Meine Zeit in Korea - Student und Arbeitsmarkt · PDF fileHeute Morgen bin ich aus Seoul...
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Meine Zeit in Korea (als Sprachtutor der germanistischen Abteilung der Incheon National University)
Philosophisches und Organisatorisches. Heute Morgen bin ich aus Seoul zurückgekommen, und ich möchte hiermit einen Teil meines in
Korea angefertigten Tagebuches zusammenzufassen, um Interessierten einen Motivationsschub zu
geben, auch ein Abenteuer im Ausland zu erleben.
Frägt man mich nach einem die Zeit beschreibenden Adjektiv, so ist es: „lebensbereichernd“. Eine
Zeit im Ausland bereichert das eigene Leben unermesslich. Für einige Zeit in einer fremden Kultur zu
leben, öffnet den eigenen Blickwinkel und ermöglicht die Reflektion der eigenen kulturellen Prägung.
Sich mit Menschen einer anderen Kultur als der eigenen gemeinsam zu leben, zu arbeiten, zu essen
und zu wohnen fordert oft den Verzicht der eigenen Bequemlichkeiten und Gewohnheiten, ist
jedoch, insbesondere rückblickend, immer lohnend. Im Gegensatz zu einem, durchaus auch
mehrwöchigen, Reise-Urlaub bedeutet das Leben in einem fremden Land nicht nur Gast zu sein,
sondern Freund. Der Unterschied zwischen diesen beiden Status ist begründet im hierarchischen
Miteinander. Sich auf ein fremdes Land und deren Bewohner einzulassen und mit ihnen zu leben,
führt zu einer Freundschaft und Beziehung, die meines Erachtens tiefer und erfüllender ist als ein
Urlaub im gleichen Land. Es bedeutet, das Land nicht nur zu erleben, sondern in dem Land mitleben.
Neben den erwähnten Verzicht auf deutsche Gewohnheiten und Bequemlichkeiten, muss für die
Durchführung eines Auslandsaufenthaltes zusätzlich die finanzielle und organisatorische Hürde
überwunden werden. In meinem Fall war letzteres kein Problem, weil die Stelle inklusive Wohnung
durch die Universität Incheon bereits angeboten wurde. Ich musste mich in Korea also weder um
eine Stelle, noch um eine Wohnung kümmern. Die Bewerbung und Kommunikation mit den
Verantwortlichen verlief entspannt und in deutscher Sprache. Deswegen fällt bei dieser Stelle die
organisatorische Hürde bis auf die Buchung des Fluges, die Auflösung der Wohnung in Deutschland
und der Email-Verkehr mit der Verantwortlichen, weg. Die finanzielle Hürde wird durch das
Stipendium des DAAD, vertreten durch „Student und Arbeitsmarkt“ der LMU, und die
Kostenübernahme der Wohnung durch die Universität Incheon beinahe annulliert. Ich selbst bin nach
meinem zweimonatigen Aufenthalt noch zwei Wochen durch Korea gereist und habe in diesen 81
Tagen Korea etwa 500 Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Dies erscheint als nominale Zahl
viel, ist jedoch wenig, berechnet man für die gleiche Zeitspanne die Lebenskosten in Deutschland. Die
finanzielle Hürde ist also ebenso wie die organisatorische bei dieser Stelle sehr niedrig. Die höchste
Hürde bleibt also die kulturelle Herausforderung.
Das „Student und Arbeitsmarkt“-Team bietet hierfür einen eintägigen Kurs zur Sensibilisierung
(„NIK“) an, den ich jedem empfehle. Der Kurs zielt darauf ab, die Teilnehmer auf den sogenannten
Kulturschock vorzubereiten. Dieser wird unweigerlich auftreten, aber man ist durch den NIK darauf
vorbereitet und kennt Strategien, dagegen anzugehen. Als weitere Vorbereitung bieten sich auf
YouTube viele Kanäle an, in denen Koreaner Korea erklären. Diese für uns Deutsche oft schrillen
Videos erklären viel über die Kultur, die Sprache, das Essen und die Tugenden Koreas. Ich selbst habe
diese Kanäle erst in Korea entdeckt. (ich habe sweetandtastytv.com genutzt – für meinen Geschmack
waren die weit über 200 Videos dieser Koreanerin viel zu bunt, aber sie sind abwechslungsreich,
aufschlussreich, hilfreich, authentisch und humorvoll.) Das größte Hindernis im alltäglichen Leben,
abseits des germanistischen Instituts, ist die Sprache. Viele Koreaner können nicht oder trauen sich
nicht Englisch zu sprechen. Deswegen rate ich, bereits in Deutschland einige wichtige Wörter
Koreanisch zu lernen. Ich habe hierfür das Buch „Active Korean 1“ der Seoul National University
benutzt. Es ist auf das schnelle Erlernen alltagsnützlicher Phrasen ausgerichtet und deswegen für
einen Kurzzeitaufenthalt sehr nützlich. In Korea selbst hatte ich ein Sprachtandem mit einer
Koreanerin, die mir mithilfe dieses Buches Koreanisch beibrachte. An sich sprach ich während meines
Aufenthaltes an der Incheon-Universität nur Deutsch, da es ja schließlich meine Aufgabe war, mit
den koreanischen Germanistik-Studenten Deutsch zu sprechen. Auch war ich stets nur mit Koreanern
unterwegs, die dann mit mir Deutsch sprachen, aber sämtliche koreanische Konversation,
beispielsweise die Essensbestellung im Restaurant, übernahmen. Theoretisch hätte ich als
Sprachtutor die koreanische Sprache gar nicht gebraucht. Erst auf meiner Reise durch Korea, die auf
die zwei Monate Unterricht folgten, benötigte ich Koreanisch. Beherrscht man das koreanische
Alphabet relativ sicher, ist die koreanische Sprache anfangs sehr strukturiert und deswegen einfach
zu erlernen. Man sagte mir, dass diese erst auf höherem Niveau sehr schwer würde. In drei Monaten
Korea erreicht man dieses Niveau jedoch nicht.
Andere Länder, andere Sitten. Korea und Deutschland unterscheiden sich in vielen kulturellen Aspekten, doch mitunter am
offensichtlichsten wird dies anhand der Bildungskultur und daraus resultierend das Bildungssystem.
Der in Deutschland in Verruf geratene Frontalunterricht ist in Korea durch sämtliche
Bildungsinstitutionen hindurch Normalität. Einen Unterricht, an welchem die Schüler/Studenten aktiv
teilnehmen ist meist unbekannt oder zumindest nicht die Regel. Dennoch nahmen meine Studenten
an meiner aktivierenden Form des Unterrichts mit Neugierde, anfangs jedoch mit Zurückhaltung teil.
Es war hierfür gut, dass meine Tutorien nur zwischen 4 und 8 Teilnehmer hatten. So kannten sich
diese untereinander und waren eher bereit, Unbekanntes auszuprobieren und ihr Deutsch zu nutzen.
Es war deswegen auch von Vorteil, dass mein Unterrichtsbesuch weder benotet noch bewertet
wurde. Die Studenten kamen folglich aus der Motivation heraus, ihr Deutsch zu nutzen und mich als
Deutschen zu treffen. Ihre aktive Teilnahme auch bei ihnen unbekannten didaktischen Formen des
Unterrichtens war stets vorhanden.
Ein weiterer Unterschied zwischen Korea und Deutschland ist der Respekt vor Ranghöheren, in
meinem Fall des Lehrkörpers. Obwohl ich in meiner Freizeit mit den Studenten viel unternommen
habe, und dadurch Freund war, war ich in der Universität unbestritten eine Respektperson. Der
Obrigkeitsgehorsam ist enorm und eine demokratische Einbindung der Studenten beispielsweise in
die Unterrichtsplanung war nicht möglich.
Auch im Lernverhalten unterscheiden sich Koreaner und Deutsche sehr. Laut PISA rangieren
südkoreanische Schüler auf Spitzenplätzen, und zwar in allen geprüften Bereichen. Das (häufig extern
motivierte) Engagement führt zu einer Selbstdisziplin, die es so in Deutschland nur sehr selten gibt.
Erlebt habe ich das, als ich mit den blutjungen A1-Sprachanfänger die Zahlen durchgenommen. In der
nächsten Stunde wollte ich diese wiederholen und war überrascht, weil alle Schüler die gelernten
Zahlen sicher anwenden und schreiben konnten. Koreaner lernen alles auswendig, weshalb sie die
deutsche Grammatik vergleichsweise schnell und sicher verinnerlichen. Um das gelernte Wissen auch
anzuwenden, musste ich manche Studenten aus ihrer Reserve locken. Bis auf das Gespräch mit mir
benötigen die meisten Studenten ihr Deutsch nie, und sie sind es nicht gewohnt, auf Deutsch zu
kommunizieren, denn viele ihrer Vorlesungen sind auf Koreanisch. Größten Respekt habe ich
deswegen vor den A1-Gruppen, die noch ohne ein Wort Deutsch zu können, sich bei mir ins
Sprachtutorium trauten. Innerhalb kürzester Zeit lernten sie sehr viel Deutsch und gegen Ende
meines Aufenthaltes waren durchaus bereits einfache Konversationen auf Deutsch möglich. Ein
großer Sprung bezüglich des Sprachgebrauchs bemerkt man bei jenen, die eine Zeit lang für einen
Sprachkurs oder ein Studium in Deutschland waren. Sie sprachen Deutsch viel sicherer und
selbstbewusster als Studenten im gleichen Jahrgang. Leider ist es aufgrund der hohen Kosten, der
bürokratischen Hürden und die Angst vor der Ferne vielen Studenten nicht möglich, eine Zeit lang ins
Ausland zu gehen.
Was bleibt. Zusammenfassend bin ich in ein fremdes Land gekommen und musste ein Zuhause verlassen. Wichtig
ist es, sich auf die koreanische Kultur einzulassen und nicht am gewohnten deutschen
Lebensstandard festzuhalten. Das Leben in Korea ist anders, aber sehr schön. Da ich nur koreanische
Freunde hatte, habe ich die koreanische Kultur hautnah mitbekommen und deren Gewohnheiten
erlebt. Auch wenn mir etwas befremdlich erschien, habe ich mich darauf eingelassen, wodurch mir
nicht nur neue Fähigkeiten im Unterrichten, sondern auch eine andere Denk-, Lebens- und Lernweise
aufgezeigt wurde. Weil ich mich möglichst vorbehaltlos auf Korea einließ, habe ich eine neue Kultur
und, wesentlich wichtiger, neue Freunde kennengelernt.