Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II) · Michael Makala & Dr. Matthias Pietsch Gemeinsam mit dem...

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Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II) Bericht zur Tagung vom 26. bis 28. Juni 2015 an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in der Lutherstadt Wittenberg Herausgegeben vom Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt an der Studienstelle Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung/ Kirchliches Forschungsheim seit 1927, Lutherstadt Wittenberg

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Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II)

Bericht zur Tagung vom 26. bis 28. Juni 2015 an der Evangelischen Akademie

Sachsen-Anhalt in der Lutherstadt Wittenberg

Herausgegeben vom Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt an der Studienstelle Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung/ Kirchliches Forschungsheim seit 1927,

Lutherstadt Wittenberg

Inhalt des Tagungsbandes

Der Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt – Landwirtschaft in der Postwachstumsgesellschaft .................................................................................................... - 2 -

von Dr. Gerd Pfeiffer

Die BBN-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt e.V. ....................................................................... - 3 - von Dipl.-Ing. Michael Makala & Dr. Matthias Pietsch

Tagungsbeobachtungen ......................................................................................................... - 4 - von Andre Wolf

Und Gott sprach: Es werde Licht! Was heißt Schöpfungsverantwortung? .............................. - 7 - von Alf Christophersen

Die Landwirtschaft, die Landschaft schafft? Biodiversität in der Agrarlandschaft auf der Roten Liste ...................................................................................................................................... - 10 -

von Prof. Dr. Eckhard Jedicke, Hochschule Geisenheim University, Geisenheim

Landwirtschaft und Naturschutz - alles im Lot? .................................................................... - 23 - von Dr. Dr. Jörg Hoffmann, Julius Kühn Institut, Kleinmachnow

Land-Wirtschaft vs. Naturschutz? ......................................................................................... - 36 - Ein Stimmungsbild aus Betriebsbefragungen im Rahmen der ‚Greifswalder Agrarinitiative von Thomas Beil / Michael Succow

Stiftung zum Schutz der Natur

Erhaltung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften – Beispiele aus dem Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge .................................................................................... - 40 -

von Dr. Bernard Hachmöller, LRA Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Welchen Beitrag können Kompensationsmaßnahmen leisten? ............................................ - 44 - von Ines Pozimski - Landespflegerin bei der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH

Das Projekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“ ...................................................................... - 47 - von Dr. Heinrich Graf von Bassewitz

Bemerkungen zu Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II) ...................................................... - 49 - von Hubertus Bertling Ministerialrat a. D.

Ökosystemdienstleister Landwirtschaft? .............................................................................. - 51 - von Ralf-Uwe Syrbe Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden

Exkursion zu den Grenzelwiesen bei Beelitz und zum NSG „Belziger Landschaftswiesen ..... - 58 - Der Flächenpool Grenzelwiesen – Beispiel für Kompensationsmaßnahmen in der Agrarlandschaft von Martin Szaramowicz,

Flächenagentur Brandenburg GmbH

Exkursion zum NSG „Belziger Landschaftswiesen“ ............................................................... - 62 - von Norbert Eschholz

Projekt Luthergarten ............................................................................................................ - 65 - Die Autoren .......................................................................................................................... - 66 -

Herausgeber: Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt an der Studienstelle Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung/ Kirchliches Forschungsheim seit 1927, Lutherstadt Wittenberg

Redaktion: Siegrun Höhne, Beauftragte für den Kirchlichen Dienst auf dem Land der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

Dr. Gerhard Pfeiffer Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt an der Studienstelle Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung/ Kirchliches Forschungsheim seit 1927

Lutherstadt Wittenberg, Januar 2016 Satz: Micheline Fasbender

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Der Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt – Landwirtschaft in der Postwachstumsgesellschaft

von Dr. Gerd Pfeiffer

Der Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt (in der Postwachstumsgesellschaft) verantwortet gemeinsam mit dem BBN die Veranstaltungsreihe „Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften“ - diesmal die Nummer II.

Der seit November 2012 beim Kirchlichen Forschungsheim (Studienstelle für Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. V. in der Lutherstadt Wittenberg) neu konstituierte Arbeitskreis bemüht sich angesichts der sichtbaren von der Landwirtschaft mit verursachten Krisen – von Klimabedrohung über Ressourcenvernutzung, Umweltverschmutzung und Gesundheits-gefährdung – um Konzepte für eine Agrarwende.

Der Arbeitskreis möchte sich in die Diskussion um eine das Fortbestehen unserer Gesellschaft ermöglichenden Landwirtschaft einbringen. Für einen Arbeitskreis unter einem kirchlichen Dach heißt dies, die Evangelische Kirche in diesem Prozess mit Argumenten, Positionen und Konzepten für die notwendige gesellschaftliche Debatte zu unterstützen.

Die Tagungsreihe fügt sich organisch in die vom AK ausgewählten thematischen Inhalte und begonnen Aktivitäten.

Gerade erschienen ist das vom AK erarbeitete Thesenpapier zur heutigen Landwirtschaft „Neun Thesen zur Landwirtschaft“, in dem in populärer Darstellung die wichtigen Handlungsfelder aufgezeigt werden und der Versuch unternommen wird, eigene gemeindliche bzw. kirchliche Positionen für diesen Prozess zu gewinnen. Die wichtigen Problembereiche werden umrissen – in Thesen wie „Blühende Landschaften“, „Alles Bio- konventionell oder ökologisch“ oder „Landwirtschaft – eine Gefahr für die Bienen werden vor allem Fragen der Vielfalt in Agrarlandschaften behandelt.

Aufgrund des Anteils der als Lebensraum fungierenden landwirtschaftlich genutzten Flächen nimmt die Agrarwirtschaft eine Schlüsselstellung beim Erreichen der nationalen Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt ein. Gerade wird klar, dass die Ziele der 2007 vom Bundeskabinett verabschiedeten „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ dramatisch verfehlt werden. Statt der beabsichtigten Stabilisierung und Verbesserung der Situation kam es nach dem Etablieren von Klimaschutzmaßnahmen durch Einführung des „Erneuerbare Energien Gesetzes“, zu drastischem Lebensraumentzug für Pflanzen und Tiere – Maisflächen statt Brachen schafften diese Einbrüche. Als nachgewiesene Wirkung sind große Verluste bei den das offene Land bewohnenden „Feldvögeln“ zu beklagen (siehe Flade M. (2014*).

Mit der Tagung sollte die Problemlage umfassend erörtert, vor allem aber sollten Möglichkeiten für Not wendendes Handeln gesucht und hierfür Partner aus Praxis, Forschung, Planung, Verwaltung und Politik mobilisiert werden.

*Flade M. (2014); Von der Energiewende zum Biodiversitäts-Desaster – zur Lage des Vogelschutzes in Deutschland“, in Bericht zur Tagung „Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften!“ vom 20. bis 22. Juni- An der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. in der Lutherstadt Wittenberg Herausgegeben vom Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt an der Studienstelle Naturwissenschaft, Ethik und Bewahrung der Schöpfung/ Kirchliches Forschungsheim seit 1927, Lutherstadt Wittenberg

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Die BBN-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt e.V.

von Dipl.-Ing. Michael Makala & Dr. Matthias Pietsch

Gemeinsam mit dem Arbeitskreis Landwirtschaft und Umwelt des Kirchlichen Forschungsheims bei der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. unter der Schirmherrschaft der Michael-Succow-Stiftung „Zum Schutz der Natur“ hat die BBN-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt 2015 zum zweiten Mal eine Tagung ausgerichtet, welche sich einem für ein Agrarland ausgesprochen aktuellen Thema widmet: „Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften“.

Seit mehr als 90 Jahren setzt sich der ursprünglich als „Deutscher Ausschuss für Naturschutz“ gegründete Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. für einen starken, professionellen Naturschutz ein. Hierzu vernetzt er Praktiker aus Verwaltung, Büros, Verbänden und Wissenschaft, um deren Fachwissen zu unseren natürlichen Ressourcen einschließlich der Biodiversität sowohl in die (gesellschafts-)politischen Dialogprozesse einzubringen als auch an deren späteren praktischen Umsetzung mitzuwirken.

Da die Umsetzung des Naturschutzes in Deutschland weitgehend den Bundesländern obliegt, ergeben sich eine Vielzahl landesspezifischer Fragen. Im Jahr 2012 haben sich hierzu Fachleute zusammengefunden, um die BBN-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt zu gründen. Arbeitsschwerpunkte sind der fachliche Austausch in allen die Naturschutzpraxis betreffenden Fragen als auch die Mitwirkung bei politischen Entscheidungen. So konnte die BBN-Regionalgruppe bspw. im Jahr 2015 seine Fachexpertise bei der Aktualisierung des Waldgesetzes einbringen. Mit der Veranstaltung „Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften“ soll ein kontinuierlicher Dialog und Informationsaustausch initiiert werden, um praktikable Lösungen für ein Gegensteuern gegen den weiteren Biodiversitätsverlust zu finden. Damit soll ein Beitrag für den von Naturschützern und Wissenschaftlern beklagten Biodiversitätsverlust geleistet werden. Hilfreiche Hinweise und Anregungen sind diesem Tagungsband zu entnehmen.

Aber auch zukünftig wird die BBN-Regionalgruppe ein besonderes Augenmerk auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen haben, immerhin handelt es sich hierbei laut Statistischem Landesamt Sachsen-Anhalt (2015) um mehr als 61 % der Landesfläche (Bezug: 31.12.2013). Insofern wird einem Tagungsformat, welches nicht nur im gleichermaßen realen wie spirituellen Schatten der historischen Schlosskirche Wittenbergs beheimatet ist, sondern sich von seinem Selbstverständnis als Forum für einen gesellschaftlichen Dialog zwischen Schützern und Nutzern in Sachsen-Anhalt versteht, eine besondere Bedeutung beigemessen.

Quelle:

Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt 2015): Die Stellung der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei in der Gesamtwirtschaft Sachsen-Anhalts. Abgerufen am 26.04.2016 unter www.statistik.sachsen-anhalt.de/Internet/Home/Veroeffentlichungen/Faltblaetter/25-Jahre-Sachsen-Anhalt_Landwirtschaft/Landwirtschaft.pdf.

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Tagungsbeobachtungen

von Andre Wolf

„Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften (II)“ – diese Fortsetzungsveranstaltung der evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. fand vom 26. bis 28. Juni 2015 in Wittenberg statt. Diese Tagung ist etwas Besonderes. In fast schon familiärer Atmosphäre und bei ausgesprochen freundlicher Tagungsorganisation kommen hier Naturschützer, Behördenvertreter und Landwirte miteinander ins Gespräch - möglicherweise ja deshalb, weil ein kirchliches Dach mit Tradition bis tief zurück in DDR-Zeiten ermutigt, in dem es Neutralität verspricht. Ein Glücksfall! Die Tagung wurde in Zusammenarbeit mit dem B.B.N. und unter Schirmherrschaft der Michael Succow-Stiftung durchgeführt.

Zu vielfältig, zu angeregt waren Austausch und Diskussionen, als dass man sie hier alle wiedergeben könnte. Deswegen hier einige immer wieder auftauchende Aspekte der Artenvielfalt in unseren Agrarlandschaften:

Diese Vielfalt ist momentan trotz aller Anstrengungen immer noch auf dem Rückzug. So musste Prof. Eckhard Jedicke gleich zu Anfang verkünden, dass die politischen Ziele zur Agrarbiodiversität bis 2015 oder 2020 durch die Bank weg verfehlt würden, meist mit Verschlechterungen gegenüber vorangehenden Berichtszeiträumen (in einigen Fällen sogar Verschlechterungen von ca. 50 % bspw. der Artenbestände). Jedicke sah Hauptursachen beispielsweise im Missverhältnis von Tierhaltung und Futterproduktion bzw. Beweidung in Deutschland (30 % des Futters für hiesige Tierbestände stammten aus dem Ausland, oft gar von Übersee). Mangelnde Beweidung verhindere Zoochorie als wichtiges Element von Populationsdynamiken. Bestätigt wurde dies durch einen Bericht von Dr. Jörg Hoffmann über die sorgfältigen Forschungen des Julius Kühn Institutes (Kleinmachnow) auf diesem Gebiet. Dabei wird durch die Forschung immer deutlicher und auch wirtschaftlich zahlenmäßig überprüfbar dargelegt, wie wichtig und finanziell bedeutsam die von der landwirtschaftlichen Nutzfläche erbrachten Ökosystemdienstleistungen sind, wie Dr. Ralf-Uwe Syrbe vom IÖR in Dresden erklärte und mit Beispielen aus seinen und weiteren Forschungsarbeiten des Instituts belegte.

Nicht nur Subventionen der 1. Säule bewirken in der Landwirtschaft nicht oder nicht ausreichend das, was man mit Blick auf ihre Umweltverantwortlichkeit erwarten sollte. Auch bei den Agrarumweltmaßnahmen sei ein Trend zu kurzfristigen »hellgrünen Maßnahmen« zu beobachten, die leicht zu kontrollieren, aber nicht so effektiv wie besonders die auf Dauer angelegten »dunkelgrünen Maßnahmen« seien. Wiederum Jedicke berichtete vom Beschluss der 9. Vertragsstaatenkonferenz der CBD, bis 2020 alle biodiversitätsschädigenden Subventionen abzuschaffen. Derzeit flössen 38 % des EU-Haushaltes in die Landwirtschaft mit den zu beobachtenden ökologischen Folgen.

Es gibt unter vielen, auch konventionell wirtschaftenden Landwirten eine große Offenheit gegenüber Naturschutzanliegen ebenso wie gegenüber einer Abschaffung der Subventionen der 1. Säule. So wünschte sich ein anwesender Landwirt ausdrücklich mehr artenschutz-

Abbildung 1: Erläuterung des Flächenpools Grenzel- wiesen (Nieplitz). Foto: Heiko Reinhold.

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bezogene Beratung/Ausbildung, damit die verlorengehende Vielfalt überhaupt erkannt werden könne. Die Abschaffung der besagten Subventionen der 1. Säule konnte auch er sich gut vorstellen (wie viele andere Landwirte, mit denen der Verfasser auf unterschiedlichsten Tagungen gesprochen hat), wozu aber eine anwesende Vertreterin des sachsen-anhaltinischen Bauernverbandes deutlich machte, dass das nicht die Position des Landesbauernverbandes sei. Ganz zu Anfang hatte Jedicke von Differenzen zwischen dem einzelnen Landwirt und den Vertretern des Deutschen Bauernverbandes berichtet, die bei einer Abstimmung der Förderung auf ökologische Belange nicht mitzögen (seine Formel: »wenige Große bestimmen die Leitlinie für Viele«). Bei den Forschungen im Rahmen der Greifswalder Agrarinitiative, von denen Herr Thomas Beil von der „Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur“ berichtete, kam die Situation der Nützlinge auf einer wichtig-dringend-Matrix (nach Eisenhower) immerhin im Mittelfeld noch auf Rang 8, während die Struktur der Landwirtschaft den viertletzten, der Einsatz von PSM den vorletzten Rang belegten und die Bodenfruchtbarkeit gefolgt von der Sorge um Flächenverlust Platz 1 und 2 belegt hatten. Im Rahmen der Initiative versucht man, auf 10.000 ha LNF, 8000 ha Acker, die sich im Eigentum der Stadt Greifswald, der Universität Greifswald, der pommerschen evangelischen Kirche und der Peter-Warschow-Stiftung befinden, gemeinsam mit den 54 Pächtern eine ökologischere Landwirtschaft zu installieren.

Bei der naturschutzfachlichen Arbeit bestehen auch in der heutigen Landwirtschaft noch Flächenreserven, die zur Verbesserung der ökologischen Situation genutzt werden könnten. So berichtete ein ehemaliger Referatsleiter im Sachsen-anhaltinischen Ministerium für Landwirtschaft, von ca. 12.000 ha überpflügten Wegen, die in fremdem (meist öffentlichem) Eigentum stünden und unberechtigt genutzt und befördert würden. Er brachte seinen Unmut über die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen bei Schadensereignissen zum Ausdruck, bei denen das Schadenspotenzial zuvor durch fachlich unangebrachte landwirtschaftliche Nutzungen hervorgebracht gewesen sei (bspw. Hochwassernässe-Entschädigung für den Ackerbau in Flussauen, finanzielle Aufarbeitung des Erosionsereignisses in Riestädt, wo auf einem 70 ha großen, zuvor als Grünland genutzten steilen Hang nach dessen Unterpflugnahme bei einem Starkregenereignis Bodenabtrag zum Wegfall der Nutzbarkeit geführt hatte). In Sachsen wird die Zahl der beackerten Steillagen, die besser begrünt und dem Naturschutz zugeführt werden sollten, mit Werten zwischen 10.000 (Ballmann, auf Sächs. LfULG-Tagung am 13.3.2014) und 23.000 ha (Voss et al. 2010: Erosionsschutz in reliefbedingten Abflussbahnen) angegeben.

Nach vielen Informationen und Diskussionen zu Problemlagen, Motivationen und Fördermöglichkeiten wurden am Samstagnachmittag in offener Gesprächsrunde Lösungsmöglichkeiten erörtert, mit denen man – ausgehend von einer realistischen Einschätzung der derzeitigen Situation – die Lage der Agrarbiodiversität pragmatisch verbessern könnte (»Von der Theorie in die Praxis. Wo klemmt es eigentlich?«). Ein stiller

Abbildung 2: Blick über die Nieplitz-Niederung »Grenzelwiesen« mit dem Bewässerungsgraben. Foto: Heiko Reinhold.

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Konsens ergab sich zu folgenden Handlungsschritten: Ausrichtung der Produktion auf hochwertigere Produkte, die dann viel besser vermarktet werden sollten. Als Träger solcher letztgenannter Werbemaßnahmen konnte sich die Runde für die lokale Ebene die Landschaftspflegeverbände oder die Naturparke und überörtlich den Bundesverband der Naturparke vorstellen. Mit den hochwertigeren, im Zweifel biologischen Agrarprodukten könne einerseits produktionsbedingt eine höhere Artenvielfalt entstehen oder sie könne passend zur qualitativen landwirtschaftlichen Ausrichtung stärker gefördert selbst zum Produkt der Landwirtschaft werden – gleichzeitig mit der Abschaffung der 1. Säule der EU-Agrarförderung zur Gegenfinanzierung einer stärkeren naturschutzbezogenen Förderung. Durch eine höhere leistungsgerechtere Abgeltung der Artenvielfalt als ein neues Produkt und auch durch höhere Preise für mehr Produktqualität würden dann Einkommensverluste der Landwirte ausgeglichen, die sich aus dem Wegfall der pauschalen Förderung aus der 1. Säule und aus produktionsbedingt geringeren Erträgen ergäben. Die Gesprächsrunde sprach sich dafür aus, die Agrarbiodiversität erfolgshonoriert (Modus: bestimmte, leicht erkennbare Kennarten, die statistisch verbürgt hohe Artenvielfalt anzeigen), aber fehlerfreundlich und flankiert durch intensive Umweltberatung auf betrieblicher Ebene und durch Naturschutzausbildung zu gestalten.

Übrigens könnte man dem Einwand, dass viele Bürger sich die dann teureren Lebensmittel nicht leisten könnten, mit einer Entlastung etwa bei der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel begegnen, wo es doch Steuergelder sind aus denen die Förderung der 1. Säule finanziert wird; daraus resultierte auch mehr Gestaltungsfreiheit für die Verbraucher und Bürger und resultierend eine neue Offenheit gegenüber dem europäischen Gedanken [anm. d. Verf.].

Mit der Befriedigung eines zumindest nicht als aussichtlos beurteilten Konzepts in der Tasche konnte man nun zu Abendessen und einem anschließenden Theaterstück »Fräulein Brehms Tierleben: Lumbricus terrestris – der Regenwurm« von und mit Barbara Geiger übergehen, indem dieser auf lebendigste und unterhaltsames der Weise (wie auch andere Tiere im Repertoire der Künstlerin) vorgestellt wurde: »das besinnliche Bühnenabenteuer verflicht handfeste Wissenschaft, praktische Feldforschung und tiefe Einblicke in tierische Zusammenhänge zu einem theatralischen Ganzen und weckt Neugierde für die wilde Tierwelt Europas« (www.brehms-tierleben.com).

Gleich am Morgen des nächsten Tages besichtigten die Teilnehmer eine wiedervernässte Nieplitzniederung (Zielfläche 90 ha, Stand ca. 41 ha), bei der der Wasserstand über einen eingebrachten Graben mit einer zugleich als Furt dienenden Sohlschwelle geregelt wird. Hier war der veränderte Wasserstand in der Vegetation trotz der Trockenheit dieses Jahres schon deutlich erkennbar. Weiter ging's zur Außenstelle Baitz der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. Dort gab Norbert Eschholz eine Einführung in die Ökologie der Großtrappe mit Informationen zur Organisation des Schutzes in den Belziger Landschaftswiesen (Eigentumsverhältnisse im Schutzgebiet: Förderverein, Land Brandenburg, Landwirte, Flurbereinigung). Auch wurde die Eignung der KULAP-Förderung, insbesondere die Flexibilität der Mahdtermine, mit Peter Kernchen, einem anwesenden, dem Schutzprojekt sehr aufgeschlossenen Landwirt diskutiert. Beim anschließenden Spaziergang ins Schutzgebiet konnte tatsächlich eine Großtrappenhenne beobachtet werden, die aller Wahrscheinlichkeit nach Kücken führte und mit ihrer Anwesenheit Exkursion und Tagung abschließend krönte.

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Und Gott sprach: Es werde Licht! Was heißt Schöpfungsverantwortung?

von Alf Christophersen

Respekt vor der Schöpfung ist ein zentraler Gedanke des Christentums. Wer den Blick in die Tiefen der Theologie- und Kirchengeschichte richtet, um nach Bausteinen ökologischer Schöpfungslehre zu suchen, trifft unvermeidlich auf Franz von Assisi, den ersten Tierschützer und Schutzherrn der Tierärzte. Seit Jahrhunderten werden auf Franziskus Erwartungen, illusionäre Wünsche, Reformgedanken und gesellschaftskritische Argumentationsmuster projiziert, um die je eigenen Gedankenkonstrukte und Lebenskonzepte zu stützen, ihnen Halt und Orientierung zu geben. Ein Millionenpublikum erreichte bis in die Gegenwart die auf das 14. Jahrhundert zurückgehende Sammlung von verklärenden Legenden zum Leben des Ordensgründers: "Fioretti di San Francesco", "Die Blümlein des heiligen Franziskus von Assisi". Ausführlich wird darin auch auf die spezifische Naturfrömmigkeit eingegangen. So predigte Franziskus etwa erfolgreich zu den Fischen oder Vögeln und würdigte die Tierwelt als integralen Bestandteil der Schöpfung.

1181/82 wurde Franz von Assisi geboren. Er erhielt eine solide Bildung und sollte im kaufmännischen Bereich tätig werden. Am Ende eines langen Prozesses voller Selbstzweifel verzichtete er aber in konfliktreichen Debatten mit der Familie auf sein Erbe. In Askese und Armut sah er die Grundbotschaft des Christentums. Franziskus sammelte rasch eine Anhängerschaft um sich, und es gründete sich der Orden der pauperes minores oder auch der fratres minores, der armen oder minderen Brüder, deren Botschaft der Aufruf zu einem Leben in Buße und Armut war. Bei einer Reise nach Ägypten zog sich Franziskus eine Augenentzündung zu, die progressiv verlief und auf eine Erblindung zusteuerte. Langsam zog sich Franziskus aus der unmittelbaren Ordensleitung zurück und suchte in den Bergen nach einem Ort der Ruhe. Dabei ereignete sich eine plötzliche Wende. Auf dem etwa 45 Kilometer nördlich von Arezzo im Appenin gelegenen La Verna erschienen am 17. September 1224 unerwartet, nachdem sich kurz zuvor ein gekreuzigter Seraph, ein sechsflügliger Engel, gezeigt hatte, an seinem Körper, den Füßen und den Händen, die Stigmata, die Wundmale Jesu. Niemals zuvor hatte sich so etwas in dieser Form ereignet, und ein derartiger Vorgang ruft schnell Zweifler auf den Plan, wenn nicht sogar Nachahmungstäter, die sich selbst entsprechend verletzen. Tür und Tor zu den Wahnwelten religiöser Wirklichkeit stehen an dieser Stelle offen. In der Regel jedoch wird die Echtheit der Stigmata des Franziskus behauptet - obgleich eine historisch belastbare Beweiskette schwer fallen dürfte. Für die Legendenbildung und für den Heiligenstatus sind die Wundmale allerdings von unschätzbarem Wert. Franz von Assisi starb am 3. Oktober 1226 am Hauptort seiner Wirkung. Er wurde auch dort beerdigt. Am 16. Juli 1228 sprach ihn Papst Gregor IX. heilig. Streitigkeiten darüber, wer über das angemessene Bild des Franziskus verfügte, nahmen an Intensität zu, insbesondere die Stigmatisierung wurde zum Anknüpfungspunkt nachgerade kultischer Überhöhung - man feierte ihn als "zweiten Christus" oder "neuen Menschen".

In den Jahren vor seinem Tod verfasste Franz von Assisi den "Sonnengesang" (Il cantico di frate sole), einen Lobpreis Gottes und seiner Schöpfung. Dieser gebetsartig-meditative Text markiert nicht nur einen Anfangspunkt der italienischen Literaturgeschichte, sondern unterstreicht auch einen besonderen Wesenszug der von Franziskus vertretenen Theologie: Der Mensch hat sich als integraler Bestandteil der Natur zu verstehen, der er nicht in Selbstgefälligkeit und Größenwahn gegenübertreten darf. Die von Buße und Demut geprägte Grundhaltung bestimmt nicht nur das Sozialverhalten der Menschen untereinander, sondern umfasst die gesamte Lebenswirklichkeit. Nicht von ungefähr begreifen ökologisch ausgerichtete Schöpfungstheologien in ökumenischer Eintracht Franz von Assisi als einen ihrer Kronzeugen: "Preis Dir, o Herr, mit allen Deinen Geschöpfen, / vornehmlich unsrer edlen Schwester, der

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Sonne; / sie schafft den Tag, und Du leuchtest uns in ihr. (Laudato si …) / Schön ist sie und strahlend in großem Glanze, / ein Sinnbild von Dir, o Allerhöchster! // Preis Dir, o Gott, durch unsre Geschwister, den Mond und die Sterne; / Du hast sie am Himmel gebildet, so klar, so köstlich, so schön; / ... / Preis Dir, o Gott, durch unsre Schwester, die Allmutter Erde, / die uns erhält und heget / und allerlei Früchte hervorbringt, nebst bunten Blumen und Kräutern." Eben diesen Sonnengesang nahm sich nun Papst Franziskus zum Vorbild und veröffentlichte zu Pfingsten 2015 seine zweite Enzyklika unter dem Titel "Laudato Si'" – als Aufruf, die Schöpfung in ihrer ganzen Vielfalt zu bewahren. Klima- und Umweltschutz schreibt sich der Papst auf die Fahnen, aber auch eine soziale Gerechtigkeit, die gegen die "Sünde der Gleichgültigkeit" (Enzyklika Laudato Si'. Über die Sorge für das gemeinsame Haus, Rom, Vatikan 2015, 218) zu behaupten ist: "Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens", so der Papst, "wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen bemerken. Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die 'seufzt und in Geburtswehen liegt' (Röm 8, 22). Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7)" (Enzyklika Laudato Si', a.a.O., 3f.).

Wenn in der Gegenwart danach gefragt wird, wie sich der Mensch so in ein Verhältnis zur belebten und unbelebten Umwelt setzen kann, dass er sich als Bestandteil der Schöpfung begreift, die er erhalten und nicht zerstören soll, dann kann die spannungsreiche und intensive Schöpfungsmystik des Franz von Assisi also durchaus Vorbildcharakter haben. Er verstand es, das soziale Leben des Menschen, seine Bezüge zur Umwelt und zu Gott als ein Wechselverhältnis zu bestimmen, in dem die einzelnen Ebenen in einen heilsamen Ausgleich zu bringen sind. Überall, ob im Politischen oder Privaten, werden die Menschen schwindelig geredet, präsentiert man ihnen oft absurde Zusammenhänge als alternativlos, Möglichkeiten, überhaupt anders zu denken und zu begründen, werden in den Bereich romantischer Illusion verwiesen. Auf der Strecke bleibt die Fähigkeit, in den Welten der Unübersichtlichkeit das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, also Kritik zu üben und zu einem begründeten Urteil zu gelangen. Wer im Chaos der Meinungen versinkt, braucht dringend Distanz, die allein den klaren Blick ermöglicht. Konzentration führt dazu, genauer hinzuhören, das Wesen der Dinge hinter den Fassaden des Wortgeklingels zu erspüren. Franz von Assisi wusste dies genau. Er erkannte in der verzichtbetonten Kraft der gemeinschaftsbildenden Tradition des Christentums und in der Einsicht, dass das Wesen des Menschen nur als Teil eines umfassenden Schöpfungszusammenhangs begriffen werden kann, die große Herausforderung, das eigene Leben und das aller anderen zu gestalten und produktiv zu bereichern. In Franz von Assisi kann die kritische Suche nach den Ursachen für die Distanzierung des Menschen von der Natur einen starken Rückhalt haben. So wie auch die Analyse von Herrschafts- und Unterdrückungsstrukturen, die die Natur zum Objekt menschlicher Machtausübung und Verzweckung degradieren. Wer die Vielfalt der Schöpfung, die sich von Gott nicht nur in die Welt gesetzt, sondern permanent von ihm auch getragen weiß, kennt und anerkennt, kann zu ihr auch ein produktives, von Akzeptanz bestimmtes Verhältnis gewinnen.

Schöpfung ist ein facettenreicher Begriff, der sich auf die Welt in ihrem ganzen Erscheinungsreichtum bezieht, nicht nur auf die Natur. Auch soziale Beziehungen gehören dazu. Bereits im Alten Testament, vor allem in den Psalmen, der Weisheit und der Prophetie, und im Neuen Testament, hier besonders im Römerbrief, ist dieser Zusammenhang erkennbar. Entscheidend ist dort, dass Gott die Schöpfung nicht nur gewollt hat, sondern er sie auch immer noch will und somit erhält. Bei nichts anderem als bei sich selbst anknüpfend, hat Gott die Welt erschaffen. Sie ist somit ein Ausdruck der liebenden Zuwendung Gottes zur Welt. Er ist durch seine erhaltende Tätigkeit in der Welt präsent. Immer wieder hat dies in der Theologie-geschichte zu pantheistischen Überlegungen geführt - besonders prominent zuletzt bei Friedrich Schleiermacher. Die besondere Problematik des Pantheismus besteht darin, dass er

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die heilsame Differenz zwischen Mensch, Natur und Gott unscharf werden lässt. Mit einfacher Naturfrömmigkeit ist es nicht getan. Besonders ist darauf zu achten, dass Elemente der so genannten "natürlichen Theologie" daraufhin kritisch geprüft werden, ob sie nicht die Möglichkeiten der Gotteserkenntnis überstrapazieren und im Kern mehr über den Menschen selbst aussagen und weniger über Gott. "Natürliche Theologie" wird grundsätzlich der Versuch genannt, ohne Offenbarung das Dasein und auch Wesenszüge Gottes allein mit Hilfe der "natürlichen" Kraft der Vernunft aus Gegebenheiten der Natur zu erkennen. Bereits im Römerbrief setzt sich Paulus (Röm 1, 18ff.) kritisch mit ihr auseinander. Die natürliche Theologie basiert auf der sogenannten Seinsanalogie, der analogia entis, der zufolge der Mensch aus seinem Sein heraus Rückschlüsse auf das Sein Gottes ziehen kann. Einen zentralen Stellenwert nehmen die Gottesbeweise innerhalb der natürlichen Theologie ein. Ihrem Selbstverständnis nach begreift sie sich als eine Art Vorstufe, teilweise sogar als Voraussetzung des Glaubens.

Vor allem seit dem Kirchenkampf und der gegen die natürliche Theologie gerichteten "Barmer Theologischen Erklärung" von 1934 steht die Mahnung Karl Barths im Raum, dass aus der Welt heraus Gott nicht erkannt werden könne, somit auch nicht aus ihren Gesetzen und Normen, sondern der Weg zu Gott nur durch die Offenbarung in Christus möglich ist. Weder in der katholischen noch in der evangelischen Kirche ist bislang ein Grundkonsens erzielt worden. Einigkeit herrscht jedoch darin, dass eine Gotteserkenntnis unabhängig von der Offenbarung und dem Glauben nicht möglich ist. Auf ihrer Grundlage vermag die Vernunft des Menschen allerdings, aus der Schöpfung heraus Verweise auf Gott zu kennzeichnen, die nicht zuletzt für den Dialog von Naturwissenschaft und Theologie einen produktiven Charakter haben können.

Zu Recht hat Paul Tillich immer wieder - geprägt vom Erbe des Kulturprotestantismus - die Verankerung des Menschen in der Schöpfung und die aus dieser und der Geschichte hervorgehende Fragehaltung betont. Rudolf Bultmann war es dann, der mit Nachdruck die Existenzialität des Menschen unterstrich: Alle Glaubensaussagen und -wahrheiten erweisen ihre Relevanz darin, ob sie den Existenzkern des Menschen tatsächlich treffen und ihn so ansprechen, dass er sie für sich, sein eigenes Leben, in Anspruch nimmt. Neben der biblischen Überlieferung - und darauf hat wiederum Paul Tillich beharrt - sind es aber auch Natur und Umwelt des Menschen, die aufgrund ihrer transzendentalen Offenheit auf Gott verweisen und die Frage nach dem offen halten, "was uns unbedingt angeht".

Die Symboltheorie und die Frage nach der Bedeutung von Bildern und Metaphern spielen dabei eine große Rolle, weil hier in verdichteter Form Aussagen über das Weltverständnis und die Gotteserkenntnis zum Ausdruck kommen. Faszinierend an Symbolen ist, dass sie eine Abstraktionsleistung erfordern, gleichzeitig aber sehr elementar sind und auf mehreren Ebenen verstanden werden können. Ein besonderes eindrücklicher Zugang, der die Problematik der Gotteserkenntnis aus der Schöpfung aufgreift, ist der von Augustin und anderen vorgestellten Gedanke eines "Buches der Natur" (liber naturae). In ihm vermag der Mensch, sich auf die Spuren der mit dem "Finger Gottes" (vgl. Ps 8) gemalten Schöpfung zu begeben. Dem liber naturae steht das liber vitae, die Heilige Schrift bzw. die schriftliche Tradition menschlicher Kultur, gegenüber. Gott erscheint im Buch der Natur als Schriftsteller ganz eigener Art. Der Dichter August Gebauer formulierte entsprechend in einem im 19. Jahrhundert gern zitierten Vers freudig: "Zwei Bücher sind dir aufgethan, / Die Liebe Gottes zu zeigen an, / Sie heißen Bibel und Natur! / In beiden erkennst du seine Spur, / In Wort und That, mit Geist und Sinn: / So geh' und lies recht fleißig drinn!" (Blüthen religiösen Sinnes für das höhere Leben, Mannheim 1821). Wer es schafft, auf eine ganz eigene Art mit der Natur zu kommunizieren, hat somit auch die Chance, einerseits viel über sich selbst zu erfahren, andererseits aber auch zu erfassen, dass die Begrenzung des eigenen Wollens und Handelns nicht nur gegeben ist, sondern auch als Voraussetzung dafür zu gelten hat, dass anderes Leben die ihm zustehende Möglichkeit zu freier Entfaltung erhält.

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Dr. Alf Christophersen ist Studienleiter für Theologie, Politik und Kultur an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. V. und Privatdozent für Systematische Theologie an der LMU München; E-Mail: [email protected]

Die Landwirtschaft, die Landschaft schafft? Biodiversität in der Agrarlandschaft auf der Roten Liste

von Prof. Dr. Eckhard Jedicke, Hochschule Geisenheim University, Geisenheim

1. Biodiversität agrarischer Systeme – Einführung und Ziele des Beitrags

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, 1992 im Rahmen der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen, liefert die heute allgemein anerkannte Definition: „Biologische Vielfalt bedeutet die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören: Dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme.“ (www.cbd.int). Damit sind drei Ebenen biologischer Vielfalt (synonym: Biodiversität) differenziert (z.B. Baur 2010):

genetische Ebene, die genetische Variabilität innerhalb von Individuen, zwischen den Individuen einer Population sowie zwischen Populationen;

organismische Ebene, die Vielfalt an Taxa (Unterarten, Arten, Gattungen oder Familien);

ökosystemare Ebene, die Vielfalt an Lebensgemeinschaften von Arten und ihre Wechselbeziehungen untereinander.

Noch stärker differenziert lassen sich die Organisationsebenen Gene, Organismen, Lebensgemeinschaften (Biozönosen), Ökosysteme, Landschaften und Biome unterscheiden, weiterhin diese jeweils hinsichtlich ihrer Arten, Strukturen und Funktionen sowie in räumlicher und zeitlicher Dynamik analysieren – ein vieldimensionales System (z.B. Meurer et al. 2009).

In der Agrarlandschaft wird der Begriff der Agrobiodiversität unterschiedlich verwendet: Einerseits sind damit genetische Ressourcen wie Kulturpflanzensorten, Nutztierrassen und teils auch nicht domestizierte, „wilde“ Ressourcen gemeint, also etwa Pflanzenarten, die potenziell als Nutzpflanzen geeignet sein bzw. hierfür züchterisch bearbeitet werden könnten. Andererseits – und so wird der Begriff im Folgenden verwendet – bezieht er sich auf alle Elemente der biologischen Vielfalt in Agrarökosystemen und schließt über die vorherige nutzungszentrierte Sicht hinaus generell u.a. alle wildlebenden Arten, Strukturen und Funktionen (s. dazu den Terminus der Ökosystemleistungen unten) in Agrarlandschaften ein.

Betrachtet man (Agrar-)Landschaften, so wird deutlich, dass diese nicht allein von biotischen, sondern ebenfalls von abiotischen Merkmalen geprägt werden. Diese können als Pendant zur Biodiversität als Geodiversität beschrieben werden (Jedicke 2001): die Variabilität von physiogenen (abiotischen) Bestandteilen in ökologischen Systemen wie zum einen die Geofaktoren Relief, Gestein, Boden, Grund- und Oberflächenwasser sowie Atmosphäre, zum anderen die räumlich-funktionalen Beziehungssysteme Physiotope und Ökosysteme. Als Oberbegriff lässt sich Ökodiversität als Gesamtheit der Bio- und Geodiversität unter Einschluss anthropogener Faktoren (kulturelle Vielfalt) bezeichnen (Jedicke 2001).

Diese Breite der Definitionen zeigt, dass üblicherweise als Indikatoren zur „Messung“ vom Biodiversität verwendete Größen wie Artenzahlen und Anzahl gefährdeter Arten nur einen Teilaspekt von biologischer Vielfalt wiedergeben. Es könnten gleichermaßen z.B. Diversität und Evenness, die Strukturdiversität, Diversität von Funktionen, die Zahl alter Pflanzensorten oder

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Tierrassen in einem Raum, die Diversität an Biotoptypen oder Ökosystemen, die Formenvielfalt an Pflanzenorganen oder Körperteilen bei Tieren, die Vollständigkeit oder die ökologische Gildenstruktur typischer Biozönosen, die raum-zeitliche Dynamik in Ökosystemen, die Vielfalt von Ökosystemleistungen u.v.a.m. gemessen werden. Es gibt also nicht das eine Maß, welches z.B. Agrobiodiversität in einer einzigen Zahl wiederzugeben vermag – eine zentrale Schwierigkeit besonders auch für die Vermittlung und Akzeptanz des Terminus Biodiversität in der Öffentlichkeit.

Vor diesem Hintergrund soll der Beitrag als Einführung in das Thema folgende Fragen anreißen:

Wie lässt sich der Nutzen von biologischer Vielfalt für die Landwirtschaft anhand von Ökosystemleistungen beschreiben, um deren Bedeutung auch aus agrarischer Sicht zu illustrieren?

In welchem Maße ist Agrobiodiversität gefährdet?

Welches sind die Triebkräfte der beobachteten starken Dynamik (Gefährdung) von Biodiversität in Agrarlandschaften?

Was ist zu tun, um gemeinsam mit der Landwirtschaft die Biodiversität besser zu erhalten?

2. Nutzen der Biodiversität für die Landwirtschaft – das Konzept der Ökosystemleistungen

Ökosystem(dienst)leistungen (ÖSL) beschreiben Leistungen, welche die Natur erbringt und die vom Menschen genutzt werden (können). Naturkapital Deutschland (2014) definiert sie als „direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen, d.h. Leistungen und Güter, die dem Menschen einen direkten oder indirekten wirtschaftlichen, materiellen, gesundheitlichen oder psychischen Nutzen bringen“. Der Begriff der Ökosystemfunktion ist wertneutral, der der Ökosystemleistung besitzt eine anthropozentrische Perspektive. Ziel des Konzepts ist, ökologische Leistungen besser in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen und eine nachhaltige Landnutzung zu gewährleisten.

Somit können ÖSL zwar auch helfen, den Nutzen der Biodiversität für die Landwirtschaft zu beschreiben, was nachfolgend in aller Kürze in Form eines groben Überblicks versucht wird. Sie sind aber ebenso wenig weder ein einfaches Maß, das Biodiversität rasch quantifizieren hilft, noch geeignet, um Größen wie den (auch ideellen, ethischen usw.) Wert und die Schutzbedürftigkeit von Biodiversität allumfassend zu beschreiben.

Als besonders illustratives Beispiel für ÖSL dient die Bestäubungsleistung von Insekten: 80 % aller Blütenpflanzenarten werden durch Insekten bestäubt, immerhin zwei Drittel durch Bienen. Viele Ökosysteme würden bei Ausfall der Bestäubergilde zusammenbrechen (Wittig & Niekisch 2014: 226); dabei sind Insekten außerdem für viele weitere Ökosystemfunktionen erforderlich.

ÖSL können, dem Kaskadenmodell der TEEB-Studie (TEEB 2010) folgend, mit drei Dimensionen von Leistungen beschrieben werden (nach Bastian et al. in Grunewald & Bastian 2013):

(1) Versorgungsleistungen: Diese bezeichnen ökonomische Dienstleistungen und Güter, also bereitgestellte Güter wie Sauerstoff, Wasser, Nahrung, Energie, medizinische und genetische Ressourcen, Materialien für Kleidung und Bauen.

(2) Regulationsleistungen: Hierbei handelt es sich um ökologische Dienstleistungen und Güter, etwa Prozesse wie Energieumwandlung (insbesondere aus Sonnenenergie in Biomasse), Speicherung und Transfer von Mineralstoffen und Energie in Nahrungsketten, biogeochemische Kreisläufe, Mineralisierung organischer Substanzen in Böden oder Klimaregulation. Sie werden durch das Zusammenspiel abiotischer und biotischer Umwelt ermöglicht. „Aufgrund der (‚nur‘) indirekten Nutzen der Regulationsleistungen werden diese

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oftmals nicht beachtet, bis sie Schaden nehmen oder verloren gehen, obwohl sie für die Existenz des Menschen auf der Erde die Grundlage bilden“ (de Groot et al., zitiert in Grunewald & Bastian 2013).

(3) soziokulturelle Leistungen: Besonders natürliche bzw. naturnahe Ökosysteme bieten Möglichkeiten der Gesunderhaltung und Erholung, zur geistig-spirituellen Bereicherung, Erbauung und zu ästhetischem Genuss, welche als „psychologisch-soziale ÖSL“ zusammengefasst werden. Als zweite Gruppe kommen „Informations-ÖSL“ hinzu, also Beiträge von Ökosystemen zu Erkenntnisgewinn, Bildung und Inspiration.

Tab. 1 enthält eine grobe (und exemplarische) Übersicht von ÖSL, welche Biodiversität in Agrarlandschaften erbringen kann. Dabei handelt es sich überwiegend oder teilweise um Potenziale; ob bzw. in welchem Umfang in einem raumkonkreten Agrarökosystem(ausschnitt) tatsächlich erbracht werden, hängt vom Einzelfall und hier u.a. von Art und Intensität der agrarischen Nutzung ab.

Tab. 1: Beispiele für potenzielle Ökosystemleistungen, welche Biodiversität in Agrarökosystemen erbringen kann.

Dimension Beispiele für ÖSL

Versorgungsleistungen ─ Futterpflanzen für Haustiere

─ Nutzvieh

─ biochemische/pharmazeutische Stoffe

─ genetische Ressourcen (überwiegend Potenzial)

Regulationsleistungen ─ Futterpflanzen für Haustiere

─ Nutzvieh

─ biochemische/pharmazeutische Stoffe

─ genetische Ressourcen (überwiegend Potenzial)

soziokulturelle Leistungen ─ Futterpflanzen für Haustiere

─ Nutzvieh

─ biochemische/pharmazeutische Stoffe

─ genetische Ressourcen (überwiegend Potenzial)

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass landwirtschaftliche Nutzung vielfältiger und stärker von Wirkungen der Biodiversität abhängt, als es auf den ersten Blick erscheint. Allein den Boden als Substrat für das Pflanzenwachstum, als notwendig erachtete Dünger- und Pestizidgaben sowie das Saatgut zu betrachten, ist erheblich zu kurz gegriffen.

3. Gefährdung der Biodiversität in Agrarlandschaften

Es besteht eine große Zahl unterschiedlicher Indikatoren, welche den dramatischen Schwund der Biodiversität in der Agrarlandschaft verdeutlichen. Der nachfolgende Abschnitt nennt einige Beispiele:

(a) Feldvogelindex: Der Indexwert des Bestands von 36 verbreiteten Feldvogelarten ging in der EU 27 von einem Indexwert von 100 im Jahr 1990 auf 70,7 in 2012 zurück. Setzt man das Jahr

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1980 als Referenz, so hat sich der Agrarvogelbestand bis 2006 auf 51,7 reduziert, d.h. hochgerechnet binnen 30 Jahren mindestens halbiert.

(b) Wiesen-Schmetterlinge: Der Indikatorwert der Populationen von 17 ausgewählten Indikatorarten der Schmetterlinge auf Wiesen zeigt von 1990 bis 2011 einen Rückgang um 50 %, bezogen auf Europa insgesamt (European Environment Agency 2013).

(c) FFH-Lebensraumtypen: Der zweite nationale Bericht zur Umsetzung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie der EU weist aus, dass lediglich 28 % der 192 nach Anhang I FFH-Richtlinie besonders zu schützende Lebensraumtypen (LRT) in dem geforderten guten Erhaltungszustand sind. Bezogen auf die kontinentale biogeographische Region befindet sich im Grünland nicht ein einziger LRT in günstigen Erhaltungszustand; sieben LRT werden als ungünstig-unzureichend und fünf LRT als ungünstig-schlecht eingestuft.

Der Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung liefert u.a. folgende Daten (Statistisches Bundesamt 2014; Abb. 1):

(d) gefährdete Arten: Der Zielwert 2020 sollte 15 % betragen, der Ist-Wert liegt 2013 bei 23 %.

(e) FFH-Umsetzung: 80 % der gemäß FFH-Richtlinie besonders zu schützenden Lebensraumtypen und Arten sollten bis 2020 in einem guten Erhaltungszustand sein; der Ist-Wert für die Jahre 2007 bis 2013 beträgt lediglich 46 %.

(f) ökologischer Gewässerzustand: Gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie mussten bis 2015 alle Gewässer einen mindesten guten ökologischen Zustand ausweisen. Das ist 2009 jedoch erst für 9 % aller Fließgewässer und für 39 % aller See der Fall gewesen.

(g) Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value-Farmland): Der Flächenanteil liegt bei 13 % im Jahr 2009 und entwickelt sich zum Negativen mit 11,8 % in 2013; der Zielwert betrug 19 % für das Jahr 2015.

(i) genetische Vielfalt in der Landwirtschaft: Über 70 % der Rassen der fünf wichtigsten Nutztierarten sind gefährdet.

(j) eutrophierende Stickstoffeinträge: Der Indikator bilanziert den Anteil der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme ohne Überschreitungen ökosystemspezifischer Belastungsgrenzen für eutrophierende Stickstoffeinträge (Critical Loads). Angestrebt wird bis 2020 eine flächendeckende Einhaltung der Belastungsgrenzen – 2010 war das lediglich auf 27 % der Flächen der Fall.

(k) Artenvielfalt und Landschaftsqualität im Agrarland (Abb. 2): Hierfür besteht ein statistisch signifikanter Trend weg vom Zielwert 100 im Jahr 2015, der Indikatorwert für 2011 liegt bei 63.7

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Abb. 1: Beispielhafte Indikatoren zur Gefährdung der Biodiversität in Agrarlandschaften (Quelle: Statistisches Bundesamt 2014).

Abb. 2: Entwicklung des Indikators „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Statistisches Bundesamt 2014).

4. Veränderung der Kulturlandschaft – Dynamik der Biodiversität und ursächliche Treiber

Die Geschichte der Landnutzung in Mitteleuropa ist seit der neolithischen Revolution als ein Prozess ständiger Veränderungen und vielfach in chronikalischen Darstellungen wissenschaftlicher Analyse und künstlerischer Darstellung dokumentiert (ausführlich und aktuell Poschlod 2014). War die nacheiszeitliche Landschaft von Laubwäldern dominiert, so ist dennoch davon auszugehen, dass große Pflanzenfresser diese Wälder räumlich differenziert

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geöffnet und wenigstens teilweise struktur- und artenreiche Halboffenlandschaften bewirkt haben – ein Aspekt, welcher die hohe und noch immer unterschätzte Bedeutung extensiver Weidesysteme in Naturschutz- und Biotopverbundkonzepten unterstreicht (Jedicke 2015b).

Abb. 3 illustriert in stark verkürzter Form vier Hauptphasen der nacheiszeitlichen Landschaftsentwicklung am Beispiel der Rhön, welche auf viele andere deutsche Mittelgebirgslagen übertragbar ist. Wesentlich landschaftshistorische Veränderungen betreffen vor allem folgende Aspekte:

Agrarische Landnutzung erfolgte zunächst räumlich nicht scharf getrennt von Waldnutzungen, beide Nutzungssysteme durchdrangen sind intensiv und schufen strukturreiche Habitatmosaike.

Landwirtschaftsflächen entstanden auf Kosten der Waldfläche.

Entlang der Zeitachse unterlag die Wald-Offenland-Verteilung einer starken Dynamik; Brachflächen waren stets wesentlicher Teil der Nutzungssysteme.

Agrarlandschaften zeichneten sich durch eine kleinräumige Strukturvielfalt aus, die in der Regel mit maximaler Biodiversität einherging.

Weidetiere spielten stets eine wichtige Rolle als Vektoren für die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierarten, die um Größenordnungen bedeutender war als heute (Jedicke 2015b).

Mechanisierung, Entwässerung und Düngung führten mit beginnender Intensivierung der Landnutzungen zu einer Verarmung an Strukturen und Biodiversität, ebenso Prozesse der Flurbereinigung.

Abb. 3: Geraffter Überblick der Kulturlandschaftsgeschichte am Beispiel des Mittelgebirges der Rhön (Dreiländereck Bayern – Hessen – Thüringen) (Jedicke 2015d).

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Dynamik ist zwar ein Grundmerkmal der Kulturlandschafts-Entwicklung. Neu ist die Geschwindigkeit, in der sich derzeit – der vorerst letzten Phase der „Industrialisierung“ der Landwirtschaft – die Veränderungen vollziehen, und die Radikalität der Agrarlandschafts-Veränderungen durch:

raum-zeitliche Strukturverarmung und Entmischung,

Eutrophierung (durch Düngung und atmosphärische Nährstoffeinträge),

Pestizidanwendung,

Mechanisierung,

Entwässerung, zunehmend aber auch Bewässerung,

schleichende Intensivierung,

hohe Störungsfrequenz durch Nutzungseingriffe.

Nicht zuletzt die Energiewende verändert das Bild der gewohnten und vertrauten Agrarlandschaften, die sich zu Energielandschaften entwickeln. Vielerorts wird eine „Vermaisung der Landschaft“ beklagt: Als Folge des mehrfach novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) formte eine sich rasch gewandelte Landwirtschaft aus einer mehr oder minder historischen oder modernen Kulturlandschaft eine „Energielandschaft“ – Fruchtfolgen sind z. T. kaum noch zu finden, Grünland ist selten, stattdessen bestimmt die Monokultur Mais das Bild (z.B. Riedel 2013). Aus Bauernhöfen entstanden neuartige Hof-Ensembles: Neben den Wohngebäuden und älteren Ställen ragen Biogasanlagen mit Kegel-Zylindern und Mieten. Riedel (2013) beklagt, dass diese Form der Landwirtschaft zunehmend im Widerspruch zur guten fachlichen Praxis stehe:

Grünland (auch auf Niedermoorstandorten) wird umgebrochen, so dass große Mengen an klimaschädlichem Methan und Kohlendioxid freigesetzt werden.

Gülle wird zwecks Entsorgung auf abgeernteten Maisäckern trotz nicht gegebenen Nährstoffbedarfs ausgebracht, ein verstärkter Eintrag in Gewässer ist die Folge, besonders bei gefrorenem Boden.

Verluste von Strukturvielfalt in Agrarlandschaften schreiten fort und verbliebene Reste (wie Schutzstreifen und Hecken) werden verstärkt beeinträchtigt.

Fehlender Anbau von Zwischenfrüchten und die bei Mais besonders lange Phase offenen Bodens im Frühjahr bewirken gegenüber anderen Ackerkulturen und erst recht gegenüber Grünland massiv erhöhte Bodenerosion durch Wind und Wasser.

Das Landschaftsbild wird monotonisiert, vereinheitlicht und teils neu überprägt – mit Folgen für Erholungsnutzung und Tourismus.

Aufgrund ungelöster Konflikte in der Dorfgemeinschaft (z.B. Verschmutzung der Straßen während der Maisernte, Neid) wird der Dorffriede zunehmend gestört.

Und doch ist der in manchen Landschaften massive Konflikt um den Maisanbau nur die Spitze eines Eisbergs – eines agrarstrukturellen Wandels, welcher zu großen Teilen den Zielen des BNatSchG (und weiterer rechtlicher Normen) zuwiderläuft – wie die o.g. Indikatoren belegen.

Als zentrale Ursache dieses ungünstigen Zustands von Indikatoren muss der nach wie vor anhaltende Strukturwandel in landwirtschaftlichen Betrieben gelten (zusammengefasst nach Bundesamt für Naturschutz 2012 anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes, entnommen aus Jedicke 2015c):

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Die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe nimmt nach wie vor ab, die Landwirtschaft konzentriert sich in immer größeren Betrieben. In der Phase von 2007 bis 2010 ist die Zahl der Betriebe mit einer Flächengröße unter 100 ha Landwirtschaftsfläche (LF) weiter gesunken, während die Anzahl der Betriebe mit 100 ha und mehr LF weiter angestiegen ist. Die relativen höchsten Zuwächse zeigten die Betriebe in den Größenklassen von 500 ha und mehr LF. Von 2007 bis 2010 nahm somit die durchschnittliche Betriebsgröße von 52 auf 56 ha LF um 7 % zu.

Zeitgleich konzentrierte sich auch der Tierbestand bei einer Abnahme der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe mit Tierhaltung um 9,3 %. So stieg der durchschnittliche Tierbestand von Betrieben mit Rinderhaltung von 2007 bis 2010 von 78 auf 86 Rinder pro Betrieb (+10,2 %). Der Rinder- und Hühnerbestand ist geringfügig gesunken (-0,9 bzw. -0,2 %, während die Bestände von Schweinen und von sonstigem Geflügel (außer Hühner) um 1,8 bzw. 7,2 % stiegen. Die Zahl der Schafe ging um 16,4 % zurück.

In dem zehnjährigen Zeitraum von 1999 bis 2009 nahm die Fläche des Dauergrünlands um 7,3 % ab, davon die Wiesen um 16,0 % und der Weiden mit Almen um 31,9 %, während Mähweiden um 10,9 % zunahmen. Haus- und Nutzgärten (Gartenland) reduzierten sich um 50 %, Obstanlagen nahmen um 5,9 % ab. Die Fläche von Weihnachtsbaumkulturen, Kopfweiden- und Pappelanlagen stieg um 32,6 %.

Nicht deutlich werden aus diesen Zahlen die schleichenden Veränderungen in der Nutzungsintensität, beispielsweise der Mahd durch höhere Mäh-Geschwindigkeiten, veränderte Mahdtechnik, tiefer über dem Boden erfolgende Mahd und gesteigerte Mahdfrequenz oder im Ackerland durch veränderte Wirksamkeit von Pestiziden und erhöhte Einträge von Antibiotika.

Triebkräfte hierfür sind primär wirtschaftliche Absichten der Betriebseigentümer, die jedoch maßgeblich durch den Weltmarkt und die Förderpolitik der öffentlichen Hand gesteuert werden. Dabei spielen weder Aspekte der Nachhaltigkeit noch generell gesellschaftliche Ziele nur eine stark untergeordnete Rolle. Steuermittel werden im Widerspruch zu Bekundungen aus Politik und Lobbyverbänden der (Intensiv-)Landwirtschaft nach wie vor kaum steuernd eingesetzt. Daraus folgt: Ökosystemleistungen werden immer wieder erhalten bzw. gefördert, sondern in wachsendem Maße nachhaltig geschädigt. Politisch definierte Umweltziele der globalen Völkergemeinschaft, der EU, des Bundes und der Länder sind nicht erreichbar, weil die Landwirtschaft ihre hierfür notwendigen Beiträge nicht leistet bzw. blockiert.

5. Schutz der Biodiversität mit der Landwirtschaft

Fachliche Konzepte für einen besseren Schutz der Agrobiodiversität liegen in großer Zahl vor – sie müssen nur umgesetzt werden. Nach wie vor aktuell ist das rund 35 Jahre alte Konzept differenzierten Landnutzung von Haber (zuletzt Haber 2014), das Jedicke (2014) mit Aspekten des Biotopverbunds ergänzt hat (Abb. 4):

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Abb. 4: Vorschlag zur Verknüpfung des Konzepts der differenzierten Landnutzung nach Haber (2013) mit dem Biotopverbundkonzept.

(1) Es wird natürlich auch weiterhin intensiv genutztes Agrarland bestehen, auf welchem die Versorgungsleistung mit Nahrungsmitteln maximiert ist (jedoch innerhalb zu definierender Leitplanken der Nachhaltigkeit, insbesondere mit Zielen des abiotischen Ressourcenschutzes wie Gewässer- und Bodenschutz). Diese sollten zusammenhängend eine Flächengröße von ca. 25 ha nicht überschreiten und darüber durch Landschaftsstrukturen wie Fließgewässer, Gehölze, Waldbestände etc. unterbrochen sein (in jeweils landschaftstypischer Ausprägung).

(2) Großflächig-extensive Weiden (Luick et al. 2013, Metzner et al. 2010) sollten als Gegenpol mit optimaler Wirksamkeit auf vielfältige ÖSL sehr viel großflächiger gefördert werden; da sie in sich stark strukturiert sind, gilt für sie die 25-ha-Obergrenze nicht. Sie benötigen eine wesentlich bessere Unterstützung im System der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) als bisher (Jedicke & Metzner 2012, Luick et al. 2013 und 2015). Das gilt ebenso für HNV-Grünland insgesamt (s. Nr. 4). Hierzu bedarf es fundiert hergeleiteter quantitativer und qualitativer Mindestanforderungen hinsichtlich der verschiedenen ÖSD (und ggf. weiterer Kriterien), spezifiziert für die verschiedenen Landschaftseinheiten Deutschlands.

(3) Die als Minimum geforderten 10 % naturbetonter Bereiche (Biotopverbund-Strukturen) sind in allen nicht extensiv genutzten Agrargebieten zum Teil durch spät oder ungemähte Altgrasstreifen, Hecken, Gewässerränder, Obstwiesen etc. zu gestalten.

(4) In Umsetzung des Biotopverbund-Konzepts (z.B. Jedicke 1994, 2015a) bedarf es auch für High Nature Value-Agrarflächen (HNV) großflächiger Vorranggebiete von mehreren hundert oder tausend Hektar zusammenhängender [aber gemäß Nr. (1) bis (3) in sich strukturierter] Fläche (z.B. Luick 2013, Oppermann et al. 2012).

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Dieses generelle Konzept der differenzierten Landnutzung gilt es für den Einzelfall zu spezifizieren und ergänzen durch:

Berücksichtigung lokaler Landnutzungstraditionen;

Förderung des ökologischen Landbaus (20 % Flächenanteil + x);

Überlagerung mit überregionalen Schutzzielen (z.B. Biotopverbundachsen, Auenschutz);

Regeln für die Nutzungsdiversität (z.B. Energiepflanzen, Fruchtfolgen);

Beachtung der Schutzziele für abiotische Umweltmedien (z.B. Erosionsschutz, Humusbilanz, Nährstoffzufuhr, Vermeidung schädigender Bodenverdichtung usw.);

Berücksichtigung der standörtlichen Bedingungen (je ungünstiger, desto höher kann der Anteil der naturbetonten Flächen sein).

Einen kurz gefassten Überblick weitere Instrumente zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften gibt Jedicke (2015c). Beispiele hierfür sind Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen und Vertragsnaturschutz (die noch stärker nach fachlichen Prioritäten auszurichten sind), Konzepte zur Steuerung der Tierhaltung, Auenentwicklung durch großflächig-extensive Weidesysteme, eine Steuerung des Energiepflanzen-Anbaus unter Umwelt- und Biodiversitäts-Gesichtspunkten, Biotopverbund-Konzepte, Naturschutz-Beratung für Landwirtschaftsbetrieben und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte mit Naturschutz-Aspekten. Auf der einzelbetrieblichen Ebene kann es beispielsweise um folgende Maßnahmen gehen:

Anbaudiversifizierung mit Förderung genetischer Vielfalt: Heil- und Gewürzpflanzen bzw. alte Sorten, regionale Saatgutvermehrung von Wildkräutern/Wildgräsern/Stauden, Kräuteranbau;

Anbau von schnellwachsenden Bäumen: Kurzumtriebsplantagen (unter Integration von Naturschutzbelangen), Agroforsten;

Nutzung von Maisalternativen beim Anbau von Energiepflanzen;

Paludikulturen;

biologischer Anbau;

Öko-Streifen mit Einsaat: Blühstreifen, Grünstreifen, Brache;

Öko-Streifen ohne Einsaat: Ackerrandstreifen, Selbstbegrünungsstreifen, Schwarzbrachestreifen, Getreidestreifen;

Streifenkombination;

Lerchenfenster im Getreideanbau;

Bienenweide-Einsaat;

besondere Anbauverfahren: Mischanbau, Zwischenfrucht, Untersaat, weite Reihenabstände, extensive Fruchtfolge;

Hecken-, Streuobstwiesenanlage und -pflege;

großflächig-extensive Weidesysteme;

extensive Mähwiesen- und Mähweidesysteme;

Altgrasstreifen innerhalb des Grünlands.

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6. Ausblick

Betreibt Deutschland eine Landwirtschaft, die Landschaft schafft? Ja, unsere Landwirtschaft schafft Landschaften, jedoch solche unter dem Primat der (oft nur kurzfristig gedachten) Produktionsmaximierung und nicht wirklich unter Kriterien der (ökologischen, sozioökonomischen und wirtschaftlichen) Nachhaltigkeit und unter Berücksichtigung des Kultur- und Naturerbes (dazu z.B. Luick 2013). Hierzu benötigen wir eine völlig neue Qualität der Instrumente, um die Entwicklung der Kulturlandschaft bewusst zu steuern und nicht wie ein gekenterter, manövrierunfähiger Tanker den Meeresströmungen vorrangig den herrschenden globalen Marktinstrumenten folgen zu lassen.

Das zentrale Steuerungsinstrument für eine umweltgerechte Landwirtschaft hat die Politik mit der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und deren nationaler Umsetzung in der Hand. Offiziellen Verlautbarungen zufolge wird diese in der aktuellen Förderperiode (2014 bis 2020) optimal genutzt: „Die Landwirtschaft in Europa wird mit der EU-Agrarreform ökologischer und nachhaltiger. (...) Damit wird nicht nur ein Mehr an Ökologie erreicht, sondern auch das Prinzip ‚Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen‘ noch stärker in den Vordergrund gerückt.“ (BMEL, FAQ-Seite zur GAP unter www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Agrarpolitik/_Texte/GAP-FAQs.html#doc4121226bodyText14; letzter Zugriff 11.01.2016).

Dem wurde u.a. durch eine internationale Studie vehement widersprochen: „Many EU politicians are announcing the new CAP is ‚greener ‘, but the new environmental prescriptions are so diluted that they are unlikely to benefit biodiversity” (Pe’er et al. 2014). Dem ist – leider – uneingeschränkt zuzustimmen: Weder das Greening der 1. Säule, die Bindung eines Drittels der Direktzahlungen an gewisse (z.T. wirkungslose) Umweltaspekte, noch die Ausgestaltung der 2. Säule zur ländlichen Entwicklung (keine effektive Erhöhung des Mittelvolumens, überwiegend wenig wirkungsvolle „hellgrüne“ statt vermehrt wirksame „dunkelgrüne“ Maßnahmen, unrealistisch geringe Fördersätze) erfüllen das oben propagierte Prinzip.

Um insgesamt weiterzukommen, bedarf es starker Nachhaltigkeitskriterien („ecology first“) in allen Bereichen der Landnutzung, einer rahmengebenden starken EU und ambitionierter Bundes- und Landesregierungen, welche die Ziele unterstützen und den gegebenen Rahmen offensiv umsetzen. Mit Blick auf finanzielle Steuerungselemente ist vorrangig der Beschluss der COP9, der Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Nagoya zur Konvention über die biologische Vielfalt (CBD), umzusetzen, bis zum Jahr 2020 sämtliche die Biodiversität schädigenden Subventionen abzubauen. Die GAP, welche dieses Ziel in der aktuellen Förderperiode bis 2020 definitiv verfehlt, ist wirklich „grün“ auszurichten, ebenso die in 2016 durch Bund und Länder zur Neuausrichtung als umfassendes Förderinstrumente zur Entwicklung ländlicher Räume neu zu konzipierende Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK). Darüber hinaus sind die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI) nachhaltig auszurichten und die Mitteilung der Europäischen Kommission „Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals“ (2013) muss zu einer Strategie mit eigenen Finanzierungsinstrumenten ausgebaut werden. Auch hierbei kann die Landwirtschaft eine positive Rolle spielen.

Biodiversität muss zu einem „Produkt“ der Landwirtschaft werden, welches ebenso selbstverständlich wie die Erzeugung von Nahrungsmitteln oder Energie wird. Landwirtschaft und Naturschutz müssen und sollen hierbei keine Gegner sein, sondern Partner – die Probleme sind nur miteinander lösbar. Das erfordert jedoch seitens der Landwirtschaftsakteure, dass auch lieb gewonnen Besitzstände aufgegeben und Chancen einer Neuausrichtung von Landwirtschaft gesehen werden.

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Kontakt:

Prof. Dr. Eckhard Jedicke, www.jedicke.de

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Landwirtschaft und Naturschutz - alles im Lot?

von Dr. Dr. Jörg Hoffmann, Julius Kühn Institut, Kleinmachnow

1. Einleitung

Rund 50% der Landfläche Deutschlands (357.340 km²) wird agrarisch genutzt. Die Landwirtschaft steht dabei, wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig, in enger Beziehung zu den standörtlichen Bedingungen und den vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Sie hat großen Einfluss auf die Biodiversität. Von den etwa 71.500 Tier- und Pflanzenarten Deutschlands /1/ ist etwa die Hälfte mit agrarischen Nutzungen assoziiert und viele, z.B. die Agrarvögel und die Arten der Segetalflora, von spezifischen Formen landwirtschaftlicher Nutzungen in hohem Maße abhängig. Die landwirtschaftlichen Nutzungen sind deshalb nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion, sondern auch für den Naturschutz und den Erhalt der Biodiversität von grundlegender Bedeutung.

Landwirtschaftliche Nutzungen haben sich stetig verändert. Viele der Tier- und Pflanzenarten, die wir heute z.B. in den Agrargebieten antreffen, können als Relikte früherer Nutzungen, andere als Zeiger der heutigen Nutzungsbedingungen angesehen werden. Wenn Naturschutz in den landwirtschaftlichen Gebieten betrachtet werden soll, ist es von Interesse, auch einen Blick in die Vergangenheit zu richten. Daher sollen in kurzer Form die Landwirtschaft von „früher“ und dann die von „heute“ mit ihren Auswirkungen auf die Biodiversität charakterisiert werden.

Mit Hilfe von Bioindikatoren lassen sich in jüngster Zeit die Situation der Biodiversität und deren Entwicklung abbilden. Es wird daher auf nationale Indikatoren für Biodiversität eingegangen. Anschließend werden Methoden für den Schutz der Biodiversität in den Agrargebieten, mit Focus auf das ab 2015 begonnene „Greening“, aufgeführt. Am Beispiel einer Fallstudie in Ackerbaugebieten wird betrachtet, welche Maßnahmen erforderlich wären, um den Zustand lokaler Biodiversität signifikant zu verbessern. Abschließend werden Schlussfolgerungen für einen Biodiversitätsschutz in Ackerbaugebieten abgeleitet, die sich auf die Eingangs formulierte Frage beziehen: Landwirtschaft und Naturschutz – alles im Lot?

2. Landwirtschaft früher

Landwirtschaftliche Nutzungen haben eine lange Geschichte. In Mitteldeutschland, gibt es sie seit dem Ende der Jungsteinzeit vor 6000 bis 7000 Jahren. Umfang der Flächennutzungen sowie der Bewirtschaftungsformen haben sich dabei ständig verändert /2, 3/. So gab es in der Vergangenheit der Ackernutzungen eine mindestens 600 Jahre währende Zeit in der etwa ein Drittel der Ackerflächen zur Bodenregenegation selbstbegrünte Ackerbrachen waren, die teilweise auch zu Beweidungszwecken genutzt wurden. Noch vor 2000 Jahren waren Getreidefelder Hackkulturen, auf denen von Hand eine Regulierung der Wildpflanzenbestände erfolgte /4/.

Bis in die Zeit des 19. Jahrhunderts, teilweise bis weit in das 20 Jahrhundert waren die Erträge niedrig. Die bäuerliche Landwirtschaft basierte auf schwerer körperlicher Arbeit und geringer Technisierung (Abb. 1). Die Bestandesdichten der Ackerkulturen waren gering und die Erträge oft niedriger als 10 Dezitonnen je Hektar. Und es bestand zudem Ertragsunsicherheit. Dies führte häufig zu Nahrungsmangel. Unsicherheiten bei der Nahrungsmittelqualität waren nicht selten.

Die Methoden der organischen Düngung setzten die Notwendigkeit einer bestimmten Proportion von Wiesen-/Weideflächen und Ackerflächen voraus, weil sonst keine ausreichende Düngermenge zur Verfügung stand und Bodendegradierungen die Folge waren.

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Abb. 1: Aussaat des Getreides von Hand (links). Rechts: Landtechnik wie sie sehr selten noch bis in die 1990er Jahre in Deutschland zu Anwendung kam.

Erst ab Anfang des 20. Jahrhundes standen der Landwirtschaft chemisch-synthetische Düngemittel zur Verfügung, chemische Pflanzenschutzmittel in größerem Umfang später, nach 1960. Die technischen Rahmenbedingungen sowie die Sozialstrukturen im ländlichen Raum führten zu vielen kleinräumigen Habitatstrukturen, z.B. bezogen auf die Feldgröße, die Feldraine und die Säume. An die Felder grenzten oft naturnahe Kleinstrukturen, die meist auf verschiedene Weise in Nutzungen einbezogen wurden. Diese Bedingungen führten zu einem vielfältigen Mosaik von Feldern, Wiesen, Weiden und Kleinstrukturen mit großer Artenvielfalt der Fauna und Flora in der gesamten Agrarlandschaft (Abb. 2, 3, 4).

Abb. 2: Roggenfeld früherer Bewirtschaftung noch ohne Reinigung des Saatgutes mit Kornrade und Zottelwicke (links); rechts: Knollen-Platterbse im Getreidebestand.

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Abb. 3: Großtrappen in extensiv bewirtschafteter Wiesenlandschaft (links); Goldammer als Charakterart der Agrarlandschaften mit Anteil von Kleinstrukturen (rechts).

Abb. 4: Blütenpflanzen als Nektar- und Pollenpflanzen mit großer Vielfalt der Insektenarten.

3. Landwirtschaft heute

Bis in die heutige Zeit haben sich die Landwirtschaft und deren Produktionsmethoden im Vergleich zur den früheren „traditionellen“ Landnutzungen in sehr kurzer Zeitdauer, nur gut einem halben Jahrhundert, grundlegend verändert. Im Vergleich zu 7000 Jahren deutscher Agrargeschichte und der an landwirtschaftliche Nutzungen adaptierten Biodiversität erfolgte dies in nur rund 0,7% der Zeit.

Heute ist die Landwirtschaft durch hohe Technisierung (Abb. 5) und viel weniger schwere körperliche Arbeit gekennzeichnet. Wenige Arten der Ackerkulturen dominieren die Feldflächen. Die Bestandsdichten der Kulturen sind hoch. Es werden gegenüber früher sehr viel höhere Erträge erzielt, nicht selten z.B. Getreideernten von über 100 Dezitonnen je Hektar und es besteht eine höhere Ertragssicherheit. Im Mitteleuropa gibt es keinerlei Nahrungsmangel (Abb. 6), teilweise eine Nahrungsmittelüberproduktion, was zu einem leichtfertigeren Umgang mit den Nahrungsmitteln führte. Pro Person und Jahr werden in Deutschland ca. 183 kg Nahrungsmittel weggeworfen. Dies entspräche (bei Annahme eines Verbrauchs von 3 kg pro

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Tag je Person) 61 Tage bzw. 17 % des Jahres, für die Nahrungsmittel ohne Sinn produziert werden.

Mit der Technisierung haben sich auch die früheren Mosaikstrukturen in den Agrargebieten verändert. Die Tendenz ging zu größeren Schlageinheiten verbunden mit Verlusten an Ökotonen, den Zwischenstrukturen aneinandergrenzender Felder, teilweise einem Rückgang von Kleinstrukturen sowie der stofflichen Beeinflussung angrenzender naturnaher Kleinstrukturen durch chemisch-synthetische Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel (PSM).

Abb. 5: Landwirtschaft heute - moderne Landtechnik, schnelle Bearbeitung der Flächen, wenige ertragreiche Kulturen auf großen Flächen und Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel.

Abb. 6: Der Tisch ist reich gedeckt – hunderte Wurst-, Fleisch- und Käsesorten (links), Obst und Gemüse regional sowie aus aller Welt (rechts) bieten Landwirtschaft und Handel.

Grundsätzlich besteht eine hohe Nahrungsmittelqualität. Es finden sich aber chemische Reststoffe in Nahrungsmitteln. In der Vielzahl der Verkaufsprodukte (Abb. 6) sind teils schwer

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identifizierbare chemische Reststoffe und Beimengungen für den Verbraucher enthalten und in akkumulierten sowie kombinierten Wirkungen auf Mensch und Natur oft unbekannt.

Die Proportion von Wiesen/Weiden und Äckern zur Düngung besteht heute fast nur noch im ökologischen Landbau. Organische Düngung wurde im Wesentlichen von der mineralischen Düngung abgelöst, erfolgt aber auch aus Quellen der Massentierhaltung. Hier bestehen Probleme der Entsorgung, Überdüngung und Kontamination von Böden, Grundwasser und naturnahen Lebensräumen. Dabei werden große Mengen der Futtermittel für die großen, in Stallanlagen konzentrierten Tieransammlungen nicht von den Betriebsflächen oder aus der Region bereitgestellt, sondern aus ganz anderen Teilen der Welt, z.B. Südamerika.

Die über 600 Jahre währende Zeit der Brachen existierte nur für etwa zwei Jahrzehnte in der „modernen“ Landwirtschaft, nicht aber mit den früheren Zielen der Bodenregeneration oder aktuellen Zielen des Biodiversitätsschutzes, sondern in der Marktentlastung bezüglich einer Überproduktion von Nahrungsmitteln.

Aktuell werden auf fast 95% der Äcker chemisch-synthetische Dünger und PSM eingesetzt. Die jährlich in den Agrargebieten verwendeten PSM lassen sich in vier Kategorien ihrer Funktionen unterteilen: die Herbizide (Bekämpfung von Pflanzen), die Fungizide (Bekämpfung von Pilzen), die Insektizide/Akarizide (Bekämpfung von Insekten/Spinnentieren) und die Wachstumsregler. Eine Bilanz dieser Wirkstoffe für das Jahres 2013 zeigt nachfolgende Auflistung /4/:

Unter den Herbiziden fanden mit 17896 t folgende Wirkstoffe Verwendung: Chlorpropham, Maleinsäurehydrazid, Isoxaflutole, Thiencarbazone, Imazamox, Linuron, Essigsäure, Pyraflufen, Triasulfuron, Penoxsulam, Sulfosulfuron, Flazasulfuron, Clodinafop, Tepraloxydim, Metosulam, Metobromuron, Prosulfuron, Pyridat, Amidosulfuron, Quinoclamin, Flupyrsulfuron, Metsulfuron, Aminopyralid, Rimsulfuron, Fenoxaprop-P, Picloram, Isoxaben, Propoxycarbazone, Iodosulfuron, Mesosulfuron, Triflusulfuron, Picolinafen, Flumioxazin, Thifensulfuron, Foramsulfuron, Carfentrazone, Clethodim, Florasulam, Pyroxsulam, Haloxyfop-P (Haloxyfop-R), Cycloxydim, Sulcotrion, Triclopyr, Tribenuron, Beflubutamid, Tritosulfuron, Fluazifop-P, Topramezone, Lenacil, Ioxynil, Nicosulfuron, Clomazone, Pinoxaden, Quizalofop-P, Desmedipham, Propaquizafop, Glufosinat, Pelargonsäure, 2,4-D, Tembotrione, Dicamba, Bentazon, Clopyralid, Eisen-II-sulfat, Deiquat, Dimethachlor, Chloridazon, Metribuzin, Napropamid, Mesotrione, Flurtamone, Dichlorprop-P, Bifenox, Mecoprop-P, Propyzamid, Phenmedipham, Bromoxynil, Ethofumesat, Fluroxypyr, Aclonifen, Chlortoluron, Diflufenican, Quinmerac, Flufenazet, Pethoxamid, MCPA, Prosulfocarb, S-Metolachlor, Metazachlor, Dimethenamid-P, Pendimethalin, Terbuthylazin, Isoproturon, Metamitron, Glyphosat, Dazomet.

Unter den Fungiziden mit 10387 t waren dies Pyraclostrobin, Fluxapyroxad, Tebuconazol, Thiram, Fenoxycarb, Fettsäuren, Kaliumsalze (Kali-Seife), Schwefelkalkbrühe, Dazomet, Bacillus subtilis Stamm QST 713, Ampelomyces quisqualis Stamm AQ 10, Fenamidone, Benalaxyl-M, Mepanipyrim, Kupferoxychlorid, Pseudomonas chlororaphis Stamm MA 342, Kupferoktanoat, Zoxamide, Coniothyrium minitans Stamm CON/M/91-08, Fluquinconazol, Fuberidazol, Triazoxid, Amisulbrom, Aureobasidium pullulans DSM 14941, Aureobasidium pullulans DSM 14940, Proquinazid, Imazalil, Silthiofam, Benthiavalicarb, Penconazol, Iprovalicarb, Quinoxyfen, Cyflufenamid, Tolclofos-methyl, Trifloxystrobin, Flutolanil, Triticonazol, Cyproconazol, Myclobutanil, Famoxadone, Metalaxyl-M, Ametoctradin, Dimoxystrobin, Fluopyram, Iprodion, Carbendazim, Pyrimethanil, Dodin, Pencycuron, Hymexazol, Picoxystrobin, Fluopicolide, Fenhexamid, Kaliumphosphonat (Kaliumphosphit), Triadimenol, Kresoxim-methyl, Cyazofamid, Cymoxanil, Fludioxonil, Flusilazol, Maneb, Mandipropamid, Metconazol, Fluoxastrobin, Isopyrazam, Dimethomorph, Cyprodinil, Propiconazol, Fosetyl, Metrafenone, Kaliumhydrogencarbonat, Dithianon, Bixafen, Boscalid, Fluazinam, Difenoconazol, Fenpropidin, Azoxystrobin, Thiophanat-methyl, Spiroxamine,

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Metiram, Prochloraz, Propamocarb, Epoxiconazol, Folpet, Fenpropimorph, Captan, Prothioconazol, Chlorthalonil, Mancozeb, Streptomycin, Kupfersulfat basisch, Kupferhydroxid, Schwefel.

Unter den Insektiziden/Akariziden mit 12632 t waren dies Fenazaquin, Bifenazate, Tebufenpyrad, Hexythiazox, Fenpyroximat, Spirodiclofen, Acequinocyl, Schwefel, Milbemectin, Fipronil, Clofentezin, Sulfurylfluorid, Dimethoat, Methiocarb, Abamectin, Rapsöl, Fenoxycarb, Fettsäuren, Kaliumsalze (Kali-Seife), Schwefelkalkbrühe, Spirotetramat, Adoxophyes orana Granulovirus Stamm BV-0001, Cydia pomonella Granulovirus Isolat GV-0006, Azadirachtin (Neem), Cydia pomonella Granulovirus mexikanischer Stamm, Bacillus thuringiensis subspecies tenebrionis Stamm NB 176, Metaflumizone, Diflubenzuron, Acetamiprid, gamma-Cyhalothrin, Pyrethrine, Chlorantraniliprole, Tebufenozid, Thiamethoxam, Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki Stamm ABTS-351 (Stamm HD-1), Esfenvalerat, Methoxyfenozide, Cypermethrin, Magnesiumphosphid, Deltamethrin, Spinosad, Flonicamid, zeta-Cypermethrin, Tefluthrin, tau-Fluvalinat, Bacillus thuringiensis subspecies aizawai Stamm ABTS-1857, Pirimiphos-methyl, Kieselgur, Indoxacarb, beta-Cyfluthrin, lambda-Cyhalothrin, alpha-Cypermethrin, Imidacloprid, Pymetrozin, Pirimicarb, Clothianidin, Etofenprox, Thiacloprid, Paraffinöle (CAS 8042-47-5), Kohlendioxid, Phosphan (Phosphorwasserstoff), Aluminiumphosphid.

Unter den Wachstumsreglern mit 2850 t waren dies Pyraclostrobin, Fluxapyroxad, Tebuconazol, Chlorpropham, Maleinsäurehydrazid, Ethylen, 1-Methylcyclopropen, Gibberellinsäure, Gibberelline (GA4/GA7), 6-Benzyladenin, Daminozid, Paclobutrazol, 1-Decanol, Prohexadion, Trinexapac, Ethephon, Mepiquat, Chlormequat, Baumwachse, Wundbehandlungsmittel.

Eine zumindest für den Laien, aber auch für viele Fachleute bemerkenswerte neue „chemische Diversität“ in den Agrargebieten, deren Anwendung Konsequenzen auf die Biodiversität verursacht, wenn man sich die Zielrichtung der Wirkstoffe und der Mittel zur Bekämpfung von Pflanzen, Pilzen, Insekten und Spinnentieren auf den Nutzflächen vor Augen führt. Deutlich zeigen sich z.B. Veränderungen unter den Agrarvogelarten und den Wildpflanzen (Segetalflora) der Äcker (Abb. 7, 8).

Abb. 7: Die Agrarvogelarten; Beispiel Grauammer, im Hintergrund durch Fahrspuren zerfurchter Acker; haben in den meisten Agrargebieten im Zuge der landwirtschaftlichen Intensivierungen in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen.

Seit einigen Jahren ist die Produktion besonders in den Ackerbaugebieten nicht mehr ausschließlich auf die Erzeugung von Nahrungsmitteln, sondern zunehmend auf den Anbau von Energiepflanzen ausgerichtet. 2012 erfolgte z.B. der Anbau „nachwachsender Rohstoffe“ auf 2.056.000 ha. Dies sind gut 21 % der Ackerflächen in Deutschland /8/. Dabei erlangte der

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Maisanbau einen großen Flächenaufschwung, jedoch mit ökologischen Folgen für Umwelt und Natur (Abb. 9). Fasst man die 21% der Ackerflächen für den Energiepflanzenanbau mit dem Teil der Ackerflächen zusammen, deren Produkte „in der Mülltonne“ landen (vergl. 3.), dann lässt sich der wirksam für die Ernährung genutzte Flächenanteil der Äcker in Deutschland auf nur etwa 62% einschätzen. Andererseits werden für die Tierernährung in Massentierhaltungsanlagen riesige Flächen außerhalb des Landes in Anspruch genommen, die Abprodukte der Tieranlagen jedoch regional entsorgt.

Abb. 8: Die Artenvielfalt der Wildpflanzen auf Äckern hat unter dem Einfluss der Herbizidanwendungen auf Ackerflächen in ganz Europa stark abgenommen, links Artendichten ohne Herbizide, rechts mit Herbiziden /7/.

Abb. 9: Großflächiger Maisanbau kann negative ökologische Konsequenzen haben; links Abtrag von Boden in angrenzende naturnahe Kleinstrukturen und Reduktion der Bodenfruchtbarkeit hier im Winter, bei dem Maisanbau vorgelagerter Schwarzbrache; rechts Monokultur Mais zur Erntezeit: das Beispiel zeigt als Folge von Herbiziden wildkrautfreie und durch Wind- und Wassererosion gefährdete Bodenoberfläche.

4. Bioindikatoren zum Naturschutz in Agrargebieten

Zur Bewertung der Biodiversität wurden in Deutschland die Indikatoren „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ /8/, kurz „Vogelindikator“ sowie „Landwirtschaftflächen mit hohem Naturwert“, kurz „HNV-Farmland-Indikator“ /9/ entwickelt.

Der Vogelindikator zeigt für den Hauptlebensraum Agrarland seit seiner Dokumentation ab 1990 einen statistisch signifikanten Trend weg vom Zielwert an. Dies wird charakterisiert durch einen dimensionslosen Index-Wert, ermittelt aus den Beständen von zehn repräsentativen Vogelarten /10, 11, 12/. Dieser wird auf der Grundlage von Daten bundesweiter und jährlicher Felderfassungen der Vogelarten während der Brutsaison errechnet. 2015 sollte der Zielwert von 100% erreicht werden. Der tatsächliche Wert lag 2011 allerdings bei nur 56%. Jüngere Daten sind bisher nicht publiziert. Es deutet sich jedoch eine Fortsetzung des festgestellten Trends an.

Der HNV-Farmland-Indikator wurde für 2009 und 2013 erhoben und dokumentiert. In diesem Zeitintervall sank der Gesamtwert des Indikators von 13,1% auf 11,8%. Diese Veränderung

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entspräche einem Flächenverlust des artenreichen Agrarlandes (zugunsten weniger artenreichen Agrarlandes) um fast 10% in nur vier Jahren /9, 13/.

Beide Indikatoren weisen deutlich auf eine für die Biodiversität ungünstige Entwicklung in den Agrargebieten hin. Die gefundenen Trends zeigen, dass bisherige Maßnahmen, abgesehen von regionalen Ausnahmen, nicht dazu geführt haben, nationale Biodiversitätsziele zu erreichen. Im Gegenteil. Offensichtlich sind die bisherigen Maßnahmen gegenüber den auf die Biodiversität negativ wirkenden Effekten marginal, weil sie bisher weder zur Stagnation des Negativtrends noch zum Anstieg der Biodiversität in den deutschen Agrargebieten geführt haben.

5. Greening als neue Methode für eine Biodiversitätswende?

Unter Greening werden in der Landwirtschaft ein neuer Begriff und gleichzeitig eine neue Methode verstanden, die von der EU entwickelt und für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union wirksam der Verbesserung der Biodiversität in den Agrargebieten dienen soll. Das Greening umfasst den Erhalt von Dauergrünlandflächen (Wiesen, Weiden, Graslandflächen), die Anbaudiversifizierung für eine größere Vielfalt der Feldfrüchte und die Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) auf den Flächen der landwirtschaftlichen Betriebe. Das Greening ist verpflichtend für alle Landwirte, die Direktzahlungen beantragen mit Ausnahme von Betrieben, die <15 ha sind sowie Betriebe des ökologischen Landbaus /14/.

Wichtigstes Element aus der Sicht des Biodiversitätsschutzes sind die mit den Regelungen des Greening verbundenen Vorgaben für ÖVF. Landwirtschaftliche Betriebe müssen demnach grundsätzlich 5% ihrer Ackerflächen als ÖVF bereitstellen. Diese Flächen sollen nach Vorgaben biodiversitätsfördernd genutzt bzw. gestaltet werden. Dabei wurde von der EU davon ausgegangen, dass unterschiedliche ökologische Wertigkeiten der verschiedenen Optionen für ÖVF bestehen, was zu der Einführung von Gewichtungsfaktoren (GF) geführt hat, die von der Europäischen Kommission in einem delegierten Rechtsakt festgelegt wurden. Folgende ÖVF können durch die landwirtschaftlichen Betriebe ausgewählt werden: Hecken, Gehölzstreifen, Baumreihen und Gräben (soweit unter Cross Compliance (CC)-Schutz) – GF 2,0; Puffer- u. Feldrandstreifen, Feldraine, Einzelbäume u. Feldgehölze (soweit unter CC-Schutz) – GF 1,5; Streifen beihilfefähiger Flächen entlang von Waldrändern ohne Produktion – GF 1,5; Stilllegung, Agroforstflächen und Aufforstungsflächen, Steinwälle, Terrassen u. Feuchtgebiete (soweit unter CC-Schutz) – GF 1,0; Anbau von Stickstoff bindenden Pflanzen (Leguminosen) – GF 0,7; Zwischenfruchtanbau, Kurzumtriebsplantagen – GF 0,3 /15/.

Ab 2015 wurde das Greening nach diesen Regelungen in Deutschland begonnen und liegen bis heute erste statistische Analysen für deren Umsetzung vor. Demnach wurden durch die landwirtschaftlichen Betriebe vor allem solche Maßnahmen für ÖVF durchgeführt, die geringsten zusätzlichen Aufwand erfordern und der guten fachlichen Praxis, der normalen Bewirtschaftung, in der Regel entsprechen. So wurde überwiegend der Anbau von Zwischenfrüchten, auch die Anlage von Untersaaten gewählt, seltener Brachen und der Anbau von Leguminosen. Die Anlage von Pufferstreifen sowie Kleinstrukturen spielten eine sehr geringe Rolle /16/. Ob mit diesen, zur Verbesserung der Biodiversität eher marginalen Maßnahmen für ÖVF die anvisierten Biodiversitätsziele der Bundesregierung erreicht werden, bleibt abzuwarten, scheint aber fraglich.

6. Fallstudie zur Prüfung der Lebensraumeffizienz von Ackerflächen und Kleinstrukturen für Vogelarten

Weil der Vogelindikator (vgl. Punkt 4) zu den wichtigsten Indikatoren für die Biodiversität der Agrargebiete zählt, soll am Beispiel von Ackerbaugebieten geprüft werden, wie sich die Artenvielfalt und die Häufigkeit (Abundanz) revieranzeigender Individuen der Vögel verändert haben und welche Maßnahmen zur Sicherung der Vogelbestände geeignet erscheinen.

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Der nationale Vogelindikator wird seit 1990 dokumentiert /11, 12/. Aus diesem Grund wurden zu Beginn dieser Phase 1991 und erneut 2015, nach 24 Jahren, am Beispiel von zwei Ackerbaugebieten (je 100 ha) die Vogeldaten erhoben und analysiert. Beide befinden sich im östlichen Brandenburg. Das Gebiet Hasenholz wurde vor 1991 sowie in den Folgejahren bis heute konventionell, d.h., mit Einsatz mineralisch-synthetischer Dünger und PSM, bewirtschaftet. Die Nutzung in Jahnsfelde war nur bis 1991 konventionell, dann ab 1991 ökologisch. Hasenholz hat einen hohen Anteil Kleinstrukturen. 1991 betrug dieser 15%, davon 8,5% Flurgehölze, der Anteil der Ackerflächen 85%. Diese Flächenproportion blieb bis 2015 nahezu unverändert. In dem auf ökologische Nutzung umgestellten Jahnsfelde lagen 1991 der Anteil der Kleinstrukturen bei 2,6%, davon 1,1% Flurgehölze und der Anteil der Ackerflächen bei 97,4%. 1993 wurden vier, ca. 4 m breite Hecken und eine Kirschallee angelegt und somit die Fläche der Kleinstrukturen auf 4,5% erhöht.

Die Vogelkartierungen erfolgten nach der Methode der Revierkartierung /16, 17, 18, 19/ auf gleiche Weise in beiden Gebieten und in den betrachteten Jahren. Für den Vergleich der Daten wurden in Hasenholz vier und in Jahnsfelde drei verfügbare Erhebungen der Vögel in der Hauptbrutzeit von April und Mai von 1991 und 2015 genutzt. Dabei waren die Tage der Erfassung identisch bzw. lagen maximal 3 Tage voneinander entfernt.

Die 1991 und 2015 ermittelten revieranzeigenden Individuen der Vogelarten wurden in ihrer räumlichen Verteilung gegenübergestellt (Abb. 10, Abb. 11). Der Vergleich zeigt bei konventioneller Bewirtschaftung eine starke Abnahme revieranzeigender Individuen, bei ökologischer Bewirtschaftung etwa gleichbleibende Bedingungen.

Für beide Gebiete wurde eine Bilanz der Artenvielfalt, der revieranzeigenden Individuen insgesamt, der revieranzeigenden Individuen ohne die Feldlerche und der revieranzeigenden Feldlerchen gezogen (Tab. 1). Die revieranzeigenden Vogelarten ohne die Feldlerche charakterisieren im Wesentlichen die Habitatfunktionen der Kleinstrukturen mit ihren Wechselwirkungen zu Äckern. Die Feldlerche und deren revieranzeigende Individuen dienen vor allem einer Wertung der Habitatfunktionen der Äcker. Für die Feldlerche haben sich demnach bei beiden Systemen die Lebensraumfunktionen der Äcker deutlich verschlechtert, bei konventioneller Bewirtschaftung allerdings mit wesentlich stärkerem Rückgang der Werte um 88%! Der Vergleich der Artenvielfalt sowie der der revieranzeigenden Individuen ohne die Feldlerche ergab bei konventioneller Bewirtschaftung „erdrutschartige Rückgänge“ der Agrarvögel, bei ökologischer Bewirtschaftung eine positive Entwicklung (vergl. Tab. 1).

Um die Funktion der Kleinstrukturen der Nutzungssysteme vergleichbar zu machen, wurde die Zahl revieranzeigender Individuen ohne Feldlerche (rIoF) auf die normierte Flächengröße der Kleinstrukturen von 1 Hektar (ha) umgerechnet. In Hasenholz liegen diese Zahlwerte bei 6,9 rIoF/ha 1991 und 3,9 rIoF/ha 2015. Diese Relation würde rechnerisch einem Rückgang der Lebensraumeffizienz der Kleinstrukturen um 43,3% entsprechen. Um folglich unter den heutigen Produktionsbedingungen das 1991-Niveau der Agrarvögel wieder zu erreichen, wäre der Flächenanteil der Kleinstrukturen um 11,5% auf insgesamt 26,5% zu vergrößern (unter Annahme einer linearen Beziehung).

In Jahnsfelde ergab sich die Relation 8,9 rloF/ha 1991 zu 6,9 rloF/ha 2015. Auch hier ist eine Abnahme der Lebensraumeffizienz der Kleinstrukturen, gegenüber 1991 um 23,7%, erkennbar.

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Abb. 10: Biotopstruktur Untersuchungsgebiet Hasenholz mit Punkten der revieranzeigenden Individuen, links 1991, rechts 2015.

Abb. 11: Biotopstruktur Untersuchungsgebiet Jahnsfelde mit Punkten der revieranzeigenden Individuen, links 1991, rechts 2015.

Tab.: 1: Bilanz der Agrarvögel als Bioindikatoren von konventioneller und ökologischer Nutzung zwischen 1991 und 2015; der Faktor der Veränderung >1 entspricht einer entsprechenden Habitataufwertung, <1 einer entsprechenden Habitatabwertung des Gebietes 2015 bezogen auf 1991.

Indikatorparameter Landnutzungssystem

Konventionell (Hasenholz) Ökologisch (Jahnsfelde)

Anzahl Veränderung Anzahl Veränderung

1991 2015 % Faktor 1991 2015 % Faktor

1. Artenvielfalt 24 17 -31 0,71 14 17 +21 1,21

2. Revieranzeigende Individuen 140 63 -55 0,45 73 60 -17 0,82

3. Revieranzeigende Individuen ohne Feldlerche

104 59 -43 0,57 23 31 +36 1,35

4.Revieranzeigende Feldlerchen 36 4 -88 0,11 53 30 -43 0,57

Gesamtbilanz (1. bis 4.) stark negativ relativ ausgeglichen

Es besteht jedoch in diesem Gebiet 2015 mit 6,9 rIoF/ha bezogen auf die Werte vor 24 Jahren in Hasenholz (6,9 rIoF/ha) keine Differenz der Lebensraumeffizienz im Vergleich zu diesem Gebiet. In Jahnsfelde würde die Erhöhung des Anteils der Kleinstrukturen auf insgesamt 15 % rechnerisch zu der Ausgangssituation der Individuendichte der Vogelarten vor 24 Jahren in Hasenholz führen. Dies bedeutet, dass der durch die Bioindikatoren in Deutschland angezeigte

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Rückgang der Biodiversität in den Agrarlandschaften /10, 11/ auf konventionellen Landbau reflektiert, nicht auf ökologischen Landbau.

Die gefundenen Individuendichten der Agrarvogelarten weisen auf stark abnehmende Flächeneffizienz der Äcker sowie auch der angrenzenden Kleinstrukturen für die Erhaltung der Biodiversität im konventionellen Landbau hin. Der ökologische Landbau zeigte diesbezüglich negative Tendenzen bei Äckern, nicht aber in der Summe der weiteren Arten und der revieranzeigenden Individuen (vgl. Tab. 1).

Die bei konventioneller Bewirtschaftung extremen Rückgänge der Feldlerche auf den Äckern sowie auch die deutlichen Rückgänge in den Kleinstrukturen verweisen als Ursache auf die Systemunterschiede: die Bewirtschaftung mit (konventionell) oder ohne chemisch-synthetische Dünger und PSM (ökologisch), sowie damit verbundenen weiteren auch pflanzenbaulichen Auswirkungen auf die Biodiversität. Diese treten nicht nur unmittelbar auf den Produktionsflächen auf, sondern auch in den angrenzenden Kleinstrukturen. Langjährig konventioneller Ackerbau führt demnach zu einer sehr starken Entwertung der Habitatfunktionen der Äcker sowie auch zu einer starken Entwertung der Habitatfunktionen angrenzender Kleinstrukturen.

Für die Biodiversitätsziele würde unter den Bedingungen konventioneller Bewirtschaftung ein zunehmender Flächenbedarf für Kleinstrukturen und Äcker notwendig werden, um frühere Artenbestände, wie diese in Naturschutzzielen der Bundesregierung anvisiert werden /10/, zu erreichen. Dies resultiert aus der gefundenen Abnahme der Flächenwirksamkeit der Kleinstrukturen und der Äcker für die Vogelarten. Ökologische Bewirtschaftung zeigte in dem Beispiel eine um den Faktor 1,8 höhere Flächeneffizienz der Kleinstrukturen und um den Faktor 7,5 höhere Flächeneffizienz der Äcker im Jahr 2015 (bezogen auf die Feldlerche sowie die weiteren revieranzeigenden Individuen der Vogelarten) bei direktem Vergleich der ermittelten Zahlen zum konventionellen System 2015. Bei langjährig ökologischer Bewirtschaftung ergaben sich somit eine wesentlich höhere Qualität und Flächeneffizienz der Äcker und der Kleinstrukturen für die Biodiversität.

7. Schlussfolgerungen

Der Eingangs skizzierte Wandel zur hoch intensiven Landwirtschaft zeugt von starker Vernachlässigung der Biodiversitätsfunktionen und -ziele auf den Nutzflächen sowie auch den angrenzenden Kleinstrukturen in den deutschen Agrargebieten. Dies erfolgte zugunsten hoher Erträge der landwirtschaftlichen Kulturen. Da die Intensivierungsfaktoren, hier insbesondere der Einsatz von PSM und chemisch-synthetischen Düngern, enorm die Qualität und die Flächeneffizienz der Äcker und die der Kleinstrukturen für die Biodiversität verringert haben, wären nur analoge Gegensteuerungen für die Biodiversitätsziele in den Agrargebieten wirkungsvoll. Am Beispiel der Fallstudie (Abschnitt 6) wird ersichtlich, dass unter den bestehenden Bedingungen konventioneller Nutzungen vorgesehene 5% ÖVF, selbst bei exzellenten Naturschutzmaßnahmen, kaum analoge Lebensraumverbesserungen, die zu Bedingungen führten, wie sie noch vor 24 Jahren bestanden, ermöglichen.

Würde man nach vorliegenden Ergebnissen Vorschläge für die Integration von ÖVF in konventionellen Systemen ableiten, um die Biodiversität angemessen zu verbessern, dann wäre ein Flächenumfang von nicht nur wesentlich mehr als 5% erforderlich. Es wären auch der bestehende Katalog einzelner Angebote für ÖVF und die Verwendung von Gewichtungsfaktoren den Erfordernissen der Biodiversitätsziele anzupassen. Deutlich wurde z.B., dass die Habitatfunktionen der Kleinstrukturen unter den Einflüssen der konventionellen Bewirtschaftungen in den letzten 24 Jahren stark gesunken sind. Der im gegenwärtigen Maßnahmenkatalog für ÖVF vorliegende Gewichtungsfaktor von 2 wäre nach den Ergebnissen dieser Studie nicht gerechtfertigt, sondern auf den Faktor 0,57 zu reduzieren (vgl. Tab. 1).

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Erfahrungen für wirksame Naturschutzmaßnahmen liegen in ausreichender Menge vor. Auch Handbücher für die Gestaltung und das Management geeigneter Maßnahmen gibt es /20/. Es besteht daher eigentlich kein großes Defizit über die Kenntnisse darüber, wie man Biodiversität fördert, sondern es mangelt eher an der Bereitschaft, dies zu tun. Die Eingangs formulierte Frage „Landwirtschaft und Naturschutz – alles im Lot?“ kann daher unter den heutigen Bedingungen nicht mit ja beantwortet werden. Jedoch sollten, bei Kenntnis der Situation und dem bestehenden Wissen, die Weichen verstärkt auf eine nachhaltige, die Biodiversität erhaltende Landwirtschaft gerichtet werden.

Dank

Herzlichen Dank für die Unterstützung bei den aktuellen Feldkartierungen an Martin und Rainer Fiddicke, für die Aufbereitungen historischer Daten an Matthias Schulte, für aktuelle Datenaufbereitungen an Petra Rischewski und für die Durchsicht des Manuskriptes an Udo Wittchen.

8. Literatur

/1/ BfN 2015. Artenschutzreport 2015 – Tier und Pflanzen in Deutschland.

/2/ Meyer S, Leuschner C, (Hrsg.) 2015. 100 Äcker für die Vielfalt. Universitätsverlag Göttingen, S. 6.

/3/ Hoffmann J, 2006. Flora des Naturparks Märkische Schweiz. Cuvillier Verlag, Göttingen, S. 48.

/4/ Columella 1976. Überlandwirtschaft – Ein Lehr- und Handbuch der gesamten Acker- und Viehwirtschaft aus dem 1. Jahrhundert u. Z. (Aus dem Lateinischen übersetzt, eingeführt und erläutert von Karl Ahrens) Akademieverlag, Berlin.

/5/ http://papa.jki.bund.de/index.php?menuid=43

/6/ Absatzzahlen (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

/7/ Hoffmann J, Hempelmann N, Glemnitz M, Radics L, Czimber† G, Wittchen U, 2012. Einfluss von Temperatur und

Nutzung auf die floristische Artenvielfalt in Getreideanbaugebieten Europas. Julius-Kühn-Archiv 436:70-76.

/8/ Achtziger, R, Stickroth H, Zieschank R, 2004. Nachhaltigkeitsindikator für die Artenvielfalt – ein Indikator für den Zustand der Natur und Landschaft in Deutschland. Angewandte Landschaftsökologie 63.

/9/ Benzler A, Fuchs D, Hünig C. 2015. Methodik und erste Ergebnisse des Monitorings der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert in Deutschland. Natur und Landschaft 90: 309-316.

/10/ Statistisches Bundesamt 2014. Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – Indikatorenbericht 2014, Wiesbaden.

/11/ Sudfeldt C, Dröschmeister T, Langgemach T, Wahl J, 2010. Vögel in Deutschland – 2010. DDA, BfN, LAG, VSW, Münster.

/12/ Trautmann S. 2013. Vogelarten der Agrarlandschaft als Bioindikatoren für landwirtschaftliche Gebiete. –In. Hoffmann J,: Agrarvögel – ökologische Bewertungsgrundlage für Biodiversitätsziele in Ackerbaugebieten. Julius-Kühn-Archiv 442: 18-32.

/13/ BfN 2015. Fachinformation des BfN zur „Naturschutz-Offensive 2020“ des Bundesumweltministeriums. Bundesamt f. Naturschutz, Bonn.

/14/ BMEL 2014. http://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Agrarpolitik/_Texte/GAP-FAQs.html

/15/ BMEL 2015. http://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Agrarpolitik/_Texte/GAP-FAQs.html;jsessionid=A60C2FA3E038C0D53FF266095BB8E62E.2_cid376#doc4121226bodyText6

/16/ Dahl S, 2015. Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen in der Landwirtschaft. – In: Statistische Monatshefte Niedersachsen 8/2015: 437-443.

/16/ Dornbusch M, Grün G, König H, Stephan B, (1969) Zur Methode der Ermittlung von Brutvogel-Siedlungsdichten auf Kontrollflächen. MittIG Avifauna DDR i: 7-16.

/17/ Oelke H, (1969) Empfehlungen für Untersuchungen der Siedlungsdichte von Sommervogelbeständen. Vogelwarte 89: 69-78.

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/18/ Fischer S, (2005) Methode der Revierkartierung. – In: Südbeck P, Andretzke H, Fischer S, Gedeon K, Schikore T, Schröder K, Sudfeld Ch, (Hrsg.): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel in Deutschland. Mugler Druck GmbH, Hohenstein-Ernstthal.

/19/ Hoffmann J, Berger G, Wiegand I, Wittchen U, Pfeffer H, Kiesel J, Ehlert F, (2012) Bewertung und Verbesserung der Biodiversität leistungsfähiger Nutzungssysteme in Ackerbaugebieten unter Nutzung von Indikatorvogelarten. Berichte aus dem Julius-Kühn-Institut 163.

/20/ Berger G, Pfeffer H, unter Mitarbeit von Elsen Tv, Gottwald F, Hampicke U, Hartleb KU, Hauk M, Hoffmann J, Kächele H, Liermann F, Oppermann R, Platen R, Saure C, Scheibe D, 2011. Naturschutzbrachen im Ackerbau - Anlage und optimierte Bewirtschaftung kleinflächiger Lebensräume für die biologische Vielfalt – Praxishandbuch -. Natur & Text, Rangsdorf.

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Land-Wirtschaft vs. Naturschutz?

Ein Stimmungsbild aus Betriebsbefragungen im Rahmen der ‚Greifswalder Agrarinitiative von Thomas Beil / Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur

Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland

Seit Jahren wird in Deutschland eine Diskussion um die Zukunft der heimischen Landwirtschaft geführt. Sinnbild dafür sind seit 2011 u.a. die jährlichen Demonstrationen jeweils im Januar am Rande der ‚Grünen Woche‘ in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt!“. 2015 fand erstmals zeitgleich auch eine Gegen-demonstration von Landwirt-schaftsvertretern unter dem Motto „Wir machen Euch satt!“ statt.

Die Auseinandersetzung hat in erster Linie „Massentierhaltung“ und andere negative Auswirkungen einer sog. „industriellen Landwirtschaft“ zum Gegenstand - gefordert wird eine „Agrarwende“.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden die Auswirkungen des fortschreitenden Wandels der landwirtschaftlichen Strukturen und Produktionsverfahren intensiv diskutiert. Seit 2012 u.a. durch eine 35-köpfige „Perspektivkommission für die Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft in M-V“, die durch das Landesministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz berufen wurde. Ziel ist die Erarbeitung eines sog. Masterplanes

für eine zukünftige, nachhaltige Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft. Der Diskussionsprozess hat zwischenzeitlich zu einer umfangreichen Sammlung von politischen Handlungs-empfehlungen geführt, wobei innerhalb der Perspektiv-kommission und zwischen den darin vertretenen Institutionen und Verbänden auch durchaus abweichende Positionen do-kumentiert wurden.

Neben der politischen Diskussion ist v.a. auch auf Seiten der Kirche eine intensive

Diskussion über den Umgang mit kirchlichem Eigentum an landwirtschaftlicher Nutzfläche und insbesondere die Verpachtungspraxis zu verzeichnen.

Abb.1: Collage: Demonstration und Gegen-Demo am Rande der „Grünen Woche“

Abb. 2: Veröffentlichungen aus dem sog. „Masterplanprozess“ in M-V

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Die Greifswalder Agrarinitiative

Vor dem Hintergrund der skizzierten bundesweiten Diskussion, hat die Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur 2013 die ‚Greifswalder Agrarinitiative‘ angestoßen. Ziel ist es, anhand 10.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, die sich rund um Greifswald in „öffentlichem“ Eigentum befindet, Wege aufzuzeigen, wie dem Anspruch der Nachhaltigkeit besser Rechnung getragen werden kann. Dafür bestehen in der Region rund um Greifswald besonders günstige Voraussetzungen, da sich maßgebliche Teile der Nutzflächen im Eigentum nur weniger „institutioneller“ Verpächter befindet (v.a. Hansestadt Greifswald, Universität Greifswald, Kirche).

Abb. 3: Landwirtschaftliche Nutzfläche im „öffentlichen“ Eigentum rund um Greifswald

Die Initiative setzt dabei auf einen intensiven Dialogprozess zwischen den Landeigentümern und deren Pächtern. Sie folgt einem interessensbasierten und handlungsorientierten Ansatz. Die Expertise der Akteure (Eigentümer und Pächter) wird aufgegriffen und deren berechtigte Anliegen ernst genommen.

Mit Landwirtschaftsbetrieben im Dialog - ein Stimmungsbild

Im Jahr 2014 führte die Michael Succow Stiftung dazu Betriebsbesuche und Interviews mit den Betriebsleiterinnen und -leitern von insgesamt 44 Pachtbetrieben durch. Dabei waren Betriebe mit einer bewirtschafteten Gesamt-LNF zwischen 5 ha und 4.000 ha vertreten, wobei der größte Anteil in die Größenklasse zwischen >500 ha bis 1000 ha LNF fällt. Mit Hilfe eines selbst entwickelten Leitfadens wurden ca. 90-minütige, strukturierte Interviews durchgeführt. Ziel war, die Einstellung der Betriebe zu ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten einer

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nachhaltigen Landwirtschaft und deren Interesse bzw. Mitwirkungsbereitschaft zu möglichen weiterführenden Maßnahmen im Rahmen der ‚Greifswalder Agrarinitiative‘ auszuloten.

Im Projektgebiet dominiert der Marktfruchtbau. In der Landschaft sind typische, mit einer zunehmenden Rationalisierung der Landnutzung verbundene Entwicklungen zu beobachten. Dazu zählt z.B. der Ackerbau auf großen Schlägen (nicht selten über 100 ha) und die Einschränkung der Fruchtfolge auf nur noch wenige, besonders rentable Marktfrüchte (v.a.: Winterweizen, Wintergeste, Winterraps).

wesentliche Ergebnisse der Interviews in Form von Thesen:

Als größtes Risiko für die Betriebe wird die zukünftige Verfügbarkeit von ausreichend landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Bewirtschaftung gesehen. Das betrifft v.a. zukünftige Pachtvergaben, als auch den Verkauf von bisher gepachteten Flächen.

Als „besonders wichtige und dringende Themen“, die im Interesse einer nachhaltigen Landwirtschaft beachtet und bearbeitet werden sollten, wird zu allererst der Schutz des Bodens und der Bodenfruchtbarkeit gesehen.

Ökologische Fragen (Artenschutz, Biotopschutz, Gewässerschutz, Strukturierung der Landschaft) sind auf den Betrieben präsent. Sie werden als wichtige Themen eingeschätzt, die jedoch nach deren Meinung weniger dringend bearbeitet werden müssen.

Die Betriebe haben insgesamt ein großes Interesse an einer sachlichen Diskussion und Auseinandersetzung rund um die landwirtschaftliche Bewirtschaftungspraxis, wobei die „ökonomische Nachhaltigkeit“ für sie eine zwingende Voraussetzung ist.

Chancen - Herausforderungen - Grenzen

Die Voruntersuchungen im Greifswalder Umland haben ergeben, dass grundsätzlich der Wunsch der Flächeneigentümer mit ihren Pächtern über die Praxis der Bewirtschaftung ins Gespräch zu kommen, von den Pächtern sehr ernst genommen wird. Ein solcher Dialog sollte jedoch sachlich und auf Augenhöhe geführt werden, wobei die betrieblichen Belange und Möglichkeiten berücksichtigt werden müssen. Aus Sicht der Landwirtschaftsbetriebe sollen insbesondere Maßnahmen und Aktivitäten hin zu mehr „ökologischer“ und „sozialer“ Nachhaltigkeit angemessen honoriert werden. Dadurch kann die Mitwirkungsbereitschaft bei der ‚Greifswalder Agrarinitiative“ erheblich gesteigert werden. Insgesamt bieten stabile und vertrauensvolle Eigentümer-Pächter-Beziehungen gute Chancen langfristig wirksame Verbesserungen gerade im Bereich des Ressourcenschutzes (Bodenschutz) und des Biodiversitätsschutzes zu erreichen.

Ausblick

Vor dem Hintergrund der durchgeführten Voruntersuchungen hat die Michael Succow Stiftung 2015 ein dreijähriges Umsetzungsprojekt bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) beantragt, das im Dez. 2015 bewilligt wurde. Das komplexe Thema „Nachhaltigkeit“ wurde dazu auf den Schutz der Biodiversität fokussiert, exemplarisch festgemacht am Status der Ackerbegleitvegetation und der (Wild-)Bestäuber im Gebiet.

Im Mittelpunkt steht ein moderierter Eigentümer-Pächter-Dialog. Dieser hat die Erarbeitung von verbindlichen Richtlinien für die zukünftige landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Eigentumsflächen in Verbindung mit einem konkreten, flächenbezogenen Aktionsprogramm zum Ziel. Exemplarische Maßnahmen des Aktionsprogramms sollen ab 2018 mit Hilfe der DBU umgesetzt werden. Der Ansatz soll dabei zugleich modellhaft erprobt werden. Die hier zu gewinnenden Erfahrungen sollen ggf. auf andere Regionen übertragen werden können. Dazu

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werden Verlauf und Ergebnisse des Dialogprozesses dokumentiert und auch regelmäßig präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Die Greifswalder Agrarinitiative wird durch die Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur koordiniert und durch das Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald mit den Arbeitsgruppen „Landschaftsökologie“, „Landschaftsökonomie“ und „Umweltethik“ wissenschaftlich begleitet.

Ansprechpartner & Hintergrundinformation

‚Greifswalder Agrarinitiative’ c/o Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur Projektleiter: Dipl. Biol. Thomas Beil Ellernholstr. 1/3 17489 Greifswald

Tel.: 03834 / 83542 – 15 Email: [email protected]

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Erhaltung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften – Beispiele aus dem Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge

von Dr. Bernard Hachmöller, LRA Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge liegen viele Schwerpunktgebiete für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften. Neben dem Nationalpark „Sächsische Schweiz“ sind im Landkreis 27 Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 3.628 ha ausgewiesen, die ca. 2,2% der Gesamtfläche des Landkreises einnehmen. Dazu kommen 280 flächenhafte Naturdenkmale mit einer Gesamtfläche von ca. 500 ha. Die FFH-Gebiete und EU-Vogelschutzgebiete nehmen mit 22.134 bzw. 26.483 ha sogar ca. 13 bzw. 16% der Landkreisfläche ein. Die Gewährleistung eines guten Erhaltungszustands für die verschiedenen Schutzgebiete und deren Artenvielfalt stellt die Untere Naturschutzbehörde vor große Herausforderungen.

Praxisbeispiel „Bergwiesen im oberen Osterzgebirge“

Viele der Naturschutz-gebiete mit einem hohen Offenlandanteil liegen im oberen Osterz-gebirge. Dort betreut der Landkreis als Träger gemeinsam mit der Stadt Altenberg und dem „Förderverein für die Natur des Osterz-gebirges“ das Natur-schutzprojekt gesamt-staatlicher Bedeutung „Bergwiesen im Osterzgebirge“ mit einem Projekt-gebiet von ca. 3.000 ha und 1.920 ha Kerngebieten, die zum großen Teil als NSG ausgewiesen sind (Abb. 1). In den Kerngebieten werden spezielle Naturschutzmaßnahmen der Grünlandpflege durch Mahd und Beweidung, der Pflege der gebietstypischen Lesesteinrücken durch Auf-Stock-Setzen sowie Waldumbau- und Wiedervernässungsmaßnahmen mit Bundes- und Landesförderung umgesetzt. Das Naturschutzgroßprojekt wird innerhalb des Freistaates Sachsen als besonders erfolgreich eingeschätzt, weil es in der Region und bei den Landnutzern eine gute Akzeptanz gefunden hat. Diese zeigt sich u.a. darin, dass sich alle Agrarbetriebe aus der Region sowie ein großer Teil der privaten Landeigentümer an den Pflegemaßnahmen beteiligen und der größte Teil der Grünlandflächen naturschutzgerecht bewirtschaftet und im Rahmen von Agrar-Umweltprogrammen gefördert wird (s. Abb. 2).

(Abb. 1 Foto: Holger Menzer)

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Das Naturschutzgroßprojekt wirkt auch über seine Grenzen hinaus als Motor für eine umfassende Nutzung der Agrar- Umweltprogramme im Grünland des Osterzgebirges. Der Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge zählt mit einer naturschutzgerechten Grünlandnutzung im Rahmen des Vertragsnaturschutzes auf über 4.000 ha und Biotoppflege auf ca. 430 ha zu den Schwerpunkt-Regionen für den Schutz der biologischen Vielfalt in der sächsischen Agrarlandschaft.

Zu den wichtigsten Pflegemaßnahmen im Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen im Osterzgebirge“ zählt die Mahd von Berg- und Nasswiesen, die zum großflächigen Erhalt dieser geschützten Biotope und Lebensraumtypen sowie zum Schutz gefährdeter Arten wie Arnika, Breitblättriges und Stattliches Knabenkraut, Trollblume, Moorklee, Gewöhnliches Fettkraut unter den Pflanzen sowie Vogelarten wie Bekassine, Wachtelkönig, Braunkehlchen und Wiesenpieper beiträgt. Die Steinrückenpflege durch Auf-Stock-Setzen der Gehölze ist wichtig, um die halboffene Struktur der Lesesteinwälle als landschaftsprägende und besonders geschützte Biotope sowie als Lebensraum gefährdeter Arten, z. B. der Moos- und Flechtenflora, zu erhalten. Durch Wiedervernässungsmaßnahmen werden kleinflächige, wertvolle Moorwälder und Zwischenmoore gesichert sowie Teillebensräume des Birkhuhns und Habitate spezialisierter Moorarten wie Rausch- und Moosbeere, Alpen-Smaragdlibelle und Hochmoor-Laufkäfer erhalten. Für ausgewählte botanische Zielarten wie Arnika, Karpaten-Enzian, Buschnelke, Fettkraut und Rundblättriger Sonnentau haben Artenhilfsmaßnahmen zur Sicherung und Bestandsstützung der Vorkommen begonnen.

Die Pflege der Kulturlandschaft im oberen Osterzgebirge dient nicht nur dem Naturschutz, sondern wertet die Landschaft auch für den Tourismus auf. Die vielfältig strukturierte, blütenreiche Landschaft hat einen hohen Erholungswert, ermöglicht einen ungestörten Naturgenuss und erhöht den Bekanntheitsgrad der Region. Die Förderung eines naturverträglichen Tourismus ist daher für die Bergwiesen- und Steinrückenlandschaft ein

(Abb. 2)

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wichtiges Ziel, das im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung vorangetrieben werden soll. Das gilt auch für die Suche nach effektiven Formen der Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte und der Integration der Grünlandpflege in naturverträgliche Nutzungen wie die Mutterkuh- und Jungrinderhaltung. Pilotprojekte dazu laufen bereits, und es gibt erste erfolgreiche Ansätze zur Vermarktung der Produkte in Dresdener Bioläden. Wenn das Naturschutzgroßprojekt im Jahr 2018 nach fast 19jähriger Förderung ausläuft, sollen naturverträgliche Nutzungen mit Unterstützung durch Agrar-Umweltprogramme, Naturschutzmaßnahmen und attraktive Angebote für Tourismus und Vermarktung fest etabliert sein, um einen nachhaltigen Schutz dieser wertvollen Kulturlandschaft zu gewährleisten.

Arten- und Biotopschutzprojekte im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge

Im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge existiert ein gut funktionierendes Netzwerk von Naturschutzvereinen, die mit der Unteren Naturschutzbehörde gut zusammenarbeiten. Dadurch ist es gelungen, viele investive Arten- und Biotopschutzmaßnahmen umzusetzen, teilweise im Rahmen der Naturschutzförderung und teilweise im Rahmen von Naturschutz-Ausgleichsmaßnahmen. Beispiele dafür sind:

Maßnahmen zur Entwicklung artenreicher Grünland-Lebensräume wie Bergwiesen oder

Glatthafer-Frischwiesen auf bisherigem Intensivgrünland oder Brachflächen durch eine

Kombination von Bodenverwundung oder Bodenabtrag mit Mähgutauftrag oder Ansaat mit

artenreichen Grünland-Mischungen

Entbuschung und Wiederaufnahme der Grünlandnutzung auf artenreichen Mager- und

Nasswiesen

Renaturierung kleiner Fließgewässer

Heckenpflanzungen, Kopfweidenpflege und Auf-den-Stock-Setzen von Lesesteinrücken

Sanierung von Laichgewässern für Amphibien wie z. B. Springfrosch, Kammmolch und

Feuersalamander, Sanierung von Fledermausquartieren

Erhaltungskulturen, Bestandsstützung und Wiederbesiedlung von Vorkommen vom

Aussterben bedrohter Pflanzenarten (z. B. Karpatenenzian, Holunder- und Kleines

Knabenkraut, Arten der Pfeifengraswiesen und Trockenrasen)

Streuobstwiesen-Nachpflanzungen und Neuanlage von Streuobstwiesen sowie Sanierung

alter Obstbäume als Habitatbäume u. a. für den Eremiten und gefährdete Vogelarten -

beispielsweise wurden in einem Projektgebiet südlich von Dresden auf ca. 35 ha 2.000 neue

Obstbäume angepflanzt und Streuobstwiesen neu begründet

breit angelegte Projekte der Öffentlichkeitsarbeit, z. B. für Fließgewässer und

Streuobstwiesen

Die Förderung komplexer Arten- und Biotopschutzprojekte im Rahmen der Naturschutzförderung erfordert sorgfältige Planungen und Abstimmungen sowie praxisorientierte Bewilligungsverfahren, die in jeder Förderperiode neu definiert werden müssen. In den letzten Förderperioden hat die Schaffung der Voraussetzungen für eine effektive Durchführung von Arten- und Biotopschutzprojekten im Freistaat Sachsen jeweils mehrere Jahre gedauert. Gerade die Mitwirkung der Naturschutzvereine erfordert aber eine Kontinuität, damit erforderliche personelle und technische Ressourcen auch längerfristig zur Verfügung stehen.

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Defizite beim Schutz der biologischen Vielfalt in Ackerlandschaften des Landkreises Sächsische Schweiz - Osterzgebirge

Im Gegensatz zur positiven Grünland-Entwicklung im Osterzgebirge konnten auf Ackerflächen im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge bisher nur sehr wenige Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Das hat gravierende Folgen auf die biologische Vielfalt der Äcker. Daher muss beispielsweise das Rebhuhn im Landkreis bereits als verschollen gelten, und vom Kiebitz gibt es nur noch einzelne Brutpaare, die kaum noch erfolgreich brüten. Auch bei den Ackerwildkräutern gibt es extreme Rückgänge. So sind Arten basenreicher Acker-Standorte wie Sommer-Adonisröschen oder Feld-Rittersporn im Landkreis inzwischen verschollen oder unmittelbar vom Aussterben bedroht.

Eine Ursache dafür ist wahrscheinlich die extrem geringe Beteiligung an freiwilligen Naturschutzmaßnahmen auf den Äckern des Landkreises, die in der Förderperiode 2007-2014 nur auf ca. 100 ha in Anspruch genommen wurden. Dies war u.a. dadurch bedingt, dass die Fördersätze für naturschutzgerechte Ackerbewirtschaftung in dieser Periode sehr niedrig waren und im selben Zeitraum ein hoher Druck zur Intensivierung der Ackerbewirtschaftung durch die zunehmende Förderung nachwachsender Rohstoffe und der Inbetriebnahme zahlreicher Biogasanlagen entstanden ist. Dazu kommt das Problem, dass bis auf die Bodenbrüter, für die in Sachsen spezielle Artenschutzprogramme aufgelegt wurden, die Pflanzen- und Tierarten der Äcker nicht zu den traditionellen Zielarten des Naturschutzes zählen. Wildkrautreiche Äcker sind zwar vom Aussterben bedrohte Biotoptypen in Sachsen, stehen aber nicht unter Biotopschutz und sind nur in Ausnahmefällen Bestandteile von Naturschutzgebieten. Daher gibt es auch keine zielgerichtete Beratung der Landnutzer im Hinblick auf die Erhaltung von Ackerwildkräutern oder Tierarten der Extensiväcker.

Aufgrund der hohen Bedeutung der Äcker für die landwirtschaftliche Produktion und Förderung ist es auch schwer, Kleinstrukturen auf den großen Ackerschlägen wie nasse Störstellen, trockene Kuppen oder Randbereiche zu Wäldern und linearen Biotopen wie Hecken und Steinrücken naturschutzgerecht zu bewirtschaften oder zu entwickeln. Verschärfend kommt hinzu, dass aufgrund von Erlässen des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft die Inanspruchnahme von Ackerflächen für Naturschutz-Ausgleichsmaßnahmen stark zurückgegangen ist.

Eine leichte Verbesserung der biologischen Vielfalt auf Äckern zeichnet sich durch die zunehmende Nutzung von Agrar-Umweltprogrammen und ausgewählten „Greening-Maßnahmen“ wie z.B. Feldlerchenfenster in der neuen Förderperiode seit 2015 ab. Um den Trend zur Abnahme der biologischen Vielfalt auf Äckern umzukehren, ist aber eine auf durch Naturschutzbehörden, Naturschutzberater oder -vereine gesteuerte naturschutzgerechte Ackernutzung dringend erforderlich. Diese sollte auf spezielle Zielarten der Äcker ausgerichtet sein, um einen effektiven Schutz von Ackerwildkräutern oder gefährdeten Vogelarten an ihren wenigen verbliebenen Lebensstätten zu gewährleisten sowie potentiell geeignete Habitate für diese Arten zu entwickeln.

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Welchen Beitrag können Kompensationsmaßnahmen leisten?

von Ines Pozimski - Landespflegerin bei der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH

Sachsen-Anhalt ist mit über 61 % Landwirtschaftsfläche ein überwiegend agrarisch geprägtes Bundesland. Insbesondere in den Regionen mit den fruchtbaren Böden, wie der Magdeburger Börde, der Querfurter Platte, im Halleschen und Köthener Ackerland sind die Agrarlandschaften durch eine großflächige und intensive Ackernutzung geprägt.

Gerade in diesen Agrarlandschaften kommt den wenigen verbliebenen Strukturen innerhalb und um die Nutzungsflächen eine hohe Bedeutung für den Erhalt ihrer Funktionsfähigkeit zu.

Durch die im Naturschutzgesetz verankerte Eingriffsreglung wird - auch für diese Intensiv-landschaften - geregelt, dass vorhabensbedingte Beeinträchtigungen oder Verluste von solchen Lebensraumstrukturen reduziert oder kompensiert werden müssen.

Demnach sollten Kompensationsmaßnahmen einen wesentlichen Beitrag zumindestens zum Erhalt der Vielfalt in den Agrarlandschaften leisten können - doch bleibt dieser Anspruch nach meinen Erfahrungen in vielen Fällen hinter der Realität zurück.

Gerade in diesen Intensivnutzungsregionen gibt es viele Widerstände und Vorbehalte gegen die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, da sie häufig mit dem Entzug von landwirt-schaftlicher Fläche gleichgesetzt werden.

Dabei besteht auch in intensiven Agrarlandschaften eine Vielzahl von Möglichkeiten natur-schutzfachliche Aufwertungsmaßnahmen umzusetzen, ohne dadurch zusätzliche Flächen-nutzungskonflikte zu erzeugen. In erster Linie sind dies Maßnahmen, die außerhalb von landwirtschaftlichen Nutzflächen umgesetzt werden können oder in deren Umsetzung die Landwirtschaft dauerhaft und wertschöpfend mit einbezogen wird:

Kompensationsmaßnahmen außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen

Fließgewässerrenaturierung

Aufwertung von Saumstrukturen

Wiedererschließung „untergegangener“ Flächen

• Wiederherstellung von Wegerainen in ihrer ursprünglichen Breite

• Wiederaufnahme von Nutzungen auf „unwirtschaftlichen“ Flächen (z. B. verbrachte Halbtrocken- und Trockenrasen)

Rückbau und Entsiegelung

nutzungs-/ bewirtschaftungsintegrierte Kompensationsmaßnahmen

(unter Ausgleich der Nutzungseinschränken)

Acker- und Grünlandextensivierung

Anbaudiversifizierung

• Luzerne, Blüh- und Brachestreifen

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Die Umsetzung der hier dargestellten - sowohl naturschutzfachlich sinnvollen, als auch landwirtschaftsverträglichen - Kompensationsarten scheitert jedoch häufig daran, dass die Flächenverfügbarkeit innerhalb der zeitlich begrenzten Vorhabensplanung nicht erreicht wer-den kann und dass diese Maßnahmen häufig sehr abstimmungsintensiv und langwierig sind. Dies führt entweder dazu, dass sinnvolle Maßnahmen nicht umgesetzt werden können oder das die dann umgesetzten Maßnahmen die geplante Wirkung nicht entfalten, da die langfristige Sicherung und Entwicklung nicht ausreichend gesichert ist.

Für eine zielgerichtete Lenkung von Kompensationsmaßnahmen zur Umsetzung von natur-schutzfachlichen Leitvorstellungen - wie der Erhöhung der Vielfalt in Agrarlandschaften - bedarf es aus meiner Sicht der Möglichkeit einer zeitlichen Entkopplung vom eigentlichen Vorhabensgenehmigungsverfahren. Hierdurch kann der entsprechende Vorlauf geschaffen werden, um die Flächenverfügbarkeit zu organisieren und tragfähige Umsetzungskonzepte verlässlich abzustimmen. Darüber hinaus bedarf es tragfähiger Strukturen, die eine dauerhafte Umsetzung der Maßnahmen absichern und fachlich begleiten.

Wie so oft im Naturschutz, brauchen auch gute Kompensationsmaßnahmen einen „Küm-merer“. Mit diesen Aufgaben sind jedoch sowohl die Vorhabenträger als auch die Geneh-migungs- und unteren Naturschutzbehörden häufig überfordert.

Eine Möglichkeit hier eine Lösung zu entwickeln, ist die gezielte Vorbereitung, Umsetzung und dauerhafte Sicherung durch externe Träger von Kompensationsmaßnahmen.

Neben der zeitlichen Entkopplung ist hierdurch auch eine Trennung der Verantwortungen gegeben, da sich der Träger der Kompensation dem Gelingen „seiner“ Maßnahme verpflichtet fühlt.

Nach diesem „Kümmerer“- oder Trägermodell wurden in den letzten Jahren durch die Land-gesellschaft verschiedene Aufwertungsprojekte gezielt vorbereitet, um sie dann Vorhabens-trägern zur Kompensation ihrer Eingriffsprojekte zur Verfügung zu stellen. Die Maßnahmen bleiben dabei dauerhaft in der Verantwortung der Landgesellschaft als Maßnahmenträger. Als Träger übernimmt sie die fachliche und wirtschaftliche Verantwortung für das Gelingen der Maßnahme, in die Konzeption und Umsetzung werden aber die örtlichen Naturschutzbehörden und Landwirtschaftsbetriebe mit einbezogen.

Nach den bisherigen Erfahrungen mit diesem Umsetzungsmodell ist es durchaus möglich, auch schwierige Maßnahmen in der Landschaft umzusetzen und dauerhaft zu erhalten und somit auch einen Beitrag zu leisten um die Vielfalt in Agrarlandschaften zu erhalten.

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Abb. 1: Etablierung eines artenreichen Grünlandkomplexes im Sülzetal zur Arrondierung des FFH-Gebiets und der bestehenden Grünlandnutzungssysteme

Abb.2: Luzerneanbau am Hakel – Nahrungshabitat für Rotmilan & Co

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Das Projekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“

von Dr. Heinrich Graf von Bassewitz

Die biologische Vielfalt ist das vielleicht wichtigste Gut unseres Planeten und gleichzeitig eine der größten Herausforderungen, vor der wir weltweit stehen. Zwar konnten in wenigen Bereichen Erfolge erzielt, wie z.B. beim Luchs oder Kranich, aber eine Trendwende ist noch lange nicht in Sicht. Alarmierende Bestandverluste sind vor allem bei vormals typischen Bewohnern von Feld und Flur zu beobachten. Rebhuhn, Wiesenpieper, Braunkehlchen oder Feldlerche sind nur noch selten zu hören oder zu sehen. Acker-Rittersporn und Sand-Mohn, früher typische

Bewohner von Getreidefeldern, gelten als gefährdet, die Kornrade ist vom Aussterben bedroht. Bunte Wiesen mit einem hohen Anteil von Wildkräutern sind heute kaum noch zu finden. Damit verbunden ist der starke Rückgang vieler Schmetterlingsarten und anderer Insekten. Um diesen Trend aufzuhalten, ist es dringend notwendig, die heimische Tier- und Pflanzenwelt in möglichst vielfacher Weise wieder in die Landbewirtschaftung zu integrieren.

Naturschutzstandard

Genau hier setzt das Projekt „Landwirtschaft für die Artenvielfalt an“. Gemeinsam mit den Partnern arbeitet der WWF Deutschland an der Entwicklung und Umsetzung eines neuen Naturschutzstandards für den Ökologischen Landbau. Ziel des Naturschutzstandards ist es, die Vielfalt der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in landwirtschaftlich geprägten Lebensräumen nachweislich zu erhöhen und so dem dramatischen Rückgang der heimischen Tier- und Pflanzenwelt entgegenzuwirken

Die Projektpartner

„Landwirtschaft für Artenvielfalt“ ist ein gemeinsames Projekt zwischen dem WWF und dem Ökologischen Anbauverband Biopark. Wissenschaftlich begleitet und umgesetzt wird es vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Realisiert werden konnte das Projekt durch die Unterstützung und Förderung des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern sowie von EDEKA.

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Die Vermarktung

Vom Betrieb bis zur Ladentheke EDEKA vermarktet die Agrarprodukte während der Projektphase als exklusiver Handelspartner und garantiert die Abnahme der Projekt-Produkte zu Erzeugerpreisen, die den Mehraufwand honorieren. In vielen Märkten von EDEKA Nord werden zum Start Kartoffeln von „Unsere Heimat – echt & gut“ sowie Fleisch- und Wurstwaren von „Natur Pur“ – beides regionale -Bio-Eigenmarken – angeboten, die zusätzlich den neuen Naturschutzstandard für Artenvielfalt erfüllen.

Nachhaltigkeit Ziel

Langfristiges Ziel der Projektpartner ist eine breite Einführung und Nutzung des neuen Naturschutzstandards durch Betriebe des Ökologischen Landbaus. Denn je mehr Bio-Landwirte mitmachen, desto besser für den Artenschutz.

Fotos: Maibritt Olsen /ParkLand Management / [email protected]

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Bemerkungen zu Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II)

von Hubertus Bertling Ministerialrat a. D.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Ziel, mehr Vielfalt in Agrarlandschaften, kann nur erfolgreich sein, wenn eine enge Partnerschaft zwischen Landwirten, Bürgern, Verbrauchern, Gemeinden, Fachverwaltungen und Naturschutzvereinigungen erreicht wird.

Alle Akteure müssen dialogfähig und konsensfähig sein. Jeder muss bereit sein, seinen Standpunkt in Frage zu stellen.

Ich habe auch Zweifel, ob es bei dem heutigen Verbraucherverhalten, „Geiz ist geil“, möglich ist, Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erhalten, geschweige denn zu steigern.

Die Diskussion zu den Themen Tierschutz, Massentierhaltung und Antibiotika wird zurzeit heftig geführt.

Aus meiner Tätigkeit im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt von 1991 bis zum 31.05.2015 kann ich für Sachsen-Anhalt feststellen, dass hier noch größere Defizite vorhanden sind.

1. Der Artenschwund hat nach meiner Kenntnis insbesondere nach der letzten GAP Reform 2003 drastisch zugenommen. Der Verzicht auf Nachweis der Nutzungsansprüche (Eigentum und Pachtfläche) hin zur Beihilfe auf die tatsächlich bewirtschaftete Fläche, führt dazu, dass nunmehr auch Flächen bewirtschaftet werden, an denen der Betrieb keine Eigentums- oder Pachtrechte hat. Vorzugsweise sind hier die Wegeränder zu nennen. Untersuchungen in Sachsen-Anhalt führten dazu, dass in der Separation (Flurbereinigungsverfahren von 1824 bis etwa 1880) Wege mit einer Breite von 2,5 (10,80 m) bis 3 Ruten (12,96 m) ausgewiesen wurden. Schaut man sich die Örtlichkeit an, dann kann gerade noch eine Breite von 4 bis 4,5 Meter festgestellt werden.

Hochrechnungen haben ebenfalls ergeben, dass somit ca. 12000,00 ha Fläche, ehemalige Wegesäume, nunmehr landwirtschaftlich genutzt werden.

2. Anspruchsdenken der Bewirtschafter

1994 wurden durch ein Hochwasser entlang der Elbe und Saale Ackerflächen (ehemals Grünlandflächen) überflutet. Der Ruf nach Entschädigung folgte auf dem Fuß. Als ich meinen Vater, der bis 1988 einen kleinen Bauernhof bewirtschaftete, die Frage gestellt habe, ob er schon einmal eine Entschädigung für Vernässungen erhalten habe, hat er mir erklärt:

„Mein Sohn, da oben ist jemand, der entschieden hat, das ist Grünland und das ist Acker. Wenn jemand sein Grünland zu Acker umwandelt, muss er auch damit leben, dass 2 bis 3 Ernten in 10 Jahren eben nicht eingeholt werden können“.

3. Starkregen und Erosion im August 2011 in Riestedt

Durch Starkregen entstehen in hängigem Gelände Wassererosionen. In Riestedt hatte ein Betrieb 70 Flurstücke zu einem einheitlichen Schlag von ca. 70 ha zusammengefasst. Dabei waren Wegeflächen beseitigt worden, Bewuchs entfernt und eine einheitliche Frucht angepflanzt (Raps). Nach der Aberntung wurde die Fläche gepflügt. Ohne Bewuchs war die Erosionsgefahr sehr hoch.

Nachdem der Schadensfall eingetreten war, und der Schlamm in den Kellern der Bürger landete, wurde als erstes der Ruf nach Entschädigung für den Landwirt laut. Auch war sofort klar, dass der Landwirt immer nach den Regeln der guten fachlichen Praxis gearbeitet hatte. Dass er Zustandsstörer war, kam nicht in den Sinn.

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4. Änderung in der Bewirtschaftung/Beratung

Warum müssen die Wildkräuter vor dem Drillen von Zuckerrüben oder Mais mit Glyphosat totgespritzt werden.

Meine Damen und Herren,

die nötigen Instrumente – fachlich, politisch, finanziell, agrartechnisch – stehen zwar bereit, der Erfolg wird sich aber nicht einstellen.

1. Es ist ein grundsätzlicher Wandel in den Köpfen notwendig (Change-Management)

2. Die Beihilfe für die Landwirte nur auf der Grundlage von Nutzungs-nachweisen,

3. Partnerschaften zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen sind zwingend notwendig, Kompromisse von allen Seiten,

4. Was nützt der neue Blühstreifen, wenn gleichzeitig Wegesäume abgepflügt werden.

5. Das BNatSchG und das ROG sehen die Erhaltung historischer bzw. gewachsener Kulturlandschaften mit ihren charakteristischen Elementen und Strukturen als grundlegendes Ziel vor. Aktuelle Diskussionen und Tendenzen, insbesondere in der Raumordnung, gehen aber auch von einem weiterreichenden Gestaltungsauftrag der räumlichen Planung aus, der Kulturlandschaften als Handlungsebene nicht auf historische oder gewachsene Kulturlandschaften beschränkt, sondern als Qualitätsanspruch für alle Raumtypen versteht und damit Entwicklungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund neuer, charaktergebender Nutzungsstrukturen eröffnet.

6. Im Kontext der gesellschaftlichen Diskussion ist es eine wichtige Aufgabe des Naturschutzes, sich zur zukünftigen Kulturlandschaftsentwicklung zu positionieren und seine gesellschaftliche Rolle zu konkretisieren. Der räumliche Bezug macht es notwendig, hier insbesondere auf regionaler Ebene eine entsprechende Konkretisierung zu leisten. Da Kulturlandschaften und ihre charakteristischen Identitäten eine gesamträumliche Dimension haben und sich nicht allein auf einzelne Schutzgebiete und -objekte, sondern auf die gesamträumliche Situation und Charakteristik gründen, ist ein gesamträumlicher Ansatz, eine gesamträumliche Positionierung vor dem Hintergrund der jeweiligen Spezifik des Raumes erforderlich.

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Ökosystemdienstleister Landwirtschaft?

von Ralf-Uwe Syrbe Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden

Einführung: Was sind Ökosystemleistungen?

Das Ungleichgewicht zwischen ökonomisch angetriebenen, scheinbar unbegrenztem Wachstum, aber naturgesetzlich sehr wohl begrenzter Verfügbarkeit von Ressourcen und damit auch der Belastbarkeit von Ökosystemen bedingt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: die Übernutzung von Ressourcen und der damit einhergehende Verlust der natürlichen Umwelt als wichtige Lebensgrundlage des Menschen (WBGU 2011). Problematisch ist dabei, dass die wenigsten Leistungen bzw. Nutzungsgrenzen öffentlich bekannt geschweige denn beachtet sind. Dies gilt keineswegs nur im Bereich der Landwirtschaft, wirft aber dort besondere Fragen auf. Landwirtschaft findet auf Flächen statt, die sich zumeist im Privatbesitz befinden. Dennoch sind Agrarökosysteme ein untrennbarer, in vielen Bereichen sogar der größte Teil unserer Kulturlandschaft, in der alle Menschen leben und nicht nur essen, sondern sich auch erholen, gesund bleiben, sauberes Wasser trinken, sich frei bewegen und nicht zuletzt glücklich sein möchten. Die meisten Umweltgüter – oft spricht man auch vom Naturkapital – sind öffentlich zugänglich und nutzbar, bedürfen aber dennoch eines Engagements für ihre Erhaltung und Pflege.

Die Landwirtschaft ist ein bedeutender Nutzer und potenzieller Pfleger dieses Naturkapitals, wobei es sich nicht nur um die private Fläche selbst handelt, sondern auch um den Boden, die Luft, Grund- und Oberflächenwasser, das Landschaftsbild, Elemente des natürlichen und kulturellen Erbes, die dort lebenden Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen, ganze Lebensgemeinschaften und vieles mehr. Die üblichen Marktregeln jedoch fördern geradezu die Übernutzung solcher Güter, weil diejenigen, die viel Nutzen daraus ziehen und weniger dafür aufbringen, eine bessere Kosten-Nutzen-Bilanz erzielen und somit bevorteilt sind im Wettbewerb. Etwas zu erhalten, das weder privat ist, noch dem Betriebsergebnis unmittelbar nützt, bringt dem Marktteilnehmer relativen Nachteil, sodass die Gefahr besteht, im härter werdenden Wettbewerb die moralisch und umweltfreundlich Handelnden zu verlieren.

Das Konzept der Ökosystemleistungen (ÖSL) ist ein relativ neuer ein Ansatz, der nicht nur die Vielfalt und Zusammenhänge von Funktionen und Prozessen im Naturhaushalt analysieren und beschreiben will, sondern vor allem ihre Bedeutung für den Menschen. Damit sollen neue Argumente und möglichst sogar bessere Regelungsinstrumente für politische, planerische und ökonomische Entscheidungsprozesse bereitgestellt werden (Grunewald & Bastian 2013). Weil diese Güter und Leistungen auch ökonomisch betrachtet werden, besteht neue Hoffnung, dass damit nachteilige Marktmechanismen korrigiert werden können.

Nach der gängigsten Definition sind Ökosystemleistungen alle Beiträge der Ökosysteme zum Wohlergehen des Menschen (ebd.). Zu diesen Beiträgen für das Wohlergehen zählen keineswegs nur Luxusgüter, sondern auch die Grundvoraussetzungen für das nackte Überleben (Wasser, Luft, Nahrung, Wärme). Wichtig ist, dass es sich trotz des Kurzwortes „Ökosystemleistungen“ (oft wird auch das längere Synonym Ökosystemdienstleistungen benutzt) in Wirklichkeit um Güter und Leistungen handelt. Also zählen hierunter auch Objekte, deren Wert allein in ihrer Existenz liegt, die aber eigentlich keine Leistungen im Sinne von Stoff- oder Energieflüssen erbringen wie z. B. bestimmte Arten. Die wichtigsten Leistungen und Ihre Wirkung auf das menschliche Wohlbefinden vermittelt die schon etwas ältere Grafik vom Millennium Ecosystem Assessment (2005, Abbildung 1).

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Abbildung 1 Ökosystemleistungen und die von ihnen erbrachten Beiträge zu verschiedenen Aspekten des menschlichen Wohlbefindens nach MEA 2005, übersetzt von W. Haber

Wie die Grafik (Abbildung 1, links) verdeutlicht, tragen die Ökosysteme zum menschlichen Wohlergehen bei durch die Versorgung mit Gütern der Natur, durch die Regelung von Stoff- und Energiekreisläufen und die damit verbundene Reduzierung von Naturgefahren sowie nicht zuletzt durch Möglichkeiten der kulturellen Betätigung im Zusammenhang mit Natur und Landschaft. Dahinter steht mitunter noch eine Vielzahl weiterer, nicht direkt genutzter Naturfunktionen, die aber wichtig sind für die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Damit werden, wie im rechten Kasten (von Abbildung 1) gezeigt, Beiträge geleistet zur Sicherheit, zur Befriedigung elementarer materieller Lebensbedürfnisse, zur Gesunderhaltung, zu guten sozialen Beziehungen und nicht zuletzt zur Wahl- und Handlungsfreiheit der Menschen.

Was leisten Agrarökosysteme für die Gesellschaft?

Agrarökosysteme erbringen eine Vielzahl wichtiger Leistungen und dies nicht nur für den Bewirtschafter der jeweiligen Fläche, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Aufgrund der Spezifik der Agrarlandschaft spielen dabei im Vergleich zu bewaldeten, naturnahen, urbanen oder marinen Ökosystemen andere Leistungen eine Hauptrolle; diese sind in Tabelle 1 fett hervorgehoben. Es zeigt sich, dass in den Agrarlandschaften zwar die Versorgungsleistungen ein relativ großes Gewicht besitzen, gleichwohl aber auch wesentliche Regulierungsleistungen (Erosionsschutz, Hochwasserschutz, Klimaschutz) erbracht werden und soziokulturelle Werte wie die Ästhetik und Erholungsmöglichkeiten beachtet werden müssen.

Die Nutzer bzw. Bewirtschafter der Flächen sind nicht die eigentlichen Dienstleister (z. B. bei Hochwasserschutz und Ästhetik), aber sehr wohl gefragt, im Sinne der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und erst recht als Empfänger von Subventionen, diese Leistungen auf ihren Flächen zuzulassen und – wenn möglich – zu vermehren. Immer lauter wird sogar die Forderung aus der Gesellschaft, Transferzahlungen an diese Leistungen zu binden. Diese Verknüpfung von Gemeinwohlleistungen und Leistungstransfer ist allerdings nicht unbestritten, gleichen die Transfers doch ursächlich die u. a. klimatisch bedingten Standort-Nachteile bei der Globalisierung des Agrarmarktes aus. Außerdem erbringen eben Ökosysteme und nicht die Landwirte die entsprechenden Leistungen, sodass die Kurzformel Geld gegen ÖSL bei den Agrarsubventionen nach wie vor diskussionswürdig ist. Zumindest würde dies erfordern, dass

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man die Leistungen genauer misst, um sie gerecht vergüten zu können und auch hierbei unverschuldete Standortdifferenzen ausgleicht.

Tabelle 1 zeigt auch die aktuell gebrauchte Klassifizierung nach Grunewald & Bastian (2013). Darin gibt es nur drei Hauptklassen, nämlich versorgende, regulierende und soziokulturelle Leistungen. Die in anderen Klassifikationssystemen teilweise in eigenen Klassen ausgewiesenen unterstützenden Leistungen und Habitatfunktionen sind hierbei der regulierenden bzw. soziokulturellen Klasse zugeordnet. Damit reflektiert diese Klassifikation die drei Säulen der Nachhaltigkeit, also eines ähnlichen Konzeptes, welches hiermit keinesfalls aufgehoben, sondern vielmehr verständlicher kommuniziert und im Interesse eines ökologischen Umbaus der Gesellschaft besser in die Realität umgesetzt werden soll.

Tabelle 1 Übersicht und Klassifizierung wesentlicher Ökosystemleistungen mit Hervorhebung derjenigen, die besonders von Agrarökosystemen erbracht werden (fett)

Klasse Leistungskategorie Ökosystemleistung

Versorgungs-leistungen

I Nahrung V.1 Nahrungs- und Futterpflanzen

V.2 Nutzvieh

II Nachwachsende Rohstoffe

V.6 Holz und Baumprodukte

V.8 Nachwachsende Energieträger

V.9 Sonstige Naturmaterialien

III Sonstige erneuerbare Ressourcen

V.10 Genetische Ressourcen

V.11 Biochemikalien, Naturmedizin, Arzneigrundstoffe

V.12 Süßwasser

Regulations-leistungen

I Klimatologische und lufthygienische Leistungen

R.1 Luftqualitätsregulation

R.2 Klimaregulation

R.3 Kohlenstofffixierung

R.4 Lärmschutzwirkung

II Hydrologische Leistungen

R.5 Wasserregulation

R.6 Wasserreinigung

III Pedologische Leistungen

R.7 Erosionsschutz

R.8 Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit

IV Biologische Leistungen (Habitatfunktionen)

R.9 Schädlings- und Krankheitsregulation

R.10 Bestäubung

R.11 Erhaltung der biologischen Vielfalt

Sozio-kulturelle Leistungen

I Psychologisch-soziale Güter und Leistungen

C.1 Ethische (spirituelle, religiöse) Werte

C.2 Ästhetische Werte

C.3 Identifikation (Heimat)

C.4 Gelegenheiten für Erholung und Tourismus

II Informations-Dienstleistungen

C.5 Bildungs- und Erziehungswerte

C.6 Geistige und künstlerische Inspiration

C.7 Indikation von Umweltzuständen

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Die entscheidende Herausforderung ist nun, diese Leistungen korrekt und gerecht zu messen und zu bewerten. Um eine bessere Wirksamkeit im politischen und ökonomischen Kontext zu erreichen, wird oft gefordert, Ökosystemleistungen quantitativ und sogar monetär (also in Geldwerten) anzugeben. Einige Ökologen, besonders aber Vertreter von Umweltökonomie und ökologischer Ökonomie gehen sogar davon aus, dass der besondere Wert der ÖSL im Vergleich zu den im Bereich der Landschaftsplanung längst etablierten Konzepten der Landschaftsfunktionen und Naturraumpotenziale gerade in einer solchen „Monetarisierung“ liegt. Andererseits sind viele Werte der Natur nicht käuflich, niemand hat sie hergestellt und das Recht ihrer Aneignung, evtl. sogar des Ausschlusses anderer (nicht zahlender) Nutzer von diesen Leistungen ist umstritten. Kann man nur einige wenige Funktionen exakt bemessen und bestimmt man dann den Wert der Ökosysteme insgesamt nur über diese wenigen messbaren Leistungen, so besteht erst recht die Gefahr, andere Leistungen und Güter zu gefährden statt zu schützen. Zudem wächst damit die Sorge vor einer weitergehenden „Kommodifizierung“ (zur Ware machen) der Naturschätze, auch und gerade unter Naturschützern.

Die Methodik zur Ermittlung der Ökosystemleistungen ist sehr vielfältig, so dass je nach gewähltem Ansatz durchaus verschiedene Resultate auftreten können. Verwendet werden Expertenurteile (Punktwertverfahren, Nutzwertanalyse, ökologische Bewertungen) zur Abschätzung qualitativer und halbquantitativer Werte, weiterhin Modellierungen – meist mit Hilfe geographischer Informationssysteme (GIS) – die vor allem Flächenbilanzen, Massenberechnungen, Abschätzungen von Potenzialen und Energieumsätzen sowie entsprechende Karten erstellen können. Die ökonomischen Verfahren erlauben auch monetäre Bewertungen, wobei je nach Leistungstyp Markt- oder Schattenpreise genutzt werden; letztere dort, wo die Güter und Leistungen keinem realen Markt unterliegen. Partizipative Ansätze (also mit Bürgerbeteiligung), wie z. B. Befragungen und Interviews, Bewertungs- oder Szenario-Workshops, können ebenfalls Geldwerte ergeben und eignen sich vor allem für die Klasse der soziokulturellen Leistungen. Natürlich können damit auch qualitative Ergebnisse bereitgestellt werden, wie z. B. eine Umfrage unter der ländlichen Bevölkerung der Oberlausitz. Diese erbrachte als die am höchsten wertgeschätzte Ökosystemleistung „Schönheit und Ruhe“, gefolgt von der Bereitstellung von Trinkwasser und sauberer Luft, weiterhin Lebensmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen, Bestäubung durch Insekten, Kohlenstoffbindung und Schutz vor Umweltextremen. Auf die hinteren Plätze der Reihung kamen die Bereitstellung von Futter und Nahrung, die Erzeugung erneuerbarer Energie und die Natur als Inspirationsquelle für Kunst und Kultur.

"Eine internationale Studie von (Porter et al 2009) bewertete die Leistungen des ökologischen Landbaues in Geldwerten und versuchte damit, Gesamtwerte für Agrarökosysteme dieses Typs zu bestimmen (Tabelle 2)." Daraus ergibt sich, dass auf Acker und Agroforst-Flächen die Nahrungsproduktion wertmäßig auf dem ersten Platz liegt, wo sie bis zu 52 % der gesamten berechneten ÖSL erbringt. Die nach ihrem Geldwert folgenden Leistungen sind Bioenergie (auf KUP = Kurzumtriebsplantagen), Landschaftsästhetik, Stickstoffbindung, Wasserqualität, Bestäubung, Kohlenstoffbindung, Kontrolle von Schadorganismen. Die Erhaltung der Artenvielfalt wurde allerdings nicht quantifiziert und landete somit (unberechtigt?) auf dem letzten Platz, was – im Gegensatz zu den Umfrageergebnissen – als Bestätigung für die im vorletzten Absatz genannte These mit der Ungleichbehandlung nicht preislich erfassbarer Leistungen gelten kann.

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Tabelle 2 Ranking von Ökosystemleistungen in der Agrarlandschaft nach einer monetären Gesamtbewertung von Porter et al. (2009)

Ökosystemleistung Rang / Größenordnung Bemerkung

Nahrung und Futter Platz 1 Acker und Agroforst 19 % (Grünland) bis 52 % der gesamt-ÖSL

Bioenergie Platz 1 KUP, sonst. Biomasse ca. 50 % der gesamt-ÖSL

Landschaftsästhetik Platz 2 im Mittel 14 % (Acker) bis 28 % (KUP) der gesamt-ÖSL

Stickstoffbindung und Bodenbildung

Platz 3 im Mittel, Platz 1 bei Grünland 1 % (KUP) bis 38 % (Grünland) der gesamt-ÖSL

Wasserqualität in Einzugsgebieten

Platz 4 im Mittel, einzige bisher bezahlte ÖSL

Verträge mit Wasserwerken bis 7 % der gesamt-ÖSL

Bestäubung Platz 5 im Mittel 1,5 % der gesamt-ÖSL

Kohlenstoffbindung Platz 6 im Mittel Nur auf Mineralböden positiv

Schädlingskontrolle Platz 7 im Mittel

Erhaltung der Arten Nicht quantifiziert

Bewertungsbeispiel für einen Agrarbetrieb

Im Folgenden sollen Bewertungsergebnisse beispielhaft für einen einzelnen Agrarbetrieb vorgestellt werden, um die Relevanz und Größenordnung von Ökosystemleistungen an konkreten Leistungsdaten und entsprechenden Werten deutlich zu machen. Bei dem Beispielsbetrieb handelt es sich um den Limousinhof Klemm im Osterzgebirge. Der Betrieb bewirtschaftet insgesamt ca. 600 ha Flächen mit überwiegend standortangepasster Grünlandwirtschaft in den Ortschaften Stadt Altenberg und Rehefeld-Zaunhaus, wo 700 Limousin- und Aubrac-Rinder gehalten werden, um hochwertiges Fleisch zu produzieren. Die Berechnungen wurden im Rahmen einer Masterarbeit von Bouhaka (2015) erarbeitet.

Die Nahrungs- und Futterproduktion betrifft (neben der direkten Beweidung) vor allem die Erzeugung von Heu auf ca. 220 ha Mähwiesen. Es fällt eine Jahresproduktion von 1.628 250 kg-Heuballen an, die im eigenen Betrieb benötigt werden. Die Produktionskosten für das Heu belaufen sich auf ca. 100 €/ha und Mahd bzw. insgesamt etwa 23.500 € pro Jahr. Müsste man die Heuballen jedoch kaufen (Marktpreis laut agrarheute.com: ca. 100 €/t), so ist mit einem Ankaufpreis von 40.700 € (plus Transport) zu kalkulieren. Als Differenz zwischen Produktion und Alternativkosten ergeben sich 17.200 € für die Ökosystemleistung „Futterversorgung“.

Als Beispiel für regulierende Ökosystemleistungen könnten die Wirkungen auf den Oberflächenabfluss herangezogen werden. Im Sinne des Hochwasserschutzes ist feststellbar, dass die Betriebsflächen, zumeist Grünland, in Altenberg auf 99 % eine mittlere und auf 1 % sogar eine hohe Abflussregulation aufweisen; in Rehefeld liegen diese Anteile bei 95 % bzw. 4 %. Eine Mengen- oder Preiskalkulation (z. B. Hochwasserspitze, Schadenswert) ist in diesem Fall jedoch schwierig, da der Wasserrückhalt von Grünland im Vergleich zu Acker oder anderen Nutzungen bei starken Regenfällen gering ist.

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Exakte Mengen und Kostenberechnungen sind aber möglich für die Vermeidung der mit den Abflüssen auftretenden Bodenerosion. Dank der bodenschützenden Gründlandwirtschaft liegen die modellierten Bodenabträge auf 84 % der Flächen im Raum Altenberg und auf 25 % bei Rehefeld unter dem an der Neubildungsrate orientierten tolerierbarem Maß von 3 t/ha und Jahr. Verloren gehen dennoch 1.226 t Boden, was bei angenommenen Sanierungskosten von ca. 75 €/t (für Materialtransport, Bewässerung, Düngung, Straßenreinigung etc., s. Bastian et al. 2013) einem Schaden von 91.500 € entspricht. Nimmt man stattdessen alle Wirtschaftsflächen ungünstigsten falls als Acker an, so sind im gleichen Gebiet 6.718 t Bodenverluste mit einem möglichen Schadenswert von 501.500 € zu befürchten, die heutige Nutzung vermeidet also ca. 410.000 € Erosionsschäden.

Zu den soziokulturellen Leistungen gehört vor allem die Ästhetik der Landschaft, die eine Vielzahl von Touristen ins Osterzgebirge lockt und hier eine wichtige Basis der wirtschaftlichen Entwicklung darstellt. Zunächst ist interessant, wie viel Touristen ausgeben, um sich im Osterzgebirge erholen zu können. Aus einer Reisekostenanalyse geht hervor, dass Tagesbesucher und Übernachtungstouristen allein in der Stadt Altenberg einen zweistelligen Millionenbetrag jährlich für Fahrkosten aufwenden. Umgerechnet auf den Anteil der Flächen des Limousinhofes, welche das Altenberger Landschaftsbild maßgeblich prägen, entspricht dies einem Anteil von 167.318 € pro Jahr.

Zusätzlich wurden Besucher der Gegend nach ihrer Zahlungsbereitschaft für eine Erhaltung der Biodiversität befragt. Tatsächlich wären eine knappe Hälfte der Befragten (49,3 %) bereit, durchschnittlich 2,74 € pro Person für entsprechende Naturschutzmaßnahmen zu geben. Hochgerechnet auf alle ca. 800.000 Besucher pro Jahr ergibt sich eine Summe von 1,16 Mio € von der wiederum 17.542 € anteilig auf die Bergwiesen des Beispielsbetriebes entfallen würden. Konkreter lässt sich diese Zahlungsbereitschaft an einzelnen Landschaftselementen und ihrem Zustand bestimmen, für welche die Art der landwirtschaftlichen Nutzung entscheidend ist. Mit Hilfe eines Multiple-Choice-Ansatzes wurden Touristen mit verschiedenen Pflegemerkmalen und Ökosystemzuständen konfrontiert und dabei gefragt, welche Variante sie als Reiseziel (unter Inkaufnahme höherer Anreisekosten) bevorzugen würden. Dabei kam heraus, dass deutsche Besucher pro Kopf 23 € mehr ausgeben würden, um in eine Gebirgsgegend mit gemähten, blühenden Bergwiesen (statt mit verwachsenem Grünland) zu fahren, während eine Weidetierhaltung (mit weniger Blumen und nicht-betretbaren Flächen) diesen Wert etwa halbiert. Die Erhaltung naturnaher Bäche in den Gebirgslagen ist den Befragten sogar 44 € pro Kopf und Besuch wert, im Vergleich zu künstlich ausgebauten und begradigten Gerinnen (Bastian et al. 2014).

Diesen Summen könnte man entgegenstellen, was aus öffentlichen Mitteln zur Erhaltung der naturschutzgerechten Nutzung aufgewendet wird. Die Erhaltung der Bergwiesen durch naturschutzgerechte Nutzung wird gefördert mit jährlich 373 €/ha (Mahd zweischürig), 394 €/ha (Mahd einschürig), 190 €/ha (Beweidung), 536 €/ha (Brache). Die durchschnittliche Fördersumme für Bergwiesen der berechneten Fläche beträgt somit ca. 83.600 € und bleibt weit hinter dem oben bestimmten Nutzen zurück. Auch eine Berücksichtigung der Grundförderung (die wie oben gesagt auch noch anderen Zwecken dient) wiegt hierbei selbst die Summe der wenigen kalkulierten Ökosystemleistungen nicht auf (Grunewald & Syrbe 2013) und würde hinter der leider nicht berechenbaren Summe aller Leistungen noch weiter zurückbleiben.

Schlussfolgerung: Wie trägt die Landwirtschaft zur Bereitstellung von Ökosystemleistungen bei?

Die eigentlichen Leistungen werden durch Naturprozesse generiert. Voraussetzung ist aber eine angepasste Landnutzung, welche auch Nicht-Zielleistungen berücksichtigt: Die Schlüsselworte hierfür heißen „Multifunktionalität“ und „Mehrfachnutzung“ und meinen nicht eine immer größere Belastung und Übernutzung von Flächen, sondern – im Gegenteil – dass neben dem

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Hauptzweck der landwirtschaftlichen Produktion auch noch andere Interessen der Gesellschaft bei der Bewirtschaftung der Flächen Berücksichtigung finden. Zum Ausgleich dafür stehen öffentliche Gelder, vor allem Agrarfördermittel und Programme des Naturschutzes zur Verfügung, deren Höhe sich natürlich bisher nicht am Nutzen, sondern höchstens am Aufwand für das gewünschte Management orientiert.

Landwirte haben sehr wohl Verantwortung für das Wohl der Allgemeinheit und sie nehmen diese auch an, sofern sie dadurch keine Wettbewerbsnachteile befürchten müssen. Das Bewusstsein und der Wille allein genügen nicht. Die Beiträge der Landwirte für eine lebenswerte und multifunktionale Agrarlandschaft können (gerade im Gebirge) sehr aufwändig sein. Eine angemessene Anerkennung ist daher ebenso wichtig wie die wettbewerbsgerechte Definition und Kontrolle der Grenzen und Rahmenbedingungen, damit nicht Wettbewerber die Gelder ohne Gegenleistung abschöpfen und die eigentlichen Akteure für die Ökosystemleistungen mit ihrem Engagement im Wettbewerb ins Hintertreffen geraten. Eigentlich wäre es wünschenswert, dass bei Maßnahmen zur Förderung von Ökosystemleistungen nicht nur die Kosten entschädigt, sondern auch die Erfolge vergütet würden. Dafür ist es freilich notwendig, Ziele zu definieren, ihre Erreichung zu kontrollieren und in Abhängigkeit von der Erfüllung zu fördern (Grunewald & Syrbe 2014). Einen ersten Schritt mit der zielorientierten Vergütung für die Vielfalt an Blütenpflanzen geht der Freistaat Sachsen gerade im Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen EU-Agrarpolitik.

Doch nicht nur betriebliches Wirken und öffentliches Geld sind gefragt. Die Wirtschaftlichkeit einer naturschutzgerechten Landnutzung ist etwa im vorgenannten Beispiel ebenso abhängig vom Verbraucher, der hochwertiges Fleisch aus dem Erzgebirge jenem aus Südamerika vorzieht und weiß, dass dies nicht nur eine Frage von Gesundheit und Geschmack ist, sondern auch im Interesse des Klima-, Boden- und Hochwasserschutzes, der Erholungsmöglichkeiten und der Erhaltung unserer heimatlichen Kulturlandschaft.

Literatur

Agrarheute.com (2015): Märkte und Preise. Futtermittel. (Zugriff am 08.10.2015).

Bastian, Olaf; Syrbe, Ralf-Uwe; Rosenberg, Matthias; Rahe, Doreen; Grunewald, Karsten (2013): The five pillar EPPS framework for quantifying, mapping and managing ecosystem services. Ecosystem Services 4 (1) 15-24.

Bastian, Olaf; Berens, Astrid; Kochan, Birgit; Kochan, Nils; Rybová, Kristýna; Slavík, Jan; Stutzriemer, Sylke; Syrbe, Ralf-Uwe; Vojácek, Ondrej (2014): Mehrwert Natur Osterzgebirge - Ökosystemdienstleistungen erkennen, bewerten und kommunizieren. IÖR Dresden, 44 S.

Grunewald, K.; Bastian, O. (Hrsg., 2014): Ökosystemdienstleistungen. Konzept, Methoden, Fallbeispiele. Springer, 332 S.

Grunewald, K.; Syrbe, R.-U. (2013): Bilanzierung der Landschaftspflege in Sachsen. LfULG-Schriftenreihe, Heft 17/2013, 208 S.

Grunewald, Karsten; Syrbe, Ralf-Uwe (2014): Aufgaben und Kostenbilanzierung der Biotoppflege - Methodik und Ergebnisse am Beispiel des Freistaats Sachsen. Natur und Landschaft 89 (5) 193-199.

Bouhaka, Theresia (2015): Die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen in einem Agrarbetrieb als fachlicher Beitrag zum Betriebsumweltplan (BUP) – beispielhaft dargestellt an einem Betrieb mit Landschaftspflege im Osterzgebirge. Masterarbeit, Technische Universität Dresden, 82 S.

Millennium Ecosystem Assessment (MEA, 2005): Ecosystems and Human Wellbeing, Synthesis. Island Press, Washington, DC.

Porter, J.; Costanza, R.; Sandhu, H.; Sigsgard, L; Wratten, S. (2009): The value of producing food, energy, and ecosystem services within an agro-ecosystem. Ambio 38 (4) 186-193.

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Hauptgutachten Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Berlin 420 S.

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Exkursion zu den Grenzelwiesen bei Beelitz und zum NSG „Belziger Landschaftswiesen

Der Flächenpool Grenzelwiesen – Beispiel für Kompensationsmaßnahmen in der Agrarlandschaft von Martin Szaramowicz, Flächenagentur Brandenburg GmbH

Die Realisierung von Kompensationsmaßnahmen in der Agrarlandschaft, insbesondere auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, ist in den letzten Jahren vielfach kontrovers diskutiert worden. Andererseits stehen mit Flächenpools und Flächenagenturen mittlerweile Lösungsmodelle und Akteure zur Verfügung, die konsensorientierte und ökologisch wirksame Lösungen möglich machen. Die im Rahmen der Fachtagung durchgeführte Exkursion zum Flächenpool "Grenzelwiesen" bei Beelitz stellte ein Beispiel dafür vor.

Eingriffe und Natur und Landschaft finden häufig auf vorher landwirtschaftlich genutzten Flächen statt. Somit ist eine Kompensation in der Agrarlandschaft für eine große Anzahl von durch bauliche Tätigkeit ausgelösten Beeinträchtigungen naturschutzfachlich richtig oder, in der Sprache der Eingriffsregelung, funktional angemessen.

Allerdings ist dieser Zusammenhang aus Sicht der Landwirtschaft durchaus problematisch: Landwirtschaftliche Flächen werden so u.U. für ein Vorhaben an zwei Stellen in Anspruch genommen: Zunächst für das Vorhaben selber und anschließend für Kompensationsmaßnahmen. Der Ausdruck "Doppelter Flächenentzug" hat sich für dieses Problem eingebürgert.

Der Lösungsansatz liegt nahe: Landwirtschaftliche Nutzung und naturschutzfachliche Kompensation müssen kein Widerspruch sein. Im Gegenteil: Der Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft ist vielfach mit dem Rückgang bestimmter landwirtschaftlicher Nutzungen verbunden (z.B. extensive Ackernutzung, Dauergrünland verschiedener Ausprägungen, Rotationsbrachen). Vollständige Nutzungsaufgabe bzw. Sukzessionsflächen sind für viele heute selten gewordene Tier- und Pflanzenarten, die offene oder halboffene Lebensräume benötigen, eher ungünstig.

Die naturschutzfachlich besonders gewünschten Nutzungen sind, verglichen mit intensiven Alternativen, für den Landwirt fast immer mit Einkommensnachteilen verbunden: Späte Mahdtermine, Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutz, kleinflächige Mosaike, absolutes Dauergrünland, extensive Beweidung…die Palette der ökologisch interessanten Nutzungsmöglichkeiten ist lang, aber fast immer gibt es finanziell einträglichere Nutzungsmöglichkeiten auf den fraglichen Flächen.

Hier können Flächenpool-Lösungen ansetzen:

Flächen können rechtzeitig gesucht, im Konsens mit Landnutzern und-eigentümern beplant

und Maßnahmen umgesetzt werden – idealerweise in größeren, zusammenhängenden

Flächenkulissen.

Langfristige Pflegeverträge schaffen Planungssicherheit für Landwirte und Nachhaltigkeit

für den Naturschutz.

Der Einkommensnachteil der Landwirte wird durch Pflegenentgelte ausgeglichen, diese

sind Teil der Kosten und damit auch des Preises der Kompensationsmaßnahmen.

Eine Flächenagentur übernimmt langfristig die Verantwortlichkeit und das Management für

den Pool, so können im Laufe der Zeit nötige Nachsteuerungen / Anpassungen abgesichert

werden.

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Der Flächenpool Grenzelwiesen bei Beelitz (Landkreis Potsdam-Mittelmark, Brandenburg) ist ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieses Konzeptes. Er ist ein Projekt der Flächenagentur Brandenburg GmbH in Zusammenarbeit mit der Agrar GbR Wittbrietzen und dem Naturpark Nuthe-Nieplitz. Auf einer zusammenhängenden Fläche von über 40 Hektar werden Moorflächen durch Wasserstandsanhebung renaturiert und Grünland extensiv gepflegt. Gehölzpflanzungen runden das Maßnahmenspektrum ab.

Abb. 1: Lage des Flächenpools

Die Grenzelwiesen sind eine typische Niederungslandschaft dieser Region: Typisch, weil Sie zu einem kleinen Paradies für Tiere und Pflanzen werden können – typisch aber auch, weil die menschliche Nutzung bedeutende Veränderungen mit sich brachte. Der Pool gibt der Natur wieder ein Stück der Niederung mit ihrer Dynamik zurück: Das Wasser, das in der Nieplitz und im Hauptentwässerungsgraben, dem Bockwurstgraben, vorher schnell abfließen sollte, bekommt wieder Raum. Es entstehen so verschiedene Zonen: Von einer dauerhaft mit Wasser überstauten Kernfläche bis hin zu extensivem Grünland. Wiesenvögel, Pflanzen des Moors und der feuchten Wiesen, Insekten und Fische finden so ein Mosaik von Lebensräumen.

Die einzelnen Elemente des Poolkonzeptes (Planung: IDAS Planungsgesellschaft, Luckenwalde) sind:

Sohlschwelle

Abb. 2: Sohlschwelle

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Wasserstands-Regulation mit einfachen Mitteln: Eine Steinschüttung befestigt eine durchfahrbare Furt und gibt gleichzeitig die Höhe des Wasserstands vor. Änderungen sind, wenn nötig, leicht durch Einbringen oder Entnahme von Steinen machbar.

Neue Wasserführung

Der Bockwurstgraben, bisher Hauptentwässerung der Grenzelwiesen, wurde auf einer Strecke von ca. 50 m verschlossen und davor eine neue Wasserführung durch die Wiesen angelegt. Das anströmende Wasser wird dadurch so ausgelenkt, dass es die ehemalige Nieplitz-Aue wieder erreicht. Ist ein gewisser Pegel erreicht, so fließt das Wasser durch die Führung nach der Sohlschwelle wieder in die Nieplitz zurück.

Wiederbelebung des Moores

Wichtigstes Ziel des Flächenpools ist die Wiederherstellung naturnaher Verhältnisse auf den Kernflächen der Grenzelwiesen. Durch die neue Wasserführung wird dort ein ganzjährig hoher Wasserstand erreicht, der zum Rand hin allmählich abnimmt. Bereits im ersten Jahr nach der Durchführung der Baumaßnahmen wurde zahlreiche Wiesenvögel und in der Wasserführung selber der Schlammpeitzger, ein seltener Fisch, angetroffen.

Pflanzungen

Naturnahe Auen mit ihren Wäldern und Gehölzen sind heute selten geworden. In diesem Bereich nahe der Nieplitz wurden neben den bestehenden Bäumen Gehölze neu angepflanzt, die sich zu einer „Ersatz-Aue“ entwickeln sollen.

Die Arbeiten zur Umsetzung dieses Projektes wurden im Frühjahr 2011 abgeschlossen. Seitdem findet die Pflegenutzung der Flächen durch die Agrar GbR Wittbrietzen statt. Die stark vernässten Flächen werden nicht mehr bzw. nur noch gelegentlich gemäht, um stärkeren Gehölzaufwuchs zu verhindern. Auf den nur temporär oder weniger vernässten Flächen am Rand des Poolgebietes findet Dauergrünland-Nutzung durch Mahd und teilweise durch Beweidung statt.

Die Zusammenarbeit zwischen der Flächenagentur als Projektträger, dem bewirtschaftenden Landwirt, den Landeigentümern, den Behörden und der Stadt Beelitz ist in der Entwicklung des Projektes konstruktiv und konfliktfrei gewesen. Es geht auf eine Idee des Landwirtes zurück, der die Fläche noch aus seiner Kindheit als Moor kannte.

Abb. 4: Ergebnisse der Wiedervernässung unmittelbar nach Maßnahmendurchführung

Abb. 3: Bauarbeiten für die neue Wasserführung

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Die Nachhaltigkeit des Projektes ist durch Pflegeverträge und die langfristige Projektsteuerung durch die Flächenagentur gegeben. Der Flächenbesitz konnte durch Erwerb über mehrere Jahre so geregelt werden, dass heute alle Flächen im Eigentum entweder des NaturSchutzFonds Brandenburg (alleiniger Gesellschafter der Flächenagentur) und des auf den Flächen wirtschaftenden Landwirtes sind.

Durch über 80 Verträge sind mittlerweile fast alle Poolflächen bzw. Maßnahmen an verschiedene öffentliche und private Investoren vermittelt worden. Die Projekte reichen dabei vom einzelnen Wohnhaus bis zu Straßenbauvorhaben.

Um Besuchern im Gebiet Informationen zum Projekt und zur Landschaft zur Verfügung zu stellen, hat die Flächenagentur im Sommer 2014 eine Infotafel am Gebiet platziert (Grafik: André Leicht). Mit dieser Tafel wird der an dieser Stelle bereits vorhandene Plan des Naturparks Nuthe-Nieplitz ergänzt.

Dieses Projekt stellt ein Beispiel dafür dar, dass Kompensation in der Agrarlandschaft gemeinsam mit Landwirten gelingen kann. Voraussetzungen sind naturschutzfachlich sinnvolle Konzepte, genügend Zeit um sie vorzubereiten und umzusetzen und v.a. die langfristige Trägerschaft durch einen Poolträger, in diesem Fall die Flächenagentur Brandenburg GmbH. Nur wenn Poolmaßnahmen langfristige durch Verträge und durch Management abgesichert sind, können sie die zur Erreichung der Kompensationsziele erforderlichen Effekte erzielen.

Kontakt und weitere Informationen: Flächenagentur Brandenburg GmbH Martin Szaramowicz Neustädtischer Markt 22 14776 Brandenburg an der Havel

Email: [email protected]

Internet: www.flaechenagentur.de

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Exkursion zum NSG „Belziger Landschaftswiesen“

von Norbert Eschholz

Wenn sich die Besucher am südlichen Rand des NSG „Belziger Landschaftswiesen“ etwas östlich von Baitz befinden, so haben sie einen weiten Blick über die Niederung der Belziger Landschaftswiesen, die einen Teil des Baruther Urstromtals bilden. Dieses Gebiet wurde maßgeblich durch die Weichseleiszeit geformt und bis vor wenigen hundert Jahren war das über 7.000 ha großes Gebiet von Bruch- und Auenwälder geprägt. In der Folge kam es zu Moorbildungen. Mit der Besiedlung, die um das Gebiet der Belziger Landschaftswiesen zu allen geschichtlichen Zeiten belegt ist, kam es zur langsamen Ausweitung von Ackerflächen und der Haltung von Weidevieh. Offene weiträumige Landschaften entstanden, die u.a. den Großtrappen günstige Möglichkeiten zur Ansiedlung boten. So ist bereits ein Nachweis für das Vorkommen der Großtrappen in der Mark durch die Darstellung eines balzenden Hahnes auf einen Stein aus dem slawischen Burgwall Spandau um etwa 1100 zu finden. Die großen Waldrodungen im Zuge der deutschen Besiedlung der ostelbischen Gebiete und die mittelalterlichen Formen der Landbewirtschaftung, förderten die Ausbreitung der Großtrappe. Während im Mittelalter besonders Äcker und Hutungen Lebensraum boten, wurde ab dem 18. Jahrhundert auch entwässerte Niedermoorbereiche mit Grünlandnutzung besiedelt. Für die Belziger Landschaftswiesen ist damit jedoch erst ab 1800 zu rechnen. Die Karten von 1780 zeigen das Gebiet noch überwiegend bewaldet. Die schwachen Entwässerungen im 18. und 19. Jahrhundert ließen mesotrophe Pflanzengesellschaften entstehen. So konnte sich eine artenreiche Flora und Fauna entwickeln. Die extensive individuelle Flächenbewirtschaftung fand bis zur zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts statt. Neben der Flächennutzung durch bäuerliche Betriebe der umliegenden Dörfer dienten die Grünlandflächen auch den landwirtschaftlichen Höfen aus weiter entfernten Orten. So hatten auch viele Flämingbauern eine oder mehrere Grünlandparzellen in den Landschaftswiesen. Allein schon die durch Betriebsentfernungen bedingten Nutzungsmöglichkeiten und die geringe Einzelflächengröße führten zu einem unglaublich abwechslungsreichen Nutzungsmosaik mit einer enormen Artenvielfalt. So brüteten beispielsweise Bekassine, Brachvogel, Kiebitz neben Großtrappe und Birkhuhn. Letztere kamen bis zur zweite Hälfte der 1950er Jahre hier vor. Großflächige Meliorationsmaßnahmen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verbunden mit der Beseitigung einer Vielzahl kleiner Stichgräben und dem Ausbau großer Entwässerungsgräben und die Begradigung der Fließgewässer sowie die Rodung von Einzelgehölzen und der folgende Umbruch von Grünland zur Ackernutzung führten zum Arten- und vor allem zum Individuenverlust. Die gleichzeitig laufende Zwangskollektivierung führte zur einheitlichen Bewirtschaftung und somit zur Monotonisierung der Landschaft.

Bereits in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden um den dramatischen Rückgang der Großtrappen zu stoppen Großtrappenschongebiete durch die Bezirke ausgewiesen. Diese Ausweisung hatte jedoch kaum Einfluss auf die Intensität der Flächennutzung. Nur persönliche Kontakte haben letzten Endes bewirkt, dass im Havelländischen Luch und in den Landschaftswiesen Flächenextensivierungen umgesetzt werden konnten. Mit der politischen Wende änderte sich die Situation gravierend und die Gelegenheit nutzend, wurden ab 1990 durch die damalige Naturschutzstation Baitz hunderte Pachtverträge mit den Eigentümern abgeschlossen. In der Folge kam es dann zum Kauf von Flächen, der bis heute anhält. So wurde

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zu Gunsten des Landes Brandenburg bis zum jetzigen Zeitpunkt ca. 1.160 ha erworben und für den Förderverein „Großtrappenschutz“ 175 ha. Dieser Grunderwerb stellt neben der Naturschutzgebietsausweisung eine wesentliche Basis zur langfristigen Gebietsentwicklung und zum Großtrappenschutz dar.

Mitte der 1990er Jahre spielte der Vertragsnaturschutz als wirksames Gebietsmanagement eine ganz besondere Rolle. Mit 1946 ha im Vertragsnaturschutz waren zu dieser Zeit 48 % des Schutzgebietes nach den Vorgaben des Naturschutzes zu bewirtschaften. Durch gravierende Kürzungen der Vertragsnaturschutzmittel sind von über 20 Vereinbarungen nur noch drei Verträge übrig. Obwohl einige Betriebe vom Vertragsnaturschutz in die KULAP-Vereinbarung wechselten, zeigt sich doch die enorme Bedeutung der Eigentumsflächen auf die langfristige Gebietsentwicklung.

Neben den schon sehr umfangreichen Grunderwerb ist die Flächensicherung im größeren Maßstab nötig. So wurden die Belziger Landschaftswiesen als eines der bedeutendsten Wiesenbrütergebiete in Brandenburg mit einer Größe von 4.435 ha mit Verordnung vom

24. Mai 2005 als Naturschutzgebiet gesichert. Fast 180 Vogelarten wurden nachgewiesen, davon mindestens 112 als Brutvögel. Hervorzuheben sind die Vorkommen vom Großen Brachvogel, Bekassine, Kiebitz, Wiedehopf oder Baumfalke. Grauammer, Braunkelchen, Schafstelze, Wiesenpieper und weitere Kleinvögel profitieren im besonderen Maße von der Grünlandextensivierung und von der Brachenentwiklung. Herausragende Bedeutung hat selbstverständlich die Großtrappe. Von mindestens 15 Großtrappenvorkommen in Jahr 1980 und mind.450 Trappen im ehemaligen Bezirk Potsdam sind nur noch 3 Gebiete mit Großtrappengebiete mit Reproduktion existent.

Nach einem Deutschlandweiten Bestandstief von weit unter 100 Tiere hat sich die Situation erheblich verbessert und zählte im Frühjahr 2015 wieder 197 Tiere. Das Havelland beherbergt den stärksten Großtrappenbestand. Mit ca. je 60 Tieren zu Beginn des Jahres 2015 sind die Bestände in den Belziger Landschaftswiesen und beim länderübergreifenden Gebiet des Fiener Bruches (BB, SA) nahezu identisch.

Bei unserer gemeinsamen Exkursion konnten zumindest einige der Teilnehmer eine führende Trappenhenne beobachten. Mindestens 44 Großtrappen wurden in den 3 genannten 2015 flügge. Damit ist diese Brutsaison mit Abstand die erfolgreichste seit mehreren Jahrzehnten. So hat der seit Jahren sichtbare Aufwärtstrend bei den

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Großtrappen einen Vorschub erhalten. In den allermeisten Fällen wurden diese Küken jedoch innerhalb von eingezäunten Schutzarealen flügge. In den Belziger Landschaftswiesen sind ca. 35 ha mit zwei Schutzbereichen angelegt. Diese Schutzareale sollen vor allem Fuchs, Dachs, Marderhund und Schwarzwild von den Brutplätzen abhalten. Mindestens 13 Hennen führten hier ihre Küken. Diese raubsäugerreduzierten Flächen werden auch bevorzugt von Wiesenweihe, Sumpfohreule oder Wachtel genutzt. Trotz der recht positiven Entwicklung wird noch auf die Auswilderung von künstlich erbrüteten und ausgewilderten Jungtrappen gesetzt. 17 Jungvögel kamen zusätzlich zur Auswilderung in die Belziger Landschaftswiesen. Diese entstammen gefährdeten Gelegen, die im Zuge der Landnutzung geborgen werden mussten.

Die Ausstellung in der Staatlichen Vogelschutzwarte Baitz verfügt über drei größere themenbezogene Vitrinen, die neben den charakteristischen Ausschnitt der Belziger Landschaftswiesen auch den Schwerpunkt der hiesigen vielfältigen Fließgewässer sowie die Charakteristik der Wälder des Naturparks „Hoher Fläming“ darstellen. Sämtliche Präparate befinden sich in einem äußerst anspruchsvollen Zustand.

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Projekt Luthergarten

Im Jahr 2017 feiert die Stadt mit der Luther-Dekade das 500-jährige Jubiläum der Reformation. Als Symbol für deren weltweite Ausstrahlung werden seit 2009 500 Bäume im Luthergarten und in seiner Umgebung gepflanzt. Der Martin Luther zugeschriebene Satz „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen“ war Ursprung des Projektes.[1] Kirchen aus aller Welt und aller Konfessionen sind eingeladen, selbst einen Baum zu pflanzen[2] oder die Patenschaft über einen der 500 Bäume zu übernehmen und gleichzeitig einen Baum im Gebiet ihrer Heimatkirche zu pflanzen. Durch jeweilige Beschriftungen wird die Verbindung zu Wittenberg dokumentiert. Auf diese Weise wird ein weltweites ökumenisches Netz gespannt. Es wird ein Zeichen der Verbundenheit, Vernetzung und Versöhnung der Kirchen weltweit gesetzt, wovon Impulse für die Stadt, die Region, das Land und letztendlich wieder für die Welt ausgehen sollen.

Das Projekt wurde durch den Lutherischen Weltbund initiiert und geht auf Planungen des Landschaftsarchitekten Andreas Kipar zurück. Der Garten hat eine ovale Form. In seinem Zentrum ist ein Platz in Form einer Lutherrose angelegt, in dessen Mittelpunkt ein mit Travertin-Platten verkleidetes Kreuz stehen wird. Von dem Platz führen sieben Wege symbolisch in die Welt; fünf davon bilden die sogenannten internationalen Alleen. An ihnen stehen Bäume aus verschiedenen Kontinenten, um den ökumenischen Charakter des Projekts zu betonen. Als Baum für Nordamerika ist z.B. der Rot-Ahorn vorgesehen, für Afrika der Feldahorn und für die asiatische und pazifische Region der Feuer-Ahorn. Streuobstwiesen mit einheimischen Gehölzen bilden die Räume zwischen den Alleen. Die Rasenfläche wird als ganzjährig blühende Wiesenfläche gestaltet. Der neue Park berücksichtigt das schon vorhandene Wegesystem der Parkanlagen. Einzelne Wege führen ins Zentrum der Stadt, zur Schlosskirche und zur Stadtkirche als Denkmalen der Reformationsgeschichte. Der Garten wird mit 270 Bäumen aus aller Welt bepflanzt. Weitere 230 Gehölze werden im Bereich der alten Wallanlagen der Stadt eingesetzt.

Abb. Luthergarten im Schnee, Foto: Micheline Fasbender

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Die Autoren

Die BBN-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt e.V.

Matthias Pietsch Prof. Hellriegel Institut e. V. an der Hochschule Anhalt Hochschule Anhalt - Standort Bernburg Stenzfelder Alle 28 Thünen-Haus, Zi. 203 06406 Bernburg Telefon: +49 (0) 3471 355-1140 E-Mail: [email protected] Michael Makala c/o Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich: Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung Fachgebiet: Landschaftsplanung und Landschaftsökologie Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg Telefon: +49 (0) 3471/355-1121 E-Mail: [email protected]

Tagungsbeobachtungen

Andre Wolf Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ Permoserstr. 15 04318 Leipzig

Und Gott sprach: Es werde Licht! Was heißt Schöpfungsverantwortung?

Dr. Alf Christophersen Studienleiter für Theologie, Politik und Kultur an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. V. und Privatdozent für Systematische Theologie an der LMU München E-Mail: [email protected]

Die Landwirtschaft, die Landschaft schafft? Biodiversität in der Agrarlandschaft auf der Roten

Liste

Prof. Dr. Eckhard Jedicke Jahnstraße 22 D-34454 Bad Arolsen Telefon: +49 (0)5691 7197 E-Mail: [email protected] / Internet: www.jedicke.de

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Landwirtschaft und Naturschutz - alles im Lot?

Dr. Dr. Jörg Hoffmann Julius Kühn-Institut Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen Telefon: +49(0)3320348360 E-Mail: [email protected] Internet: www.jki.bund.de

Land-Wirtschaft vs. Naturschutz?

Thomas Beil Dipl.-Biologe Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur Ellernholzstr. 1/3 17489 Greifswald Telefon: +49 (0)3834-83542-15 E-Mail: [email protected]

Erhaltung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften – Beispiele aus dem Landkreis

Sächsische Schweiz – Osterzgebirge

Dr. Bernard Hachmöller Referatsleiter Referat Naturschutz Landratsamt Sächsische Schweiz – Osterzgebirge Umweltamt Weißeritzstraße 7 01744 Dippoldiswalde Telefon.: +49 (0)03501 5153430 Email: [email protected]

Welchen Beitrag können Kompensationsmaßnahmen leisten?

Ines Pozimski Landespflegerin bei der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH Große Diesdorfer Str. 56/57 D-39110 Magdeburg Telefon: +49 (0) 391 7361-6 Email: [email protected]

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Das Projekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“

Dr. Heinrich Graf von Bassewitz Gut Dahlwitz Ortsteil Dahlwitz 44 17179 Walkendorf Telefon: +49 (0) 3997 251263

Bemerkungen zu Mehr Vielfalt in Agrarlandschaften! (II)

Hubertus Bertling Ministerialrat a. D. Gardelegener Straße 9b 39646 Öbisfelde

Ökosystemdienstleister Landwirtschaft?

Ralf-Uwe Syrbe Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung / Leibniz Institute of Ecological and Regional Development (IOER) Forschungsbereich Wandel und Management von Landschaften Weberplatz 1 01217 Dresden (Germany) Telefon.: +49 (0)351 4679219 Telefax: +49 (0)351 4679212

Der Flächenpool Grenzelwiesen – Beispiel für Kompensationsmaßnahmen in der

Agrarlandschaft

Martin Szaramowicz Dipl. Ingenieur Flächenagentur Brandenburg GmbH Neustädtischer Markt 22 14776 Brandenburg an der Havel Telefon: +49(0)33 81 2110212 Email: [email protected]

Exkursion zum NSG „Belziger Landschaftswiesen“

Norbert Eschholz Förderverein Großtrappenschutz e.V. Buckower Dorfstraße 34 14715 Nennhausen Telefon: +49(0)33878 60194 Email: [email protected]

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Fotos Rückseite: Jörg Hoffmann