Mehr Sicherheit in der Lebenswelt von kleinen Kindern ......Landesamt für Arbeitsschutz,...

Landesamt für Arbeitsschutz,

Verbraucherschutz und Gesundheit

Abteilung Gesundheit

Mehr Sicherheit in der Lebenswelt von kleinen

Kindern – Beispiel Trampolinunfälle

Dr. Gabriele Ellsäßer

Abteilung Gesundheit im Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit

des Landes Brandenburg

Rezertifizierung Safe Community, 18.11.2017 Delmenhorst

*Fotoquelle:reer GmbH



Abteilung Gesundheit Inhalt

Unfallgeschehen im Kindesalter

Trampolinunfälle

Ausblick

Empfehlungen in Amerika

Was benötigen wir in Deutschland?

18.11.2017 Rezertifizierung Safe Community, Delmenhorst 2




Tödliche Unfälle - ein unterschätztes

Gesundheitsproblem

Ab dem Alter von einem Lebensjahr sind

Verletzungen die häufigste Todesursache bei

Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Im Jahr 2015 waren insgesamt 473 tödliche Verletzungen

bei Kindern und Jugendlichen zu beklagen, darunter 253

Kinder unter 15 Jahren

Legt man die europaweit niedrigste Rate der

tödlichen Verletzungen bei Kindern von

Großbritannien zugrunde, würde dies für

Deutschland eine Verringerung um 60

Todesfälle bedeuten


Ellsäßer G (2017) Unfälle, Gewalt, Selbstverletzung bei Kindern

und Jugendlichen. Ergebnisse der amtlichen Statistik zum

Verletzungsgeschehen 2014. Statistisches Bundesamt (Hrsg.),

Wiesbaden




Seit Jahren gilt unverändert

Säuglinge und kleine Kinder

haben das höchste Risiko von

allen unter 15-Jährigen an einem

tödlichen Unfälle zu sterben

Unfallschwerpunkt ist der

häusliche Bereich

Jungen höheres Risiko als

Mädchen

Tödliche Verletzungen durch Unfälle

kleine Kinder: höchstes Risiko

Albrecht M, Ellsäßer G (2016) Unfälle im Kleinkindalter– Wie können evidenzbasierte Maßnahmen

erfolgreich in der Beratung von Eltern umgesetzt werden? pädiatrische praxis 86:187–201





Schwere Unfälle - ein unterschätztes

Gesundheitsproblem

Rund 200 000 Kinder unter 15 Jahren mussten wegen einer

Verletzung im Krankenhaus behandelt werden

Verletzungen sind bei kleinen Kindern der zweithäufigste Grund für

die Aufnahme in ein Krankenhaus





Schwere Unfälle - ein unterschätztes

Gesundheitsproblem

Kopfverletzungen,

Verbrennungen, Verbrühungen

und Vergiftungen sind seit

Jahren am häufigsten bei

Säuglingen und kleinen Kindern

bezogen auf alle Kinder und

Jugendliche


Albrecht M, Ellsäßer G (2016) Unfälle im Kleinkindalter– Wie können evidenzbasierte

Maßnahmen erfolgreich in der Beratung von Eltern umgesetzt werden? pädiatrische praxis

86:187–201




Unfallgeschehen bei kleinen Kindern

und Lebensumwelt


Albrecht M, Ellsäßer G (2016) Unfälle im Kleinkindalter– Wie können evidenzbasierte Maßnahmen erfolgreich in der Beratung von

Eltern umgesetzt werden? pädiatrische praxis 86:187–201




Kognitiver Entwicklungstand von

kleinen Kindern

Rezertifizierung Safe Community, Delmenhorst 9 18.11.2017

Kleine Kinder verstehen nicht die Konsequenzen ihrer Handlungen:

Sie verstehen nicht die Gefahren, die von einer Handlung ausgehen

Sie entfernen sich nicht von Gefahrenquellen

Sie verstehen nicht, dass die Konsequenzen einer Handlung sich

wiederholen (z.B. wiederholtes Greifen nach einer brennenden Kerze)

Sie verstehen nicht den Sinn einer Handlungsanweisung, auch wenn sie

diese vielleicht wiederholen können

o “Parents assumed safety rules would prevent injuries and mostly

implemented rules in reaction to evidence of injury risk.

o Parents equated noncompliance with not understanding, assuming that

if children understood they would comply.” (Hayes et al. 2014)

Kinder wollen ihre Umwelt erforschen




Verletzungsdatenbank Die Europäische Verletzungsdatenbank (IDB) ist eine Datenquelle, die

standardisierte länderübergreifende Informationen über die externen

Ursachen von Verletzungen enthält, die in Notaufnahmen in der EU

behandelt werden.

IDB: Erkenntnisse zu Unfallhergängen

und Lebensumwelt





IDB Deutschland

beteiligte Krankenhäuser






Die 5 häufigsten an Unfällen beteiligten

Produkte bei Kindern unter 5 Jahren (IDB Brandenburg N=5729 Unfälle, 2008-2014)

Rang Haus innen Spielplatz Haus außen Verkehr Kita

1 Treppen, Stufen Klettergeräte Kinderfahrzeug Fahrrad Klettergeräte

2 Sitz/Liegemöbel Rutschen Treppen, Stufen Kinderwagen Sitz/Liegemöbel

3 Hochbett

Andere

Spielgeräte Fahrrad Kinderfahrzeug Treppen, Stufen

4 Elternbett Schaukeln Trampolin Schnee, Eis Kinderfahrzeug

5 Fliesenfußboden Trampolin Schaukeln Roller Rutschen

Bei 80% der Unfälle von kleinen Kindern (<5 Jahre) sind Produkte beteiligt (Ergebnisse IDB

Leipzig, Bühligen 2012)




TRAMPOLINUNFÄLLE

(IDB DEUTSCHLAND)






IDB Deutschland

Methodik:

Fallanalyse der Datenbank von insgesamt N=17.338 Unfällen (2008-

2016) bei unter 18 Jährigen.

105 Trampolinunfälle (0,6 % der Unfälle der Altersgruppe)

Durchschnittliches Alter: 7,8 Jahre

Geschlechtsverhältnis männlich/ weiblich: 49,5 %:50,5 %





Trampolinunfälle (n=105) nach Alter

36,2 % (n=38)




Unfälle und Hergänge

1 Jahr: Das Kind sei auf einem Trampolin gesprungen und habe sich

unbeobachtet am rechten Bein verletzt (Unterschenkelbruch)

4 Jahre: Beim Trampolinspringen mit dem linken Bein "umgeknickt",

dabei habe es laut geknackt (Bruch des Unterschenkelschaftes,

öffentlicher Spielplatz).

7 Jahre: Im Sportunterricht Trampolin gesprungen und auf Kopf und

Rücken gefallen (Prellung des Kopfes).

13 Jahre: Sturz beim Trampolinspringen nach einem Salto (Bruch des

Oberarmes und Epicondylus, Sporthalle)






Trampolinunfälle (n=103)

nach Unfallort

13,6%

6,8%

42,7%

4,9% 4,9%

14,6% 12,6%

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

45%

Schule undSportplatz

Wohnbereich innen

Wohnbereichaußen inkl.

Garten

Kindergarten Freizeitpark Spielplatz weitereSportstätte

%-Anteil der Trampolinunfälle (n=103) nach Unfallort






nach Art der Behandlung

Jeder 2. Trampolinunfall ist ein schwerer Unfälle, der eine Krankenhaus-

behandlung erforderte

Aktuellste Daten 2016/2017

aus dem Ernst von Bergmann

Klinikum (Dr. Degenhardt):

„Nur“ 11 % der insgesamt

verletzten und behandelten

unter 18-Jährigen (n= 1.231)

mussten in Potsdam stationär

aufgenommen werden.

In der EU 20 % (EU IDB)






nach Verletzungsdiagnose

1. Unterarm

2. Oberarm

3. Unterschenkel

4. Oberschenkel

5. Hand




Riskantes Springen (Saltos, Überschläge) erhöht das

Risiko für Wirbelsäulen- und Kopfverletzungen (hier 3

Unfälle mit Salto in der Hergangsbeschreibung,

Frakturen)





AUSBLICK





Neu: Trampolinparks entstehen


Trampolinparks in vielen Ländern der EU (www. jump

house.de)

Problem: Keine Altersbegrenzung für Kinder bei der Nutzung

(ANEC-Meeting 03/2017)

Riskantere Nutzung: Saltos und Überschlag möglich ohne

fachliche Anleitung (Wandverkleidung fordert geradezu auf)




Rapex 2016

Indoor – Spielhalle: „Schlimmer

Sicherheits-Zustand“


„Kein Betreuungs- und Beobachtungspersonal an oder in den .

Geräten, keine Person zur entsprechenden Hilfeleistung

qualifiziert“.

„Kein Einblick in die fern gelegenen Geräte, der Weg zur

Hilfeleistung ist zu lang“.

„Der einzige Erste Hilfe Kasten befindet sich im Wickelraum und

ist bis auf 2 Wundauflagen leer“.

Quelle: http://www.rapex.de/2016/02/13/indoor-spielhalle-schlimmer-sicherheits-zustand/isches

Rapex: europäisches Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte

http://www.rapex.de/2016/02/13/indoor-spielhalle-schlimmer-sicherheits-zustand/isches














Neue Produktentwicklungen


Die Trampoline werden vom Durchmesser immer größer (300 bis

500 cm Durchmesser) und laden ein, dass mehrere Kinder das

Trampolin gleichzeitig benutzen Gefahr der Kollision

Ohne Fangnetz Varianten mit Fangnetz




Rückrufe seit 2011 Lidl-Eigenmarke "Crivit Sports" mit der

Artikelnummer IAN 45902


Veröffentlicht am Dienstag, 08. November 2011 08:00

Das Handelsunternehmen Lidl (Neckarsulm) warnt

hierzulande sowie in Nachbarländern vor der weiteren

Benutzung eines Trampolins mit Sicherheitsnetz. Unter

ungünstigen Umständen und als Folge von

Witterungseinflüssen kann das Sicherheitsnetz reißen,

wodurch die Sicherheit nicht mehr umfassend gewährleistet ist:

Es besteht die Gefahr, dass Personen vom Trampolin

fallen können.

Update vom 23.02.2012: Rund drei Monate nach Lidl´s Sicherheitshinweis

meldet das » Produktsicherheitsportal der Bundesanstalt für Arbeitsschutz

und -medizin, dass auch das Trampolin-Sicherheitsnetz des Anbieters

Freizeitwelt Garherr e. K. (Mirskofen) reißen kann.

www.produktrueckrufe.de

http://www.baua.de/de/Produktsicherheit/Produktinformationen/Rueckrufe-2012/02-Garherr.html




EMPFEHLUNGEN






Die Amerikanische Akademie für

Kinderheilkunde spricht sich gegen

Trampoline aus (2017)

“Don't buy a trampoline for your home!

Trampolines may be popular and a fun way to get exercise, but there are

safer ways to encourage your children to be physically active (playing a

team sport).

The AAP recommends that mini and full-sized trampolines never be used

at home, in routine gym classes, or on playgrounds.

They should only be used in supervised training programs

Only one person should be allowed on a trampoline at any given time.




Was fehlt in Deutschland

Es fehlen

– Warnhinweise der pädiatrischen Fachgesellschaften und des

Verbraucherschutzes

– Informationen der Eltern über die Gefährlichkeit von Trampolinen,

insbesondere für Kinder unter 6 Jahre






Zusammenfassung

Trampolinunfälle sind häufig schwere Unfälle: jeder 2. Unfall hatte

eine stationäre Behandlung zur Folge

Fast die Hälfte der verunfallten Kinder erlitt einen Knochenbruch

Mehr als ein Drittel der verletzten Kinder waren unter 6 Jahre

Trampoline sind ein beliebtes Produkt und Neuentwicklungen für den

Innen- und Außenbereich kommen auf den Markt

Trampolinspringen entwickelt sich zu einem beliebten indoor

Freizeitevent

Kleine Kinder sind besonders zu schützen – Elternbildung, aber auch

deutliche Warnhinweise für den Verbraucherschutz





Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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