn ein großer Teil des Hochschulsystems im angloamerikani-schen Teil der Welt ist privat finanziert und dementsprechend

technisch gut ausgestattet. „Der Vorsprung ist jedoch nicht sehr groß“, sagt Henning. „In manchen Bereichen – etwa der Wissens-verarbeitung – ist Deutschland durchaus in der Spitzengruppe.“

Und wie sieht E-Learning in der Zukunft aus? „Der aktuelle Forschungsschwerpunkt auf europäischer und nationaler Ebene liegt auf adaptivem computergestütztem Lernen. Das heißt, wir wollen Systeme so konstruieren, dass sie sich individuell dem Benutzer anpassen.“ Dazu muss das System eine Ontologie des Lernenden erstellen, ein Modell, das einen Zusammenhang zwi-schen dem Lernziel und dem vom User tatsächlich erreichten Lernfortschritt herstellt. Das System der Zukunft soll beispiels-weise erkennen, wenn ein Anwender bei einer bestimmten Art von Aufgabe Lösungsschwierigkeiten hat, und ihm das entspre-chende Modul zum Wiederholen anbieten. Bislang fehle bei den meisten Systemen diese Komponente, erklärt Henning. Dieses pädagogische Element wird in Zukunft stärker in den Mittel-punkt rücken als bisher.

Prinzipielle Grenzen für den Einsatz von elektronisch unter-stützter Bildung sieht Henning nicht. „Diese werden alleine von der Technologie bestimmt. Und hier schreitet die Entwicklung ständig voran.“ Die menschliche Komponente bleibt unverändert wichtig, wird aber eine andere Rolle spielen als in der Vergangen-heit. „Das Wissensmonopol liegt nicht mehr beim Lehrer. Heute kann sich jeder aus dem Internet die Informationen beschaffen, die er braucht. Das erlebe ich selbst, wenn meine Studenten über eine technische Neuerung besser informiert sind als ich.“ Der Lehrende wird zunehmend zum Moderator und Tutor, der Infor-mationen bewerten und ordnen muss. Denn sein Wissen – das ist längst in digitaler Form für jeden zugänglich.

Professor Dr. Peter A. Henning wurde

1958 in Wiesbaden geboren. Nach seinem

Physikdiplom 1983 erhielt Henning ein

Promotionsstipendium der Friedrich-

Naumann-Stiftung und arbeitete am Insti-

tut für Kernphysik der TU Darmstadt und

bei der Gesellschaft für Schwerionenfor-

schung an seiner Dissertation. 1993 habilitierte er sich für das Gebiet

der theoretischen Physik. Seit 1998 ist Henning Professor an der

Fakultät für Informatik der Hochschule Karlsruhe. Hier entstand

unter seiner Leitung einer der ersten deutschen Masterstudien-

gänge für Informatik. 2007 wurde er zum „Professor des Jahres“ im

Bereich Informatik von der Zeitschrift Unicum gekürt. 2009 erhiel-

ten er und seine Kollegen den Lehrpreis des Landes Baden-Württem-

berg. Henning engagiert sich unter anderem als Mitglied im Inno-

vationsausschuss des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg

und im Leitungsgremium der LEARNTEC.

„Menschen lernen nicht gut, wenn man sie einfach vor einen Computer setzt.“

seite 25

November 2010 WISSEn

Page 26: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 26

Page 27: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Demografischer Wandel als Herausforderung für die Wirtschaft Wer erwirtschaftet in Zukunft unseren Wohlstand?Von Ulrich Erler

Auch während der Krise zeigte sich der Arbeitsmarkt in Deutschland ausgesprochen robust. Bald scheint bei den

Arbeitslosenzahlen sogar das Unterschreiten der Dreimillionengrenze möglich. Doch die Entwicklung hat auch ihre

Schattenseiten: In Unternehmerkreisen macht immer häufiger das Schlagwort Fachkräftemangel die Runde. Und der

Engpass bei qualifiziertem Personal könnte sich tatsächlich als Wachstumsbremse erweisen. Dabei stehen dem

Arbeitsmarkt die tief greifenden demografischen Veränderungen noch bevor.

Die deutsche Bevölkerung schrumpft und altert. Verschärft wird die Situation dadurch, dass ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen nicht in der Lage ist, einer qualifizierten Beschäf-tigung nachzugehen. Auch nicht alle jungen Menschen, die einen guten Schulabschluss haben, entscheiden sich für ein Studium – und noch seltener für eines der Fächer, in denen die Wirtschaft händeringend Absolventen sucht. Politik, Unterneh-men, Verbände und Bildungseinrichtungen müssen sich diesen Herausforderungen stellen und Lösungen finden.

Denn die entscheidende Frage ist: Wer erwirtschaftet in Zukunft unseren Wohlstand? Die Alten, für die sich zwar die Rente immer mehr nach hinten verschiebt, für die es aber keine Arbeitsplätze gibt? Die Jungen, von denen insbesondere Mädchen viel zu selten technische Berufe ergreifen? Die Mig-ranten, die bisher nur als wenig qualifizierte Arbeitskräfte im Bewusstsein der Öffentlichkeit existieren? Die Frauen, die ja schon dafür sorgen sollen, dass die Deutschen nicht komplett aussterben und deshalb in Führungspositionen hoffnungslos unterrepräsentiert sind?

Employability als Anti-Aging-Programm

Für Professor Jutta Rump, Geschäftsführerin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) der Fachhochschule Lud-wigshafen, kann die Lösung nur ein Mix aus mehreren Kompo-nenten sein. „Keine der aufgezählten Gruppen kann es alleine richten. Entscheidend wird sein, dass ganz allgemein die Emplo-yability, also die Beschäftigungsfähigkeit der Erwerbsbevölke-rung, gesteigert wird – und zwar bis weit über das heute übliche Renteneintrittsalter hinaus. Das ist nicht nur für die deutsche Volkswirtschaft wichtig, sondern auch für die Erwerbsbiogra-fie jedes Einzelnen.“ Rump führt ein Beispiel aus der eigenen Familie an: „Mein Vorbild ist meine Großmutter. Sie war bis 70 Unternehmerin und immer in Bewegung – das war ihr Anti-

Aging-Programm.“ Und tatsächlich wird laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schon in zehn Jahren etwa jeder dritte Erwerbstätige über 50 Jahre alt sein. Damit steht fest, dass wir alle immer länger arbeiten müssen, schon allein um die Sozialsysteme nicht kollabieren zu lassen. Und die Unternehmen, die sich auf diese Veränderung nicht rechtzeitig einstellen, werden zwangsläufig vom Markt verschwinden, sind

sich Experten einig. Doch die meisten scheinen ihre Hausauf-gaben gemacht zu haben. Das zeigt sich schon daran, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland relativ unbeschadet durch die Kri-se gekommen ist. „Die Personalabteilungen haben gelernt, stra-tegisch zu denken“, macht die Wissenschaftlerin deutlich. „In einer Studie unseres Instituts haben wir festgestellt, dass etwa 60 Prozent den demografischen Wandel als Herausforderung erkannt haben. Allerdings gibt es noch einen Talking-Action-Gap, denn nur 40 Prozent ergreifen auch konkrete Maßnahmen.“

Handlungsoptionen für Unternehmen

Viele würden die Politik in der Pflicht sehen, dabei gebe es auch für Unternehmen konkrete Handlungsoptionen. „Ich kenne Mittelständler, die in Kindergärten und Grundschulen gehen, um dort spielerisch die Kinder – insbesondere die Mädchen – für Technik zu begeistern. Das hat zwar einen Investitionsvorlauf von etwa 15 Jahren, aber es funktioniert ganz wunderbar – übri-gens auf dem Land besser als in der Stadt, weil dort die Lehrer eher zu Kooperationen mit dem örtlichen Gewerbe bereit sind.“

„Die Personalabteilungen haben gelernt, strategisch zu denken.“

seite 27

November 2010 WISSEn

Page 28: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Dass Frauen für die Wirtschaft noch ein großes Reservoir darstellen, verstehe sich von selbst. Aber ohne vernünftige Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie könne man nicht erwarten, dass sich die Quote weiblicher Führungskräfte nennenswert erhöht. „Teilzeitangebote auch bei qualifizierten Jobs, Homeoffice-Arbeitsplätze und Kinderbetreuung im Betrieb sind einfache Maßnahmen, mit denen sich jedes Unternehmen attraktiv für Frauen machen kann.“

Die Situation bei der Migration beurteilt Rump wesentlich schwieriger. Die bisherigen Bemühungen seitens der Politik, hoch qualifizierte Fachkräfte ins Land zu holen, seien aus ihrer Sicht gescheitert. Dort stehe man im globalen Wettbewerb, und neben der Sprachbarriere sei sicherlich das wenig positive Inte-grationsimage Deutschlands ein Hemmschuh. Aber auch hier könnten Unternehmen aktiv werden. „Ich verstehe gar nicht, warum bei der Türkei immer nur an Hilfskräfte gedacht wird.“ Wichtig sei es eben, den Zuwanderern eine individuelle Betreu-ung zukommen zu lassen: „Wohnungsvermittlung, Schulsuche, Sprachkurse, Freizeitprogramm – da gibt es sehr engagierte Beispiele, und diese Investitionen lohnen sich fast immer.“

Bei der zunehmenden Ausbildungsunfähigkeit – inzwischen sind etwa sieben Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss – sieht sie hauptsächlich die Schulen in der Pflicht. „Es ist ja nicht so, dass die Menschen dümmer geworden wären, die Anforde-rungen sind nur höher geworden.“ Jeder habe ein Talent und das müsse nur richtig gefördert werden. Dabei sei der Schlüssel zum Erfolg zweifellos das individuelle Lernen. Dass dafür Geld in die Hand genommen werden müsse, verstehe sich von selbst.

Das größte Potenzial sieht Rump aber bei den älteren Arbeit-nehmern, schon allein aufgrund des demografischen Wandels: „Der Jugendwahn in den Personalabteilungen sollte nun end-gültig der Vergangenheit angehören. Allerdings müssen sich die Arbeitnehmer auch von dem Automatismus höheres Lebensalter gleich höherer Lohn verabschieden.“

Unternehmen erkennen Zeichen der Zeit

Zu den Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, gehört die Deutsche Telekom: „Wir müssen versuchen, das Arbeitskräftepotenzial dort zu erhöhen, wo Fachkräfte knapp werden“, erklärt Thomas Sattelberger, Personalchef des Unter-nehmens. „Neue Talentmärkte sind zum Beispiel Frauen, insbe-sondere in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwis-senschaft und Technik), oder auch Menschen aus bildungsfernen

Schichten.“ Dafür müsse man auch eingetretene Trampelpfade verlassen: „Wir bilden mit großem Erfolg Jugendliche aus, die lange arbeitslos waren und keine Chance auf Beschäftigung hat-ten.“ Systematische Umschulungen beziehungsweise Requa-lifizierungen seien in Zukunft nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall. Überhaupt müsse die Vorstellung vom Berufs-leben neu definiert werden. Um ältere Arbeitnehmer länger im Betrieb halten zu können, sei ein breitbandiges Gesund-heitsmanagement notwendig. „Wichtig ist aber auch, welche Wertschätzung das Unternehmen den Älteren vermittelt. Neben dem Sollen müsse es nämlich auch ein Wollen geben“, stellt das 61-jährige Vorstandsmitglied fest. „Da muss psychologisch ein Hebel umgelegt werden. Wer Anfang 50 ist, der steht mitten im Berufsleben. Damit sich dieses Verständnis entwickelt, müssen wir älteren Mitarbeitern aber auch Perspektiven bieten.“

Doch nicht nur Konzerne bereiten sich auf den demografi-schen Wandel vor, auch im Mittelstand ist das Problembewusst-sein angekommen. Die SICK AG, ein Hersteller von Sensoren für industrielle Anwendungen in der Automatisierungstechnik, hat es beispielsweise geschafft, mit einer lebensphasenorientierten Personalentwicklung ältere Mitarbeiter zum Lernen zu moti-vieren. Von der Ausbildung junger Menschen über Angebote für junge Familien bis hin zu Programmen für Ältere geht das Unternehmen aus dem Schwarzwald, das dem Demographie Netzwerk e. V. angehört, speziell auf die Herausforderungen der unterschiedlichen Lebensabschnitte ein.

Berufliche Fitness

Wer beim Naturkosmetik- und Arzneimittelhersteller WELEDA arbeitet, hat gute Chancen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Es gibt einen betriebseigenen Kinder-garten, ein Elternzeitprogramm mit Teilzeitbeschäftigung, das nicht karrierehinderlich ist, und ein bundesweit einmaliges Angebot zur Familienfortbildung mit Elterncoaching. Das Wele-da Generation Netzwerk versucht sogar eine Balance zwischen den Generationen auch außerhalb der Arbeit zu schaffen.

Für die nächsten Jahre prognostiziert Rump eine Zweiteilung des Arbeitsmarkts: „Es gibt einen deutlichen Trend zur Wissens- und Innovationsgesellschaft. Daneben gibt es aber einen ebenso starken Trend zur standardisierten Arbeitswelt mit erheblichem Kostendruck und kontinuierlichen Rationalisierungen.“ Das bedeute aber auch eine angepasste Personalpolitik. Denn die Men-schen aus diesen Arbeitswelten müssen auch ganz unterschiedlich

seite 28

November 2010WISSEn

Page 29: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

betreut werden. Jedem Einzelnen rät sie, zum Unternehmer in eigener Sache zu werden. Die Zeiten, in denen man irgendwann einmal eine Ausbildung gemacht hat und dann ein Leben lang die gleiche Tätigkeit verrichte, seien endgültig vorbei.

Um klarzumachen, um was es geht, zieht sie gerne eine Par-allele zum Sport: „Wer einmal seine Muskeln und seine Kondi-tion trainiert hat und dann keinen Sport mehr macht, gerät außer Form. Da hilft es auch nichts, wenn er früher einmal eine bestimmte Leistung erbracht hat.“ Aber auch im Vergleich

zu privaten Investitionen sieht sie ein Missverhältnis: „Wenn ich mir überlege, welcher Aufwand betrieben wird, wenn es beispielsweise darum geht, sich ein neues Fernsehgerät zu kau-fen, und wie wenig darüber nachgedacht wird, sich fit für den Arbeitsmarkt zu machen, also sich um seine eigene Employa-

bility zu kümmern, das ist schon bedenklich. Schließlich sind wir selbst der größte Vermögenswert, den wir haben.“ Entschei-dend sei es, mental in Bewegung zu bleiben und sich auf neue Entwicklungen einzustellen. Dann müsse man sich auch keine Sorgen machen, nicht mehr gebraucht zu werden.

Prof. Dr. Jutta Rump, Geschäftsführerin

des Instituts für Beschäftigung und Emplo-

yability (IBE) der Fachhochschule Ludwigs-

hafen, erforscht personalwirtschaftliche

Fragestellungen und berät Unternehmen

und Institutionen bei beschäftigungsrele-

vanten Fragen. Die Schwerpunkte des IBE

liegen in den Bereichen Beschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit,

dem demografischen Wandel und der Vereinbarkeit von Beruf und

Familie. Weitere Kernthemen sind die Zukunft der Arbeitswelt

sowie Wissensmanagement und Wissensbilanzierung.

„Wichtig ist aber auch, welche Wert-schätzung das Unternehmen den Älteren vermittelt.“

Der Wissenschaftszug „Expedition Zukunft“ der Max-Planck-Gesellschaft – eine mobile, auf zwölf Eisenbahnwagen verteilte Ausstellung – zeigt den Besuchern, auf welche Art und Weise Wissenschaft und Forschung unser Leben in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren verändern werden.

seite 29

WISSEn

Page 30: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Marcel Reich-Ranicki , Krit ikerDahinter stecktimmer ein kluger Kopf.

ww

w.f

az.n

et

Rec

yclin

ghof

, Fra

nkfu

rt

Sch

olz

& F

rien

ds

Marcel Reich-Ranicki, Kritiker

seite 30

WISSEn

Page 31: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Tageszeitungen als Leuchttürme in einer sich verändernden Medienlandschaft Kein Grund für Kulturpessimismus

Durch das Internet hat sich das Medienangebot und -nutzungsverhalten in den letzten Jahren dramatisch verändert. Zeiten,

in denen die morgendliche Tageszeitung genauso dazugehörte wie das Zähneputzen, sich das Fernsehprogramm auf drei

Kanäle beschränkte, die erst zu einer bestimmten Uhrzeit zu senden begannen, und die Kommunikation nicht per Mail, son-

dern durch den Briefträger übermittelt wurde, können sich Zwanzigjährige heute kaum noch vorstellen.

Für die einen bedeutet die sich verändernde Medienlandschaft eine Demokratisierung der Informationsgesellschaft, denn die Meinungshoheit liegt nicht mehr bei einigen wenigen. Blogs, Foren und soziale Netzwerke haben Werner Höfers sonntäg-lichen Pressefrühschoppen ersetzt. So ist die breite Bewegung gegen Stuttgart 21 ohne das Internet kaum denkbar. Doch die Ent-wicklung hat auch ihre Schattenseiten. Dirk Metz, langjähriger Sprecher der hessischen Landesregierung und derzeit Berater des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus, beklagt in diesem Zusammenhang eine „diffuse Halbinformiertheit“, da jeder ungeprüft Behauptungen ins Netz stellen könne, die keiner journalistischen Verifizierung standhielten. Für andere ist die Kommunikation über die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter schlicht eine Anhäufung von Belanglosigkeiten. Dane-ben beobachten sie eine Boulevardisierung der Medien – mehr als ein Drittel der Fernsehzuschauer nutzen vorwiegend private Sparten- und Nischensender – und warnen vor dem Untergang des Bildungsbürgertums. m:convisions-Redakteur Ulrich Erler sprach mit Frank Schirrmacher, Feuilletonchef und Mither-ausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), über die Zukunft der Printmedien.

herr Schirrmacher, im Oktober fand hier in Frankfurt – wie jedes Jahr – die größte Buchmesse der Welt statt. Während 2009 noch das große Zähneklappern vor der digitalen Gefahr umging, war nun die Stimmung ungleich besser. Buchmesse-direktor Juer-gen Boos sprach sogar von einem regelrechten Energieschub für die Branche. das E-Book wird offenbar nicht mehr nur als Bedrohung gesehen. haben die Buchverlage aus den Fehlern der Musikindustrie gelernt? Bei technologischen Innovationen gibt es anfangs immer eine übersteigerte Abwehrreaktion, dann normalisiert sich alles wieder. In dieser Phase sind wir jetzt. Es gab ja wahnsinnig viel Hysterie und es waren auch sehr viele falsche Propheten unterwegs. Nun haben die Verlage begriffen, welche Chancen in diesen neuen elektronischen Medien stecken. Das E-Bock ist eine wunderbare Ergänzung zum gedruckten Buch. Ich glaube aber weiterhin, dass das gedruckte Buch niemals ver-schwinden wird – dafür sprechen übrigens auch alle Zahlen. Wir wissen mittlerweile auch, dass bei einem Buch das Gehirn auf eine ganz eigene Weise angesprochen wird. Das E-Book entpuppt sich nun aber für die Verlage auch als eine sehr kostengünstige

Ergänzung. Ich war selbst auf der Buchmesse und habe dabei eine sehr interessante Beobachtung gemacht. Im Erdgeschoss der Halle 3.0, bei den Kinder- und Jugendbüchern, waren solche Massen von Kindern und Jugendlichen, dass es kaum noch ein Durchkommen gab. Das ist für mich der Gegenbeweis dafür, dass nicht mehr gelesen werde. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Und es gibt auch keinen Grund für Kulturpessimismus.

Was für die Buchverlage das E-Book, ist für die Zeitungsverlage das ipad. Für Matthias döpfner, axel-Springer-Vorstand, ist das ipad genau das, worauf alle gewartet haben. Einige tageszeitun-gen und Magazine präsentieren ihre produkte auch schon recht innovativ in diesen Formaten. die FaZ hat zwar erst vor drei Jahren die Frakturschrift aus dem Blatt verbannt, zeigt aber im allgemeinen keine Berührungsängste gegenüber neuen Medien. Beschäftigt sich Ihr haus mit dem tablet-Computer und was dürfen Ihre leser erwarten? Wir werden spätestens im nächsten Frühjahr alle modernen technologischen Plattformen bespielen – E-Paper genauso wie das I-Phone und alle anderen Geräte, die auf dem Android-Betriebssystem basieren. Wir planen ein der FAZ entsprechendes Angebot, das sich von anderen deutlich unterscheidet. Es wird verschiedene Stufen geben, aus denen der Leser auswählen kann. Das geht bis hin zu wirklich hochkom-plexen Lösungen, wo Sie als Leser sehr individuelle, substanziell hochwertige Inhalte abrufen können.

die FaZ war nicht nur mit einem Stand und entsprechendem programm auf der Buchmesse vertreten. Sie haben auch täg-lich eine Messezeitung produziert. Es wurden Videointerviews gedreht, die dann auf FaZ.net abrufbar waren, und die Feuille-tonredaktion hat fleißig getwittert. Genau genommen wurden 244 tweets abgesetzt, die immerhin von 345 Followern verfolgt wurden. Man hatte das Gefühl, dass Ihre Redakteure nach und nach immer mehr Spaß daran hatten, solche tweets abzusetzen. Ich selbst habe nicht getwittert, aber für mich war das ein super Navigationssystem durch die Messe. Ich war bestens darüber informiert, wo gerade was passierte. Die Stärke dieser Tweets ist unbestritten die ganz schnelle Information, daneben spielt aber der Wortwitz eine große Rolle. Nun sind 345 Follower natürlich erst mal nicht besonders viel, aber innerhalb dieser kurzen Zeit schon bemerkenswert. Man sieht einfach, dass eine Nachfrage

Marcel Reich-Ranicki , Krit ikerDahinter stecktimmer ein kluger Kopf.

ww

w.f

az.n

et

Rec

yclin

ghof

, Fra

nkfu

rt

Sch

olz

& F

rien

ds

seite 31

November 2010 WISSEn

Page 32: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

für so etwas besteht. Für uns war das ein Experiment, das man eigentlich mit dem Ende der Messe nicht hätte abbrechen dür-fen. Allerdings eignet sich nicht jeder Anlass für so eine Aktion.

Zurück zur gedruckten tageszeitung. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Gesamtauflage der tageszeitungen in deutsch-land von mehr als 27 Millionen Exemplaren auf etwa 19 Millio-nen verringert. und die perspektive ist wenig erfreulich, denn verkürzt lässt sich sagen: Ältere lesen, Jüngere surfen. hinzu kommt, dass viele potenzielle Zeitungsleser sich tagsüber durch das Internet und am abend durch das Fernsehen informieren. deshalb fühlen sich die nachrichten am nächsten tag in der Zei-tung meistens schon alt an. Wie soll die tagespresse auf diese herausforderungen reagieren? Geben Modelle wie Ihre erfolg-reiche Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung den Weg vor? Geht der Fokus also weg von der reinen nachrichtenberichter-stattung, hin zu hintergrundberichten und Magazinbeiträgen?

Also die These, dass die Jüngeren nicht mehr lesen und nur noch surfen, können wir nicht bestätigen. Im Gegenteil, wir haben dazu gerade eine Analyse gemacht. Beispielsweise gibt es für die FAZ auch zukünftig ein großes Potenzial. Allerdings sind wir eine Ausnahme von der Regel. Wir dürfen nicht den Fehler machen, von einer homogenen Masse auszugehen. So eine Zeitung erreicht natürlich immer nur eine bestimmte Gruppe von Menschen in einer Gesellschaft. Aber gerade junge Leute haben das Gefühl, dass sie mediale Leuchttürme brauchen, also Quellen, die das Geschehen einordnen und denen sie vertrauen können. Deshalb hat die überregionale Tageszeitung zukünftig die Aufgabe, ein Resümee des Tages zu ziehen. Das tun wir aber eigentlich schon immer. Der reine Nachrichtenanteil beträgt bei der FAZ nur etwa zehn Prozent.

Vor kurzem haben sich die teilnehmer des Medienkongresses World Editors Forum (WEF) in hamburg nicht nur dafür aus-

Die Gesamtauflage der Tageszeitungen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verringert. Insbesondere bei Jüngeren ist das Internet inzwischen zum Leitmedium geworden. Trotzdem sieht Frank Schirrmacher die Zukunft gar nicht so düster.

seite 32

WISSEn

Page 33: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

den podcast zum artikel finden Sie im Online-Magazin www.mcon-visions.de unter dem Webcode: 131031

gesprochen, dass die Zeitung der Zukunft den leser stärker einbeziehen müsste, es wurden auch dem lokaljournalismus große Chancen zugesprochen. In dem Zusammenhang ist derzeit als Gegenbewegung zur Globalisierung auch viel von sogenann-ten hyperlocals im Internet die Rede. Man kann nicht darüber hinweggehen, dass beispielsweise von einer Entwicklung, wie sie jetzt bei Stuttgart 21 der Fall ist, auch die regionalen Medi-en überrascht wurden. Ich denke schon, dass im Lokalen die Partizipation und der Austausch in Zukunft eine große Rolle spielen werden. Darin steckt natürlich auch eine große Chan-ce. Aber auch hier gilt, und zwar generationsübergreifend: In dem Augenblick, in dem ein Thema den Weg in ein gedrucktes

Medium findet, bekommt es eine neue Realität. Und das ist nicht nur der Gewohnheit alternder Kohorten geschuldet. Das hat auch etwas mit der Art und Weise zu tun, wie unser Gehirn Informationen aufnimmt. Die Rezeption über Papier löst in der Tat etwas anderes aus als ein rein elektronisches Trägermedium. Es handelt sich um eine relativ störungsfreie Kommunikation und nicht wie beim Computer um eine störungsanfällige, wo Sie andauernd irgendwelche Signale bekommen und alles unfassbar arbiträr ist und sofort wieder verschwindet.

nochmals zurück zur Buchmesse. Wie bei anderen Messen stehen nicht mehr die konkreten Geschäfte im Mittelpunkt. als Grund für einen Besuch wird immer häufiger „persönliche kontakte pflegen und neue knüpfen“ angegeben. Welche Zukunftschancen sehen Sie ganz allgemein für Messen und kongresse? Zunächst einmal gibt es doch einen wahnsinnig interessanten Vorgang. Vor etwa vier Jahren hat man gesagt, Messen wird es in Zukunft gar nicht mehr geben, weil wir die Möglichkeit haben, durch Plattformen im Internet zu kommunizieren. Und was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist genau das Gegenteil. Die gesamte digitale Kommunikation ersetzt nicht die direkte zwischen-menschliche Kommunikation. Für den Menschen ist es wichtig, das Gesicht und die Physiognomie seines Gesprächspartners zu entschlüsseln. Inspirationen finde ich nicht, indem ich irgend-etwas google, sondern im persönlichen Dialog. Deswegen gehe ich beispielsweise auch sehr gerne zur Buchmesse. Es ist zwar anstrengend, aber was sie dort in drei, vier Tagen aufnehmen, bekommen sie weder in einem Chatroom noch über Facebook, weil sich die ganzen Zwischenräume im Digitalen gar nicht öff-

nen können. In Zukunft werden solche „gatherings“ eher noch zunehmen. Realer Kontakt mit Menschen wird etwas Wertvolles werden.

lassen Sie uns abschließend einen Blick in die kristallkugel wer-fen: Zwanzig Jahre sind eigentlich ein überschaubarer Zeitraum. Werden Sie dann noch hier vor Ihrer Bücherwand sitzen und wie wird die FaZ aussehen? Nach den heutigen Lebensarbeitszeitmo-dellen werde ich in zwanzig Jahren wahrscheinlich sogar noch hier sitzen. Es ist natürlich absurd, die Zukunft voraussagen zu wollen, aber die FAZ wird es mit Sicherheit noch auf Papier geben. Daneben wird es sie dann aber auch auf allen existieren-den Plattformen geben. Ich vermute, es wird Elemente geben, bei denen eine Partizipation der Leser stattfindet. Ganz allgemein werden die Auflagen eher kleiner und die Verkaufspreise höher sein. Die Zeitung ist dann kein Wegwerfprodukt mehr, sondern ein Premiumprodukt, das man sich bewusst leistet, um sich mit einem Thema zu beschäftigen. Ansonsten gehe ich davon aus, dass nachwachsende Generationen, insbesondere Eliten im weitesten Sinne, auf Inseln im Strom dieser Echtzeitkommuni-kation angewiesen sind. Und eine der schönsten Inseln wird die FAZ sein. Ob diese Oase dann noch so aussieht wie heute, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass man sich bestimmt sehr gerne in ihr bewegen wird.

Dr. Frank Schirrmacher ist Journalist,

Literaturwissenschaftler und Buchautor.

Er wurde 1959 in Wiesbaden geboren und

ist seit 1994 Mitherausgeber der Frankfur-

ter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Schirrma-

cher studierte Germanistik und Anglistik

in Heidelberg sowie Philosophie und Literatur in Cambridge. 1985

wurde er Feuilletonredakteur der FAZ und 1989 Nachfolger von

Marcel Reich-Ranicki als Leiter der Redaktion Literatur und lite-

rarisches Leben. 1994 übernahm er von Joachim Fest die Stelle als

einer der fünf Herausgeber, der für das Feuilleton zuständig ist. Mit

seinen Büchern „Das Methusalem-Komplott“ (2004), „Minimum“

(2006) und „Payback" (2009) landete er jeweils auf den Bestseller-

listen. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Jacob-

Grimm-Preis ausgezeichnet. Schirrmacher ist verheiratet und lebt

in Frankfurt und Potsdam.

„Aber gerade junge Leute haben das Gefühl, dass sie mediale Leuchttürme brauchen, also Quellen, die das Geschehen einordnen und denen sie vertrauen können.“

seite 33

November 2010 WISSEn

Page 34: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Interview Professor Dr. Norbert Bolz „Zukunft der Medien oder Medien der Zukunft“

Blogs, Podcasts und Videocasts sowie die zunehmende Vernetzung verändern die Welt – und ganz besonders die Medien-

landschaft. Wie geht es weiter? Wie werden sich die Medien entwickeln? Mit diesen zentralen Fragen hat sich Professor

Norbert Bolz in seiner „Theorie der Neuen Medien“, die im Jahre 1990 veröffentlicht wurde, auseinandergesetzt. Drei Jahre

später erschien sein Buch „Am Ende der Gutenberg-Galaxis“, in dem Bolz schildert, wie die moderne Gesellschaft von der

„Gutenberg-Galaxis“, der Welt, die vom Medium Buch geprägt ist, Abschied nimmt und welche Veränderungen ihr bevorste-

hen. m:convisions-Redakteurin Kristina Sievers befragte den Medienwissenschaftler nach den aktuellen Entwicklungen.

der Computer ist heute aus unserer Gesellschaft nicht mehr weg-zudenken – wird in 100 Jahren überhaupt noch jemand ein Buch lesen? Dass die Neuen Medien die alten Medien verdrängen, ist eine unleugbare Tatsache – der Computer hat die Stellung des Buchs als Leitmedium eingenommen. Allerdings ist die Ver-drängung der alten Medien nur quantitativ – vernichtet wer-den sie nicht. Das Buch wird weiterhin ein wichtiges Medium bleiben, wobei man zwischen der Gattung unterscheiden muss: Ein Roman wird kaum digital gelesen werden, Lexika gibt es dagegen zunehmend in digitaler Form.

Gilt diese Beobachtung auch für das Fernsehen oder die tageszei-tung? Das Fernsehen lockt seine Zuschauer durch die Wonnen der Passivität. Es ist ein Ritual. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Zeitungslesen. Viele brauchen die Zeitung wie den Mor-genkaffee. Man sollte sich also vom Phantom des interaktiven Konsumenten nicht den Blick für die Realitäten des Alltags ver-stellen lassen. Die alten Medien werden von den Neuen nicht vollkommen verdrängt, sondern in übergreifende Funktionszu-sammenhänge eingefügt. Es wird immer weniger Einzelmedien geben. Stattdessen stehen alle Medien miteinander in einer Art Verbundsystem. Zu erwarten ist somit kein Medienkannibalis-mus, sondern ein bunter Medienmix.

Seitdem Computer unseren alltag bestimmen, hat der passive Fernsehzuschauer zunehmend vom aktiven konsumenten kon-kurrenz bekommen. Welche primäre Funktion müssen Medien heute erfüllen? Viele Fernsehzuschauer wollen nicht mehr nur passive Informationsverarbeiter sein, sondern aktiv in die Medi-enwirklichkeit eingreifen. Und „aktiv“ heißt im Zusammen-hang mit Medien immer „interaktiv“. Es wird versucht, den passiven Rezipienten in einen Dialog eintreten zu lassen. Die Funktionsweise der Medien verläuft also von der Informations-verarbeitung über die Kommunikation hin zur Partizipation und Interaktivität. Ein Beispiel hierfür sind die vielen sozialen Online-Netzwerke. Je interaktiver ein Medium ist, desto unwich-tiger wird die Information. Den Menschen, die im Internet sur-fen, geht es meist nicht hauptsächlich darum, Informationen aufzunehmen oder auszutauschen. Hier tritt die Faszination

an die Stelle der Kommunikation: Die Neuen Medien üben eine Faszination des Mitmachens aus, das Publikum wird selbst zum Autor. Die Nutzer der Neuen Medien möchten Dinge verändern und aktiv eingreifen können.

In Ihrem Buch „am Ende der Gutenberg-Galaxis“ bringen Sie Sokrates’ ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ auf die Formel „Ich weiß nicht, was wir wissen“. Was meinen Sie damit? Früher hat man eine Information gesucht, um ein Problem lösen zu können. Das Problem der Gegenwart lautet dagegen:

Wie finde ich das bereits vorhandene, das gespeicherte Wissen? Es existiert kein Research-Problem erster Ordnung im Sinne einer Suche nach Wissen über den „dark“ Kontinent, sondern vielmehr ein Research-Problem zweiter Ordnung: Es stellt sich die Frage nach dem Wissen vom Wissen. Unser Grundprob-lem ist die Komplexität. Bei den Neuen Medien besteht die Gefahr, die Orientierung im dreidimensionalen Cyberspace zu verlieren.

Welche neuen Fähigkeiten entwickelt der Mensch im Zeitalter der elektronischen Medien? Und welche Fähigkeiten verliert er? Den Gewinn und den Verlust aufzurechnen, den uns die Neuen Medien bringen, ist – wie so oft – ein Nullsummenspiel. Der große Gewinn ist der „Flow Control“, die Fähigkeit, in einer Flut von Informationen die wichtigen sondieren zu können. Denn die Masse an Informationen kann nur noch durch Selek-tion bewältigt werden. Durch die Neuen Medien werden Räume erkundet, die Funktionsweise von Spielen – häufig ganz ohne Gebrauchsanleitung – herausgefunden: Hierfür ist Geistesge-genwart und eine schnelle Auffassungsgabe erforderlich. Der

„Es wird immer weniger Einzelmedien geben. Stattdessen stehen alle Medien miteinander in einer Art Verbundsystem.“

seite 34

November 2010WISSEn

Page 35: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 35

WISSEn

Page 36: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Nachteil, den diese Art der Rezeption mit sich bringt, ist der Verlust an Intensität und Besonnenheit, die Geschwindigkeit verdrängt den Tiefsinn.

Welche Rolle spielten die neuen Medien bei der auslösung der Wirtschafts- und Finanzkrise? Machen die digitalen Medien die Wirtschaft nicht sehr anfällig für derartige Krisen? Die Neuen Medien, insbesondere vernetzte Computer, haben bei der Auslösung der Krise eine sehr große Rolle gespielt. Finanz-transaktionen finden heute in Echtzeit statt. Dies führt zu nicht mehr kontrollierbaren Kaskaden. Die Computer entscheiden, nicht mehr die Menschen, die dahintersitzen. Da man jedoch in Zukunft nicht auf die Möglichkeiten verzichten wird, die diese

Medien bieten, wird sich an der grundsätzlichen Situation nichts verändern. Die Krise kann sich daher jederzeit wiederholen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die politik? Die Poli-tik als Reparaturbetrieb kann allenfalls Regeln entwickeln, um das Ausmaß der Krise zu begrenzen. Verhindern kann sie weitere Krisen jedoch nicht. Durch deren Bewältigung und Abwicklung wird die politische Reaktion auf Krisen jedoch besser und profes-sioneller. Sie wird gewissermaßen zur Routine. Das Grundprob-lem jedoch bleibt erhalten: Der Finanzmarkt hat sich nicht nur von der Realwirtschaft, sondern auch von unserem Verständnis abgekoppelt. Die Wirtschaft ist zu komplex geworden, um von der Politik aktiv gesteuert zu werden.

Das Buch wird digital: Neue Medien, hier eine Szene von der Internationalen Funkausstellung 2010 in Berlin, sind ohne Frage nütz-lich. Doch wenn es darum geht, zu überzeugen und Vertrauen zu gewinnen, ist das persönliche Gespräch durch nichts zu ersetzen.

seite 36

WISSEn

Page 37: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

nicht nur die Wirtschaft, auch die Informationsbeschaffung ist sehr komplex geworden. Wie verändert sich durch die Medien-entwicklung die art und Weise, wie wir Wissen aufnehmen und erinnern? Das, was die Nutzer der Neuen Medien, gelernt haben, ist die Fähigkeit des „kollaborativen Filterns“. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Tatsache, dass die Nutzer aktiv daran mitwirken, Informationen zu selektieren und zu bewer-ten. Dieses Prinzip wird am besten anhand von Suchmaschinen deutlich: Das Internet ist ein globaler Computer, und wir alle sind die Nutzer, die mit jedem Mausklick eine virtuelle Daten-spur hinterlassen. Das heißt, dass jeder, der eine Suchmaschine nutzt, dabei hilft, ihre Algorithmen zu verbessern. Denn Such-maschinen protokollieren unsere Aufmerksamkeit. Sie gehen davon aus, dass wichtig ist, was die anderen wichtig finden. Und dass die meisten wollen, was die meisten wollen. Da ich das Urteil von anderen Nutzern brauche, um mich im Informa-tionsdschungel zurechtzufinden, können Firmen wie Amazon ein darauf abgestimmtes Marketing entwickeln: „Kunden, die A kauften, haben auch B und C gekauft.“ Welche Ergebnisse oben stehen, ist eine Frage der Wertigkeit, die durch die Nutzer geschaffen wurde.

Welche probleme bringt die nutzung der neuen Medien bei kon-gressen mit sich? Das Problem ist die Verselbstständigung der Neuen Medien. Der Redner präsentiert häufig nur noch das, was er besonders gut mit den Neuen Medien darstellen kann. Die Form bestimmt den Inhalt und nicht andersherum. Hier ist Skepsis angebracht.

Es gibt bereits kongresse, auf denen während des Vortrags eines Referenten getwittert wird und diese Beiträge auf einer leinwand hinter dem Redner eingeblendet werden, die dieser nicht sehen kann. Führen sich die neuen Medien hier selbst ad absurdum? Jede Darstellungstechnik entwickelt ihre eigene Rhetorik. Im vorliegenden Fall feiern sich die Neuen Medien mit einem Spektakel und inszenieren sich selbst. Allerdings wird ein negativer Beitrag über Twitter einen guten Vortrag nicht beeinträchtigen können. Im Umkehrschluss gilt jedoch auch, dass man der Langeweile nicht durch den Einsatz einer Power-Point-Präsentation entkommen kann. Ich würde sogar sagen, dass die Neuen Medien die Qualitätslosigkeit eines Vor-trags noch hervorheben.

lange wurde befürchtet, neue Medien könnten persönliche kontakte ersetzen. Gerade auch kongressveranstalter hatten diese angst. doch jetzt zeigt sich deutlich, dass weder Internet noch andere Medien das persönliche treffen in der kaffeepause ersetzen können. Was leistet dieser direkte kontakt? Je selbst-verständlicher die Welt der Interfaces wird, desto kostbarer werden die Face-to-Face-Situationen. Persönliche Präsenz ist zur knappen Ressource geworden. Persönliche Präsenz informiert nicht, sondern sie fasziniert – und sie stiftet Vertrauen. Einen

persönlichen, lebendigen Auftritt kann daher nichts ersetzen. Immer wenn es wichtig wird, hilft also keine Videokonferenz, sondern nur ein persönliches Gespräch.

Wie stellen Sie sich den kongress der Zukunft vor? Ich beobachte zurzeit einen Trend, die Kommunikationsweise von Massenmedi-en auf die Konzeption von Kongressen zu übertragen, indem voll-kommen heterogene und komplexe Themen in einen Kongress integriert werden und dann in Kürze von vielen verschiedenen Referenten präsentiert werden. Das funktioniert jedoch nicht, da viel zu viele Leute reden und die Qualität erheblich leidet: Der Kongress zerfasert. Der Wunsch, jedem etwas zu bieten, führt zu einem zu viel an allem. Für mich hat der Kongress der Zukunft ein klares Thema, über das einige wenige Referenten, die reden und präsentieren können, vortragen. Mit Tiefe statt Oberfläch-lichkeit kann ein Kongress seine Teilnehmer begeistern.

Worauf sollten kongressveranstalter denn Ihrer Meinung nach achten? Zunächst braucht man ein Thema. Erst wenn das gefun-den ist, sollte man sich über die Darstellungsform Gedanken machen. In der Welt der Zahlen, gerade bei Statistiken, sind die Neuen Medien sehr hilfreich, um Sachverhalte und Entwicklun-

gen zu veranschaulichen. Will man dagegen eine Idee vermitteln, kann man getrost auf die Neuen Medien verzichten: Hier geht nichts über einen eindrucksvollen freien Vortrag.

Professor Dr. Norbert Bolz, geboren

1953, ist einer der bekanntesten deutschen

Medien- und Kommunikationswissen-

schaftler. Er studierte Philosophie, Ger-

manistik, Anglistik und Religionswissen-

schaften. Von 1992 bis 2002 war er Profes-

sor für Kommunikationstheorie an der

Universität in Essen. Seit 2002 lehrt er am Institut für Sprache und

Kommunikation im Fachgebiet „Medienwissenschaft“ der Techni-

schen Universität Berlin. Er erforscht die Einflüsse der Medien auf

die gesellschaftliche Entwicklung und gilt als einer der führenden

Vordenker für Politik und Wirtschaft.

„Mit Tiefe statt Oberflächlichkeit kann ein Kongress seine Teilnehmer begeistern.“

seite 37

November 2010 WISSEn

Page 38: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Die Zukunft der KongresswirtschaftKongresse verändern ihr GesichtVon Michel Maugé

Kongressveranstalter hatten noch nie einen anderen Anspruch als den der Wissensvermittlung. Die Branche der Kongress-

zentren und Kongresswirtschaft versteht aber einen Kongress als touristische Veranstaltung, und Kommunalpolitiker sehen

die Kongresswirtschaft als Bettenfüller. Diese verschiedenen Sichtweisen haben die Kongressbranche weltweit im Vergleich

zur Messebranche in eine Sackgasse geführt, aus der es herauszukommen gilt. Wie kann dies gelingen? Und wie sehen die

künftigen Anforderungen an zeitgemäße Kongresszentren aus?

Kongresse, Tagungen und Meetings sind ein Teil der Bildungs- und Marketingwelt unserer Wissenschaft und Wirtschaft. Es gibt keinen Zweifel, dass Bildung heute oberste Priorität hat. Doch Bildung endet nicht mit Abitur oder Studium, sie setzt sich über unser gesamtes Leben fort.

Die Marketingziele von Unternehmen haben sich gerade in den letzten Jahren dramatisch verändert. Dem Networking kommt höchste Bedeutung zu. Durch eine Übersättigung der Sinne und mediale Ansprachen werden die persönliche Empfeh-lung und die althergebrachte „Mund-zu-Mund-Propaganda“ im Zusammenhang mit den Neuen Medien zum effizientesten Inst-rument. Beim Networking geht es um Erfahrungsaustausch, Pro-duktempfehlungen und Informationen. Das Gesicht der Kongresse und Tagungen hat sich und wird sich aber auch noch aus vielen anderen Gründen verändern. So zum Beispiel bei medizinisch-wissenschaftlichen Kongressen. Wo vor wenigen Jahren noch der Arzt eindeutige Zielgruppe jeder Pharmafirma war und großer Aufwand auf Kongressen bei Ausstellungsständen, bei Werbung und persönlichen Einladungen getrieben wurde, setzt heute der Gesetzgeber gerade hier durch geänderte Verschreibungs- und Entscheidungskriterien Einschränkungen. Verfolgt man die Dis-kussion und Gesetzeslage in den USA, bedeutet dies ein vollkom-menes Umdenken des Pharmamarketings, der Finanzierung eines Kongresses sowie der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie. Es bedeutet aber auch für die Kongresszentren, dass die großen Ausstellungsflächen und Hallen, zumindest bei dieser Art von Kongressen, nicht mehr benötigt werden.

Die Neuen Medien wie Web 2.0 mit allen ihren Nebener-scheinungen geben uns die notwendigen Hilfsmittel, um die oben genannten Ziele zu erreichen. Sie zwingen aber auch die Face-to-Face-Kommunikation geradezu auf. Das „Sichtreffen“, der persönliche Austausch und das gemeinsame Erlernen sind die andere Seite der Medaille unserer Internetwelt.

Neue Konzepte für neue Zielgruppen

Die Zielgruppen der Kongress- und Tagungsbranche verändern sich. 70 Prozent aller derzeitigen Medizinstudenten sind weiblich. Ähnlich sind die Zahlen in anderen Branchen und Fachgebieten. Der demografische Wandel ist heute schon sichtbar – die Zielgrup-

pen werden größer, breiter, weiblicher und älter. Fort- und Aus-bildung wird in allen Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft erheblich zunehmen. Der Anspruch an das Personal, sich immer höher zu qualifizieren, und die rapiden Veränderungsprozesse in unserer Wissensgesellschaft sind eine Bestandsgarantie für die Kongress- und Tagungsbranche ohnegleichen. Allerdings: Kon-gresszentren, Tagungshotels und Veranstalter müssen ihr heutiges und das seit Jahrzehnten sich nicht veränderte Erscheinungsbild beziehungsweise ihre inhaltlichen Konzepte verändern. Und das in zweierlei Hinsicht, in der Soft- und Hardware.

Drei Faktoren beeinflussen zukünftig immer stärker den Entscheidungsprozess für die Teilnahme an einem Kongress: n Zeitökonomie n Fachliche Inhalte n Networking

Der Faktor Zeit bestimmt in einem immer größeren Maße unsere Arbeitswelt. Die Belastung der täglichen Arbeit lässt die Zeitfenster für die Aus- und Weiterbildung immer geringer werden. Das heißt, dass in kürzester Zeit das größt- und bestmögliche Ergebnis erzielt werden muss. Neben einer kurzen Anreise wird die Vor- und Nachbereitung einer Tagung – und zwar von zu Hause aus – ein wichtiges Element. Hier stellen uns die elektronischen Medien in der Zwischenzeit hervorragende Instrumente zur Verfügung. Wir müssen nur darauf achten, dass die Informationen konzentriert, kurz und prägnant sind. Der Trend, Kongresse und Tagungen zu verkürzen, wird sich fortsetzen, höchstens zwei Tage inklusive An- und Abreise müssen ausreichen. Wenn aber die Ausbildung des Einzelnen zum entscheidenden Erfolgsfaktor unserer Arbeitswelt wird, ist absehbar, dass das bisherige Freizeitverhalten des freien Wochenendes und das für jeden Veranstalter einzuhaltende Tabu über kurz oder lang der Vergangenheit angehören wird.

Hohe Qualität der Referenten wichtig

Die fachlichen Inhalte einer Tagung sind ein weiterer Prüf- und Entscheidungsfaktor für einen Teilnehmer. Die Aktualität der Themen, die Didaktik des Vortrags, die Kompetenz und Glaub-würdigkeit der Themen und Referenten stehen auf dem Prüf-stand. Die elektronischen Medien lassen es zu, sich im Vorfeld über die Referenten und deren Qualität zu informieren, und im

seite 38

WISSEn

Page 39: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Gegenzug kann in der Bewerbung der Tagung durch Podcasts und andere Präsentationsformen auf vielfältige Weise das Interesse geweckt werden. Der Wechsel zwischen Frontalvortrag, Arbeits-gruppen, Workshops, Frage-und-Antwort-Spiel, Roundtable und vielem anderen wertet die Tagung auf. Die aktive Einbindung des Teilnehmers führt zu höherer Zufriedenheit.

Das starke Konkurrenzangebot unter den Anbietern zwingt nicht nur dazu, die Wahl der Didaktikinstrumente zu verbessern, sondern auch die Qualität der Referenten. Denn für zweit- und drittklassige Referenten „ist die Zeit zu schade“. Dieser zeit-ökonomische Faktor lässt jeden Tagungspreis vergessen. Viele Verbände begehen hier den über vierzig Jahre eingebrannten Fehler und sind der Meinung, dass niedrige Preise sozial und damit richtig sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Qualität des Angebotenen ist entscheidend.

Networking wird als dritter Faktor in den kommenden Jahren der USP-Faktor eines Kongresses. Wo in der Vergangenheit Fest-abende, große Partys und andere gesellschaftliche Treffen diese Funktion wahrgenommen haben, müssen wir auch hier infolge des zeitökonomischen Faktors Möglichkeiten einplanen, um wäh-rend des Kongresses den Wissens- und Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern zu ermöglichen. Es müssen Räume und Flächen geschaffen werden: Die junge Generation sagt dazu Chill-out-Room, die vornehmere Gesellschaft spricht von Lounges. Elektronische Teilnehmerlisten, Dating-Programme, SMS-Systeme oder Kennen-lerninstrumente wie Spotme unterstützen diese Aufgabe.

Diese drei Faktoren werden die Angebotsseite, die Kon-gresszentren, die Hotelanbieter, aber auch die Kongressveran-stalter zwingen, ihre Konzepte zu verändern. Kongresszentren hängen zukünftig von ihrer Verkehrsinfrastruktur ab. Touris-tische Angebote werden, auch wenn mancher Verband immer noch seine Destinationsentscheidung nach touristischen Image-faktoren fällt, bedeutungslos sein. Hier wird vergessen, dass der Teilnehmer vom Bahnhof zum Messegelände außerhalb der Stadt nochmals 30 bis 40 Minuten benötigt. Hin und zurück gehen zwei wertvolle Stunden verloren.

Komplexität erfordert Flexibilität

Die didaktischen Bedingungen eines Kongresses und einer Tagung verlangen mehr Flexibilität beim Raumangebot, eine größere Anzahl an Räumen und eine erstklassige, immer auf den neuesten Stand gebrachte Medientechnik. Datenleitung, W-Lan, Bluetooth und vieles, was uns in der Zukunft noch bevor-steht, muss zur kostenlosen Nutzung bereitstehen. Oberkellner oder Hausmeister sind bei diesen komplexen Techniken nicht

mehr die richtigen Ansprechpartner. Die Räume müssen von der Dimension, Klimatisierung, Belichtung anderen Ansprü-chen entsprechen als Konzert- oder Bankettsäle. Aufgabe der Veranstalter ist es, genau diese Faktoren bei der Entscheidung für ein bestimmtes Haus zu checken. Leider kommt es immer noch zu oft vor, dass blind gebucht wird.

Auch Networking setzt spezielle Flächen voraus. Flächen sind in diesem Zusammenhang nicht Flächen, die man einfach umdekorieren kann und mit einigen Sitzmöbeln – seien sie noch so gestylt – glaubt, funktionsgerecht gestalten zu können. Auch hier spielen Tageslicht, Aussicht, Deckenhöhe und Architektur eine große Rolle. Es müssen Orte sein, die einem das Gefühl der Intimität, der Entspannung und des Wohlfühlens geben. Sie müssen sich in unmittelbarer Nähe des Tagungsgeschehens befinden. Eine solche Forderung ist angesichts großer Teilneh-merzahlen bei einem Kongress eine ganz besondere Herausfor-derung an die Architekten.

Auch im Hinblick auf den demografischen Wandel und die Zunahme weiblicher Teilnehmer sind bauliche Veränderun-gen notwendig. Kinderkrippe und Kindergarten, vor allem für Kleinkinder, und absolute Barrierefreiheit sind unabdingbar.

Teilnehmer entscheidet über den Erfolg

Genauso wichtig ist der Faktor Service. Nicht nur die bauli-chen Gegebenheiten, auch unsere Servicementalität muss sich komplett ändern. Der Teilnehmer entscheidet über Erfolg und Misserfolg einer Tagung. Die drei oben genanten Faktoren die-nen dem Entscheidungsprozess, an einem Kongress teilzuneh-men. Vorausgesetzt, die inhaltlichen Angebote und die Art der Vermittlung entsprechen den Vorstellungen des Teilnehmers, bedarf es zusätzlich einer Rundumbetreuung. Der Wohlfühl-faktor, das Gefühl, wichtigster Gast zu sein, ist genauso wichtig für den Erfolg. Hier können Kommunen, Kongresszentren und Hotellerie entscheidend mitwirken und richtige Gastgeber sein.

Michel Maugé (63) ist Geschäftsführer

der m:con – mannheim:congress GmbH

in Mannheim, Dozent für Kongress- und

Veranstaltungsmanagement an der Fach-

hochschule Worms und Leiter der Inter-

national Event and Congress Academy

(IECA). m:con betreibt eines der umsatz-

stärksten Kongresszentren in Deutschland, den Rosengarten

Mannheim, und ist ein auf wissenschaftliche Kongresse speziali-

sierter PCO. m:con beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter und macht

einen Jahresumsatz von mehr als 20 Millionen Euro.

„Kongresszentren hängen zukünftig von ihrer Verkehrsinfrastruktur ab.“

seite 39

November 2010 WISSEn

Page 40: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 40

November 2010MaRkt

Page 41: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Wirtschaftsmotor Zukunft – mit Weitblick, Visionen und Kreativität zum Erfolg

Immer die Trends

von morgen im Blick

Wer sich am Markt behaupten möchte, muss immer einen Schritt voraus sein: schnell auf neue Trends reagieren, visionäre Konzepte entwickeln und mit Weitblick agieren. Kongressstandorte wie Wien, Berlin und Mannheim sind anschauliche Beispiele, wie man mit innovativen Ideen überzeugt. Eine gute Infrastruktur oder beeindruckende Gebäude allein reichen nicht aus, vielmehr punkten die Städte mit kreativen Konzepten. Dass die IT-Branche stets auf die neueste Technik setzt, versteht sich von selbst. Nirgends dreht sich das Rad der Erfindungen so schnell. Worauf Veranstalter von Tagungen und Kongressen dieser Branche achten, zeigt Luca Favetta von SAP auf.

Der Trend des Jahres 2010 sind hybride Events. Dass sich reale Meetings nicht durch rein virtuelle Treffen ersetzen lassen, hat die Branche inzwischen verstanden. Aber eine gelungene Verknüpfung von Live-Veranstaltungen mit Neuen Medien bietet einen echten Mehrwert. Um die Bedeutung von Internet und Web 2.0 für Kongressveranstalter dreht sich auch das Interview mit Michel Maugé über offene Konferenzformen. Letztendlich brauchen wir wieder mehr Rhetorik und direkte Kommunikation – was wir als Nutzer virtueller Medien zu verlernen scheinen.

Mit neuen Trends befassen sich Kreative von Berufs wegen – ob Werber, Filmer oder Designer. Sie leben von Neuem, Ideen und Visionen. Politiker haben das enorme Potenzial einer Branche erkannt, die längst zu einer wichtigen Wirtschaftskraft geworden ist. Ein Beispiel für eine Stadt, die Kreative fördert, ist Mannheim, wo in diesem Jahr zum ersten Mal die Verleihung des ADAM & EVA-Awards stattfand.

Reisen ins Universum waren seit jeher die Metapher für Zukunft. Im 21. Jahrhundert scheint die einstige Utopie zum Greifen nah. Die ersten Flughäfen für Weltraumtouristen gibt es bereits. Liegt unsere Zukunft im All? Der deutsche Astronaut Ernst Messerschmid berichtet, wie real Science-Fiction inzwischen geworden ist.

seite 41

MaRkt

Page 42: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

International erfolgreich: das ICC Berlin

Ausgezeichnet als Deutschlands bestes Kongresszentrum 2010: das CC Rosengarten in Mannheim

Besticht durch ihr Flair: die Messe Wien

seite 42

MaRkt

Page 43: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Drei erfolgreiche Kongressstandorte im Vergleich: Berlin, Wien, MannheimMit Kreativität in die ZukunftVon Bernhard Schenk

Geht es um erfolgreiche Kongressstandorte in Europa, kommt einem schnell Berlin in den Sinn. Und Wien zählt mit seinen

klassischen Locations zu den beliebtesten Tagungsorten der Welt. Mannheim ist zwar keine Metropole wie die österreichische

oder deutsche Hauptstadt, hat sich aber auf nationaler und internationaler Ebene einen guten Namen als Veranstaltungsort

gemacht. Dass Erfolg kein Zufall, sondern das Resultat von Innovationskraft und nachhaltiger Strategie ist, beweisen alle drei

Standorte – auch wenn die Rahmenbedingungen kaum unterschiedlicher sein könnten.

Einer der wichtigsten Kongressstandorte der Welt ist Berlin. Die Hauptstadt hat mit dem Internationalen Congress Centrum (ICC) Berlin eines der größten Kongresshäuser überhaupt. „Es gibt aber auch viele extravagante Locations. Das E-Werk, der ehemalige Flug-hafen Tempelhof oder der weitverzweigte Berliner Untergrund bieten spannende Szenarien für Kunden, die das Außergewöhnli-che suchen“, sagt Christian Tänzler, Pressesprecher von visitBerlin, der Berliner Serviceagentur für Kongress- und Touristikpartner.

Berlin verfügt über eine der höchsten Hotelkapazitäten Europas. Damit ist die Stadt auch für außergewöhnlich große Events und Tagungen gerüstet. Mehr als 170 Museen und Kunst-sammlungen machen aus der Stadt an der Spree ein kulturel-les Schwergewicht. Dazu kommt eine lebendige und vielfältige Nachtszene. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist aus der einsti-gen Bastion des Westens eine Trendsettermetropole im Herzen des vereinten Europas geworden.

Wien setzt auf Kreativität

Wien zählt mit seinen drei klassischen Kongresszentren Hofburg, Austria Center Vienna und der Messe zu den beliebtesten Kongress-städten der Welt. Die Tradition Wiens als wichtiger Konferenzort

geht auf das Jahr 1815 zurück, als beim Wiener Kongress Friedens-verhandlungen nach den Napoleonischen Kriegen geführt wurden. Die Hofburg, der Stephansdom oder das Belvedere – die österrei-chische Hauptstadt ist reich an historischen Sehenswürdigkeiten. Doch in Wien setzt man nicht nur auf bestehende Locations. „Ziel ist es, Wien als kreativen Standort im internationalen Wettbewerb offensiv zu etablieren. Mit dem Bau der neuen Wirtschaftsuniversi-tät, die an die Wiener Messe angrenzt, werden zusätzliche Kapazitä-ten für die Wiener Messe gewonnen“, sagt Christian Mutschlechner, Leiter des Vienna Convention Bureaus. Auch vom Bau des neuen Zentralbahnhofs erhofft er sich eine Schubwirkung.

Mitten in der Metropolregion Rhein-Neckar gelegen, verfügt Mannheim über eine hervorragende Infrastruktur. Deutsch-lands größter Verkehrsflughafen in Frankfurt am Main ist weniger als eine Stunde entfernt und der regionale Cityairport Mannheim bietet Verbindungen in deutsche Großstädte. Zudem stoppen alle wichtigen Fern- und Schnellzüge am Mannhei-mer Hauptbahnhof. „Mannheim bietet auf kleinem Raum und sehr kompakt das Angebot einer Metropole. Die Wege sind kurz: Wenige Minuten Fußweg genügen, um vom Hauptbahnhof zum Congress Center Rosengarten zu gelangen und vom Rosengar-ten mitten in Mannheims Innenstadt zu sein“, sagt Johann W. Wagner, Geschäftsführer der Stadtmarketing Mannheim GmbH. „Außerdem hat Mannheim ein vielfältiges kulturelles Angebot, das vor, während und nach einem Kongress für Abwechslung und attraktive Unterhaltung sorgt.“ In Sichtweite des Rosengar-tens entsteht derzeit das innovative Stadtquartier Q 6 Q 7 mit exklusiver Einkaufsgalerie, Gastronomie, Wohnungen, Büros und Hotel. „Q 6 Q 7 wird eine der großen Attraktionen Mann-heims“, ist Wagner überzeugt.

Erfolg ist kein Zufall, sondern das Resultat von Innovationskraft und nachhaltiger Strategie.

seite 43

November 2010 MaRkt

Page 44: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Darüber hinaus profitieren Konzerne von Weltruf wie ABB, Daimler AG und Roche Diagnostics vom engen Kontakt zu Wis-senschaft und Forschung. Zusammen bilden Unternehmen und das runde Dutzend Hochschulen und Akademien ein Kooperationsnetzwerk, das wesentlich zur Stärkung des Wis-senschaftsstandorts beiträgt. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich außerdem in Heidelberg die älteste Universität auf deutschem Boden. Und mit dem Congress Center Rosengarten verfügt Mannheim über einen der attraktivsten Kongressbauten in ganz Deutschland.

Trends frühzeitig erkennen

Alle diese Faktoren begünstigen zwar den Erfolg Mannheims als Kongressstandort, aber sie begründen ihn nicht alleine. Um sich im Markt behaupten zu können, muss die m:con – mannheim:congress GmbH, die das Congress Center Rosengarten betreibt, Kunden mit Qualität und Innovationen überzeugen. Gerade in der Fähigkeit, eingefahrene Wege zu verlassen und Neues auszuprobieren, liegt ein wichtiger Vorteil: Ob moderne Technologien wie das Live-Streaming-System m:con_vidoc, Social- Media-Aktivitäten oder Green-Meeting-Konzepte – in Mannheim hat man keine Scheu vor aktuellen Herausforderungen.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, hat man in Mannheim das Projekt „Gedankenwerk2“ ins Leben gerufen. Das Netzwerk – darunter sind Betriebswirte, Juristen, Musiker, Spitzensportler und Journalisten – steht der Stadt seit Anfang 2010 beratend zur Seite. Das Ziel: In der Quadratestadt sollen Trends schnell erkannt und innovativ umgesetzt werden. „Mannheim ist geleb-te Kooperation. Die Akteure kennen sich und arbeiten eng und intensiv zusammen“, erklärt Wagner.

Dass in der schnelllebigen MICE-Branche nur der bestehen kann, der immer am Puls der Zeit bleibt, weiß man auch in Wien – bei allem Stolz auf die historischen Vorzüge, welche die österrei-chische Metropole ohne Zweifel zu bieten hat. Kongressmessen werden nach Einschätzung des Wiener Tourismusverbandes in Zukunft das dominierende Format im Tagungswesen darstellen. „Fachliche Netzwerke treten immer stärker in den Vordergrund. Die Kombination aus Wissenschaft und Forschung sowie industriel-ler Anwendung wird das Bild von Kongressmessen in der Zukunft prägen“, erklärt Mutschlechner. Durch Entwicklung dieses Veran-staltungstyps sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, noch mehr internationale Leitkongresse nach Wien zu holen.

In Berlin setzt man vor allem auf gute Kooperation der wichti-gen Entscheidungsträger, um aktuellen Entwicklungen innovativ und schnell begegnen zu können. Mit dem Kongressbeirat und dem „Runden Tisch Tourismus“, dem auch der regierende Bür-germeister Klaus Wowereit angehört, wurden zwei Institutionen ins Leben gerufen, die alle Akteure der Kongress- und Tourismus-wirtschaft zusammenbringen. „Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist sehr gut“, lobt Tänzler. „Die Politik hat die Bedeutung der MICE-Industrie für die Gesamtwirtschaft Berlins erkannt.“

Schlüsselfaktor Service

Ganzheitliche Servicekonzepte beeinflussen Veranstalter zuneh-mend bei der Auswahl des Standorts für Kongresse. Wie weni-ge andere Standorte setzt man in Mannheim auf Service. Mit immer neuen kreativen Ansätzen überrascht m:con in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim dabei Kunden und Konkurrenz gleichermaßen. Durch die Servicekampagne von m:con wurde in den letzten Jahren das Betreuungsangebot für Kongressteilnehmer ausgebaut. „Die Besucher schätzen unsere Serviceleistungen. Wir möchten dazu beitragen, dass sich die Kongressteilnehmer während ihres Aufenthalts in Mannheim rundum wohlfühlen“, sagt Michel Maugé, Geschäftsführer von m:con. „Deshalb werden wir unsere Kooperationen mit regiona-

len Verkehrs- und Gastronomiebetrieben ausweiten. Zusätzlich bieten wir den Besuchern kostenlosen Internetzugang in den Kongressgebäuden an.“ Die gute Vernetzung mit lokalen Dienst-leistern und dem Handel ist ein weiterer innovativer Baustein im Servicekonzept.

Gleiches gilt für die Donaumetropole. Damit sich auch inter-nationale Kongressteilnehmer leicht zurechtfinden, entwickelt Wien ein multimediales Informationsleitsystem in deutscher und englischer Sprache, das bei Kongressen und Messen zum Einsatz kommen soll. Die kostenlose Verfügbarkeit hochwerti-ger IT-Infrastruktur für Kongress- und Eventlocations soll die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten erweitern.

Dass Fullservice ein Schlüssel zum anhaltenden Erfolg ist, weiß man auch in Berlin. Ob Catering, technischer Support, Standbau oder Hostessenservice – an den vielen Standorten in der Hauptstadt ist man mit den schier unerschöpflichen Dienstleis-tungsressourcen für alle nur denkbaren Anfragen von Kunden gerüstet. „Besonders kann Berlin dabei mit einem ausgezeich-neten Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen“, so Tänzler. Ein weiterer Pluspunkt: Mit den Berlin Prefered Agencies und dem Berlin Partner Hotel e. V. ist das Agentur- und Hotelangebot nicht nur groß, sondern auch innovativ und zudem gut untereinander vernetzt. Tänzler: „Das gibt uns Flexibilität und ermöglicht es, auch ungewöhnliche Kundenwünsche befriedigen zu können.“

Nachhaltigkeit zunehmend wichtig

Die mannheim:congress GmbH ist als bislang einzige deut-sche Kongress- und Eventagentur Mitglied im Global Compact

„Ohne entsprechende Angebote ist es schwer, im Wettbewerb die Nase vorne zu behalten.“

seite 44

November 2010MaRkt

Page 45: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Rosengarten bestes Kongresszentrum 2010

Das Congress Center Rosengarten steht in diesem Jahr unangefochten an der Spitze: Der begehrte Conga Award 2010, sozusagen der „Oscar“ der Veranstaltungsbranche, ging in der Kategorie „Kongresszentren“ nach Mannheim. Damit steht fest, dass das Congress Center Rosengarten Deutschlands bestes Kongresszentrum 2010 ist. Ausgezeich-net werden mit dem Award hervorragende Leistungen in den Bereichen Qualität, Service und Zuverlässigkeit. Michel Maugé, Geschäftsführer der m:con – mannheim:congress

GmbH, nahm den Preis am Abend des 25. Oktober im Rah-men der stb marketplace in München entgegen. Insgesamt waren zehn Kongresszentren für die begehrte Auszeich-nung nominiert gewesen, darunter auch namhafte Kon-kurrenten wie das BCC Berlin, das Congress Center Messe Frankfurt, die Nürnberg Messe GmbH oder die KölnKon-gress GmbH. Der Conga Award wird in jeweils zehn Katego-rien, darunter Tagungshotels, Kongresszentren, Eventloca-tions, Messe- und Eventservice und Veranstaltungstechnik, von der Vereinigung Deutscher Veranstaltungsorganisato-ren e. V. an Dienstleister der Eventbranche verliehen.

Diese Spitzenstellung Mannheims unterstreicht ein wei-terer Preis, den m:con in diesem Jahr erhalten hat: Beim Sonderpreis für „ServiceQualität“ des Deutschen Tourismus-verbands belegte m:con mit ihrer 2009 gestarteten „Service-Offensive“ einen hervorragenden zweiten Platz. Ziel der Offensive ist es, Mannheim als Gastgeber und das Congress Center Rosengarten als servicefreundlichstes Kongresshaus Deutschlands zu etablieren. Mit 75 Partnern aus Tourismus, Stadtmarketing, Einzelhandel, Gastronomie, Kunst, Kultur und Verkehrsgewerbe hat m:con ein einzigartiges Service-paket für Veranstalter, Aussteller und Kongressbesucher geschnürt.

CONGAAWARD

der Vereinten Nationen, einem Netzwerk von Unternehmen, die sich in besonderer Weise für eine nachhaltige Globalisie-rung einsetzen. „Ohne entsprechende Angebote ist es schwer, im Wettbewerb die Nase vorne zu behalten“, führt Michael Schnellbach, kaufmännischer Leiter von m:con, aus. Ein Beispiel: In Zusammenarbeit mit der MVV Energie AG wur-de das Konzept „Elektromobilität in Mannheim“ entwickelt. In Zukunft soll es einen Pendelverkehr mit hochmodernen Elektrofahrzeugen zwischen Hauptbahnhof, Rosengarten und Innenstadt geben.

Auch Wien nimmt im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle ein, was umweltbewusstes Organisieren von Kongressen anbelangt, besonders in den Bereichen Abfall und Abwasser, effizienter Energieeinsatz, umweltfreundli-cher Einkauf und ökologische Reinigung. Schon 1998 wurde der ÖkoBusinessPlan Wien von der Wiener Umweltschutz-abteilung ins Leben gerufen. Die Weltsiedlungsorganisation der Vereinten Nationen hat den ÖkoBusinessPlan in die „Best Practices“-Datenbank aufgenommen, in der die besten nachhal-tigen Projekte weltweit aufgelistet werden. Durch ökologische Modernisierung bestehender Kongressgebäude will Wien in den kommenden Jahren zusätzlich punkten und das eigene Standortprofil schärfen.

Die Berliner Kongresswirtschaft sieht in umweltbewusstem Handeln großes Zukunftspotenzial und geht offensiv und transparent mit dem Thema um. Auf einer eigenen Website sind Anbieter gelistet, die ökologisch nachhaltige Maßnahmen umsetzen. „Die Unternehmen haben sich zu einem verantwor-tungsbewussten Einsatz von natürlichen Ressourcen verpflich-tet. Durch Wasser-, Strom- und Papiereinsparungen tragen sie wesentlich zum Umweltschutz bei“, so Tänzler. „Der weltwei-te Trend in der Kongressbranche geht zu umweltschonenden Großveranstaltungen.“

Dass Nachhaltigkeit in der Hauptstadt großgeschrieben wird, beweist auch das Tempodrom, einer der bekanntesten Veranstaltungsorte Berlins. Bereits beim Bau im Jahr 2001 wurde die Location mit verschiedenen Systemen für eine energieeffiziente Strom- und Wärmegewinnung ausgestat-tet. Darüber hinaus wurden Emissionsrechner entwickelt, mit dem die CO2-Bilanzen von Veranstaltungen ermittelt werden können.

So unterschiedlich die Voraussetzungen auch sein mögen – die Erfolgsfaktoren Nachhaltigkeit und Service sind universell. Daneben gilt es, das eigene Profil zu schärfen. Und das gelingt jeder Stadt auf ihre ganz eigene Weise.

seite 45

MaRkt

Page 46: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Right partnership and service remain crucial criteria

New media foster the change

The convention and event industry is changing. Global warming, new media, financial markets turmoil – the past ten years

have brought demanding challenges for congress centres around the world. Above all, technological developments have

changed the nature of business meetings and events, incorporating more and more mobile devices, the latest social media

and online features. Bernhard Schenk talked with Luca Favetta, Senior Director Global Events EMEA and India at SAP AG,

about new trends in the event business.

By Bernhard Schenk

seite 46

MaRkt

Page 47: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 47

MaRkt

The SAP TechEd 2010 in Berlin implemented new media

Page 48: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

What equipment does a convention need to be attractive and successful today? We usually bring along the technical equip-ment we need. I do not expect the convention centre to provide all the technology I might use, at least when we talk about big events. Every customer is different and has different needs. Of course, I welcome existing technology but what I regard as more important is flexibility of the congress centre in accepting exter-nal vendors. The right partnership and the ability to overcome technical issues are really crucial. Being able to help and support is definitely more important than state-of-the-art equipment. I would like to have an expert who speaks my language on site, too.

there are more and more powerful smartphones, laptops and other mobile devices on the market. how do these means of communication change conventions? These devices are more and more used in the event business. Talking about SAP: In the past we used huge, heavy printed documents. For our flagship event SAP SAPPHIRE NOW they were replaced with an on-site guide for mobile devices, which we have been using for two years now. It is simplifying the life of our customers a lot. They have access to the complete logistical information, including show floor maps, and an agenda builder with which they can create their own agenda online before the event. We are also providing our customers with a tool that enables them to decide in what presentations and meetings they want to take part. We were able to reduce the size and amount of printed documents considerably this way. Attendees have the possibility to attain the information they want anytime and anywhere. Our audience is really appreciating both the sustainability effect by using less paper and the around-the-

clock access to the data. We are still using a printed guide but it is smaller than before and becoming less and less important.

Is the It sector more advanced in the use of technology than other businesses? Yes, it is. By nature the IT industry is looking for innovations. This fact is reflected in the events of our busi-ness where technologies are deeply implemented in the concept. Good examples are our SAP SAPPHIRE NOW and the Cisco Global Sales Experience, which is a completely virtual event.

What do you think will the future of conventions look like? Will there be less face-to-face meetings? Could a day come when there are only „virtual conventions“? I think that the need for face-to-face interaction will always be there. The latest research is witnessing this, too. The value of personal exchange is indu-bitable. I do not think that the quantity of events will decrease in the future, but the form will change. At SAP, we think that we must listen more to our audience. We are changing the way the content of our events is compiled. Our customers have the possibility to submit their own ideas and presentations for the

agenda. We also limited the time for presentations from 45 minu-tes to 20 minutes. When people want to know more about the topic of the presentation they can meet the speaker afterwards in a so called discussion room to confer with him or her. These discussions are live-streamed and virtual attendees can even interact and reply online in real-time. We used this approach in our last SAPPHIRE NOW 2010, which took place simultaneously in Frankfurt am Main and Orlando, Florida. 16,000 attendees from both venues could interact with each other and with people all around the world on an unprecedented scale – altogether there were more than 50,000 participants.

You have a lot of experience with conventions and events. What do you think is a good venue for a convention today? did something change in terms of criteria in the past ten years? The major criteria for a good venue are always the same, for examp-le logistical infrastructure, accessibility and the appeal of the location. As mentioned before, real partnership, flexibility and the ability and willingness to make the organisation as easy as possible for the customer are vital criteria, too. Nevertheless there are some new aspects we are taking into account now – above all sustainability. How important will „Green Meetings“ be in the future? Sustainability is getting increasingly impor-tant – not only in the event business. In the overall strategy

Luca Favetta is Senior Director Global

Events EMEA and India at SAP AG and

oversees the global events marketing stra-

tegy and implementation for this region.

His previous position was Executive Events

Manager for Hewlett Packard Europe. He

holds a Master Degree in Public Relations

from Milan Modern Languages University and since 1996 he is based

in Geneva, Switzerland. Luca Favetta has had a significant involve-

ment as a volunteer within the meetings industry, having contri-

buted to numerous conferences, industry associations and position

papers. He just ended his 3 years mandate as member of the Inter-

national Board of Directors of Meeting Professionals International

(MPI) Association and is now part of the MPI Executive Advisory

Council. In 2006 Luca Favetta received the Joint Meeting Industry

Council Unity Award.

“The major criteria for a good venue are always the same.“

seite 48

November 2010MaRkt

Page 49: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Live-streaming on an unprecedented scale: The SAPPHIRE NOW 2010

of companies this aspect is currently being embedded. SAP, for example, nominated a Chief Sustainability Officer some time ago. The fact that he is a Executive Vice President underlines the importance we are giving to this issue.

how did you take into account the aspect „Green Meeting“ while planning recent Sap events? We try to support the overall sustain-ability strategy and implement green initiatives wherever it is possible. For example, we select our partners considering their approach towards sustainability. There are some convention cen-

tres which are “greener” than others, most notably in northern European countries. German convention centres in general have a good position. Then there are the “classical” actions like using local food, incentives to use public transportation or limiting the use of paper. These are little measures but in the end they achieve a lot.

seite 49

MaRkt

Page 50: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Sinnvolle Integration virtueller Medien bietet echten Mehrwert2010 – das Jahr des hybriden EventsVon Dr. Eva Pinter

Twitterwalls, Livestreaming, Downloads und Chats – die ganze Bandbreite virtueller Techniken gewinnt bei Veranstaltungen

wie Kongressen oder Events zunehmend an Bedeutung. Ihre Rolle indes haben die Neuen Medien noch nicht gefunden:

Stehen sie im Mittelpunkt oder laufen sie im Hintergrund mit? Oder dienen sie überwiegend zur Vor- und Nachbereitung?

Unter dem Stichwort „hybride Events“ diskutiert die Branche derzeit, wie sich eine Live-Veranstaltung sinnvoll mit virtuellen

Elementen verknüpfen lässt.

2010 gilt als das Jahr des hybriden Events. „Virtual replaces physical“ – diese These von 2009 ist inzwischen vom Tisch. „Es geht nicht mehr um die Frage nach dem Entweder-oder bei virtuellen Medien“, sagt Stefan Luppold, Professor für Messe-, Kongress- und Eventmanagement an der Karlshochschule Inter-national University in Karlsruhe. Vielmehr hat sich gezeigt, dass bei wissenschaftlichen Kongressen oder Events direkte Face-to-Face-Kommunikation durch nichts zu ersetzen ist. Dar-an werden auch moderne Techniken wie Holografie oder 3-D nichts ändern. „Je mehr die Möglichkeiten der virtuellen Kom-munikation zunehmen, desto mehr wollen sich die Menschen persönlich treffen“, so die These Luppolds. Deshalb stehe jetzt die Frage nach dem Sowohl-als-auch im Raum: Wie lassen sich

reale und virtuelle Elemente bei einer Veranstaltung sinnvoll miteinander verbinden? Genau das meint „Hybridität“: Zwei vorher getrennte Systeme werden so miteinander vermischt oder kombiniert, dass ein neues Ganzes entsteht.

Teilnehmerzahl erhöhen

Die Möglichkeiten, Realität und Virtualität miteinander zu vermischen, sind vielfältig. „Was derzeit besonders stark bespro-chen wird, ist das Thema ‚Augmented Reality‘“, berichtet Lup-pold. Computergestützt werden Elemente der Wirklichkeit um Informationen aus der digitalen Welt ergänzt – eine Art Collage entsteht, die ein umfassendes und quasi aus mehreren Infor-

Digitale Medien und ihre Rolle vor, während und nach Kongressen: Veranstalter suchen ideale Verbindung von Live-Events mit virtueller Technik.

seite 50

Page 51: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

mationsebenen bestehendes Bild liefert und damit die Reali-tätswahrnehmung erweitert. Vieles wird derzeit erst in Labors entwickelt oder eher experimentell und spielerisch getestet.

Bereits in konkreten Anwendungssituationen etabliert sind dagegen hybride Konzepte im Tagungs- und Kongressumfeld: Hier geht es unter anderem darum, die Erreichbarkeit zu ver-größern, indem diejenigen, die nicht persönlich an einer Veran-staltung teilnehmen können, über virtuelle Elemente zu integ-rieren. Das ist zum Beispiel mittels Livestreaming möglich. „Wer aber wirklich keine Zeit hat zu kommen, hat vermutlich auch keine Möglichkeit, zeitgleich über das Internet teilzunehmen“, glaubt Luppold. Auf diesem Gedanken basiere das Layout von Veranstaltungen wie etwa den SAP-Entwicklerkonferenzen. Hier werden zeitversetzt Sondersessions für diejenigen angeboten, die terminlich verhindert sind – eine Art abgespeckte Form der Veranstaltung. Zudem nehmen sich Vorstandsmitglieder und Experten der Unternehmensbereiche für Online-Teilnehmer

Zeit, um Fragen im Livechat zu beantworten. Das Material der Sessions kann man sich downloaden. Das heißt, es gibt virtuell sowohl einen Liveanteil als auch eine Dokumentation, die zu jedem Zeitpunkt abrufbar ist.

Von dieser Variante, welche die Erweiterung des Teilnehmer-kreises zum Ziel hat, unterscheidet Luppold Veranstaltungen, bei denen virtuelle Elemente integraler Bestandteil des Events sind. „Das heißt, ein virtuelles Ereignis wird in die Livedrama-turgie eingebaut “, betont Luppold. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Kongressbesucher dazu aufgefordert werden, während eines Vortrags zu twittern und deren „Feeds“ hinter dem Redner auf einer großen Leinwand eingeblendet werden. Bei dieser Variante entstehen ganz neue Möglichkeiten der Interaktion. Beispielsweise könne man online darüber abstimmen, ob von zwei für den Nachmittag geplanten Sessions eine wegfallen oder sogar ein dritter Vortrag eröffnet werden solle. „So lassen sich Kongresse ganz flexibel gestalten und an den Bedürfnissen der Teilnehmer ausrichten“, sagt Luppold.

Inhalte ändern sich

Darüber hinaus können virtuelle Techniken ausschließlich zur Vor- und Nachbereitung einer Veranstaltung eingesetzt werden. Das ist der Fall, wenn beispielsweise Social Networks wie Face-book als Einladungsplattform genutzt werden oder als Nachbe-reitung ein Film über das Event online abrufbar ist. „Doch das ist für mich kein hybrides Event, da die Veranstaltung selbst nicht

mit virtuellen Elementen vermischt ist“, so Luppold. Allerdings beeinflusst auch das Vor- und Nachschalten von Online-Kom-munikation die Inhalte einer Veranstaltung. Deutlich wird das am Beispiel von Messen: Rein technische Vorgänge, etwa Waren bestellen, werden inzwischen über das Internet abgewickelt. Die klassische Ordermesse hat ausgedient. „Heute nutzen Unter-nehmen Messen, um mit den Kunden ins Gespräch zu kommen und mehr über deren Wünsche zu erfahren.“ Ziel dabei ist es, Vertrauen zu bilden, den Kunden an sich zu binden und die Wertigkeit der Marke herauszustellen.

Virtuelle Medien zielgerichtet einsetzen

Luppold empfiehlt, sehr genau zu überlegen, wie virtuelle Elemente eingesetzt werden. „Ich kann eine hochmoderne Veranstaltung mit den schicksten und aufwendigsten Tech-niken organisieren, doch was bringt das, wenn die Besucher beim Verlassen bereits an der Garderobe die Inhalte vergessen haben“, fragt Luppold provokant. Vielmehr müsse mit den technischen Möglichkeiten vorsichtig und überlegt umgegan-gen werden. Sie sollten so eingesetzt werden, dass sie dazu beitragen, das konkrete Ziel der Veranstaltung zu erreichen. Als ein Beispiel nennt er Livestreaming. „Technisch ist das sicherlich keine große Herausforderung mehr, aber organisato-risch“, sagt Luppold. Es gehe nicht nur darum, die Möglichkeit anzubieten. Wie kann man dafür sorgen, dass die Menschen, die es betrifft, davon erfahren? Bekomme ich als Veranstalter anschließend eine genaue Bilanz über die Nutzung? Kann ich das Livestreaming auch als Marketinginstrument für mich nutzen, um Besucher für das nächste Jahr zu gewinnen? „Wenn es gelingt, virtuelle Elemente in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, dann gibt es eine echte Hybridität, eine einheitli-che Veranstaltung, die den Teilnehmern auch einen Mehrwert bietet“, betont Luppold.

Professor Stefan Luppold ist seit 2006

Professor für die Lehrgebiete Messe-, Kon-

gress- und Eventmanagement an der Karls-

hochschule International University in

Karlsruhe. Der studierte Betriebswirt war

selbst 25 Jahre für Unternehmen tätig, vor

allem mit Projektarbeit für Kongresszen-

tren, Messegesellschaften und Verbände. Heute berät er Unter-

nehmen, Verbände und öffentliche Einrichtungen und ist unter

anderem wissenschaftlicher Beirat des Verbandes der Kongress- und

Seminarwirtschaft DeGefest.

„Wenn es gelingt, virtuelle Elemente in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, dann gibt es eine echte Hybridität.“

seite 51

November 2010 MaRkt

Page 52: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Interview mit Michel Maugé über offene Konferenzformen„Wir müssen die Kunst der Rhetorik wieder erlernen.“Von Roman Kopf

Offene Konferenzverfahren gibt es schon längere Zeit, sind bei uns aber noch nicht weit verbreitet. Zudem tauchen ständig

neue, ähnliche Trends auf – ob Unkonferenzen, Open Space oder Barcamps. Bringen diese neuen Methoden Veranstalter

wirklich vorwärts? Roman Kopf sprach mit Michel Maugé, Geschäftsführer der m:con – mannheim:congress GmbH, über die

Bedeutung dieser Verfahren für die Branche und inwieweit sie tatsächlich zielführend sind. Denn das Ziel darf – unabhängig

davon, welches Verfahren eingesetzt wird – nie vergessen werden.

können Sie sich an Ihre erste Erfahrung mit einer offenen kon-ferenzform erinnern? Vor 30 Jahren habe ich zum ersten Mal in den USA eine Round-Table-Diskussion erlebt. An einzelnen runden Tischen wurde über bestimmte Themen diskutiert und abschließend darüber berichtet. Diese Form hat sich in Amerika komplett durchgesetzt. Es ist völlig üblich, Breakout-Sessions in Form von Round-Table-Diskussionen durchzuführen. Im Gegen-satz zu Europa: Hier dominieren nach wie vor Frontalsituati-onen, bei denen sich die Teilnehmer wie Zuschauer vor dem Fernsehapparat verhalten. Die Aufmerksamkeit beim Round Table ist sehr viel stärker – man muss sich beteiligen. neben den etablierten Großgruppenverfahren wie Open Space, Zukunftskonferenz, World Café oder RtSC-konferenz gibt es jetzt auch unkonferenzen und Barcamps. handelt es sich dabei auch um offene konferenzformen? Sie können es offene Konfe-renzformen nennen, doch im Grunde sind alle diese Begriffe große Schlagworte. Es kommt ganz darauf an, welchen Zweck man verfolgt. Für die reine Wissensvermittlung ist sicherlich

der Frontalvortrag immer noch die entscheidende Form. Open-Space-Diskussionen hingegen sind nur sehr bedingt einsetzbar, etwa zur Förderung des Erfahrungsaustauschs untereinander. Ich glaube, das betrifft auch Round-Table-Diskussionen oder die elektronischen Diskussionen. Sie können nur einen Erfahrungs-austausch hervorbringen. Neue Dinge lassen sich nur frontal vermitteln. Wir müssen die Kunst der Rhetorik wieder erler-nen. Es liegt im Trend, Power-Point-Präsentationen wegzulassen. Dann wird es wieder ganz wichtig, reden zu können – was wir alle verlernt haben.

Ist die kritik am Begriff Großgruppenverfahren berechtigt? laut literatur sind die Verfahren nicht nur für Großgruppen geeignet – Open Space beispielsweise sei bereits ab fünf 5 per-sonen möglich. Ich sehe diese Verfahren eigentlich gar nicht

für Großgruppen. Sie können in einer Großgruppe mit 500 bis 600 Leuten nicht gemeinsam diskutieren, sondern müssen die Großgruppe aufsplitten. Es ist sicherlich das System von Open Space, Oberthemen aufzuspalten. Wenn Sie wirklich in eine wirkungsvolle Diskussionsrunde wollen, bei der Sie jeden Ein-zelnen auch erreichen, dann müssen die Gruppen wieder auf maximal 20 Personen begrenzt werden.

Welche zukünftigen Entwicklungen sehen Sie bei der inhaltlichen Gestaltung von Veranstaltungen im tagungs- und kongresssektor und warum? Open Space gibt es bereits über 20 Jahre und es hat sich bisher in Europa im Grunde kaum durchgesetzt. Ich sehe keinen wissenschaftlichen Kongress, keine Fortbildungsveran-staltung, wo ein solches Verfahren angewendet wird. Vielmehr dominiert nach wie vor die Frontalveranstaltung oder auch der klassische Workshop mit maximal 30 Personen. Auch hier kommt es darauf an, wie es dem Moderator gelingt, die einzel-nen Teilnehmer zu aktivieren. Eine klassische Methode ist bis heute ungeschlagen: Die Metaplan-Methode wird angewandt, um eine Diskussionsrunde zu strukturieren. Aber auch das sind im Grunde Workshops, in denen man ein bestimmtes Thema erarbeitet. Man kann daraus lernen, aber der Lernbereich ist ohne den Frontalvortrag nicht möglich.

Frank Schirrmacher schreibt in seinem neuesten Buch „payback“: „In einer Welt, in der immer mehr die Computersysteme die Spei-cherung von Informationen übernehmen, müssen wir den Weg nicht mehr beschreiben, sondern können über das Ziel nachden-ken.“ Welche auswirkungen hat die aussage für Sie, in die Welt der konferenzen übertragen? Früher war es ohne elektronische Medien sehr schwer, Wissen zu vervollständigen. Bibliotheken hielten nur beschränktes Wissen vor. Heute lässt es sich sehr einfach abrufen. Sie können natürlich ihre wissenschaftlichen Arbeiten darauf bauen und Ziele setzen. Diese Ziele zu setzen gelingt Ihnen nur, wenn Sie in den Dialog treten. Früher hat man das Disput genannt. Das ist etwas, was wir mittlerweile verlernt haben. Wir akzeptieren das Wissen wie ein Faktum. Es wird nicht mehr angezweifelt, man setzt sich nicht mehr kritisch damit aus-einander. Das ist sicherlich die Gefahr dieser Elektronik. Wenn

„Das müssen wir wieder lernen, auch in Konferenzen: das Pro und Kontra.“

seite 52

November 2010MaRkt

Page 53: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Schirrmacher von Zielen spricht, dann geht es wirklich darum, etwas kritisch infrage zu stellen und darüber nachzudenken. Das müssen wir wieder lernen; auch in Konferenzen: das Pro und Kontra. DigiVote ist ein Messinstrument, mit dem man auch in einer großen Masse, 5 bis 1.000 und mehr Personen, Meinungen abfragen kann. Das funktioniert analog zur klassischen TED-Befragung. Diese Meinungen sind etwas sehr Interessantes, aus deren Ergebnis sich Streitgespräche entwickeln können. Das ist eine Form neben der Metaplan-Methode, die sich durchgesetzt hat und immer mehr kommt. Sie müssen natürlich die richtigen Fragen stellen und auch richtig interpretieren.

Wie wird sich der Marktanteil an offenen konferenzverfahren entwickeln? Der Marktanteil dieser Form ist sehr klein und wird es auch bleiben. Open Space ist für mich ein Instrument, um Netzwerke zu schaffen und Erfahrungsaustausch zu erreichen. Im Grunde ist es der Versuch, die Kaffeepause zu strukturie-ren, um am Ende ein Ergebnis zu haben. Deshalb dokumentiert ein Protocoller die Gespräche. Ich halte davon sehr wenig. Der Inhalt eines zwischenmenschlichen Gesprächs ist nicht dafür da, um ihn an Dritte weiterzugeben. Vielmehr sollten die Kaf-feepausen – parallel zur Wissensvermittlung – stärker ausgebaut werden. Zudem brauchen die Menschen Räume, die es ihnen

erleichtern, miteinander ins Gespräch zu kommen. Doch in den wenigsten Kongresshäusern gibt es Flächen, wo man sich treffen, sitzen und ungestört reden kann. Mir schwebt zum Beispiel ein Kongresshaus mit einem Wellnessbereich vor. Der beste zwischenmenschliche Austausch bei den alten Römern und Griechen hat im Badehaus stattgefunden.

Sind offene konferenzen und erlebnisorientierte Events mit-einander vereinbar? Jedes zu seiner Zeit und jedes zu seinem bestimmten Zweck. Das ist etwas, was in unserer Branche mei-ner Ansicht nach völlig verkehrt gemacht wird. Wir können bestimmte Instrumente nur für einen ganz bestimmten Zweck verwenden und mit einem ganz bestimmten Ziel. Ich wehre mich völlig gegen eine Definition, die sagt, dass ein Event gro-ße Erinnerungen manifestieren soll. Was ist Erinnerung? Es geht vielmehr darum, eine Botschaft zu vermitteln, so wie in einem Werbespot. Nur allein mit Emotionalität, die zum Beispiel durch Extreme hervorgerufen wird, erreiche ich niemanden. Die Balance zwischen Ratio und Emotion muss stimmen. Wir ver-gessen oft gerade beim Event die Botschaft und das gesetzte Ziel.

Wie lässt sich das erreichen? Lassen Sie mich das an einem Beispiel eines Pharmaunternehmens ausführen, für das wir

Gefragte Keynote-Speaker wie der britische Unternehmer Sir Richard Branson beherrschen die Kunst der Rhetorik, die heute in Vergessenheit zu geraten droht.

seite 53

MaRkt

Page 54: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

eine Veranstaltung organisiert haben. Es handelte sich um eine Fusion zweier Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Unternehmensphilosophien. Wir haben versucht, die Teilneh-mer in einer Stunde ein Gemälde malen zu lassen. Jeder hatte eine kleine Tafel, auf der er seine Empfindungen ausdrücken konnte. Das ist sicherlich ein emotionaler Faktor. Und es war ein imponierendes Bild, 500 Menschen malen zu sehen. Doch auch wenn alle am Ende mit dem großen Gemälde zufrieden waren, das Ziel, Unbekannte zu treffen und kennenzulernen, war nicht realisiert worden. Wir müssen vielmehr versuchen, zu lenken und zu strukturieren, zum Beispiel indem wir Plätze nummerieren und Nummern verlosen. Dann könnte so etwas funktionieren.

Wie verändert der zunehmende Einsatz moderner kommuni-kationsmittel konferenzen? Sie erleichtern die Kontaktauf-nahme, auch zu Fremden. Facebook beispielsweise ist als ein Instrument im Vorfeld oder auch während einer Konferenz hilfreich. Über Spotme bekomme ich Informationen über die Besucher einer Konferenz, die gerade um mich herum sind. Dadurch habe ich die Möglichkeit, jeden Einzelnen entspre-chend anzusprechen. Das wird in Zukunft mithilfe von Face-book und einem normalen Handy völlig unproblematisch. Ich kann plötzlich Kontakte schaffen.

Wenn ich dieses Medium für eine Konferenz einsetze, errei-che ich eine enorme Vernetzung. Auf einer Konferenz mit 100 Teilnehmern kann es passieren, dass man nur mit zehn davon in Kontakt kommt. Über Mittel wie Facebook hingegen kann ich aktiv werden und Leute suchen, mit denen ich mich treffen möchte. Als ich vor 30 Jahren in einem Kurort gearbeitet habe,

war es für alleinstehende Gäste schwierig, Gleichgesinnte zu finden. Wir haben damals bunte Pinnnadeln eingesetzt: Wenn sich die Leute im Kurpark begegneten, konnten sie aufgrund der Farbe der Pinnnadel die ähnlichen Interessen des anderen erkennen und ihn ansprechen. So schafft man Gruppen. Face-book funktioniert im Grunde nicht anders.

Wird die zunehmende Virtualität bei Veranstaltungen den Ver-anstaltungstypus „offene konferenzen“ stärken? Weshalb hat man Twitter erfunden? Sie können nur zehn Sätze bilden. Das ist der Versuch, Nachrichten so kurz wie möglich zu machen, nicht mehr zu vertiefen. Der virtuelle Raum lebt von Schlagzeilen, was ihn auf Dauer uninteressant macht. Bei Veranstaltungen müssen wir eine Vertiefung erreichen, nur so bleiben die Inhalte im Langzeitgedächtnis haften. Das erreiche ich aber nicht über

OrganisationsTickerVon m:con organisierte Kongresse

n  8. bis 9. Februar 20112. nationale Impfkonferenz 2011, Stuttgart „Impfen – Wirklichkeit und Visionen“ lautet das Motto der Konferenz, auf der nachhaltige und erfolgreiche Impfkonzepte entwickelt werden sollen, damit Impfungen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht an Bedeutung verlieren. www.nationale-impfkonferenz.de

n  9. März bis 12. März 2011dGauM 51. Wissenschaftliche Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für arbeitsmedizin und umweltmedizin e. V. , heidelbergDie Jahrestagung wird in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. sowie dem Berufs- verband Deutscher Arbeitsmediziner organisiert. Hauptthemen sind die Nanotechnologie als arbeitsmedizinische und umwelt- medizinische Herausforderung sowie aktuelle Entwicklungen zum Biomonitoring in der Arbeitsmedizin und Umweltmedizin. www.dgaum.de

n  31. März bis 2. April 2011 19. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie e. V. gemeinsam mit der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Infektiologie e. V., leipzigDas Spektrum der von beiden Fachgesellschaften gemeinsam durchgeführten Jahrestagung umfasst aktuelle Aspekte zu Themen wie Impfungen, Infektionen durch multiresistente Erreger und neue antibiotische Therapieansätze, systemische Mykosen, Mykobakteriosen, nosokomiale Infektionen, HIV/Aids, Influenza. www.dgpi-dgi2011.de

n  30. April bis 3. Mai 2011117. kongress der deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V., WiesbadenUnter dem Leitthema „Lebensphasen“ werden die Hauptthemen Stoffwechselmedizin, personalisierte Therapie in der Onkologie, Immunität und Entzündung und klinische Epidemiologie behandelt. www.dgim2011.de

n  13. bis 15. Mai 2011 60. Jahrestag der norddeutschen Gesellschaft für kinder- und Jugendmedizin (ndGkJ), Braunschweig Das Programm, bei dem das Lernen an konkreten Fällen im Mittel-punkt steht, richtet sich sowohl an niedergelassene Kinder- und Jugendärzte als auch an pädiatrisch tätige Klinikärzte und im Öffentli-chen Gesundheitswesen arbeitende Kinder- und Jugendärzte. www.ndgkj-2011.de

Der virtuelle Raum lebt von Schlagzeilen, was ihn auf Dauer uninteressant macht.

seite 54

MaRkt

Page 55: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

n  10./11. Dezember 2010 27. Südwestdeutsche anästhesietage 2010 Im Rahmen der Regionaltagung zu aktuellen Themen der Anästhesie findet auch die Mitgleiderversammlung der Landesverbände Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V.(DGAI) und des Berufs-verbands Deutscher Anästhesisten (BDA) statt.www.mcn-nuernberg.de/1251.html

n  6./7. April 201135. Internationaler kongress „kunststoffe im automobilbau“Neue Fahrzeugkonzepte sind angesichts von Entwicklungen wie Elektromobilität und Leichtbau gefragt, bei denen neue Bauweisen und innovative Materialien eine entscheidende Rolle spielen. Welche Perspektiven sich daraus für die Kunststoffe im Fahrzeugbau ergeben, ist eines der Themen des Kongresses. www.vdi-wissensforum.de

n  27. bis 30. April 201177. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für kardiologie – herz- und kreislaufforschung Nach dem großen Erfolg in diesem Jahr mit mehr als 7.700 Teil-nehmern und 1.174 Vorträgen treffen sich die Kardiologen 2011 erneut in Mannheim. Schwerpunkt werden die Themen „Herzinsuffizenz und Regeneration“ sein. www.dgk.org

n  26. bis 28. Mai 201137. Jahrestagung der Gesellschaft für neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin Gleichberechtigt nebeneinander behandelt die Tagung die Themenkomplexe für Neonatologie, pädiatrische Intensivmedizin und Pflege. Im Fokus stehen nicht nur medizinische Belange, sondern auch soziale, psychische und ethische Fragestellungen. Die Veranstalter möchten bei den Hauptthemen zum interdisziplinären Denken anregen. http://gnpi2011.de

KongressTickerKongresse im Congress Center Rosengartenden virtuellen Raum, sondern nur über Face-to-Face-Kommu-

nikation. In der Virtualität habe ich nur die Kurzinformation und den Kurzaustausch. Wenn mich aber ein Thema interessiert, brauche ich den direkten Disput.

die neuesten Entwicklungen der unkonferenzen/Barcamps stützen sich auf Grundprinzipien des Open Space. Sehen Sie diese als abgewandelte Form von Open-Space-Veranstaltungen? Nein, diese Formen haben mit Open Space nichts zu tun. Sie dienen der virtuellen Diskussion, aber nicht dem menschlichen Erfahrungsaustausch. Es sind Hilfsmittel, um Informationen auszutauschen, Kontakte auszubauen und um sich auf das vor-zubereiten, was einen erwartet. Doch wer zu einer Konferenz geht, hat nicht die Zeit, sich einen Tag vorher intensiv damit zu befassen – genauso wenig wie nachher. Und während einer Konferenz lenken diese Elemente ab. Wir müssen darauf achten, dass wir den Menschen in seiner Konzentration und Aufnahme-fähigkeit nicht überfordern. Die Vernetzung von parallelen Ses-sions findet effektiver im Nachhinein in einer anschließenden Zusammenfassung statt und nicht während einer Session. In der Zusammenfassung kann ich natürlich pro und kontra diskutie-ren. Das muss ich aber nicht vor Ort über Laptop machen. Wir überfordern uns heute total, zum Beispiel bei Präsentationen. Die Zuhörer haben kaum Zeit, den Text zu lesen, der projiziert wird. Gleichzeitig sollen sie zuhören und verstehen, was erzählt wird. Deshalb meine Theorie: Wir müssen uns wieder auf die Grundlagen zurückbesinnen, wie man einem Erwachsenen Wis-sen vermittelt. So viele Grundregeln werden durch den Zwang, etwas Neues erfinden zu müssen, missachtet. Doch man benötigt solides Handwerkszeug, um Neues erfinden zu können.

Was werden die neuesten Entwicklungen für die beruflichen anforderungen der Veranstaltungsmanager bedeuten? Künftige Eventmanager müssen neben handwerklichen Dingen lernen, einen kreativen Prozess in Gang zu bringen, oder zumindest müssen sie diesen als Verantwortliche beurteilen können. Ein Eventmanager muss sich sehr stark mit den soziologischen und psychologischen Faktoren des menschlichen Daseins und Ler-nens befassen. Das steht zurzeit auf keinem Lehrplan. Gerade auch beim Einsatz der neuen Kommunikationsmittel muss er die Reaktionen des Empfängers im Voraus kennen. Denn im Live-Medium muss ich alle Sinne ansprechen und dreidimensional arbeiten, im Netz bin ich nur eindimensional, habe nur einen Kanal zur Verfügung. Hier müssen wir von den Film- und The-aterleuten lernen, wie sie Botschaften umsetzen. Alle Elemente einer Veranstaltung müssen zu einem harmonischen Ganzen entwickelt werden. Beispielsweise muss man erst einmal ver-stehen, dass Licht Atmosphäre erzeugt und auf die menschliche Psyche wirkt. Man braucht ein Konzept für die richtige Beleuch-tung. Diese Aufgabe lässt sich nicht an den Elektriker delegieren. Und so gibt es viele Dinge, die wohldurchdacht werden müssen, obwohl sie auf den ersten Blick bedeutungslos erscheinen.

seite 55

November 2010 M:COn

Page 56: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

seite 56

M:COn

Selbst Balance erzeugen – das war die Aufgabe in der Besuchershow des bei ADAM & EVA preisgekrönten Deutschen Pavillons auf der Expo 2010 in Shanghai: Durch ihr Rufen bringen die Besucher eine riesige Kugel zum Schwingen.

Page 57: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Kultur- und Kreativwirtschaft: vom Zuschussbetrieb zum Zugpferd

Die Stadt der Zukunft

ist die Stadt der Kreativen

Die Kreativwirtschaft ist auf dem Vormarsch: Ob Architektur, Musik oder Werbung – die Kultur- und Kreativwirtschaft

schafft Vielfalt und hat sich zu einem dynamischen Wirtschaftsmotor entwickelt. Innovationsgeist und Ideenreichtum

verleihen einem Standort Strahlkraft und Attraktivität. Auch Städteplaner haben das große Potenzial kreativer Köpfe

für die Stadtentwicklung erkannt. Inzwischen gilt die Kreativwirtschaft als Maßstab für die Wettbewerbsfähigkeit von

Städten und Regionen. Ein anschauliches Beispiel ist Mannheim, wo in diesem Jahr erstmals auch die ADAM & EVA-

Preisverleihung stattfand.

Von Dr. Eva Pinter

seite 57

M:COn

Page 58: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Um Gold zu gewinnen, versuchte es Goethes Faust mit Alchemie. Die heutigen Dichter und Denker hingegen vertrauen auf ihre Kreativität: Gute Ideen sind Gold wert. Wenn es um wirtschaftli-che Entwicklung und Wohlstand geht, sind Erfinder, Entwickler und Künstler die entscheidende Größe. Die Kreativwirtschaft ist eine Branche mit Zukunft, die nicht nur Werte, sondern auch Arbeitsplätze schafft. Und mehr noch: Längst gilt das kultu-relle Umfeld einer Region oder Kommune als entscheidender Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen. Inzwi-schen setzen zahlreiche Zukunftsinitiativen von Bundesländern und Städteplanern in ihren Visionen auf das bunt gemischte Völkchen aus Filmern, Musikern, Architekten, IT-Spezialisten, Journalisten, Designern und Werbern.

Dynamischster Wirtschaftszweig Deutschlands

4,9 Millionen Erwerbstätige arbeiten in der Europäischen Gemeinschaft im Kultur- und Kreativsektor. Deutschland liegt nach einem Monitoring des Bundeswirtschaftsministeriums von 2009 zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kul-tur- und Kreativwirtschaft mit über einer Million Erwerbstäti-ger, davon 237.000 selbstständige Freiberufler und gewerbliche

Unternehmerinnen und Unternehmer, an der Spitze. Seit Ende der 1980er-Jahre entwickelte sich die Kultur- und Kreativwirt-schaft bezogen auf Umsatz und Beschäftigung zu einem der dynamischsten Wirtschaftszweige Deutschlands. Die jährliche

Bruttowertschöpfung von etwa 63 Milliarden Euro liegt zwischen dem Anteil der Automobil- und Chemieindustrie.

Wettbewerb um kreative Köpfe

Kultur- und Künstlerförderung ist zugleich Wirtschaftsförderung. Nur wer kreative Talente anzieht und hält, kann im Wettbewerb der Städte bestehen. Mannheim hat längst die Bedeutung kreativer Köpfe erkannt. Seit Jahren investiert die Stadt in den Wachstums-markt – mit beachtlichen Erfolgen. „Das Mannheimer Modell“,

Von Peyman Amin bei der Fashionshow souverän präsentiert: die Mode des Mannheimer Designers Eduard Howhannisjan.

Mannheim hat längst die Bedeutung kreativer Köpfe erkannt. Seit Jahren investiert die Stadt in den Wachstums-markt.

M:COn

seite 58

Page 59: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Wie entstehen Trends? Anne Höweler, Modebloggerin, Trendscout und Designerin

Der Mode von morgen auf der Spur

Anne Höweler weiß, wie man Trends aufspürt – schon von Berufs wegen: Die 30 Jährige betreibt im Auftrag des Mode-Start-ups Edelight das Fashionblog „Styles you love“ (http://stylesyou love.edelight.de/). Zuvor arbeitete sie als Designerin und

Trendscout. Auch in ihrem neuen Job ist sie täglich auf der Suche nach der Mode von morgen. Trendteile, die Fashionis-tas heute bei H&M und Zara kaufen, hat Höweler bereits vor Monaten aufgespürt. Am besten gelingt ihr das bei Reisen in Fashionmetropolen. In den Szenevierteln von New York, London, Paris, Kopenhagen und Amsterdam verbringt sie viele Stunden in Cafés oder Parks: „Dort sehe ich so viele toll und vor allem individuell gekleidete Frauen, da muss ich nur die Augen offen halten und mich inspirieren lassen.“ Heute recherchieren Trendscouts viel über das Internet – das

ist für die Auftraggeber günstiger. „Aber auch eine noch so gute Internetrecherche und Streetstyle-Fotos in Blogs kön-nen nicht den Besuch von Fashion-Weeks, internationalen Fachmessen und Storechecks ersetzen“, findet Höweler. „Im Netz kann ich weder die Atmosphäre einer Stadt noch den dortigen Lebensstil spüren.“

Bei aller Begeisterung Höwelers für individuell gestylte Outfits muss sie für ihre Auftraggeber aus der Modeindustrie echte Trends erkennen, die tragbar und kommerziell umsetzbar sind. „Dafür braucht man einfach das richtige Gespür.“ Bei manchen Styles, die Höweler entdeckt, weiß sie sofort, dass sie auch in Deutschland funktionieren werden – etwa das Norwegermuster, das diesen Winter angesagt ist: Das hat-ten Dolce & Gabbana im Frühjahr bei ihrer Show in Mailand gezeigt – heute hängt es von Kiel bis München in den Geschäf-ten. Andere Trends, wie der in Skandinavien viel getragene knöchellange Rock, haben sich hierzulande nie durchgesetzt. Wieder andere brauchen ihre Zeit, bis sie von New York, Lon-don und Paris nach Deutschland kommen – oder wer hätte gedacht, dass Frauen je wieder Leggings und Schulterpolster im Stil der 1980er-Jahre tragen? (sah)

seite 59

November 2010 M:COn

Page 60: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

bestehend aus Popakademie, Musikpark, dem Existenzgründer-zentrum für die Musikwirtschaft, und der Arbeit des kommunalen Beauftragten für Musik- und Popkultur hat bundesweit Vorbild-charakter – ein Musterbeispiel für tolerante und weltoffene Ideen-wirtschaft. Die Quadratestadt liegt laut einem Städteranking, das Roland Berger Strategy Consultants gemeinsam mit der Frankfur-ter Allgemeinen Sonntagszeitung 2008 veröffentlicht hat, unter den Top Ten der kreativsten Städte Deutschlands.

Hollywoods Glamourwelt im Rosengarten

Neben der Musikwirtschaft verfügt Mannheim über weitere gut ausgebildete Sparten, so gibt es allein über 100 Werbeagentu-ren und rund 40 Unternehmen im Bereich Eventmanagement. Auch in puncto Mode zeigt Mannheim Flagge. Das beweist bei-spielsweise die Designerin Dorothee Schumacher, die ihre in Mannheim entworfenen Kollektionen weltweit verkauft. Auch Nachwuchsdesigner wie Eduard Howhannisjan haben ihren Weg nach Mannheim gefunden. Der gebürtige Armenier eröffnete 2006 ein Atelier in den Quadraten und gründete sein eigenes Label. Eine Vielfalt an maßgeschneiderten Unikaten wurde auf

einer von m:con organisatorisch, technisch und logistisch kon-zipierten Modenschau im Congress Center Rosengarten gezeigt. Über 700 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik begeis-terte das Show-Event. 25 Models, darunter auch die Finalistin 2007 bei „Germany’s next Topmodel“ (GNTM) Hana Nitsche, prä-sentierten auf dem Laufsteg die Mode des Designers. Die m:con Fashionshow ist auch ein Erfolgsbeispiel dafür, wie sich Unter-nehmen der Kreativwirtschaft gegenseitig inspirieren können. Die Bestrebungen der Region, die kreative Wirtschaftsbranche auszubauen und zu stärken, erfahren anerkennende Bestäti-gung: So entschied sich der FAMAB Verband Direkte Wirtschafts-kommunikation e. V. dafür, seine Jahreshauptversammlung 2010 zum ersten Mal in Mannheim im Congress Center Rosengar-ten zu veranstalten. Sie ist mit der Verleihung des ADAM & EVA-Awards verbunden. „Der Award schafft Aufmerksamkeit und gibt uns die Chance, Mannheim und die Metropolregion Rhein-Neckar als Ort für die Kreativwirtschaft zu präsentieren“, so Dr. Peter Kurz, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim.

Preisträger beim ADAM & EVA-Award: Ein Messeprojekt der Kreativagentur d-Werk unter dem Motto „ ... gegen den Strom schwingen“.

den podcast zur Fashionshow finden Sie im Online-Magazin www.mcon-visions.de unter dem Webcode: 131056

November 2010M:COn

seite 60

Page 61: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

ADAM & EVA-Preisverleihung im Congress Center Rosengarten 2010Mannheim begeistert die Kreativwirtschaft

Die ADAM & EVA-Preisverleihung 2010 lenkte die Blicke der deutschen Kreativwirtschaft nach Mannheim: Am 5. November

präsentierten die Vertreter der Messebauunternehmen und Eventbranche einen Abend lang die Highlight-Projekte des

letzen Jahres. Die Preisverleihung bildete den schillernden Höhepunkt der Jahrestagung des FAMAB Verband Direkte

Wirtschaftskommunikation e. V.

Erstmals in Mannheim und erstmals ausverkauft: Über 1.300 führende Persönlichkeiten der Kreativwirtschaft feierten die Preisträger der Branchenawards ADAM & EVA im Congress Center Rosengarten. Noch einmal so viele verfolgten die Gala übers Internet. Insgesamt wurden 34 innovative Projekte der Messe- und Eventbranche ausgezeichnet. Die für Konzeption, Organisation und Kommunikation verantwortliche Eventagen-tur pro event live-communication aus Heidelberg überraschte die Gäste mit einer Gala vom Feinsten in einem paradiesisch dekorierten Congress Center Rosengarten, den die m:con – mannheim:congress GmbH zur Verfügung gestellt hatte.

Rosengarten, Mannheim und Region begeistern Gäste und Veranstalter

„ADAM & EVA sind die Benchmarks der Messe- und Event-branche“, erklärt m:con-Geschäftsführer Michel Maugé. „Der Zuschlag bedeutete für uns die Chance, den Besten der Bran-che zu zeigen, welches Potenzial der Congress Center Rosen-garten, Mannheim und die Metropolregion Rhein-Neckar zu bieten haben.“ Jörn Huber, Geschäftsführer der Heidelberger Eventagentur pro event live-communication, setzte dabei vor allem auf eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig

Von pro event live-communication konzipiert war die Idee eines paradiesisch dekorierten Rosengartens.

M:COn

seite 61

Page 62: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

konzipierte Veranstaltung. Das Congress Center Rosengarten mit seiner im Rahmen des Umbaus auf den höchsten ökologischen Standard gebrachten Ausstattung bildete in seinem Konzept einen entscheidenden Baustein. Dabei kam die Qualität der Show natürlich nicht zu kurz – im Gegenteil: „Wir sind froh, dass wir ADAM & EVA auf ein neues Niveau heben konnten. Für einen Preis, der nur an die Besten der Besten verliehen wird, wollten wir auch die bestmögliche Veranstaltung auf die Beine stellen“, so Huber. Für die gelungene Veranstaltung gab es viel Lob von Seiten des FAMAB: „Die Location ist wie gemacht für uns“, unterstrich der Vorsitzende des FAMAB, Volker von Hagen, auf der Eröffnungspressekonferenz. „Die Nachhaltigkeit, mit der das Congress Center Rosengarten betrieben wird, ist beispiellos. Vielen Dank, dass wir hier zu Gast sein durften.“

Qualität, Kreativität, Vielfalt in allen Bereichen

Insgesamt wurden 16 Marken- und Messeauftritte mit dem ADAM-Award und 18 Events mit dem EVA-Award in Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet. Unter den Preisträgern war auch die Eventagentur Be One Entertainment aus Mannheim. Für den Auftritt der SAP AG, Walldorf, auf der CeBIT 2010 durfte sich die Agentur über einen EVA-Award in Silber (Kategorie

Exhibition Events) freuen. Der absolute Gewinner unter den Agenturen, Mutabor Design aus Hamburg, erhielt sechs Preise. Ein prominenter Gast trat mit der Agentur M&C Saatchi Exit aus Berlin auf die Bühne: Der ehemalige Fußballnationalspieler und Europameister Thomas Helmer, Schirmherr des Projekts „HMI – The Big Kick to Johannesburg“. Für ihn und seine Kollegen gab es einen EVA-Award in Silber (Kategorie Public Events).

Der ADAM-Award wurde zum zehnten, der EVA-Award bereits zum 15. Mal vergeben. Beim anschließenden Meet, Eat and Drink boten die Mitglieder der Leading Event Caterer Asso-ciation (LECA) höchstes kulinarisches Niveau.

Wer sich nicht rechtzeitig eine der heiß begehrten Karten gesichert hatte, musste die Preisverleihung dieses Jahr nicht verpassen: Die Gala wurde mit m:con_vidoc, einem von m:con selbst entwickelten System, erstmals live ins World Wide Web gestreamt. Auch auf der ADAM & EVA-Feier selbst wurde das Social Web in einer eigens dafür eingerichteten Zwitscherstu-be intensiv genutzt und bis spät in die Nacht mit der Online-Community diskutiert und gescherzt.

Die letzten Vorbereitungen im Congress Center Rosengarten in Mannheim, bevor die über 1.300 Gäste der ADAM & EVA- Preisverleihung eintreffen.

den podcast zum artikel finden Sie im Online-Magazin www.mcon-visions.de unter dem Webcode: 1310561

seite 62

M:COn

Page 63: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

„autosymphonic“: Popakademie unterrichtet 120 Nachwuchsschlagzeuger „Mit einem Auto Musik machen, das ist einfach toll.“

Es ging Schlag auf Schlag: Jeweils fünf Jugendliche klopften rhythmisch auf Cajones, klatschten nach Noten und spielten ein

Solo am Schlagzeug. Das Casting dauerte kaum mehr als eine Viertelstunde. Dann betrat die nächste Gruppe aus Mannheimer

Schülern den Saal. Nicht nur musikalisches Talent, sondern auch eine schnelle Auffassungsgabe waren bei der Auswahl der

Nachwuchsschlagzeuger für die „autosymphonic“ gefragt. In sieben Castings an verschiedenen Mannheimer Schulen wählten

Professor Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg, der Komponist

der „autosymphonic“, Marios Joannou Elia, sowie Dozenten und Absolventen der Popakademie die Teilnehmer aus.

In die „autosymphonic“, die anlässlich des 125. Geburtstags des Automobils am 10. September 2011 in Mannheim uraufgeführt wird, bindet der Komponist Elia Geräusche von 80 Autos ein: Durch das Auf- und Zuschlagen von Autotüren, den Einsatz von Motor und Scheibenwischern entstehen Klänge, die zusammen mit Orchester und Chor einen sinfonischen Dreiklang bilden. Das „Spielen“ der Autos werden 120 Mannheimer Jugendliche übernehmen, die im September in verschiedenen Castings ausge-wählt wurden. Sie erhalten jetzt ein Jahr lang kostenlos einmal wöchentlich 90 Minuten Percussion-Unterricht von Dozenten der Popakademie.

Schlagzeugunterricht schult auch persönliche Entwicklung

Der Unterricht bereitet die Jugendlichen nicht nur auf die „autosymphonic“ vor. Sie profitieren auch anschließend davon: „Junge Menschen, die ein Instrument erlernen, noch dazu ein so komplexes wie Schlagzeug, schulen nicht nur ihre musikalischen Fähigkeiten. Es unterstützt sie auch in ihrer persönlichen Entwicklung“, betonte Dahmen. Er war von den Castings begeistert: „Alle Bewerber waren extrem interessiert und hoch motiviert.“ Ihm obliegt Leitung, Planung, Organi-sation und Durchführung des Percussionprojekts. Die Idee, Mannheimer Kinder und Jugendliche einzubinden, war von Anfang an Teil des „autosymphonic“-Konzepts der Kongress- und Eventagentur m:con.

Absolut außergewöhnlich: Autos als Musikinstrumente

Das Ziel des intensiven Percussionunterrichts: „Wir wollen einen hohen Präzisionsgrad im Zusammenspiel erreichen“, sagt Dahmen. Kurz vor der Aufführung werden die jungen Musiker Schlagzeug und Trommel gegen Autos tauschen: „Es wird ein einzigartiges Ereignis für die Jugendlichen werden, ebenso wie für alle Beteiligten und das Publikum.“ Die außergewöhnliche Idee, Autos als Musikinstrumente einzusetzen, gaben auch viele Teilnehmer des ersten Castings als Bewerbungsgrund an: „Mit einem Auto Musik machen, das ist einfach toll.“ (epi)

Der Komponist Marios Joannou Elia wählt die Autos, die von den Schülern „gespielt“ werden, in Castings selbst aus.

den podcast zum artikel finden Sie im Online-Magazin www.mcon-visions.de unter dem Webcode: 131063

seite 63

November 2010 M:COn

Page 64: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

M:COn

News News News

n „Golfen gegen krebs“ war das Motto der vierten auf-lage von „m:con goes Golf“, das im Sommer auf dem platz des Golf Clubs St. leon-Rot stattfand. 120 teilnehmer genossen das gute Wetter – darunter die Schirmherren, „tatort“-kommissar klaus J. Behrendt und der trainer der adler Mannheim, harold kreis.

Alle Einkünfte gingen an ein

Krebsforschungsprojekt der Uni-

versitätsmedizin Mannheim. Pro-

fessor Horst Schroten und Dr. Mat-

thias Dürken suchen einen Weg,

Neuroblastome, eine bei Kindern

häufig auftretende und besonders

gefährliche Form von Krebs, wirk-

sam zu bekämpfen. Die Gesamter-

löse von 30.000 Euro, darunter

Einzelspenden von m:con und

der Dietmar-Hopp-Stiftung über

je 5.000 Euro und eine über 2.000

Euro der Familie Fuchs, bringen

das Projekt wirklich voran. Michel

Maugé, Geschäftsführer m:con –

mannheim congress GmbH, möch-

te das Vorhaben in Zukunft weiter

fördern. Von der Idee waren auch

Klaus J. Behrendt und Harold Kreis

begeistert. Der Fernsehkommissar

möchte im Team des „Tatorts“ Mit-

streiter gewinnen (http://www.

mcon-mannheim.de/de/mcon-

goes-Golf-2010.htm).

n Iglus, Eiszapfen und dazu die größte mobile Schlitt-schuhbahn deutschlands – so präsentiert sich der Vor-platz des Congress Center Rosengarten vom 6. dezem-ber 2010 bis zum 7. Januar 2011. auf 1.000 Quadratme-tern erstreckt sich die Eis-lauffläche, die vom Vorplatz bis weit in den lichthof des Rosengartens hineinreicht.

Der „Winterzauber“ ist täg-

lich von 11 bis 21 Uhr geöffnet.

Auch bei schlechtem Wetter sind

dem Laufvergnügen keine Gren-

zen gesetzt, denn der Rosengar-

ten bietet auch eine Indoorbahn.

Für Unternehmen besteht die

Möglichkeit, etwa mit Eishockey-

zielschießen oder einer spektaku-

lären Ice-Show, ihren Jahresab-

schluss zu feiern. Auch für Schu-

len gibt es spezielle Programme.

Für das leibliche Wohl sorgt das

Dorint Kongresshotel. Der „Win-

terzauber“ wird unterstützt von

der MVV Energie AG, Odenwald

Quelle, SCA Hygiene Products SE,

Grimminger und dem Mannhei-

mer Morgen (http://www.win-

terzauber-rosengarten.de).

www.mcon-visions.de Webcode: 131064

seite 64

EventTickerKultur im Congress Center Rosengarten

n  22./27. Dezember 2010tschaikowskys klassiker „der nussknacker“ mit dem St. petersburger Grand BalletDie Verbindung aus naivem Märchen und den Auftritten hochka-rätiger Stars aus der Petersburger Talentschmiede bescheren einen unvergesslichen Kunstgenuss.

n  29. Dezember 2010/13. Januar 2011„das phantom der Oper“ – neuinszenierung mit deborah SassonMit mehr als zehn Millionen Zuschauern ist „Das Phantom der Oper“ das erfolgreichste Musical aller Zeiten. Mit Deborah Sasson in der Hauptrolle der Christine kehrt das Musical in die Region zurück.

n  30. Dezember 2010der Chinesische nationalzirkus – „Im Zeichen des panda“Spektakuläre Akrobatik Chinas bester Akrobaten, poetische Einblicke

in die Mythologie Chinas und Wissens-wertes sowie Unterhaltendes über den Panda lassen auch in dieser Saison die Erfolgsgeschichte fortfahren.

n  14./15. Januar 2011thriller live – die Show über den king of pop!

Die weltweit gefragte Show aus London macht die größten Hits und den unver-wechselbaren Tanzstil Michael Jacksons live auf der Bühne erlebbar.

n  28. Januar 2011nIGht OF thE danCE – tanzshowDie schönsten Tanz- und Akrobatikszenen im Stile von Riverdance, SWAN LAKE, Dirty Dancing, LORD OF THE DANCE, Stomp, GREASE und ganz NEU dabei Tanzchoreografien im Stile von dem „King of Pop“ Michael Jackson.

n  8. März 2011hermann van VeenClown, Kabarettist, Komponist – der niederländische Ausnahme-künstler Hermann van Veen verzaubert bei dem Chanson-Abend mit Gitarrenbegleitung sein Publikum durch geniale Wortakrobatik und einzigartige rhetorische Magie.

n  13. April 2011the ten tenors Sie sind Opernsänger und Popstars, Rock ’n’ Roller, Entertainer und

Varietékünstler. Die Show des australischen Vokal-Ensembles verbindet anspruchsvolle Arien und mitreißende Rock- und Popklassi-ker zu einem einzigartigen Live-Erlebnis.

Page 65: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

M:COn

News News

IMPRESSUM

m:convisionsDas m:con-Magazin für die Kongress-Branche

Herausgeberm:con – mannheim:congress GmbHRosengartenplatz 2, 68161 MannheimTelefon +49.621.4106-0, Telefax +49.621.4106-200www.mcon-mannheim.de

RedaktionPublik. Agentur für Kommunikation GmbHRheinuferstraße 967061 LudwigshafenTelefon +49.621.963600-0, Telefax +49.621.963600-50www.agentur-publik.de

Ulrich Erler (ue), Saskia Höhne (sah), Carola Kappe (cka), Roman Kopf (m:con), Michel Maugé (m:con), Dr. Eva Pinter (epi) (verantwortlich), Bernhard Schenk (bs), Kristina Sievers (ks),

Fotosanja koehler/andereart.de; Ausstellung: Milla & Partner/Architektur: Schmidhuber + Kaindl; Michael Bader; BB Promotion; Berlin ICC /Rainer Kiedrowski; BMBF; Norbert Bolz /TU Berlin; Sven Bratulic, m:con; Dorint Kongresshotel Mannheim; dpa; dpa – Report; Frankfurter Allgemeine Zeitung, Scholz & Friends, Fotograf: Hans Starck; Prof. de Haan; Prof. Dr. Peter A. Henning; Anne Höweler; Fichtner/DIW Berlin; Stefan Luppold; Hamish McRae; Messe Wien; Dr. Marius Müller, m:con; Eduardo Perez, m:con; Doris Pfiffner/SAP AG; picture alliance/dpa; picture-alliance/ ZB; Markus Proßwitz, weihnachtsmarkt-mannheim.de; Wolfram Scheible/SAP AG; Stefan Solf; Wickimedia Commons; ZB – Fotoreport

Konzeption & GestaltungM.A.D. Kommunikation GmbHFrankfurter Straße 121, 63067 Offenbach /MainTelefon +49.69.82998-0, Telefax +49.69.82998-11www.mad-kommunikation.de

ArtdirektionMichael Hoffmeyer

DruckE&B wdw Gustav-Throm-Straße 169181 Leimen-St.Ilgenwww.wdwdruck.de

Verantwortlich: Michel Maugé (m:con)

Ausgabe 13/November 2010. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.

n m:con hat eine Best-pri-ce-Vereinbarung mit der Mannheimer hotellerie abgeschlossen. Veranstal-ter und teilnehmer der kon-gresse im Rosengarten pro-fitieren künftig von hotel-zimmern zu Sonderkonditi-onen. die Rahmenvereinba-rung umfasst 15 hotels aus Mannheim und der Region, die dem Verein hotel2 ange-schlossen sind.

Für jeden Kongress, der im

Congress Center Rosengarten in

Mannheim stattfindet, reser-

viert m:con ein Kontingent an

Zimmern verschiedener Katego-

rien. Teilnehmern und Veran-

staltern wird der Tagesbestpreis

garantiert. Je früher man bucht,

desto preiswerter wird es. Die

Preise für ein Einzelzimmer rei-

chen, abhängig von Hotel und

Buchungstermin, von 50 Euro

pro Nacht im 2-Sterne-Hotel bis

hin zu 200 Euro im 4-Sterne-

Haus. Bei der Reservierung über

die Kongresshomepage müssen

die Teilnehmer lediglich einen

Code eingeben, um den verein-

barten Sonderpreis zu erhalten.

Abgewickelt wird die Online-

Buchung über Nethotels. m:con

bietet damit ein in Deutschland

derzeit einzigartiges Angebot

(http://www.mcon-mannheim.

de/de/News.asp).

n die Vereinten nationen haben die Mitgliedschaft von m:con im Global Com-pact verlängert. die aktuell veröffentlichte Fortschritts-mitteilung wurde von der

new Yorker Organisation anerkannt. die unO wür-digt damit das soziale und ökologische Engagement von m:con.

Das Congress Center Rosen-

garten ist 2004 als erstes und

bislang einziges Kongresszent-

rum Deutschlands dem Global

Compact beigetreten. m:con ver-

pflichtet sich, Menschenrech-

te, Umweltschutz, Arbeitsrecht

und Schutz vor Korruption bei

allen unternehmerischen Hand-

lungen und Entscheidungen

zu beachten und voranzutrei-

ben. Die Personalpolitik setzt

sich gegen Diskriminierung bei

Anstellung und Beschäftigung

ein. Auch achtet m:con etwa auf

die Installation moderner Käl-

tetechnik und energiesparen-

der Leuchtmittel. (http://www.

rosengarten-mannheim.de/de/

Green-Meeting.htm).

n Bessere Übersichtlichkeit, leichtere Bedienbarkeit und mehr multimediale Inhalte – die Website des Congress Centers Rosengarten zeigt sich ab sofort schlanker und moderner.

Die neue Site bietet auf den

ersten Blick Informationen

über das Haus, Veranstaltungen

sowie das Wichtigste für Gäste

und Veranstalter. Viele mediale

Inhalte, wie Videos und Web 2.0

Applikationen, sind implemen-

tiert und geben dem Besucher

einen plastischen Eindruck von

der Attraktivität des Rosengar-

tens. Der „virtuelle Rosengarten“

präsentiert sich ebenfalls opti-

miert. Der Rundgang per Maus-

klick durch das Congress Center

lädt schneller, hat eine bessere

Menüführung und ein überarbei-

tetes Präsentations- und Anfra-

getool. Weitere Informationen

unter: http://www.rosengarten-

mannheim.de.

n kultur und Wein haut-nah erlebten die Gäste des m:con kundenevents im Oktober. Bei exklusiv für die Gruppe organisierten kultu-rellen highlights im theater des pfalzbaus und erlebnis-reichen Stunden in den Wein-bergen zeigte sich die pfalz von ihrer besten Seite.

Nach einem spannenden

Abend mit Blick hinter die Thea-

terkulissen des Pfalzbaus ging es

am nächsten Tag mit dem Planwa-

gen in die Pfälzer Weinberge. Bei

einer Weinlese mit einem Winzer

und einer Wein olympiade lern-

ten die Teilnehmer viel Wissens-

wertes über Weine. Genussvoller

Ausklang war eine Weinverkos-

tung am Abend.

www.mcon-visions.de Webcode: 131065

seite 65

November 2010

Page 66: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

SChluSSpunkt

seite 66

Der Countdown läuft: In 500 Millionen Jahren wird die Erde nicht mehr bewohnbar sein. Liegt unsere Zukunft im All?

2011 feiert die Menschheit ein großes Jubiläum: 50 Jahre bemannte Raumfahrt. Der Weltraum ist innerhalb dieser fünf

Jahrzehnte Forschungslabor und Arbeitsplatz geworden. Inzwischen haben wir uns sogar ein extraterrestrisches Wohnzimmer

eingerichtet: Die Internationale Raumstation ISS verfügt über ein Wohnmodul, in dem die Astronauten leben. Zum lauschi-

gen Zuhause für die Menschheit wird der Kosmos dadurch noch lange nicht. Aber vielleicht hängen wir unser „Home sweet

home“-Türschild in ferner Zukunft tatsächlich im Weltall auf? m:convisions-Redakteurin Carola Kappe sprach mit dem früheren

Wissenschaftsastronauten Professor Ernst Messerschmid, der 1985 an Bord der Raumfähre Challenger ins All flog. Als einer von

insgesamt zehn Deutschen erlebte er die Schwerelosigkeit in den Weiten unseres Universums. Heute lehrt und forscht er am

Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart.

Wissenschaftler arbeiten an zahlreichen projekten, die die Menschheit näher an den Weltraum rücken soll. Fahren wir irgendwann mit dem Fahrstuhl zum all? Der Aufzug ins All ist eine spannende Idee, wird aber wahrscheinlich immer Stoff für Science-Fiction bleiben. Und zwar deswegen, weil wir ver-mutlich keine Werkstoffe und daraus keine Seile entwickeln können, die bei der erforderlichen Länge von einigen Hundert Kilometern nicht unter ihrem Eigengewicht reißen. Wir müssen es daher mit chemischen Reaktionen schaffen, schnell genug in den Weltraum zu kommen: Es bleiben genau acht Minuten, um die Umlaufbahn zu erreichen. Das gelingt nur mit Antrieb, das heißt mit gesteuerten Explosionen wie in Raketenmotoren. Dabei muss bei einer großen Rakete pro Sekunde eine schwimm-badfüllende Menge an hochexplosiven Treibstoffen umgesetzt werden – und das alleine ist schon eine Kunst.

Werden wir die Milchstraße eines tages verlassen? Nach den Gesetzen der Physik ist es grundsätzlich vorstellbar, zu ande-ren Sonnen zu fliegen. Aber wir werden vermutlich immer auf die Sonnen beschränkt bleiben, die es in unserer Galaxie gibt. Der Abstand zwischen unserer Galaxie, der Milchstraße, und anderen ist einfach zu groß. Dass die Menschheit ihren Heimat-planeten aber langfristig verlässt, ist durchaus vorstellbar. Wir haben uns ja auch innerhalb der relativ kurzen Zeit von drei Millionen Jahren vom Schimpansen zum Homo sapiens entwi-ckelt. So gesehen darf man in großen Zeiträumen spekulieren, solange man nicht im Gegensatz zur Physik oder Chemie steht.

Buchen wir denn beim Verlassen der Erde ein One-Way-ticket? Irgendwann einmal muss der Mensch tatsächlich auswandern. Nach 500 Millionen Jahren ist die Sonne mit ihrem Brennstoff am Ende. Sie wird dann noch einmal heißer, bevor sie endgültig erkaltet. Wenn wir bis dahin überlebt haben, müssen wir die

Erde verlassen – sonst war’s das mit der Menschheit. Eine kleine Episode in der langen Geschichte unseres Universums, das über 13 Milliarden Jahre alt ist.

Wären Sie gerne beim großen Erdexodus der Menschheit dabei? Das bloße Gedankenspiel finde ich schon reizvoll genug. Beson-ders spannend daran ist meiner Ansicht nach auch, dass sich offenbart, was in uns Menschen steckt: immer voranzugehen und weiterzumachen. Uns treibt die Neugier an herauszufinden, ob wir alleine sind oder ob es vielleicht noch andere intelligente Lebewesen gibt. Vielleicht können wir eines Tages sogar mit anderen erdähnlichen Planeten kommunizieren. Dann errei-chen uns intelligente Signale und wir wissen: Aha, das sind unsere Brüder oder Schwestern aus dem Universum. Dann wäre ich auch sehr neugierig, wie die wohl aussehen.

den podcast zum artikel finden Sie im Online-Magazin www.mcon-visions.de unter dem Webcode: 131066

November 2010

Page 67: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

Der neue Pfalzbau.Mit einer Vielseitigkeit, die Sie begeistern wird.

Herzklopfen. Spannung. Schönheit: Der Pfalzbau verkörpert alles, was Sie sich vorstellen

können. Aus der Mitte der Pfalz tritt er an, die Eventlocation der Region zu werden.

Nach einer umfangreichen Generalsanierung präsentiert sich der Pfalzbau seit Septem-

ber 2009 in neuem Glanz: neue Räume, neue Technik, neue Ausstattung bis ins Detail

auf höchstem Niveau.

Theater, Kongresse und Konzerte – mit diesem Dreiklang wird der Pfalzbau künftig

neue Maßstäbe setzen. Als kulturelle Attraktion in der Region und als innovative

Location für Veranstaltungen aller Art. Diese Überschneidungen von Business

und Kultur schaffen einzigartige Möglichkeiten für eine erfolgreiche Vermarktung.

m:con hat dabei die Positionierung des Pfalzbaus im internationalen Kongressmarkt

übernommen. So wird der Pfalzbau einerseits zur Kongresslocation mit eigenen PCO –

und behält andererseits seinen Charme und seine Attraktivität für die Region Pfalz

und für das Land Rheinland-Pfalz.

Besuchen Sie uns unter

www.ludwigshafen-pfalzbau.de

oder rufen Sie uns an:

+49 (0)621 4106-123 /-125.

KongresseMessenTagungen Theater

Konzerte

Organisation TechnikRahmenprogramm

Tagungspauschale;gebucht, getagt!Kurzfristig, flexibel und planbar. Wir stellen Ihnen

den Tagungsraum inklusive Beamer und Tontechnik

zur Verfügung. Für das leibliche Wohl Ihrer Teilnehmer

wird bestens gesorgt:

Alles inklusive für49,-pro Person inkl. gesetzl. MwSt.

Page 68: m:con visions Ausgabe 13 November 2010

125 Jahre Automobil in Mannheim

10. September 2011 20 Uhr Friedrichsplatz Mannheim

Welturaufführung der Multimedia-Sinfonie autosymphonic für großes Orchester, 80 Automobile, Chor und Percussion von Marios Joannou Elia (Komposition) und Horst Hamann (Inszenierung)

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, SWR Vokalensemble Stuttgart, Popakademie Baden-Württemberg

Söhne Mannheims

Ticket Hotline +49 (0)621 10 10 11 www.autosymphonic.de

autosymphonic