Merit Order - Kommt das Strommarkt Design der Zukunft ohne Merit Order aus?

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Den Strommarkt umzubauen, ist eines der größten Aufgaben der nächsten Jahre. Da der Zielmarkt bislang noch nicht definiert wurde, fällt es den unterschiedlichen Akteuren schwer sich darauf vorzubereiten. Eine Angst, bei der es nicht nur Marktanteile, sondern auch um Investitionsschutz geht. “Das Regelungsgeflecht unseres Energiesystems ist so komplex dass man es nicht mehr durchschaut.” (Ferdi Schüth vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr gegenüber der FAZ ) Merit Order ist eines der wichtigsten Markt-Mechanismen, wenn es um den Handel mit Strom geht. Der Mechanismus war schon häufiger ein Thema (s.h. auch Merit-Order ) und beschreibt eigentlich nichts anderes als die Reihenfolge in der verschiedene Kraftwerke ans Netz gehen, bei einem bestimmten Gleichgewichtspreis. Vergleichbar mit dem Orderbuch an jeder anderen Börse. Bestimmte Verkäufer kommen zum Zuge bei einem bestimmten Preis, bis die Nachfrage gedeckt ist. Schwächen von Merit Order Merit Order funktioniert perfekt, wenn es keinerlei Preissensibilität auf der Seite der Nachfrage gibt. In diesem Falle werden alle Kraftwerke aktiviert, bis die zu erbringende Strommenge erreicht wird. Das Fehlen der Preissensibilität, also der Veränderung der Nachfrage je nach Preis, ist vielen verschiedenen Ursachen geschuldet. Zum einen bewegt sich elektrische Energie in Lichtgeschwindigkeit. Ähnlich müssten sich auch die Preise in Lichtgeschwindigkeit verändern können. Zudem wird rund 2/3 des Verbrauchs zu einem blog.stromhaltig.de Merit Order Kommt das Strommarkt Design der Zukunft ohne Merit Order aus? Fair-Pay Bitte unterstützen Sie den Autor durch eine kleine Aufmerksamkeit (ab 1 EUR):

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Den Strommarkt umzubauen, ist eines der größten Aufgaben der nächsten Jahre. Da der Zielmarkt bislang noch nicht definiert wurde, fällt es den unterschiedlichen Akteuren schwer sich darauf vorzubereiten. Eine Angst, bei der es nicht nur Marktanteile, sondern auch um Investitionsschutz geht.

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Den Strommarkt umzubauen, ist eines der größten Aufgaben

der nächsten Jahre. Da der Zielmarkt bislang noch nicht

definiert wurde, fällt es den unterschiedlichen Akteuren schwer

sich darauf vorzubereiten. Eine Angst, bei der es nicht nur

Marktanteile, sondern auch um Investitionsschutz geht.

“Das Regelungsgeflecht unseres Energiesystems ist so

komplex dass man es nicht mehr durchschaut.” (Ferdi

Schüth vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in

Mülheim/Ruhr gegenüber der FAZ)

Merit Order ist eines der wichtigsten Markt-Mechanismen,

wenn es um den Handel mit Strom geht. Der Mechanismus war

schon häufiger ein Thema (s.h. auch Merit-Order) und

beschreibt eigentlich nichts anderes als die Reihenfolge in der

verschiedene Kraftwerke ans Netz gehen, bei einem

bestimmten Gleichgewichtspreis. Vergleichbar mit dem

Orderbuch an jeder anderen Börse. Bestimmte Verkäufer

kommen zum Zuge bei einem bestimmten Preis, bis die

Nachfrage gedeckt ist.

Schwächen von Merit Order Merit Order funktioniert perfekt, wenn es keinerlei

Preissensibilität auf der Seite der Nachfrage gibt. In diesem

Falle werden alle Kraftwerke aktiviert, bis die zu erbringende

Strommenge erreicht wird. Das Fehlen der Preissensibilität,

also der Veränderung der Nachfrage je nach Preis, ist vielen

verschiedenen Ursachen geschuldet. Zum einen bewegt sich

elektrische Energie in Lichtgeschwindigkeit. Ähnlich müssten

sich auch die Preise in Lichtgeschwindigkeit verändern

können. Zudem wird rund 2/3 des Verbrauchs zu einem

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Fixpreis an private Haushalte und Kleinunternehmen

verkauft. Dieser unterscheidet die Merit Order auch von

einem Orderbuch an einer Börse, bei der eine sehr hohe

Preissensibilität und immer einen Gleichgewichtspreis – und

nicht wie im Falle von Strom auf der einen Seite einen

Angebotspreis und auf der anderen Seite einen

Bedarfsmenge an Energie – existiert.

Ein ebenfalls guter Einsatz hat Merit Order, wenn es um sehr

genau definierte Stromarten geht. Das Beispiel hierfür ist

die Regelleistung. Über eine Auktion kann jeder Anbieter von

Regelleistung am Vortag ein Gebot abgeben, zu welchem

Preis er welche Menge Regelleistung anbieten kann/will.

Wird diese Leistung benötigt, so wird zunächst der Anbieter

mit dem niedrigsten Preis verwendet usw… bis die Menge an

Energie vorhanden ist, die für die Regelleistung benötigt

wird.

System Dienste Strom, der aus der Steckdose kommt ist aber nicht nur

Regelleistung. Es sind immer System-Dienste mit dabei, die

keine Berücksichtigung bei den Auktionen mit dem Ergebnis

einer Merit-Order haben. Beispiele für diese Dienste sind die

Ausfallsicherheit, die Möglichkeit des Schwarzstartes, die

Spannungshaltung sowie sämtliche

Infrastrukturkomponenten des Stromnetzes (Leitungen,

Umspannstationen etc… etc…). Mit Hilfe von Merit-Order

kann also elektrische Energie gehandelt werden, die

Reihenfolge der Kraftwerksaktivierung bestimmt werden,

aber die System-Dienste müssen anders berücksichtigt

werden. So lange wie PV-Anlagen und Windkraft nur die Rolle

des System-Dienstes “Integration von Kleinanlagen”hatten,

wurde das EEG verwendet um diesen Dienst zu zahlen.

Netzentgelte sollen für eine Kostendeckung bei der

Basisinfrastruktur sorgen. Sehr interessant ist, dass sämtliche

Schwierigkeiten, die im Zuge der Energiewende die

Leitmedien und Online-Diskussionen füllen, aus dem Bereich

der System-Dienste stammt. Wer hat noch nicht den

Satz “Wenn der Wind nicht weht, und die Sonne untergegangen

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ist…” gehört? – Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen

war doch Aufgabe der Merit-Order? – Oder soll es doch ein

Systemdienst sein? Ein Marktdesign muss beide Varianten

integrieren.

Designvorschlag des VKU Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hatte Anfang

März 2013 das Ergebnis eines Gutachtens für das

Energiemarktdesign veröffentlicht. Dabei wurden einige

Eckpunkte herausgearbeitet:

ein Leistungsmarkt, über den derjenige, der

gesicherte Stromerzeugung (Kraftwerke, Speicher)

anbietet, zukünftig ein Entgelt für die Bereitstellung

erhält,

ein neues und wettbewerbliches Fördersystem für die

erneuerbaren Energien mit Hilfe

eines Auktionsverfahrens

sowie eine Neugestaltung

der Regulierungsbedingungen für die Stromnetze.

Der geringste Preis, zu dem an Anbieter etwas an den Markt

bringen kann, ist die Deckung der variablen Kosten

(=Deckungsbeitragsrechnung). Merit Order ist keine

Erfindung des Handels mit Erneuerbarer Energie. Es ist ein

Verfahren, welches im freien Energiehandel bereits

Jahrzehnte im Einsatz ist. Beim Vorschlag der VKU kommt

Merit Order allerdings nur noch im Bereich der Erneuerbaren

Energie vor. Bislang war es so, dass Strom aus EE deutlich

günstiger angeboten werden kann als Strom, bei dem ein

Rohstoff verbrannt werden muss (=variable Kosten). Der

fallende Börsenstrompreis in den letzten Jahren hatte als ein

Grund die unterschiedliche Verteilung von variablen und

fixen Kosten bei der Erzeugung. Ein Konkurrenzkampf,

welcher im Vorschlag des VKUs durch Aufteilung der

Schlachtfelder gelöst wird. Grünstrom soll nur noch mit

Grünstrom im Markt sich behaupten müssen. Der

beschriebene Leistungsmarkt stellt nichts anderes als eine

Zusammenfassung sämtlicher System-Dienste da und enthält

nun auch Graustromerzeugung. Wieso sollte man

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diesen Leistungsmarkt nun nicht nach den gleichen

Mechanismen laufen lassen, die auch in den 1970er Jahre

bereits funktioniert haben? – Niemand kann wohl behaupten,

dass das Stromnetz damals noch nicht sicher war. Bei den

aktuellen CO2-Zertifikatspreisen könnte das “Verrückte

Comeback der Braunkohle” welches die DPA am Samstag

meldete auch weiter bewundert werden.

Trennung von Grau- und Grünstrom wenig

hilfreich Nach meiner persönlichen Meinung hat der Vorschlag des

VKUs einen entscheidenden Designfehler, da es sich nicht um

Integration bemüht, sondern den Strommarkt teilt in zwei

Hälften. Werden die System-Dienste dem Leistungsmarkt

alleine zugeschrieben, dann sehe ich das Revival

des Kohlepfennigs unter dem Schlagwort “Systemrelevanz”. In

diesem Markt würde es nur noch wenig grün geben, obwohl

bereits heute einige Anbieter wichtige System-Dienste

übernehmen. Die aktuelle Liste der Regelleistungs-

anbieter führt das Next-Kraftwerk sowie die Clean Energy

Sourcing….

Bereits im Jahre 2011 hatten Dietmar Schütz und Björn Schütz

in ihrem Werk “Die Zukunft des Strommarktes – Anregungen

für den Weg zu 100 Prozent Erneuerbare Energien” (Pont

Press, ISBN: 978-3920328591) gefordert, dass es keine

Systemintegration sondern eine Systemtransformation

bedarf, bei der die Erneuerbaren Energieen gleichberechtigt

die System-Dienste erbringen sollen.

Alternativmodell: Merit Order auf Aggregationen Aktuelle Beispiele für Aggregationen sind die sogenannten

virtuellen Kraftwerke, bei denen aus verschiedenen

Erzeugungseinrichtungen ein Produkt geformt wird. Man

könnte sich allerdings auch vorstellen, dass eine Aggregation

nicht nur Erzeugung sondern auch Verbrauch beinhaltet. Am

ehesten vergleichbar mit dem aktuellen Modell der

Bilanzierungskreise. Im “Service Level” der Aggregation

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müssen in diesem Falle die Systemdienste bereits eingepreist

sein. Stadtwerke mit eigenem Verteilnetz könnten

Aggregationsanbieter sein. Wie hoch der Systemdienst der

bereits genannten Regelleistung sein muss, lässt sich aus der

vertikalen Last des Aggregators errechnen. Für den

Handel/Austausch von Strom zwischen den Aggregatoren

könnte dann wieder die Merit Order verwendet werden.

Dieses Modell hat einige Schwächen, die man getrennt

beleuchten müsste, da es die Übertragungsnetze nicht weiter

betrachtet. Offen ist auch, ob der Stromkunde dann noch

immer eine freie Anbieterwahl hätte, da die

Bilanzierungskreise ein natürliches Monopol in ihrem Gebiet

besitzen.

Kapazitätsmärkte mit dem Eigen(tum)strom Unter Kapazitätsmärkten bezeichnet man, den Handel mit

Kapazitäten im Gegensatz zum Handel mit Leistungen. Beim

Strommarkt wie wir ihn heute kennen, wird der Strom als

Verbrauchsmenge gehandelt. Dies führt zur Notwendigkeit

von Mechanismen wie die Merit Order. Bedenkt man den

Umstieg auf 100% erneuerbare Energie, dann wird bei der

Erzeugung von Strom kein Verbrauch geben. Könnte man

Kapazitäten als Eigentum kaufen, so würde ein sich selbst

optimierendes System entstehen. Lediglich die nicht durch

Eigentum gedeckten, aber beanspruchten, Kapazitäten

würden in diesem Modell auf einem Markt zu beziehen sein.

Ausführlich ist dies in den letzten 4 Kapiteln meines

BuchesEigenstrom (Epubli, ISBN: 978-3-8442-4389-5)

beschrieben.

Der Vorteil ist, dass eine für jeden Stromkunden theoretisch

eine eigene, individuelle Merit Order entsteht, die auf beiden

Seiten Strommengen hat. Eine Vermischung aus

Einstandspreis auf der einen Seite und Verbrauchsmengen

auf der anderen Seite würde es nicht mehr geben. Die

Systemdienste müssten ähnlich als Eigentumsrecht

erwerbbar sein.

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Fazit Merit Order wird es wohl auch noch in 10 Jahren geben, wenn

der Strommarkt nicht grundlegend restrukturiert wird. Wie

verhindert werden soll, dass Äpfel mit Birnen verglichen

werden bleibt allerdings ein zu lösendes Rätsel.

Fair-Pay Die Erstellung dieses Werkes hat Zeit gekostet. Sollte Dies

Ihnen etwas wert sein, dann haben Sie unter folgenden URLs

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Impressum Copyright: © 2013 Thorsten Zoerner ([email protected])

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