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Meine, deine, seine Sucht: Persönlichkeit, Gehirn und Drogen Günter Schulter Institut für Psychologie der Universität Graz Abteilung für Biologische Psychologie

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Meine, deine, seine Sucht: Persönlichkeit, Gehirn und Drogen

Günter Schulter

Institut für Psychologie der Universität GrazAbteilung für Biologische Psychologie

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Begründer der Psycho-analyse

"Befreier" der Sexualität

Entdecker des Unbewußten

Dr. Sigmund Freud(1856 - 1939)

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Biographie einer Sucht

Freud war sein Leben lang ein starker RaucherLebenslanger Kampf gegen die Abhängigkeit Erfolgloser Kampf, trotz vieler gesundheitlicher Probleme

mit 38 Jahren: Herzrhythmusstörungen mit 55 Jahren: Herzprobleme mit 67 Jahren: Krebserkrankung an Gaumen und Kiefer

33 Operationen an Kiefer und Mundhöhlemit 73 Jahren: Herzleiden mit 79 Jahren: weitere Herzproblememit 81 Jahren berichtet ein Freund über ihn:

"... er raucht immer noch eine endlose Reihe von Zigarren"

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Psychologie der Sucht

• Motivationspsychologie

• Emotionspsychologie

• Lernpsychologie

• Persönlichkeitspsychologie

Neurowissenschaften - Gehirnforschung

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Motivationspsychologie

Biologischer Sinn "natürlicher" Motive / Triebe

Unmittelbares Überleben des einzelnen IndividuumsNahrungsaufnahme, Flüssigkeitszufuhr, Schlaf

Langfristige Wahrscheinlichkeit zu überlebenSpieltrieb, Bindungsbedürfnis, Sozialkontakt, Neugierde, Explorationsbedürfnis

Überleben der ganzen Art Sexualität und elterliches Pflegebedürfnis, Sozialkontakt

Natürliche Anreize (incentives) - Objekte unserer BegierdeNahrung, Wasser, Sozial- / Sexual-Partner, Körperkontakt

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Motivationspsychologie

Mechanismen der Bedürfnisbefriedigung

1. Regelsystem (Energiehaushalt)Sollwert - Energie-Defizit - Alarmsignal

2. Konsequenzen des Defizitsmotorische Aktivität, kognitive Aktivierung, Wachheitappetitives Suchverhalten: mehr / weniger zielgerichtetAuftreten eines spezifischen Gefühls: Hunger, Unlustintensives Motiv, Antrieb für unser Verhalten

3. Konsequenzen der TriebbefriedigungAusgleich der Energiebilanz (Triebreduktion)Reduktion der Unlust, des Hungers, Lustgefühl

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Konsequenz der Belohnung, des Lustgefühls

Alles am Weg zur Triebbefriedigung wird gelernt

Was wird gelernt:1. das eigene Verhalten, jede Aktion, die man gesetzt hat

(durch sog. operante oder instrumentelle Lernprozesse: mein Verhalten ist ein "Instrument" - Konsequenzen)

2. alles, was man gesehen, gehört, gerochen, oder gedacht hatAlle Sinneseindrücke werden zum Signal für die Triebbefriedigung bzw. das entsprechende Lustgefühl(durch sog. klassische Konditionierung)

Je intensiver das Lustgefühl, desto besser die Einprägung

Lernpsychologie

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Verkehrszeichen

welche signalisieren: da geht es lang, das ist der Weg zur Lustquelle, ins Paradies.

Belohnungssystem: Lustmarken statt Duftmarken am Weg zur Befriedigung, in unserem Gehirn, in unserem Gedächtnis

Lernpsychologie

L u s t

U n l u s t

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Verstärkungssystem (erfolgreiche Verhaltensweisen werden belohnt oder verstärkt - Auftrittswahrscheinlichkeit)

Motivationspsychologie

Triebsystem

Belohnungssystem

Biologische Bedeutung dieser Lernprozesse

Orientierung an der Konsequenz, an Lust oder Unlust Verhaltenssequenzen werden zielgerichteter die Triebbefriedigung wird immer effizienter

Regelsystem - Innerer Bedarf

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Konsequenz der Lernprozesse

1. Signalcharakter Objekte, Situationen, Orte - an sich neutrale Reize -erlangen Anreizcharakter (incentives - Anreize),

2. Sie werden zu erlernten, "sekundären" MotivenSoziale Situationen, der Kühlschrank, das Zimmer, das Vorbereitungsritual, die Nadel

3. Konsequenzen: Sie signalisieren Lust

Sie lösen ähnliche Bedürfnisse aus wie primäre Motive

Motivationspsychologie

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Motivationspsychologie

Signal für Lust - EssenAuslöser für Bedürfnis - Hunger !(obwohl kein Energiebedarf)

Heimatliebe - "künstliches" Motiv Verlangen in der Heimat zu seinHeimweh - Entzugserscheinung

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Motivationspsychologie

Geld - Bedürfnisbefriedigung unmittelbar:Kind - Geld - Eis - LustGeld: Signal für Lust

Anreizwert von Geld - sekundäres Motivmittelbar:Freude - Antizipation der Befriedigung von Bedürfnissen

ohne sofortige BefürfnisbefriedigungEntgleisung dieses Mechanismus:

Geld anhäufen, aber nicht mehr ausgeben:"Dagobert Duck Syndrom"

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Motivationspsychologie

Triebsystem

Belohnungssystem

Lustsystem

Entkoppelung vonTriebbefriedigung und Belohnungssystem

von Belohnungssystem und LustsystemMechanismus der Sucht

Feststellung des Bedarfs

Effizienz der Befriedigung

"Erzeugung" der Lust

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Psychobiologie des Belohnungssystems

1954 - neue Technik zur Untersuchung des Gehirns dünne Drähte ins Gehirn von Tieren eingestochen,schwache elektrische Stromimpulse eingeleitet

Einfluss auf das Verhalten ?Zufall - bestimmte Region - Ortspräferenz nach ReizungVariation der Versuchsanordnung:nicht der Wissenschafter drückt auf die Taste, die Tiere selbst konnten im Käfig eine Taste drücken, um sich elektrisch im Gehirn zu stimulieren

Intracraniale Selbststimulation (ICSS)(Olds & Milner, 1954)

Lernpsychologie

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Lernpsychologie

Intracraniale Selbststimulation

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Lernpsychologie

Intracraniale Selbststimulation

Tiere drückten bis zu 8000 mal pro Stunde - völlige Erschöpfung

Die Triebhierarchie wurde völlig auf den Kopf gestellt:Rattenmütter lassen ihre Kinder im Stich Hunger und Durst werden völlig ignoriertSchmerzen werden in Kauf genommen Und Sex ist überhaupt kein Thema mehr

Massive Wirkungen auf das Verhalten der Tiere:Ähnlichkeit mit Suchtverhalten und Abhängigkeit

Zentren der Freude - "pleasure centers"

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Lernpsychologie

Stimulation des Belohnungssystems

Nicht: Lust, Freude, Euphoriesondern: ein Drang, ein intensives Verlangenwerden ausgelöst

Nachweis auch beim Menschen

Bestrafungs- oder Aversionszentren

Lust wird durch ein separates System gesteuert

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Lernpsychologie

Belohnungssystem und Sucht

Vorteile des Belohnungssystems: Effizienz der Triebbefriedigung

Steuert die Triebbefriedigung durchErwartung von Lust - Vermeidung von UnlustGrundlage aller Wünsche, jedes Verlangens, jeder Sehnsucht

Nachteile des Belohnungssystems: Grundlage aller SüchteAn der Befriedigung aller Bedürfnisse beteiligt:

Jedes natürliche Bedürfnis kann daher zur Sucht werdenAlle Drogen wirken direkt oder indirekt auf das Belohnungssystem:

an jeder Drogenabhängigkeit beteiligt

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Lernpsychologie

Anatomie des Belohnungssystems

Präfrontaler Kortex: Arbeitsgedächtnis, Handlungsplanung

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Mechanismen der Sucht

Homöostase - Adaptation - Toleranzentwicklung

HomöostaseGleichgewicht von Körperfunktionen aufrecht erhalten

Temperatur, Blutdruck - nicht zu niedrig, nicht zu hoch;Auslenkung des Gleichgewichts - Gegenreaktionen

Alkohol z.B. senkt die Körpertemperatur Kompensationsreaktion in die GegenrichtungKokain z.B. aktiviert bestimmte Systeme im Gehirn Gegenreaktion: die Aktivität dieser Systeme wird gedämpft

schneller Abbau, reduzierte Funktion der NervenzellenKurzzeitige und dauerhafte Änderungen im Gehirn:Toleranzentwicklung: höhere Dosis, gleiche Wirkung

Heroinsüchtige z.B. vertragen Dosis, welche für Unerfahrene absolut tödlich wäre

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Mechanismen der Sucht

Psychische Kompensationsreaktionen

Gegensätzliche Emotionen auf der psychischen Ebene:Reaktion auf Kokain: intensive EuphorieGegenreaktion: depressive VerstimmungReaktion auf Alkohol - Allmachtsgefühl "Ich bin groß und stark, und kann es mit allen aufnehmen"Gegenreaktion: soziale Angst und extreme Schüchternheit

Positive Gegenreaktionen auf negative Gefühle:Reaktion auf Marathonlaufen: Belastung, SchmerzGegenreaktion: Entlastung, Euphorie (Endorphine)(Sauna, Fallschirmspringen und ähnliches)

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Biologischer Sinn von Kompensationsreaktionen

Die Auslenkung eines Teilsystems wird nach z.B. oben begrenzt;

auch die Aktivität des Lustsystems z.B., und damit die subjektive Lust, die wir erleben können

Schriftsteller und Dichter - Liebe und Sexualität: "wahnsinnig vor Sehnsucht", "wahnsinnig vor Lust"für das Überleben eines Tieres nicht günstig

Mechanismen der Sucht

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Das Gegensatz-Prozess-Modell der Sucht

1. Jeder Prozess (jede Droge) löst einen Gegenprozess aus2. Der Gegenprozess setzt zeitlich später ein,

dauert daher noch an, wenn der Prozess schon abklingt:emotionale und körperliche Entzugserscheinungen

3. Je stärker der Prozess, desto stärker der Gegenprozess:je wirksamer eine Droge, desto größer die Entzugssymptome

4. Der Gegenprozess klingt nur langsam ab:für Morphium: je nach Dosis und Vorerfahrung bis zu 120 StundenNeuerliche Drogeneinnahme innerhalb dieser Zeit:abklingende und neu ausgelöste Gegenreaktion addieren sich -Verstärkung der Entzugserscheinungen - erhöhte Wahrscheinlichkeit neuerlicher Drogeneinnahme

Mechanismen der Sucht

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Lernprozesse und Sucht

Intensität der Lust - Intensität der Lernprozesse:Intensität der "Lustmarken", der Signale am Weg zur Lust

Kontextreize werden mit nachfolgenden Reaktionen verknüpft:Der Ort, die Nadel, das Vorbereitungsritual, die Anwesenheit anderer Personen, sogar die Tageszeit, zu der die Einnahme stattfindet

Kontextreize signalisieren die zu erwartende Lust; lösen gleichzeitig bereits kompensatorische Gegenreaktion aus: Konditionierte Toleranz !

Mechanismen der Sucht

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Mechanismen der Sucht

Konditionierte Toleranz

0

20

40

60

80

100

Prozentsatz der Todesfälle

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Konditionierte Entzugserscheinungen

0102030405060708090

1.Sym.

2.Sym.

3.Sym.

4.Sym.

5.Sym.

Kontext neuKontext alt

Mechanismen der Sucht

Anzahl von Entzugssymptomen

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Mechanismen der Sucht

010203040506070

Vietnam-Veteranen

Süchtige inDrogen-Stationen

Lernprozesse und Rückfallshäufigkeit

Vietnam-Krieg:L.B. JohnsonR. Nixon

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Mechanismen der Sucht

Zusammenfassung: Lernprozesse und Sucht

1. Toleranz im gewohnten Kontext am größtenDrogentod in neuer Umgebung !

2. Entzugserscheinungen im gewohnten Kontext am größtenWahrscheinlichkeit des Rückfalls etwas höher

3. Anreizcharakter des gewohnten Kontexts am größtenSignale für Lustgewinn -Wahrscheinlichkeit des Rückfalls um vieles höher !

Allerdings:Vietnam-Veteranen - neuer Kontext und weniger Stress Aufrechterhaltung von Sucht zur Vermeidung von Unlust

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Mechanismen der Sucht

Dynamik des Verlaufs einer Sucht

Dauer der Sucht

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Mechanismen der Sucht

1. Anreiz einer Droge nimmt zu: das zwanghafte Verlangen steigtLustsignale werden intensiver - "wanting" Funktion des Belohnungssystems

Lebensumstände eines Süchtigen:Kein Beruf, kein Geld, keine Freundin, die Drogenwirkung geringerdennoch: die Sucht wird aufrecht erhalten,

weil das Verlangen sogar noch stärker wird.

Anreiz-Sensibilisierungs-Theorie (Berridge & Robinson, 95; Ness & Berridge, 97)

2. Freude, Euphorie nimmt ab:"liking" Funktion des Lustsystems

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Lustsystem

Anatomie des Lustsystems

Wo im Gehirn wird die Lust selbst "erzeugt" ? Vermutlich im sog. Opiatsystemaber: andere System - Emotionssysteme

Warum reagiert Gehirn auf Opiate ?gehirneigene Botenstoffe - den Opiaten chemisch ähnlich (sog. Endorphine, Enkephaline)

Biologische Funktionen:Lust, Euphorie, aber auch:schmerzdämpfend, beruhigende und auch angst-hemmende Wirkungen(Dämpfung des Atemsystems - Atemlähmung - Tod)

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Triebsystem

Belohnungssystem

Lustsystem

Feststellung des Bedarfs

"Medizinische" Therapie der Sucht

Beeinflussung des Triebsystems

Dämpfung der Signale des Triebsystems: z.B. HungerBallaststoffe - Magenfüllung ("Slim fast")Esssucht: nicht Hunger, sondern Lust Appetitzügler - Lust über das Belohnungsystem:Schauspielerin: "Ich war auf Preludin" - Amphetamin - Sucht

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Drogenzufuhr

Schlauch

Kanüle in Blutgefäß

Taste

Steuer-system

"Medizinische" Therapie der Sucht

Erwerb und Therapie von Sucht bei Tieren

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Triebsystem

Belohnungssystem

Lustsystem

Beeinflussung des Belohnungssystems

• Läsion einzelner Strukturen (N. accumbens) - Ende der Sucht• Chemische Dämpfung/Blockade: Ende der Sucht im Tierversuch aber: Dämpfung des gesamten Belohnungssystems (Dopamin)Nichts ist erstrebenswert (sekundären Motive) - keine Vorfreude Teilaspekt depressiver Erkrankungen: Antriebslosigkeit

"Medizinische" Therapie der Sucht

"Vorfreude"

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Triebsystem

Belohnungssystem

Lustsystem

"Medizinische" Therapie der Sucht

Beeinflussung des Lustsystems

Chemische Dämpfung/Blockade der OpiatrezeptorenEnde der Sucht im Tierversuch (Alkoholiker - Naloxon) aber: Dämpfung des gesamten LustsystemsVerlangen, Vorfreude, der Antrieb ist noch da Lusterleben generell reduziert

"Erzeugung" der Lust

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Persönlichkeit und Sucht

Belohnungssystem und Sucht

Genetische Variationen: Unterschiede im Belohnungssystem Funktionsdefizit (weniger/"schlechtere" Dopamin-Rezeptoren) -Belohnungsdefizit - "Reward deficiency sydrome"

Persönlichkeit: 1. Verstärkte Suche nach neuen Reizen, nach Anregung und Abenteuer, Erkundungsdrang (Intoleranz gegenüber Langeweile); Explorationstrieb: neue Nahrungsquellen, neue Sexualpartner (dh. Inzucht wird reduziert) Sensation Seeking2. Wenig Belohnung durch primäre/sekundäre Bedürfnisse:Kompensation des Belohnungsdefizits Erhöhter Prozentsatz an Süchtigen

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Mechanismen der Sucht

Belohnung

Sog in die Sucht

Belohnungsdefizit

Ständige Suche nach belohnenden Aktivitäten:

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Persönlichkeit und Sucht

Vermeidung von Unlust und Sucht

Emotionssysteme regulieren unseren Gefühlshaushalt

Persönlichkeit:Große Unterschiede in Ängstlichkeit und Stresstoleranz;Selbstwertgefühl, soziale Sicherheit und Kompetenz;Bedürfnis nach Sozialkontakt - Schüchternheit: großes Bedürfnis und gleichzeitig große Furcht vor Zurückweisung

Spezifisches Wirkungsprofil von Drogen:Alkohol: Wirkmechanismus wie bei Beruhigungsmittel ("Valium")

+ Euphorie und leichte Verfügbarkeit

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Mechanismen der Sucht

Unlust

Flucht in die Sucht

Vermeidung von Unlust

Reduktion von Angst und Stressbelastung

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Mechanismen der Sucht

Unlustvermeidung und Sucht

Spezifisches Wirkungsprofil: z.B. Alkohol und Beruhigung

LSD, Psychedelika und Sensation SeekingKokain und Heroin: Belohnung und Lust Suchtentwicklung unmittelbar einsichtig

Suchtentwicklung nicht einsichtig bei einer Droge, die nicht oder kaum Euphorie auslöst, am Beginn negative Reaktionen,Entzugserscheinungen mäßig, körperlicher Entzug rasch vorbei,dennoch: riesiges Heer von Abhängigen

Was ist das für eine Sucht ?

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Mechanismen der Sucht

Videoclip: Fragen eines 'Süchtigen'

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Mechanismen der Sucht

Rauchen - Herausforderung für die psychologische Suchtforschung

Höchster Prozentsatz an Süchtigen (Drittel der Bevölkerung)

Höchste Wahrscheinlichkeit für Sucht nach Erstkontakt:70 % bei Nikotin, 30 % bei Heroin, 10 % bei Alkohol

Besonderheiten der Sucht:• Nikotin wirkt sehr rasch im Gehirn (innerhalb von Sekunden)• Wirkung ist sehr gut zu dosieren (Tiefe der Inhalation)• die Zigarette fast immer und überall verfügbar• Tausende von Lernprozessen (im Jahr), welche die Sucht festigen und verstärken.

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Mechanismen der Sucht

Rauchen - Vermeidung von Unlust

Schülerin, Student sitzt vor Büchern und lernterfordert: Anstrengung, Mühe, Konzentration und Disziplin; die Unlust steigt Unterbrechung der unlustvollen Tätigkeit: aufstehen, zur Sitzecke gehen und rauchen

Was passiert dabei ? Vermeidung der Unlust, angenehme Entlastungsreaktionwird im Gehirn mit dem Rauchen in Verbindung gebracht

Viele ähnliche Situationen bewirken, dass Rauchen mit Entspannung assoziiert wird:

nach dem Essen z.B., beim Kaffeetrinken.

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Psychologische Interventionen

Prävention - Sog in die Sucht

Mehrheit der Suchtentwicklungen vor dem 30. Lebensjahr:1. Erhöhtes Bedürfnis nach neuen Erfahrungen Hilfestellung bei der Vermeidung von Langeweile: Anleitungen zu Reisen, Sport, Hobbies, Jugendvereine (Sensation Seeker)Obsorge, Stützung durch die Familie !2. Soziale FaktorenBezugsgruppe, der soziale Status - rauchen, trinken, dazugehören: Selbstwertgefühl stärken (Kritik vs. Lob);Raucherstudie (Freunde vs. Familie):mindestens 2 rauchende Freunde - 10 mal höheres Risiko;rauchende Eltern: geringfügig erhöhtes Risiko (1,26 x)nur die Mutter raucht: überhaupt kein Einfluß auf die Söhne Bezugsgruppe: Zugang und Bewertung von Drogen

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Psychologische Interventionen

Prävention - Flucht in die Sucht

Familie: 1. Belastungen durch die Schule:Akzeptieren von Begabungsmängeln, Bewertung des Bemühensdurch Eltern und Lehrer2. Belastungen durch die Familie:Familienkriege vs. einvernehmliche Scheidung

Kinder brauchen nicht unbedingt eine tägliche Portion Milch sie brauchen aber alle eine tägliche Portion Lust

Alternative: Depression oder Drogen

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Psychologische Interventionen

Therapie der Sucht

1. Sog-Wirkung: Alternative Motive / Lustquellen aufbauen

2. Fluchttendenzen: Änderung der belastenden Lebensumstände

3. Änderung des Kontexts: Signale der Vorfreude/Lust sind geringer

4. "Löschung" konditionierter Reaktionen: Konfrontation mit dem Kontext bei Verhinderung der Drogenaufnahme -erfolgreicher, aber mühsamer Weg: Die Signale der Lust werden geringer, ganz langsam zwar, aber sicher

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Mechanismen der Sucht

Suchtforschung - Ausblick

Behandlungsmethode:angenehm und auch hoch wirksam - derzeit nicht verfügbar

Suchtforschung: jährlich tausende Arbeiten zum Thema Sucht viele Tierversuche: z.B. Alkoholwirkung - Fliegen - Gene

Theorie der Sucht:"Nichts ist praktischer als eine gute Theorie"allerdings: das Gehirn ist ein höchst komplexes Organ

dramatische Vereinfachungen