Meniskus-Allograft-Transplantation - Klinische Erfahrungen mit über 80 Fällen

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WISSENSCHAFTLICHER BEITRAG Meniskus-Allograft- Transplantation – Klinische Erfahrungen mit uber 80 F allen Florian Dirisamer, Christian Patsch, Josef Hochreiter Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Abteilung fu ¨r Orthopa ¨die, Linz, Osterreich Eingegangen am 21. Dezember 2011; akzeptiert am 22. Ma ¨rz 2012 Die Behandlung von Meniskusla ¨sio- nen stellt unvera ¨ndert die ha ¨ufigste Indikation fu ¨r Kniegelenkeingriffe dar [3]. Die Bedeutung des Meniskus fu ¨r die Biomechanik des Kniegelenkes als Stoßda ¨mpfer, Stabilisator und Lastu ¨bertra ¨ger, aber auch zum Kon- gruenzausgleich zwischen femoraler und tibialer Gelenkfla ¨che ist schon lange bekannt. In der modernen Me- niskuschirurgie hat die fru ¨her groß- zu ¨gig eingesetzte offene Meniskekto- mie kaum mehr Bedeutung. Wir be- scha ¨ftigen uns heute mit Techniken zum Meniskuserhalt wann immer mo ¨glich. Aktuelle Trends in der Me- niskuschirurgie bescha ¨ftigen sich mit der Ausdehnung der Repair-Techni- ken, auch auf schlechter durchblutete Meniskuszonen und komplexere Riss- formen. So konnten die Indikationen zum Meniskuserhalt kontinuierlich erweitert werden [2,7,8,12,13]. Ist jedoch eine Meniskusresektion unumga ¨nglich, fu ¨hrt dieser Verlust von Meniskusgewebe unweigerlich zu degenerativen Vera ¨nderungen am Kniegelenk und stellt – in Abha ¨n- gigkeit vom Ausmaß des funktio- nellen Meniskusverlustes – mitunter eine biomechanische Katastrophe fu ¨r das Gelenk dar. Der natu ¨ rliche Verlauf des meniskektomierten Knie- gelenks wurde bereits im Jahr 1948 von Fairbank beschrieben [6]. Aufgrund dieser Umsta ¨nde ist es naheliegend, sich mit der Transplan- tation eines Meniskus zur Rekon- struktion der Gelenkbiomechanik zu bescha ¨ftigen. Erste Versuche rei- chen in die 1970er Jahre zuru ¨ ck. Die erste freie Meniskustransplantation wurde 1984 von Milachowski und Wirth durchgefu ¨hrt [10,18]. Mittler- weile ko ¨ nnen wir in der Literatur auf klinische Daten aus u ¨ber 25 Jahren MTX zuru ¨ ckgreifen [15,26]. Die kommerziell erha ¨ltlichen Menis- kusimplantate stellen derzeit keine Alternative zum homologen Trans- plantat dar. Sie wurden fu ¨r den seg- mentalen Meniskusersatz entwickelt und sind daher bei subtotal fehlen- dem Meniskus ungeeignet. Daru ¨ber hinaus sind die mechanischen Eigen- schaften der Implantate aufgrund der fehlenden dreidimensionalen Ar- chitektur den homologen Transplan- taten unterlegen. Bei Varus- oder Valgusdeformita ¨t kommen bei uni- kompartimenteller U ¨ berlastung Kor- rekturosteotomien zur Anwendung. Im achsneutralen Knie mit sympto- matischem meniskusdefizienten Kompartiment sind Osteotomien keine Alternative. Indikation Die homologe Meniskustransplanta- tion kommt fu ¨r Patienten mit Postmeniskektomiesydrom in Frage. Zusammenfassung Die homologe Meniskustransplantation (MTX) ist eine etablierte Methode zur Be- handlung des Postmeniskektomiesyndroms. Zwischen 03/2005 und 11/2011 wurden an unserer Abteilung 81 Transplantationen (55 medial, 26 lateral) durchgefuhrt. Bei 50,5% der Falle waren Zusatzeingriffe (HTO, ACL, DFO, OATS) erforderlich. Die Revisionsrate liegt bei 14,8%. Der Lysholm Score der Pa- tientengruppe mit einem Mindest-Follow-up von 12 Monaten (n = 61) entwickelte sich von pr aoperativ 43 uber 84 (12 Monate), 83 (24 Monate), 81 (36 Monate) auf 69 Punkte nach 48 Monaten. Auch die Kniefunktion (Tegner Activity Level) konnte deutlich ge- steigert werden (praoperativ 4,36 Monate 6-7). Aufgrund dieser ermutigenden Ergeb- nisse hat die MTX auch zukunftig ihren fixen Stellenwert in der rekonstruktiven Kniechirur- gie unserer Abteilung. Im Sinne der Weiter- entwicklung der Methode wird an einer Um- stellung der OP-Technik in eine rein arthros- kopische gearbeitet. Schlusselworter Meniskus – Allograft – Transplantation – Homo- log – Postmeniskektomiesyndrom F. Dirisamer et al. Meniscus Allograft Transplantation – Clinical Experience with more than 80 cases Summary Meniscus allograft transplantation (MTX) is a well established method to treat postmenis- cectomy syndrome. Between 03/2005 and 11/2011 we did 81 transplantations (55 medial, 26 lateral). In 50,5% of cases we performed combined procedures such as HTO, ACL reconstruction, DFO and OATS. The revision rate was 14,8%. The Lysholm Score (minimum follow up 12 months, n = 61) raised from 43 preoperatively via 84 (12 months), 83 (24 months), 81 (36 months) to 69 after 48 months. Knee function (Tegner activity scale) was improved from preoperatively 4 to 6-7 after 36 months. These results are encourageing and make us going on with meniscus allograft trans- plantation. Currently we are working on the conversion to an arthroscopic technique. Keywords Meniscus – Transplantation – Allograft – Post- meniscectomy Syndrome Orthopadie Traumatologie SportOrthoTrauma 28, 87–93 (2012) Elsevier – Urban&Fischer www.elsevier.de/SportOrthoTrauma http://dx.doi.org/10.1016/j.orthtr.2012.03.003 F. Dirisamer et al. Meniskus-Allograft-Transplantation – Klinische Erfahrungen mit uber 80 Fallen 87 WISSENSCHAFTLICHER BEITRAG

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Zusammenfassung

Die homologe Meniskustransplantation(MTX) ist eine etablierte Methode zur Be-handlung des Postmeniskektomiesyndroms.Zwischen 03/2005 und 11/2011 wurden anunserer Abteilung 81 Transplantationen (55medial, 26 lateral) durchgef€uhrt. Bei 50,5%der F€alle waren Zusatzeingriffe (HTO, ACL,DFO, OATS) erforderlich. Die Revisionsrateliegt bei 14,8%. Der Lysholm Score der Pa-tientengruppe mit einem Mindest-Follow-upvon 12 Monaten (n = 61) entwickelte sichvon pr€aoperativ 43 €uber 84 (12 Monate), 83(24 Monate), 81 (36 Monate) auf 69 Punktenach 48 Monaten. Auch die Kniefunktion(Tegner Activity Level) konnte deutlich ge-steigert werden (pr€aoperativ 4,36 Monate6-7). Aufgrund dieser ermutigenden Ergeb-nisse hat die MTX auch zuk€unftig ihren fixenStellenwert in der rekonstruktiven Kniechirur-gie unserer Abteilung. Im Sinne der Weiter-entwicklung der Methode wird an einer Um-stellung der OP-Technik in eine rein arthros-kopische gearbeitet.

Schl€usselw€orterMeniskus– Allograft– Transplantation– Homo-log– Postmeniskektomiesyndrom

F. Dirisamer et al.

Meniscus AllograftTransplantation – ClinicalExperience with more than 80cases

Summary

Meniscus allograft transplantation (MTX) is awell established method to treat postmenis-cectomy syndrome. Between 03/2005 and11/2011 we did 81 transplantations (55medial, 26 lateral). In 50,5% of cases weperformed combined procedures such asHTO, ACL reconstruction, DFO and OATS.The revision rate was 14,8%. The LysholmScore (minimum follow up 12 months,n = 61) raised from 43 preoperatively via84 (12 months), 83 (24 months), 81 (36months) to 69after 48months. Knee function(Tegner activity scale) was improved frompreoperatively 4 to 6-7 after 36 months.These results are encourageing and makeus going on with meniscus allograft trans-plantation. Currently we are working on theconversion to an arthroscopic technique.

KeywordsMeniscus– Transplantation– Allograft– Post-meniscectomy Syndrome

Orthop€adieTraumatologie

SportOrthoTrauma 28, 87–93 (2012)Elsevier – Urban&Fischer

www.elsevier.de/SportOrthoTraumahttp://dx.doi.org/10.1016/j.orthtr.2012.03.003

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WISSENSCHAFTLICHER BEITRAG

Meniskus-Allograft-Transplantation – KlinischeErfahrungen mit €uber 80 F€allen

Florian Dirisamer, Christian Patsch, Josef HochreiterKrankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Abteilung fur Orthopadie, Linz,€Osterreich

Eingegangen am 21. Dezember 2011; akzeptiert am 22. Marz 2012

Die Behandlung von Meniskuslasio- naheliegend, sich mit der Transplan-

nen stellt unverandert die haufigsteIndikation fur Kniegelenkeingriffedar [3]. Die Bedeutung des Meniskusfur dieBiomechanik des Kniegelenkesals Stoßdampfer, Stabilisator undLastubertrager, aber auch zum Kon-gruenzausgleich zwischen femoralerund tibialer Gelenkflache ist schonlange bekannt. In der modernen Me-niskuschirurgie hat die fruher groß-zugig eingesetzte offeneMeniskekto-mie kaum mehr Bedeutung. Wir be-schaftigen uns heute mit Technikenzum Meniskuserhalt wann immermoglich. Aktuelle Trends in der Me-niskuschirurgie beschaftigen sichmitder Ausdehnung der Repair-Techni-ken, auchauf schlechter durchbluteteMeniskuszonen und komplexere Riss-formen. So konnten die Indikationenzum Meniskuserhalt kontinuierlicherweitert werden [2,7,8,12,13].Ist jedoch eine Meniskusresektionunumganglich, fuhrt dieser Verlustvon Meniskusgewebe unweigerlichzu degenerativen Veranderungenam Kniegelenk und stellt – in Abhan-gigkeit vom Ausmaß des funktio-nellen Meniskusverlustes – mituntereine biomechanische Katastrophefur das Gelenk dar. Der naturlicheVerlauf des meniskektomierten Knie-gelenks wurde bereits im Jahr 1948von Fairbank beschrieben [6].Aufgrund dieser Umstande ist es

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tation eines Meniskus zur Rekon-struktion der Gelenkbiomechanikzu beschaftigen. Erste Versuche rei-chen in die 1970er Jahre zuruck. Dieerste freie Meniskustransplantationwurde 1984 von Milachowski undWirth durchgefuhrt [10,18]. Mittler-weile konnen wir in der Literatur aufklinische Daten aus uber 25 JahrenMTX zuruckgreifen [15,26].Die kommerziell erhaltlichen Menis-kusimplantate stellen derzeit keineAlternative zum homologen Trans-plantat dar. Sie wurden fur den seg-mentalen Meniskusersatz entwickeltund sind daher bei subtotal fehlen-dem Meniskus ungeeignet. Daruberhinaus sind die mechanischen Eigen-schaften der Implantate aufgrundder fehlenden dreidimensionalen Ar-chitektur den homologen Transplan-taten unterlegen. Bei Varus- oderValgusdeformitat kommen bei uni-kompartimenteller Uberlastung Kor-rekturosteotomien zur Anwendung.Im achsneutralen Knie mit sympto-matischem meniskusdefizientenKompartiment sind Osteotomienkeine Alternative.

Indikation

Die homologe Meniskustransplanta-tion kommt fur Patienten mitPostmeniskektomiesydrom in Frage.

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Darunter versteht man den unicom-partimentellen Kniegelenkschmerzin einem achsneutralen und band-stabilen Kniegelenk ohne wesentli-che Knorpelschadigung (Outerbrid-ge Gr. 28), aber mit funktionellemMeniskusverlust. Ein Meniskus giltals funktionell fehlend, sobald seineRingstruktur nicht mehr intakt istund er die axialen Krafte nichtmehr aufnehmen kann. Das tatsach-liche Ausmaß des Meniskusverlustesist dabei sekundar. Allenfalls beste-hende Begleitpathologien (Achsde-viation, Instabilitat) mussen mit-korrigiert werden. Eine Erweiterungder Indikation in Richtung einerprophylaktischen Transplantationbei jungen Patienten wird derzeitdiskutiert. Aus unserer Sicht gibtes hierzu aufgrund der oft schnelleinsetzenden degenerativen Veran-derungen und eingeschrankter Al-ternativen, vor allem im lateralenKompartiment gute Argumente [9].Als Kontraindikation gelten allge-mein entzundliche Gelenkerkran-kungen, synoviale Erkrankungen(z. B. villonodulare Synovitis), Im-munschwache sowie Zustand nachGelenkinfekt. Die praoperative Diag-nostik umfasst standardmaßig daskonventionelle Rontgen ap/seitlichsowie eine Ganzbeinstandaufnahme.Eine MRT ist ebenso obligatorisch,bei Grenzindikationen kann einediagnostische Arthroskopie notwen-dig sein.

Abbildung 1Zugerichtetes Fresh-Frozen-Transplantat f€ur mediale MTX; das Hinterhorn wurde miteinem nicht resorbierbaren Faden armiert.

Das Transplantat

Im Allgemeinen haben sich Fresh-Frozen-Transplantate, die wir aus-schließlich verwenden, gegenuberso genannten Viable-Allograftsdurchgesetzt [11,23]. Das Proces-sing jedes Transplantates ist im eu-ropaischen Gewebesicherheitsge-setz geregelt und orientiert sich anden Guidelines der American Asso-ciation of Tissue Banks [19]. Wir

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beziehen unsere Grafts zu 100%aus einer zertifizierten europaischenGewebebank. Die im osterreichi-schen Gewebesicherheitsgesetz gel-tenden Bestimmungen bei Organ-bzw. Gewebetransplantation, wiezum Beispiel die exakte Dokumenta-tion des Eingriffes, stellen die Nach-vollziehbarkeit der Herkunft und desendgultigen Verbleibs jedes Spen-derorgans sicher.Das Einwachsen der Transplantateist in der Literatur eindeutig belegt.So konnte in einer histologischenUntersuchung gezeigt werden, dass64 Monate nach Transplantation nurnoch Reste der Spender-DNA im Me-niskusgewebe nachweisbar sind,dass aber 95% der Zellen Empfan-ger-DNA enthalten. Die Besiedelungder Transplantate erfolgt aus der Sy-novia. Die Repopularisation findetan der Meniskusoberflache statt,wahrend der Transplantatkern zell-frei bleibt. Die eingewanderten Zel-len sind auch zur Kollagensyntheseimstande [1,15] (Abb. 1).Immunhistologische Untersuchun-gen zeigten, dass sehr wohl eineImmunreaktion gegen das Trans-plantat stattfindet, diese allerdingsnicht einer Abstoßungsreaktionentspricht. Die Starke dieser Im-

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munreaktion korreliert nicht mitdem klinischen Ergebnis. Ein HLA-Matching von Spender und Empfan-ger ist deshalb nicht erforderlich[3].Fur die biomechanische Funktion istein Großenmatching allerdings es-sentiell. In der Literatur sind dazuunterschiedliche Methoden be-schrieben. Die in den USA teils an-gewandte Großenbestimmung an-hand von Korpergroße und Ge-schlecht erscheint uns hierungenugend. Wir fuhren die Großen-bestimmung anhand der praoperati-ven MR-Untersuchung exakt durch,bei anatomisch schwierigen Verhalt-nissen empfiehlt sich die Großenbe-stimmung anhand der MR-Bilder dergesunden Gegenseite [4,14,16,24].Kompromisse bei der Transplantat-große bedeutet gleichsam biome-chanische Kompromisse in Kauf zunehmen, was nicht akzeptiert wer-den kann.

Operationstechnik

Die Meniskustransplantation wird beiuns uber eine Miniarthrotomie ar-throskopisch assistiert durchgefuhrt.Fur die laterale Transplantation wird

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Abbildung 2Intraoperatives Bild; laterale MTX 9 Monate postoperativ; vollst€andig eingeheiltesTransplantat.

Tabelle 1. Die Fallubersicht zeigt denhohen Anteil an Kombinationseingriffen.

Isolierte mediale MTX 19 (23,5%)Isolierte laterale MTX 22 (27,2%)Mediale MTX + HTO 23 (28,4%)Laterale MTX + DFO 1 (1,2%)Mediale MTX + ACL 13 (16%)Laterale MTX + ACL 2 (2,5%)Mediale MTX + HTO + ACL 1 (1,2%)Mediale MTX + OATS 1 (1,2%)

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eine Knochenblocktechnik angewen-det. Dabei wird das Transplantat sozugerichtet, dass sowohl das Vorder-als auch das Hinterhorn einen ge-meinsamen Knochenblock in einerGroße von etwa 2,5 x 0,8 x 0,8 cmfixiert bleiben. Korrespondierend zudiesem Knochenblock wird ein Bettam Tibiaplateau prapariert, in das derKnochenblock einpasst und uber ei-nen transtibial ausgeleiteten Fadenfixiert wird. Um eine Schwachung derventralen Tibiacorticalis zu vermei-den, wenden wir keine klassischeKeyhole-Technik an. Die Weichteilfi-xierung des Transplantates erfolgtarthroskopisch in All-inside-Technik,bzw. Outside-in im Vorderhornbe-reich (Abb. 2).Medial wenden wir eine modifizierteWeichteilfixation an. Nach Lokalisie-rung der anatomischen Hinterhorn-wurzel wird transtibial ein Kirschner-draht ebendort platziert. Das miteinem nicht resorbierbaren Fadenangeschlungene Hinterhorn wirduber diesen Bohrkanal tibial mit ei-nem knotenlosen Anker fixiert. Inunserer ersten Serie (bis 07/08) wur-den die freien Enden des Armie-rungsfadens uber eine tibiale Kno-chenbrucke verknotet. Die Vorder-

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hornwurzel wird mit einemNahtanker ebenfalls anatomisch fi-xiert. Um eine Subluxation des Vor-derhorns wahrend der Einheilungs-phase zu verhindern, wird im Vorder-hornbereich meist noch ein zweiterNahtanker gesetzt. Die weitereWeichteilfixation erfolgt analogzum lateralen Kompartiment[17,20,21,25] (Abb. 3).

Patientenkollektiv

Im Zeitraum zwischen 03/2005 und11/2011 wurden an unserer Abtei-lung insgesamt 81 homologe Menis-kustransplantationen bei 80 Patien-ten durchgefuhrt. Die Eingriffe wur-den von zwei Chirurgen (F.D., C.P.)durchgefuhrt. Das Durchschnittsal-ter unseres Patientenkollektivs be-tragt 40 Jahre (14-57). Wir konnenauf ein durchschnittliches Follow-upvon 45,4 Monaten zuruckblicken, 61Patienten haben ein Mindest-Fol-low-up von 12 Monaten. Es wurde55 Mal der mediale und 26 Mal derlaterale Meniskus ersetzt. Das Fall-profil ist in Tabelle 1 detailliertdargestellt.

eniskus-Allograft-Transplantation – Klinische

Komplikationen und Revisionen

Die Gesamtrevisionsrate in unsererSerie liegt bei 14,8%. Es waren sechsarthroskopischeRefixationen bei par-tieller Transplantatintegration erfor-derlich. Dabei wurden jeweils ein biszwei Nahte in All-inside-Technik ge-setzt. Die Transplantate konnten da-bei zu 100% erhalten werden. Einmalwar eine partielle Meniskektomie auf-grund einer traumatischen Trans-plantatruptur drei Jahre postoperativerforderlich. Aufgrund mangelnderEinheilung musste ein Transplantatkomplett reseziert werden, in einemFall wurde eine Re-MTX nach trauma-tischer Transplantatreruptur 4,5Jahre nach Ersttransplantationdurchgefuhrt. Bei zwei Patientenwar leider die Konversion in eineKnietotalendoprothese erforderlich.In beiden Fallen lag als Ausgangs-befund eine Salvage-Situation vor.Es trat eine postoperative Infektionauf, eine Kontamination des Trans-plantates konnte dabei ausgeschlos-sen werden. AllgemeinchirurgischeKomplikationen wie Nachblutungoder Beinvenenthrombose haben wirnicht beobachtet. Die Gesamtuberle-bensrate der Transplantate betragt inunserem Kollektiv aktuell 97,5% bzw.96,7% in der Patientengruppe miteinem Mindest-Follow-up von 12 Mo-naten. Es ist anzumerken, dass siebenvon elf Revisionen bei Patienten ausunserer ersten Patientenserie stam-men und wahrscheinlich durch

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Abbildung 3Intraoperatives Bild; oben: Ausgangsbefund mit v€ollig fehlendem Hinterhorn des me-dialen Meniskus (=funktioneller Meniskusverlust); unten: Endergebnis nach medialer MTX(gleicher Patient).

Abbildung 4Intraoperatives Bild; 3 Monate nach medialer MTX, vollst€andig eingeheiltes Transplantat.

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OP-technische Probleme im Rahmender Lernkurve bedingt sind. EinenEinfluss etwaiger Kombinationsein-griffe auf die Revisionsrate konntenwir nicht feststellen (Abb. 4 und 5).

Klinische Ergebnisse

Der Lysholm Score des Gesamtkollek-tivs mit einem Mindest-Follow-upvon 12 Monaten betrug praoperativdurchschnittlich 43 Punkte und ent-wickelte sich uber 84 Punkte nach 12Monaten (N = 61), 83 Punkte nach24 Monaten (N = 46), 81 Punktenach 36 Monaten (N = 42) auf 69Punkte nach 48 Monaten (N = 31).Das Absinken des Lysholm Scoresnach 48 Monaten fuhren wir auf un-sere Lernkurve zuruck. Bei der Ana-lyse der Subgruppen isoliertemedialeMTX, mediale MTX mit HTO und iso-lierte laterale MTX zeigten sich nurminimale Unterschiede zwischen denSubgruppen, auffallig jedoch eintendenziell besseres Abschneidender Patienten in der HTO-Gruppebei schlechterem Ausgangsscore(praoperativ 38, 86 nach 36 Mona-ten). Der Tegner Activity Level konn-te von praoperativ durchschnittlichvier auf sechs bis sieben postoperativnach 36 Monaten gesteigert werden.Im Aktivitatsniveau zeigen sich

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Abbildung 5Intraoperatives Bild; 12 Monate nach medialer MTX, vollst€andig eingeheiltes Transplantat, der Meniskus zeigt makroskopisch keineDegeneration, keine Schrumpfung (gleicher Patient wie bei Abb. 4).

Abbildung 6Lysholm Score gesamt (FU mind. 12 Monate).

WISSENSCHAFTLICHER BEITRAG

keine relevanten Unterschiedezwischen den Subgruppen (Abb. 6und 7).

Diskussion

Die homologe MTX ist eine geeigneteMethode zur Behandlung des Post-meniskektomiesyndroms. Dies zeig-ten mehr als 1000 in wissenschaft-lichen Arbeiten dokumentierte Falle.Es gelingt durch diese Methode mit-tel- bis langerfristig einerseits die

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Kniegelenkfunktion zu verbessernund andererseits Schmerz zu redu-zieren. Die Frage der Arthroseprotek-tion kann weder in der Literatur nochaus unserer Serie heraus eindeutigbeantwortet werden. Der praopera-tive Knorpelstatus scheint dabei in-teressanterweise nicht die aus-schlaggebende Große zu sein [22].Es durfte allerdings der praoperativbestehende Schmerz – wahrschein-lich als Zeichen der Aktivitat desdegenerativen Prozesses – eine Rolle

eniskus-Allograft-Transplantation – Klinische

spielen. Wir konnen in unserer Serieahnliche Trends beobachten, einegenaue Analyse und Vergleich derErgebnisse von Salvage-Fallen mitIdealindikationen ist aufgrund derzu geringen Fallzahl an Pra-Arthro-segelenken allerdings nicht mog-lich. Wir empfehlen die MTX aberauf die Anwendung beim kaum de-generativen Gelenk (bis Chondropa-thie II8) zu beschranken. Bei Pa-tienten mit Varusfehlstellungenkonnen in Kombination mit einerHTO hohergradige Knorpelschaden(bis III8) akzeptiert werden, wobeianzunehmen ist, dass der Hauptan-teil der klinischen Verbesserung beider Achskorrektur zu suchen ist. DieAltersbeschrankung der Methodesehen wir wie so haufig sehr relativ.Bei Vorliegen von guten Rahmen-bedingungen bestehen selten auchbei uber 50-Jahrigen gute Moglich-keiten zum - zeitlich wahrscheinlichlimitierten - Gelenkerhalt mittelsMTX. Die grundsatzlichen Indikatio-nen gelten unabhangig vom Patien-tenalter und sind naturgemaß beijungeren Patienten haufiger erfullt.Die Methode ist definitiv keine Be-handlungsoption bei manifesterArthrose.Mit der von uns angewandten OP-Technik lassen sich erfreuliche

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Abbildung 7Tegner Score gesamt (FU mind. 12 Monate).

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Ergebnisse erreichen. Die exakteanatomische Verankerung ist hierfur die biomechanische Funktion ge-meinsam mit der Transplantatgroßeentscheidend. Im Sinne der Weiter-entwicklung – nicht aufgrund vonProblemen mit der OP-Technik –sind wir derzeit dabei, die Technikauf eine rein arthroskopische Metho-de umzustellen. Die mittlerweile ver-fugbaren Instrumentarien lassendiesen Schritt zu, ohne Abstrichebei Position oder Fixation in Kaufnehmen zu mussen. Wir erwartenuns davon eine weitere Verbesserungder klinischen Ergebnisse bei gleichguter oder sogar besserer Transplan-tatposition vor allem im Vorderhorn-bereich. Da beim arthroskopischenVorgehen die ventrale Kapsel nichtabgelost werden muss, konnte daseinen zusatzlichen prophylaktischenEffekt gegen eine Subluxationsten-denz des Vorderhorns haben. Ver-gleichende Daten dazu fehlen der-zeit allerdings noch.OP-technisch anspruchsvoll ist dieVerankerung des Transplantates andie Randleiste. Hier gilt es das rich-tige Maß zwischen ausreichend sta-bil und zu straff zu finden. Wir habengelernt, dass zu straff geknotete

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Nahte auch reißen und damit letzt-lich zu einer unzureichenden Inte-gration fuhren konnen. Es scheintwichtig zu sein, dem Transplantatein geringes Ausmaß an ,,Spiel‘‘ zulassen, damit es seine Positionfinden kann und Zwangskrafteauf die Nahte vermieden werden.Dieser Mechanismus durfte beiunseren Revisionen zu Grunde gele-gen haben. Unter Berucksichtigungdieser Uberlegung beobachten wireine deutlich geringere Rate anRefixationsindikationen.Die in der Metaanalyse von Elattaret al. [5] angegebene Komplikations-rate der homologen MTX liegt beidurchschnittlich 21,3%. Wir liegenmit 14,8% deutlich darunter. DieseZahlen erscheinen auf den erstenBlick recht hoch, sind jedoch mitden Komplikationsraten der Menis-kusrefixation vergleichbar [20]. Diehaufigsten in der Literatur angege-benen Revisionseingriffe sind wie beiuns Re-Arthroskopien bei partiellerIntegration oder Transplantatruptur.Die homologe MTX hat in unserenAugen einen festen Stellenwertim Portfolio der rekonstruktivenKniechirurgie. Prospektiv randomi-sierte Studien nach aktuellen

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wissenschaftlichen EBM-Kriteriensind derzeit allerdings nicht verfug-bar. Auch unsere prospektive Kohor-tenstudie hat hier deutliche Limita-tionen. Die methodologische Quali-tat der verfugbaren Studien,gemessen mit den Coleman metho-dological scores (CMS, mCMS) liegtallerdings auf einem Niveau mit ak-tuellen Knorpelstudien [5]. Prospek-tive Vergleichsstudien mit Kontroll-gruppe waren wunschenswert, sindaber in der Praxis kaum realisierbar.Die klinischen Daten rechtfertigenes nicht, einem symptomatischenPatienten nach Meniskusverlust dieMTX vorzuenthalten.

Interessenkonflikt

Der Autor erklart, dass kein Interes-senkonflikt vorliegt.

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Korrespondenzadresse:OA Dr. Florian DirisamerKrankenhaus der Barmherzigen SchwesternAbteilung fur Orthopadie,Seilerstraße 4, A-4010 LinzTel: +43 (0) 7327677-7136;Fax: +43 (0) 7327677-7135.E-Mail: [email protected]

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