Mechanik 1

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  • Institute ofApplied MechanicsInstitut fr Baumechanik

    Manusskript zur Vorlesung

    Mechanik B1 Statik

    (WS 2007/2008)

    Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin SchanzTechnische Universitt Graz

    Institut fr BaumechanikTechnikerstrae 4

    8010 Graz

  • VORWORT

    Dieses Skript zur Vorlesung Mechanik B1 richtet sich an Studentinnen und Studenten der Stu-dienrichtung Bauingenieurwissenschaften. Es soll als Begleitung zur Vorlesung dienen, und istnicht als Ersatz fr ein Lehrbuch gedacht. Die Vorlesung und auch die dazugehrige bung sindohne weitere Literatur zu verstehen. Allerdings ist es fr ein vertieftes Verstndnis zu empfeh-len weiterfhrende Bcher zum Thema, die meistens mit Technische Mechanik I oder hnlichenTiteln versehen sind, vorlesendbegleitend zu studieren (z.B. [2, 1, 7, 4]).

    Die Vorlesung orientiert sich im Wesentlichen an dem weit verbreiteten Lehrbuch TechnischeMechanik, Band 1: Statik [2]. Im Detail ist sie der Vorlesung Technische Mechanik I von Pro-fessor Wauer an der Universitt Karlsruhe nachempfunden.

    Das vorliegende Skript ist nach der Vorlesung im WS 2006/07 korrigiert und mit einem Indexversehen worden. Es sind hoffentlich die meisten Fehler beseitigt. Da es jedoch nicht auszu-schlieen ist, dass etwas bersehen wurde, mchte ich die Studenten bitten Tippfehler oderUnklarheiten mir mitzuteilen.

    Die Mechanik ist als Teilgebiet der Physik die Lehre von der Bewegung von Krpern und ihremVerhalten unter dem Einfluss von Krften. Hierzu gehren auch die Grenzflle wie z.B. Krperohne Krafteinwirkung oder Krper im Zustand relativer Ruhe. Die Einteilung der Mechanikkann nach unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen. Eine Einteilung orientiert sich an derBeschaffenheit des zu berechnenden Krpers.

    Die Vorlesungen im Bachelor-Studium der Bauingenieurwissenschaften sind:

    Mechanik B1 - Statik (starre Krper) Mechanik B2 - Festigkeitslehre (elastische Krper) Mechanik B3 - Dynamik (Bewegung elastischer Krper) Hydromechanik und Hydraulik (Flssigkeiten)

    Graz, im Herbst 2007 Martin Schanz

  • INHALTSVERZEICHNIS

    1 Grundbegriffe 1

    1.1 Kraftbegriff und Vektordarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    1.2 Messung und mastbliche Darstellung von Krften . . . . . . . . . . . . . . . 2

    1.3 Charakterisierung von Krften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    2 Krfte am Punkt 7

    2.1 Das Parallelogrammaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    2.2 Der Gleichgewichtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    2.3 Ebene Krftegruppen am Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    2.3.1 Zusammensetzung und Zerlegung: Resultierende . . . . . . . . . . . . 9

    2.3.2 quivalenz und Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    2.4 Rumliche Krftegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern 15

    3.1 Ebene Krftegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    3.1.1 Krftepaar und Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    3.1.2 Moment einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    3.1.3 quivalenz und Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

    3.2 Allgemeine Krftegruppen im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    3.2.1 Der Momentenvektor im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    3.2.2 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    i

  • 4 Schwerpunkt 29

    4.1 Kraftmittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    4.2 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    4.3 Flchenschwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

    4.3.1 Rechnerische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

    4.3.2 Hilfsstze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

    5 Lagerreaktionen 41

    5.1 Ebene Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    5.1.1 Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    5.1.2 Statische Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    5.1.3 Berechnung der Lagerreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

    5.2 Rumliche Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

    5.3 Mehrteilige Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

    6 Innere Krfte in Tragwerken 53

    6.1 Balken und Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    6.1.1 Schnittgren in der Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    6.1.2 Berechnung und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

    6.1.3 Streckenlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

    6.1.4 Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgren . . . . . . . . . 60

    6.1.5 Schnittgrenbestimmung bei unstetiger Belastung . . . . . . . . . . . 62

    6.1.6 Schnittgren bei Rahmen und Bgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

    6.1.7 Rumliche Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    6.2 Ebene Fachwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

    6.3 Seile und Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

    ii

  • 6.3.1 Grundlegende Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

    6.3.2 Beispiele: Konstante Streckenlast und Eigengewicht . . . . . . . . . . 74

    7 Theorie der Reibung 79

    7.1 Haftreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

    7.2 Gleitreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    7.3 Seilreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

    8 Arbeitsprinzipien 89

    8.1 Arbeitsbegriff und Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

    8.2 Prinzip der virtuellen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

    8.3 Ermittlung von Lagerreaktionen und Schnittkrften . . . . . . . . . . . . . . . 93

    8.4 Stabilitt einer Gleichgewichtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

    Literaturverzeichnis 105

    Index 107

    iii

  • iv

  • 1 GRUNDBEGRIFFE

    1.1 Kraftbegriff und Vektordarstellung

    Eine Kraftdefinition ist schwierig, da nur die Wirkung der Kraft zu sehen ist und nicht die Kraftselbst, z.B.

    die Gewichtskraft: Nur der Kraftaufwand (Muskelkraft) ist zu bemerken um z.B. eineMetallkugel festzuhalten

    eine Last auf einem Trger: Nur die Verformung, die Durchbiegung des Trgers ist zuerkennen.

    Krfte haben drei Eigenschaften (siehe Bild 1.1)

    den Betrag (Gre), die Richtung (dargestellt durch die Wirkungslinie) und den Angriffspunkt.

    Angriffspunkt Wirkungslinie

    Betrag

    Bild 1.1: Darstellung der Kraft als Vektor

    Die Darstellung solcher Gren erfolgt mit Vektoren. Es gibt zwei Arten von Vektoren

    1. linienflchtige Vektoren = verschiebbar entlang der Wirkungslinie, z.B. Starrer KrperWirkungslinie

    2. freie Vektoren = beliebig parallel verschiebbare Vektoren

    1

  • 2 1 Grundbegriffe

    F= Fxex+Fyey+Fzez= F1e1+F2e2+F3e3

    =3

    i=1

    FieiF

    ex

    eyez

    Fx

    Fy

    Fz

    x

    y

    z

    ei Einheitsvektor

    Bild 1.2: Graphische und mathematische Darstellung eines Vektors im kartesischen Koordina-tensystem

    Die Darstellung eines Vektors F1 erfolgt in einem kartesischen Koordinatensystem wie in Bild 1.2dargestellt ist. Der Vektor wird entweder mit den Koordinaten Fx,Fy und Fz oder mit denin der Kontinuumsmechanik blichen Darstellung F1,F2 und F3 formuliert. Dabei sind diedrei Raumrichtungen entweder x,y und z oder x1,x2 und x3. Der Betrag des Vektors ist |F| =

    F2x +F2y +F2z 0. Hufig werden Vektoren im kartesischen Koordinatensystem in Spalten-schreibweise

    F=

    Fx

    Fy

    Fz

    =

    F1

    F2

    F3

    (1.1)dargestellt.

    1.2 Messung und mastbliche Darstellung von Krften

    Die zahlenmige Festlegung des Betrages der Kraft (Skalar) erfolgt durch eine Messung, z.B.Federwage. Als Einheit wird das internationale SI-System benutzt. Dabei gibt es die

    Basisgren: Masse, Lnge, Zeit mit den Basiseinheiten: kg, m, s

    Die Kraft selbst ist eine abgeleitete Gre F = Masse Beschleunigung und wird in New-ton [N] (keine Basiseinheit) gemessen [kg ms2 = N]. Die graphische Darstellung erfolgt wie im

    1Im Folgenden werden fett gedruckte Buchstaben als Symbole fr Vektoren und Tensoren benutzt.

  • 1.3 Charakterisierung von Krften 3

    Bild 1.2 fr einen beliebigen Vektor gezeigt durch Pfeile (Vektoren) deren Lnge dem Betragentspricht. Dabei ist ein Mastab einzuhalten.

    Wirkliche physikalische Gre = Mastabsfaktor dargestellter StreckeF = mF Mastab in Skizze

    Anmerkung:

    1. Oft werden Vielfache der Einheit der physikalischen Gren benutzt, z.B. kN Kilo-Newton != 103 N; oder 1 GPa = 109 Nm2 .

    2. Eine Dimensionsanalyse eignet sich als grobe Fehlerkontrolle.

    1.3 Charakterisierung von Krften

    In den vorherigen Kapitel wurde die Darstellung und die mathematische Formulierung vonKrften als Vektoren vorgestellt. Dies entsprach einer Kraft die genau in einem Punkt in einebestimmte Richtung wirkt. In der Realitt existieren jedoch keine punktfrmigen Krfte. Es gibteigentlich nur

    rumliche Krfte: so genannte Volumenkrfte, z.B. die GewichtskraftDimension:

    KraftVolumen

    =Nm3

    , oder

    ebene (flchige) Krfte: so-genannte Flchenkrfte (Spannungen), z.B. der Wasserdruckauf eine Staumauer

    Dimension:Kraft

    Flche=

    Nm2

    In der Mechanik werden hufig zwei Idealisierungen, nmlich linienfrmige Krfte und Punkt-lasten verwendet. Das sind im einzelnen

    so-genannte StreckenlastenDimension:

    KraftLnge

    =Nm

    und so-genannte EinzelkrfteDimension: Kraft = N

  • 4 1 Grundbegriffe

    All diese Krfte sind Vektoren, und beziehen sich jeweils nur auf eine andere Bezugsflche(bei der Einzelkraft ist dies ein Punkt). Sie sind im allgemeinen gebundene Vektoren, d.h. esist entscheidend wo die Kraft angreift, z.B. die ringfrmige Luftblase in Bild 1.3 verformt sichunter Zug oder Druck unterschiedlich.

    (a) Drucklast (b) Zuglast

    Bild 1.3: Beispiel fr einen gebundenen Vektor: Luftblase unter Zug oder Druck

    Fhrt man jedoch die Idealisierung eines Starrkrpers ein, dann ist die Kraft ein linienflchtigerVektor (Verschiebungsaxiom).

    Starrkrper

    Als Starrkrper (oder als starrer Krper) bezeichnet man einen Krper, der unter der Wir-kung von Krften keine Deformation erfhrt, d.h. die gegenseitigen Abstnde beliebigerKrperpunkte bleiben immer gleich.

    Dies ist beispielhaft an einem starren Ring (siehe Bild 1.4) demonstriert.

    (a) Drucklast (b) Zuglast

    Bild 1.4: Beispiel fr einen linienflchtigen Vektor: Starrer Ring unter Zug und Druck

    Im Gegensatz zur Luftblase aus dem vorherigen Beispiel resultiert die gleiche Verschiebungunabhngig ob der Ring auf Zug oder Druck belastet wird.

    Wird die Kraft nicht auf der Wirkungslinie sondern parallel dazu verschoben, dann ndert sichihre Wirkung wesentlich. Dies ist deutlich z.B. am Jonglieren eines Quaders (siehe Bild 1.5) zuerkennen.

  • 1.3 Charakterisierung von Krften 5

    G

    (a) o.k.

    G

    (b) Kippt

    Bild 1.5: Verschiebung einer Kraft parallel zu ihrer Wirkungslinie: Jonglieren eines Quaders

    Eine Einteilung von Krften in innere und uere Krfte ist hufig zweckmig

    uere Krfte wirken von auen auf ein mechanisches System ein. Dies knnen sein

    vorgegebene physikalische Lasten (eingeprgte Krfte)

    Reaktionskrfte (Zwangskrfte)

    Innere Krfte wirken zwischen den einzelnen Teilen eines Gesamtsystems

    Zum Sichtbarmachen (und hinterher Berechnen) von Reaktionskrften gilt das so-genannte La-grangesches Schnittprinzip

    Lagrangesches Schnittprinzip

    Ein Krper wird gedankliches von seinen Bindungen (Lagern) befreit oder in Teilsystemezerschnitten. Dies wird Freischnitt genannt. Im Schnitt mssen Krfte eingezeichnet wer-den, so dass sich das betreffende Teilsystem so verhlt wie vorher das Gesamtsystem.

    In Verbindung mit dem Schnittprinzip ist das so-genannte Wechselwirkungsgesetz wichtig

    Wechselwirkungsgesetz (3. Newtonsche Axiom)

    Krfte treten stets paarweise auf. Jede Kraft hat eine Gegenkraft von gleichem Betrag, glei-cher Wirkungslinie aber entgegengesetzter Richtung,

    actio = reactio.

    Dieses Prinzip stellt das dritte Newtonsche Axiom dar. Es kann am Beispiel einer Kugel aufeiner Ebene wie in Bild 1.6 dargestellt veranschaulicht werden.

  • 6 1 Grundbegriffe

    G

    (a) Gesamtsystem

    G

    N

    N

    (b) Einzelsysteme

    Bild 1.6: Veranschaulichung von actio = reactio an einer Kugel auf einer ebenen Flche

    In Bild 1.6 ist zum einen das Gesamtsystem mit der Belastung durch G dargestellt. Zum anderendas entsprechend freigeschnittene System, bei welchem am Krper eine Kraft N angebrachtwurde, und an der Ebene die gleiche Kraft N aber mit entgegengesetzter Richtung. Setzt mandie Einzelsysteme wieder zusammen, so verschwindet die Kraft aus dem Freischnitt.

    Ein weiterer Begriff wird im Folgenden zur Charakterisierung von Lastfllen ntig.

    KraftsystemZusammengesetzt gemeinsam wirkende Einzelkrfte heien Kraftsystem. Dabei gibt es

    1. das zentrale Kraftsystem oder die zentrale Krftegruppe: alle Krfte besitzen einengemeinsamen Angriffspunkt

    2. das allgemeine Kraftsystem.

    Bei beiden gibt es sowohl rumliche als auch ebene Beispiele (alle Krfte befinden sich in einerEbene). quivalente Kraftsysteme ben auf (starre) Krper die gleiche Wirkung aus.

  • 2 KRFTE AM PUNKT

    Es werden hier zentrale Krftegruppen untersucht. Im Falle eines starren Krpers ist es ausrei-chend, dass sich die Wirkungslinien der Krfte in einem Punkt schneiden, da in diesem Fall dieKraft ja ein linienflchtiger Vektor ist.

    2.1 Das Parallelogrammaxiom

    Aus der Erfahrung ist das folgende Axiom begrndet

    Zusammensetzung zweier Krfte mit gemeinsamen Angriffspunkt

    Zwei an einen Punkt angreifende Krfte F1 und F2 sind gleichwertig einer einzelnen, derresultierenden Kraft F, die sich aus der Diagonalen des Krfteparallelogramms ergibt.

    Die resultierende Kraft entspricht geometrisch der Vektoraddition F= F1+F2. Die graphischeDarstellung (siehe Bild 2.1) erfolgt im

    Lageplan: kennzeichnet Angriffspunkt und Richtung, und im

    Krfteplan: Darstellung der mastblichen Vektoren, aber anstatt des vollstndigen Paralle-logramms werden meist nur die Kraftdreiecke zur Bestimmung von F gezeichnet.

    O F1

    F2

    Lageplan Krfteplan

    F

    F1

    F2

    Bild 2.1: Graphische Darstellung der Krfteaddition im Lage- und Krfteplan

    7

  • 8 2 Krfte am Punkt

    Lageplan

    F

    Krfteplan1. Mglichkeit

    F

    F1

    F2

    2. Mglichkeit

    F

    F1

    F2

    Bild 2.2: Nicht eindeutige Zerlegung einer Kraft in zwei Richtungen

    Offenbar gilt F1 +F2 = F2 +F1 = F. Die Umkehrung der Fragestellung, also die Zerlegungeiner Kraft in zwei gegebene Richtungen ist nicht eindeutig. Dieser Sachverhalt ist in Bild 2.2dargestellt. Je nachdem in welcher Reihenfolge man die einzelnen Richtungen whlt, erhlt maneinen anderen Krfteplan. Dies ist aus dem Kommutativgesetz der Vektoraddition erklrbar,da ja gilt F = F1 +F2 = F2 +F1. Dies bedeutet, dass die Reihenfolge unwesentlich ist. EineZerlegung einer Kraft in drei Richtungen ist berhaupt nicht mehr eindeutig mglich, da indiesem Fall nicht nur die Reihenfolge sich unterscheidet, sondern auch noch die Gre, alsoder Betrag der Krfte (siehe Kapitel 2.3.1).

    Zerlegt man eine Kraft in die Richtung der Achsen des Koordinatensystems ex,ey und ez, dannspricht man hufig von den Komponenten Fx = Fxex,Fy = Fyey und Fz = Fzez.

    2.2 Der Gleichgewichtsbegriff

    Zu Beginn sollen hier nur Krfte an einem Massenpunkt betrachtet werden. Dadurch greifenalle Krfte an einem Punkt an und entsprechend gehen die Wirkungslinien aller Krfte ebenfallsdurch diesen Punkt. Damit sind Krfte die an einem Punkt angreifen automatisch ein zentralesKraftsystem. Fr einen Punkt kann ein Gleichgewichtssystem definiert werden

    GleichgewichtssystemBleibt ein Krper unter Einwirkung eines zentralen Kraftsystems in Ruhe (oder im Zustandgleichfrmiger Bewegung), so bilden die angreifenden Krfte ein Gleichgewichtssystem.

    Ob solch ein zentrales Kraftsystem existiert, ist aus der Erfahrung zu beantworten. Fr zweiKrfte gilt

    Gleichgewicht von zwei KrftenEin zentrales Kraftsystem bestehend aus zwei Krften ist ein Gleichgewichtssystem, wennbeide auf der gleichen Wirkungslinie liegen, gleich groe Betrge besitzen und in die entge-gengesetzte Richtung zeigen.

  • 2.3 Ebene Krftegruppen am Punkt 9

    F1

    F2

    (a) Gleichgewichtssystem

    R

    H F1

    F2

    (b) Resultierende im Gleichgewicht

    Bild 2.3: Gleichgewichtssystem fr zwei oder mehr Krfte

    Hat man also zwei gleich groe Krfte mit entgegengesetzter Richtung an einem Punkt, d.h.F1 = F2, bilden diese ein Gleichgewichtssystem (siehe Bild 2.3(a)). Greifen mehr als zweiKrfte an einem System an (siehe Bild 2.3(b)), so wird eine Resultierende gebildet, z.B. beizwei Krften F1+F2 =R. Die zur Kraft R entgegengesetzt gerichtete Kraft H, mit R+H 0,vervollstndigt das System zu einem Gleichgewichtssystem.

    Wenn die resultierende Kraft verschwindet, so kann sich ein System nicht bewegen oder seinekontinuierliche Bewegung verndern.

    Folgerung aus dem GleichgewichtEin Krper bleibt in Ruhe unter Einwirkung eines Kraftsystems dessen Resultierende ver-schwindet, wenn er vorher in Ruhe war.

    2.3 Ebene Krftegruppen am Punkt

    2.3.1 Zusammensetzung und Zerlegung: Resultierende

    Bei der Definition des Gleichgewichtsbegriffes im vorherigen Kapitel wurde der Begriff der Re-sultierenden schon benutzt. Wenn Krfte an einen Punkt angreifen, dann knnen diese zu einerResultierenden zusammengefasst werden. Dies nennt man die Reduktion eines Kraftsystemsauf eine Einzelkraft. Die zeichnerische Lsung in Bild 2.4 zeigt das prinzipielle Vorgehen.Im ersten Schritt werden zwei willkrlich ausgesuchte Krfte zusammengefasst, d.h. es wirdF1+F2 = F12 gebildet. In den nchsten Schritten werden dann immer wieder zwei Krfte, dieTeilresultierende aus dem letzten Schritt und eine weitere Kraft, zu einer zusammengefasst. DasResultat fr n Krfte ist die Vektorsumme

    F= F1+F2+F3+F4+ . . .=n

    i=1

    Fi . (2.1)

    Die Zwischenresultierenden knnen auch weggelassen werden. Die einzelnen Krfte werdenals Kette einfach zusammengefgt. Dabei ist natrlich auf die Richtung zu achten. Die Ver-

  • 10 2 Krfte am Punkt

    Lageplan Krfteplan

    F3

    F4F1

    F2

    F

    F1

    F2

    F3F4

    F1F2

    F12

    F3

    F12

    F123

    F

    F4F123

    Bild 2.4: Resultierende von mehr als zwei Krften

    bindung der letzten Pfeilspitze mit dem Ursprung ergibt dann die Resultierende. Ebenso kanndie Reihenfolge vertauscht werden, da ja das Kommutativgesetz bei der Vektoraddition gilt.

    Die Zerlegung einer Resultierenden in mehr als zwei Einzelkrfte ist nicht eindeutig mglich.Dies ist am Beispiel von einer Resultierenden die in drei Richtungen (r1,r2 und r3), und damitin drei Krfte zerlegt werden soll in Bild 2.5 exemplarisch gezeigt. Es ist in Bild 2.5 deutlich

    Lageplan

    F

    r1

    r2

    r3

    Krfteplan

    F

    Bild 2.5: Zerlegung von einer Kraft in drei Richtungen

    zu erkennen, dass es beliebig viele Mglichkeiten gibt, eine Kraftkette zu erzeugen, die alsResultierende F besitzt.

    Die rechnerische Lsung erfolgt ber die Zerlegung in die Koordinatenrichtungen. Dazu musszuerst ein Koordinatensystem eingefhrt werden (siehe Bild 2.6). Die Zerlegung der Kraft imKoordinatensystem aus Bild 2.6 ergibt

    F1 = F1xex+F1yey . (2.2)

    Jetzt kann die Resultierende mit den quivalenzsatz

    F=n

    i=1

    Fi =n

    i=1

    (Fixex+Fiyey) (2.3)

  • 2.3 Ebene Krftegruppen am Punkt 11

    x

    y

    F1F2

    F1xF2x

    F1yF2y

    1

    Koordinaten der Kraft

    F1x = F1 cos1 F1y = F1 sin1

    Betrag der Kraft

    F1 =

    F21x+F21y

    Bild 2.6: Zerlegung einer Kraft in seine Komponenten

    berechnet werden. Mit den Koordinaten der Resultierenden

    F= Fxex+Fyey (2.4)

    kann durch Koeffizientenvergleich das Gleichungssystem

    Fx =n

    i=1

    Fix =n

    i=1

    Fi cosi Fy =n

    i=1

    Fiy =n

    i=1

    Fi sini (2.5)

    aufgestellt werden. Damit ist die Resultierende berechenbar.

    2.3.2 quivalenz und Gleichgewicht

    Verallgemeinert man die quivalenzaussage von Krften, erhlt man die Aussage:

    quivalenz von zwei zentralen KraftsystemenZwei zentrale Kraftsysteme (Fi,Pi) sind dann quivalent, wenn sie die gleiche Resultie-rende besitzen.

    Damit kann das Gleichgewichtsaxiom fr zentrale Krftesysteme definiert werden

    Gleichgewicht von zentralen KrftesystemenEin zentrales KraftsystemFi ist dann ein Gleichgewichtssystem, wenn seine Resultierendeverschwindet

    F=n

    i=1

    Fi = 0 . (2.6)

    Aufbauend aus den berlegungen aus den vorherigen Kapitel kann dieses Gleichgewichtsaxi-om entweder zeichnerisch oder rechnerisch ausgewertet werden. Die zeichnerische Auswertung

  • 12 2 Krfte am Punkt

    F1

    F2F3

    F4

    Bild 2.7: Zeichnerische Auswertung des Gleichgewichts eines Kraftsystems

    entspricht einer geschlossenen Kraftkette wie es in Bild 2.7 exemplarisch fr vier Krfte darge-stellt ist. Dadurch dass die Kraftkette geschlossen ist, ist die Resultierende der Nullvektor. Diesist wiederum die Bedingung fr ein Kraftsystem das im Gleichgewicht ist.

    Die rechnerische Auswertung erfolgt mit den Mitteln der Vektorrechnung. Dies ergibt

    F=n

    i=1

    Fi = 0 Fx = 0 und Fy = 0

    n

    i=1

    Fix = 0n

    i=1

    Fiy = 0 .(2.7)

    Fr praxisrelevante Aufgaben sind (fast immer) innere Krfte und in der Folge Spannungengesucht, um Bauteile auszulegen. Dazu ist das Schnittprinzip (siehe Kapitel 1.3) wichtig. Amfolgenden Beispiel wird der Zusammenhang zwischen Schnittprinzip und Gleichgewicht deut-lich.

    BEISPIEL 2.3.1 : Laterne an 2 Pfhlen

    Es ist eine Laterne zwischen zwei starren Pfosten durch ein Seil gehalten (siehe Bild 2.8). Essind die Gewichtskraft G und die Winkel 1 und 2 gegeben. Gesucht sind die Seilkrfte.

    GO

    1

    2G

    OS1

    S2

    Freischnitt

    Bild 2.8: Laterne zwischen zwei Pfosten: Aufgabenstellung und Freischnitt

    Fr den Freischnitt wird die Annahme getroffen, dass die Seilkrfte Zugkrfte sind. Dies fhrtauf die Richtung der Krfte im Freischnitt. Es wird nun der Punkt O betrachtet, und dort dasGleichgewicht untersucht.

    Zuerst erfolgt die Auswertung zeichnerisch. Der Lage- und Krfteplan ist in Bild 2.9 dargestellt.Es ist vorab ein Mastab mF einzufhren um die Kraft G korrekt im Krfteplan anzutragen. Da-nach werden die Richtungen der Seile (1 und 2), also die Wirkungslinien der Seilkrfte, ausdem Lageplan durch Parallelverschiebung in den Krfteplan bertragen. Dabei muss beachtet

  • 2.3 Ebene Krftegruppen am Punkt 13

    Lageplan Krfteplan

    1

    2

    r1r2

    GS1

    S2

    r1

    r2

    Bild 2.9: Lage- und Krfteplan fr die zeichnerische Auswertung

    werden, dass die Kraftkette geschlossen wird, d.h. das Gleichgewicht erfllt wird. Damit kannim Krfteplan die Lnge und daraus der Betrag der Seilkrfte abgelesen werden. Dazu mussnatrlich abermals der Mastabsfaktor beachtet werden

    S1 = mF |S1| S2 = mF |S2| .

    Auch bei der rechnerischen Lsung muss eine Annahme ber Richtung der Schnittkrfte ge-troffen werden. Wie oben werden die Seilkrfte als Zugkraft angenommen. Als nchstes mussein Koordinatensystem fr die Rechnung eingefhrt werden. Zweckmigerweise wird der Ur-sprung des Koordinatensystems im Punkt 0 gewhlt. Danach werden die Vektoren aufgestellt(siehe Bild 2.10). Beachtet man dass 90 < 1 < 180 ist, erkennt man dass S1x = S1 cos1 < 0

    G

    S1 S212

    G= G

    01

    S1 = S1

    cos1sin1

    S2 = S2

    cos2sin2

    Bild 2.10: Koordinatensystem fr die rechnerische Auswertung

    und S1y = S1 sin1 > 0 gilt. Dabei ist zu beachten, dass S1 > 0 erfllt sein muss, was jedochimmer der Fall ist, da S1 =

    S21x+S

    21y > 0 gilt. Als nchster Schritt werden die Krfte in die

    Gleichgewichtsbedingung eingesetzt. Daraus resultieren die beiden Gleichungen

    3

    i=1

    Fix = 0+S1 cos1+S2 cos2

    3

    i=1

    Fiy =G+S1 sin1+S2 sin2 .

  • 14 2 Krfte am Punkt

    Dies sind zwei Gleichungen fr zwei Unbekannte S1 und S2, da die Winkeln 1 und 2 durchdie Geometrie der Aufgabenstellung gegeben ist. Die Lsung lautet

    S1 =G cos2sin(21) S2 = Gcos1

    sin(21) .

    Da sin(21)< 0 ergibt und cos1 < 0 gilt, ist sowohl S1 als auch S2 positiv. Damit ist dieAnnahme der Seilkrfte als Zugkrfte besttigt.

    2.4 Rumliche Krftegruppen

    Die Verallgemeinerung der ebenen Problemstellung der letzten Kapitel auf rumliche Krfte-gruppen ist mit der Zerlegung der Kraft in drei Komponenten

    F= Fxex+Fyey+Fzez (2.8)

    einfach mglich. Die Resultierende ist unverndert F = ni=1Fi. Jetzt ist nur die Bilanzierungber alle drei Koordinatenrichtungen ntig

    Fx =n

    i=1

    Fix Fy =n

    i=1

    Fiy Fz =n

    i=1

    Fiz . (2.9)

    Zur Erfllung des Gleichgewichts ist jetzt ebenfalls die Resultierende der Nullvektor. Damit giltim rumlichen Fall

    n

    i=1

    Fix = 0n

    i=1

    Fiy = 0n

    i=1

    Fiz = 0 , (2.10)

    d.h. die Summe in jede Koordinatenrichtung muss Null sein.

  • 3 ALLGEMEINE KRFTEGRUPPEN AN STARREN KRPERN

    Im Gegensatz zum vorherigen Kapitel sind nun die Krfte nicht mehr auf einen Punkt konzen-triert (oder deren Wirkungslinien haben einen Schnittpunkt), sondern knnen beliebig angeord-net sein. Die Annahme starrer Krper wird weiterhin aufrecht erhalten, da sie fr Gleichge-wichtsbetrachtungen meist zulssig und sinnvoll ist, solange die Formnderungen klein sind.Dies soll im Folgenden gelten.

    3.1 Ebene Krftegruppen

    Als Scheibe bezeichnet man ein flaches Gebilde, das sich nur in der ursprnglich eingenomme-nen Ebene bewegen kann und auf das nur Krfte wirken, die in der gleichen Ebene liegen. Damithat eine starre Scheibe drei Freiheitsgrade, d.h. sie kann sich drehen und in zwei unabhngigeRichtungen verschoben werden.

    3.1.1 Krftepaar und Moment

    Es ist die Resultierende F zweier paralleler Krfte F1 und F2 gesucht. Dies gelingt durch erzeu-gen zweier zentraler Krftesysteme mit Hilfe der Hinzunahme von Nullwirkungen. Nullwirkungbedeutet es wird etwas hinzugefgt, dass auch wieder abgezogen wird. Dies ist z.B. durch zweientgegengesetzt gleiche Krfte K gegeben. Graphisch ist dies in Bild 3.1 dargestellt. Im erstenSchritt werden an die zwei Krfte F1 und F2 jeweils K oder K angefgt. Die Kraft K wirktdabei senkrecht zu den Krften F1 und F2. Damit knnen zwei Teilresultierende

    R1 = F1+K R2 = F2+(K) (3.1)aufgestellt werden. Durch verschieben der Resultierenden auf ihren Wirkungslinien kann dieGesamtresultierende

    F= R1+R2 = F1+F2 (3.2)

    gefunden werden. Die geometrische Lage der (natrlich) zu F1 und F2 parallelen ResultierendenF kann durch geometrische berlegungen gefunden werden. Mit der Gesamtlnge h = a1+a2und den gleichen Dreiecken `a2 =

    F2K und

    `a1= F1K gilt der geometrische Zusammenhang

    F2 a2 = F1 a1 (Hebelgesetz von Archimedes) (3.3)

    15

  • 16 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    F

    R1R2

    K KR1 F1 F2 R2

    `

    h

    a1 a2

    Bild 3.1: Graphische Ermittlung der Resultierenden zweier paralleler Krfte

    und damit

    a1 =F2

    F1+F2h a2 = F1F2+F1 h . (3.4)

    Aus (3.4) ist die Lage der Resultierenden F ermittelbar, falls nicht F1 +F2 = 0 gilt. DieserFall F1 =F2 wird Krftepaar genannt. Darunter versteht man zwei gleich groe aber entge-gengesetzt gerichtete Krfte auf parallelen Wirkungslinien in einem Abstand a 6= 0. Solch einKrftepaar ist in Bild 3.2 dargestellt. Dieses Krftepaar hat eine verschwindende Resultierende

    F1

    F2

    a

    Bild 3.2: Krftepaar in der Ebene

    F = F1 +F2 = 0 aber trotzdem eine physikalische Wirkung, nmlich eine Drehung! Diese ist

  • 3.1 Ebene Krftegruppen 17

    eindeutig durch ihr Moment (Idealisierung wie bei Einzelkraft)

    M = F a Dimension: [Nm] (3.5)bestimmt. Es gilt folgende (mathematisch begrndete) Vorzeichenkonvention

    Vorzeichenkonvention fr MomenteEin Moment M ist positiv (M > 0), wenn es mathematisch positiv (entgegen dem Uhrzei-gersinn) dreht, z.B. in einem x-y Rechtssystem ist positiv!

    Das Moment hat damit Vektoreigenschaften, d.h. einen Betrag F a und einen Drehsinn (Rich-tung). In der Ebene (Spezialfall) kann es jedoch nur um eine Achse senkrecht zu dieser Ebenedrehen. Bei der x-y-Ebene ist dies die z-Achse. Im allgemeinen drei-dimensionalen Fall gilt

    M= rF . (3.6)Der Spezialfall in der Ebene ist

    Mz = r F , (3.7)d.h. das Moment hat nur die z-Komponente. In (3.7) bezeichnet r den senkrechten Abstandder Wirkungslinie von F zum Momentenbezugspunkt. Beim Krftepaar in (3.5) war r = a.

    Mit den Betrachtungen aus Kapitel 2 zur quivalenz von Krften, kann analog dazu die qui-valenz fr Momente, respektive Krftepaare formuliert werden:

    quivalenzsatz fr KrftepaareZwei Krftepaare (F,F) und (P,P) sind gleichwertig, wenn sie ein gleiches Momentbesitzen.

    Den oben definierten Krftepaare, also einem Moment, knnen zwei wesentliche Eigenschaften,nmlich

    1. die Verschieblichkeit und

    2. die Verdrehbarkeit

    zugeordnet werden. Der Nachweis dieser Eigenschaften erfolgt zeichnerisch. In Bild 3.3 istdie Verschiebung von einem Krftepaar gezeigt. Durch Anbringen von Nullwirkungen, d.h. derKrfte K, knnen aus den Krften F und K jeweils Resultierende gebildet werden. Diese kn-nen dann entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Nimmt man danach die Nullwirkun-gen, d.h. die Krfte K, wieder weg, so erhlt man ein Krftepaar aus den Krften F, das nichtnur entlang ihrer Wirkungslinie, sondern auch parallel dazu verschoben ist. Die Wirkung derKrftepaare, egal an welcher Position in Bild 3.3 ist die gleiche M = F a. Einen sinngemenNachweis kann fr die Verdrehlichkeit eines Krftepaars gefhrt werden. Diese berlegungenfhren auf die Folgerung

  • 18 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    K

    R F

    FRK

    K

    R F

    F RK

    a

    a

    Wirkungslinie der Resultierenden,diese ist linienflchtig!

    M = Fa

    M = Fa

    Bild 3.3: Graphische Darstellung der Verschieblichkeit von Krftepaaren

    Verschieblichkeit und Verdrehbarkeit von Krftepaaren

    Krftepaare knnen translatorisch und rotatorisch frei verschoben werden, ohne dass sichdas Moment samt Drehsinn ndert, d.h. Krftepaare sind nicht an die Wirkungslinie gebun-den.

    Momentenvektor ist ein freier Vektor!

    Wenn mehrere Krftepaare an einem starren Krper angreifen, knnen diese entsprechend zu-sammengefasst oder durch Momente ersetzt werden. Dabei wird die Verschieblichkeit und Ver-drehbarkeit ausgenutzt. In Bild 3.4 ist ein Beispiel vorgefhrt. Aus dem Beispiel in Bild 3.4ist ersichtlich, dass auch Momente, respektive Krftegruppen, zu einem resultierenden Momentzusammengefasst werden knnen. In mathematischer Schreibweise entspricht dies einer Vek-toraddition

    MR =n

    i=1

    Mi , (3.8)

    die in der Ebene zu einer skalaren Gleichung degeneriert

    MR =n

    i=1

    Mi . (3.9)

    In der Vektorform (3.8) wird automatisch durch die Vektoreigenschaften sichergestellt, dassMomente, die den gleichen Drehsinn besitzen addiert werden, und solche, die unterschiedlichenDrehsinn haben voneinander subtrahiert werden. In der skalaren Gleichung (3.9) fr die Ebenemuss dies kontrolliert werden.

  • 3.1 Ebene Krftegruppen 19

    F1

    F2

    h1

    h2 F1+F2

    F 2 =h2h1

    F2

    h1

    M1 = F1h1M2 = F2h2 M1+M2

    =Verschiebung +Verdrehung

    = Definition Moment

    =Vektoraddition

    Bild 3.4: Mehrere Krftegruppen an einem starren Krper

    Ist die Summe der Momente Null, so verschwindet die physikalische Wirkung der Drehung.Dies bedeutet es existiert auch ein Gleichgewicht von Krftepaaren (Moment)

    MR =n

    i=1

    Mi = 0 . (3.10)

    3.1.2 Moment einer Kraft

    Eine Kraft F kann ohne nderung ihrer Wirkung nur entlang ihrer Wirkungslinie verschobenwerden. Mit Hilfe eines Krftepaars (also Moment) kann die parallele Verschiebung einer Krafterfasst werden. Es wird, wie in Bild 3.5 dargestellt ist, ein Krftepaar mit Krften, die dengleichen Betrag wie die ursprngliche Kraft besitzen, und auf der gleichen Wirkungslinie liegenim Abstand h hinzugefgt. Damit wurde eine Kraft mit dem Wert Null hinzuaddiert, d.h. es hatsich nichts verndert. Danach fasst man die ursprngliche Kraft F mit einer der neuen Krfte,mit F zu einem Krftepaar mit Abstand h zusammen, und ersetzt dies durch ein MomentM = Fh. Es ist das Moment der Kraft bzgl. eines Punktes auf der Wirkungslinie. Dabei ist zubeachten, dass h immer der lotrechte Abstand der beiden parallelen Wirkungslinien ist.

    Mathematisch kann dies durch das Vektor(Kreuz)-Produkt zweier Vektoren ausgedrckt werden

    MO = rOF F . (3.11)Dabei ist rOF der gerichtete Abstandsvektor vom Punkt O zum Kraftangriffspunkt von F. Damit

  • 20 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    hO

    F = F FF

    =FM = Fh

    Bild 3.5: Parallelverschiebung einer Kraft durch Hinzufgen eines Momentes

    ist automatisch der positive Drehsinn (entgegen dem Uhrzeigersinn) sichergestellt. Weiterhingewhrleistet das Kreuzprodukt, dass der Betrag des Momentes nur mit dem lotrechten Abstandgebildet wird. Dies wird bei der Auswertung dieses Kreuzproduktes deutlich

    MO = rOF F mit |MO|= rOF sin h

    F . (3.12)

    Aber Vorsicht, das Kreuzprodukt ist nicht kommutativ! Die benutzten Formelzeichen aus (3.12)sind in Bild 3.6 graphisch dargestellt. In diesem Bild ist auch gezeigt, wie die Auswertung in

    FrOF

    hO

    (a) Bezeichnungen

    F

    rOF

    O

    Fx

    Fy

    y

    y

    xx(b) Komponenten

    Bild 3.6: Graphische Veranschaulichung der Definition des Momentes einer Kraft

    ebenen kartesischen Koordinaten erfolgt

    MO = rOF F= (xex+ yey) (Fxex+Fyey)= xFx (ex ex)+ xFy (ex ey)+ yFx (ey ex)+ yFy (ey ey)= (xFy yFx)ez = MOez .

    (3.13)

    Das Endergebnis in (3.13) ist zu verstehen, wenn beachtet wird, dass fr das Kreuzproduktzwischen zwei Einheitsvektoren gilt

    ex ex = ey ey = 0 ex ey =ey ex = ez .

  • 3.1 Ebene Krftegruppen 21

    F

    F

    rO1rO2

    O

    a

    Bild 3.7: Graphische Veranschaulichung des Bezugspunktes fr ein Moment

    Damit kann das resultierende Moment einer allgemeinen Krftegruppe definiert werden

    M=n

    i=1

    MOi =n

    i=1

    (rOiFi) . (3.14)

    In der Definition (3.14) ist rOi immer der Vektor vom Bezugspunkt O (fr alle gleich) zumjeweiligen Kraftangriffspunkt der i-ten Kraft Fi.

    Nun kann auch das Moment eines Krftepaars bzgl. eines beliebigen Bezugspunktes untersuchtwerden. In Bild 3.7 sind ein Krftepaar F und die Abstandsvektoren der Einzelkrfte rO1 undrO2 zum Bezugspunkt O dargestellt. Nach (3.6) ist das Moment des Krftepaars MO = aF.Berechnet man hingegen zuerst die Einzelmomente der jeweiligen Krfte des Krftepaars undaddiert diese danach, erhlt man

    MO =MO1+MO2 = rO1 (F)+ rO2F= rO1 (F)+(rO1+a)F= rO1 (FF)+aF .

    (3.15)

    Dies bedeutet das Moment eines Krftepaars ist unabhngig vom Bezugspunkt, da in obigerBerechnung der Bezugspunkt O willkrlich gewhlt wurde und auch das Endresultat nicht be-einflusst. Mit der freien Verschiebbarkeit von Krftepaaren gilt damit, dass das Moment einesKrftepaars ein freier Vektor ist.

    3.1.3 quivalenz und Gleichgewicht

    Wie zu Beginn von Kapitel 3.1.2 erlutert wurde, bewirkt die Verschiebung einer Kraft paral-lel zur Wirkungslinie ein zustzliches Moment. Dies kann benutzt werden, um n nichtzentraleKrfte auf eine Resultierende und ein resultierendes Moment zu reduzieren. Dies ist exem-plarisch fr drei Krfte in Bild 3.8 dargestellt. Mathematisch ausgedrckt bedeutet dies dieReduktion auf die zwei Krftebilanzen

    Fx =n

    i=1

    Fix Fy =n

    i=1

    Fiy , (3.16)

  • 22 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    F1F2

    F3

    nicht zentrale Krftegruppe

    =F1 F2

    F3

    MO1 MO2

    MO3

    zentrale Krftegruppeund Momente

    =F= Fi

    MO = MOi

    Resultierende Kraft undresultierendes Moment

    Bild 3.8: Reduktion von beliebig angeordneten Krften zu einer resultierenden Kraft und einemresultierendem Moment

    die unabhngig von einem Bezugspunkt sind und das resultierende (Versetzungs-)Moment allerKrfte Fi

    MO =n

    i=1

    rOiFi . (3.17)

    Die Momentenbilanz bezieht sich jedoch auf einen beliebigen, vor der Rechnung festzulegen-den Bezugspunkt O.

    Anmerkung:

    Die symbolische Zusammenfassung von F und MO zu (MO,F) wird als Dyname be-zeichnet.

    Eine weitere Reduktion des Systems auf nur eine resultierende Kraft und ein ver-schwindendes resultierendes Moment MO = 0 ist mglich, wenn die Wirkungslinieder resultierenden Kraft entsprechend verschoben wird.

    Aus dieser im Allgemeinen immer mglichen Reduktion kann gefolgert werden:

    quivalenz von Kraftsystemen

    Zwei allgemeine Kraftsysteme Fi,Pi eines starren Krpers sind statisch quivalent, wennsie in der Resultierenden F und dem resultierenden (Versetzungs-)Moment M0 bzgl. eineswillkrlichen Bezugspunktes O bereinstimmen.

    Daraus knnen die Gleichgewichtsbedingung fr ein allgemeines Kraftsystem, das an einemstarren Krper angreift formuliert werden.

  • 3.1 Ebene Krftegruppen 23

    Gleichgewicht von Kraftsystemen

    Ein allgemeines Kraftsystem ist im Gleichgewicht, wenn bei der Reduktion auf einen Be-zugspunkt O sich weder eine Resultierende F noch ein resultierendes Moment MO ergeben.D.h. es gilt

    Fi =n

    i=1

    Fi = 0 und MO =n

    i=1

    MOi = 0 (3.18)

    Dabei kann das Moment in das Moment der Einzelkrfte, hervorgerufen durch Verschieben vonKrften, und in freie Momente zerlegt werden

    n

    i=1

    MOi =n

    i=1

    rOiFi Moment der Einzelkrfte

    +m

    j=1

    MO jfreie Momente

    . (3.19)

    Die Auswertung der Gleichgewichtsbedingungen erfolgt in einem beliebig zu whlenden Ko-ordinatensystem.

    Als nchstes soll untersucht werden, ob der Bezugspunkt O wirklich beliebig ist. Dazu wirddie in Bild 3.9 dargestellte Situation mit einer im Punkt O angreifenden Kraft untersucht. In

    F

    rAO

    A

    O

    yA

    yO

    xO xA x

    y

    Bild 3.9: Skizze zur Momentenberechnung um zwei unterschiedliche Bezugspunkte

    Bild 3.9 ist nur die resultierende Kraft stellvertretend fr ein Kraftsystem eingezeichnet, d.h. esgilt F= Fi. Stellt man das Moment bezglich des Punktes A auf, erhlt man

    MAi = [(xOi xA)Fiy (yOi yA)Fix]= [xOiFiy yOiFix] xAFiy+ yAFix=MOi xAFiy+ yAFix .

    (3.20)

    Die Momentenbilanz um A kann also auf eine Momentenbilanz um O und zwei Krftebilanzenzurckgefhrt werden. Wenn das System im Gleichgewicht ist, dann gilt jedoch

    MOi = 0 Fiy = 0 Fix = 0 . (3.21)

  • 24 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    Aus diesen Gleichungen folgt damit MAi = 0. Dies zeigt, dass der Bezugspunkt beliebig ge-whlt werden kann. Gleichung (3.20) kann auch noch durch andere Kombinationen als in (3.21)dargestellt erfllt werden. Es sind z.B. die Kombinationen

    MAi = 0 Fiy = 0 Fix = 0 MOi = 0 (3.22)MAi = 0 MOi = 0 Fiy = 0 Fix = 0 (3.23)

    mglich, wobei bei der letzten Bilanz die Bedingung yOi yA 6= 0 gefordert werden muss.Dies bedeutet, dass man Gleichgewicht auch mit zwei Momentenbilanzen und einer Krftebi-lanz, anstatt einer Momentenbilanz und zwei Krftebilanzen errechnen kann. Die BedingungyOi yA 6= 0 bedeutet, dass die beiden Momentenbezugspunkte nicht auf einer Linie senkrechtzur Richtung des Krftegleichgewichts Fiy liegen drfen. Beachtet man dies auch mit dem an-deren Krftegleichgewicht Fix, dann kann man auch drei Momentengleichgewichte einsetzen.Deren drei Bezugspunkte drfen aber nicht auf einer Linie liegen.

    BEISPIEL 3.1.1 : Krfte- und Momentenbilanz fr einen starren Balken

    Ein homogener Balken (Lnge 4a, Gewicht G) wird am Punkt C von einem Seil gehalten undliegt in A und B an glatten senkrechten Wnden auf (siehe Bild 3.10(a)). Wie gro sind dieSeilkraft und die Kontaktkrfte in A und B?

    G

    A

    B

    C

    45o

    45o

    a

    a

    2a

    (a) Aufgabenstellung

    G

    A

    B

    C

    x

    y xy

    (b) Freischnitt

    Bild 3.10: Homogener Balken abgesttzt an zwei Wnden und gehalten durch ein Seil

    Zuerst wird der Balken von seinen Bindungen befreit, d.h. er wird freigeschnitten. Dies fhrtauf den in Bild 3.10(b) dargestellten Freischnitt. Die zwei Krftebilanzen in x-und y-Richtungund die Momentenbilanz um den Punkt C sind

    Fiy =C cos45oG = 0Fix = AC sin45oB = 0MiC = Aasin45oGasin45o+B3asin45o = 0 .

    Daraus leiten sich die folgenden Gleichungen und deren Lsung

    C = G

    2

  • 3.2 Allgemeine Krftegruppen im Raum 25

    AB = G

    212

    2 = G

    A+3B = G

    B = 0A = Gab. Weitere mgliche Gleichungen in Kombination mit zweier Momentenbilanzen wren

    MAi = aC2aGcos45o+4aBsin45o = 0B41

    2

    2 = G

    12

    22C = G

    2G

    2 = 0

    MBi = 4aAsin45o3aC+2aGsin45o = 0A41

    2

    2 = 3CG21

    2

    2 = G

    (3

    2

    2)

    A = GFiy = 0 =CAcos45o+Bcos45oGcos45o = 0 .

    Die drei letzten Gleichungen fr sich sind nicht lsbar, da sie voneinander linear abhngig sind.

    3.2 Allgemeine Krftegruppen im Raum

    3.2.1 Der Momentenvektor im Raum

    Im vorherigen Abschnitt war das Moment als Vektor eingefhrt worden, aber zeigte immer nuraus der Ebene heraus (in z-Richtung bei einer x-y-Ebene). Betrachtet man die y-z-Ebene, sowrde das Moment in x-Richtung zeigen usw.

    Dabei bedeutet zeigen, dass das Moment eine Drehung um die jeweilige Achse in mathematischpositiver Richtung bewirkt (Rechtsschraube, Rechte Hand Regel). Berechnet man mit derallgemeinen Vorschrift das Moment einer Kraft im Raum

    MO = rOF F , (3.24)

    dann erkennt man

    MO =

    yOFFz zOFFyzOFFx xOFFzxOFFy yOFFx

    berechenbar aus MO = detex ey ez

    xOF yOF zOF

    Fx Fy Fz

    , (3.25)d.h. im drei-dimensionalen Raum hat das Moment drei Richtungen. Es beschreibt die ntigephysikalische Gre fr die Drehung um die drei Koordinatenachsen. Es ist also die Drehungum eine Achse, und nicht nur um einen Punkt. Der Momentenvektor MO steht entsprechend

  • 26 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    den Eigenschaften des Vektorproduktes senkrecht auf der Ebene, die durch rOF und F aufge-spannt wird. Sein Betrag entspricht der von rOF und F aufgespannten Parallelogrammflche.Der Momentenvektor wird im folgenden in Skizzen mit einem Doppelpfeil gekennzeichnet. Esgilt damit Moment = senkrechter Abstand (Hebelarm im Raum) mal Kraft. Die Vektoreigen-schaft bedeutet weiterhin, dass Momente wie Vektoren addiert werden knnen.

    3.2.2 Gleichgewichtsbedingungen

    Betrachtet man ein allgemeines Kraftsystem im Raum, so erhlt man genau wie in der Ebe-ne den resultierenden Kraft- und Momentenvektor durch Verschieben der Krfte in einen ge-meinsamen Angriffspunkt mit den jeweiligen (Versetzungs-)Momenten und der Bildung einesresultierenden Momentes bezglich eines festen Punktes. Damit gilt fr die Resultierenden

    F=n

    i=1

    Fi MO =m

    j=1

    MO j . (3.26)

    In Gleichung (3.26) ist die resultierende Kraft F unabhngig von der Wahl des Bezugspunktesim Gegensatz zum resultierenden Moment MO. Entsprechend gilt die Verallgemeinerung frdas Gleichgewicht

    Gleichgewicht fr rumliche Kraftsysteme

    Ein Krper im Raum befindet sich im Gleichgewicht (ist ein Gleichgewichtssystem) wennder resultierende Kraftvektor F und der resultierende Momentenvektor MO sich zu Nullergeben

    F=n

    i=1

    Fi = 0 MO =m

    i=1

    MOi = 0 . (3.27)

    In Komponenten ausgewertet ergibt dies maximal sechs Gleichungen fr die sechs Unbekann-ten: die drei Verschiebungen in die drei Koordinatenrichtungen und die Verdrehungen um dieseAchsen. Genau wie im ebenen Fall knnen mehrere Momentenbilanzen auf Kosten von Krfte-bilanzen benutzt werden.

    BEISPIEL 3.2.1 : Rumliches Krftesystem

    Ein gewichtsloser Winkel befindet sich unter der Wirkung von vier Krften, die senkrecht aufder vom Winkel aufgespannten Ebene stehen, im Gleichgewicht (siehe Bild 3.11). Die Kraft Fist gegeben, gesucht sind A,B und C.

    Zur Lsung dieser Aufgaben existieren im Prinzip zwei Mglichkeiten. Zum einen knnen ein-fach die sechs Bilanzgleichungen jede fr sich aufgestellt werden. Dies erfordert gerade beim

  • 3.2 Allgemeine Krftegruppen im Raum 27

    x

    yz

    A

    B

    O

    C

    F

    a

    c

    b2

    b2

    Bild 3.11: Freischnitt mit den Geometriedaten fr einen gewichtslosen Winkel im Raum

    Moment ein rumliches Vorstellungsvermgen, um den richtigen Hebelarm zu finden. Weiter-hin muss das Vorzeichen des Momentes richtig, oder konsistent innerhalb der Momentenbilanz,gewhlt werden. Hier fhrt diese Betrachtungsweise zu der Krftebilanz

    Fiz = A+B+CF = 0 (3.28)und den zwei Momentenbilanzen

    MOix = 0 = Ab2 Fb MOiy = 0 = FaCc . (3.29)

    Mehr Bilanzgleichungen sind in diesem Fall nicht ntig, um die Betrge der unbekannten Krfte

    A = 2F C = ac

    F B =(

    1+ac

    )F (3.30)

    zu berechnen. Die Richtung der jeweiligen Kraft ist ber die Annahmen im Freischnitt (sieheBild 3.11) gegeben.

    Die andere Alternative ist die Berechnung unter rein mathematischen Gesichtspunkten. Zuerstwerden die Krfte als Vektoren formuliert

    A=

    0

    0

    A

    B=

    0

    0

    B

    C=

    0

    0

    C

    F=

    0

    0

    F

    . (3.31)Danach mssen die Ortsvektoren, also der Abstandsvektor zum Ursprung O aufgestellt werden

    rOA =

    0b2

    0

    rOB =

    0

    0

    0

    rOC =

    c

    0

    0

    rOF =

    a

    b

    0

    . (3.32)

  • 28 3 Allgemeine Krftegruppen an starren Krpern

    Nach dieser Voraufgabe knnen nach den Rechenregeln der Mathematik die Vektorgleichungenfr das Krftegleichgewicht

    Fi =

    0

    0

    A+B+CF

    = 0 (3.33)und das Momentengleichgewicht

    MOi = rOAA+ rOBB+ rOCC+ rOF F

    =

    0b2

    0

    0

    0

    A

    +0+

    c

    0

    0

    0

    0

    C

    +

    a

    b

    0

    0

    0

    F

    =

    Ab20

    0

    +

    0

    Cc0

    +FbFa

    0

    = 0(3.34)

    aufgestellt und gelst werden.

    Das Ergebnis aus beiden Berechnungsvarianten in obigem Beispiel ist selbstverstndlich gleich.Dabei erscheint die erste Variante sehr viel eleganter als die zweite. Dies mag bei einfachenGeometrien gelten, nicht jedoch bei komplizierten rumlichen Anordnungen. In solchen Fllenist die zweite Variante vorzuziehen, da sie weniger fehleranfllig ist.

  • 4 SCHWERPUNKT

    In vielen Bereichen der Mechanik ist es ntig zu wissen wo der Schwerpunkt einer Linie, Flcheoder eines Volumens liegt. Als Vorbetrachtung wird hier zuerst der Kraftmittelpunkt, d.h. derAngriffspunkt einer resultierenden Kraft, gesucht.

    4.1 Kraftmittelpunkt

    Gegeben sind mehrere parallele Krfte Fi. Diese knnen bekanntlich durch eine ResultierendeF ersetzt werden. Es stellt sich nun die Frage, wo ist der Angriffspunkt der Resultierenden.Ohne Einschrnkung der Allgemeinheit soll die Annahme gelten, dass die Krfte in der x-yEbene liegen. Wie in Bild 4.1 dargestellt sind die Kraftangriffspunkte durch die Ortsvektoren

    F1F

    F2

    F3

    y

    x

    r1 rS

    r2

    r3

    Bild 4.1: Resultierende Kraft von drei parallelen Krften

    ri gekennzeichnet. Die Resultierende ergibt sich aus F = Fi in Betrag und Richtung. DerAngriffspunkt rs der Resultierenden wird aus der Momentenbilanz

    rsF=riFi (4.1)berechnet. Der Einheitsvektor e gibt die Richtung der Krfte an. Da alle parallel sind, haben sienatrlich auch den gleichen Richtungsvektor. Diese berlegung fhrt auf

    rsF e=riFi e , (4.2)

    29

  • 30 4 Schwerpunkt

    woraus dann der Kraftmittelpunkt

    (rs Fri Fi

    ) e= 0 rs = ri FiF (4.3)berechnet werden kann. In den einzelnen Koordinatenrichtungen dargestellt erhlt man

    xs =xi Fi

    Fys =

    yi FiF

    zs =zi Fi

    F. (4.4)

    Damit ist der Kraftmittelpunkt gegeben.

    4.2 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt

    Erweitert man die obige Aufgabe auf ein System von Massenpunkten, auf die die Gewichts-kraft wirkt, dann ist der Kraftmittelpunkt der Schwerpunkt S dieses Systems (siehe Bild 4.2).Genauso wie oben knnen die Gewichtskrfte in Ihren Betrag und eine einheitliche Richtung

    G1 G

    G2G3

    y

    x

    r1rS

    r2 r3

    m

    m2m3

    Bild 4.2: Resultierende Gewichtskraft im Schwerpunkt

    nach Gi = Gi e zerlegt werden. Damit gilt fr den Ortsvektor des Schwerpunkts

    rs =ri Gi

    G. (4.5)

    Die Darstellung in Koordinaten ist dann entsprechend

    xs =xi Gi

    Gys =

    yi GiG

    zs =zi Gi

    G. (4.6)

  • 4.2 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt 31

    Mit diesem Ergebnis kann ein Massenmittelpunkt (siehe Mechanik B2) und auch ein Volu-menmittelpunkt formuliert werden

    r(m)s =ri mi

    Mmit den Teilmassen mi, d.h. es gilt mi = M (4.7)

    r(v)s =ri vi

    Vmit den Teilvolumina vi, d.h. es gilt vi =V . (4.8)

    Anmerkung:

    Im Allgemeinen haben die gerade definierten Punkte nicht die gleichen Koordinaten. Es gibtjedoch Spezialflle in denen einige von ihnen zusammenfallen.

    1. Der Schwerpunkt und der Massenmittelpunkt fallen zusammen, wenn die Schwerkrf-te fr jede Teilmasse gleichgerichtet sind

    rs =ri Gi

    G=

    ri mi gM = r

    (m)s . (4.9)

    In (4.9) stellt g die Erdbeschleunigung dar.

    2. Fr homogene Krper, also Dichte = const gilt weiterhin

    r(m)s =ri mi

    M=

    ri Vi V = r

    (v)s . (4.10)

    3. Da der Weltraum ein Zentral-Schwerkraftfeld ist, gilt dort

    rs 6= r(m)s (4.11)

    Bisher wurden nur diskrete Massen, also mehrere Einzelmassen behandelt. Der bergang aufverteilte Massen, also einen Krper mit einer kontinuierlichen Massenverteilung, ein so-ge-nanntes Kontinuum, geschieht durch die Grenzbergnge mi dm, Gi dG, vi dV . DieSummen werden damit zu Integralen. Dies resultiert in die Definitionen

    r(m)s =RrdmM

    mit der Gesamtmasse M =Z

    dm (4.12)

    r(v)s =RrdvV

    mit dem Gesamtvolumen V =Z

    dv . (4.13)

    Diese Definitionen sind auch auf Flchen und Linien bertragbar. Dies ergibt

    rs =R

    A rdAA

    mit der Gesamtflche A =Z

    dA (4.14)

    rs =R

    S rdSS

    mit der Bogenlnge S =Z

    dS . (4.15)

  • 32 4 Schwerpunkt

    Ersetzt man in den Gleichungen (4.12)-(4.15) den Ortsvektor r durch seine Komponenten, erhltman die Integrale

    Rxdm,

    RxdG,

    RxdV oder

    RxdA. Dies sind Momente 1. Grades, wobei

    das ersten Grades andeutet, dass die Koordinate x in der ersten Potenz unter dem Integral steht.Eine andere, im Ingenieurwesen gebruchliche Bezeichnung ist statisches Moment, z.B. frdie Flche

    Sy =Z

    zdA Sz =Z

    ydA . (4.16)

    Aus den obigen Definitionen gilt unter bestimmten Bedingungen:

    1. Whlt man die spezielle Lage des Bezugspunktes 0, also des Ursprungs des Koordinaten-systems, im Schwerpunkt S, dann gilt

    rs = 0 rimi = 0 oderZrdm = 0 , (4.17)

    d.h. die statischen Momente verschwinden bezglich des Schwerpunktes.

    2. Da ersatzweise G im Schwerpunkt angebracht werden kann, ist das Modell des Massen-punktes in S technisch gerechtfertigt.

    3. Die Einzelkrfte knnen auch auf verteilte Lasten (Streckenlasten) erweitert werden. DerSchwerpunkt ist dann der Kraftangriffspunkt der quivalenten Einzelkraft, z.B.

    xs =R

    x q(x)dxRq(x)dx

    (4.18)

    analog in der Flche

    xs =R

    x p(x,y)dARp(x,y)dA

    ys =R

    y p(x,y)dARp(x,y)dA

    (4.19)

    und Volumen

    xs =R

    x p(x,y,z)dVRp(x,y,z)dV

    ys =R

    y p(x,y,z)dVRp(x,y,z)dV

    zs =R

    z p(x,y,z)dVRp(x,y,z)dV

    . (4.20)

    BEISPIEL 4.2.1 : Resultierende einer linearen Streckenlast

    Es ist der Balken nach Bild 4.3 gegeben. Er ist durch eine lineare Streckenlast belastet. Wiegro ist die Resultierende der Steckenlast und wo greift diese an?

    Die Funktion der Steckenlast istq(x) = q0 x

    `.

  • 4.3 Flchenschwerpunkt 33

    q0

    `

    x

    Bild 4.3: Balken belastet durch eine lineare Streckenlast

    Damit kann die resultierende Kraft der Streckenlast aus

    F =Z `

    0q(x)dx =

    Z `0

    q0 x`

    dx = q0 x2

    2`

    `0=

    12q0`

    berechnet werden. Im Prinzip entspricht dies dem Flcheninhalt des Dreiecks. Daraus kann nunnach (4.18) der Linienschwerpunkt, welcher die Kraftangriffsstelle ist, berechnet werden. Es istZ `

    0x q(x)dx = q0

    Z `0

    x2

    `dx = q0 x

    3

    3`

    `0=

    13q0`2

    und damit der Kraftangriffspunkt

    xs =13 q0`212 q0`

    =23`

    Die Kraft F = 12q0` im Abstand xs =23` vom linken Lager (Koordinatenursprung) hat die gleiche

    statische Wirkung wie die Streckenlast.

    4.3 Flchenschwerpunkt

    In der Festigkeitslehre wird eine Schwerpunktsdefinition besonders wichtig, es ist der Fl-chenschwerpunkt. Dieser ist fr viele geometrische Gren whrend der Berechnung, z.B. derDurchbiegung, ntig. Im Folgenden soll gelten zs 0, da die Dicke t gegen Null geht. D.h. esmuss nur noch xs und ys berechnet werden.

    4.3.1 Rechnerische Auswertung

    Fr einen beliebig geformten Krper soll der Flchenschwerpunkt berechnet werden. Die n-tigen Bezeichnungen und eine prinzipielle Skizze des betrachteten Krpers ist in Bild 4.4 zufinden. Die Definition in jede Koordinatenrichtung lautet jeweils

  • 34 4 Schwerpunkt

    y

    x

    dA

    x

    y

    Bild 4.4: Prinzipskizze zur Berechnung des Flchenschwerpunkts

    xs =

    R(A) xdA

    Aund ys =

    R(A) ydA

    A. (4.21)

    Zur Berechnung muss die Geometrie natrlich explizit vorliegen. Am Beispiel des Rechtecksaus Bild 4.5 ist die Integration gut nachvollziehbar. Es wird exemplarisch die Berechnung der

    y

    x

    dA

    x

    b

    x0+ax0

    Bild 4.5: Berechnung des Flchenschwerpunkts eines Rechtecks

    xS-Koordinate vorgefhrt. Die Flche ist A = ab. Fr die Integration wird der in Bild 4.5 ein-gezeichnete differentielle Streifen dA = bdx benutzt, da der Integrand unabhngig von y ist.Damit verbleibt nur die Integration bezglich der x-Achse. Diese ist

    xs =1ab

    Z(A)

    xdA =1ab

    Z x0+ax0

    xbdx =1a

    x2

    2

    x0+ax0

    =1

    2a

    [(x0+a)

    2 x20]

    =12a[x20+2x0a+a

    2 x20]= x0+

    a2.

    (4.22)

    Eine analoge Rechnung mit dA = ady fhrt auf ys = y0+ b2 . In Bild 4.5 ist y0 0.Fr gngige Profile ist der Schwerpunkt tabelliert. Eine Auswahl ist in Tabelle 4.1 gegeben.Weitere Tabellen sind in der einschlgigen Literatur zu finden, z.B. [3, 6, 5].

  • 4.3 Flchenschwerpunkt 35

    Flche Flcheninhalt Lage des Schwerpunktes

    rechtwinkliges Dreieck

    Sh

    a

    y

    x

    A =12

    ah xS =23

    a, yS =h3

    beliebiges Dreieck

    3yx

    y

    3,

    xS

    yx

    y

    x2, 2

    1, 1

    A =12

    [(x2 x1)(y3 y1)

    (x3 x1)(y2 y1)]

    S liegt im Schnittpunkt derSeitenhalbierenden

    xS =13(x1+ x2+ x3)

    yS =13(y1+ y2+ y3)

    Parallelogramm

    h

    a

    SA = ah S liegt im Schnittpunkt der

    Diagonalen

    Trapez

    S

    a x

    y

    h

    b

    A =h2(a+b)

    S liegt auf der Seitenhalbie-renden

    yS =h3

    a+2ba+b

    Kreisausschnitty

    x

    r

    S

    A = r2 xS =23

    rsin

    Tabelle 4.1: Schwerpunkte fr Standardprofile

  • 36 4 Schwerpunkt

    Flche Flcheninhalt Lage des Schwerpunktes

    Halbkreis

    r

    y

    x

    S A =pi2

    r2 xS =4r3pi

    Kreisabschnitt

    r

    y

    x

    s

    S

    A =12

    r2 (2 sin2)xS =

    s3

    12A

    =43

    rsin3

    2 sin2

    quadratische Parabel

    S

    x

    y

    a

    b A =23

    abxS =

    35

    a

    yS =38

    b

    Tabelle 4.1: Schwerpunkte fr Standardprofile

    4.3.2 Hilfsstze

    Die Flchenschwerpunkte fr unterschiedliche Flchen jedes mal durch Integration zu berech-nen ist sehr aufwndig. Es gibt jedoch Regeln die dies vereinfachen.

    1. Gruppensatz:

    Der Gruppensatz ist ntzlich, wenn die zu berechnende Flche aus Teilflchen zusam-mengesetzt ist, und deren Teilschwerpunkte bekannt sind. In diesem Fall gilt der Zusam-

  • 4.3 Flchenschwerpunkt 37

    menhang

    rs =1A

    Z(A)

    rdA =1

    A1+ ...+An

    Z(A1)

    rdA1+ . . .+Z(An)

    rdAn

    =

    1Ai

    Z(Ai)

    rdAi =Ai rsiAi

    ,

    (4.23)

    d.h. der Schwerpunkt der Gesamtflche entspricht der gewichteten Summe der Einzel-schwerpunkte.

    BEISPIEL 4.3.1 : Flche aus zwei Rechtecken

    Die in Bild 4.6 dargestellte Flche setzt sich aus zwei Rechtecken zusammen. Mit Hilfedes Gruppensatzes soll der Flchenschwerpunkt der Gesamtflche berechnet werden.

    y

    x

    y2y1

    x1 x2

    Bild 4.6: Flchenschwerpunkt einer aus zwei Rechtecken zusammengesetzten Flche

    Die jeweiligen Schwerpunkte der einzelnen Rechtecke sind auf dem Schnittpunkt derDiagonalen zu finden. Der Flchenschwerpunkt der Gesamtflche ist damit

    xs =1

    A1+A2[x1A1+ x2A2] ys =

    1A1+A2

    [y1A1+ y2A2] .

    2. Symmetriestze:

    Die Symmetrielinie einer Flche ist stets die Schwerelinie, d.h. sie ist eine Gerade aufder S liegt. Die Umkehrung dieser Behauptung gilt jedoch nicht. Der Nachweis dieserBehauptung erfolgt an einem Beispiel. Ohne Beschrnkung der Allgemeinheit wird an-genommen, dass die y-Achse eine Symmetrieachse ist. In Bild 4.7 ist eine exemplarischeFlche mit einer Symmetrie bezglich der y-Achse skizziert. Mit dem Gruppensatz kann

  • 38 4 Schwerpunkt

    x

    y

    x3,x1 x4,x2

    A1 A2

    A3 A4

    Bild 4.7: Schwerpunkt einer symmetrischen Flche

    der Flchenschwerpunkt aus denen der Einzelflchen zusammengesetzt werden. Fr diex-Koordinate gilt damit

    xs =1

    A1+A2+A3+A4[x1A1+ x2A2+ x3A3+ x4A4] . (4.24)

    Bei dem in Bild 4.7 dargestellten symmetrischen Querschnitt gilt jedoch

    A1 = A2 A3 = A4 x1 =x2 x3 =x4 . (4.25)

    Setzt man diese Zusammenhnge in (4.24) ein, so erkennt man, dass gilt

    xs 0 . (4.26)

    Dies zeigt die Behauptung. Die Erweiterung auf beliebige symmetrische Flchen ist leichtnachvollziehbar, da jede symmetrische Flche so in Teilflchen zerlegt werden kann, dassobige Argumentation angewandt werden kann.

    Besitzt eine Flche zwei Symmetrielinie, so ist nach dem oben gesagten jede eine Schwe-relinie. In der Ebene kreuzen sich zwei Geraden genau einmal, d.h. in diesem Schnitt-punkt liegt dann der Flchenschwerpunkt (siehe Rechteck).

    3. Negative Flchen:

    Entsprechend dem Gruppensatz knnen Aussparungen in Flchen durch negative Fl-chen behandelt werden, d.h. sie sind durch Abzge zu bercksichtigen. In Bild 4.8 ist eineFlche mit Aussparungen gegeben. Entsprechend Bild 4.8 wird mit dem Gruppensatz derFlchenschwerpunkt nach

    xs =1

    A1A2 [x1A1 x2A2] ys =1

    A1A2 [y1A1 y2A2] (4.27)

    berechnet.

  • 4.3 Flchenschwerpunkt 39

    y

    x

    = -

    Bild 4.8: Negative Flchen beim Gruppensatz zur Berechnung des Flchenschwerpunkts

    BEISPIEL 4.3.2 : Schwerpunkt einer Parabelflche

    Es soll der Flchenschwerpunkt der in Bild 4.9(a) dargestellten Parabelflche berechnet wer-den.

    h

    a a

    (a) Problemstellung

    dyx x

    y

    x

    (b) Koordinatensystem

    Bild 4.9: Flchenschwerpunkt einer Parabelflche

    Zuerst wird die zwar willkrliche aber sinnvolle Wahl des Koordinatensystems auf der Symme-trieachse getroffen. Damit ist die erste Koordinate des Schwerpunkts aus Symmetriegrnden

    xs = 0 .

    Mit dem Flchenelement dA = 2xdy und der Parabelgleichung

    y =ha2

    x2 x =

    a2 yh

    kann die Flche berechnet werden

    A =Z(A)

    dA =Z h

    02xdy = 2

    a2

    h

    Z h0

    y12 dy = 2

    a2

    h23

    y32

    h0=

    43

    ah .

    Das noch fehlende Integral zur Berechnung istZ(A)

    ydA =2a

    h

    Z h0

    y

    ydy =2a

    h25

    y52

    h0=

    45

    ah2 .

  • 40 4 Schwerpunkt

    Dies eingesetzt in die Formel fr den Flchenschwerpunkt (4.21) ergibt

    ys =45ah

    2

    43ah

    =35

    h .

    BEISPIEL 4.3.3 : Dreieck mit Loch (kreisfrmig)

    Fr das in Bild 4.10 dargestellte Dreieck mit kreisfrmigen Loch (Radius r) soll der Flchen-schwerpunkt berechnet werden.

    h

    a

    rh4

    y

    x

    Bild 4.10: Flchenschwerpunkt fr ein Dreieck mit kreisfrmigen Loch

    Da auch in diesem Beispiel die y-Achse Symmetrieachse ist gilt xs = 0. Die Einzelflchen undSchwerpunkte des Dreiecks und eines Kreises sind aus Tabellen bekannt

    A =12

    ah ys =h3

    Ao = pir2 yos =h4.

    Mit dem Gruppensatz (negative Flchen) kann dann die noch fehlende Koordinate des Flchen-schwerpunkts berechnet werden

    ys =ys A yos Ao

    AAo =h3

    12ah h4r2pi12ah r2pi

    =h3

    1 32 pia r2

    h

    1 2pir2ah.

    Fr den Grenzfall eines verschwindenden Loches r 0 ist die Koordinate ys = h3 , d.h. die desDreiecks. Dies ist auch schon erfllt, wenn die Bedingung pi r2 d h gilt.

  • 5 LAGERREAKTIONEN

    Tragwerke werden nach ihrer geometrischen Form und nach der Belastung in verschiedenenKlassen eingeteilt. Ein-dimensional knnen Bauteile modelliert werden, wenn die Querschnitts-abmessungen sehr viel kleiner sind als die Lngsabmessungen (blich h` 110 ). bliche Modell-vorstellungen von Bauteilen sind

    Stab: nur auf Zug und Druck lngs seiner Achse belastet (engl. bar)

    Balken: nur auf Biegung, d.h. quer zur Achse, belastet (engl. beam)

    Bogen: gekrmmter Balken (engl. curved beam)

    Die entsprechenden zwei-dimensionalen Bauteile, also Lnge und Breite sehr viel grer alsdie Dicke, sind

    Scheibe: Belastung in der gleichen Ebene wie Lnge und Breite

    Platte: Belastung in Dickenrichtung, d.h. senkrecht zur Lnge und Breite (engl. plate)

    Schale: Gekrmmtes zweidimensionales Bauteil unter beliebiger Belastung (engl. shell)

    All diese Tragwerke sind durch Lager mit ihrer Umgebung verbunden. Diese dienen dazu dasTragwerk in seiner geometrischen Lage zu halten, d.h. sie bertragen Krfte auf die Umgebung.Um diese zu berechnen, werden die Tragwerke freigeschnitten (siehe Schnittprinzip). Dabeiwird das reale Lager durch Modelle angenhert. Eigentliches Ziel ist jedoch die Dimensionie-rung des Tragwerks, d.h. die Bestimmung der Lagerreaktionen ist nur eine Voraufgabe.

    5.1 Ebene Tragwerke

    5.1.1 Lager

    Ein starrer Krper in der Ebene hat drei Bewegungsmglichkeiten (Freiheitsgrade), zwei trans-latorische und eine rotatorische. Diese mssen durch die Lager behindert werden. Ist r die

    41

  • 42 5 Lagerreaktionen

    Anzahl der Lagerreaktionen, so gilt fr die Anzahl der Freiheitsgrade eines starren Krpers inder Ebene

    f = 3 r . (5.1)Die Einteilung der Lager erfolgt nach einer Wertigkeit

    Einwertige Lager (r = 1):Diese Lager knnen nur eine Reaktion bertragen. Damit ist die Richtung der Lagerkraftgegeben, aber der Betrag unbekannt. Solch ein Lager kann kein Moment aufnehmen. DasSymbol dafr ist

    Beispiele sind: Rollenlager, Pendelsttze, Gleitlager

    Konstruktiv muss bei diesem Lager ein Abheben verhindert werden.

    Zweiwertige Lager (r = 2):Solche Lager knnen zwei Reaktionen bertragen. Dies kann sein, dass Betrag und Rich-tung der Kraft unbekannt sind, das Lager aber momentenfrei ist. Es sind auch andereKombinationen von zwei Behinderungen mglich. Symbole dafr sind

    Beispiele sind: ein Scharnier, ein Spurlager (Schiebehlsen), zwei nicht parallele Pendel-sttzen, etc.

    Dreiwertige Lager (r = 3):Dieses Lager kann drei Reaktionen bertragen und lsst dem Tragwerk damit keine Be-wegungsmglichkeit mehr. Symbole dafr sind

    Hufigstes Auftreten ist die feste Einspannung.

  • 5.1 Ebene Tragwerke 43

    5.1.2 Statische Bestimmtheit

    Ein ebenes Tragwerk heit statisch bestimmt gelagert, wenn aus den im ebenen Fall dreiGleichgewichtsbedingungen

    Fix = 0 Fiy = 0 MOi = 0 (5.2)

    die Lagerreaktionen zu berechnen sind. D.h. es knnen maximal drei unbekannte Gren be-stimmt werden. Beispiele fr statische Bestimmtheit sind in Bild 5.1 zu finden. Aber es gibt

    r = 2 + r = 1 = 3 f = 0 statisch bestimmt

    r = 3 f = 0 statisch bestimmt

    Bild 5.1: Beispiele fr statische Bestimmtheit

    auch Flle, in denen drei Lagerwertigkeiten nicht ausreichend sind um das System zu berech-nen. Zwei solche Systeme sind in Bild 5.2 dargestellt. Diese Systeme knnen sich bewegen undwerden kinematisch unbestimmt genannt.

    (a) Verschieblich

    (b) Drehbar

    Bild 5.2: Kinematisch unbestimmt gelagerte Systeme

  • 44 5 Lagerreaktionen

    Ein Tragwerk ist im ebenen Fall genau dann statisch und kinematisch bestimmt gelagert, wennfolgende Lagerreaktionen auftreten

    drei Krfte die nicht parallel und nicht zentral sind zwei Krfte und ein Moment, wobei die Krfte nicht parallel sind.

    Wenn nun mehr als drei Lagerreaktionen zu bestimmen sind, nennt man ein solches Tragwerkstatisch unbestimmt. Diese knnen nur mit Zusatzinformationen (Gleichungen) aus der Form-nderung (siehe Mechanik B2) berechnet werden. Beispiele dafr sind in Bild 5.3 zu finden. Je

    r = 2 + r = 2 = 4 f =1 einfach statisch unbestimmt

    r = 3

    +

    r = 2 = 5 f =2 zweifach statisch unbestimmt

    Bild 5.3: Beispiele fr statisch berbestimmte Systeme

    nachdem wieviel Lagerwertigkeiten ber der statischen Bestimmtheit liegen, spricht man vonn-facher statischer berbestimmtheit.

    5.1.3 Berechnung der Lagerreaktionen

    Zur Ermittlung der Lagerreaktionen wird das Schnittprinzip angewandt. Nach Ersetzen der La-ger durch entsprechende Krfte und Momente knnen die unbekannten Reaktionen mit denGleichgewichtsbedingungen

    n

    i=1

    Fi = 0n

    i=1

    MOiz =n

    i=1

    (xOiFiy yOiFxi)+m

    i=1

    MOi = 0 (5.3)

    berechnet werden. Der Bezugspunkt der Momentenbilanz ist beliebig whlbar. Es knnen auchzwei Momentengleichgewichte und eine Krftebilanz gewhlt werden (siehe Kapitel 3.1).

  • 5.1 Ebene Tragwerke 45

    BEISPIEL 5.1.1 : Berechnung der Lagerreaktionen in der Ebene

    Fr das in Bild 5.4 dargestellte durch die Krfte F1,F2 und F3 belastete Fachwerk sollen dieLagerkrfte berechnet werden.

    x

    y F1

    F2 F3

    aa 2a a

    (a) Problemstellung

    F1

    F2 F3

    A

    Bx

    By

    (b) Freischnitt

    Bild 5.4: Problemstellung und Freischnitt zur Berechnung der Lagerreaktionen eines Fachwerks

    1. Lsungsweg: Eine konsequente Vektorrechnung erfordert die folgenden Schritte

    (a) Festlegung eines kartesischen Koordinatensystems

    (b) Wahl des Momentenbezugspunktes

    (c) Unbekannte Lagerreaktionen als Vektor formulieren unter Beachtung der positiven Koor-dinatenrichtungen

    (d) Auswertung der Gleichgewichtsbedingungen

    Diese sind in diesem Beispiel das Krftegleichgewicht

    Fi = A+B+F1+F2+F3

    =

    0A

    +Bx

    By

    + F1 cosF1 sin

    + 0F2

    + 0F3

    = 0 ,das auf die einzelnen Gleichungen

    Bx =F1 cosA+By = F1 sin+F2+F3

    fhrt. Dort ist die Lsung fr die x-Komponente der Lagerkraft in B abzulesen Die Momenten-bilanz mit dem Bezugspunkt A ist

    MiA = 0 = x1A y10+ xbBy ybBx+3

    i=1

    (xiFiy yiFix)

  • 46 5 Lagerreaktionen

    = 4aBy+2a(F1 sin)+a(F2)+3a(F3) .Aus dieser Gleichung kann By berechnet werden, und daraus wiederum A

    By =F12

    sin+14

    F2+34

    F3 A =F12

    sin+34

    F2+14

    F3 .

    2.Lsungsweg: Eine mehr anschauliche (ingenieurmige) Berechnung verfolgt den Weg

    (a) Horizontaler Krfte = 0,Vertikaler Krfte = 0,Momente = 0. Damit liegt im Prin-zip ein Koordinatensystem fest. Der Momentenbezugspunkt sollte zweckmig gewhltwerden, z.B. B.

    (b) Festlegung der Vorzeichen fr die Rechnung, z.B. positive Achsen.

    (c) Alle Krfte als vorzeichenfreie Betrge in der Zeichnung und der Rechnung einfhren,Vorzeichen folgt aus der Pfeilrichtung.

    (d) Unbekannte Lagerreaktion mit frei angenommener Pfeilrichtung

    Resultat Rechnung positiv Annahme richtig Resultat Rechnung negativ Gegenteil von Annahme richtig.

    (e) Auswertung der Gleichungen.

    Der erste Schritt ergibt das Gleichungssystem+H = 0 = F1 cosBx

    + V = 0 = A+ByF1 sinF2F3+MB = 0 =4aA+2aF1 sin+3aF2+aF3

    mit den Lsungen

    Bx = F1 cos By =F12

    sin+14

    F2+34

    F3 A =F12

    sin+34

    F2+14

    F3 .

    Die Vorzeichen von By und A sind positiv, das bedeutet die Annahme ber deren Richtung imFreischnitt war korrekt, im Gegensatz zu Bx dessen Richtung falsch angenommen war. Anstattder Summe aller vertikalen Krfte V wre es eleganter gewesen die Momentenbilanz um denPunkt A MA zu bilden.

    Im obigen Beispiel wurde die beiden prinzipiellen Vorgehensweisen zur Berechnung der La-gerreaktionen diskutiert. Die Lsungsvariante mit den Vektoren wirkt zwar komplizierter, istjedoch gerade bei komplizierten Problemstellungen zu empfehlen, wenn z.B. die richtigen Vor-zeichen und Hebelarme der Momente nur schwierig zu erkennen sind. In der zweiten Variantemuss man dies sehen knnen um zum richtigen Ergebnis zu gelangen. Speziell bei rumli-chen Problemen, die im nchsten Kapitel behandelt werden, bietet sich die mehr formalistischemathematische Variante an.

  • 5.2 Rumliche Tragwerke 47

    5.2 Rumliche Tragwerke

    Ein Krper hat im Raum sechs Freiheitsgrade: drei translatorische und drei rotatorische. Diesemssen durch Lager eingeschrnkt werden, damit das System statisch bestimmt ist, d.h. esmssen sechs Lagerwertigkeiten gegeben sein.

    Eine Pendelsttze ist weiterhin ein einwertiges Lager. Eine gelenkige Lagerung hingegen drei-wertig und eine feste Einspannung sechswertig. Das Vorgehen ist im Raum gleich wie in derEbene, nur mssen nun sechs Unbekannte mit sechs Gleichgewichtsbedingungen, den dreiKrftegleichgewichten und den drei Momentengleichgewichten, gelst werden. Dies soll An-hand eines Beispiels erlutert werden.

    BEISPIEL 5.2.1 : Rechtwinkliger rumlicher Balken mit fester Einspannung

    Fr den Bild 5.5 dargestellten Balken sollen die Lagerreaktionen berechnet werden. Er ist durchein freies Moment M0, zwei Einzelkrfte F1,F2 und eine Streckenlast q0 belastet.

    F1

    q0 F2

    M0

    a

    b

    (a) Problemstellung

    F1

    F2

    M0b2

    MAy

    Ay

    MAx Ax

    MAz

    Az

    q0b

    (b) Freischnitt

    Bild 5.5: Problemstellung und Freischnitt zur Berechnung der Lagerreaktionen eines rumli-chen Balkens

    Es sind hier, ebenso wie im Beispiel fr ebene Tragwerke, zwei Lsungsmethoden mglich.Zum einen ber eine mathematisch vektorielle Betrachtung und zum andern die anschaulicheVariante. Es wird hier die zweite aufgezeigt, da das Beispiel einfach genug ist.

    Die drei Krftegleichgewichte lauten

    Fix = 0 = Ax+F1 Ax =F1Fiy = 0 = AyF2 Ay = F2Fiz = 0 = Azq0b Az = q0b .

    Die drei Momentenbilanzen bezogen auf den Punkt A sind

    MAix = 0 = MAx+M0q0bb2 MAx = q0b2

    2M0

  • 48 5 Lagerreaktionen

    MAiy = 0 = MAy+aq0b MAy =q0baMAiz = 0 = MAzF2a MAz = F2a .

    In diesem einfachen Beispiel lieen sich die Lagerreaktionen direkt aus den einzelnen Glei-chungen bestimmen. Im Allgemeinen ergeben sich jedoch sechs gekoppelte Gleichungen frdie sechs Unbekannten. Bei etwas komplizierteren Beispielen ist zu empfehlen, analog zumebenen Fall, alle Kraft-, Momenten- und Ortsvektoren aufzustellen, und dann die Gleichge-wichte als Vektorgleichungen zu formulieren.

    5.3 Mehrteilige Tragwerke

    Tragwerke bestehen oft aus einer Vielzahl von Krpern, die in geeigneter Weise miteinanderverbunden sind. Die Verbindungselemente knnen Krfte und/oder Momente bertragen. Mitdem Schnittprinzip knnen diese sichtbar gemacht werden. In folgenden werden nur ebenemehrteilige Tragwerke betrachtet. Die Erweiterung auf rumliche mehrteilige Systeme ist leichtmglich.

    Die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen eines mehrteiligen Tragwerks knnen z.B.Pendelsttzen oder Gelenke sein. Trennt man diese Verbindungen, dann mssen entsprechen-de Krfte angebracht werden. Wie in Bild 5.6 dargestellt ist, kann die Pendelsttze nur eineZug oder Druckkraft bertragen. Beim Gelenk hingegen werden sowohl horizontale als auch

    (a) Schematische Darstellung

    N N

    Gx

    Gy

    GxGy

    Pendelsttzeeinwertig

    Gelenkzweiwertig

    (b) Freischnitt

    Bild 5.6: Typische Verbindungselemente zwischen den Teilen eines mehrteiligen Tragwerks

    vertikale Krfte bertragen. Diese mssen bei einem Freischnitt dann entsprechend angebrachtwerden (siehe Bild 5.6).

    Die Verbindungskrfte unterliegen dem Wechselwirkungsgesetz (actio = reactio), d.h. sie sindentgegengesetzt gleich gro am jeweiligen Teilkrper. Nach dem Freischnitt stehen dann zwei

  • 5.3 Mehrteilige Tragwerke 49

    (oder mehr) Einzelsysteme zur Verfgung, die jeweils den drei Gleichgewichtsbedingungenunterliegen. Damit ist ein n-teiliges System statisch bestimmt, wenn die Summe der Lager- undGelenkwertigkeiten gleich der Anzahl der verfgbaren Gleichgewichtsbedingungen (3 n) istund das System weder wackelig noch beweglich ist. Zwei Beispiele sind in Bild 5.7 zu finden.

    2

    2

    2 = 6

    (a) stabil statisch bestimmt

    2 2 2 = 6

    (b) statisch bestimmt, aber wackelig

    Bild 5.7: Statisch bestimmte, aber teilweise kinematisch unbestimmte, zweiteilige Tragwerke

    Zwei Prototypen von mehrteiligen Tragwerken sollen noch vorgestellt werden. Dies sind derDreigelenk-Bogen und der Gerbertrger. In Bild 5.8 ist ein Dreigelenk-Bogen und der dazuge-hrige Freischnitt dargestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass zu den vier Lagerreaktionen noch

    F F

    (a) Schematische Darstellung

    F FGx

    Gy

    GxGy

    AxAy

    BxBy

    actio=reactio

    (b) Freischnitt

    Bild 5.8: Dreigelenk-Bogen

    zwei Gelenkkrfte hinzukommen. Dies sind sechs Unbekannte. Es stehen jedoch pro Teilsystemdrei Gleichungen zur Verfgung, also im ganzen sechs Gleichungen. Damit ist das System sta-tisch bestimmt, und folglich auch lsbar. Anstatt die zwei Teilsysteme zu betrachten kann auchalternativ ein Teilsystem und das Gesamtsystem betrachtet werden. Dies liefert ebenfalls sechsGleichungen fr sechs Unbekannte. Dies wird am Beispiel eines mehrfach gesttzten Durch-lauftrgers mit Entlastungsgelenken, ein so-genannter Gerbertrger, im Folgenden vorgefhrt.

    BEISPIEL 5.3.1 : Gerbertrger

    In Bild 5.9 ist ein zweiteiliger gelenkig verbundener Trger unter der Last F gegeben. Es sollendie Gleichungssysteme aufgestellt werden, die fr eine Berechnung der Lagerreaktionen ntigsind.

  • 50 5 Lagerreaktionen

    `

    ` `

    b

    F

    Bild 5.9: Gerbertrger mit Abmessungen

    Das System hat ein Lager mit Wertigkeit 2 und zwei Lager mit jeweils 1. Das Gelenk trgt mitzwei Freiheitsgraden zum System bei. Diesen sechs Freiheitsgraden stehen sechs Gleichungen,drei aus jedem Teilsystem gegenber, d.h. das System ist statisch bestimmt. Ohne das Gelenkwre der Trger einfach statisch berbestimmt.

    In Bild 5.10 ist der Freischnitt des Gesamtsystems als auch der zwei Teilsysteme zu sehen, wennman das System am Lager auftrennt. Damit knnen gengend Gleichungen zur Bestimmung der

    B C

    F

    Ax Ay

    (a) Gesamtsystem

    Ax Ay

    Gx

    Gy

    (b) Teil 1

    B C

    FGx

    Gy

    (c) Teil 2

    Bild 5.10: Freischnitt des Gesamt- und der Teilsysteme

    Unbekannten aufgestellt werde. In Bild 5.10 sind eigentlich mehr Mglichkeiten gegeben, alsntig wren. Es kann ausgesucht werden, fr welche Systeme man die Gleichungen aufstellt.Es mssen nur am Schluss sechs unabhngige Gleichungen zur Verfgung stehen.

    Eine Variante wre die beiden Teilsysteme zu benutzen. Dies fhrt auf die Gleichungen

    Teil 1: Fix = 0 = Ax+Gx Teil 2: Fix = 0 = F cosGxFiy = 0 = Ay+Gy Fiy = 0 = B+CF sinGyMiG = 0 = `Ay MiG = 0 = `B+2`CbF sin ,

    wobei pro Teilsystem nicht unbedingt zwei Krfte- und eine Momentenbilanz zu whlen sind.Es knnen auch andere Kombinationen gewhlt werden.

    Mchte man nur die Lagerreaktionen berechnen und ist an den Gelenkkrften nicht interessiert,dann bietet sich folgende Kombination von Systemen und Gleichungen an

    Teil 1: Fix = 0 = Ax+Gx Gesamtsystem: Fix = 0 = Ax+F cos

  • 5.3 Mehrteilige Tragwerke 51

    Fiy = 0 = Ay+Gy Fiy = 0 = Ay+B+CF sinMAi = 0 = `Ay MGi = 0 = 2`B+3`C (`+b)F sin .

    Dabei benutzt man vom Teilsystem nur die Momentenbilanz um G und hat dann mit den Glei-chungen des Gesamtsystems gengend Gleichungen um die vier Unbekannten zu finden. Na-trlich knnen damit auch die Gelenkkrfte berechnet werden.

  • 52 5 Lagerreaktionen

  • 6 INNERE KRFTE IN TRAGWERKEN

    Nachdem nun in den vorherigen Kapiteln zuerst die Grundlagen gelegt wurden um Lagerreak-tionen zu berechnen, und danach diese selbst, sollen in diesem Kapitel die so-genannten innerenKrfte betrachtet werden. Dies ist eine Voraufgabe, um in der Festigkeitslehre die Spannungenin einem Bauteil zu bestimmen, die dann wiederum als Basis fr die Bemessung von Bauteilenund Auswahl der ntigen Materialien gebraucht werden.

    Die ntigen Voraussetzung zur Berechnung von inneren Krften sind

    die ueren Lasten mssen bekannt sein, d.h. die physikalischen Lasten sind gegeben die Auflagerreaktionen sind aus dem Gleichgewicht berechnet worden (diese Vorausset-

    zung kann spter wegfallen).

    6.1 Balken und Rahmen

    Rahmen sind Tragwerke aus abgewinkelten, starr miteinander verbundenen Balkenstcken.Ebene Balken und Rahmen sind im allgemeinen beansprucht auf Zug/Druck, Scherung (Schub)und Biegung. Im rumlichen Fall kommt noch Torsion hinzu.

    6.1.1 Schnittgren in der Ebene

    Die Schnittgren knnen im Prinzip genauso wie Lagerreaktionen berechnet werden. Es wirddabei allerdings nicht das Bauteil von seiner Umgebung getrennt, sondern der betrachtete Kr-per durchgeschnitten, so dass die Schnittgren sichtbar werden.

    Schnittprinzip zur Berechnung der SchnittgrenGedachte Schnitte legen Krfte und Momente frei, so dass diese aus Gleichgewichtsbetrach-tung am Teilkrper berechenbar werden.

    Die Gleichgewichtsbetrachtung am durchgeschnittenen Bauteil, also am Teilkrper, erfordertdie Kenntnis der Lagerreaktionen. Diese Vorgehensweise ist beispielhaft in Bild 6.1 an ei-nem gewinkelten Trger, dessen Lagerreaktionen vorab berechnet wurden, gezeigt. Der Schnitt

    53

  • 54 6 Innere Krfte in Tragwerken

    F1

    F2

    F3

    Ax

    Ay

    B

    Schnitt

    (a) Trger mit Lagerreaktionen

    F1F2

    F

    Ax

    Ay My

    (b) Freischnitt zur Berechnung innerer Krfte

    Bild 6.1: Schnittprinzip zur Ermittelung innerer Krfte

    kann an einer beliebigen Stelle gefhrt werden. Es werden an der Schnittflche unbekannteflchenhaft verteilte Krfte freigelegt (siehe Bild 6.1(b)). Um diese zu berechnen werden sieauf ihre Resultierende und das resultierende Moment (Bezugspunkt ist der Schwerpunkt) redu-ziert. Beide Resultierende, Kraft und Moment, sind in Bild 6.1(b) gestrichelt dargestellt. Dieresultierende Kraft wird weiter in eine Normalkomponente, die Normalkraft N, und in eineTangentialkomponente, die Querkraft Qz, zerlegt (siehe Bild 6.2). Damit ist N,Qz und My be-

    F1F2

    N

    Ax

    Ay My

    Qz

    Bild 6.2: Zusammenfassung der Schnittkrfte zu Normalkraft N, Querkraft Qz und Biegemo-ment My

    rechenbar. Die Lage des Schnitts wird durch die Bogenlnge s gekennzeichnet und ein lokalesKoordinatensystem (x,y,z) eingefhrt, das immer entlang der Balkenachse mitgefhrt wird(siehe Bild 6.3). Durch den Schnitt wird das Tragwerk in zwei Teilsysteme zerlegt. Es gilt imSchnitt actio=reactio fr die Schnittgren. In Bild 6.3 sind beide Teilsysteme dargestellt, wo-bei die Krfte durch ihre Betrge gekennzeichnet wurden, und die Richtung durch die Pfeilereprsentiert wird. Am linken Teilsystem liegt das linke positive Schnittufer. Es ist dadurchcharakterisiert, dass die Bogenlnge s (in Bild 6.3 die Koordinate x) aus dem Schnitt herauszeigt, also in Richtung der ueren Flchennormalen. Am rechten Teilsystem liegt das rechtenegative Schnittufer, bei dem folglich s in den Schnitt hinein zeigt, also entgegen der uerenFlchennormalen.

    Fr die Berechnung der Schnittgren wird folgende streng zu beachtende Konvention einge-fhrt.

  • 6.1 Balken und Rahmen 55

    F1 F2

    N

    Ax

    Ay MyQz

    xy

    z xy

    z

    MyQzN

    B

    Bild 6.3: Linkes und rechtes Teilsystem mit den entsprechenden Schnittufern

    Konvention zur Berechnung von Schnittgren

    Positive Schnittgren zeigen am positiven Schnittufer in die (lokal) positive Koordinaten-richtung.

    Durch eine Gleichgewichtsbetrachtung an einem der beiden Teilsysteme knnen damit dieSchnittgren berechnet werden, d.h. es gilt

    N aus Fix = 0

    Qz aus Fiz = 0

    My aus MSi = 0

    wahlweise an einem der beiden SchnittuferDer Bezugspunkt fr die Momentenbilanz wird zweckmig in den Schwerpunkt des Schnittu-fers gelegt. Wenn die Schnittgren dann positiv berechnet werden, war die Richtungsannahmekorrekt, ansonsten zeigt die Schnittkraft oder das Schnittmoment in die zur Zeichnung entge-gengesetzte Richtung.

    6.1.2 Berechnung und Darstellung

    Das Resultat einer Berechnung von Schnittgren ist eine Funktion der Koordinate x, derBalkenachse. Man spricht von dem Normalkraft-, Querkraft- und Biegemomentenverlauf. AnKraft- oder Momenteneinleitungsstellen sind Knicke oder Sprnge, also nderungen in diesenFunktionsverlufen zu erwarten. Daher muss der Balken gedanklich in Bereiche eingeteilt wer-den, in denen sich nichts unstetig ndert. In jedem dieser Bereiche wird dann das Schnittprinzipangewandt und pro Bereich die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt.

    Am Beispiel eines geraden Balkens soll dies im Folgenden demonstriert werden.

  • 56 6 Innere Krfte in Tragwerken

    BEISPIEL 6.1.1 : Schnittgren am geraden Balken

    Es ist ein gerader Balken gegeben, der an seinem linken Lager zweiwertig und an seinem rechtenLager einwertig gelagert ist. Die Balkenlnge ist ` und die Belastung F erfolgt an der Stelle `1vom linken Lager aus gemessen.

    Die Lagerreaktionen werden aus einer globalen Gleichgewichtsbetrachtung berechnet. Derdazugehrige Freischnitt ist in Bild 6.4 dargestellt. Die Gleichgewichtsbedingungen lauten

    F Fz

    FxAx

    Az

    xy

    z `1

    `

    B

    Bild 6.4: Freischnitt eines Balkens unter der Einzelkraft F

    Fix = 0 = Ax+Fx Ax =FxFiz = 0 = B+AzFz = 0 Az = Fz

    (1 `1

    `

    )MA = 0 = B`Fz`1 B = `1` Fz .

    Damit knnen die Schnittgren bereichsweise, einmal vor der Krafteinleitungsstelle und ein-mal nach dieser, berechnet werden. Die bereichsweise Berechnung erfolgt, da durch die ein-geleitete Kraft Fx die Normalkraft und durch die eingeleitete Kraft Fz die Querkraft springt.Im Bereich I 0 x `1 werden die Gleichgewichtsbedingungen am linken Teilsystem nachBild 6.5(a) aufgestellt

    Fix = 0 = Ax+NI NI = FxFiz = 0 = QzIAz QzI = Fz

    (1 `1

    `

    )MS = 0 =Azx+MyI MyI = Fz

    (1 `1

    `

    )x .

    NIAx

    Az

    MyI

    QzI

    (a) Bereich I: 0 x `1

    NIIAx

    Az

    MyII

    QzII

    FxFz

    (b) Bereich II: `1 x `

    Bild 6.5: Freischnitte der einzelnen Bereiche

  • 6.1 Balken und Rahmen 57

    Im Bereich II `1 x `werden die Gleichgewichtsbedingungen ebenfalls am linken Teilsystem(siehe Bild 6.5(b)) formuliert

    Fix = 0 = Ax+Fx+NII NII =AxFxFiz = 0 = QzIIAz+Fz QzII = AzFz =Fz `1`MS = 0 = MyIIAzx+Fz (x `1) MyII = AzxFz (x `1)

    = Fz

    (1 `1

    `

    )xFz (x `1)

    = Fz`1(

    1 x`

    ).

    Die Berechnung am linken Teilsystem wurde hier vorgefhrt um die prinzipielle Vorgehenswei-se zu erlutern. In diesem Falle wre jedoch eine alternative Rechnung am rechten Teilsystemim Bereich II mglich und der effektivere Weg.

    AxAz

    F

    B

    Ax

    N

    Fx

    xNormalkraftlinie

    Az

    Qz

    x

    Fz

    B

    Querkraftlinie

    My

    x

    Momentenlinie

    Mmax = Fz `1 (1 l1l )

    Bild 6.6: Schnittgrenverlufe

    Die Schnittgren sind Funktionen von x. Damit bietet sich eine graphische Darstellung wie inBild 6.6 an, um den prinzipiellen Funktionsverlauf zu studieren, und auch um Maximalwerte

  • 58 6 Innere Krfte in Tragwerken

    besser zu erkennen. Sinnvollerweise werden die Schnittgrenverlufe untereinander unter demschematischen Bild des Balkens dargestellt.

    Wie am Anfang vermutet, hat die Querkraft- und Normalkraftlinie einen Sprung an der Kraftein-leitungsstelle (in der Gre der eingeleiteten Kraft). Das Moment hat nur einen Knick, da keinfreies Moment eingeleitet wird.

    6.1.3 Streckenlast

    Ist der Balken durch eine so-genannte Streckenlast, d.h. eine verteilte Last pro Lnge (entspre-chend einer Funktion q(x)), belastet, dann existieren zwei Mglichkeiten um die Verlufe derSchnittgren zu bestimmen. Dies ist einmal die Integration der Funktion q(x), oder das Zu-sammenfassen dieser Funktion zu einer Resultierenden. Beide Wege werden am Beispiel eineseinfachen Balkens (siehe Bild 6.7) im Folgenden demonstriert.

    q(x)

    Bild 6.7: Statisch bestimmt gelagerter Balken belastet durch eine Streckenlast

    1. Lsungsweg mit Integration

    Der Freischnitt zur Berechnung der Schnittgren ist in Bild 6.8 zu sehen. Die dazuge-

    NAx

    Az

    MyQz

    dx

    xz

    Bild 6.8: Freigeschnittener Balken bei einer Streckenlast: Integration

    hrigen Gleichgewichtsbedingungen sind

    Fix = 0 = N+Ax (6.1a)

    Fiz = 0 =Az+Qz+xZ

    0

    q()d (6.1b)

  • 6.1 Balken und Rahmen 59

    MS = 0 =Azx+My+xZ

    0

    q()(x)d . (6.1c)

    Die Gleichungen in (6.1) sind mit bekannten Auflagerreaktionen lsbar.

    2. Lsungsweg mit der resultierenden Einzelkraft

    Der Freischnitt zur Berechnung der Schnittgren fr den Fall, dass die Streckenlastdurch eine resultierende Einzelkraft ersetzt wird, ist in Bild 6.8 zu sehen. Darin ist die

    NAx

    Az

    MyQz

    F

    x

    z

    Bild 6.9: Freigeschnittener Balken bei einer Streckenlast: Resultierende

    Resultierende F gestrichelt eingezeichnet. Diese Kraft und ihr Angriffspunkt berechnensich entsprechend (siehe Kapitel 4.2)

    F =xZ

    0

    q()d xs =R x

    0 q()dR x0 q()d

    . (6.2)

    Damit kann das Gleichgewicht formuliert werden

    Fix = 0 = N+Ax (6.3a)Fiz = 0 =Az+Qz+F (6.3b)MS = 0 =Azx+My+F (x xs)

    =Azx+My+ xxZ

    0

    q()dFR x

    0 q()dF

    =Azx+My+xZ

    0

    q()(x)d . (6.3c)

    Natrlich sind beide Wege gleichwertig. Es ist problemabhngig zu entscheiden wie gerechnetwird.

  • 60 6 Innere Krfte in Tragwerken

    6.1.4 Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgren

    Die auf einen Balken wirkende Krfte knnen in horizontale und vertikale Komponenten zer-legt werden. Dazu kommen noch Momente. Der allgemeinste Fall ist eine verteilte Last oderMoment anzunehmen. Daraus knnen durch entsprechende mathematische Funktionen auchEinzelkrfte und -Momente beschrieben werden, d.h. die Lasten eines infinitesimalen Balken-elements dx sind

    q(x) Streckenlast (quer) n(x) Streckenlast (lngs) m(x) Streckenmoment.

    In Bild 6.10 ist ein Freischnitt solch eines allgemein belasteten Balkenstcks dargestellt. Die

    dx

    My My+dMyQz

    Qz+d