Medialität und Interdiskursivität. Rolf Parr (Universität Bielefeld) Oder: Eine andere Antwort...

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Medialität und Interdiskursivität. Rolf Parr (Universität Bielefeld) Oder: Eine andere Antwort auf die Frage ›Was ist Kultur?‹

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Medialität und Interdiskursivität.

Rolf Parr (Universität Bielefeld)

Oder: Eine andere Antwort auf die Frage ›Was ist Kultur?‹

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Medien-Definitionen stellen heraus:

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a) mal die technische Basis von Medien (Pyramide, Schreibmaschine, Telegrafenmast,

Funkübertragung, Digitalisierung)

b) mal ihre Funktion (Zeichenvorräte und Kanäle für Kommunikation

bereitstellen; Informationen speichern)

c) mal gesellschaftliche Bezüge (Konstruktionen kultureller Gegenstände;

Manipulation der Mediennutzer).

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Schwache und starke Bedeutungsvariante von ›Medien‹

Die schwache sieht das Medium als einen Informations- oder Kommunikationsträger, der auf das Übertragene nicht zwangsläufig einwirkt. Das Medium bleibt hier In-strument. [...] Die starke Bedeutungsvariante betrach-tet das Medium als einen Träger von Informationen, der diese nicht mehr oder weniger neutral vermittelt, sondern sie grundsätzlich prägt, sich ihnen medienspe-zifisch einschreibt und dadurch dem menschlichen Zu-griff auf Wirklichkeit Form verleiht. Den Medien wird hier eine nicht steuerbare, von ihrer Form stärker als ihrem Inhalt beeinflußte Wirkung zugeschrieben [...]

(Jochen Schulte-Sasse in »Ästhetische Grundbegriffe«, Bd. 4, S. 1ff.)

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Kleine Synopse relevanter Begriffe

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Spezial- und Interdiskurse (1)

Der Ausdifferenzierung moderner Ge-sellschaften in hochgradig speziali-sierte Wissensbereiche korrespondiert die Ausbildung relativ geschlossener Spezialdiskurse.

Spezialdiskurse sind verfestigte For-men der Rede innerhalb ausdifferen-zierter Wissensbereiche.

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Spezialdiskurse / Interdiskurs

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Spezial- und Interdiskurse (2)

Interdiskurse haben demgegenüber re-integrierende Funktion. Sie stellen ›Brückenschläge‹ über die Grenzen von Spezialdiskursen hinweg dar.

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Spezial- und Interdiskurse (3)

Elemente von Interdiskursen sind analogiebildende Verfahren wie

Metaphern und Kollektivsymbole, Narrative Schemata Stereotypen, Mythen, Charakter(feind)bilder

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Financial Times Deutschland (1)

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Financial Times Deutschland (2)

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Financial Times Deutschland (3)

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Financial Times Deutschland (4)

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Financial Times Deutschland (5)

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Financial Times Deutschland (6)

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A. Merkel: Rede am 27.11.2006 Nach der Weltmeisterschaft im eigenen Land, nach die-

sem einzigartigen Erlebnis der Gemeinschaft, des natio-nalen Zusammengehörigkeitsgefühls, der Freude und der Weltoffenheit sage ich es einfach in der Sprache des Fußballs: Ein Jahr nach der Bundestagswahl befinden wir uns in der 23. Minute eines Fußballspiels. Ja, wir haben schon einige tolle Tore geschossen. Ja, wir hatten einige gute Chancen, aber gewonnen ist noch gar nichts. Weitere 67 Minuten Spielzeit liegen vor uns. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, Chancen für Deutschland heraus-zuholen und sie zu nutzen.

Wir müssen uns weiter anstrengen, nicht nur die ersten 23 Minuten zu gewinnen, sondern das ganze Spiel. Als Teamchefin habe ich dabei die Aufgabe, dass wir mög-lichst viele Chancen für Deutschland und für die Men-schen in diesem Land nutzen

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Zuordnung der P- und S-Elemente

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Pictura Subscriptio

P1: wir befinden uns in der 23. Minute eines Fußballspiels S1: ein Jahr nach der Bundestagswahl

P2: wir haben schon tolle Tore geschossen S2a: [wir haben einige unserer politischen Vorhaben durchgesetzt]S2b: [wir haben Deutschland weiter gebracht]S2c: [wir haben der Opposition Abstimmungsniederlagen beigebracht]

P3: wir hatten einige gute Chancen S3: [politische Möglichkeiten]

P4: gewonnen ist noch gar nichts S4: [es ist noch nicht sicher, dass wir das nächste Mal wiedergewählt werden]

P5: 67 Minuten Spielzeit liegen noch vor uns S5: [noch 3 Jahre bis zur nächsten Wahl]

P6: weitere Möglichkeiten, Chancen für Deutschland zu holen

S6: [weitere politische Vorhaben verwirklichen]

P7: nicht die ersten 23 Minuten gewinnen, sondern das Spiel S7: [weiter machen Leute!]

P8: Teamchefin S8a: [Parteivorsitzende Merkel]S8b: [Bundeskanzlerin Merkel]

P9: Chancen für Deutschland nutzen S9: [Politik wirklich umsetzen]

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Definitionsmerkmale von Kollektivsymbolen Kollektivsymbole sind zweigliedrig aufgebaut. Sie besitzen eine

Bildseite (Pictura) und eine des eigentlich Gemeinten, des Sinns (Subscriptio).

Die Bildseite besteht aus mehreren zusammengehörigen Teil-Elementen, Teil-Bildern.

Die Beziehung zwischen den beiden Seiten von Pictura und Subscriptio ist nicht völlig willkürlich, sondern motiviert, in der Regel semantisch motiviert.

Kollektivsymbole erfüllen das Kriterium der Ikonizität, d.h. die Pictura-Elemente können bildlich dargestellt werden.

Kollektivsymbolen tendieren zur Polysemie, zur Mehrdeutig-keit: unter einem Bild können mehrere und durchaus verschie-dene Bedeutungen gebildet werden.

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Textbeispiel:»Westdeutsche Allgemeine Zeitung«

Wenn die Preise ins Kraut schießen, müssen sie einen Dämpfer erhalten. Und wenn dem Konjunkturmotor Überhitzung droht, muss frisches Kühlwasser her. Zur Abwehr der Inflationsgefahren sind die Hüter der Preisstabilität aufgeru-fen, ihre Instrumente einzusetzen. Gestern hat die Europäische Zentralbank (EZB) gehandelt. Und die Leitzinsen für den Euro erhöht.Doch an der Preisfront lodern gar keine Feuer. Es gab nichts zu löschen. Und so bestand auch kein Anlass, wegen gestiegener Preise die geldpolitischen Zügel zu straffen.Es ist wohl eher der Sturzflug des Euro, der die EBZ an der Zinsschraube drehen ließ. Sozusagen in der Rolle als Währungshüter. [...]Auch nach der Erhöhung der Leitzinsen ist kein Ende der Talfahrt abzusehen. [...]Der schwache Eurokurs wird von einigen Politikern und Wirtschaftsfachleuten sogar insgeheim begrüßt. Denn ohne Zweifel wirkt jeder Euro-Cent, den die europäische Währung gegenüber dem Dollar und dem englischen Pfund ver-liert, wie eine Konjunkturspritze zugunsten der europäischen Exportwirtschaft.

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Analysebeispiel: »Börse im Ersten«

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Kreative Schreibaufgabe

Schreibaufgabe

Bitte verfassen Sie einen Text für eine Heirats-annonce in der »Zeit« und benutzen dabei Kollektivsymbole. Es kommt nicht darauf an, Ihren tatsächlichen Herzenswünschen Ausdruck zu verleihen. Es soll vielmehr ein fiktiver Text entstehen. 20 Zeilen sollten allein aus Kosten-gründen ausreichen.

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Beispieltexte von Studierenden (1)

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Beispieltexte von Studierenden (2)

Ich (Erstligaspieler, 25) möchte Stürmer deines Herzens werden. Ich habe keinen Lattenschuss, bin absolut spielverrückt und kein Mann für die Reservebank. Bei mir gibt es keine Fouls, es ist immer ein Tor für dich offen. Mit mir erlebst du die schönsten 90Minuten deines Lebens – gerne auch mit Verlängerung! Kann unser Spiel beginnen? Kann ich dich aus der Defensive locken? Zeigst du mir die grüne Karte? Dann melde dich. Dein Libero.

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Beispieltexte von Studierenden (3)

Kapitän für mein Dreamteam gesucht! Wenn du so dunkle Haare hast wie Ulf Kirsten, so dunkle Augen wie Michael Ballack hast, so groß wie Jens Lehmann bist, so viel Temperament wie Giovanni Trapattoni besitzt und gut am Mann sowie treffsicher bist, dann sichere ich mir sofort die Transferrechte. Meld dich bei mir.

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Beispieltexte von Studierenden (4)

Suche dich zur Gründung einer Nachwuchsmannschaft. Bist du technisch versiert, gut am Ball und siehst nicht aus wie Rainer Calmund, dann sag mir deine Ablösesumme. Eigenes Stadion vorhanden.

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Beispieltexte von Studierenden (5)

Wann treffe ich mal wieder zwischen die Pfosten und in dein Herz? Bin stark im Angriff und Gefühlvoll im Abschluss. Bin zwar nicht so reich wie Olli Kahn, nicht so hübsch wie Michael Ballack und auch nicht so jung wie Lukas Podolski, aber auf die Auswechselbank gehöre ich noch lange nicht. Hoffentlich zeigst nicht auch du mir die rote Karte.

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Beispieltexte von Studierenden (6)

Gutgebauter, erfolgreicher Stürmer sucht für die zweite Halbzeit und Verlängerung neues Spielfeld zum Austoben und Ballversenken. Erstligavereine bevorzugt, gerne auch fremder Rasen.

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Beispiel »Die Zeit«

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EndeVielen Dank!