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Wirtschaftlichkeit und Umweltentlastung durch Flussmanagement METHODIK DER MATERIALFLUSSRECHNUNG imu augsburg GmbH & Co. KG Gratzmüllerstr. 3 86150 Augsburg Datum: Juli 2003 Verfasser: Enrico Germann, Uta Müller, Jürgen Peiler, Carsten Redmann, Hans Sommer www.imu-augsburg.de www.eco-effizienz.de

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Wirtschaftlichkeit und Umweltentlastung durch Flussmanagement

METHODIK DER MATERIALFLUSSRECHNUNG

imu augsburg GmbH & Co. KG Gratzmüllerstr. 3 86150 Augsburg Datum: Juli 2003 Verfasser: Enrico Germann, Uta Müller, Jürgen Peiler,

Carsten Redmann, Hans Sommer www.imu-augsburg.de www.eco-effizienz.de

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Inhaltsübersicht

I

Inhaltsübersicht

1 AUSGANGSSITUATION.................................................................................................. 1

2 DEFIZITE DER TRADITIONELLEN KOSTENRECHNUNG UND NEUE ANSÄTZE...................... 2 2.1 Materialkosten in der konventionellen Kostenrechnung............................................................2 2.2 Neue Ansätze der Kostenrechnung........................................................................................5 2.3 Die Materialflussrechnung als neuer Ansatz............................................................................7

3 GRUNDIDEE UND ZIELSETZUNG DER MATERIALFLUSSRECHNUNG .................................. 8 3.1 Durchgängige Materialflussbetrachtung.................................................................................9 3.2 Getrennter Ausweis der Finanzkategorien ............................................................................10 3.3 Einheitliche Materialbepreisung ..........................................................................................12 3.4 Management Summary .....................................................................................................12

4 BAUSTEINE DER MATERIALFLUSSRECHNUNG ................................................................ 13 4.1 Bezugsgrößen...................................................................................................................14 4.2 Rechenmodule .................................................................................................................15 4.3 Auflösungstiefe .................................................................................................................18 4.4 Management Summary .....................................................................................................20

5 VORGEHENSWEISE ZUR UMSETZUNG DER MATERIALFLUSSRECHNUNG ........................ 21 5.1 Varianten für die Vorgehensweise .......................................................................................21 5.2 Ausgewählte Varianten in der Praxis ....................................................................................24 5.3 Aufbau einer Integrierten Materialflussrechnung ...................................................................26 5.4 Kostenmanagement und Organisationsentwicklung ..............................................................29 5.5 Management Summary .....................................................................................................31

6 PRÄSENTATIONS- UND BERICHTSFORMEN................................................................... 32 6.1 Materialflussmodell mit Daten ............................................................................................32 6.2 Flusskostenmatrix ..............................................................................................................33 6.3 Materialbericht .................................................................................................................34 6.4 Management Summary .....................................................................................................35

7 NUTZEN ..................................................................................................................... 36 7.1 Verbesserung der Transparenz von Materialflüssen und Materialbuchungen ............................36 7.2 Verbesserung von Materialflüssen und Materialbuchungen ....................................................36 7.3 Verbesserung des Materialreportings...................................................................................38 7.4 Management Summary .....................................................................................................39

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Abbildungsverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: KOSTENSTRUKTUR IM PRODUZIERENDEN GEWERBE (ERP = ENTERPRISE

RESOURCE PLANNING)........................................................................................................2 ABBILDUNG 2: BETRIEBSERGEBNIS NACH DEM GESAMTKOSTENVERFAHREN................................3 ABBILDUNG 3: BETRIEBSERGEBNIS NACH DEM UMSATZKOSTENVERFAHREN ................................4 ABBILDUNG 4: VEREINFACHTES MATERIALFLUSSMODELL............................................................9 ABBILDUNG 5: GRUNDIDEE DER MATERIALFLUSSRECHNUNG.....................................................11 ABBILDUNG 6: DIE BAUSTEINE DER MATERIALFLUSSRECHNUNG................................................13 ABBILDUNG 7: BEISPIELHAFTE DARSTELLUNG DER LAGERORTRECHNUNG.................................16 ABBILDUNG 8: BEISPIELHAFTE DARSTELLUNG DER FERTIGUNGSAUFTRAGSRECHNUNG..............17 ABBILDUNG 9: BEISPIELHAFTE DARSTELLUNG DER BEWEGUNGSRECHNUNG..............................18 ABBILDUNG 10: EINGANGSMATERIALBEZOGENE RECHNUNG – BEISPIEL

FERTIGUNGSAUFTRAGSRECHNUNG ...................................................................................19 ABBILDUNG 11: KRITERIEN ZUR VARIANTENBILDUNG .................................................................21 ABBILDUNG 12: VARIANTEN DER MATERIALFLUSSRECHNUNG ....................................................24 ABBILDUNG 13: VORGEHENSWEISE...........................................................................................26 ABBILDUNG 14: ABGLEICH VON MATERIALFLUSSMODELL UND BUCHUNGSSTRUKTUR..................27 ABBILDUNG 15: BEISPIELHAFTER ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ABTEILUNGEN UND

MATERIALFLÜSSEN ...........................................................................................................30 ABBILDUNG 16: FLUSSMODELL MIT MATERIALWERTEN..............................................................33 ABBILDUNG 17: VEREINFACHTE FLUSSKOSTEN-MATRIX............................................................34

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Kapitel 1: Ausgangssituation

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1 Ausgangssituation Bedingt durch die zunehmende Globalisierung und Liberalisierung der Finanz- und Gütermärkte sehen sich Unternehmen einer verschärften Wettbewerbssituation ausgesetzt. Preiskämpfe, kürzer werdende Technologie- und Produktlebenszyklen üben einen verstärkten Kostendruck auf die einzelnen Marktteilnehmer aus. Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird die Versorgung der Entscheidungsträger mit transparenten Informationen aus der Kostenrechnung zunehmend wichtiger. Die konventionelle Kostenrechnung liefert intern vorgegebene Daten, die unabhängig vom erzielbaren Nutzen standardisiert verarbeitet werden. Sie weist somit erhebliche Defizite auf, die Unternehmensführung mit geeigneten Daten für strategische Entscheidungen zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit zu versorgen.

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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2 Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze Die Spielräume der Unternehmen zur Senkung der Personalkosten und Abschreibungen sind ausgeschöpft. Ein letztes Kostensenkungspotenzial bietet somit der große Block der Materialkosten. Da die konventionelle Kostenrechnung bei der Behandlung von Materialkosten große Defizite aufweist, setzen neue Ansätze der Kostenrechnung an dieser Stelle an.

2.1 Materialkosten in der konventionellen Kostenrechnung Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen auf, dass im produzierenden Gewerbe der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten durchschnittlich bei ca. 56% liegt. Somit stellen die Materialkosten den deutlich größten Kostenblock dar. In den Verfahren der konventionellen Kostenrechnung werden in der Regel nur pauschal verrechnete Materialkosten berücksichtigt. Der Unternehmensführung stehen daher oft nur unzureichend transparente Informationen über die Materialkosten und den Wertefluss durch das Unternehmen zur Verfügung, die der Bedeutung des Materialkostenblocks nicht gerecht werden.

Abbildung 1: Kostenstruktur im produzierenden Gewerbe (ERP = Enterprise Resource Planning)

2.1.1 Kostendefinition Kosten bezeichnen den bewerteten Verzehr von Produktionsfaktoren und Dienstleistungen, der zur Herstellung und zum Absatz der betrieblichen Leistungen sowie der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft erforderlich ist. Als Materialkosten werden die mit ihren Preisen bewerteten Verbrauchsmengen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, bezogenen Waren und Leistungen definiert. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, sowie bezogene Waren und Leistungen führen bei ihrer Anschaffung zu Ausgaben, die erst bei leistungsbezogenem Verzehr im Laufe der Zeit zu Kosten werden. Der Materialfluss vor und nach dieser Schnittstelle wird in der Kostenrechnung nicht erfasst.

Personalkosten25%

Sonstige13% Materialkosten

56%Abschreibungen,Mieten und Pachten

6%

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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2.1.2 Ermittlung der Materialkosten Die Ermittlung der Materialkosten basiert auf den Daten der Materialwirtschaft und der Finanzbuchhaltung. Der Kostenansatz wird über die Schnittstelle zwischen Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung definiert. Die Finanzbuchhaltung liefert in Bewegungen und Beständen befindliche Materialverbrauchsmengen sowie Materialeinkaufspreise. Dabei greift sie auf Daten des betrieblichen ERP-Systems zurück. In der Kostenrechnung werden die aus der Finanzbuchhaltung stammenden Bewegungs- und Bestandsdaten bewertet und weiterverarbeitet. Da die physischen Materialflüsse mit den Materialbuchungen im ERP-System oft nur unzureichend abgestimmt sind, können die in der Kostenrechnung zur Verfügung gestellten Materialflussdaten häufig nur pauschal ermittelt werden. In welcher Form die Materialkosten ermittelt werden, hängt vom verwendeten Verfahren zur Ermittlung des Betriebsergebnisses ab.

2.1.2.1 Gesamtkostenverfahren Im Gesamtkostenverfahren werden den in der Geschäftsperiode anfallenden Erträgen sämtliche Aufwendungen gegenübergestellt, die bei Erbringung der Betriebsleistung angefallen sind. Die Aufwandsseite umfasst die gesamten Periodenaufwendungen und ist nach primären Aufwandsarten gegliedert. Die Anpassung der Erträge an das Mengengerüst der Produktionsaufwendungen erfolgt, indem die Veränderungen der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen, mit ihren Herstellungskosten bewertet, den Umsatzerlösen hinzugerechnet bzw. von ihnen abgezogen werden.

Umsatz +/- Bestandsveränderung fertige/unfertige Erzeugnisse = Gesamtleistung - Materialkosten - Personalkosten - Abschreibungen = Betriebsergebnis

Abbildung 2: Betriebsergebnis nach dem Gesamtkostenverfahren

Die zur Erfolgsermittlung notwendige Erfassung der Bestandsveränderungen ist nur nach Durchführung einer Inventur möglich. Sind durch die Rechnung

Anfangsbestand – Endbestand = Bestandsveränderung

Bestandsveränderungen ermittelt worden, müssen diese mit Herstellungskosten bewertet werden. Die Herstellkosten einer Einheit werden über eine Kostenträgerstückrechnung ermittelt, in der u. a. die Materialgemeinkosten über einen pauschalen Kalkulationssatz auf die produzierten betrieblichen Leistungen verrechnet werden. Somit ist aus den Herstellungskosten nicht mehr ersichtlich, welchen Anteil die Material- und welchen Anteil die Fertigungskosten verursachen.

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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2.1.2.2 Umsatzkostenverfahren Im Umsatzkostenverfahren werden dem effektiven Umsatz der Geschäftsperiode, außer den zeitlich abzugrenzenden, nur die sachlich abzugrenzenden Aufwendungen gegenübergestellt, welche für die verkauften Produkte angefallen sind. Aufwendungen für sich in Lagerbeständen befindliche Fertigerzeugnisse werden in der Geschäftsperiode ihrer Umsatzrealisierung als Kosten aktiviert. Die Aufwandsseite ist nach sekundären Aufwandsarten gegliedert.

Umsatz - Herstellungskosten der abgesetzten Produkte = Bruttoergebnis - Forschungs- und Entwicklungskosten - Vertriebskosten - Verwaltungskosten = Betriebsergebnis

Abbildung 3: Betriebsergebnis nach dem Umsatzkostenverfahren

Die zu verrechnenden Aufwendungen richten sich nach der vom Unternehmen gewählten Definition der Herstellungskosten. Die Definition der Herstellungskosten für die bilanzielle Bestandsbewertung und für die Abgrenzung der Umsatzkosten kann voneinander unabhängig erfolgen. Generell kann festgehalten werden, dass in Anlehnung an die amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften die gesamten Kosten des Material- und Fertigungsbereiches (Vollkostenbasis) einbezogen werden sollen. Der genaue Anteil der Materialkosten an den Herstellungskosten ist aber nicht zu ersehen. Aus der Tatsache heraus, dass die Materialkosten die Systemkosten in produzierenden Industrien bei weitem übersteigen, hat sich in den USA der Ansatz des Materials-Only Costing entwickelt. Die Vorteile des Umsatzkostenverfahrens sind, dass der Erfolg je Produkt ausgewiesen werden kann und zur Erfolgsermittlung keine Inventur notwendig ist. Dadurch werden kurzfristige Erfolgsrechnungen nach der Kostenträgerzeitrechnung möglich, die in der Abrechnungsperiode angefallene Kosten für jede betriebliche Leistung ermitteln.

2.1.3 Verrechnung der Materialkosten Materialkosten können als Einzel- oder Gemeinkosten in die Kostenrechnung eingehen. Materialeinzelkosten sind einer bestimmten betrieblichen Leistungsart eindeutig direkt zurechenbar. Sie würden nicht entstehen, wenn diese Leistungsart nicht hergestellt würde. Sie werden daher schon innerhalb der Kostenartenrechnung für einzelne Kostenträger erfasst. Dadurch umgehen Materialeinzelkosten die Kostenstellenrechnung und der Kostenstellenverantwortung. Bei Bewertung der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen mit ihren Herstellungskosten sind daher keine Materialkosten mehr ersichtlich.

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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Materialgemeinkosten hingegen entstehen für mehrere Kalkulationsobjekte derselben Art gemeinsam. Sie werden daher zunächst innerhalb der Kostenstellenrechnung für jene Kostenstellen ausgewiesen, die sie ausgelöst haben. Anschließend werden sie als Kostenträgergemeinkosten den einzelnen Leistungsobjekten über einen wertmäßigen Kalkulationssatz zugeordnet. Das Verfahren der Zuschlagskalkulation in der konventionellen Kostenrechnung verhindert so eine verursachungsgerechte Zuordnung der Gemeinkosten.

2.1.4 Zusammenfassung der Defizite Die größte Problematik der konventionellen Kostenrechnung ist, dass hinsichtlich des Materials keine durchgängige Werteverfolgung durch das Unternehmen möglich ist, da der Wertefluss nur eine Kostenschnittstelle aufweist. Die Kostenartenrechnung kann als „Flaschenhals der Kostenrechnung“ betrachtet werden. Da Materialeinzelkosten die Kostenstellen umgehen, ist für sie keine Zuordnung von Kostenverantwortung auf einzelne Kostenverursacher möglich. Die Bewertung der Bestands- und Bewegungsmengen mit ihren Herstellungskosten ist problematisch, da keine Unterscheidung zwischen Material- und Fertigungskosten erfolgt. Auch innerhalb der Kostenträgerrechnung werden Defizite sichtbar. Eine verursachungs-gerechte Kostenzuordnung der Gemeinkosten ist nicht möglich, da diese nur in Abhängigkeit von der Höhe der wertmäßigen Zuschlagsbasis über proportionale Prozentzuschläge verrechnet werden. Zudem werden in der Produktkalkulation anhand von Brutto-Stücklisten pauschale Materialverluste unterstellt. Bei entsprechender Nutzung der Möglichkeiten bestehender ERP-Systeme, kann mit Hilfe der Materialflussrechnung der Materialfluss sehr viel transparenter dargestellt werden.

2.2 Neue Ansätze der Kostenrechnung Aufgrund der Veränderungen in der Struktur der betrieblichen Wertschöpfung und der veränderten Wettbewerbssituation sowie der aufgezeigten Defizite konventioneller Kostenrechnungsverfahren haben sich einige neue Ansätze der Kostenrechnung entwickelt.

2.2.1 Prozesskostenrechnung Ein Ergebnis der stärkeren Strategieorientierung der Kostenrechnung ist die Prozesskosten-rechnung (Activity Based Costing). Die Schaffung und Verteidigung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen erfordert die genaue Kenntnis der „richtigen“ [s. hierzu auch Coenenberg, A. G.: Kostenrechnung und Kostenanalyse, 4. aktualisierte Auflage, 1999, Verlag Moderne Industrie, S.43] betrieblichen Kosten. Durch die Zusammenfassung sachlich zusammengehöriger Prozesse ist eine ursachengerechtere Verrechnung der Gemeinkosten möglich. So ist die Höhe der Materialgemeinkosten nicht vom Wert der beschafften Materialen, sondern von der Anzahl der von ihm durchlaufenen Prozesse abhängig. Damit ermöglicht die Prozesskostenrechnung in der Kostenträgerstückrechnung eine verursachungsgerechtere

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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Kostenzuordnung der Gemeinkosten als etwa die wertmäßige Höhe der zur Verrechnung verwendeten Zuschlagsbasen in konventionellen Verfahren.

2.2.2 Target Costing Das in Japan entstandene Konzept des Target Costing (Mokuhyou Genkaseisan) ist als Kostenmanagement in die langfristige Gesamtplanung des Unternehmens eingebunden. Merkmale des Target Costing sind die konsequente Markt- und Kundenorientierung, die Beeinflussung der Kosten schwerpunktmäßig in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase und die ganzheitliche Betrachtung eines Produkttyps während des gesamten Lebenszyklus. Grundidee des Target Costing ist somit eine gegenläufige Kalkulationsrechnung, bei der von einem Zielmarktpreis aus die maximalen Herstellungskosten ermittelt werden. Für jede einzelne Produktkomponente erfolgt eine Kosten-Nutzen-Schätzung. Übersteigen dann z. B. die erwarteten Kosten die so genannten „allowable costs“ des zu erfüllenden Nutzens eines Input-Materials, ist dieses durch ein kostengünstigeres Input-Material zu ersetzen.

2.2.3 Materials-Only Costing Dieser in den USA entstandene Ansatz ist das erste Kostenrechnungsverfahren, das den hohen Anteil der Materialkosten am Gesamtkostenblock in produzierenden Industriezweigen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt. Da die betriebliche Wertschöpfung in produzier-ten Leistungen immer geringer wird, betrachtet der Ansatz des Materials-Only Costing ausschließlich Materialkosten als entscheidungsrelevant. Im Gegensatz zu konventionellen Kostenrechnungsansätzen werden Materialkosten während einer Geschäftsperiode durchgängig ausgewiesen. In der Bestandsbewertung nach Materials-Only Costing werden zwei getrennte Herstellungskosten ausgewiesen. Eine Betrachtungsweise umfasst in den Herstellungskosten ausschließlich den Materialkostenblock, in der zweiten Interpretation werden in den Herstellungskosten Material- und Fertigungskosten berücksichtigt.

2.2.4 Umweltorientierte Kostenrechnungsansätze In mehreren neuen Ansätzen der Kostenrechnung werden neben ökonomischen auch ökologische Aspekte berücksichtigt.

2.2.4.1 Reststoffkostenrechnung Der Ansatz der Reststoffkostenrechnung hat sich vor dem Hintergrund eines steigenden betrieblichen Bewusstseins für Materialeffizienz und steigender Kosten für die Entsorgung von betrieblichen Reststoffen entwickelt. Die Reststoffkostenrechnung führt mit den Reststoffen einen neuen Kostenträger ein, dem die konventionelle Kostenrechnung bislang keine Kosten zuordnen kann. Reststoffe werden als die Summe aller unerwünschten Outputs des Produktionsprozesses definiert. Als Reststoffkosten werden alle einzelwirtschaftlichen Kosten bezeichnet, die in Bezug auf die Reststoffe als variabel einzustufen sind. Neben dem reinen Materialwert können hier auch die Kosten für den im Material enthaltenen Wertschöpfungsanteil, für End-of-pipe-Aktivitäten und für die Entsorgung aufgeführt werden. Der Ansatz der Reststoffkostenrechnung zielt darauf ab, durch eine Reduzierung der Reststoffmengen sowohl Umweltentlastungs- als auch Kostensenkungspotenziale zu nutzen.

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Kapitel 2: Defizite der traditionellen Kostenrechnung und neue Ansätze

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2.2.4.2 Umweltschutzkostenrechnung Angeregt wurde dieser Ansatz durch die stark gestiegenen Kosten für betriebliche Umweltschutzmaßnahmen. Er soll sämtliche Kosten, die für Umweltschutzmaßnahmen anfallen, systematisch identifizieren, sie transparent und besser steuerbar machen. Dadurch können Umweltschutzkosten verursachungsgerecht weiterverrechnet und betriebliche Leistungen mit einem hohen Anteil an Umweltschutzkosten identifiziert werden. Somit kann in der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung eine Aufteilung in umweltschutzrelevante und nicht-umweltschutzrelevante Kosten erfolgen. Die ermittelten Umweltschutzkosten können zudem als Information für die externe Kommunikation zur Verfügung stehen. Problematisch am Ansatz der Umweltschutzkostenrechnung ist seine Integration in die betriebliche Kostenrechnung und die definitorische Abgrenzung der Umweltschutzkosten.

2.3 Die Materialflussrechnung als neuer Ansatz Der Ansatz der Materialflussrechnung bezieht sich auf die im Unternehmen erzeugten Material- und Energieflüsse, die im produzierenden Gewerbe den größten Teil der betrieblichen Kosten ausmachen. Mit der Materialflussrechnung werden die Materialflüsse und -verluste pro Material auf die verursachenden Bereiche (z.B. Produkte, Produktionsbereiche, Maschine, Lager) zugeordnet und gleichzeitig die Datenqualität im ERP-System verbessert. Häufig lassen sich durch organisatorische oder technische Änderungen die jährlichen Materialkosten um 1% bis 5% senken. Der Ansatz eignet sich in erster Linie für mittlere und große Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie für Unternehmen mit einem hohen Kostenanteil von Material und Energie. Besonders geeignet ist der Ansatz für Unternehmen mit hoher Materialvielfalt und komplexen Produktionsstrukturen. Zukünftig wird die Materialflussrechnung für strategische Entscheidungen notwendige, transparente Daten über den Materialfluss in Mengen, Werten und -kosten eines Unternehmens liefern. Deren Berücksichtigung kann bei der Erschließung von Umweltentlastungs- und Kostensenkungspotenzialen zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen auf der Kostenseite der Unternehmen führen.

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Kapitel 3: Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung 8

3 Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung

In produzierenden Unternehmen sind die Materialkosten der mit Abstand höchste Kostenblock und haben eine entsprechend hohe Kostenrelevanz. Im deutschen Durchschnitt liegen die Materialkosten der Produktionsunternehmen bei ca. 56% (Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1999). Zahlreiche Branchen, wie Pharma oder Automobil, liegen sogar deutlich darüber. Erfolgreiches Kostenmanagement muss deshalb die Materialkosten in den Vordergrund der Betrachtung rücken. Die Reduzierung der Materialkosten kann neben der Senkung der Beschaffungspreise insbesondere durch einen verringerten Materialeinsatz erreicht werden. Die Entwicklung von Produkten mit reduziertem Materialeinsatz und die Vermeidung von Materialverlusten können mit erheblichen Kostensenkungen bei gleichzeitiger Umweltentlastung einhergehen. Eine umfassende Materialorientierung im Management ist somit von hoher wirtschafts- und umweltpolitischer Bedeutung. Wesentliches Hemmnis für eine systematische Senkung der Materialkosten und die damit einhergehende Umweltentlastung ist die unzureichende Transparenz der innerbetrieblichen Materialflussstrukturen und -werte, die in direktem Zusammenhang zu den Materialflüssen stehen. Das betriebliche Rechnungswesen ist zwar in der Lage, periodenbezogen in Summe über den Wert der ins Unternehmen eingehenden und der verbrauchten Materialien zu informieren; über die Verwendung und den Verbleib des Materials können hingegen kaum Aussagen getroffen werden. Daraus resultiert auch die fehlende verursachungsgerechte Zuordnung der Materialkosten auf Kostenstellen. Das führt im Ergebnis dazu, dass Kostenstellenverantwortliche keinerlei Transparenz über die Materialeinzelkosten besitzen und damit keine Kostenverantwortung für ihren Bereich übernehmen können. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Materialflussrechnung folgende Zielsetzungen:

• die konventionelle Kostenrechnung zu ergänzen und die Kostentransparenz der Materialflüsse zu steigern.

• die gesamten innerbetrieblichen Materialflüsse vom Lieferanten (Eingangsmaterialien) über die eigene Produktion bis zum Kunden (Produkte und Verpackungen) oder Entsorger (Materialverluste) hinsichtlich der Flussstruktur transparent zu machen.

• den gesamten innerbetrieblichen Materialflüssen und -beständen die entsprechenden Mengen, Werte und Kosten zuzuordnen.

• den Entscheidungsträgern im Einkauf, in der Produktion, in der Entwicklung, im Vertrieb, im Versand und in der Logistik handlungsrelevante Informationen über die Flussmengen und Flusswerte zur Verfügung zu stellen.

• wirtschaftliche Maßnahmen zur Reduzierung der Materialflüsse einzuleiten, indem die Materialverluste reduziert werden und materialreduzierte Produkte und Verpackungen entwickelt werden.

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Kapitel 3: Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung

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3.1 Durchgängige Materialflussbetrachtung Die Grundidee der Materialflussrechnung besteht in einer durchgängigen Transparenz der betrieblichen Materialflüsse. Ziel ist es, sowohl die physischen Materialflüsse, Lager und Bearbeitungsstellen als auch die Materialbuchungen und buchungstechnischen Lagerorte im ERP-System transparent zu machen. Diese Transparenz ist die Grundvoraussetzung für eine effiziente Gestaltung der betrieblichen Materialflüsse. Zu diesem Zweck werden die physischen Materialflüsse und deren Transformationsstellen in einem Modell, dem so genannten „Materialflussmodell“, abgebildet (siehe hierzu auch Bericht der Materialflussmodellierung). Das Materialflussmodell unterscheidet zwischen externen und internen Mengenstellen. Mengenstellen sind räumliche Einheiten, in denen Material gelagert, transformiert oder geprüft wird. Die Mengenstellen sind verbunden durch Materialflüsse. Diese Materialflüsse können in wertschöpfende Materialflüsse und in nicht-wertschöpfende Materialverluste differenziert werden. Vor diesem Hintergrund wird häufig von einer Erweiterung der logistischen Kette um Materialverluste gesprochen.

Systemgrenze

Wareneingangs-lager

MaterialProduktion

Material

Zwischenlager

Mat

eria

l

Mat

eria

l

Warenausgangs-lager

MaterialLieferant Kunde

Produkte,Verpackungen

EntsorgerEntsorgungs-technik

Materialverluste

MaterialverlusteReststoffe

Mat

eria

lver

lust

e

Mengenstelle

Mengenstelle- extern -

Systemgrenze

Material

Legende

Mengenstelle

Mengenstelle- Extern -

Systemgrenze

Reststoff

Abbildung 4: Vereinfachtes Materialflussmodell

Zusätzlich zum Materialflussmodell, das die physischen Flüsse und Lager abbildet, wird ein Materialbuchungsmodell erstellt, in dem die buchungstechnische Behandlung von Materialbewegungen und –beständen im Informationssystem modelliert wird (siehe hierzu auch Bericht der ERP-Modellierung). Ziel des Materialbuchungsmodells ist es, die Abbildung der Materialflüsse im Informationssystem transparent zu machen. Analog zu Mengenstellen und Materialflüssen werden in diesem Modell Buchungsstellen und Materialbuchungen dargestellt. Durch einen Abgleich der physischen und buchungstechnischen Materialflüsse aus Materialfluss- und Materialbuchungsmodell können Datenlücken, Inkonsistenzen und Verbesserungspotenziale im betrieblichen Informationssystem identifiziert werden. Ziel ist es,

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Kapitel 3: Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung

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das Informationssystem so zu gestalten, dass die physischen Materialflüsse durchgehend unter Berücksichtigung der Materialverluste dargestellt werden können. Die Betrachtungstiefe reicht dabei bis auf die Materialnummernebene und gegebenenfalls sogar bis auf Chargenebene. Jede einzelne Materialnummer bzw. Charge kann dann vom Zugang in das Unternehmen über die verschiedenen Lager bis zur Produktion und von dort aus über das Fertigproduktlager bis zum Kunden durchgängig verfolgt werden. Entsprechend differenziert und durchgängig lässt sich der Materialverlust bis zum Entsorger analysieren. Auf Basis dieser Transparenz werden in der Materialflussrechnung die mit den betrieblichen Materialflüssen verbundenen Mengen, Werte und Kosten verfolgt. Die Auswertung der Materialflüsse und -bestände erfolgt dabei nach den Grundsätzen der Thermodynamik. Danach kann in geschlossenen Systemen Material und Energie weder erzeugt noch vernichtet werden. Übertragen auf das System Unternehmen bedeutet dies, dass alle gelieferten Materialien in Summe entweder bestandserhöhend im Unternehmen verbleiben oder das Unternehmen wertschöpfend als Produkte bzw. nicht-wertschöpfend als Materialverluste verlassen. Treten dennoch Differenzen auf, ist dies auf nicht gebuchte Materialverluste und/oder Buchungsfehler zurückzuführen. In der Darstellung und Bewertung der Ergebnisse muss deshalb zwischen gebuchten und nicht gebuchten Materialverlusten sowie nach Differenzen aufgrund von Buchungsfehlern unterschieden werden.

3.2 Getrennter Ausweis der Finanzkategorien Die Materialflussrechnung geht über eine bloße Kostenbetrachtung weit hinaus. Im Rahmen der Materialflussrechnung wird die konventionelle Kostenorientierung um eine Materialwertorientierung erweitert. Die Materialflussrechnung basiert nicht nur auf der Betrachtung von Materialkosten, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch Materialwerte. Die mit dem betrieblichen Materialfluss verbundenen Materialmengen und Materialwerte werden parallel geführt und durchgängig entlang des gesamten Materialflusses betrachtet. Dies führt gleichzeitig zu einer verbesserten Werteorientierung in der Materialwirtschaft und zu einer verbesserten Mengenorientierung in der Kostenrechung. Materialwerte entstehen durch die Bewertung von Materialmengen mit einem für den Betrachtungszeitraum fixierten Preis. Materialwerte bieten gegenüber Materialkosten den Vorteil, dass der Materialfluss durchgängig monetär verfolgt werden kann. Damit werden die Restriktionen, die mit der Betrachtung von Kosten aufgrund der definierten „Kostenschnittstelle“ verbunden sind, beseitigt. Alle Materialflüsse können durchgängig mengen- und wertmäßig bewertet werden. Die Materialflussrechnung betrachtet die relevanten Materialflüsse als Kostensammler und ordnet daher die Werte und Kosten der betrieblichen Leistungserstellung diesen Materialflüssen zu. Neben wertschöpfenden Materialflüssen werden die Materialverluste als Kostensammler und damit als zweite Kostenträgerkategorie eingeführt. Für die

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Kapitel 3: Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung

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Materialbereitstellung, Verarbeitung und Entsorgung von Materialverlusten entstehen Kosten. Diese Kosten werden in der konventionellen Kostenrechnung auf der Grundlage von Bruttostücklisten direkt oder über Zuschlagssätze indirekt auf die Produkte verrechnet. In der Materialflussrechnung können diese Kosten direkt den Materialverlusten zugerechnet werden. Dabei werden folgende Werte- und Kostenarten unterschieden:

• Materialwerte und -kosten • Systemwerte und -kosten • Liefer- und Entsorgungswerte und –kosten

Systemgrenze

Wareneingangs-lager

MaterialProduktion

Material

Zwischenlager

Mat

eria

l

Mat

eria

l

Warenausgangs-lager

Material

Lieferant Kunde

EntsorgerEntsorgungs-technik

Mengenstelle

Mengenstelle- extern -

Systemgrenze

Material

Legende

Mengenstelle

Mengenstelle- Extern -

Systemgrenze

SystemEntsorgung

System

System

System

Syst

em

SystemSystem

Material

Material

Mat

eria

l

Material

Material

System

Syst

em

Syst

em

Lieferung &Entsorgung

Lieferung

Abbildung 5: Grundidee der Materialflussrechnung

Die Möglichkeit, Materialkosten bzw. –werte für Materialflüsse und –bestände durchgängig getrennt auszuweisen, schafft mit vertretbarem Aufwand einen neuen Zugang zum größten Kostenblock des Unternehmens. Unter Systemkosten werden all die betrieblichen Kosten zusammengefasst, die innerhalb des Unternehmens zum Zwecke der Aufrechterhaltung und Unterstützung des Materialdurchflusses anfallen, wie z.B. Personalkosten oder Abschreibungen. Systemwerte sind die auf die Materialflüsse und -bestände fortlaufend verrechneten Systemkosten. Denjenigen Flüssen, die das Unternehmen verlassen, werden zusätzlich noch ihre spezifischen Liefer- und Entsorgungskosten zugerechnet. Mit Liefer- und Entsorgungskosten sind Zahlungen an Unternehmensexterne verbunden, wodurch diese definitorisch kein Bestandteil der Systemkosten sind. Unter dieser Kategorie werden alle Kosten ausgewiesen, die dafür anfallen, dass Material nach außen abgegeben werden kann. Neben den Transportkosten für Produkte sind dies insbesondere die externen Kosten für die Entsorgung von Abfall und die Gebühren für Abwasser.

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Kapitel 3: Grundidee und Zielsetzung der Materialflussrechnung

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Diese Werte- und Kostenarten werden stets getrennt voneinander ausgewiesen und verrechnet. Eine Vermischung findet nicht statt.

3.3 Einheitliche Materialbepreisung Aufgrund der Materialwertorientierung innerhalb der Materialflussrechnung ist eine durchgängige Verfolgung der betrieblichen Materialflüsse möglich. Bewertet werden neben Materialbewegungen auch Materialbestände und Materialdifferenzen (Buchungsfehler, Materialverluste). Eine Besonderheit der Materialflussrechnung besteht dabei darin, dass diese Bewertung auf einem im Betrachtungszeitraum fixierten Preis basiert. Ziel dieser Preisfixierung ist es, Preisschwankungen bereits im Vorfeld zu eliminieren, um die in der Materialflussrechnung ermittelten Differenzen verursachungsgerecht analysieren zu können. Bestehende Differenzen können danach nur noch aus Mengen- und nicht mehr aus Preisabweichungen resultieren. Darüber hinaus können zur Durchführung einzelner Szenarien verschiedene Preise je Materialnummer zu Grunde gelegt werden: Minimaler Preis, Maximaler Preis, gewichteter Durchschnittspreis, letzter Standardpreis. Für diese Preise müssen jedoch jeweils gesonderte Flusswerterechnungen durchgeführt werden.

3.4 Management Summary

Die Grundidee der Materialflussrechnung besteht in einer durchgängigen Transparenz der betrieblichen Materialflüsse. Diese Transparenz basiert auf Materialdaten in Form von Mengen, Werten und Kosten. Damit geht die Materialflussrechnung über eine bloße Kostenbetrachtung weit hinaus. Die Bewertung erfolgt für jede Materialnummer mit einem fixierten Preis (z.B. Standardpreis), um durch Preisabweichungen hervorgerufene Differenzen auszuschließen.

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung 13

4 Bausteine der Materialflussrechnung Aus Sicht vieler Unternehmen erschließen sich die größten Nutzenpotenziale der Materialflussrechnung bereits mit der Durchführung einer MaterialMaterialflussrechnung. Die zusätzliche Ausrichtung der Materialflussrechnung auf die beiden Finanzkategorien „System“ sowie „Liefer-/Entsorgung“ ist dagegen - aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren Kosten- bzw. Werterelevanz - mit einem deutlich ungünstigeren Aufwand-Nutzen-Verhältnis verbunden. Verständlicherweise konzentrierten sich die bisherigen Praxisprojekte daher fast ausschließlich auf die Ermittlung der durchgängigen Materialmengen, -werte und -kosten. Auch im Folgenden wird zunächst alleine auf die MaterialMaterialflussrechnung Bezug genommen. In ihrer mehrdimensionalen Ausrichtung verbindet die Materialflussrechnung eine Vielzahl von differenzierten Bausteinen, mit deren Hilfe sich die betrieblichen Materialflüsse in jeder Hinsicht detailliert und durchgängig bewerten lassen. Damit verbunden ist der Aufbau einer fundierten Datenbasis, in der vielfältige Aspekte des betrieblichen Materialflusssystems zahlenmäßig hinterlegt sind.

Dimension Rechenmodule

Dim

ensi

onBe

zugs

größ

en

Lagerort-rechnung

Mengen

Fertigungsstufen-bezogen

Eingangsmaterial-bezogen

Kosten

Werte

Bewegungs-rechnung

Fertigungsauftrags-rechnung

Abbildung 6: Die Bausteine der Materialflussrechnung

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung

14

Dem entsprechend setzt sich das Instrument der Materialflussrechnung aus verschiedenen Bausteinen zusammen, die jeweils unterschiedliche Perspektiven auf die Materialflüsse eines Unternehmens eröffnen. Die einzelnen Bausteine unterscheiden sich dabei in erster Linie durch ihre spezifische Ausrichtung innerhalb der drei Dimensionen „Rechenmodule“, „Auflösungstiefe“ und „Bezugsgrößen“. Die größtmögliche Transparenz entsteht durch Kombination der einzelnen Bausteine zu einem „Würfel“. Die Stärke der Materialflussrechnung gegenüber konventionellen Ansätzen der Kostenrechnung liegt vor allem in der Realisierung einer vollständigen und durchgängigen Datenerfassung auf Grundlage der Thermodynamischen Gesetze. Im Ergebnis führt dies erstmals zu einer unverfälschten Transparenz der Materialflüsse im Unternehmen. Der modulare Charakter der Materialflussrechnung beinhaltet zudem selektive Auswahl-möglichkeiten und gestattet den flexiblen und aufwandsminimierten Einsatz dieses Ansatzes. Welche Bausteine im Einzelnen für die Analyse der betrieblichen Materialflüsse zweckmäßig und realisierbar sind, hängt dabei stets von der Zielsetzung der Materialflussrechnung und der Qualität der vorhandenen Ausgangsdaten im ERP-System ab.

4.1 Bezugsgrößen Der Ansatz der Materialflussrechnung unterscheidet zwischen Mengen, Werten und Kosten. In Verbindung mit den betrieblichen Materialflüssen und –beständen werden diese drei Bezugsgrößen erstmals durchgängig separat erfasst und konsistent aufeinander abgestimmt. Dadurch lässt sich der Verlauf eines Materials vom Zeitpunkt seines Zugangs bis zu seinem Austritt aus dem Unternehmen sehr differenziert dokumentieren. Zur Erhaltung der Transparenz wird bei der Werte- und Kostenermittlung eine Vermischung von verschiedenen Finanzkategorien – wie Material, System, Lieferung und Entsorgung – bewusst vermieden. Diese separate Verfügbarkeit von Materialmengen, -werten und -kosten über die gesamte Berichtsperiode hinweg ist zugleich Ausgangspunkt für bedarfsgerechte Materialanalysen und wirkungsvolle Eingriffe zur Verringerung des Materialeinsatzes. Grundlegende Voraussetzung für die Materialflussrechnung ist eine durchgängig transparente Mengensicht. Die Werte- und Kostensicht bauen jeweils darauf auf.

4.1.1 Flussmengenrechnung Die Flussmengenrechnung beschreibt den Zustand des betrieblichen Materialflusssystems anhand von physikalisch-technischen Messgrößen für Materialflüsse und -bestände. Indem die innerhalb einer Periode geflossenen Materialmengen über alle Mengenstellen (siehe Kapitel 3.1) hinweg ermittelt werden, lassen sich bereits erste Aussagen hinsichtlich der Bedeutung einzelner Materialflüsse treffen. Ausgewertet werden alle bewegten oder gelagerten Materialnummern der Berichtsperiode. Um für diese eine unverfälschte Mengenverfolgung zu gewährleisten, werden sie jeweils durchgängig in derselben Basismessgröße (Stückzahl, Kilogramm, Meter, Liter etc.) ausgewiesen. Zur besseren Vergleichbarkeit können bestenfalls einheitlich für alle

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung 15

Materialnummern homogene Messgrößen (z.B. ausschließlich Angabe des Gewichts in kg) verwendet werden.

4.1.2 Flusswerterechnung Während die Flussmengenrechnung ein Unternehmen eher aus logistischen Gesichtspunkten beleuchtet, beschreibt die Flusswerterechnung das betriebliche Materialflusssystem in monetärer Hinsicht. Sie knüpft dabei direkt an die Ergebnisse der Mengenrechung an. Auf Grundlage der dort ausgewiesenen Fluss- oder Bestandsmengen werden alle Materialnummern durchgängig mit ihren spezifischen Materialpreisen (z.B. Standardpreis, aktueller Preis, Durchschnittspreis) bewertet (siehe Kapitel 3.3). Letztere beziehen sich auf die jeweiligen Basismesseinheiten der Materialnummern (z.B. € / kg).

Materialwert = Menge ( in Einheiten ) * Preis ( pro Einheit )

4.1.3 Materialflussrechnung Es wäre falsch, die in der Werterechnung ausgewiesenen „Materialwerte“ mit dem Begriff „Materialkosten“ gleichzusetzen. Schließlich führen nicht alle Materialflüsse zwischen zwei Mengenstellen auch tatsächlich zu Kosten im Unternehmen. So lässt sich beispielsweise der produzierte Ausschuss einer Periode über den Materialfluss von der Qualitätsprüfung zur Abfallsammelstelle mengen- und wertmäßig beziffern. Materialkosten werden hierdurch jedoch nicht zwingend aktiviert. Im Gegensatz zur Mengen- und Werterechnung kann es daher hinsichtlich der Kosten auch keine durchgängige Flussbetrachtung geben. Vielmehr müssen für eine präzise Ermittlung der Materialkosten geeignete Schnitte (diese können sich beispielsweise am Gesamt- oder Umsatzkostenverfahren orientieren; s. Kap. 2.1.2) innerhalb des Materialflusssystems gefunden werden. Die dort ausgewiesenen Kosten sind dann identisch mit den bereits in der Werterechnung an gleicher Stelle ermittelten Materialwerten.

4.2 Rechenmodule Die drei Rechenmodule der Materialflussrechnung – Lagerortrechnung, Fertigungsauftragsrechnung und Bewegungsrechnung – beleuchten die Materialflüsse eines Unternehmens aus unterschiedlicher Perspektive und können unabhängig voneinander angewendet werden. Somit ist es prinzipiell möglich, die Materialflussrechnung auf einzelne unternehmensrelevante Aspekte zu begrenzen. Umfassende und durchgängige Aussagen zu den betrieblichen Materialflüssen sind allerdings erst durch den kombinierten Einsatz aller drei Module möglich.

4.2.1 Lagerort-Rechnung Bewegungen von Waren bzw. Material werden innerhalb des betrieblichen ERP-Systems in Form von Lagerortbuchungen abgebildet. Der Lagerort stellt eine strukturierte Abbildung und ggf. Zusammenfassung von physischen Lagerplätzen im Unternehmen dar. Typische Lagerorte sind beispielsweise das „Wareneingangslager“, das „Vertriebslager“ oder das

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung

16

„Wertstofflager“. Die Lagerortrechnung fokussiert ausschließlich die im ERP-System abgebildeten Lagerorte und wertet diese jeweils separat voneinander aus. Im Rahmen einer Differenzrechnung unter Berücksichtigung der Thermodynamischen Gesetze werden Bewegungsbuchungen und Bestände der Auswertungsperiode zusammengeführt. Die Berechnung vollzieht sich für Mengen und Werte nach derselben Gleichung:

Lagerortdifferenz = Anfangsbestand + Zugänge - Endbestand - Abgänge

Herkunft der Zugangsbuchungen und Ziel der Abgangsbuchungen sind für die Lagerortrechnung nicht von Bedeutung. Ebenso werden die Zu- und Abgänge eines Lagerortes nicht nach ihrem Bewegungsgrund klassifiziert. Vielmehr wird mit der Lagerortrechnung ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem sich die Materialdifferenzen eines Lagerortes bis auf die Ebene der einzelnen Material- bzw. Chargennummern verfolgen lassen. Entscheidend dabei ist, dass die in der Lagerortrechnung ermittelten Materialdifferenzen darauf hinweisen, dass Materialbewegungen im ERP-System nicht ordnungsgemäß oder vollständig über entsprechende Bewegungsbuchungen abgebildet wurden (Werden solche Differenzen im Rahmen der Inventur festgestellt, werden sie im ERP-System meist nachträglich über Korrekturbuchungen „ausgeglichen“, ohne die Ursachen hierfür transparent zu machen).

Zwischenlager

AB EB17 16

Abgang 55

Differenz 1

Zugang 55

FAB Produktion

Eingangslager

AB EB18 16

Abgang 131

Differenz 1

Zugang 130

Verkaufslager

AB EB51 50

Abgang 114

Differenz 1

Zugang 114Kostenstelle

Produktion

Abfalllager

AB EB 2 0

Abgang 15

Differenz 0

Zugang 13

Lagerort

Kostenstelle

Legende

AB Anfangsbestand

EB Endbestand

FAB Fertigungs-auftragsbereich

Abbildung 7: Beispielhafte Darstellung der Lagerortrechnung

4.2.2 Fertigungsauftrags-Rechnung Die Herstellung, Bearbeitung oder Konfektionierung von Materialien/Produkten wird im betrieblichen ERP-System über Fertigungsaufträge abgewickelt. Dokumentiert werden einerseits der benötigte Verbrauch an Rohmaterialien und andererseits der Abgang an daraus erstellten Produkten. Diese Zu- und Abgänge werden in der Fertigungsauftragsrechnung unter Beachtung der Thermodynamischen Grundsätze nach folgendem Schema abgeglichen:

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung 17

Fertigungsauftragsdifferenz = Zugänge – Abgänge Berücksichtigt werden hierbei sämtliche materialrelevanten Buchungen von bzw. auf einen Fertigungsauftrag. Eine weitergehende Differenzierung nach Bewegungsgrund bzw. Ursprungs- oder Ziellagerort erfolgt nicht. Sofern ein mit dem Fertigungsauftrag zusammenhängender Materialverbrauch auf eine Kostenstelle gebucht wird, fließt dieser ebenso in die Differenzrechnung als Zugang mit ein. Die Fertigungsauftragsrechnung ist das ergänzende Modul zur Lagerortrechnung (siehe Kapitel 4.2.1), und ermittelt analog zu dieser ausschließlich die mit den Fertigungsaufträgen einer Periode zusammenhängenden Materialdifferenzen. Letztere können dabei bis auf Ebene der einzelnen Materialnummern entweder separat oder verdichtet nach ausgewählten Kategorien von Fertigungsaufträgen (= Fertigungsauftragsbereiche) in Mengen und Werten ausgewiesen werden. In der Regel handelt es sich bei den in der Fertigungsauftragsrechnung ermittelten Materialdifferenzen um physische Materialverluste. Denkbar ist aber auch, dass bestimmte Materialbewegungen nicht gebucht wurden und damit in der Differenzrechnung nicht berücksichtigt sind (z.B. verkaufsfähige Kuppelprodukte, Abfüllreste oder Rohmaterial ohne Bestandsführung).

Eingangslager

Zwischenlager

Verkaufslager

AbfalllagerDifferenz 10

FAB Produktion

Kostenstelle

ProduktionAbgang 163Zugang 173

Lagerort

Kostenstelle

Legende

AB Anfangsbestand

EB Endbestand

FAB Fertigungs-auftragsbereich

Abbildung 8: Beispielhafte Darstellung der Fertigungsauftragsrechnung

4.2.3 Bewegungs-Rechnung Auf der Grundlage des erstellten Materialbuchungsmodells lassen sich die Bewegungsbuchungen anhand von geeigneten Kriterien bestimmten Kategorien von Materialbewegungen zuordnen. Geeignete Zuordnungskriterien leiten sich oftmals aus Bewegungsart und -grund, dem jeweils bebuchten Lagerort bzw. Fertigungsauftragsbereich sowie der Materialart und –klasse ab. Typische Kategorien von Materialbewegungen sind beispielsweise „Einkauf“, „Verbrauch für Produktion“, „Umlagerung“ oder „Auslagerung zur Vernichtung“.

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung

18

Im Gegensatz zu den anderen beiden Modulen werden im Rahmen der Bewegungsrechnung keine Differenzen berechnet. Allerdings müssen im Sinne einer durchgängig konsistenten Berechnung die kumulierten Zu- und Abgänge der einzelnen Lagerorte bzw. Fertigungsaufträge den in Lagerort- und Fertigungsauftragsrechnung korrespondierenden Zu- und Abgängen entsprechen (Vgl. hier z.B. Abbildung 7 u. Abbildung 9; Kumulierter Abgang aus Eingangslager (131) = Kleinverbrauch (5) + Verbrauch (115) + Umlagerung (10) + Vernichtung (1)). Dabei kann auch in der Bewegungsrechnung bis auf die Materialnummernebene detailliert werden. Im Vordergrund stehen ausschließlich die tatsächlichen Buchungen der betrachteten Periode. Deren Klassifizierung nach typischen Materialbewegungen dient u. a. dazu, ordnungsgemäß gebuchte Materialverluste einzugrenzen. In Verbindung mit den in Lagerort- und Fertigungsauftragsrechnung ausgewiesenen Differenzen entsteht so ein transparentes Bild der Materialflüsse und der Effizienz des Materialeinsatzes im Unternehmen.

EingangslagerEinkauf 130

Zwischenlager

Zuga

ng 5

5

Verkaufslager

Abfalllager

Vernichtung 1Ausschuss 8

Vern

icht

ung

2

Umlagerung 10

Vernichtung 2

Verkauf 112

Retouren 4

Entsorgung 15

FAB Produktion

Kostenstelle

ProduktionVerbrauch 115

Kleinverbrauch 5

Verb

rauc

h 53

Abgang 100

Lagerort

Kostenstelle

Legende

AB Anfangsbestand

EB Endbestand

FAB Fertigungs-auftragsbereich

Abbildung 9: Beispielhafte Darstellung der Bewegungsrechnung

4.3 Auflösungstiefe Über den kombinierten Einsatz der drei Rechenmodule (siehe Kapitel 4.2) wird eine durchgängige Materialflusstransparenz in konsistenten Mengen, Werten und Kosten erzielt. Letztere können bis auf Ebene der einzelnen Material- und Chargennummern ausgewiesen werden. Welche Aussagen sich im Einzelnen daraus ableiten, hängt davon ab, in welcher Auflösungstiefe die Materialflussrechnung durchgeführt wurde. Die Dimension „Auflösungstiefe“ setzt sich sowohl aus einer eingangsmaterial- als auch einer fertigungsstufenbezogenen Komponente zusammen. Da sie den betrieblichen Materialfluss aus unterschiedlicher Perspektive beleuchten, haben beide Sichtweisen ihre spezifischen Vorzüge.

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung 19

4.3.1 Eingangsmaterialbezogene Rechnung Der höchste Grad an Detailliertheit lässt sich mit Hilfe der eingangsmaterialbezogenen Materialflussrechnung umsetzen. Durch sie werden sämtliche Lagerbestände und Materialbewegungen der Periode vollständig bis auf Ebene der Eingangsmaterialien ausgewiesen. Letztere sind die von extern bezogenen Materialien (z.B. Rohstoffe und Handelsware), die intern noch nicht weiterverarbeitet worden sind. Indem alle Zwischen- und Fertigprodukte mittels Stücklistenauflösung in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden, kann der Verlauf einer extern beschafften Materialnummer durchgängig bis zu ihrem Austritt aus dem Unternehmen nachvollzogen werden. Dies beinhaltet für Unternehmen eine völlig neue Sicht auf die erzeugten Produkte und Reststoffe. Erstmals können präzise Aussagen darüber getroffen werden, in welchen Mengen und Werten die ursprünglich eingesetzten Rohstoffe wertschöpfend im Produkt gelandet bzw. nicht-wertschöpfend als Reststoff angefallen sind.

Fertigungsauftrag

Nr. 0815

RM 1 = 1000 kg

RM 2 = 2000 kg

RM 3 = 7000 kg

RM 3 = 600 kg

RM 3 = 6400 kg

RM 2 = 200 kg

RM 2 = 1800 kg

RM 1 = 200 kg

RM 1 = 800 kg

Materialverluste

Σ = 1000 kg

Produkt

Σ = 9000 kg

Rohmaterialien

Σ = 10000 kg

Abbildung 10: Eingangsmaterialbezogene Rechnung – Beispiel Fertigungsauftragsrechnung

4.3.2 Fertigungsstufenbezogene Rechnung Die fertigungsstufenbezogene Rechnung hat für Unternehmen den Vorteil, dass sie eher die konventionelle Sicht auf die betrieblichen Materialflüsse widerspiegelt: entsprechend der innerbetrieblichen Wertschöpfung, die in der Regel mehrere Arbeitsschritte umfasst, rücken hier die erzeugten Zwischen- und Fertigprodukte in den Vordergrund der Betrachtung. Da mit der stofflich-physischen Transformation zugleich ein Materialnummernwechsel stattfindet (Durch die Verarbeitung von mehreren Komponenten - mit unterschiedlicher Materialnummer - entsteht ein Zielprodukt, dem i.d.R. eine neue, eigenständige Materialnummer zugewiesen

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Kapitel 4: Bausteine der Materialflussrechnung

20

wird.), lässt sich der Verlauf der ursprünglich eingesetzten Rohstoffe nun nicht mehr durchgängig durch das gesamte Unternehmen verfolgen. Die fertigungsstufenbezogene Rechnung bietet für Unternehmen insbesondere dann eine zusätzliche Transparenz, wenn sie auf der eingangsmaterialbezogenen Rechnung aufsetzt. Ausgehend von den dort aufgelösten Zwischen- und Fertigprodukten kann für diese eine Neukalkulation auf Basis der Rohstoffpreise durchgeführt werden. Diese Neubepreisung empfiehlt sich im Sinne einer Präzisierung, da die unternehmensintern verwendeten Preise für Zwischen- und Fertigprodukte oftmals noch andere Komponenten (z.B. anteilige Herstellkosten, Lizenzgebühren) beinhalten. Für den Fall, dass eine Stücklistenauflösung der Zwischen- und Endprodukte nicht möglich sein sollte, eröffnet die fertigungsstufenbezogene Rechnung zumindest einen differenzierteren Gesamtblick auf den Wertefluss im Unternehmen. Auftretende Differenzen können dann allerdings nicht mehr nur auf Mengenabweichungen beruhen, sondern auch eine Folge von Preisabweichungen zwischen den kalkulierten Werten für die Zwischen- und Endprodukte und der Summe der zugehörigen Eingangsmaterialwerte sein.

4.4 Management Summary

Das Instrument der Materialflussrechnung ermöglicht eine ganzheitlich konsistente Abbildung der Materialflüsse im Unternehmen. Materialdifferenzen, die in Lagerorten oder Fertigungsaufträgen aufgetreten sind, lassen sich bis auf Ebene des Eingangsmaterials durchgängig in Mengen und Werten verfolgen. Zugleich wird transparent, an welchen Mengenstellen im Unternehmen besonders große Diskrepanzen zwischen stofflich-physischer und buchungstechnischer Realität bestehen.

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 21

5 Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

5.1 Varianten für die Vorgehensweise Die Materialflussrechnung ist ein umfassender Kostenrechnungsansatz und kann daher in der betrieblichen Umsetzung sehr umfangreich werden. Es ist daher sinnvoll, verschiedene Varianten der Materialflussrechnung zu betrachten, um so hinsichtlich des leitbaren Aufwandes und des angestrebten Nutzens eine zum Unternehmen passende Ausgestaltungsform zu finden. Wesentliche Kriterien, nach denen sich die Varianten unterscheiden lassen, sind:

• der Umfang und die Detailliertheit des Materialflussmodells, • die berücksichtigten Kostenarten (Teil- oder Vollkostenrechnung) und • die zu Grunde gelegte Datenbasis.

Materialkosten

ERP – SystemSeparate Datenbasis

DatenbasisDatenbasis

FlussmodellFlussmodell KostenartenKostenarten

MaterialflüsseReststoffflüsse Entsorgungskosten

Systemkosten

Input u. Output Materialkosten

ERP – SystemSeparate Datenbasis

DatenbasisDatenbasis

FlussmodellFlussmodell KostenartenKostenarten

MaterialflüsseReststoffflüsse Entsorgungskosten

Systemkosten

Input u. Output

Abbildung 11: Kriterien zur Variantenbildung

5.1.1 Kriterium A: Materialflussmodell Die Materialflussrechnung zielt darauf ab, dem Materialflussmodell entsprechende Mengen, Werte und Kosten für Flüsse und Bestände zuzuordnen. Mit der Festlegung des Materialflussmodells werden daher bereits wesentliche Vorgaben und Strukturen für die Materialflussrechnung getroffen. Daher ist es entscheidend, sich zunächst über Detailliertheit und Umfang des Materialflussmodells Klarheit zu verschaffen. Der Umfang des Materialflussmodells ist eine wesentliche Determinante für die Materialflussrechnung. Grundsätzlich kann hier zwischen Materialflussmodellen unterschieden werden, die entweder materialbezogene Inputs und Outputs, lediglich die Flüsse der Materialverluste (Reststoffe) oder den gesamten innerbetrieblichen Materialfluss abbilden. Das Modell der materialbezogenen In- und Outputs führt zur einfachsten Sicht auf die Material- und Energieflüsse. Es werden lediglich die ein- und ausgehenden Flüsse betrachtet. Ein Zusammenhang zwischen Input und Output ist bei dieser Herangehensweise nicht herzustellen. Eine Materialflussrechnung auf dieser Basis stellt eine stark vereinfachte Einstiegsvariante dar. Das Modell für Reststoffflüsse vereinfacht und reduziert die Materialflussrechnung erheblich. Es fokussiert die nicht wertschöpfenden Materialflüsse und

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

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verringert so den Aufwand für die Durchführung der Materialflussrechnung und begrenzt die Anforderungen an die Datenbasis. Die Materialflussrechnung auf dieser Basis kann allerdings häufig keine ausreichende Datenqualität sicherstellen. Zudem bleibt die Maßnahmenentwicklung auf die Reduzierung von Materialverlusten begrenzt. Das Modell der gesamten innerbetrieblichen Materialflüsse weist die „Wege“ der Materialien durchs Unternehmen vollständig vom Eingang über den Durchfluss bis zum Verlassen aus. Hieraus ergibt sich eine umfassende Materialflusstransparenz. Erst dieser umfassende Ansatz ermöglicht es, die Konsistenz der Materialflussdaten in den bestehenden Informations-systemen zu beurteilen und gegebenenfalls zu verbessern. Zudem erzeugt die Materialflussrechnung auf Basis der gesamten Materialflüsse Daten über Materialflüsse in Form von Produkten, Verpackungen, Musterwaren, Werbematerialien, etc. und erweitert so das Feld für die Maßnahmenentwicklung erheblich.

5.1.2 Kriterium B: Kostenarten Als Flusskosten können alle Kosten abgegrenzt werden, die dafür anfallen, dass Material und Energie durch das Unternehmen fließen. Insofern sind die Flusskosten mehr oder weniger identisch mit den Kosten der betrieblichen Leistungserstellung. Aus der flussorientierten Perspektive der Materialflussrechnung ergibt sich eine spezifische Unterteilung der gesamten Flusskosten auf die folgenden Kostenarten:

• Materialwert und -kosten • Systemwerte und -kosten • Liefer- und Entsorgungswerte und -kosten

Zentrales Anliegen der Materialflussrechnung ist es, die Transparenz der Materialflüsse zu steigern. Somit ist die exakte Abbildung der Materialwerte und -kosten wichtigster und gleichzeitig der methodisch schwierigste Bestandteil der Materialflussrechnung. Man könnte diesen Teil auch als das Kernstück der Materialflussrechnung bezeichnen. Materialkosten ergeben sich aus dem zu Einkaufpreisen bewerteten „Verzehr“ bestimmter Materialmengen. Dabei darf ein Material lediglich ein Mal als Kosten erfasst werden. Somit weist die reine Kostensicht eine stark vereinfachte Sicht auf die komplexen Materialflüsse auf und widerspricht der Zielsetzung der Materialflussrechnung, die Transparenz der Materialflüsse zu steigern. Daher stellt die Materialflussrechnung zunächst Materialwerte dar und schafft damit eine neue Qualität in den Finanzdaten. Geflossene Materialwerte können jedem Materialfluss des Modells zugeordnet werden, da diese Werte, im Gegensatz zu den Kosten, nicht zu einem Gesamtwert aufaddiert werden. Erst auf der Basis eines Materialflussmodells mit Materialwerten kann eine saubere und vollständige Definition von Materialkosten vorgenommen werden. Materialwerte und Materialkosten sind grundlegender Bestandteil der Materialflussrechnung und sollten daher bei der Auswahl der passenden Umsetzungsform in jedem Fall berücksichtigt werden. Zudem liegt gerade im Materialbereich das größte Öko-Effizienz-Potential. Systemkosten sind die Kosten, die dafür entstehen, das Unternehmen aufrechtzuerhalten und zu befähigen, die Materialflüsse zu gestalten, zu steuern und zu transformieren. Somit sind Systemkosten im Wesentlichen die Personalkosten, Abschreibungen und sonstige Kosten (z.B. für externe Dienstleistungen). Die Systemkosten werden sozusagen in die

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 23

Materialflüsse investiert und machen diese nach jedem Handling oder Bearbeitungsschritt teurer. Somit können die Systemkosten grundsätzlich den Materialflüssen zugeordnet werden. Materialflüsse sind dann Kostensammler für Systemkosten. Häufig übersteigt aber der Aufwand für eine exakte Zuordnung der Systemkosten den Nutzen, der sich aus der erhöhten Transparenz ergibt. Liefer- und Entsorgungskosten entstehen dafür, dass Produkte und Reststoffe zum Kunden bzw. zum Entsorger geliefert werden. Soweit ein betriebseigener Fuhrpark vorhanden ist, fallen die für den Transport von Produkten und Reststoffen anfallenden Kosten jedoch unter die Systemkosten. Liefer- und Entsorgungskosten umfassen damit in erster Linie Kosten für Speditionsdienstleistungen, spezielle Transportverpackungen (Überseekiste), Kosten für den grenzüberschreitenden Verkehr sowie die mit der Entsorgung von Reststoffen verbundenen Gebühren, wie Verwertungs- und Beseitigungskosten.

5.1.3 Kriterium C: Datenbasis Zur Durchführung der Materialflussrechnung wird eine umfangreiche Datenbasis benötigt. Die „Wirtschaftlichkeit“ der Materialflussrechnung hängt somit wesentlich vom Aufwand für die Bereitstellung und Auswertung dieser Datenbasis ab. Um den Aufwand zu begrenzen sollte daher in hohem Maße auf die im Unternehmen bestehende Datenbasis zurückgegriffen werden. Umfassende zusätzliche Datenerhebungen sind in der Regel nicht wirtschaftlich. Grundsätzlich kann für die Materialflussrechnung eine separate Datenbasis geschaffen oder das bestehende ERP-System genutzt werden.

ERP-Systeme (Enterprise Resource Planing Systems) sind integrierte Softwaresysteme für betriebliche Anwendungen von Herstellern wie SAP, Oracle, Baan, SSA, etc. Sie umfassen vollständig oder eingeschränkt Funktionalitäten wie Auftragsannahme, Beschaffung, Produktionsplanung, Versand, Finanzbuchhaltung und Controlling. Die Abbildung und Planung von Materialflüssen erfolgt im wesentlichen durch einheitliche Strukturelemente wie Materialstammdaten, Lagerorte, Fertigungsaufträge, Stücklisten und Arbeitspläne. Zunächst erscheint es einfacher und nahe liegender, sich für die Materialflussrechnung eine separate Datenbasis zu schaffen. Hierfür können zahlreiche bestehende Datenquellen wie Entsorgungsdaten oder Produktionsstatistiken genutzt werden. Häufig wird diese Datenbasis um Schätzwerte und Stichprobenwerte ergänzt. Diese Form der „Datensammlung“ hat einige Vorteile aber auch entscheidende Nachteile. Die Vorteile liegen darin, dass relativ schnell erste Auswertungen zur Verfügung stehen. Diese Form eignet sich daher besonders für eine einmalige Projektrechnung mit anschließender Maßnahmenentwicklung, bleibt aber ohne dauerhafte Effekte. Für eine dauerhafte Materialflussrechnung ist die separate Datenbasis eher ungeeignet. Es ist in jedem Fall sinnvoll, auf den Daten des bestehenden ERP-Systems aufzubauen, denn diese Systeme beinhalten erhebliche Datenmengen über Materialflüsse und –bestände in hoher Detailliertheit. Allerdings weisen die ERP-Systeme bislang keinen eindeutigen Materialflussbezug auf. Zahlreiche Fallstudien haben sogar gezeigt, dass die Systeme inkonsistente Materialdaten aufweisen, die nur eingeschränkt genutzt werden können. Daher

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

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ist es notwendig, vor Durchführung der Materialflussrechnung diese Systeme zu analysieren und gegebenenfalls zu präzisieren.

5.2 Ausgewählte Varianten in der Praxis Um den Einstieg in die Materialflussrechnung zu erleichtern ist es empfehlenswert, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen und die Einführung in mehrere Phasen aufzuteilen. So ist es in der Regel sinnvoll, sich zu Beginn auf die Materialkosten zu konzentrieren und die Systemkosten bei Bedarf erst in einer späteren Phase hinzuzunehmen. Aus den im vorigen Abschnitt aufgezeigten Bereichen lassen sich zahlreiche Varianten der Materialflussrechnung ableiten (Abbildung 6). Für den Einstieg sind die drei Varianten, die in der folgenden Tabelle aufgeführt und anschließend einzeln beschrieben sind, besonders geeignet.

Varia

nte Materialfl

uss-modell

Kostenarten Datenbasis Kommentar Auf-wand

1 Input-Output

Materialkosten, Entsorgungs-kosten

Separate Datenbasis

Einfache Einstiegsvariante; insbesondere zur Abschätzung der Kostenrelevanz und für Dienstleitungsunternehmen geeignet

2 Reststoff- flüsse

Materialkosten, Systemkosten, Entsorgungs-kosten

separate Datenbasis

Sinnvolle Variante im Rahmen eines Projektes zur einmaligen Kostensenkung; auch für kleine Unternehmen geeignet (Reststoffkostenrechnung).

3 Gesamter Material- fluss

Materialkosten ERP-Systeme

Verbreitetste Variante der Materialflussrechnung, da hier das Verhältnis von Aufwand und Transparenzgewinn in einem sehr günstigen Verhältnis steht.

Abbildung 12: Varianten der Materialflussrechnung

5.2.1.1 Variante 1 Variante 1 ist die einfachste Variante. Für die Materialzugänge ins Unternehmen wird der Materialwert ermittelt und für die Materialabgänge werden die Entsorgungskosten herangezogen. In der Regel sind diese Kostendaten im Unternehmen vorhanden und müssen nur systematisiert und aufbereitet werden. Auf dieser Datenbasis kann bereits eine erste Priorisierung der kostenrelevanten Handlungsfelder erfolgen, die dann zu einer Fokussierung der Maßnahmenentwicklung beitragen kann. Da diese Variante keinen Aufschluss über innerbetriebliche Zusammenhänge liefert, ist eine Schwachstellenanalyse und die exakte Identifikation von Defiziten (z.B. Materialnummern oder Maschinen mit hohem

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 25

Verlust, Produkte mit hohem Verpackungsanteil etc.) nicht möglich. Die Variante eignet sich daher besonders für Unternehmen mit geringer Komplexität der innerbetrieblichen Materialflüsse (insbesondere Dienstleistungsunternehmen) oder für eine erste Kostenabschätzung um zu klären, ob und in welchen Bereichen eine detailliertere Materialflussrechnung eingesetzt werden sollte.

5.2.1.2 Variante 2 Variante 2, die auch als Reststoffkostenrechnung bezeichnet wird, erfordert bereits einen etwas größeren Aufwand und ist daher als eigenständiges Projekt anzusehen. Betrachtet werden alle Materialflüsse, die das Unternehmen als Reststoff (Abluft, Abwasser, Abfälle) verlassen. Zunächst werden die Entsorgungsmengen und –kosten ermittelt. Zur Ermittlung der Materialkosten wird ein Zusammenhang zwischen Entsorgungsfraktionen und den beschafften Materialklassen hergestellt. Der durchschnittliche Beschaffungspreis der Materialklassen wird dann verwendet, um die Entsorgungsmenge zu bewerten. Anhand des Verlaufs der Reststoffflüsse werden dann abschließend entsprechende Systemkosten abgeschätzt. Dieses Vorgehen ist in der Regel mit zahlreichen Schätzungen, Annahmen und Durchschnittbewertungen verbunden, so dass die Datenbasis eine mehr oder weniger große Unschärfe enthält. Im Vergleich zu Variante 1 lassen sich aber bereits erste Aussagen über innerbetriebliche Zusammenhänge treffen (z.B. Materialklasse mit dem höchsten Materialverlust, Produktionsbereich mit dem höchsten Materialverlust, Entsorgungsfraktion mit dem höchsten Materialwert etc.). Die unscharfe Datenbasis dieser Variante erschwert eine dauerhafte Rechnung, da eine Auswertung über mehrere Perioden hinweg kaum zuverlässige Aussagen ermöglicht. Die Reststoffkostenrechnung ist daher besonders als einmalige Projektrechnung zu empfehlen, wenn es darum geht, in einem begrenzten Zeitraum, kostenrelevante Materialverluste zu identifizieren und zu reduzieren. Zudem ist die Reststoffkostenrechnung ein detailliertes Verfahren, um Relevanz und Schwerpunkte einer umfassenderen Materialflussrechnung auszuloten.

5.2.1.3 Variante 3 Mit Variante 3 wird die Materialflussrechnung dauerhaft in Unternehmen etabliert; sie ist daher die Aufwändigste der Varianten. Hier werden die Materialkosten im Detail betrachtet. Der Fluss des ins Unternehmen eingehenden Materialwerts wird über alle innerbetrieblichen Bereiche (Lagerorte, Produktionsanlagen, Umwelttechnologie, etc.) detailliert verfolgt, bis das Material das Unternehmen als Produkt, Verpackung oder Reststoff wieder verlässt. Diese Variante baut vollständig auf den Daten bestehender ERP-Systeme auf. Die Flussverfolgung erfolgt für jede einzelne eingehende Materialnummer so, dass die Bewertung auf Basis vorhandener Durchschnitts- oder Standardpreise erfolgen kann. Die Materialbewertung erfolgt somit einheitlich für Material in Produkt und Verpackung und für Materialverluste. Somit kann der Materialverlust pro Materialnummer exakt bewertet und auf Maschine, Lagerort oder Produkt zugeordnet werden. Die dabei erzeugte Datenbasis kann mit hoher Genauigkeit und Detailliertheit Aussagen über innerbetriebliche Zusammenhänge treffen (Maschine mit dem höchsten Materialverlust, Produkt mit dem höchsten Materialverlust, Produkt mit dem höchsten Verpackungsanteil etc.). Diese Variante stellt zwar einen höheren Einführungsaufwand dar (insbesondere für Anpassung des ERP-Systems), kann aber dafür als dauerhaftes Instrumentarium eines kontinuierlichen

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

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Verbesserungsprozesses wirkungsvoll zur Reduzierung des Materialeinsatzes beitragen. Da diese Variante nach der Einführung vollständig auf Daten des bestehenden ERP-Systems aufbaut, ist der laufende Aufwand gering. Manuelle Erfassungen sind nicht notwendig. Zudem ermöglicht diese Variante, die Datenkonsistenz bestehender ERP-Systeme zu prüfen und zeigt dabei häufig erhebliche Defizite auf. Variante 3 der Materialflussrechnung, die integrierte Materialflussrechnung, ist mit dem höchsten Effekt für Kostensenkung, Umweltentlastung und nachhaltiges Wirtschaften verbunden, daher soll die Vorgehensweise zur Einführung kurz dargestellt werden. Wenn diese Variante für Ihr Unternehmen ungeeignet erscheint, können Sie den Exkurs überspringen.

5.3 Aufbau einer Integrierten Materialflussrechnung Das Vorgehen beginnt mit der Modellierung und Analyse der betrieblichen Materialflüsse, anschließend werden die relevanten Materialbuchungen im ERP-System ermittelt und zum Schluss alle relevanten Elemente des ERP-Systems im Hinblick auf die Materialflussrechnung angepasst und weiterentwickelt.

3. Schritt:Entwicklung desERP-Systems

3. Schritt:Entwicklung desERP-Systems

Physische MaterialflüssePhysische Materialflüsse

ERP-SystemERP-

System

SteuerungAbbildung

2. Schritt:Durchführung derFlussrechnung

2. Schritt:Durchführung derFlussrechnung

1. Schritt:Modellierung und Analyse

1. Schritt:Modellierung und Analyse

StrukturdatenStrukturdaten

AnpassungAnpassung

MaterialdatenMaterialdaten

AnpassungAnpassung

3. Schritt:Entwicklung desERP-Systems

3. Schritt:Entwicklung desERP-Systems

Physische MaterialflüssePhysische Materialflüsse

ERP-SystemERP-

System

SteuerungAbbildung

2. Schritt:Durchführung derFlussrechnung

2. Schritt:Durchführung derFlussrechnung

1. Schritt:Modellierung und Analyse

1. Schritt:Modellierung und Analyse

StrukturdatenStrukturdaten

AnpassungAnpassung

MaterialdatenMaterialdaten

AnpassungAnpassung

Abbildung 13: Vorgehensweise

5.3.1 Modellierung und Analyse Im ersten Schritt muss geklärt werden, welche relevanten Materialflussdaten für die Materialflussrechnung im ERP-System vorhanden sind. Die ERP-Systeme bilden zwar die Materialflüsse ab und erzeugen so zahlreiche Materialdaten, die Ausrichtung dieser Systeme zielt aber auf die Steuerung der Materialflüsse und nicht auf eine flussorientierte Abbildung ab. Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen den Materialdaten im ERP-System und den physischen Materialflüssen zu klären. Aus diesem Grund werden zunächst zwei Modelle erstellt, die anschließend abgeglichen werden:

• Modell der physischen Materialflüsse

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 27

• Modell der Buchungsstruktur im ERP-System (materialbezogene Buchungen) • Abgleich von Buchungsstruktur und Materialflüssen

Im Rahmen der Modellierung der physischen Materialflüsse und Mengenstellen werden alle räumlichen Orte abgegrenzt, an denen Material gelagert, transformiert und geprüft wird und die Materialflüsse zwischen diesen Orten aufgezeigt. Mit der Festlegung des Materialflussmodells werden bereits wesentliche Vorgaben und Strukturen für die Materialflussrechnung getroffen. Für die Modellierung der Buchungsstruktur müssen zunächst die ERP-Module mit Materialflussdaten sowie deren Schnittstellen ermittelt werden (Lagerverwaltung, Beschaffung, Produktionsplanung und -steuerung, Finanz, Versand, etc.). Das Modell des ERP-Systems zeigt dann die Struktur aller Materialbuchungen, denen physische Materialflüsse zugrunde liegen. Das Modell beinhaltet folgende Angaben: Lagerorte, Fertigungsaufträge, Arbeitsgänge, Kostenstellen, Bewegungsart, Bewegungsgrund, etc. Im Anschluss an die Modellierung findet ein Abgleich der beiden Modelle statt. Zu diesem Zweck werden die beiden Modelle in zwei Schichten übereinander gelegt, um folgende Überschneidungen und Abweichungen aufzuzeigen:

• Mengenstellen (physische Ebene) und Buchungseinheiten (ERP-System) • Materialflüsse (physische Ebene) und Materialbuchungen (ERP-System)

Berechnung von Differenzen / MaterialverlusteBerechnung von Differenzen / Materialverluste

FAB 01Lagerort 01 Lagerort 03

MaterialProdukteVerpackung

Materialverluste

Lief

eran

t

Ausgangs-lager

Entsor-gung

Kun

deEn

tsor

ger

Reststoffe

• Lagerorte, Aufträge, Kostenstellen

• Bewegungsarten• Materialstammdaten• Stücklisten• ....

Materialdaten im IT-Umfeld

• Lagerorte, Aufträge, Kostenstellen

• Bewegungsarten• Materialstammdaten• Stücklisten• ....

Materialdaten im IT-Umfeld

Physischer Materialfluss

• Physische Lagerorte,

• Produktionsbereiche• ...

Physischer Materialfluss

• Physische Lagerorte,

• Produktionsbereiche• ...

Eingangs-lager

Produktion

Abbildung 14: Abgleich von Materialflussmodell und Buchungsstruktur

Aufgrund dieses Abgleichs lässt sich analysieren, welche Bestands- und Flussdaten des ERP-Systems in welcher Struktur dem Materialflussmodell zugeordnet werden können. Damit ist auch die potentielle Datenbasis für die Materialflussrechnung definiert. Gleichzeitig ergibt der Abgleich Hinweise auf Datenlücken und Inkonsistenzen.

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

28

5.3.2 Durchführung der Integrierten Materialflussrechnung Die Berechnungsformen der Materialflussrechnung benötigen eine definierte Datenbasis für eine einheitliche Periode:

• Stammdaten für alle Artikel (Material-Nr., Material-Preis, Gewicht, etc.), • Materialbewegungen (Material-Nr., Bewegung von X nach Y, Bewegungsgrund), • Daten für alle Materialbestände (Material-Nr., Anfangsbestand, Endbestand), • Netto-Stückliste für alle Zwischen- und Endprodukte.

Die Daten werden durch Abfragen oder kleine Programme im ERP-System zusammengestellt und in Tabellenform entsprechend den Anforderungen abgelegt. Falls die Durchführung der Materialflussrechnung nicht im ERP-System, sondern in einer externen Datenbank erfolgt, werden die Tabellen in ein anderes System exportiert. Den Berechnungsalgorithmen liegt eine Stücklistenauflösung bis auf Rohstoffebene zugrunde. Für alle Zwischen- und Endprodukte können so direkt die darin enthaltenen Rohstoffe angegeben werden. Diese Auflösung ist notwendig, weil angesichts der Wertschöpfung in den Fertigungsaufträgen nur auf Rohstoffebene eine Differenzrechnung durchgeführt werden kann. Die Berechnung der Flussdaten erfolgt gesondert für alle betrachteten Buchungseinheiten (Lagerorte, Fertigungsaufträge, Arbeitsgänge, Kostenstellen etc.). Der Differenzrechnung liegt folgende Gleichung zugrunde: Anfangsbestand+Zugänge-Abgänge-Endbestand = Materialverluste + Buchungsfehler Die Berechnung wird auf Artikel-Ebene durchgeführt und dann über alle Artikel für die Produktionsbereiche, Lager, Kostenstellen, etc. aufaddiert. In dieser Berechnung werden die Materialmengen und die auf Basis der in den Stammdaten enthaltenen Preise ermittelten Materialwerte parallel geführt, so dass die Materialverluste sowohl in Mengen als auch in Euro-Werten ausgewiesen werden können. Die detaillierte Datenbasis, die sich aus der Materialflussrechnung ergibt, kann dann in Form von Flussdaten dem Materialflussmodell und der Buchungsstruktur zugeordnet und analysiert werden. Die Festlegung von Maßnahmen erfolgt auf Basis der detaillierten Flussdatentabellen. Dort werden die Artikel und Fertigungsaufträge mit den größten Verlustpositionen identifiziert. Darauf aufbauend findet die Ursachenermittlung in Form von Gesprächen mit den entsprechenden Verantwortlichen statt. Auf Basis dieser ersten Materialflussrechnung können erste Handlungsschwerpunkte für die Maßnahmenentwicklung ermittelt und geklärt werden, ob und in welcher Form die Materialflussrechnung dauerhaft durchgeführt werden soll.

5.3.3 Entwicklung des ERP-Systems Wenn nach der erstmaligen Durchführung der Materialflussrechnung beschlossen wird, dass dieses Instrumentarium dauerhaft eingesetzt wird, sollte eine weitestgehende Nutzung des ERP-Systems erfolgen. Wesentliche Ziele dieser Integration sind:

• die Datenqualität und -zuverlässigkeit zu erhöhen, • die Detailliertheit der Daten in Abstimmung mit den Datennutzern zu steigern und • den Aufwand für die Materialflussrechnung zu reduzieren.

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 29

Der erste Schritt der Integration muss darin bestehen, die Abbildung der Materialflüsse im ERP-System gemäß den Anforderungen der Materialflussrechnung zu präzisieren. Im nächsten Schritt können nun die Berechnungsalgorithmen für die Materialflussrechnung abschließend festgelegt und implementiert werden. Von der verbesserten Datenbasis in den Materialdaten und den zusätzlichen Auswertungen der Materialflussrechnung kann in einem weiteren Schritt auch das konventionelle Rechnungswesen profitieren. Die Implementierung der Materialflussrechnung kann direkt in die Datenbank des ERP-Systems, in das Datawarehouse oder in eine eigenständige Datenbank mit Schnittstellen zum ERP-System erfolgen.

5.4 Kostenmanagement und Organisationsentwicklung Kostenrechnungsansätze produzieren zunächst nur umfangreiche Datenmengen. Wenn diese Daten nicht systematisch ausgewertet und daraus Veränderungen abgeleitet werden, bleiben sie wirkungslos. Daher stellt sich auch für die Materialflussrechnung die Frage, wie sie in ein Kostenmanagement eingebettet werden und inwieweit sie zur Organisationsentwicklung beitragen kann. Diese Frage wird im Folgenden anhand von fünf Leitfragen vertieft.

5.4.1 Frage 1: Welche Abteilung kann welchen Materialfluss beeinflussen? Kostenmanagement mit der Materialflussrechnung kann von einer zentralen Controllingabteilung koordiniert werden. Die Datenanalyse und Maßnahmenentwicklung erfordert aber auch umfangreiches Detailwissen und kann daher nur von den betroffen Abteilungen durchgeführt werden. Daher muss zunächst geklärt werden, welche Abteilung Einfluss auf welchen Materialfluss hat. Dabei kann allerdings die Schwierigkeit auftreten, dass sich bestimmte Materialflüsse wie z.B. Vernichtungen aus den Lagern durch Abstimmungsprobleme zwischen den Abteilungen Vertrieb, Produktionsplanung und Produktion ergeben und somit die Beeinflussung nur gemeinsam möglich ist. In Abbildung 10 ist ein typisches Beispiel für den Zusammenhang zwischen Abteilungen und Materialflüssen dargestellt.

Mat

eria

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Pro

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Ret

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n

Produktentwicklung x x X

Vertrieb x x x x

Produktionsplanung x x

Einkauf x X

Arbeitsvorbereitung X

Produktion X

Versand x

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung

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Transport / Logistik x

Abbildung 15: Beispielhafter Zusammenhang zwischen Abteilungen und Materialflüssen

5.4.2 Frage 2: Wie sollen die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen für die Reduzierung

der Materialkosten verteilt werden? Eng verbunden mit der Frage der Beeinflussbarkeit ist die Verantwortung für die Reduzierung der Materialkosten. Hier sollte im Einvernehmen mit den betroffenen Abteilungen geregelt werden, wer die Hauptverantwortung für welches Material inne hat und welche Kompetenzen der Abteilung eingeräumt werden. In vielen Unternehmen sind die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen für die Reduzierung der Materialkosten nicht ausreichend geklärt. Dies ist umso überraschender als ja die Materialkosten einen erheblichen Kostenblock ausmachen. Da der größte Teil der Materialkosten (Materialeinzelkosten) nicht auf die operativen Kostenstellen gebucht wird, fallen die Materialkosten häufig durch das Raster von Verantwortlichkeiten und Kostensenkungs-programmen.

5.4.3 Frage 3: Wer sollte welche Daten wie oft erhalten? Nachdem nun Beeinflussbarkeit und Verantwortlichkeit geklärt sind, kann nun festgelegt werden, welche Abteilung in welchem Zeitraum welche Daten erhalten soll. Um die betroffenen Abteilungen nicht mit Daten zu überfrachten, sollte ein individueller Materialbericht mit Kennzahlen für jede Abteilung definiert werden, so dass die Mitarbeiter nur über Materialflüsse informiert werden, die sie auch tatsächlich beeinflussen können. Je detaillierter dann die Berichte sind umso besser. In jedem Fall sollten sich die Daten auf die einzelnen Materialnummern und Fertigungsaufträge beziehen. Nach Möglichkeit sollten die Flüsse auch nach verschiedenen Gründen (Produktionsverbrauch, Ausschuss, Vernichtung, Qualitätsprüfung) klassifiziert sein. So könnten Retouren in ‚Transportschäden’, ‚fehlerhaftes Produkt’ und ‚falsche Lieferadresse’ unterteilt sein. Je höher der beeinflussbare Kostenblock ist, umso häufiger und detaillierter sollten die Berichte erstellt werden.

5.4.4 Frage 4: Ist die Reduzierung der Materialkosten fester Bestandteil des Zielsystems? Die Reduzierung von Materialkosten sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Vielmehr sollte auch diese Kostenreduzierung integraler und abgestimmter Bestandteil des Unternehmerischen Zielsystems sein. Im gleichen Maße, wie die Senkung der Personalkosten oder anderer Kosten derzeit geplant wird, sollte auch die Kostensenkung im Materialbereich geplant werden. Dabei müssen natürlich potentielle Zielkonflikte (beispielsweise zwischen der Einführung neuer, retourenintensiver Vertriebsstrukturen und der Senkung der Retourenkosten um 20%) bereits im Vorfeld berücksichtigt und möglichst ausgeglichen werden. Hierbei kann beispielsweise die Balanced Score Card hilfreich sein, die eine unternehmensweite Abstimmung der Ziele im Rahmen festgelegter Bereiche ermöglicht.

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Kapitel 5: Vorgehensweise zur Umsetzung der Materialflussrechnung 31

Um den Zielen Nachdruck zu verleihen, sollten materialbezogene Ziele auch Eingang in betriebliche Anreizsysteme (Prämiensystem, leistungsabhängige Bezahlung, Wettbewerbe, etc.) finden.

5.4.5 Frage 5: Wie erfolgt die Erfolgskontrolle? Schließlich muss geklärt werden, wie die Erfolgskontrolle des Kostenmanagements mit der Materialflussrechnung sichergestellt wird. Hierzu muss die Abfolge von Zielfestlegung, Maßnahmenplanung und -realisierung und tatsächlich erzielten Ergebnissen regelmäßig auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft werden. Gegebenenfalls müssen auch von Zeit zu Zeit Anpassungen in der Struktur der Materialflussrechnung, in den Berichten oder den Anreizsystemen vorgenommen werden, um ein effektives Kostenmanagement über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.

5.5 Management Summary

Die Materialflussrechnung ist ein umfassender Kostenrechnungsansatz und kann daher in der betrieblichen Umsetzung sehr umfangreich werden. Es ist daher sinnvoll, verschiedene Varianten der Materialflussrechnung zu betrachten, um so hinsichtlich des leitbaren Aufwandes und des angestrebten Nutzens eine zum Unternehmen passende Ausgestaltungsform zu finden. Das Vorgehen beginnt mit der Modellierung und Analyse der betrieblichen Materialflüsse, anschließend werden die relevanten Materialbuchungen im ERP-System ermittelt und zum Schluss alle relevanten Elemente des ERP-Systems im Hinblick auf die Materialflussrechnung angepasst und weiterentwickelt.

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Kapitel 6: Präsentations- und Berichtsformen

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6 Präsentations- und Berichtsformen Die Materialflussrechnung erzeugt eine umfassende und konsistente Flussdatenbasis. Um aus dieser umfangreichen Datenmenge handlungsorientierte Informationen zur Maßnahmenentwicklung und Entscheidungsfindung ableiten zu können, müssen periodenbezogene Verdichtungen und Auswertungen vorgenommen werden. Die Informationspräsentation basiert grundsätzlich auf zwei Aufbereitungsmethoden. Zum einen ermöglichen das Materialflussmodell mit Daten und die Flusskostenmatrix einen Gesamtblick auf die Flussmengen, -werte und –kosten des Materialflusssystems. Zum anderen versetzen, darauf aufbauend, zielgruppenorientierte Materialberichte das Unternehmen in die Lage, ausgewählte Bereiche des Materialflusssystems zu analysieren.

6.1 Materialflussmodell mit Daten Das Materialflussmodell mit Daten stellt erfahrungsgemäß die Verdichtungsform der Flussdatenbasis mit dem höchsten zusätzlichen Informationsgehalt gegenüber bisherigen Rechnungsansätzen dar. Durch diese Variante werden die Resultate der Materialflussrechnung unmittelbar in Zusammenhang mit den überwiegend bekannten betrieblichen Materialflussstrukturen präsentiert. Die Darstellungsform erlaubt einen Gesamtblick auf die Ergebnisse der Materialflussrechnung, indem die Daten periodenbezogen verdichtet und den entsprechenden Elementen im Flussmodell zugeordnet werden. Basis dieser Auswertungsform ist das im Rahmen der Materialflussmodellierung erstellte Materialflussbild (siehe auch 3.1). Bei den Daten, die im Materialflussbild visualisiert werden, handelt es sich um die Bezugsgrößen der Materialflussrechnung: Mengen, Werte und Kosten. Die entsprechenden Zahlenwerte für Flussmengen, -werte und -kosten sind den drei Rechenmodulen der Materialflussrechnung zu entnehmen. Auf der einen Seite werden in der Lagerort- und Fertigungsauftragsrechnung die Mengen bzw. Werte ermittelt, die den jeweiligen Mengenstellen im Flussbild zugewiesen werden. Auf der anderen Seite stellt die Bewegungsrechnung die Daten zur Verfügung, die benötigt werden, um den Flüssen im Materialflussbild die entsprechenden Mengen bzw. Werte zuordnen zu können. Abbildung 8zeigt ein schematisiertes Beispiel eines einfachen Materialflussbildes mit Daten. Dem in das fiktive Unternehmen eingeflossenen Materialwert von insgesamt 130 Mio. € stehen in dem Beispiel folgende Materialwertabgänge gegenüber:

• Material im Produkt (im Beispiel 112 Mio. € Warenabgang), • Materialverlust (im Beispiel 26 Mio. € Materialabgang), • Retouren, die dem Verkauf zugebucht werden (im Beispiel - 4 Mio. €

Warenabgang), • Veränderung der Materialbestände (im Beispiel - 4 Mio. € Lagerabgang).

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Kapitel 6: Präsentations- und Berichtsformen 33

Systemgrenze

Wareneingangs-lager

AB EB18 16

130

Produktion

AB EB0 0

120

Zwischenprodukt-lager

AB EB17 16

55

53

Verkauf

AB EB51 50

100Lieferant Kunde

112

4

Entsorger

Abfall- /Entsorgungs-

technikAB EB0 0

103 ( 2 + 1 )

18 ( 8 + 10 )

3 ( 2 + 1 )

2 ( 1 + 1 )

26 ( 13 + 13)

Mengenstelle

Mengenstelle- extern -

Systemgrenze

Material

Legende

Mengenstelle

Mengenstelle- Extern -

Systemgrenze

ReststoffABEB

AnfangsbestandEndbestand

Abbildung 16: Flussmodell mit Materialwerten

Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass die Werte aller Reststoffflüsse in der Abbildung in Teilmengen aufgeteilt sind. Diese Aufteilung der Materialverluste ist notwendig, da die in der Lagerort- und Fertigungsauftragsrechnung ermittelten Differenzen nicht zwangsläufig ausschließlich reale Materialverluste beinhalten, sondern auch durch Inkonsistenzen im ERP-System verursacht werden können. Letzteres beinhaltet z.B. Buchungsfehler in der Berichtsperiode, die zu Abweichungen bei der Ermittlung der Materialverluste führen. Die rot gekennzeichneten Werte stellen somit die in der Lagerort- und Fertigungsauftragsrechnung ermittelten Differenzen dar, die i. d. R. nicht alleine auf physische Verluste zurückzuführen sind. Insgesamt verdeutlicht das Materialflussbild die durchgängige Materialwertorientierung, ohne dabei Material- und Fertigungskosten zu vermischen.

6.2 Flusskostenmatrix Die Flusskostenmatrix gibt einen Überblick über alle mit den Materialflüssen verbundenen Kosten, indem die Kostenarten und die das Unternehmen verlassenden Materialflüsse gegenübergestellt werden. Als Kostenarten werden entsprechend den Finanzkategorien Materialkosten, Systemkosten sowie Liefer- und Entsorgungskosten unterschieden. Materialkosten entstehen durch den sachzielbezogenen und bewerteten Verbrauch von materiellen Gütern. Die Systemkosten sind als die Kosten definiert, die zum Zwecke der Aufrechterhaltung und Unterstützung des Materialflusses anfallen. Liefer- und Entsorgungskosten werden durch Flüsse verursacht, die das Unternehmen verlassen. Bei der Ermittlung der Kosten ist zu unterscheiden, nach welchem Verfahren zur Ermittlung des Betriebsergebnisses (Umsatzkosten- oder Gesamtkostenverfahren) vorgegangen wird.

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Kapitel 6: Präsentations- und Berichtsformen

34

Die Materialflüsse werden in folgende Kategorien unterteilt: • Materialflüsse, die das Unternehmen als Produktbestandteil verlassen, • Materialflüsse, die das Unternehmen als Verpackung verlassen, • Materialflüsse, die weder Produkt- noch Verpackungsbestandteil sind, sondern als

Materialverluste entsorgt werden. Die folgende Abbildung zeigt ein schematisiertes Beispiel einer Flusskostenmatrix, die sich am Umsatzkostenverfahren orientiert. In den Spalten sind die entsprechenden Kostenkategorien und in den Zeilen die ausgehenden Flüsse abgebildet. Im Hinblick auf weitergehende Analysen ist es möglich, an den ausgehenden Flüssen weitere Differenzierungen vorzunehmen.

Herstellkosten (Millionen €) Materialkosten Systemkosten Liefer- und Ent-

sorgungskosten Summe

Produkt 82 22 0 104 Verpackung 26 18 2 46 Materialverluste 26 4 1 31

Summe 134 44 3 181

Abbildung 17: Vereinfachte Flusskosten-Matrix

In jeder einzelnen Zelle der Matrix kann der Beitrag des jeweiligen Flusses zu den gesamten Herstellkosten ermittelt werden. So betragen die Materialkosten im Produkt 82 Mio. €. Entlang der ersten beiden Zeilen kann entnommen werden, welche Kosten für Material und Verpackung der Produkte aufgewendet wurden und wie sich diese Kosten auf Einkauf, betriebliche Leistungserstellung und Auslieferung verteilen. In der dritten Zeile sind die Kosten ausgewiesen, die ausschließlich durch Materialverluste entstanden sind. Im Beispiel stellen die Materialkosten den dominierenden Kostenblock dar (insgesamt 134 Mio. € = 74% der Herstellkosten). Darüber hinaus wird deutlich, dass auch die Materialverluste beträchtliche Kosten verursachen (insgesamt 31 Mio. € = 17% der Herstellkosten). Für die Beurteilung der Verbesserungsmöglichkeiten der Materialeffizienz stellt die Flusskostenmatrix ein geeignetes Instrument dar. Anhand der einzelnen Matrixfelder können Aussagen über Veränderungen im zeitlichen Ablauf bezogen auf einen Standort bzw. auf mehrere Standorte eines Unternehmens getroffen werden. Auch verschiedene Unternehmen derselben Branche lassen sich so hinsichtlich ihrer Flusskostenstruktur miteinander vergleichen.

6.3 Materialbericht Ein wesentlich detaillierteres Instrument der Auswertung und Berichterstattung stellt der Materialbericht dar. Aufgrund der Tatsache, dass die Verantwortlichen der Produktionsbereiche bislang nur unzureichend über ihre Materialkosten informiert werden, schließt der Materialbericht diese Informationslücke und beseitigt gleichzeitig die Diskrepanz zwischen Kostenverursachung und Kostenverantwortung.

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Kapitel 6: Präsentations- und Berichtsformen 35

Im Materialbericht werden die in den Rechenmodulen ermittelten Flussdaten den zu analysierenden Organisationseinheiten zugeordnet. Das können zum einem die im Rahmen der Materialflussmodellierung abgegrenzten Mengenstellen sein. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit Lagerorte, Fertigungsauftragsbereiche, Kostenstellen oder einzelne Anlagen heranzuziehen, für die vielfältige Verdichtungsvarianten beispielsweise bis auf Produktionsbereichsebene bestehen. Auf diese Weise können für jede Organisationseinheit die Bestandsveränderungen, die wertschöpfenden Materialflüsse sowie die Materialverluste veranschaulicht werden. Materialbestände, Materialflüsse und Materialverluste sind parallel in Mengeneinheiten (kg, Stück, Meter, Rolle, etc.) und in Werten darstellbar. Die Materialdaten können sowohl durchgängig für jede Rohstoffnummer als auch für jede (Zwischen-)Produktnummer ausgewiesen werden. Gleichzeitig erlaubt diese Auswertungsmethode eine bereichsübergreifende Zuordnung von Mengen und Werten zu den Produkten und Einsatzmaterialien des Unternehmens, ebenfalls mit den entsprechenden Differenzierungsmöglichkeiten, z.B. bis auf Materialklassenebene. Für Kostenstellenverantwortliche kann es z.B. interessant sein, sich einen Überblick über kostenstellenrelevante Sachverhalte zu verschaffen. Dafür sind bezogen auf den Berichtszeitraum beispielsweise folgende Informationen interessant:

• Wie hoch kann der Materialeinsatz in Mengen und Werten beziffert werden? • Sind außergewöhnliche Materialverluste aufgetreten? • An welchen Maschinen sind diese angefallen? • Welche Einsatzmaterialien und Artikel sind davon betroffen? • etc.

Im Hinblick auf die Aktualität entscheidungsrelevanter Informationen empfiehlt sich eine quartalsweise, nach Möglichkeit sogar monatliche oder wöchentliche Erstellung der Materialberichte. Mit den Auswertungen, die im Rahmen des Materialberichts angeboten werden, erhalten die verschiedenen Zielgruppen auf schnelle und komfortable Weise wichtige Detailinformationen und können dann entsprechend reagieren.

6.4 Management Summary

Die Daten und Ergebnisse der Materialflussrechnung können in Form von drei Präsentations- und Berichtsformen zusammenfassend dargestellt werden. Das Materialflussmodell mit Daten und die Flusskostenmatrix ermöglichen einen Gesamtblick auf die Flussmengen, -werte und –kosten des Materialflusssystems. Darauf aufbauend versetzen zielgruppenorientierte Materialberichte das Unternehmen in die Lage, ausgewählte Bereiche des Materialflusssystems zu analysieren.

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Kapitel 7: Nutzen

36

7 Nutzen Der Gesamtnutzen der Materialflussrechnung erschließt sich nicht nur allein aus den Ergebnissen der einzelnen Bausteine. Potenziale zur Erhöhung der Transparenz ergeben sich vielmehr erst in Kombination mit den Erkenntnissen aus der Materialflussmodellierung und der Modellierung der materialflussrelevanten Bereiche des ERP-Systems. Der zentrale Nutzen der Materialflussrechnung beschränkt sich deshalb nicht nur auf die Herstellung einer verbesserten Materialflusstransparenz, sondern ist unmittelbar mit einer verbesserten Materialbuchungstransparenz verbunden. Diese neu gewonnene Transparenz macht es erst möglich, bereichsübergreifende Maßnahmen zur Reduzierung der Materialflüsse und zu deren optimierten Abbildung im ERP-System zu entwickeln. Ein weiterer Effekt der Materialflussrechnung und gleichzeitig Voraussetzung für eine dauerhafte Verbesserung der Materialeffizienz ist die Optimierung des Berichtswesens, insbesondere des Materialreportings.

7.1 Verbesserung der Transparenz von Materialflüssen und

Materialbuchungen Das Verfahren der Materialflussrechnung stellt im Gegensatz zu den konventionellen Kosten-rechnungsverfahren eine durchgängige Transparenz der betrieblichen Materialflüsse her. Die exakte Darstellung der Struktur der betrieblichen Materialflüsse in einem Materialflussmodell und die damit verbundene Erweiterung der klassischen logistischen Kette um die Reststoffflüsse ermöglicht es einem Unternehmen, die Potenziale des ERP-Systems zur Abbildung der Materialflussdaten besser zu nutzen. Bisher wurden in diesen Systemen die Materialbuchungen nur sehr lückenhaft abgebildet. Indem die physischen Materialflüsse und deren buchungstechnische Abbildung im ERP-System aufeinander abgestimmt werden, vermeidet die Materialflussrechnung die bestehenden Konsistenzprobleme der konventionellen Kostenrechnung. Die im Rahmen der Materialflussrechnung durchgeführte einheitliche Materialbepreisung in der Neukalkulation stellt die Basis für eine durchgängig separate Ausweisung von Materialflussmengen, -werten und –kosten dar. Im ERP-System wird zudem die Voraussetzung geschaffen, für jeden Lagerort, jeden Fertigungsbereich und jede Materialbewegung transparente Daten bereitzustellen, ohne dabei Material-, System- und Entsorgungskosten zu vermischen. Insbesondere durch die Analyse der Flüsse und Bestände auf Eingangsmaterialebene trägt die Materialflussrechnung entscheidend dazu bei, eine neue Sichtweise auf die komplexe Realität des Materialflusssystems zu schaffen.

7.2 Verbesserung von Materialflüssen und Materialbuchungen Die Transparenz der Materialflüsse und der sie abbildenden Materialbuchungen ist die Voraussetzung für die Identifizierung von Handlungsfeldern und die Entwicklung von

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Kapitel 7: Nutzen

37

Maßnahmen. Der Fokus der Maßnahmen liegt zum einem auf der Reduzierung des Materialeinsatzes entsprechend der Materialflusstransparenz und zum anderem auf der Anpassung des ERP-Systems auf der Grundlage der Materialbuchungstransparenz.

7.2.1 Reduzierung von Materialeinsatz, Kostensenkung und Verbesserung der

Umweltleistung Ein zentraler Nutzen der Materialflussrechnung besteht darin, dass die realisierten Maßnahmen zur Reduzierung des Materialeinsatzes im Produkt und der Materialverluste führen. Die Maßnahmen müssen dazu geeignet sein, den Umgang mit Material im Unternehmen so zu verändern, dass jedes Material mittelbar oder unmittelbar zur Wertschöpfung beiträgt. Im Vordergrund stehen organisatorische und technische Lösungen zur Effizienzsteigerung. Dabei lassen sich folgende Handlungsschwerpunkte abgrenzen:

• Entwicklung von Produkten und Verpackungen, • organisatorische Maßnahmen, • technische Optimierungen bestehender Produktionsanlagen, • Investition in neue Produktionsanlagen.

Gleichzeitig werden durch die verbesserte Materialeffizienz bestehende Kostensenkungspotenziale genutzt, die darüber hinaus auch zu Umweltentlastungen führen.

7.2.2 Anpassung des ERP-Systems Im Rahmen der Modellierung der materialflussbezogenen Bereiche des ERP-Systems wird der Frage nachgegangen, welche Materialflussdaten in welcher Struktur im ERP-System dokumentiert sind. Ausgehend von der verbesserten Abbildung der Materialflüsse und –bestände werden Anpassungen zur Entwicklung der materialflussrelevanten Bereiche des Informations-systems vorgenommen. Die Anpassungen können beispielsweise in folgenden Bereichen vorgenommen werden:

• Aufbau bzw. Korrektur des Materialklassifizierungssystems, • flussorientierte Abgrenzung und Differenzierung von Buchungsstellen

(Lagerorte, Fertigungsauftragsbereiche, Kostenstellen), • Erweiterung der bestandsgeführten Artikel, • an Materialflussgründen orientierte Differenzierung der Bewegungsschlüssel, • Vorgaben und Systemeinstellungen zur Vermeidung von Buchungsfehlern, • Verbesserung von Stücklistenänderung und –verwaltung, • Integration von physischen Mess- und Wiegestellen etc.

Insbesondere die Konsistenzprüfung, die die materialflussrelevanten Daten aus dem ERP-System auf Konsistenz und Vollständigkeit überprüft, liefert hierzu die für die Identifizierung

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Kapitel 7: Nutzen

38

potentieller Handlungsfelder benötigten Informationen. Eine Folge dieser Maßnahmen ist, dass die Datenqualität und der Detaillierungsgrad der Daten verbessert werden.

7.3 Verbesserung des Materialreportings Das Ziel des Materialreportings besteht darin, den Entscheidungsträgern im Unternehmen materialflussorientierte Informationen bereitzustellen. Grundlage eines dauerhaften Materialreportings ist es, dass die Flussdaten kontinuierlich erhoben und die daraus resultierenden Modifikationen permanent umgesetzt werden. Auf diese Weise wird der kontinuierliche Verbesserungsprozess aufrechterhalten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und ein zeitnahes Reporting entsprechend den individuellen Informationsbedürfnissen der Entscheidungsträger zu gewährleisten, werden Standardreports zur Verfügung gestellt werden bzw. die Reports können gemäß den Anforderungen angepasst werden. Inhaltlich tragen Materialreports dazu bei, Kostenstellenverantwortliche über die Höhe der verursachten Materialkosten zu informieren und damit die Defizite der bisherigen Praxis auszugleichen. Den Entscheidungsträgern wird damit direkte Kostenverantwortung für die Materialkosten übertragen. Die Frage nach dem Nutzen eines dauerhaften Materialreportings kann zusammenfassend damit beantwortet werden, dass für eine langfristige Integration der Materialflussrechnung im Unternehmen zielgruppenbezogene Informationen kontinuierlich den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden. Das folgende schematisierte Szenario zeigt beispielhaft, welche Potenziale mit einem Kostenmanagement auf der Basis der Materialflussrechnung genutzt werden können. Das Szenario basiert auf dem Beispiel aus den vorangegangenen Kapiteln (Abbildung 6 und Abbildung 7).

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Kapitel 7: Nutzen

39

Nutzenszenario * Ausgangsdaten: Jahresumsatz: 206 Mio. € Gewinn: 10,3 Mio. € (Umsatzrendite von ca. 5%) Kosten der betrieblichen Leistungserstellung: 196 Mio. € davon 134 Mio. € Materialkosten (Materialverluste von 19,4 % ergibt 26 Mio. €) davon 82 Mio. € im Produkt davon 26 Mio. € in der Verpackung davon 44 Mio. € Systemkosten .....davon 3 Mio. € Liefer- und Entsorgungskosten Maßnahmen: 1. Reduzierung der Materialverluste 10% (2,6 Mio. €) 2. Reduzierung der Materialmenge im Produkt 1,0 % (0,82 Mio. €) 3. Reduzierung der Materialmenge in der Verpackung 3% (0,78 Mio. €) Hieraus ergibt sich in Summe eine jährliche Senkung der Materialkosten um ca. 4,2 Mio. € Durch die Maßnahmen reduzieren sich die Liefer- und Entsorgungskosten um ca. 0,3 Mio. € Aufwand: Die Investitionen zur Realisierung der Maßnahmen belaufen sich auf 5 Mio. € Nutzen: Die Maßnahmen amortisieren sich nach einem Jahr und fünf Monaten. Danach hat sich der Gewinn des Unternehmens um ca. 34% erhöht. * Zur Vereinfachung werden Steuern in diesem Szenario nicht berücksichtigt. Flusskosten und Kosten der betrieblichen Leistungserstellung sind identisch.

7.4 Management Summary

Die Durchführung einer Materialflussrechnung führt zu einer neuen, detaillierten Sicht auf die Materialflüsse und damit auf den größten Kostenblock des Unternehmens. Die sich daraus ergebenden Handlungsschwerpunkte zur Maßnahmenentwicklung fokussieren die Reduzierung des Materialeinsatzes und damit verbundene Kostensenkungen bei gleichzeitiger Umweltentlastung.