meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

27
Heft 3 ǀ Ausgabe 03/08 ǀ www.meins-magazin.de Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09 ǀ www.meins-magazin.de flippt aus

Transcript of meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Page 1: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Hef

t 3

ǀ Aus

gab

e 03

/08

ǀ ww

w.m

eins

-mag

azin

.de

Hef

t 4

ǀ Aus

gab

e 01

/09

ǀ ww

w.m

eins

-mag

azin

.de

flipptaus

Page 2: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

04 Des Wahnsinns fette Beute06 Die Gunst des Bleichmittels08 Fotostrecke: Streetart

24 Feuchtwarmes Schwitzen für das Wohlbefinden24 Die 7 Todsünden in der Sauna25 Saunatipps für Anfänger

28 Tafelberg und Cape Flats29 Ivanka’s Reisetipps Kapstadt31 Karibu! Wilkommen!31 Welt der Wunder32 Presenting AEGEE / European Students’ Forum34 Lima - Stadt der Gegensätze

38 Bandportrait40 Sprachkunst42 Viva Colonia43 Skurril geht’s zu im blauen Zelt

46 Klettern48 10. Tanztheaterwoche an der SpoHo

52 Did change happen?

Feinsinn

Lebensecht

ZeitGeist

Fernsicht

Körper Kultur

Inhalt

Staatskunst{

{ „So ein Quatsch“, Lukas nimmt es dafür umso

ernster, „Ich glaub immer noch, der trainiert

für irgendwas und muss da eine genaue Zeit

oder Strecke einhalten.“

„Völlig bescheuert ist der“, mischt sich

Hendrik kopfschüttelnd ein.

„Oder es ist was Religiöses“ fängt Jan wieder

an, „Jede Runde ist ein Gebet, so eine Art

Fitness-Buddhismus.“

„Seine Synapsen schießen quer. Das ist so ein

Bankenheini, dem in letzter Zeit die

Sicherungen durchgebrannt sind. Völlig Gaga.“

Für Hendrik ist der Fall klar.

„Ach komm, du kannst doch niemanden für

verrückt erklären, nur weil er im Kreis fährt“

protestiert Lukas.

„Klar kann ich das. Tut mir ja leid, aber es

gibt keinen vernünftigen Grund stundenlang

im Kreis zu fahren.

meins

3FernSichtInhalt2

Page 3: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Johanna Regenhard

DesWahnsinns fette BeuteDeine Traumfrau: Eigentlich ist sie der liebste, klüg-ste Mensch der Welt. Innerhalb kürzester Zeit hat sich aber alles verändert. Brüllend reißt die Sucht ihr Maul auf und zeigt ihre häss-liche Fratze. In deinem Traumster-nenhimmel klafft jetzt ein riesiges Loch, dessen Ränder sekündlich weiter auseinander driften. Du ver-suchst, es nicht zu sehen. Du ver-wendest all deine Energie darauf, es weiterhin nicht wahrzunehmen. Verbissen und mit vor Anspan-nung zitternden Muskeln lächelst du dein Lächeln. Du inszenierst dir deine Wirklichkeit so, wie du sie haben willst. Wehe, jemand will sie schlecht reden. Die anderen sind allesamt dreckige Lügner, die dir dein Glück nicht gönnen.

Manchmal denkst du dir auch: Ach, der eine Riss, das kann meinem Himmel nichts anhaben. Das gleiche denkst du beim näch-sten Mal und dann wieder. Danach noch mal. Du sagst dir: wenn mit ihr wirklich etwas Schlimmes pas-siert, werde ich schon am rich-tigen Ort sein; ich werde mich da-rum kümmern. Das beruhigt dich erst mal wieder. Du merkst lang-sam, dass du dich nicht mehr frei fühlst. Ständig gibt es irgendetwas zu tun und du kannst keine Minu-te ruhen, ehe du dich nicht darum gekümmert hast.

Trotzdem wirst du nie fertig. Du verstehst nicht, was passiert.Du strengst dich mehr an, als du es jemals für möglich gehal-ten hättest. Deine Bemühungen scheinen immer nur das Gegenteil zu bewirken. Eines Tages hat sie dann die Schwelle überschritten. Sie ist ihm einfach so vor seinen Augen entglitten. Er steht alleine da, mit sich. Er erkennt sich aber nicht wieder.

Zu einem glücklichen Umstand gehörte, dass sie sich kennen gelernt hatten. Es schien perfekt, sie waren verliebt;es sollte für immer sein.

Foto: © Maiko Henning

5FeinsinnFeinsinn4

Page 4: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Nachdem Jan und Lukas die Karten abge-holt haben, gehen sie raus und kaufen am Kiosk ein paar Flaschen Bier. So ausgerüstet verziehen sie sich auf den Spielplatz hinter dem Kino um noch einen Joint zu rauchen, bevor der Film los geht.

Der Abend ist warm, man merkt noch die Hitze des vergangenen Tages. Die Sonne ist gerade erst untergegangen und der wolken-lose Himmel schimmert in einem tiefdunklen Blau, das allmählich in die Nacht übergeht. Sie sitzen auf den Stufen des Rutschenhü-gels, trinken Bier und warten auf Hendrik, der später kommt, weil er noch arbeiten muss. Von ihrem Standort aus hat man einen guten Überblick über die verwaisten Klettergerüs-te und die Sitzbänke, die ringförmig um eine Baumgruppe angelegt sind, um den Eltern die lückenlose Überwachung ihrer Zöglinge zu erleichtern. Normalerweise sind sie um diese Zeit hier unter sich, doch heute ist

noch jemand hier. Der Typ ist aber so sehr in seine Tätigkeit vertieft, dass er überhaupt keine Notiz von den beiden nimmt. „Was glaubst du, macht er da?“ fragt Jan. Lukas zuckt mit den Achseln. „Wahrschein-lich trainiert er einfach nur.“„Trainieren? Wofür denn? Die Hamsterrad-meisterschaften?“„Quatsch, es gibt doch Wettkämpfe in der Halle, wo man Runden fahren muss… Bahn-rad heißt das, glaube ich.“„Hey Leute“, Hendrik kommt angeschlen-dert, die Hände in den Hosentaschen, „war ja klar, das ich euch wieder hier finden wür-de.“„Sicher“ antwortet Lukas und reicht ihm zur Begrüßung sein Bier, „wo sonst kann man sich so gut beim jung und professionell sein zusehen lassen?“„Was du meinst, heißt Starbucks“, Hend-rik öffnet die Flasche mit dem Feuerzeug, „zum gesehen werden ist es hier ein biss-

chen zu dunkel.“ Jetzt hat auch er den Fremden bemerkt. „Äh… sagt mal, warum fährt denn der Typ da dauernd im Kreis?“Genau das tut er nämlich. Er umkreist mit seinem Fahrrad die Baumgruppe in der Mit-te des Spielplatzes, gemächlich radelt er in weitem Bogen darum herum. Nicht sehr schnell, aber auch nicht sehr langsam. Im-mer wieder. Er scheint damit zufrieden zu sein, nirgendwo anzukommen.„Keine Ahnung“, Jan sieht wieder hinüber. „Jedenfalls macht er das schon eine ganze Weile. Wir sitzen jetzt seit zehn Minuten hier, und er war schon vorher damit beschäftigt.“ Sie beobachten schweigend, wie er gleich-mäßig seine Runden zieht. Er trägt Anzug und Krawatte, die ihm über die Schulter hin-terher flattert.„Vielleicht ist das ja eine Repressalie von seinem Chef. Er kam mit den Zahlen für das Quartal nicht hinterher, deswegen muss er jetzt fünfhundert Runden um einen Baum

fahren, um seinen Job zu retten.“ schlägt Jan nicht ganz ernsthaft vor.„So ein Quatsch“, Lukas nimmt es dafür umso ernster, „Ich glaub immer noch, der trainiert für irgendwas und muss da eine ge-naue Zeit oder Strecke einhalten.“„Völlig bescheuert ist der“, mischt sich Hen-drik kopfschüttelnd ein.„Oder es ist was Religiöses“ fängt Jan wie-der an, „Jede Runde ist ein Gebet, so eine Art Fitness-Buddhismus.“„Seine Synapsen schießen quer. Das ist so ein Bankenheini, dem in letzter Zeit die Sicherungen durchgebrannt sind. Völlig Gaga.“ Für Hendrik ist der Fall klar.„Ach komm, du kannst doch niemanden für verrückt erklären, nur weil er im Kreis fährt“ protestiert Lukas.„Klar kann ich das. Tut mir ja leid, aber es gibt keinen vernünftigen Grund stundenlang im Kreis zu fahren. Er macht das jetzt min-destens schon eine Viertelstunde lang, da wäre einem normalen Menschen längst zu schwindelig geworden um weiter zu machen. Aber der hört einfach nicht auf damit.“ Lukas beharrt auf seinem Standpunkt: „Also ich bin mir sicher, dass er da eine ganz nor-male Erklärung für hat.“„Wirklich? Wie sicher bist du? Ich wette um fünf Euro.“ Hendrik hält Lukas erwartungs-voll die Hand hin.Dieser schlägt ein. „Halte ich“ sagt er grim-mig. Er kann in dieser Beziehung sehr stur sein.„Und jetzt? Wie wollt ihr jetzt raus finden wer recht hat?“ fragt Jan.„Na ja, einer wird wohl hingehen müssen“ sagt Lukas, steht auf und klopft sich de-monstrativ den Dreck von der Hose. „Ist doch kein Drama, jemanden zu fragen, was er da so treibt.“Er schlendert lässig auf den Radfahrer zu, der ihn nicht beachtet und weiter seine Krei-se zieht. Er hat einen Fahrradhelm auf, so ein chromblitzendes Ding mit vielen Heck-flossen, der ihm nicht richtig passt und lang-sam in den Nacken rutscht.Lukas steht daneben, wartet höflich ab, dann räuspert er sich, als der Radfahrer das nächste Mal an ihm vorbeikommt. „Ent-schuldigung…“Der Radfahrer tritt unvermittelt auf die Brem-se und sieht sich nach ihm um. „Ja, bitte?“Lukas ist ein wenig verdattert von der promp-ten Reaktion, fängt sich aber gleich wieder: „Ja also, ich und meine Freunde da drüben, wir haben sie hier bemerkt und sind neugie-rig geworden, warum sie so oft im Kreis fah-ren. Da hab ich mir gedacht, ich komm mal rüber und frag einfach mal nach.“

des Gesetzes, die auf den Sünder nieder-prasselt wie die Vergeltung Gomorrhas!“ Er stampft mit dem Fuß auf und funkelt Lu-kas in rechtschaffenem Zorn an. Der macht einen Schritt nach hinten. „Gut okay… ich glaube, das beantwortet meine Frage…“„Aber bitte, wer wird in so einer Zeit Ränke schmieden oder sich die Zungen wetzen wol-len, wenn doch die Niederkunft der himmli-schen Mutterkuh so kurz bevorsteht.“ Er dreht sein Rad zurück in den Kreis und bringt die Pedale in Position, sein verzückter Blick ist zum Himmel gerichtet. „Schwärme von Butterblumen steigen auf in einer Litur-gie des Zauderns, auf dem Weg die alte Hüt-tenstadt des Bademeisters zu erobern, die vor tausend Jahren noch zum Reich des ro-ten Riesenlaubfrosches gehörte. Ein Jauch-zen und Frohlocken wird sich erheben und Blütenstaub auf den Zinnen glitzern!“ Mit einem erwartungsfrohen Keuchen stößt er sich ab und nimmt seine Fahrt wieder auf. Dabei fährt er fort, seine kryptische Anspra-che zu halten. „Gibt es denn niemanden der bereit ist, die Stimmen der Hakenrüssler zu erhören? Sie sind in der Lage, bis zu sechs Monate in einem Gefäß voller verwesender Rankenfußkrebse zu überleben! Mach das erstmal nach, Baby!“Mit starrem Gesicht trottet Lukas zurück zu den Stufen und lässt sich neben die anderen fallen. Wortlos drückt er Hendrik einen Fünf-Euro-Schein in die Hand. Im Hintergrund hört man die faselnde Stimme des Radfah-rers an und abschwellen.„Hast recht. Seine Synapsen schießen quer. Völlig Gaga.“ Die Niederlage wurmt ihn.Hendrik lacht sich ins Fäustchen. „Hab ich dir ja gleich gesagt. Ich kenn den Kerl, den hab ich letzte Woche hier schon mal gese-hen. Sobald ihn jemand anspricht, legt er los.“Lukas fühlt sich verarscht. „Na super, das hättest du ja auch vorher sagen können.“„Wieso, war doch ein Riesenspaß. Diesen Triumphbogen würde ich gern mal sehen. Apropos, wie viel Uhr haben wir?“Jan sieht auf die Uhr „Der Film fängt gleich an, wir sollten gehen.“Sie stehen auf und gehen zum Ausgang. Jan dreht sich noch einmal um, Captain Kreisel fährt weiter auf seiner Straße nach Nirgend-wo. Inzwischen mindestens eine halbe Stun-de lang.Jan grübelt einen Moment. Das Ziel den Weg zu einem finden lassen. Klingt gar nicht mal so dumm. Wenn man das dadurch erreicht, dass man im Kreis fährt, wäre das wirklich erstaunlich. Vielleicht probiert er das auch mal aus. Irgendwann.

Der Radfahrer sieht geschmeichelt aus. „Es ist ganz einfach, die Kunst liegt in der Bewe-gung“ antwortet erLukas stutzt. „Die Kunst?“Der Radfahrer nickt lebhaft. „Die Kunst der Bewegung um ein gedachtes Zentrum her-um. Der Baum ist das Zentrum, das Rad ist der Pfeil, der sich den Umlaufbahnen beugt und den Raum aufwickelt. Nicht ich bewe-ge mich auf das Ziel zu, das Ziel ist es, das seinen Weg zu mir findet. Das ist der ganze Trick dabei.“„Aahh… ja.“ Lukas runzelt die Stirn. „ Und was…“Aber der Radfahrer ist noch nicht fertig mit seinen Ausführungen: „…Die dauern-de Suche nach verlorenen Schlüsseln und anderen wichtigen Lebensankern kann nur überwunden werden durch eine Reihe von Maßnahmen, die sich vor allem über E-Le-arning und Diätcola erschließen. Wer auch immer dafür gesorgt hat, dass blaue Fah-nen die Passatwinde in östlicher Richtung verstopfen, der feiert ein frohes Fest mit dem Leid der südlichen Hemisphäre. So sind denn auch alle Fraktionen in der Orga-nisation der überheblichen Dreieckstücher in den Friedensprozess mit einzubeziehen, denn ein Affront gegen den Großmeister der Unzucht wird schlimme Unappetitlichkeiten nach sich ziehen, die die Puddingwelt ver-nichten könnten.“Lukas guckt verständnislos: „… Und das wäre also schlecht…?“ Der Radfahrer schüttelt den Kopf und lächelt beschwichtigend. „Nein nein, Kopf hoch, liebe Konsumenten, das Fett liegt sicher in den hiesigen Gesteinsschichten verborgen. Versorgungssicherheit ist keine Utopie mehr in den Büchern der Staatsbibliothek von Dschibuti, die übrigens die größte Samm-lung papuanischer Kriegs-Witze von ganz Afrika beherbergt. So haben sich die Ab-gesandten des Flamingostaates endgültig für den Weg der Vernunft entschieden und werden ihre Bildbearbeitungsprogramme abziehen, ein Schritt der den Respekt der gesamten Koalition der westlichen Kaugum-miproduzenten einforderte. Es liegt in der Gunst des Bleichmittels, den Marderhunden einen Ablass zu gewähren.“„Die Gunst des Bleichmittels…?“„Die Gunst des Bleichmittels ist die öffnen-de Stimme des Triumphbogens“ erklärt er geduldig. „Eines Triumphbogens, dessen unerschütterliche Qualen zu einem Katarakt zerfließen, dessen äußerste Wand nur von Bernsteinadern durchdrungen ist. Ist man erst hinter das Verfahren gekommen, dann gibt es kein Entrinnen mehr vor der Faust

Die

Gun

st d

es B

leic

hmitt

els

Christopher Dröge

Foto: © Maiko Henning

Feinsinn6 7Feinsinn

Page 5: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

03.2008 Köln

Was ist Streetart?

Die Straßenkünstler benutzen unterschiedliche Mittel (Marker, Pinsel und Malerrollen, Sprühdosen, Aufkleber, Poster, Schablonen etc.), um ihre Werke zu präsentieren. Auch Installationen im öffentl ichen Raum können zur Streetart gehören. Leinwände, Bretter oder Ähn-liches, sowie Skulpturen, Plastiken oder schon vorhandene Objekte werden in einen neuen Kontext gestellt und im öffentl ich Raum in-stal l iert. Da sich die Techniken der Streetart mit denen des Graf-f it i oftmals überschneiden, ist es heutzutage schwierig zwischen den beiden Begriffen zu unterscheiden. Typisch für die Streetart ist ihre Kurzlebigkeit und zumeist I l legalität. Aber es gibt auch legale Streetart, die unter ander-em auch von Firmen als Werbemittel genutzt wird, um sich einenjugendlichen Ruf zu verschaffen.

Wo finde ich ich sie?

Gerade im urbanen Raum ist Streetart häufig zu finden. Es werden Wände bemalt und beklebt, aber auch Stromkästen, Laternen, Ver-kehrsschilder, Telefonzellen, Mülleimer, Ampeln und Bänke, sowie Bürgersteige und Straßen an sich und sogar Bäume – im Prinzip können alle erdenklichen Untergründe gestaltet werden. Der Kölner Künstler Paxdiode entfernt sogar Platten aus dem Gehweg und setzt dafür von ihm Neugestaltete wieder ein.

Wer macht sie?

Der Franzose Gérard Zlotykamien gilt als der erste Künstler, der im öffentl ichen Raum arbeitete und somit als Urvater der Streetart. Wei-tere bedeutende Künstler dieses Genres sind unter anderem Keith Haring, Harald Naegeli, Blek le Rat und Bansky.

Gibt es speziel le Kölner Streetart-Kultur?

Auch in Köln gibt es eine lebendige Streetart-Szene, wie man auch den Fotos von Fabian sehen kann, die in unterschiedlichen Kölner Stadttei len gemacht wurden. Im Vergleich aber zu Streetart-Hoch-burgen wie Berl in, New York oder Paris, ist die Szene aber relativ überschaubar. Künstler wie Paxdiode machen aber durch besondere Aktionen, wie die mit den Gehwegplatten, auf sich aufmerksam.

Infos zur Kölner Streetart: www.streetartcologne.deFotoreihe: © by Fabian Stürtz (www.fabian-stuertz.de)

Feinsinn8 9Feinsinn

Page 6: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

10.2007 Köln | Belgisches 10.2007 Köln

Feinsinn10 11Feinsinn

Page 7: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

10.2007 Köln|Stecken | Maastrichter 05.2008 Köln Luxemburger

Feinsinn12 13Feinsinn

Page 8: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

11.2007 Köln | Altstadt 01.2009 Köln | Belgisches

Feinsinn14 15Feinsinn

Page 9: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

02.2008 Köln 11.2008 Köln | Belgisches

Feinsinn16 17Feinsinn

Page 10: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

08.2008 Köln | Nippes

Feinsinn18 19Feinsinn

Page 11: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

10.2008 NYC | Brooklyn 10.2008 NYC | Manhattan

Feinsinn20 21Feinsinn

Page 12: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

LebensEcht

23LebensEchttLebensEcht22

Page 13: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Transpiration? Eher unangenehm! Nicht für 30 Millionen Menschen in Deutschland (Deutscher Saunabund e.V.), die regelmä-ßig der Hektik des Alltags entfliehen und im Saunen die ersehnte Ruhe, Geborgenheit und Entspannung finden.

Die Sauna ist keine neuzeitliche finnische Erfindung. Ganz im Gegenteil. Bereits unsere steinzeitlichen Vorfahren in Asien entwickelten diese Art der Körper-kultur. Das Steinschwitzbad, in dem mittels erhitzter Steine geschwitzt wird, ist die Vorform aller modernen Saunavariationen. Dieses Kulturgut wurde von den Eskimos, den amerikanischen Ureinwohnern, den Völkern des Mittelmeerraums und natürlich den Finnen übernommen, bei denen es sich als eine gängige Badegewohnheit etablieren konnte.

In Deutschland werden erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts öffentliche Sauna-anlagen betrieben. Dabei ist das Angebot vielfältig geworden. Ob die traditionelle finnische Holzsauna mit zahlreichen Aufgussalternativen, das entspannende

Dampfbad, die Infrarotkabine oder die Biosauna: alle Arten des Transpirierens wirken sich positiv auf die Gesundheit aus. Die Heilkraft des künstlichen Fiebers – oder Hyperthermie, wie es in medizinischen Kreisen heißt – stimuliert das Immunsystem, reinigt und durchblutet die Haut und dient der Entschlackung. Außerdem wirkt es sich auf Psyche und Muskulatur entspannend aus. Das sind nur einige der vorteilhaften Effekte eines Saunaganges, dessen Wohltat ungefähr eine Woche anhält.

Ganz entscheidend dabei ist: Ein Saunabesuch sollte sich nicht nur auf die Wärmephase beschränken, sondern für die optimale Wirkung einen Wechselreiz mit der Kälte darstellen. Wärmemaßnahmen sollten dabei stets mit einem Kaltreize abge-schlossen werden. Bereits vor Jahrzehnten wiesen Wissenschaftler nach, dass aus-schließliche Wärme im Gegensatz zu einem Wechselreiz aus „warm“ und „kalt“ keine langfristig verbesserte Durchblutungsregu-lation der Haut zur Folge haben. Veronika Czerniewicz

Infokasten:Das Wort „Sauna“ stammt aus dem finnischen und bedeutet übersetzt „Schwitzbad“.

Andere Länder, andere Sitten – in Russland ist es üblich in der Sauna geschäftliche Entschei-dungen zu fällen.

Literaturempfehlung:

Falls ihr noch mehr Infos zum Thema Sauna haben möchtet, empfehle ich folgende Literatur:

Alles über SaunabadenEine Einführung von Dr. med. I. Fritzsche und W. FritzschePreis: € 2,80

Natürlich gesund mit KneippDr. med. Robert M. Bachmann, German M. SchleinkoferStuttgart, 2003, brosch. Preis: € 17,95

Schon Lust aufs Schwitzen bekommen? Dann präsentieren wir hier die Saunatipps für Anfänger:

1. Eine ordentliche Schwitzkur braucht Zeit: Reserviert mindestens zwei Stunden und geht nie mit überfüllten oder leeren Magen in die Sauna.

2. Wascht Euch vor dem ersten Saunagang gründlich und trocknet Euch anschließend gut ab, denn trockene Haut schwitzt schneller! Ein warmes Fußbad vor der Sauna fördert das Schwitzen zusätzlich.

3. In der Sauna muss der ganze Körper aus hygienischen Gründen auf dem Handtuch liegen. Der Aufenthalt sollte kurz, die Wirkung aber intensiv sein. Die mittlere Bank ist für Anfänger geeignet, später kann man sich hoch arbeiten. Acht bis 15 Minuten reichen völlig aus – aber das entscheidet ihr am besten nach eigenem Ermessen. Die letzten zwei Minuten sollten in aufrechter Position verweilt werden, um den Kreislauf an die aufrechte Haltung zu gewöhnen.

4. Ein plötzlicher Wechsel aus der heißen Sauna ins Kalte ist nicht empfehlenswert. Erst an der frischen Luft abkühlen, der Körper benötigt jetzt nämlich Sauerstoff. Danach mit einem Schlauch erfrischen. Bevor ihr das Tauchbecken benutzt, denkt daran, dass der Schweiß abgespült werden muss.

5. Ein warmes Fußbad fördert den Ausgleich der Körpertemperatur.

6. Eine Ruhepause von mindestens 15 Minuten rundet das Entspannungsgefühl ab.

7. Weitere Saunagänge werden wie oben beschrieben durchgeführt – waschen braucht ihr euch natürlich nicht mehr. Drei Saunagänge hintereinander reichen zum gewünschten gesundheitlichen Ziel völlig aus.

8. Nach dem letzten Saunagang schlüpft man erst wieder in die Kleidung, wenn das Schwitzen ganz aufge-hört hat. Ruhen und Trinken ist nun angesagt. Sportliche Betätigung sollte dem Saunen vorausgehen.

Feuchtwarmes Schwitzen für das Wohlbefinden

25LebensEchtLebensEcht24

Die Todsünden in der Sauna1. Mit Badekleidung in die Saunakabine gehen

2. Mit Badeschlappen die Sauna betreten

3. Auf ein fremdes Handtuch treten

4. Ohne Unterlage/Handtuch auf die Pritsche

5. Nach dem Saunabad sofort ins kalte Wasser

6. Das Verlassen der Sauna während eines Aufgusses

Page 14: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

FernSicht

27FernSichtFernSicht26

Page 15: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

FernSicht

kugeln wir an den Klamottenständen vorbei wieder zum Auto. Kaum eingestiegen, kommt auch schon unser Parkwächter angerannt, um uns gegen wenige südafrika-nische Rand aus der Parklücke zu lotsen. Die Biscuit Mill gehört zu den immer zahl-reicher werdenden Treffpunkten der Kap-städter Bohème im sozial benachteiligten Woodstock. In viele Gebäude ziehen trotz der hohen Kriminalitätsrate in dem Stadtteil immer mehr Galerien, Läden und Gaststät-ten der hippen Szene, was zur Aufwertung des Viertels beiträgt.Mittlerweile ist es schon ein Uhr mittags und die Sonne knallt durch die Autofenster. Ohne Klimaanlage und mit vollem Magen steht einem da schnell der Schweiß auf der Stirn. Alex und ich sind uns einig: diese Hitze lässt sich nur am Strand aushalten. Zum Clifton Beach ist es nicht so weit, vorausgesetzt mein Citygolf bringt uns heile auf die andere Seite des Berges. An der nächsten großen Ampelkreuzung wird er in der Rotphase aber erstmal von mehreren Menschen wie ein Bienennest umschwirrt. Zwischen den mit Sonnenbrillen und Drahtspielzeug behan-genen Händlern und Bettlern verkauft eine Frau die neueste „The Big Issue“. Alex’ Hand, gefüllt mit Kleingeld, kämpft sich zu der Zeitschriftenverkäuferin durch. Für die Strandlektüre wäre auch gesorgt.Die Idee zu „The Big Issue“ stammt aus Großbritannien. Es handelt sich um eine von professionellen Journalisten geschriebene Straßenzeitung, die von obdachlosen oder sozial benachteiligten Menschen auf der Straße verkauft wird, um ihnen ein legales Einkommen zu ermöglichen. Die Einnahmen gehen an eine Wohltätigkeitsorganisation und das Trinkgeld an den Verkäufer. Neben den Parkeinweisern ein weiterer sinnvoller Minijob, für den man weder Sozialversiche-rung noch Wohnsitz vorweisen muss.Kurz vor der Kloof Nek Road kämpft meine Cityrakete wie ein Löwe gegen die gefühlte 90 Grad Steigung an. Mit rekordverdäch-tigen 20 km/h tuckern wir langsam aber sicher im zweiten Gang den Berg hoch. Endlich haben wir es auf die andere Seite geschafft und es geht wieder bergab. Hätte mein Citygolf Augen, würde die Aus-sicht ihn für die Strapazen zuvor entschädi-gen. Zwischen den Bäumen und Sträuchern am Abhang strahlt uns der türkis glänzende Atlantik entgegen. Auf den letzten Metern diskutieren wir, für welchen der vier Clifton Strände wir uns entscheiden sollen. Sie sind durch ins Meer ragende Felsen voneinander abgegrenzt. Der dritte fällt schon mal weg, da es sich um den Schwulenstrand handelt.

Die restliche Entscheidung wird uns bei der Parkplatzsuche abgenommen. An den Sei-tenstreifen der Straße stehen die Autos dicht hintereinander. Offensichtlich waren wir nicht die einzigen mit der Strandidee. Eine freie Parklücke liegt direkt gegenüber dem Treppenabgang runter zum Clifton zwei. Wir kraxeln die steilen, engen Treppen runter, vorbei an in die Felsen gebauten Luxusvillen, bis wir endlich unser Ziel errei-chen. Alex lässt sich erleichtert in den Sand fallen und stößt dabei fast mit einem Strand-verkäufer zusammen. Erschrocken dreht sie sich um. „Granadilla lolly to make you jolly?“, ruft ihr lächelnd der mit Kühlboxen bepackte Verkäufer entgegen. „No thanks!“ raunt Alex in seine Richtung. Als wir uns gerade auf unseren Handtüchern nieder-gelassen haben, rauscht auch schon der nächste an uns vorbei. Seinen Werbeslogan schreit er lauthals durch die Gegend und ist so nicht zu überhören: „I’m your brother from another mother - Ice cooled Coke – don’t be shy, I’m the guy!“ Bei den vielen wohlgeformten Körpern, die hier in der Son-ne braten, dürfte der „Brother from another mother“ kein schlechtes Geschäft machen. Schließlich braucht jeder Sonnenanbeter zwischendurch mal eine kleine Erfrischung. Oder ein Drahtspielzeug. Oder eine Sonnen-brille. Aber die haben wir ja beide zum Glück heute Morgen nicht vergessen.Nach dem ausgiebigen Strandbesuch wird es Zeit sich um die Abendplanung zu küm-mern. In der Zulabar auf der Long Street tritt heute Abend die amerikanische Raplegende Masta Ace auf. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Da sich mittlerweile auch unser Hungergefühl wieder eingestellt hat, fahren wir aber erstmal zum ‚Neighbour-hood’ auf der Long Street. In der liebevoll eingerichteten Bar gibt es günstiges Essen und leckere Cocktails. Mir steht der Sinn nach meinem Lieblingsburger, dem irgend-jemand den bescheuerten Namen „Long-horn Leghorn Chickenburger“ gegeben hat. Nichts desto trotz schmeckt er ganz vorzüglich. Nach dem Essen schlendern wir langsam durch das Getümmel der Long Street zur Zulabar.„My sista, my sista!“ ruft Jessie von der anderen Seite der Straße. Jessie schlängelt sich an den Taxis vorbei rüber auf meine Straßenseite. Mit seiner großen Decke, die er wie Batman über die Schultern trägt, und der vom Kopf abstehenden Mütze, ist er schon von weitem zu erkennen. Jessie kennt mich durch das Projekt, bei dem ich in meinen ersten Wochen in Kapstadt mitgear-beitet habe. Jessie ist eins von vielen

1 Langebaan Lagune im West Coast Natio-nal Park; ca. 110 km nördlich von Kapstadt. Die wunderschöne, zum Schwimmen einla-dende Lagune mit Hausbooten ist umgeben von einem Naturreservat mit freilaufenden Straußen, Riesenschildkröten und Antilopen. http://www.sanparks.org/parks/west_coast/

2 Summer Sunset Concerts im Kirsten-bosch National Botanical Gardens: Vor der prächtigen Pflanzenkulisse des großen Blumengartens, der als eine der schönsten Parkanlagen der Welt gilt, finden in der Sommerzeit von November bis April jeden Sonntag auf einer Open Air Bühne Konzerte statt. Rhodes Drive; Newlands.

3 Queen of Tarts: liebevoll eingerichte-tes Café im Studentenviertel Observatory mit zauberhaftem Innenhof. Neben schön verzierten Cupcakes gibt es hier leckeren Kaffee. Auf der gegenüberliegenden Stra-ßenseite findet man das dazugehörige Ein-richtungslädchen mit vielen netten Kleinig-keiten. 213 Lower Main Road, Observatory.

4 Charly’s Bakery: Hier gibt es definitiv den besten Kuchen Kapstadts. In dem von Graffity-artist Mak1 bunt besprühten Ge-bäude findet man einzigartige Kuchenkunst-werke. Auf Wunsch kann man hier auch Torten anfertigen lassen. 20 Roeland Street. Innenstadt. http://www.charlysbakery.co.za/

5 Shopping: schöne Mitbringsel findet man im Heartworks. Es handelt sich um eine Ket-te und es gibt in Kapstadt mehrere Filialen, z.B. 98 Kloof Street. Gardens. Auf der Longstreet findet man gleich drei Läden nebeneinander mit allem, was das Frauenherz begehrt: über selbstgeschnei-derte Kleider bis hin zu kunstvoll bedruckten Shirts und allerlei Accessoires: Nylon, 279 Long Street; Milk, 285 Long Street; Misfit, 287 Long Street. Im Shelflife auf der Loop Street findet man neben angesagten Sneakers auch neueste CD-Erscheinung der lokalen HipHop Szene und eine große Auswahl an Streetwear. 119 Loop Street. http://www.shelflifestore.blogspot.com/ .Für alle Schnäppchenjäger empfiehlt sich ein Besuch bei Mr. Price, einem Klamotten-Franchise ähnlich H&M. Für wenig Geld be-kommt man hier schöne Tops, Schuhe und Kleider. z.B. Seapoint Main Road, Seapoint.

29FernSicht28

Tafelberg und Cape Flats:Ein Wochenende in der Traumstadt Kapstadt am Western Cape

Betrachtet man Afrika geogra-phisch, so ist Kapstadt am süd-lichsten Zipfel die am weitesten von Europa entfernte Großstadt des Kontinents. Bewegt man sich in der Innenstadt der Drei-Millionen-Metropole, so findet man trotz der großen Entfernung viele Ähnlichkeiten zu europä-ischen Städten: vom gut ausge-bauten Straßennetz über Kauf-häuser mit allen uns bekannten Kosmetikartikeln und Marken-kleidung bis hin zum Latte Mac-chiato mit viel Milchschaum. Der bei vielen Afrikareisenden gefürchtete Kulturschock bleibt zunächst aus. Wer sich aber aus der Innenstadt hinaus bewegt, den wird nicht nur die land-schaftlich wunderschöne Umge-bung faszinieren, sondern auch das pulsierende Leben in den Townships vor der Stadt.

„Aufstehen! Ich warte schon auf Dich…“, meine Mitbewohnerin Alex klopft an meine Zimmer-tür. „Du hast doch nicht etwa unsere Verabredung vergessen? Los, der Tafelberg ist heute besonders schön gedeckt und mein Magen knurrt auch schon! Vergiss Deine Sonnenbrille nicht…“. Es ist Samstagmorgen und die ersten Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch die Gitter vor meinem Fenster. Endlich Wochenende. Als ich mit Sonnenbrille auf der Nase aus dem Haus komme, wartet Alex schon vor der Tür. Von unserer Straße in Oranjezicht blickt man direkt auf den Tafelberg, das 1086 m hohe Wahrzeichen der Stadt. Das Bergmassiv liegt inmitten der Innenstadt und hat seinen Namen von der tischähnlichen Form. An der geraden Bergkante haben sich weiße Wolken verfangen, die wie ein Wasserfall Richtung Tal fluten. Wie von Alex angekündigt ist das Naturschauspiel unter dem strahlend blauen Himmel heute besonders faszinierend. Gut gelaunt steigen Alex und ich in meinen alten, rostigen Citygolf und flitzen bergab Richtung Woodstock. Wie jeden Samstag findet hier der Neighbour Goods Market in der Old Biscuit Mill statt. Auf der Salt River Road wartet der freundliche Parkeinweiser schon auf uns. „Good morning La-dies, how are you today?“. Beschwingt winkt er uns in die freie Parklücke. In der Biscuit Mill tummeln sich schon jede Menge junge Leute, der eine stylischer angezogen als der andere. Auf dem ehemaligen Industriegelände haben sich nicht nur kleine Boutiquen und Galerien angesiedelt. Jeden Samstag verkaufen junge Designer hier unter einem Zelt ihre meist hand-geschneiderten, erschwinglichen Kollektionen. Neben Kleidung findet man auch Schuhe, Schmuck, Taschen und andere schöne Kleinigkeiten. Das Angebot wechselt jedes Wochen-ende und es gibt immer Neues zu entdecken. Alex und ich haben es aber zunächst auf die unzähligen Leckereien abgesehen, die in der Markthalle angepriesen werden. Abgesehen von ökologisch angebauten Spezialitäten locken selbstgemachte Pesto, kunstvoll verzierte Cup-cakes und Austern mit Sekt zum Verzehr. Ich entscheide mich für einen frischen Smoothie mit Früchten zum sündvollen Crêpe mit Erdbeeren, Schoko und Sahne. Wir genießen unsere Beute unter dem roten Zelt auf einem der Strohballen, die hier überall rumliegen. Auf dem Strohballen gegenüber beißt Alex mit einem seligen Lächeln genüsslich in ihren Bananenmuf-fin. „Das entschädigt meine Wartezeit heute morgen…“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Essen macht tatsächlich glücklich und auch die Liebe für eine Stadt geht durch den Magen. Das stelle ich in Kapstadt nicht zum ersten Mal fest. Nach dem ausgedehnten Frühstück

Ivanka’s Reisetipps Kapstadt

Page 16: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

31FernSicht

Unter dem Motto der bundesweiten Kampagne „go out! Studieren weltweit“ fand am 21. und 22. November 2008 an der Universität zu Köln ein Informationstag rund um das Thema Afrika statt. Ziel dieser Veranstaltung des DAAD und des Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung war es, interessierten Studierenden und Nachwuchswissen-schaftlern aus ganz Deutschland die Möglichkeiten und Chancen eines Auslandsaufenthaltes in Afrika näher zu bringen. In neun fachlichen Foren (u.a. Agrar-, Ingenieur-, Natur- und Sprachwissenschaften, aber auch Medizin, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) wurden Projekte und Programme diverser Organisationen vorgestellt, afrikanische und deutsche Referenten, Dozenten und Stipendiaten berichteten in Diskussionen und Präsentationen von ihren Erfahrungen im Ausland. An Infoständen zeigten unter anderem die GTZ, die Deutsche Welle, DED (Deutscher Entwicklungsdienst) und EED (Evangelischer Entwicklungsdienst), InWEnt und einige Universitäten im In- und Ausland ihre Afrikaprogramme und warben für die Möglichkeit, im Rahmen eines Praktikums, Auslandssemesters, Sprachkurses oder auch einer Promotion einen Blick über den europäischen Tellerrand zu wagen. Ein kulturelles, künstlerisches und sogar kulinarisches Rahmenprogramm unterstützte die mehr als 300 Studierenden, Referenten und Dozenten aus aller Welt bei der Kontaktaufnahme mit dem exotischen afrikanischen Kontinent. Der enge Zeitplan und die Vielfalt des Pro-gramm- und Themenangebots machten leider die Wahl zur Qual, dennoch war es möglich,

Von hier aus ist es bequem, ziellos durch die kleinen Gassen der Altstadt zu schlendern und sich eifrig umzuschauen. Mit diesem Verhalten passt man sich übrigens sehr gut der vorherr-schenden Spezies an und bleibt so als Beobachter unerkannt. Um seine Tarnung abzurun-den, empfiehlt es sich, mit einem Getränk in der Hand zu flanieren. So ausgestattet, wird man nun nicht lange warten müssen, um Zeuge eines weiteren Phänomens zu werden. Ist nämlich die Adoleszenz überschritten und das oben beschriebene Verhalten aus der Jugend etwas gesetzter geworden, beschließen manche, sich fest an einen Partner zu binden. Vorher wird jedoch ein Ritual vollzogen, das an Extravaganz kaum noch zu übertreffen ist. Es handelt sich um eine soziokulturelle Erscheinung, bei der sich Vertreter desselben Geschlechts zusam-mentun und sich mittels großer Mengen Alkohol in einen ausgelassenen Zustand versetzen. In lautstarken Äußerungen, die als solche durch die Wirkung des Alkohols nicht mehr genauer zu spezifizieren sind, treten sie mit ihrer Umwelt in Kontakt und versuchen, sie von einem vorteilhaften Geschäft zu überzeugen. Oft werden Gegenstände zum Kauf angeboten, die mit der bevorstehenden Bindungszeremonie und dem damit verbundenen Paarungsritual assozi-iert werden könnten. Nicht immer stoßen sie damit bei ihren Mitmenschen auf Verständnis.

Wenn nun die Besucher in der folgenden halben Stunde gefühlten 50 solcher Gruppen be-gegnet sind, mögen sie das Bedürfnis verspüren, in einem der Brauhäuser eine Verschnauf-pause einzulegen. Wer sich jemals seiner eigenen Vorurteile gegenüber Einwohnern der Vereinigten Staaten geschämt hat, kann hier eines besseren belehrt werden und Erleichterung erfahren. Wie unschuldig wirken die eigenen Phantasien gegenüber dem karikaturhaften Bild, das sich den Besuchern hier bietet! Ähnlich wie bei den bisher gesehenen Gruppen ist auch hier eine starke Ähnlichkeit in der äußeren Erscheinung festzustellen: In Turnschuhen be-kannter Marken stecken kräftige, weißbesockte Waden. Wandert der Blick weiter nach oben, erscheinen ausnahmslos beigefarbene Bermudas. In der gleichen ästhetischen Kategorie be-findet sich die Kopfbedeckung. Kennt man sie sonst aus einer bekannten US-amerikanischen Sportart, so steht sie hier in krassem Gegensatz zum körperlichen Umfang der Träger.

Vollgepackt mit überwältigenden Eindrücken sollte man sich jetzt wieder auf den Heimweg begeben, da es sonst zu einer Reizüberflutung kommen kann. Um wieder genug Boden-haftung zu kriegen, ist ein Blick in eine der zu schreibenden Hausarbeiten meist vorteilhaft, so landet man schnell wieder in der Realität. Es sei denn, die Bahn am Heumarkt lässt mal wieder auf sich warten, dann kann es auch etwas länger dauern. Johanna Regenhard

Wenn das nötige Kleingeld für Reisen in exotische Länder fehlt oder der knappe Zeitplan durch diverse Hausarbeiten und Neben-jobs bereits überquillt – kurz: wer aus Köln gerade nicht weg kann, sich aber dennoch nach fremden Gefilden und außer-gewöhnlichen Erfahrungen sehnt, dem sei ein Kurztrip in die Kölner Altstadt ans Herz gelegt. In diesem kleinen Paral-leluniversum eröffnet sich dem staunenden Besucher eine eigene Welt, in der eine kuriose Er-scheinung die nächste jagt. Als Ausgangspunkt der Expedition eignet sich der Hauptbahnhof. In der Dämmerung kann man hier partywütige Jugendliche antreffen, die aus den umliegenden Sied-lungen angereist kommen. Oft lassen sich bei ihnen auffällige Ähnlichkeiten erkennen. So sieht man zum Beispiel vermehrt einen künstlichen schwarzen Haarwuchs, enge Beinkleider und stark geschminkte Augen bei beiden Geschlechtern. Man könnte vermuten, es liegt daran, einem verstärkten Bedürfnis nach Identifikation Ausdruck zu verleihen.

Karibu! Wilkommen! Infotag zum DAAD-Stipendienprogramm Afrika

Welt der Wunder

sich einen guten Überblick zu Aufga-benbereichen der Organisationen in den afrikanischen Ländern und vor allem zu den möglichen Stipendien, Bewerbungsverfah-ren und Auswahlkri-terien des DAAD zu ver-schaffen. Über 200 Programme des Deut-schen Akademischen Aus-tauschdienstes sollen den Austausch für Forschung und Lehre zwischen Deutschland und den Ländern Afrikas fördern. Wer also eine be-sondere Erfahrung machen möchte, die den Hori-zont und gleichzeitig die Bildungs- und Berufschancen erweitert, der sollte sich auf folgenden Seiten die Möglichkeiten einmal ansehen. http://www.daad.de/afrikatag. Kontakt zum DAAD gibt’s unter: Kampagne „go out! Studieren weltweit“, Referat 233 „Informationen für Deut-sche über Studium und Forschung im Ausland“.([email protected] / www.go-out.de)

Eva Helm

FernSicht

Kindern, die in Kapstadt auf der Straße le-ben. Einige von ihnen verbringen die Nacht zum Betteln auf der belebten Long Street. Ich gehe mit ihm zum Kiosk an der Ecke, um ihm etwas zu essen zu kaufen. Jessie stürmt voran und kommt schon mit einer Packung Cornflakes und Milch zur Kasse gerannt, als ich den Laden betrete. Beim letzten Mal hat er sich dasselbe ausgesucht und weiß diesmal schon genau, was er möchte. Nachdem ich bezahlt habe, um-armt Jessie mich flüchtig und flitzt schnell wie Batman weiter.Viele Sozialarbeiter raten davon ab den Kindern Geld zu geben. Die meisten von ihnen sind drogensüchtig und finanzieren von dem Geld ihre Abhängigkeit. Es ist aber schon viel Wert nicht wegzuschauen und beispielsweise etwas Kleines zu essen zu kaufen oder die Reste des Abendessens zu verschenken. Letztendlich entschei-det jeder selbst wie er mit diesem Thema umgeht. Viele Organisationen kümmern sich professionell um die Kinder, so zum Beispiel die Brown-Foundation des amerikanischen Streetworkers Ryan Dalton: (http://www.thebrownfoundation.co.za/ ; http://365daysofactivism.blogspot.com/ ) Als wir in der Zulabar ankommen ist diese schon rappelvoll. Als Masta Ace dann kurze Zeit später auf der Bühne steht, vibriert der ganze Club. Alle singen die Songtexte mit. Nach dem Konzert heizt Dj Kenzhero dem Partyvolk weiter ein und weder die Anzahl der Leute im Club noch die Partystimmung nimmt ab. Mir wird klar: das könnte eine lange Nacht werden...Der nächste Tag fängt für mich tatsäch-lich erst am frühen Nachmittag an, denn die letzte Nacht war erst spät zu Ende. „Boereworst, Boereworst!“ ruft Shamee-

ma, als sie mit dem riesigen Tablett voller Fleisch aus dem Grilldunst auftaucht. Nach langem Warten ist es endlich soweit: unsere Boereworst, eine südafrikanische Wurstspe-zialität, hat den Weg von der Fleischtheke über den Grill bis zu unserem Tisch und schließlich in unsere hungrigen Münder geschafft. Mmh lecker! In Südafrika heißt Grillen „Braai“ und ist so etwas wie ein Volkssport. Die Südafrikaner “braaien“ zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir sind heute zum „Braaien“ zum Mzoli’s in den Township Gugulethu gefahren. Hier trifft sich jeden Sonntag schon früh um 10 Uhr die gesamte Nachbarschaft zum großen Grillfest. Aus den Autoboxen ertönen laute Bässe. Schnell kommen wir mit einer Gruppe Südafrikaner ins Gespräch. Der junge Mann neben mir hat bemerkt, dass ich noch keinen Stuhl habe. Gegen ein Lächeln gibt er mir seinen und setzt sich kurzerhand auf eine Kühl-box. Die Stimmung ist gut. Das hat sich rumgesprochen und Mzoli’s ist mittlerweile so etwas wie ein Geheimtipp. Auch einige weiße Touristen mischen sich zwischen die vielen Afrikaner. Unter einem großen Wellblechdach wird zusammen gegessen, getrunken und gefeiert. Gugulethu, übersetzt „unser Stolz“, liegt in der Nähe des Flughafens von Kapstadt und wurde in den 1960er Jahren errichtet. Der sogenannte „Group Areas Act“ von 1950 war während des weltweit geäch-teten Apartheidsregimes Grundlage zur Umsiedlung von schwarzen, farbigen und indisch stämmigen Südafrikanern in die Townships. Noch heute lebt der Großteil der armen Bevölkerung in den Townships der „Cape Flats“, dem flach gelegenen Gebiet südöstlich der Innenstadt. Hier erstrecken sich neben Gugulethu die anderen Town-

ships Kapstadts wie Langa, Nyanga und der nach Soweto zweit-größte Township Südafrikas, Khayelitsha. Es gibt sieben offizielle Townships in Kapstadt und viele weitere informelle Siedlungen. Viele Agen-turen bieten mittlerweile Townshiptouren für Touristen an. Gegen späten Nachmittag scheint die Son-ne heiß vom Himmel, der Grilldunst beißt in den Augen und die Partygemeinschaft wird mit steigendem Alkoholpegel immer ausge-lassener. Meine südafrikanischen Freunde weisen mich darauf hin, dass es langsam Zeit wird zu gehen, sicher ist sicher. Nach-dem wir in mein Auto eingestiegen sind, lotsen uns vier Kinder aus meiner Parklücke. Als wir davonrauschen winken sie zum Abschied. Vorbei an den Wellblechhütten und streunenden Hunden fahren wir auf die Autobahn zurück ins „andere“ Kapstadt. Ein weiteres Wochenende in Kapstadt geht zu Ende. Ich fahre noch schnell ins Einkaufszentrum um eine Kleinigkeit zum Essen zu besorgen. Als ich auf der Roll-treppe stehe, muss ich daran denken, dass viele Menschen aus dem Township, in dem ich gerade meinen Sonntag verbracht habe, noch nie eine Rolltreppe gesehen haben. Und das, wo es doch in Kapstadt zahlreiche Rolltreppen gibt. Es sind nur 20 Minuten Autofahrt zurück in die Innenstadt und dennoch leben die Menschen aus Gugu-lethu und aus dem Stadtzentrum in völlig unterschiedlichen Welten. Einmal mehr wird mir bewusst, welch großes Privileg es ist, sich in beiden Welten bewegen zu können. Es lohnt sich auch das Kapstadt der Cape Flats kennenzulernen. Es kommt vielleicht einfach darauf an, welche Sonnenbrille man morgens aufsetzt. Ivanka Klein

FernSicht30

Page 17: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

FernSicht

das ist eine grundsätzliche Voraussetzung der Kooperation, dass man dem Partner vertraut, und vertraut ist mit seiner Denkweise, Sprechweise, Arbeitsweise, aber auch mit seinen Interessen und Traumata. Nur auf der Grundlage eines solchen Vertrauens, einer solcher Ver-trautheit, ist eine gemeinsame Politik möglich, eine Politik, ohne die es mit Europa über kurz oder lang bergab gehen dürfte.Es bedarf aber nicht in erster Linie dieser funktionalen, politischen Legitimation, um das Anliegen von AEGEE zu erklären. Denn die Arbeit von AEGEE – interkultureller Austausch – ist durchaus auch ein Selbstzweck, der Menschen bereichert und ihnen hilft, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Was ist AEGEE?AEGEE ist heute ein Netzwerk aus eigenständigen, eingetragenen Vereinen (z. B. AEGEE-Bologna), die in ihren jeweiligen Städten selbstständig arbeiten und auf europäischer Ebene kooperieren (AEGEE-Europe). Das Netzwerk zählt momentan ca. 15.000 Mitglieder aus 226 Städten in 43 Ländern, die sich in etwa mit den Mitgliedsstaaten des Europarates decken. Sehr stark vertreten ist AEGEE in der Türkei, den Niederlanden, Italien und Spanien, aber auch in Deutschland gibt es mittlerweile fast 30 Vereine. Unterhalb des Europavorstands gibt es keine nationale Zwischenebene, worauf viel Wert gelegt wird, denn genau diese nationalen Grenzen sollen in den Köpfen wie in den Projekten keine Rolle mehr spielen. Der Europa-vorstand sowie die verschiedenen europäischen Projektteams koordinieren die Zusammen-arbeit zwischen den so genannten Antennen (Bezeichnung für die Vereine auf lokaler Ebene), alles Andere spielt sich in den Städten selbst ab.AEGEE ist gemeinnützig, überparteilich und konfessionell unabhängig. Die Arbeit finan-ziert sich aus Mitgliederbeiträgen (in der Regel 25 Euro pro Mitglied pro Jahr), öffentlichen Fördergeldern, Kooperationen mit Unternehmen und privaten Zuwendungen. Jährlich werden europaweit über 200 Veranstaltungen angeboten. Damit ist AEGEE die aktivste studentische Vereinigung in Europa. Ein Großteil des Programms besteht aus interkulturellem Austausch, es finden aber auch Events zu politischen Themen wie Mobilität, Konfliktmanagement, Um-welt, Bildung und der Gestaltung einer aktiven (europäischen) Zivilgesellschaft statt. Jeder und jede, der/die zwischen 18 und 35 Jahre als ist, kann Mitglied werden, unabhängig von Studiengang und Wohnort. Abgesehen vom Jahresbeitrag sind mit der Mitgliedschaft keine Pflichten verbunden, sondern vielmehr die Möglichkeit, europaweit an allen Veranstaltungen teilzunehmen.

Was macht AEGEE?Das größte und älteste Projekt von AEGEE ist die Summer University. Jedes Jahr findenzwischen Juni und September in über 100 Städten in ganz Europa Austauschprogramme statt, die immer von den Antennen vor Ort organisiert werden. Dabei erstreckt sich das Angebot über ein weites Feld an kulturellen Betätigungen: Sport, Musik, bildende Kunst und Architektur, Stadtgeschichte, Umwelt, Sprachen, Küche, Natur, bis hin zu regionalen Rundreisen durch verschiedene Städte in der Umgebung. Die Teilnehmer, die sprichwörtlich aus allen Ecken Europas kommen, zahlen die Anreise selbst, bekommen aber für einen Höchstbetrag von 130 Euro zwei Wochen lang Unterkunft, Verpflegung und Transportmittel von den Orga-nisatoren zur Verfügung gestellt. Die Summer University (SU) ermöglicht jährlich tausenden jungen Menschen eine günstige Reise in ein anderes europäisches Land, wo sie nicht in irgendeinem Hotel landen, sondern zwei Wochen oder länger die Möglichkeit haben, Land und Leute authentisch kennenzulernen. Gleichzeitig können sie auch anderen Menschen einen Einblick in die eigene Kultur gewähren. Wie zum Beispiel Emin aus Baku, Aserbaid-schan, der auf der SU Köln 2008 mehrmals einen faszinierenden Volkstanz aus seiner Heimat aufführte, um dann entschuldigend zu erwähnen, sein Kostüm (und damit die Performance) sei unvollständig, da ihm bei der Ausreise am Flughafen von Baku das Schwert konfisziert worden sei…Neben der Summer University gibt es seit einigen Jahren auch eine Winter University. Darü-ber hinaus finden das Jahr über in ganz Europa über 100 weitere Events zu den unterschied-

lichsten Themen statt. Dazu zählen:- Training Schools: in der Regel einwöchige Kurse zu Themen wie PR-Arbeit, Fund Rai-sing oder Projektmanagement;- Action Days: punktuelle Aktivitäten oder Feierlichkeiten zu bestimmten Anlässen, etwa dem European Day am 9. Mai;- Projekte: Veranstaltungen im Rahmengrößer angelegter Projekte wie demCaucasus Project oder Y Vote 2009(Kampagne zur Europawahl);- Informeller Austausch: Zwei oder mehrere Antennen beschließen, sich gegenseitig zu besuchen;- Hauptversammlung – Agora: halbjährliche Mitgliederversammlung mit bis zu 1000 Teil-nehmern, die jedes Mal von einer anderen Antenne organisiert wird (2008 in Ljubljana und Aachen, 2009 in Mağusa/Famagusta und Kiew).Jedes Mitglied egal welcher Antenne kann sich jederzeit für jede Veranstaltung bewerben, die ihn/sie interessiert. Meistens zahlt man dafür die Anreise und einen kleinen Unkostenbeitrag, allerdings gibt es immer mehr gut geförderte Events (wie zum Beispiel alle Veranstaltungen im Rahmen von Y Vote 2009), bei denen die Teilnahme kostenlos ist und auch Reisekosten erstattet werden.

Menschen, Länder, AbenteuerWas das Leben als AEGEE-Mitglied so bereichert, sind die Menschen, die man kennen lernt. Sie kommen aus den ver-schiedensten Regionen Europas und haben oft wenig mehr gemeinsam als die Neugier-de und das gegenseitige Interesse an der anderen Kultur. Aber genau dieses Interes-se, diese positive Einstellung dem Neuen gegenüber, schafft eine Atmosphäre der Toleranz, in der jedem Einzelnen seine kultu-relle Identität zugestanden wird, was heute alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Jede Zusammenkunft von AEGEE ist an sich ein kleines Modell für das europä-ische Ideal der Unity in Diversity. Und trotz aller Weltläufigkeit, die man im Laufe seiner Tätigkeit bei AEGEE erwirbt, stellt man bei jedem Treffen aufs Neue fest, dass man nie auslernt und immer wieder dieses schöne, jungfräuliche Gefühl der Überraschung erle-ben darf, wenn Europa wieder eines seiner unbekannten Gesichter zeigt.

Thomas Leßke

33FernSicht

Drei Wochen Polen im Sommer - diese Zeit wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Dabei war es eigentlich eine verrückte Sache. Ich bin einfach nach Warschau gefahren, bei wild-fremden Leuten untergekommen und mit ihnen eine Woche später in den Süden gereist – um noch mehr wildfremde Leute zu treffen und die wunderschönen Landschaften des „Bieszcz-adzki Park Narodowy“ zu entdecken.

Hätte das nicht auch nach hinten losgehen können? Die meisten Leute, die ich kenne, hätten da lieber einen ‚richtigen’ Urlaub geplant, mit Hotel und organisierter Stadtführung, ohne sich auf diese Unwägbarkeiten einlassen zu müssen. Mit Menschen loszuziehen, die man gar nicht kennt, deren Kultur einem nicht vertraut ist, das ist schon eine Herausforderung. Und was, wenn man zusammen aufbricht und sich dann gar nicht versteht?Ehrlich gesagt war mir diese Möglichkeit im Vorfeld nicht einmal eingefallen. Bei meiner Neu-gierde und Lust am Entdecken wäre es mir auch egal gewesen, hin und wieder ein zwischen-menschliches Problem lösen zu müssen, vielmehr hätte ich es wahrscheinlich als interessante Erfahrung empfunden. Und wie dankbar bin ich im Nachhinein, dass ich diese Menschen kennen lernen durfte! Den Malteser und den Engländer, deren Humor im Zusammenspiel jeglichen Versuch der Selbstbeherrschung zum Scheitern verurteilte. Die erstaunliche Gast-freundschaft der Polen, die beiden völlig unspanischen Spanier… Dass meine Liebschaft mit der Journalistin aus Lettland den Abschied nicht überdauerte, kann die positive Erinnerung nicht wirklich trüben. Im nächsten Jahr werde ich wieder so auf Reisen gehen. Dann vielleicht nach Georgien?

Unity in Diversity „Unity in Diversity“, ein schöner Slogan, und ein utopischer dazu. Wie weit Europa heute davon entfernt ist, zeigt allein schon die chronische Unfähigkeit, sich in wichtigen außen-politischen Fragen auf einen gemeinsamen Standpunkt zu einigen oder überhaupt gemeinsam aufzutreten. In der Außenpolitik erhalten die nationalen Interessen den Vorzug vor den euro-päischen, obwohl nur hartgesottene Nationalisten sich offen der Einsicht entgegenstellen, dass ein starkes und geeintes Europa im Sinne aller Einzelstaaten wäre. Europa, ein Lippen-bekenntnis? Sicher, es gibt einen ungelösten Konflikt zwischen nationaler und europäischer Politik. Aber nicht nur auf politischer Ebene, auch auf der gesellschaftlichen ist der Bruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit allenthalben zu beobachten. Unkenntnis, Vorurteile und Misstrauen grassieren bis weit in akademische Bevölkerungsschichten hinein. Die Europäer kennen sich mitnichten, und ob sie sich mögen, können sie folglich gar nicht sagen – im

Presenting AEGEE / European Students’ Forum

32

Zweifelsfalle nein. Wie soll da eine vernünf-tige Zusammenarbeit geschehen? Bevor die Unkenntnis, die Vorurteile und das Misstrau-en nicht ausgeräumt werden, wird es mit der (von allen Seiten herbeigesehnten und -gepolterten) politischen Einheit Europas nichts werden. Was können wir also tun? Dieselbe Frage war bereits am 16. April 1985 auf einer großen Konferenz in Paris Thema, wo Franck Biancheri und 700 teil-nehmende Studenten aus allen Mitglieds-staaten der damaligen EG die Association des Etats Généraux des Étudiants de l’Europe, kurz AEGEE ins Leben riefen. Was kann ein junger Mensch tun, der wachsen-den Euroskepsis entgegenzutreten? Was kann er dazu beitragen, dieses europäische Projekt, in dem so viele Möglichkeiten ste-cken, wieder mit Leben, mit neuen Ideen zu füllen? Wo muss er ansetzen? Bei einer bes-seren „europäischen“ Schulbildung, einer großen Werbekampagne, einer politischen Reform?

Die Idee dahinterDie Antwort von AEGEE: Der junge Mensch soll reisen, also schlicht das tun, was er so-wieso mit am liebsten macht. Er soll Europa für sich entdecken, denn nur dann, wenn er mit Europa emotional etwas verbindet, wird er sich später auch für Europa einsetzen. Reisen, das bedeutet nicht, sich als Nord-europäer an einen Mittelmeerstrand zu legen. Man lernt Frankreich auch nicht kennen, indem man sich den Eiffelturm zu Gemüte führt. Reisen, das heißt in erster Linie Menschen kennenlernen, an ihrem Leben teilhaben, sich mit ihrer Kultur beschäftigen (zu der Strand und Eiffelturm natürlich auch gehören). Er soll reisen und im Gegenzug Reisende empfangen, sie am eigenen Leben teilhaben lassen und ihnen das zeigen, was ihm selbst am Herzen liegt. Auf diese Weise wird er Europa kennen und lieben lernen und sich später, wenn seine eigene Gene-ration am Hebel sitzt, dessen entsinnen. Er wird die politischen und kulturellen Konflikte unserer Tage, wie es sie beispielsweise auf dem Balkan oder auf Zypern gibt, aber auch die Aversionen z.B. zwischen Deutschen und Polen von innen heraus verstehen, da er sie selbst miterlebt hat und die Menschen kennt, die an ihnen beteiligt sind. Er wird ihr Vertrauen gewonnen haben und konstruktiv mit ihnen zusammenarbeiten können. Denn

“Some call it Europe – we call it home.”

Page 18: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

berechtigt. Auf Nachfrage sind beinahe alle „Geschichtenerzähler“ mindestens einmal ausgeraubt oder bedroht worden. Bedauerlicherweise wird das Warum dieser Übergriffe allzu selten hinterfragt.Meine limensischen FreundInnen stammen beinahe ausnahmslos aus den besseren Vierteln, in denen sich die „intellektuelle Eli-te“ des Landes tummelt. Mit ihnen traue ich mich abends manchmal an die „Grenze“, in ein Ausgehviertel der eher ärmeren Leute. Die Grenze bildet der Rio Rimac. Auf der ei-nen Seite ist der alte historische Stadtkern, auf der anderen Seite beginnt der Kampf ums tägliche Überleben, der den Bewoh-nerInnen häufig keinen anderen Ausweg als die Kriminalität lässt.Im historischen Zentrum pulsiert das Leben. Jahrelang war das Zentrum verwahrlost und ohne Sicherheitskräfte, deshalb ein Ort des Grauens, der besser nicht betreten werden sollte. Seit den 90er Jahren ist die Ord-nung wieder hergestellt und man kann sich hineinwagen. In diesem Viertel Limas falle ich auf, hier werde ich angeschrieen und angemacht. Hier bin ich um die Präsenz der Sicherheitskräfte dankbar. Meine Freun-dInnen haben Angst, nehmen mich in die Mitte, damit man mir nichts tut, der gringa aus Deutschland, ihrer blonden Freundin, die hier leuchtet.Im Jahr 2002 waren 23,9% der Bevölkerung von extremer Armut betroffen, d.h. sie ver-fügten über weniger als einen Dollar am Tag und konnten somit nicht einmal ihre Grund-bedürfnisse befriedigen. Der Verbrauch von 20% der ärmsten Bevölkerung Perus macht gerade einmal 6% der gesamten nationalen Verbrauchs aus. Weihnachten rückt näher, die soziale Schere zwischen arm und reich scheint sich ins Unendliche aufzureißen. Ich entscheide mich dafür, bei einer chocolata-da, dem Organisationsteam unter die Arme zu greifen. Das Organisationsteam ist eine Familie, die selber den Absprung geschafft hat, die sich aus der Armut einen kleinen Reichtum erarbeitet hat und ihrem barrio treu geblieben ist. Sie organisieren jedes

Jahr eine chocolatada aus eigenen Mitteln und Antrieb im Kampf dafür, diese Welt ein kleines bisschen besser zu machen.Chocolatada heißt, wir verteilen Stollen und Schokolade und Spielzeug an Kinder aus einem der Armenviertel Limas, Ventanilla. Dorthin fahren wir. Die Fahrt ist weit, die Armenviertel liegen meist an den Stadt-grenzen und die Häuser ziehen sich bis in die angrenzenden Hügel. Hier beginnt das Spektakel. Jedes Kind bekommt ein Zettel-chen, nur Kinder mit Zettelchen bekommen Spielzeug und Stollen. 153 Spielzeuge haben wir zu verschenken, keins mehr und keins weniger – wie viele Kinder hier wohl leben? Beim bloßen Anblick der Häuser und der Kinder wird mir schwindelig. Kultur-schock für Lateinamerikaerfahrene würde der Reiseführer wohl titeln. So viele Kinder und so wenig und doch so viel, was man geben kann. Nach dem Event werden die Türen hinter den letzten Kindern geschlossen. Diejeni-gen, die kein Zettelchen hatten, versuchen diese mit Gewalt zu öffnen. Das Organisa-tionsteam mit polizeilicher Unterstützung interveniert. Mir stehen die Tränen in den Augen.

Die Familie, die all das auf die Beine gestellt hat, beginnt zu feiern, sie hat dies Jahr für Jahr immer wieder erlebt und ist froh wenigstens etwas bewirkt zu haben. Sie trinken Schokolade und essen Stollen, nehmen mich mit in ein Restaurant. Ich will nicht gehen. Ich kämpfe immer noch mit den Tränen. Der Restaurantbesitzer lädt uns ein zum Festschmaus nach der guten Tat. Warum uns und nicht die Kinder frage ich? Warum nicht die Kinder, die mit dünnen Ärmchen und traurigen Augen auf dem Hügel am Rande der Stadt leben?Eine schwermütige Stimmung lastet auf Lima, ebenso wie der Smog, der einen nie den blauen Himmel sehen lässt. Eine Stim-mung, die von Viertel zu Viertel so variiert, dass Lima kaum als Ganzes wahrgenom-

men werden kann. So titelte ein bekannter peruanischer Autor Sebastián Salazar Bon-dy „Lima, la horrible“ (dt. Lima, die Schreck-liche). Aber so schwarz ist der Himmel über Lima dann doch nicht. Überall finden sich Menschen, wie die Familie der chocolatada, die versuchen, die Kluft zwischen arm und reich zu schmälern. Lima, die Schreckliche, ist kein homogenes Ganzes. Sie beherbergt viele kleine Zentren, die gemeinsam ein Buntes durcheinander ergeben. Mittlerweile habe ich meine Sicher-heitsinsel verlassen, bin in ein „normales“ Haus gezogen, gemeinsam mit einer Peru-anerin. Trotzdem sitze ich hilflos zwischen den Stühlen. Die Liebe und Fröhlichkeit, die ich sowohl in Ventanilla als auch in Miraflo-res erfahren haben, machen mich lachen. Ich freue mich. Die Erfahrung, Menschen von Essen und Gaben ausgrenzen zu müssen, machen mich weinen. Ich frage mich, ob es irgend-wann gelingen wird, dieses bunte, wirre Durcheinander zu einer Einheit zu ver-schmelzen, in der sich Menschen gegensei-tig unterstützten, so dass keine Kinder mehr ohne Zettelchen und ohne Spielzeug und Stollen vor der Türe weinen.

Janina Heuser

ben, die noch nie in einem lateinamerika-nischen Land waren. Miraflores heißt das barrio (dt. Viertel), das ich die nächsten Monate bewohnen werde. Hier finde ich mich in einem Haus voller ausländischer PraktikantInnen wieder, die den Halt und die Sicherheit der eignen Kultur in der Fremde suchen. Ich zahle einen europäischen Mietpreis, wohl wissend, dass ich dafür zahle, mit wem ich wohne und nicht wie oder wo. Mira bedeutet „schau!“ und flores „Blumen“. Auf Deutsch also „Schau die Blumen an!“. Und wahrhaftig, hier floriert das Leben. Während meines allmählich einkehrenden Alltags in dieser neuen Welt, ergötze ich mich tagtäglich an schönen Gebäuden, Kleidern und Geschäften. Die Supermärkte haben ein Angebot, dass jeden Aldi neidisch machen würde. Mittelschicht und untere Oberschicht wohnen hier. Insgesamt 93.000 Menschen. An jeder Straßenecke hockt ein „Guachi-man“, das ist ein Anglizismus und kommt von Wachtman, was soviel heißt wie „derje-nige, der guckt, der aufpasst“. Die Guachi-man gehören zum Straßenbild. An beinahe jeder Ecke findet sich ein kleines Häuschen, so groß, dass gerade ein Stuhl samt Mann hineinpasst. Die Guachiman sind bewaffnet und sorgen für Sicherheit. Auch hindern sie Unbefugte daran, extra eingezäunte Stras-sen zu betreten. Die Zäune symbolisieren die sozialen Grenzen. Auf der einen Seite scheinen sie notwendiges Mittel zu sein, um die Sicherheit jener zur gewährleisten, die zumindest über ein wenig Habe verfügen. Auf der anderen Seite grenzen sie diejeni-gen aus, die aufgrund ihrer sozialen Stellung kriminalisiert werden oder soziale Kriminelle geworden sind. Für die BewohnerInnen Limas bedeutet all dies Sicherheit, für mich Stress! Parque Kennedy (dt. Kennedy Park) ist das Herz Miraflores. Wenn ich mich abends von der Arbeit mit einem der vielen selbstmör-derisch fahrenden Busse auf den Heimweg begebe und das bunte Treiben beobachte, um mich dann Augenblicke später selber ins Getümmel zu stürzen, wird klar, dass hier die Strassen um den Park von Studierenden und den Besserverdienenden bevölkert sind, die nach Feierabend in den anlie-genden Bars und Restaurants entspannen. Erschreckend fällt mir auf, dass ich gar nicht auffalle. Die Menschen hier sind alle hellhäutig. Die Menschen Limas aus anderen barrios fallen auf. Menschen, die in der zweiten

Lima oder dritten Generation in Lima aufwachsen. Ihre Eltern oder Grosseltern stammen aus der Gebirgskette, den Anden, oder dem Urwald, dem Amazonasgebiet. Diese stellen mit die ärmsten Regionen Perus dar. Laut einer Studie der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004 sind im ländlichen Anden-raum 81,8%, im ländlichen Urwaldgebiet 71,9% und an der Küste 48,4% der Bevöl-kerung von Armut betroffen. Im Vergleich hierzu werden im städtischen Andenraum 48,6%, im städtischen Dschungelgebiet 58,1% und in Lima „nur“ 34,7% der Bevöl-kerung als arm eingestuft.. Diese Zahlen verdeutlichen die extreme Ungleichheit der Reichtumsverteilung in Peru, die sich auch in der geographischen Aufteilung des Landes wiederspiegelt. Die Migration in die Stadt birgt immer die Hoffnung nach einem besseren Leben. Lima zählt mittlerweile beinahe 8 Millionen Menschen – Tendenz steigend. In ganz Peru leben insgesamt knapp 28 Millionen. Meistens sind es diese Menschen, die in den neueren „pueblos jovenes“ leben. Diese Armenviertel heißen so, da sie erst aufgrund der Migrationswellen entstanden sind. Dorthin kamen diejenigen, die nichts oder beinahe nichts hatten. Es sind diese MigrantInnen, die an den Stra-ßenecken in Miraflores Früchte verkaufen, Schuhe putzen, um einen Almosen bitten. Sie sind die BewohnerInnen der anderen Viertel, die auch zu dieser großen Stadt gehören. In Miraflores fallen sie auf, nicht ich, denn sie sind meist dunkelhäutig und schlecht gekleidet. Angst und Schrecken wird in den Ge-schichten über die barrios, aus denen sie stammen, verbreitet. Wenn du dorthin gehst, zieh dir etwas Altes an, halte deine Handtasche gut fest, sicher werden sie dich ausrauben. Viele Touristen echauffieren sich über die Angst der Limeños (dt. Bewohner von Lima). Allerdings scheint diese Angst

Stadt der GegensätzeWährend eines fünfmonatigen Prak-tikumsaufenthaltes in Lima, Peru schildert Janina Heuser einige bleibende Eindrücke, die das soziale Ambiente Limas hinterlassen haben.Müde, benommen und ein wenig verwirrt von der Hektik und der tragischen Atmo-sphäre, die der Flughafen verbreitet, klettere ich langsam aus dem Flugzeug. Ein Mann hält ein Schild mit meinem Namen hoch. Ich lache – alles gut gegangen, Gepäck angekommen, Chauffeur da und ab gehts Richtung Lima, Hauptstadt Perus in Süda-merika, ehemaliges Inka-Imperium.Der Chauffeur bugsiert mich zum Taxi. Sofort dudelt Musik laut los. Cumbia, eine tropische Musik, orginal aus Kolumbien importiert und mittlerweile typisch für Peru, ein fröhlicher Rhythmus mit gefühlsgela-denen und teilweise von Rachegelüsten erfüllten Texten. Die Strassen begrüßen mich mit einem wilden lauten Chaos, an einer roten Ampel höre ich ein „Klack“. Die Sicherheitsverriegelung ist runtergegangen, draußen vorm Taxi Kinder, Frauen, Männer, die Süßigkeiten, Zeitungen, Trockentücher und allerlei verkaufen wollen. Wir passieren einige der ärmeren Viertel Limas, die sich aus sogenannten „pueblos jovenes“ (dt. Junge Viertel) oder „asentamientos huma-nos“ (dt. Menschliche Ansiedelungen), wie sie hier in Peru genannt werden, zu neuen und strukturell besseren Vierteln entwickelt haben, die aber immer noch im Aufbau sind. In einigen Reiseführern werden sie als der erste Kulturschock für diejenigen beschrie-

35FernSichtFernSicht34

Fotos: Omar Forero

Page 19: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

ZeitGeistFoto: © Fabian Stürtz

37ZeitGeistZeitGeist36

Page 20: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Ihren Stil zu beschreiben, fällt Eric, Jens, Thorsten und David schwer; es fallen Ad-jektive wie poppig und emotional, auf ihrer Homepage ist von Indie, Rock und Pop die Rede. Wie man die Musik letztlich auch nen-nen mag – was auffällt, ist eine angenehme und intensive, aber nicht zu schwermütige Form von Melancholie, Emotionalität, die sich in vielen der spährischen Songs wie-derfinden lässt. Doch fangen wir vorne an.Gegründet haben sich Kush bereits 2003, als Sänger David zu den drei anderen Jungs stieß, die da schon zusammen Musik machten. Obwohl die Vier musikalisch verschiedene Geschmäcker haben, stimmte die Chemie sofort. Beim Songschreiben traf man sich irgendwo in der Mitte. Da das Studium – zwei von ihnen studieren noch immer - und andere Verpflichtungen dazwi-schenkamen, trennten sich Kush 2006. Eric, Jens und Thorsten probten weiterhin ge-meinsam, doch erst als David vor eineinhalb Jahren wieder dazustieß, erweckten sie die Band wieder zum Leben. Daraufhin setzten

Ihre Musik fließt durch den Raum, füllt ihn langsam mit ihrer Atmosphäre und Dichte ganz aus, bis sie uns behutsam umschließt wie ein Schleier, wenn man sich darauf einlässt. Das Gefühl, das entsteht, ist eines von Sehnsucht, von schöner Melancholie. Das zurückhaltende Schlagzeug gibt die Richtung und den Rahmen vor, der Bass be-wegt sich darin gleichmäßig und die einzeln gezupften Töne der E-Gitarre schaffen einen Klangteppich. Sänger David hat die Augen geschlossen und das Mikro mit beiden Hän-den umgriffen, ehe er die ersten Worte singt.Kush heißt die Kölner Band, von der hier die Rede ist. Das sind vier Jungs um Mitte bis Ende zwanzig, die sich nach einer zwischenzeitlichen Trennung nun wieder zusammengeschlossen haben, um weiter gemeinsam Musik zu machen. Ihrem hei-mischen Publikum stellten Kush ihre neuen Songs bei einem Konzert Ende des Jahres im Blue Shell vor. Davor haben sie sich mit uns zusammengesetzt und über ihre Musik geplaudert.

sich die vier leidenschaftlichen Musiker, die sich ein Leben ohne Töne schwer vorstellen können, hin und schrieben lange Zeit an Songs. Eigentlich nur um die neuen, frisch entstan-denen Stücke einmal live auszuprobieren, nahmen Kush dann bei einem Bandcontest im Sauerland teil und entschieden den Wettbewerb kurzerhand für sich. Als Preis bekam die Band einen Auftritt als Vorgrup-pe von Klee beim „Festival der Kulturen“ geschenkt. Vor 1.500 Leuten spielten die Jungs im Sauerland in der Dämmerung ihr bisher größtes Konzert – ein Abend, der unvergessen bleibt. „Der Contest und der überraschende Sieg, das alles hat uns von 0 auf 100 wieder auf die Bühne katapultiert“, erinnert sich David zurück, während wir im Backstageraum des Blue Shell sitzen. Wenig später werden Kush hier ihr erstes „Heimspiel“ in Köln nach 3 Jahren Absti-nenz haben und von einer Menge Freunde unterstützt werden. „Ein ganz besonderer

Bandportrait

ushAbend, wo so viele Bekannte da sind“, sagt Gitarrist Eric. In Zukunft wollen die Jungs weiter live auftreten, ihr erarbeitetes Song-material präsentieren.

Songs schreiben wie auch live spielen, das gehört für die Band zusammen. Das Auftreten sei gewissermaßen die Beloh-nung für das Arbeiten im Proberaum. Wenn Kush dort jammen und an neuen Stücken arbeiten, so geschieht dies frei und ohne jede Hierarchie. Es wird einfach gespielt bis eine Idee entsteht, die dann im Folgenden ausgearbeitet wird. „Musik ist einfach ein super Ventil, um sich auszudrücken“, erklärt Bassist Jens und erntet Zustimmung von den anderen. Abschalten, Spaß haben mit Freunden, vor allem aber auch etwas erschaffen – das alles ist Musik für die vier Jungs. Ihre alte Setlist haben sie bis auf zwei Songs komplett gestrichen, die neuen Lieder wollen jetzt gesungen werden. Und es sind Lieder, die sich neben ihrer meist melancholischen Grundstimmung vor allem durch eine erstaunliche Tiefe auszeichnen:

„Der Hörer soll sich in unsere Stücke fallen lassen können, sie sind nicht voll vor die Fresse“, sagt David, der auch die Texte beisteuert. Mit seinem emotionalen Gesang hat er großen Anteil am Sound der Band, die neben den vielen ruhigeren Songs aber auch ein paar schnellere Nummern im Programm hat. Ebenso charakteristisch wie beeindruckend ist das Gitarrenspiel von Eric, der mit seinen Pickings und Effekten richtige Klangteppiche zaubert. Wer die Band einmal spielen sieht, wundert sich, wo das Keyboard versteckt ist, denn die stark sphärische Musik schreit in vielen Mo-menten fast förmlich nach selbigem. Doch gibt es keines. Die Synthesizer-ähnlichen Klänge erzeugt Eric allein mit der Gitarre und dem gekonnten Einsetzen des Effekt-pedals. „Ich weiß auch nicht genau, wie er das hinbekommt, aber es klingt echt gut“, lacht David.

Um die Musik ganz wirken zu lassen und die Aufmerksamkeit nicht auf die Musiker zu lenken, treten Kush ganz in Schwarz auf.

Allein Sänger David trägt schon einmal ein weißes Hemd. Auch Sonnenbrillen oder andere optischen Accessoires meiden die Jungs, denn im Zentrum soll das Lied stehen. „Am liebsten lassen wir unsere Musik für uns sprechen“, sagt Sänger David stellvertretend für die Band, die Newcomer ist, was das Geben von Interviews angeht. Freuen wir uns, dass wir dennoch Einblicke in die Musik und Sicht von Kush erhalten durften. Christoph Erkens

Die nächsten Konzerte:

06. März 2009Lichtwerk – Schmallenberg (Sauerland)www.lichtwerk-kultur.de

26. Mai 2009Blue Shell – KölnGenaueres: demnächst unterwww.kush.de

Foto

: © F

abia

n St

ürtz

39ZeitGeistZeitGeist38

Page 21: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Doch auch deutsche Begriffe gehen gern auf Wanderschaft und damit in den Wort-schatz vieler Sprachen ein. Nur im Deut-schen lassen sich Substantive scheinbar endlos zu Komposita aneinanderfügen: Hassliebe, Sehnsucht, Fernweh und Ver-gissmeinnicht sind auch im Ausland beliebte Beispiele für diese produktive sprachliche Besonderheit - genauso wie der Name unseres Ressorts. In der Ausstellung findet man eines der längsten deutschen Wörter, das allerdings nicht durch Schönheitbesticht. Auch im Abkürzen üben sich die Deutschen per SMS und E-Mail gerne. Besucher kön-nen dies direkt unter Beweis stellen, indem sie Lob und Kritik zur Ausstellung auf einen Monitor ‚simsen’. Wem selbst gerade nichts einfällt, kann den Sprachroboter „manifest“ für sich arbeiten lassen. Der spuckt mithilfe von eingespeicherten Begriffen Thesen aus, die - laut seiner Programmierer – den Leser unwillkürlich nach einem Sinn suchen las-sen. Das liest sich etwa so: „Kunst setzt so wenig Tradition voraus, wie Wahrheit Instinkt voraussetzt.“ Könnte auch von Schiller stammen...oder war es Hegel?Wie Sprache nicht nur Kreativität, sondern auch die politische Einstellung spiegelt, zeigt die Gegenüberstellung von Duden-einträgen der BRD und DDR. Da heißen Jeans auf einmal Nietenhosen. Einträge wie „Menschenrecht“ und „Weltreise“ fehlten im Osten gleich ganz. Individualismus wird bei den Wessis als „(betonte) Zurückhaltung eines Menschen gegenüber einer Gemein-schaft u. ihren Gepflogenheiten, Regeln u. Ansprüchen“ definiert, die Ossis verstehen „das Durchsetzen eigener Interessen ohne Rücksicht auf das Kollektiv“ darunter. Auffällig ist, dass Atheismus im Westen als „Gottesleugnung“ betrachtet wird, im Osten hingegen als „Verneinung einer religiösen Weltanschauung“.

„Und nichts führt uns dichter an die Seele eines Volkes heran als die Sprache.“ Dieser Ausspruch von Literaturwissenschaftler Victor Klemperer mag einer der Beweggrün-de sein, sich mit dem Wesen der deutschen Sprache auseinanderzusetzen. Was zeich-net das Deutsche aus, inwiefern unterschei-det es sich von anderen Sprachen? Wie überwältigend viele Antworten es auf diese Fragen gibt, wird jedem bewusst, der die derzeitige Wechselausstellung „man spricht Deutsch“ im Bonner Haus der Geschichte besucht.

Sprachgeschichte und Sprachwandel, Jugendsprache, Gebärdensprache, Poesie, Literatur, Rhetorik, Medien- und Werbe-sprache sind nur einige der Themen rund um’s Deutsche, über die sich die Besucher informieren können. Mit vielen interaktiven Elementen, wie Schubladen, Hörstationen, Sprachbäumen, verschiebbaren Litfaß-säulen und Filmclips ist die Ausstellung sehr abwechslungsreich gestaltet, jedoch räumlich etwas überfrachtet. Die Breite der Thematik macht dies jedoch verzeihlich. Sprache – „ein weites Feld“...

Schnell merkt der Besucher, dass nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch eine Welt-sprache ist: Es ist die meistgesprochene Muttersprache in der EU und 23 Prozent der weltweiten Buchproduktion werden in Deutsch gedruckt. Obwohl man laut Marc Twain dreißig Jahre braucht, um Deutsch zu lernen, versuchen sich 17 Millionen Men-schen an dieser Herausforderung. Über 120 Millionen sprechen es bereits. Wie lange Deutsch noch als Sprache der Dichter und Denker gelten wird, ist jedoch fraglich. Ein Großteil der wissenschaftlichen Publika-tionen, sei es in der Sprachwissenschaft, Biologie oder Philosophie, wird mittlerweile in Englisch verfasst.

Wie manipulativ Sprache sein kann, zeigt sich nicht zuletzt in der Werbung. Diese Taktik kann jedoch auch nach hinten losge-hen, weil viele Konsumenten mit Neologis-men und Anglizismen überfordert sind: So übersetzen viele den Privatsender-Slogan powered by emotion mit „Kraft durch Freu-de“ – von den Fernsehmachern sicher nicht beabsichtigt.

Leider fehlt in „man spricht Deutsch“ neben Medieninstallationen zur Sprache im Dritten Reich ein Beitrag zur feministischen Sprach-kritik, die sich damit beschäftigt, wie Sprache Frauen unsicht- bzw. unhörbar macht und so patriarchale Strukturen festigt. Denn dass Sprache auch Trägerin von Kultur und Tradition ist, versteht sich von selbst. Besonders Jugendliche entwickeln einen eigenen Sprachkodex, um sich von anderen abzugrenzen. Kurzfilme zum Jugendslang aus verschiedenen Jahrzehnten, eine mit Aufklebern gespickte Zimmertür und kunstvoll verzierte Reclamheftchen zeugen vom spielerischen Umgang mit Literatur und Sprache. Wie grundlegend die Bedeutung von Spra-che für unser Leben ist, machen die Aus-sagen Deutsch paukender Migranten klar. Für sie heißt Deutsch sprechen: „Zukunft in Deutschland. Arbeit finden. Kennen lernen. Mein neues Leben.“

Bleibt zu hoffen, dass das deutsche Wort des Jahres 2008 nicht den Seelenzustand der Deutschen spiegelt – es lautet: Finanz-krise.

Noch bis 1. März 2009 im Haus der Geschichte in Bonn. www.hdg.de

Eintritt kostenlos (sogar die Garderobe ist frei!)

Anne Wellmann

Sprachkunst „man spricht Deutsch“ – die Ausstellung über Tendenzen der deutschen

Gegenwartssprache im Haus der Geschichte

41ZeitGeistZeitGeist40

Page 22: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Viva Colonia Sonderschule der Ästhetik

Alle Jahre wieder, das alte kölsche Problem: Karneval. Eine Woche

lang ziehen sich alle seltsam an, betrinken sich, pimpern in der

Gegend rum und benehmen sich überhaupt wie Idioten. Schlimm,

möchte man meinen, aber nein: hier läuft das unter Kultur.

Nun ist das ja sicherlich für den ein oder anderen einfach nur ein großer Spaß, aber sind wir doch mal ehrlich: Dadurch wird's keinen Deut weniger dämlich. Auch das Ar-gument, man müsse nicht mitmachen, sticht nicht wirklich, denn wer nicht gerade am Arsch von Köln lebt kann keine zwei Schritte tun ohne mit dem Anblick volltrunkener Lappenclowns 40+ und ähnlicher Abscheu-lichkeiten konfrontiert zu werden. Sofern es nur beim Anblick bleibt...

Noch weitaus perfider ein Rechtfertigungs-versuch der gerne in akademischen Kreisen unternommen wird: Karneval betreibe eine Subversion alltäglicher Ordnungsverhält-nisse und sei somit als emanzipatorische Praxis anzusehen. Aua! Da hat ganz offen-sichtlich jemand den Bock zum Gärtner gemacht. Anstatt bestehende Normen aufzulösen, etablieren die Jecken lediglich Ihr eigenes, für sich genommen mindestens ebenso rigides, spießiges und durchrituali-siertes Regime. So feiern sie dann alle wie wild und kommen sich total enthemmt und befreit vor, ohne zu merken, dass sie letztlich die gleichen Strukturen reproduzieren, von denen sie

sich den Rest des Jahres davon abhalten lassen die Bedürfnisse zu befriedigen, die sie nun so offen ausleben. Welch ein Glück, dass es eine Welt außer-halb der trostlosen Dichotomie Karneval/Normalität gibt. In dieser Welt ist immer Karneval bzw. es gibt keinen Karneval, da ihn keiner nötig hat. In dieser Welt leben die Menschen ihre Bedürfnisse einfach aus, ohne das ganze Jahr zu warten, bis ihnen die offizielle Erlaubnis erteilt wird. Sie besaufen sich, wenn sie Lust darauf haben, benehmen sich wie Deppen, wenn sie Lust darauf haben, haben Sex wie, mit wem und wann sie Lust darauf haben, sie schmin-ken sich und ziehen sich einfach mal was Abgedrehtes an, weil sie gerade Lust darauf haben. Oder sie machen nichts dergleichen, weil sie eben darauf Lust haben. Und vor allem: weil sie nicht so einen Heidenschiss davor haben, von anderen schief angeschaut zu werden.

Eine bessere Welt? Wahrscheinlich. Eine weniger verlogene auf jeden Fall.

Felix Grosser

hat einen großen Anteil am Python-Humor. Aber ebenso wie Freynik hat auch der Kom-ponist des Musicals, John du Prez, bereits vor SPAMALOT mit Monty Python zusam-men gearbeitet: ein eingespieltes Team macht seine Arbeit. Für die Rolle des Histo-rikers, der die Zuschauer in die Handlung und die spezielle Python-Komik einführt, konnte Alfred Biolek gewonnen werden, der selbst bekennender Python-Fan ist.

Die Handlung von Spamalot basiert auf dem Filmklassiker DIE RITTER DER KOKOS-NUSS (im Original MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL): im Jahre 932 nach Christi sucht King Arthur im britannischen Königreich gemeinsam mit den Rittern der Tafelrunde nach dem Heiligen Gral. Der Titel SPAMALOT spielt einerseits auf Camelot, den legendären Hof King Arthurs, und auf die berühmt-berüchtigten Spam-Mails an (die ihren Namen durch den bekannten Spam-Sketch von Monty Python bekamen).

Eine historisch korrekte Erzählung der Legende von der Suche nach dem Heiligen Gral darf dabei aber natürlich nicht erwartet werden: die Ritter streifen bei ihrer Reise eine Art Las Vegas-Kasino und Lancelot gibt

„Always look on the bright side of life“ – der Gute-Laune-Ohrwurm erklingt im Monty Python-Film DAS LEBEN DES BRIAN ganz zum Schluss – als Brian neben Schwer-verbrechern ans Kreuz genagelt wird, dabei vergnügt mitsingt und zum Schluss abändert: „Always look on the bright side of death, just before you draw your terminal breath“. Der Grad an Skurrilität könnte vermutlich nicht höher sein. Auch wenn man versucht sein könnte, das Menschen fressende Monsterkaninchen in DIE RITTER DER KOKOSNUSS auf ähnlichem Level ein-zustufen. Was kommt dabei heraus, wenn die seit 1969 bestehende britische Komiker-gruppe Monty Python ein Musical produ-ziert? Im März 2005 hatte SPAMALOT am Broadway in New York Weltpremiere – mit großem Erfolg: kurz darauf wurde es für 14 Tony Awards nominiert und unter anderem als Bestes Musical ausgezeichnet.

Ein Musical für Menschen, die keine Musicals mögen – so beschreibt Eric Idle, Monty Python-Mitglied, sein Werk, dessen deutsche Originalfassung am 25. Januar im Kölner Musical Dome Premiere hatte. Eine besonders wichtige Aufgabe hatte dabei Karlheinz Freynik, der die Texte in die deut-sche Sprache übersetzte, denn der Wortwitz

Einblicke in seine brasilianische Tanzkunst. Ritter werden mit Kühen erschlagen und aus dem makaberen Leichenkarren-Sketch „Bring out your dead“ (aus DIE RITTER DER KOKOSNUSS), in dem ein alter – leben-diger! – Mann auf den Karren geworfen und kurzer Hand erschlagen wird, wird der Song „Not dead yet“.

Auch die Kunstform Musical wird auf den Arm genommen: so heißt der Klischee-Lovesong, wie er in vielen Musicals auftaucht, in SPAMALOT nicht etwa „I don’t know how to love him“, sondern „The song that goes like this“ und ist mit seinen Eingangszeilen „Once in every show there comes a song like this: it starts off soft and low and ends up with a kiss“ eine Parodie seiner selbst.

Dennis Große-Plankermann

Skurril geht’s zu im blauen ZeltSPAMALOT – die deutsche Originalfassung des Monty Python-Musicals hatte

am 25. Januar im Kölner Musical Dome Premiere

43ZeitGeistZeitGeist42

Page 23: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Körperkultur

Foto: © Lena Overbeck

Page 24: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Christian steht auf einem kleinen blauen Kunststoffgriff, der in etwa 14 Metern Höhe mit einer künstlichen Wand verschraubt ist. Prüfend blickt er nach oben zu dem letzten Plastikgriff, der zwischen ihm und dem Ende der Wand liegt. Dann spannt er seinen Körper an, geht ein wenig in die Knie und stößt sich mit voller Kraft von dem Vorsprung unter seinem linken Fuß ab. Mit ausgestreck-ten Armen springt Christian in die Höhe und schließt blitzschnell beide Hände um den rundlichen Halter in der Wand. Er zieht sich noch ein Stück nach oben, bis seine Füße Platz auf einer blauen Plastikklinke unter ihm finden. Dann hat er seine Route geschafft.

Klettern fordert Vertrauen

Christian ist einer der zahlreichen Kletter-begeisterten, die nach einem langen Tag an der Uni oder im Büro den sportlichen Ausgleich suchen. Er trifft sich regelmäßig mit einer Gruppe von Gleichgesinnten und sucht mit ihnen eine der Kletterhallen in und um Köln auf. Heute sind er, Verena, Ellen und Attila in der „KletterFABRIK“ in Köln-Ehrenfeld, um dort „Toprope“ zu klettern.Toprope gilt als eine besonders sichere Klettervariante, bei der ein Kletterer immer durch einen Partner am Boden gesichert wird. Der Kletterer ist dabei mit einem Seil verbunden, das an der Decke oberhalb der zu begehenden Wand eingehängt ist. Das andere Ende des Seils liegt in den Händen des Seilzweiten, der seinen Partner sichert und einen Sturz vermeidet, falls dieser beim Aufstieg abrutscht.Die Deckenhöhe der Halle in Ehrenfeld liegt bei rund 16 Metern. Ein Absturz aus dieser Höhe wäre lebensgefährlich und so gehört zum Klettern nicht nur Sportsgeist, sondern auch ein hohes Maß an Vertrauen in den jeweiligen Kletterpartner.

Sicherheit geht vor

Laut Frank Jaeger, einem der beiden Be-treiber der KletterFABRIK, kommt es beim Hallenklettern allerdings nur äußerst selten zu Unfällen. Jeder, der in seiner Halle einen Kletterer sichern will, muss zuvor einenEinstiegskurs absolviert haben. Dabeierlernen die Sportler die nötige Sicherungs-technik und werden mit der Kletteraus-rüstung vertraut gemacht, die zur Grund-ausstattung eines jeden Kletterers gehört.

Obwohl die Kletterer ihren Partnern und den Sicherungsgeräten vertrauen, gehören die natürliche Angst vor der Höhe und ihre Überwindung zu den Reizen des Sports. Verena erinnert sich an ihr erstes Kletterer-lebnis. „Als ich in der Mitte der Wand runter gesehen habe, habe ich erst mal einen Schreck gekriegt. So hoch war das! Dann sollte ich mich fallenlassen und meine Part-nerin hat mich abgeseilt.“ Auch Ellen, die schon seit fast vier Jahren klettert und zwei- bis dreimal pro Woche bis zu sechs Stunden in Kletterhallen verbringt, kennt kurze Angst-momente beim Klettern. Die hat sie immer dann, wenn sie sich der Höhe bewusst wird, in der sie sich gerade bewegt. Trotzdem stellt sie begeistert fest: „Wenn man sich ins Seil fallen lässt, kommt der Magen kurz hoch, aber das macht richtig Spaß.“

Jaeger, der auch diplomierter Sportwissen-schaftler ist, hält gerade das Überwinden der eigenen Ängste für einen der Vorzüge des Kletterns. „Die Psyche wird gefördert“, führt er aus, „weil man sich trauen muss, über die eigenen Grenzen hinauszugehen.“ Außerdem fördere das Klettern das eigene Verantwortungsgefühl und hätte eine starke soziale Komponente.

KletternWie ein Schachproblem

Darüber hinaus stellt Jaeger klar, dass Klettern auch technisch anspruchsvoll ist. „Manchmal“, so schildert er eine typische Situation, „ist es wie ein Schachprob lem,wenn man an der Wand nicht weiter weiß.“ Das bestätigt auch Christian, der es besonders schätzt, wenn er bei einer neuen Route auf problematische Stellen trifft, die er nicht beim ersten Versuch überwinden kann. Schafft er die Strecke nach einer Weile dann doch, ist er stolz auf sich und geht mit einem Erfolgserlebnis nach Hause.

Thomas Heinen

Studenten können das Klettern im Rahmen des Hochschulsports betreiben. „campussport köln“, die Kooperation zwischen der Universität zu Köln und der Sporthochschule, bietet jedes Semester verschiedene Kurse für Einsteiger und Fortgeschrittene an.Das aktuelle Programm steht im Internet unter:http://www.campussport-koeln.de

Darüber hinaus gibt es eine Reihe gewerblicher Kletterhallen, die private Kurse anbieten. Eine gute Übersicht der Klettermöglichkeiten in Köln und Umgebung findet sich unter:http://www.infraroth.de/klettern.html

Ausführliche Informationen rund ums Klettern finden sich außerdem auf der wohl bekanntesten deutschsprachigen Internetseite:http://www.climbing.de/

Literaturtipp„Lizenz zum Klettern V3“ von Udo Neumann und Dale Goddard, 2007

ZeitschriftenCLIMB! (Bruckmann Verlag GmbH)Klettern (Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG)

InfokastenFoto: © Thomas Heinen

Foto: © Thomas Heinen

47KörperkulturKörperkultur46

Page 25: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Dichtes Gedränge herrscht in den Gängen vor dem kleinen Aufführungsraum. Es ist der letzte Abend der 10. Theaterwoche des Musischen Forums, kurz Mufo, die im Dezember 2008 an der Deutschen Sporthochschule Köln stattgefunden hat. Die Wartenden trinken Bier, jeder möchte einen guten Platz mit Blick auf die Bühne ergattern. Einige der Studierenden, die an diesem Abend ihre selbst inszenierten Stücke vorstellen, rennen nochmal aufgeregt barfuß zur Toilette. Dann beginnt der Einlass. Ein bisschen riecht es nach Schulsporthalle,wirken alle gespannt und gut gelaunt. Das Ehepaar Wolfgang und Anne Tiedt, die das Institut für Tanz- und Bewegungskultur seit Jahrzehnten leiten, eröffnen den Abend. Sie entdecken ein paar altbekannte Gesichter im Publikum, die Atmosphäre ist familiär. In den ersten zwei Reihen vor der Bühne sitzen aufgeregt, auf den extra für sie bereit gestellten Bänken, Schüler, für die die Tiedts als Kulturklasse die Schirmherrschaft übernommen haben. Ansonsten hocken Ehemalige, Studierende und Freunde in dem kleinen Saal dicht an dicht. Professor Tiedt kommentiert die voll besetzten Publikums-reihen scherzhaft: „Wenn sie gleich den Schweiß sehen können, wie er wegschleud-ert, dann ist es schön eng!“ Gelächter folgt

und die Tiedts haben von Beginn an die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf ihrer Seite.

Die Studierenden stellen ihre selbst inszenierten Stücke vorDas künstlerische Programm beginnt mit einer Inszenierung, die kurzerhand um-gestellt werden musste, weil einer der

Was kann ich mit meinem Körper

ausdrücken?

Darsteller erkrankt ist. Trotzdem beeindruckt das Stück „Ansichtssache“ durch das tänzerische Können der drei Studenten., Im Stück wird mit Schattenspielen ex-perimentiert und es kommt mit nur wenigen Requisiten aus, wie beispielsweise einem Barhocker,. Darauf folgt „Was hält dich fest“ in dem vier Tänzer in roter Kleidung sich gegenseitig mit Seilen fesseln und wieder entfesseln; sich im Rhythmus der Musik

wiegen und eine starke Bildsprache dadurch vermitteln, dass die Seile die Zwänge aber auch die sichernden Verbindungen und Bindeglieder des Alltags darstellen.

Das Konzept der Theaterwoche

Spätestens bei diesem zweiten Stück wird das Konzept der Gruppe „SHAPE“ deutlich. „SHAPE“ wurde vom Institut gegründet und bestimmt den kommerziell ausgerichteten Zweig des MuFo. Die Studierenden orien-tieren sich an ihrer eigenen Lebenswelt und entwickeln aus ihren Erfahrungen eine Mix-tur aus Tanz, Musik und Theater. Die Haup-trolle spielt dabei die Ausdrucksweise ihrer Körper, die sie „zum Sprechen bringen“. In der Ankündigung zur Theaterwoche be-schreiben die Veranstalter die Inszenierun-gen als „bewegte Kunstformen zum Mit-denken und Nachdenken“ und vergleichen die Aufeinanderfolge der kurz gehaltenen Stücke mit einer Art Kurzfilmabend. Jede der sieben Darbietungen ist eine Abschluss-arbeit des jeweiligen Stückleiters aus den

letzten beiden Semestern. Bei der Planungder Arbeiten ist also nicht nur das tänzeri-sche Know-how der Studenten gefragt, sondern auch das organisatorische Können und die Führung der Regie. Das meistern sie mit Unterstützung der Tiedts an diesem Abend mit Bravour.

Kommunikation durchKörpersprache

Aufgelockert wird das Programm durch ein „Intermezzo“ von Wolfgang Tiedt, der durch Spiele mit und innerhalb des Publikums auch Schulklassenatmosphäre bei den älteren Se-mestern erzeugt. Das angeleitete Kopfwack-eln und dem fremden Nebensitzer die Hand geben stößt erstmal auf eine schüchtern verhaltene Resonanz im Publikum, aber Tiedt schafft es, durch dieses Exempel die Kommunikation durch Körpersprache deutlich zu machen. Auch wenn dies nicht Jedermanns Sache sein mag, so erliegt auch doch trotzdem der Letzte an diesem

Abend dem Charme des Institutsleiters. Ansonsten wirken die Inszenierungen eher nachdenklich und melancholisch, Anne Tiedt bestätigt diese Tendenz auch: „Es ist eine Realität des Nachdenkens – vielleicht ist dies der momentane Zeitgeist der Studie-renden.“

Eine herausragende Ausnahme bietet das Stück „Fallerie, Fallera!“ von Lucia Ehmann, das sich schon durch die knallbunten Sport-dresse, die die Tänzer tragen, von den an-deren Stücken abhebt. Der Grundtenor des Stücks ist: Lern fallen und wiederaufstehen! Diese einfache Aussage wird von Ehmann witzig und mitreißend, mit komödiantischem Talent ihrer Tänzer aufgeführt. Damit nimmt sie ihr jegliche Schwermut. Vielleicht schafft Ehmann es, zusammen mit den Tiedts, als einzige bei dieser Theaterwoche eine Lanze für den Optimismus zu brechen, indem sie die Widrigkeiten des Alltags mit Humor nimmt, entgegen dem allgemeinen Trend.

Kathrin Mohr

10. Tanztheaterwoche an der SpoHo

Foto: © Lena Overbeck

Foto: © Lena Overbeck

49KörperkulturKörperkultur48

Page 26: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Staatskunst

Impressum

Herausgeber: Verein zur Förderung studentischen Journalismus Köln e.V. www.vfsjk.de

ViSdP Niels Walker

Chefredaktion: Niels Walker

Art Direction: Sebastian Herscheid

Bildredaktion: Hannah Gärtner, Sebastian Herscheid

Redaktion/Autoren: Johanna Regenhard, Janina Heuser, Eva Helm, Katja Koslowski, Iris Sygulla, Christne Willen, Holger Reinermann, Sarah Angasa, Jörg Bernady, Christopher Dröge, Felix Grosser, Veronika Czerniewicz, Agathe Miskiewicz, Sylvia Jobi, Hannah Gärtner, Kathrin Mohr

Gestaltung/Layout: Sara Copray, Elisa Hapke, Stephanie Meyer, Nina Schäfer, Tina Trinks, Christian Wansing

Internet: Henrik Greger, Christian Klassen

Fotografie: Alexander Gräff, Maiko Henning, Fabian Stürtz

Ausbildung: Kathrin Mohr

Website: www.meins-magazin.de

Erscheinungsweise: vierteljährlich

51StaatsKunstInhalt50

Page 27: meins-magazin Heft 4 ǀ Ausgabe 01/09

Während des Wahlkampfs hat Barack Obama eine Menge versprochen. Hin und wieder hat er den Kurs gewechselt, oft ist er aber auch standhaft geblieben. Das Wahlversprechen Obamas, das die Medien momentan am Meisten beschäftigt, ist wohl die Schließung des Gefangenenlag-ers Guantanamo und die damit zusam-menhängende Aufnahme der Gefangenen in Exilen, z.B. in Deutschland. Hier blieb der 47-Jährige von Beginn an seiner Linie treu. So können zum Beispiel gerade in der aktuellen Diskussion erste Ergebnisse belegt werden. Die Verlegung der Gerichtsverhand-lungen von Kuba nach Amerika, die mit der Schließung des Lagers durchgeführt werden soll, verhilft den Häftlingen hoffentlich zu einem fairen Prozess, der, wenn nicht durch die amerikanischen Gesetze, wenigstens durch eine höhere Aufmerksamkeit der Meiden garantiert werden könnte. Aber auch der Irak Krieg wird heiß diskutiert. Ursprünglich forderte der ehemalige Senator aus Illinois einen schnellen und kompletten Rückzug aus dem Irak. Mittlerweile ist der promovierte Jurist ein wenig besonnener geworden und möchte die Truppen “Brigade für Brigade” abziehen. Allerdings will er einige US-Amerikanische Soldaten im Land lassen, um den Terrorismus zu bekämpfen. Auch wenn Obamas Chefstratege David Axelrod beteuerte, der “President-elect” sei nicht von seinem ehemaligen Kurs abgerückt, ist das lediglich ein Versuch die Aufweichung der bisher harten Haltung zu überdecken. Seine Irakpolitik, so hofft jeden-falls Obama, soll die irakische Regierung dazu zwingen, Eigeninitiative zu überneh-men und einen großen Anteil der Einnahmen

durch den Ölexport in die Entwicklung des Landes zu investieren. Die Wirtschaftskrise, welche die gesamte Welt erschüttert, ging natürlich auch nicht unbemerkt am Wahlkampf vorüber. Doch weder der neue Präsident, noch sein repub-likanischer Gegner, John McCain, konnten während des Wahlkampfs Lösungsansätze benennen. Beide erklärten die Finanzkrise lediglich zur Priorität. Zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation jedoch, findet man einen relativ konkreten Plan Obamas. So sollen nicht nur die Steuern für die weniger Verdienenden, Rentner, Hausbesitzer und für kleinere Unternehmen gesenkt wer-den, sondern es sollen auch neue Märkte erschlossen werden, um die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln. Finanziert werden sollen die Steuersenkungen durch höhere Abgaben der Wohlhabenderen. Welche neuen Märkte nun genau eröffnet werden sollen, wird leider nicht erwähnt. Auch wenn Obamas politische Ziele größtenteils dem zentralen Flügel der Demokraten zu zuord-nen sind, so würde ihre Umsetzung doch eine höhere soziale Gerechtigkeit in den USA bedeuten. Zum ersten Mal in Amerikas Geschichte hat Obama den Plan, die Krank-enversicherung auf fast alle Amerikaner auszudehnen, gar eine öffentliche Kasse einzurichten, die kleinere Unternehmen bei der Deckung der Gesundheitskosten unterstützen soll. Außerdem versprach er, dass alle Kinder einen Versicherungsschutz erhalten. Insgesamt wird die Gesundheitsre-form auf 65 Milliarden Dollar dotiert. In der Grenzpolitik scheint des neuen Präsidenten Linie auf den ersten Blick etwas inkonsequent. Die

Grenzen nach Mexiko sollen zwar geschlossen und Gelder für neue Infrastrukturen und Personalien bereitgestellt werden: die illegalen Einwanderer hingegen, die sich bereits im Land befinden, sollen die Chance bekommen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, Arbeit aufzunehmen, einen Führerschein zu machen und somit ihren Status zu legalisieren. Auf den zweiten Blick bemerkt man jedoch, dass das System langfristig die Zahl der Illegalen drastisch reduzieren und somit die wirtschaftliche Kraft der Amerikaner bestärken könnte. Ein weiteres sehr sozialdemokratisches Wahlversprechen haben Obama und sein Vize-Präsident Joe Biden in Hinsicht auf die Bildungspolitik gemacht. Weitere 15 Milliarden Dollar sollen hier von staatlicher Seite für Frühförderung investiert werden. Die Bildungschancen für Kinder aus sozial schwächeren Familien sollen erhöht werden, Collegestudenten, die eine ehrenamtliche Arbeit übernehmen, ob in Altersheimen oder in Kindergärten, sollen keine Studienge-bühren mehr bezahlen müssen. Der Punkt im Wahlkampf, in dem sich Obama und sein Kontrahent immer gegenseitig für ihre gemeinsame Ansicht beglückwünschten, war die Klimapolitik. Hier forderten beide Präsidentschaftskandi-daten eine baldige Unabhängigkeit der USA von ausländischer Stromversorgung und Ressourcen. Barack Obama möchte 150 Milliarden innerhalb der nächsten zehn Jahre in die Entwicklung regenerativer Energien stecken, um Deutschland, das in diesem Bereich immer noch an der Weltspitze steht, abzulösen. Weiterhin soll der Ölverbrauch

Did change happen?

bis 2035 um 35% gesenkt werden. Gleichzeitig möchte Obama den Bau der Alaska Pipeline so schnell wie möglich beendet sehen. Atom-kraft schließt der gebürtige Hawaiianer nicht aus, weist aber ausdrücklich auf die Risiken hin. Der Punkt den die meisten Umweltlieb-haber wohl am meisten begrüßen werden, ist die von Obama geplante Unterzeichnung des Kyoto Protokolls, die die US-Regierung unter Bush bisher immer verweigert hatte.

Vor allem die Demokraten des linken Flügels sind von Obamas Politik enttäuscht. Sie hatten sich noch mehr soziale Gerechtigkeit, mehr linke Themen versprochen. Vermutlich geriet der 47-Jährige gerade auch wegen seiner Ansicht zur Todesstrafe in die Kritik. Jene, die vor dem Wahlkampf hofften, er würde im Falle eines Sieges die Todesstrafe abschaffen, mussten sich enttäuscht sehen. So möchte der Vater zweier Töchter die Ausübung der Todesstrafe zwar auf sehr schwerwiegende Fälle einschränken und nennt als Beispiele Vergewaltigung oder Mord, doch für eine völlige Abschaffung ist er nicht.

Insgesamt hat der objektive Beobachter während des Wahlkampfs das Gefühl vermittelt bekommen, Barack Obama würde sehr oft seine Ziele ändern. Nicht nur in der Irak-Politik wurde seine Ansicht relativ

schnell seichter. Seine Mei- nung bezüglich der Ölboh- rungen vor der US-amerika-nischen Küste drehte sich um 90° von einem klaren “Nein” zu einem “Ja, aber nur unter der Bedingung, dass...”. Natürlich griffen seine politischen Gegner diese beiden Themen sofort auf, um Obama als “Wende-hals” darzustellen. Dieser wehrte sich gegen die Vorwürfe ziemlich gelassen. Es sei keine Veränderung seiner Meinung, wenn er “(s)eine Politik weiterentwickle”. Doch nicht nur dafür, dass er “seine Meinung immer wieder anpasse” wurde er in der amerikanischen Öffentlichkeit häufig kritisiert. Vor allem während der James Wright- Affäre, als er sich zunächst hinter die vor allem antirassistischen, aber auch antipatriotischen Äußerungen des Pastors gestellt hatte, der ihn und seine Frau getraut und seine Kinder getauft hatte, hat er von vielen Seiten Tadel einstecken müssen. Nichtsdestotrotz gewann Barack Obama am 4. November 2008 die Wahl zum Präsi-denten der Vereinigten Staaten von Amerika nach dem teuersten Wahlkampf der ameri-kanischen Geschichte. Ob dieser Tag positiv oder negativ in die Geschichte eingeht, wird selbige zeigen müssen.

Man kann jedenfalls gespannt sein, ob und was sich im ehemals mächtigsten Land der Welt verändern wird. Viele versprechen sich von der wesentlich liberaleren Re-gierung nicht nur soziale Verbesserungen, sondern auch ein Aufbrechen festgefahrener gesellschaftlicher Ansichten. So spricht sich die Regierung Obama auch für die Anerkennung der “Glaubensfreiheit” von

Atheisten aus. Homosexualität ist kein Tabu-Thema mehr, sondern könnte endlich auch öffentlich toleriert werden. Die Prob-leme, die der frisch gebackene Präsident vermutlich bekommen wird, sind vor allem von finanzieller Natur. Die Investitionen, die er gleichzeitig mit Steuersenkungen versprochen hat, erscheinen illusorisch. Fast überall möchte Barack Obama Gelder hinein fließen lassen. Woher er sie genau nehmen wird, ist noch unbekannt. Aber auch der Nimbus der ihn umgibt, wird eines nicht all zu fernen Tages von ihm abfallen. Barack Obama hat seinen Wahlkampf zu 75% auf sein Charisma aufgebaut. Seine inhaltlichen Ziele waren, man muss es offen sagen, oft eher populistischer Natur. Was passiert aber, wenn bildlich gesprochen, das Cape des Superhelden Obamas abfällt und eine Hühnerbrust präsentiert? Noch versucht der Präsident alles, um die Amerikaner an das bestehende Bild zu fesseln. Auf seiner neuen Homepage “change.gov”, hat jeder amerikanische Bürger die Chance eigene Vorschläge zur Zukunft des Landes zu unterbreiten. Inwiefern diese umgesetzt werden können, beziehungsweise über-haupt wahrgenommen werden, bleibt ein Geheimnis. Eines ist jedoch klar. Die Wahl Barack Obamas zum neuen Präsidenten hat nicht nur Amerika Grund zur Hoffnung auf Besserung gegeben. Auch die Welt ist aufgeschreckt und drückt jetzt die Daumen, dass hinter dem amerikanischen Traum, unter dem roten Cape doch mehr steckt als ein hühnerbrüstiger Superheld.

Wenn dieser Artikel erscheint, ist Barack Obama bereits seit einem Monat im Amt. Diese Zeilen sollen eine Hilfe sein, das Handeln des neuen US-Präsidenten besser beurteilen zu können. Sie sollen in Erinnerung rufen, was er ver-sprochen hat, damit ein Blick in die Tageszeitung genügt, um zu überprüfen, was er gehalten hat. Dies sind Obamas Wahlversprechen und die Hoffnung der Amerikaner.

Simeon Buß

53StaatsKunstStaatsKunt52