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Bauhaus 1919-1933 Michael Siebenbrodt & Lutz Schöbe

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Das Bauhaus ist eine der bedeutendsten kulturellen Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. Walter Gropius gründetedas Designinstitut 1919 in Weimar und bald darauf war es auch in Dessau und Berlin tätig. Die Professoren,

Walter Gropius (1919-1928), Hannes Meyer (1928-1930) und Ludwig Mies van der Rohe (1928-1930), waren bekannteArchitekten ihrer Zeit. Die Arbeiten der Bauhaus-Künstler Lyonel Feininger, Wassily Kandinksy, Paul Klee, GerhardMarcks, Oskar Schlemmer und László Moholy-Nagy sowie ihrer Studenten und Fakultätsmitglieder Josef Albers,Herbert Bayer, Marcel Breuer, Gunta Stölzl und Joost Schmidt wurden ausnahmslos bewundert und weckten dasInteresse vieler Museen auf der ganzen Welt.

Auf der Basis neuer ästhetischer Perspektiven und kreativer Lehrmethoden wurde das Bauhaus gegründet, umArchitekten, Designer und Künstler für eine neue demokratische Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg auszubilden.Der Lehrplan bestand aus gestalterischen Übungen, der Vermittlung eines grundlegenden Kunstverständnisses sowieWerkstatt- und Gruppenarbeiten. Angetrieben von einem sozialen Bewusstsein, schloss sich das Bauhaus schon baldder Industrialisierung und Massenproduktion an und konzipierte zahlreiche Arbeiten, die nicht nur gestalterischschön, sondern vor allem haltbar, nützlich und erschwinglich waren.

Auch heute noch schenkt man der Gestaltungslehre des Bauhauses an Architektur-, Design- und Kunsthochschulengroße Beachtung. Die Entwürfe und Arbeiten des Bauhauses, wie zum Beispiel Marcel Breuers berühmte Stahlrohr-Möbel, wurden zu preisgünstigen Designklassikern. Die Gebäude des Bauhauses haben Architekturgeschichtegeschrieben und gehören mittlerweile zum Weltkulturerbe der UNESCO.

1933 wurde das Bauhaus von den Nationalsozialisten geschlossen, was dazu führte, dass viele der Mitgliederdas Land verließen (viele emigrierten in die USA) und trugen somit den Gedanken des Bauhauses in die Welt.

Dieses Buch bietet einen Überblick über die Geschichte des Bauhauses, begleitet von einer reichen Auswahlan Bildern. Die Autoren geben dem Leser in sehr verständlicher Weise Aufschluss über die Entwicklung undVerbindung des Bauhauses zu anderen Kunstströmungen.

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Autoren: Michael Siebenbrodt und Lutz SchöbeRedaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

Layout:Baseline Co. Ltd.33ter-33bis Mac Dinh Chi StreetStar Building, 6th FloorDistrict 1, Ho Chi Minh CityVietnam

© Parkstone Press International, New York, USA© Confidential Concepts, worldwide, USA

© The Josef and Anni Albers Foundation,Artists Rights Society, New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn

© Alfred Arndt, Artists Rights Society, New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn

© Gertrud Arndt, Artists Rights Society, New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn

© Theo Ballmer, alle Rechte vorbehalten© Klaus Barthelmess, alle Rechte vorbehalten© Rudolf Baschant, alle Rechte vorbehalten© Eugen Batz, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Herbert Bayer, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Irene Bayer, alle Rechte vorbehalten© Johannes Berthold, alle Rechte vorbehalten© Marianne Brandt, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Marcel Breuer, alle Rechte vorbehalten© Theodor Bogler, alle Rechte vorbehalten© Paul Citroën, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Edmund Collein, alle Rechte vorbehalten© Dr. Stephan Consemüller© Martin Decker, alle Rechte vorbehalten© Walter Determann, alle Rechte vorbehalten© Friedl Dicker, alle Rechte vorbehalten© Otto Dorfner : Frau Dorfner Erbs© Franz Ehrlich, alle Rechte vorbehalten© Hugo Erfurt, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Friedrich Engemann, alle Rechte vorbehalten© Lyonel Feininger, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Lux Feininger, alle Rechte vorbehalten© Carl Fieger, alle Rechte vorbehalten© Hermann Fischer, alle Rechte vorbehalten© Walter Funkat, alle Rechte vorbehalten© Walter Gropius, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Josef Hartwig, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Fritz Heinze, alle Rechte vorbehalten© Toni Hergt, alle Rechte vorbehalten© Wilhelm Heß, alle Rechte vorbehalten© Ludwig Hirschfeld-Mack, alle Rechte vorbehalten© Karl Hermann Haupt, alle Rechte vorbehalten© Charlotte Schultze-Marovsky, alle Rechte vorbehalten© Adolf Hofmeister, alle Rechte vorbehalten© Johannes Itten, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Hedwig Jungnik, alle Rechte vorbehalten© Wassily Kandinsky Estate, Artists Rights Society,

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New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Heiner Knaub, alle Rechte vorbehalten© Kurt Kranz, alle Rechte vorbehalten© Max Krehan, alle Rechte vorbehalten© Max Krajewski, alle Rechte vorbehalten© Benita Koch-Otte, alle Rechte vorbehalten© Walter Köppe, alle Rechte vorbehalten© Felix Kube, alle Rechte vorbehalten© Werner Kubsch, alle Rechte vorbehalten© Magda Langenstraß-Uhlig, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Otto Lindig : Prof. Ingrid Conrad-Lindig© Margaret Lowe© Rudolf Lutz, alle Rechte vorbehalten© Arnulf Lutz, alle Rechte vorbehalten© Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen© Adolf Meyer, alle Rechte vorbehalten© Hannes Meyer, alle Rechte vorbehalten© Ludwig Mies van der Rohe, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© László Moholy-Nagy, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Lucia Moholy, Artists Rights Society,

New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Farkas Molnár, alle Rechte vorbehalten© Georg Muche, alle Rechte vorbehalten© Theobald Emil Müller-Hummel, alle Rechte vorbehalten© Pius Pahl, alle Rechte vorbehalten© Gyula Pap, Artists Rights Society, New York,

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USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Reinhold Rossig, alle Rechte vorbehalten© Xanti Schawinsky, alle Rechte vorbehalten© Nachlass Scheper, Berlin© Joost Schmidt, Artists Rights Society, New York,

USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Kurt Schmidt, alle Rechte vorbehalten© Eberhard Schrammen, alle Rechte vorbehalten© Lothar Schreyer, alle Rechte vorbehalten© Herbert Schürmann, alle Rechte vorbehalten© Alma Siedhoff-Buscher, Artists Rights Society,

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New York, USA/ VG Bild-Kunst, Bonn© Max Pfeiffer Wattenphul, alle Rechte vorbehalten© Vincent Weber, alle Rechte vorbehalten© Hanz Wittwer, alle Rechte vorbehalten© Anni Wottiz, alle Rechte vorbehalten© Iwao Yamawaki, alle Rechte vorbehalten© Archiv und Familiennachlass Oskar Schlemmer,

IT- 28824 Oggebbio (VB)© Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer/ The Oskar

Schlemmer Theatre Estate, 2009, Sekretariat, IT- 28824 Oggebbio (VB), www.schlemmer.org

© Photoarchiv C. Raman Schlemmer

Fotonachweis:Verwendete Abkürzungen:BHA Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, BerlinSBHD Stiftung Bauhaus DessauSWKK Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen

S. 11: Foto: Louis HeldS. 19: Foto: Hugo ErfurtS. 20: Fotograf unbekanntS. 23 (oben): Fotograf unbekanntS. 23 (unten): Foto: Lucia MoholyS. 26: Fotograf unbekanntS. 30: Fotograf unbekanntS. 32: Fotograf unbekanntS. 35: Foto: Emil Theiß, Stadtarchiv DessauS. 36: Foto: Howard DearstyneS. 37: Fotograf unbekannt, BHAS. 45: Foto: Umbo (Otto Umbehr)S. 48: BHAS. 65: Fotograf unbekannt, BHAS. 77: Foto: Atelier Louis HeldS. 88: Fotograf unbekannt, BHAS. 119: Fotograf unbekannt, BHAS. 121: Foto: Wolfgang Kleber, HOCHTIEF Essen /Anhaltische Gemäldegalerie Dessau /Stiftung Bauhaus DessauS. 123: Foto: Gunter Lepkrowski, BHAS. 127: Fotograf unbekanntS. 130: © Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer, Sekretariat,

I- 28824 OggebbioS. 131: Fotograf unbekannt, BHAS. 132 (oben): Fotograf unbekannt, BHAS. 132 (unten): Fotograf unbekannt, BHAS. 133 (oben): Foto: Edmund Collein oder Heinz Loew, BHAS. 133 (unten): Fotograf unbekannt, SBHDS. 134: Foto: Gunter Lepkrowski, BHAS. 135: Foto von Heinz Loew oder Joost SchmidtS. 138 (oben): Fotograf unbekannt, BHA

S. 138 (unten): Foto: Erich ConsemüllerS. 146: Fotograf unbekannt, SBHDS. 147: Fotograf Walter PeterhansS. 151: Fotograf unbekanntS. 152: Fotograf unbekannt, BHAS. 153: Fotograf unbekannt, SWKKS. 154: Reno/Foto-Atelier Louis Held, Bauhaus-Museum,

Kunstsammlungen zu Weimar (KW)S. 156: Fotograf unbekannt, BHAS. 158: Foto: MarburgS. 159 (oben): Fotograf unbekannt, BHAS. 161: Foto: Gunter Lepkowski, BHAS. 162: Fotograf unbekannt, Bauhaus-Archiv, BerlinS. 163: Fotograf unbekannt, BHAS. 166: Fotograf unbekannt, BHAS. 167 (oben): Kicken, Berlin/Phyllis Umbehr, BHAS. 167 (unten): Fotograf unbekannt, SWKKS. 168: Fotograf unbekannt, BHAS. 169 (oben): Fotograf unbekannt, SWKKS. 169 (unten): Fotograf unbekannt, SWKKS. 170: Fotograf unbekannt, BHAS. 171: Fotograf unbekannt, SWKKS. 172: Foto: Erich ConsemüllerS. 173 (unten): Fotograf unbekannt, BHAS. 173 (oben): Fotograf unbekannt, BHAS. 174: Fotograf: Jost Schilgen, BHAS. 175: Fotograf Marianne BrandtS. 178: Universität zu Köln/Theaterwissenschaftliche SammlungS. 179: Staatliche Kunstsammlungen Dresden,

Puppentheatersammlung, 1957S. 180: Fotograf unbekannt, SWKKS. 181: Fotograf unbekannt, BHAS. 182 (links): Universität zu Köln/Theaterwissenschaftliche

SammlungS. 182 (oben): Harvard Art MuseumS. 182 (unten): Germanisches NationalmuseumS. 183: Universität zu Köln/Theaterwissenschaftliche SammlungS. 184: © Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer, Sekretariat,

I- 28824 OggebbioS. 185: Fotograf: Erich Consemüller,© Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer,

Sekretariat, I- 28824 OggebbioS. 186 (oben): Fotograf Lux Feininger,© Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer,

Sekretariat, I- 28824 OggebbioS. 186 (unten links): Fotograf Lux Feininger,© Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer,

Sekretariat, I- 28824 OggebbioS. 186 (unten rechts): Fotograf: Erich Consemüller,© Bühnen-Archiv Oskar Schlemmer,

Sekretariat, I- 28824 OggebbioS. 187: Fotograf: Marianne Brandt, BHAS. 190: Fotograf unbekannt, BHAS. 191 (oben und unten): Alle Rechte vorbehalten, SWKKS. 194: Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 195 (oben): Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 195 (unten): Alle Rechte vorbehalten, Stiftung

Meisterhäuser DessauS. 196 (oben): Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 196 (unten): Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 197 (oben): Alle Rechte vorbehalten, BHAS. 198: Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 199 : gta archives / ETH Zurich: Erbe von Hannes MeyerS. 200: Junkers-Luftbild, BHAS. 201: Alle Rechte vorbehalten, SBHDS. 202: Alle Rechte vorbehaltenS. 203: Alle Rechte vorbehalten/BHAS. 214: BHAS. 228: SWKKS. 232: Fotograf: Paula Stockmar, BHAS. 234: Fotograf unbekannt : SWKKS. 234: Fotograf: Lucia Moholy, BHAS. 235 (oben): Fotograf: Hajo Rose, BHAS. 235 (unten): Fotograf: Edmund Collein, SBHDS. 236 (oben links): Fotograf: Irene Bayer, SBHDS. 236 (oben rechts): Fotograf: Erich Consemüller, BHAS. 236: Fotograf: Erich Consemüller, private

Sammlung

Weltweit alle Rechte vorbehalten. Soweit nichtanders vermerkt, bleibt das Copyright derArbeiten bei den jeweiligen Fotografen. Trotzintensiver Nachforschungen war es aber nichtin jedem Fall möglich, die Eigentumsrechtefestzustellen. Gegebenenfalls bitten wir umBenachrichtigung.

ISBN: 978-1-78042-516-0

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VVoorrwwoorrtt 77

DDiiee GGeesscchhiicchhttee ddeess BBaauuhhaauusseess 88

Vorläufer, Wurzeln und Vorgeschichte 88

Das Staatliche Bauhaus in Weimar von 1919 bis 1925 1100Bauhaus Dessau. Hochschule für Gestaltung von 1925 bis 1932 2222

Bauhaus Berlin. Freies Lehr- und Forschungsinstitut von 1932 bis 1933 3344

VVoorrkkuurrss uunndd ggeessttaalltteerriisscchhee GGrruunnddllaaggeennaauussbbiilldduunngg 3388

Der Vorkurs 3399Unterricht Wassily Kandinsky 4488Unterricht Paul Klee 5522Unterricht Oskar Schlemmer 5566Unterricht Joost Schmidt 6600

DDiiee WWeerrkkssttäätttteenn 6622

Töpferei 6622Buchbinderei 7744Glasmalereiwerkstatt 8800Grafische Druckerei 8866Typografie / Druck- und Reklamewerkstatt 9966Wandmalereiwerkstatt 111122Stein- und Holzbildhauerei / Plastische Werkstatt 112244Weberei 113366Tischlerei / Möbelwerkstatt 114488Metallwerkstatt 116644

Bühnenwerkstatt 117766

AArrcchhiitteekkttuurr // BBaauulleehhrree // BBaauuaabbtteeiilluunngg 118888

FFoottooggrraaffiiee // FFoottoowweerrkkssttaatttt 220044

BBiillddeennddee KKuunnsstt 221166

LLeebbeenn uunndd AArrbbeeiitteenn 223300

WWiirrkkuunngg uunndd RReezzeeppttiioonn 223388

AAnnmmeerrkkuunnggeenn 224411

CChhrroonnoollooggiiee 224422

BBiibblliiooggrraaffiiee 224488

BBaauuhhaauuss--LLeehhrreerr 225500

BBaauuhhaauuss –– AArrcchhiivvee,, SSaammmmlluunnggeenn uunndd MMuusseeeenn 225522

PPeerrssoonneennrreeggiisstteerr 225533

Inhalt

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Das Bauhaus war eine der bedeutsamsten und folgenreichsten kultu-rellen Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. Darüber besteht keinZweifel. Seine Rezeption ist mehr denn je ein Phänomen von globa-ler Dimension. Heute ist das Bauhaus im allgemeinen Bewusstseinverankert. Es erfährt hohe Wertschätzung, wird je nach Interessenla-ge gelegentlich mystifiziert, aber auch denunziert. Es überwiegenjedoch Anerkennung und positive Wertschätzung. Die Werke derBauhaus-Künstler finden heute in den großen Museen der Welt unge-teilte Bewunderung und Interesse. Ihre Gestaltungslehren fanden undfinden, wenn auch zumeist herausgerissen aus einem komplexenGesamtzusammenhang, Beachtung sowohl an vielen renommiertenArchitektur- und Kunstausbildungsstätten als auch an allgemeinen Bil-dungseinrichtungen im einfachen Kunsterziehungsunterricht. Produktedes Bauhauses – etwa die berühmten Stahlrohrmöbel von MarcelBreuer – avancierten zu wohlfeil angebotenen Designklassikern. Bau-ten des Bauhauses, so die Wirkungsstätten in Weimar und Dessau,haben Architekturgeschichte geschrieben und gehören heute zum kul-turellen Erbe der Menschheit. Das Bauhaus ist in die Kunstgeschich-te als Kunstschule der Moderne eingegangen.

Es ist, fast ein Jahrhundert nach seiner Gründung, noch immeraktuell. Das zeigt sich nicht nur in einem gesteigerten institutionellenInteresse, in einem kaum abklingenden Ausstellungsboom, in der Viel-zahl neu erscheinender Publikationen und dem ungebrochenenMedieninteresse, sondern auch im Bereich der architekturtheoreti-schen Forschung, in der Untersuchungen zum Funktionalismus, einermit dem Bauhaus eng verbundenen allgemeinen Gestaltungskonzep-tion. Die Schaffung eines neuen Menschen für eine neue, humanereGesellschaft, das war das eigentliche Ziel des Bauhauses. Es bliebhistorisch unerfüllt. Sollte die Intervention des Philosophen und Sozio-logen Jürgen Habermas hinsichtlich der „Moderne als unvollendetesProjekt“ auch so zu verstehen sein?

Dieses Buch beschränkt sich darauf, die Geschichte des Bauhau-ses in einem mehr oder weniger groben Überblick darzustellen. DieAutoren können sich dabei auf eine Vielfalt bereits vorliegender Publi-kationen, aber auch auf eigene Veröffentlichungen zum Themabeziehen. Der Anspruch liegt nicht darin, aus gegenwärtiger Sichtdas Bauhaus einer prinzipiellen Kritik zu unterziehen, sondern viel-mehr in der Absicht, in einer möglichst sachlichen Argumentation in

den wichtigsten Punkten und keineswegs vollständig schlicht das dar-zustellen, was gewesen ist. Insofern richtet sich dieses Buch an deninteressierten Leser und weniger an den kenntnisreichen Fachmann.Wenn damit einseitige Rezeptionsmuster, die im Zusammenhang mitdem Bauhaus von einem harmonischen, widerspruchs- und konflikt-freien, „fortschrittlichen“ und traditionsfernen Gebilde ausgehen, auf-gebrochen werden, schätzen sich die Autoren glücklich.

Die Darstellung beginnt mit Hinweisen auf die Vorläufer des Bau-hauses, auf seine Einbettung in die Zeitgeschehnisse und auf dieUmstände, die zu seiner Gründung führten. In einem kurzen Über-blick werden die innere Struktur der Schule, ihre einzelnen Wirkungs-stätten in Weimar, Dessau sowie Berlin und die Konzeptionen ihrerdrei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies vander Rohe vorgestellt. Das darauf folgende Kapitel informiert über dieLehr- und Ausbildungsstruktur des Bauhauses und stellt die Unterrichts-konzepte der wichtigsten Lehrer vor. Größere Aufmerksamkeit wirdden Bauhaus-Werkstätten, ihrer jeweiligen Struktur, dem Leistungs-spektrum und den Modifikationen unter den verschiedenen Direktorenzugewiesen. Dem folgen kurze Kapitel zu übergreifenden Fragestel-lungen, wie denen zur Architektur, zur Fotografie, zur BildendenKunst am Bauhaus sowie zu Leben und Arbeiten. Den Abschluss bil-det ein knapper Überblick über die Wirkung und Rezeption des Bau-hauses von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Ein besonderer Wert wird darauf gelegt, anhand einer ausgewähl-ten und aufeinander abgestimmten Bildfolge Zusammenhänge, Folge-erscheinungen, wechselseitige Einflussnahmen und Entwicklungenetwa in der Werkstättenproduktion des Bauhauses nachvollziehbar zumachen, um auf diesem Wege dem Leser über die Sprache derDinge auch einen optischen Zugang zum Bauhaus zu ermöglichen.

Im Anhang erlaubt eine komprimierte Chronologie, die dieGeschichte des Bauhauses zusammenfasst und parallele Ereignisseaus Kunst und Kultur, Politik, Technik und Wissenschaft in Erinnerungruft, individuelle Rückschlüsse und das Erkennen von im Text nicht auf-geführten Querverbindungen und Bezügen.

Ein Quellenverzeichnis sowie Angaben zur wichtigsten Literaturzum Bauhaus allgemein aber auch zu ausgewählten Themen bietenMöglichkeiten für eine weiterführende, vertiefende Beschäftigung mitdem Thema.

Vorwort

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VVoorrllääuuffeerr,, WWuurrzzeellnn uunndd VVoorrggeesscchhiicchhttee

Die künstlerischen und pädagogischen Leistungen des Bauhauseswaren im deutschen sowie im europäischen Maßstab Bahn bre-chend. In der Absicht, Kunst und Architektur zu erneuern, stand es ineiner Reihe mit anderen, gleichgerichteten Bemühungen. Aus der pro-duktiven Reibung mit ihnen und dem intensiven Austausch bezog esunzählige Anregungen für die eigene Arbeit.

Dennoch ist die geschichtliche Bedeutung der Schule nicht zuüberschätzen. Das Bauhaus ist nicht im luftleeren Raum entstanden.Es gehört zu den Stereotypen der Bauhausgeschichtsschreibung,dass die Schule einerseits mit allen Traditionen gebrochen und sozu-sagen beim Nullpunkt begonnen hätte. Andererseits gibt es eine all-gemeine Neigung dazu, bei der Aufzählung der Quellen des Bau-hauses kaum eine der Kunstströmungen und bedeutenden Künstlerdes späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts auszulassen.

Die Voraussetzungen, die zur Entstehung des Bauhauses geführthaben, sind tatsächlich komplex und weit reichend verzweigt. Seinegeistes- und sozialgeschichtlichen Quellen reichen bis in das 19.Jahrhundert zurück. Mehr noch, die Problematik, mit der sich dasBauhaus beschäftigte, hat ihren Ursprung in der industriellen Revolu-tion, einer Mitte des 18. Jahrhunderts in England beginnenden nach-haltigen Umwälzung, deren Ergebnis die industrielle Produktionswei-se, die Industriegesellschaft war. Der Prozess der Modernisierunghatte zu Spannungen in nahezu allen Bereichen des Lebens geführt;ein tief greifender Paradigmenwechsel vollzog sich durch die Ablö-sung des Handwerkzeugs durch das Maschinenwerkzeug. In Erman-gelung neuer Konzepte wurde in Kunst und Architektur auf ein histo-risches Formenvokabular zurückgegriffen, was mehr und mehr zuWidersprüchen führte. Die veränderten Bedingungen für die Herstel-lung von Gebrauchsgegenständen erforderte eine auf deren nunmehrmaschinelle Produktion abgestimmte, neue Formgebung. Es dauertebis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, bis sich die Versuche, dieses Pro-blem zu lösen, mehrten und konkrete Formen annahmen. Das Bau-haus ist Bestandteil einer als Moderne bezeichneten Traditionslinievon Initiativen und Bestrebungen, die hier ihren Ausgang nahmenund danach trachteten, die durch die aufkommende industrielle Pro-duktion entzweite Einheit von Bereichen der künstlerischen mit dertechnischen Produktion wieder zu vereinigen. Die damit verbundenegesellschaftliche Ausgliederung des Künstlers, seine Isolation und dieZersplitterung sowie Vereinzelung der verschiedenen Gattungen derKünste sollten rückgängig gemacht werden. Das führte zur Idee desGesamtkunstwerkes, ein Gedanke, der bereits in früheren Jahrhunder-ten unterschiedlich akzentuiert, realitätsbezogen die Synthese alleram Bau und am Handwerk beteiligter Künste anstrebte. Im 19. und

frühen 20. Jahrhundert wurde die Idee des Gesamtkunstwerks mitdem utopischen Anspruch verbunden, auf der Grundlage eines Ein-heitsstrebens die Lösung der sozialen und kulturellen Probleme derGesellschaft zu befördern.

KKuunnssttsscchhuullrreeffoorrmm

Diesem Gedanken sah sich auch die Kunstschulreform verpflichtet,bei der es darum ging, im Sinne einer Erneuerung der Künstlerausbil-dung die Kunstakademien in Einheitskunstschulen umzuwandeln unddie künstlerische Ausbildung auf das Handwerk und eine allgemeinekünstlerische Elementarausbildung zu gründen. Gropius selbst sahschließlich das Bauhaus als Bestandteil „zeittypischer Reformideen“sowie als eine neuartige Schule, deren pädagogisches Grundkon-zept auf Reformüberlegungen basierte.

Vor dem Bauhaus und parallel dazu gab es ebenfalls Versuche,die Ziele der Kunstschulreform praktisch umzusetzen. Zu erwähnensind in diesem Zusammenhang die Kunstschule in Frankfurt/Main,die Obrist-Debschitz-Schule in München, die Breslauer Akademiefür Kunst und Kunstgewerbe, die Düsseldorfer Kunstgewerbeschule,die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle, die Rei-mann-Schule in Berlin, die Itten-Schule in Berlin, die Folkwangschu-le in Essen, die Kunstgewerbeschule in Bratislava und schließlichdie Höheren künstlerisch-technischen Werkstätten (WCHUTEMAS)in Moskau.

Das Bauhaus war neben der Schule in Moskau eine die Ideen derKunstschulreform in unvergleichlicher Weise folgerichtig, ideenreich,weitgehend vollständig und konsequent sowie nachhaltig verwirkli-chende Institution. Gropius zufolge war das Bauhaus eine Lebensan-gelegenheit des ganzen Volkes. In diesem umfassenden Anspruch,der über Architektur und Design weit hinausging, liegt u.a. seinehistorische Bedeutung.

RRuusskkiinn,, OOllbbrriicchh uunndd ddiiee aannddeerreenn

In seinem Aufsatz Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses von1923 weist der Bauhausgründer Walter Gropius selbst auf dieQuellen hin, die für ihn und die Gründung der Institution Bauhausunmittelbar bestimmend gewesen sind. Gropius nennt in seinerGenealogie „… Ruskin, Olbrich, Behrens, (Darmstädter Künstler-kolonie) und andere in Deutschland, endlich der Deutsche Werk-bund.“ John Ruskin (1819 bis 1900), englischer Maler, Kunsthisto-riker und Sozialreformer, wandte sich in seinen Schriften zwar

Die Geschichte des Bauhauses

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gegen eine überladene historistische Ornamentierung, aber auchgegen die Industrieproduktion und stellte der entfremdeten Arbeit ander Maschine das schöpferische Handwerk des Mittelalters alsIdeal gegenüber. In seinen besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahr-hunderts in England außerordentlich einflussreichen Erneuerungsbe-strebungen postulierte er die Herstellung materialgerechter, weitge-hend ornamentfreier, aber dennoch ausdruckstarker Dinge nachdem Leitbild des gotischen Stils. Produkte maschineller Produktionhingegen waren nach seinem Verständnis „Surrogate“ und seelenlo-se „tote Gegenstände“. Dem Schriftsteller, Gestalter und Begründerder sozialistischen Bewegung in Großbritannien, William Morris(1834 bis 1896) und der mit ihm verbundenen Arts and Crafts-Bewegung blieb es vorbehalten, die kritischen Gedanken John Rus-kins in die Praxis zu überführen und der Kunstgewerbereform weite-ren Auftrieb zu verleihen. Morris entwarf neuartige Gegenständeund Inneneinrichtungen, wobei er es vermied, auf ein falsches, histo-ristisches Ornamentwerk zurückzugreifen. Auch er sah, wie die Artsand Crafts-Bewegung, in der Rückbesinnung auf die Qualitäten desHandwerks einen Weg, um produktgestalterisch auf die Herausfor-derungen der industriellen Revolution angemessenen zu reagieren.Die so unter anderem in eigens gegründeten Firmen für Kunsthand-werk entstandenen Produkte waren von Einfachheit, Robustheit,Rustikalität und großer Wertschätzung dem Material gegenübergekennzeichnet. Morris, ein engagierter Sozialist, verband seineformgestalterische Tätigkeit und die damit verbundene Reaktivierungdes Kunsthandwerks mit einem forcierten, allerdings illusionärensozialen Anspruch, der darin bestand, dem Verfall der Gesellschaftdurch ein genossenschaftliches Leben, durch freudvolle, handwerkli-che, weitgehend selbst bestimmte Arbeit und daraus hervorgehen-der guter Form entgegenzuwirken. Als Ergebnis dessen sollte einekonfliktfreie, glückselige Gesellschaft entstehen, frei von der Herr-schaft der Maschine.

Ruskin, Morris und die englische Arts and Crafts-Bewegung sindmit ihrer Kritik an der ästhetischen Erscheinung der Maschinen-erzeugnisse und ihrer auf die Qualität von Handwerksprodukten set-zenden künstlerischen Reform eng mit den Anfängen des modernenDesigns in Europa verbunden. Ebenso aber auch die Bemühungendes schottischen Künstlers und Architekten Charles Rennie Mackin-tosh (1868 bis 1928), der Secession in Österreich mit Künstlern wieOtto Wagner (1841 bis 1918), Josef Hoffmann (1870 bis 1956),Koloman Moser (1868 bis 1918) und des von Gropius erwähntenArchitekten Josef Maria Olbrich (1867 bis 1908). Olbrich, Erbau-er des Wiener Secessionsgebäudes, lehnte, wie seine WienerKünstlerkollegen, den traditionellen, konservativen, am Historismusorientierten Kunstbegriff ab und erprobte u.a. die Idee des Gesamt-kunstwerks durch den Entwurf neuartiger, zukunftsweisender Bau-und Wohnformen.

Diesen Anspruch verfolgte er auch wenig später zusammen mitden Mitgliedern der 1899 gegründeten Darmstädter Künstlerkoloniein Deutschland, der neben Olbrich auch der deutsche Architekt undDesigner Peter Behrens (1868 bis 1940) angehörte. Behrens zählt

zu den einflussreichsten Begründern des modernen Industriedesignsund der modernen sachlichen Industriekultur. Zu seinen Mitarbeiterngehörten Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und derSchweizer Architekt Le Corbusier. Peter Behrens gilt als einer derwichtigsten Wegbereiter des Funktionalismus, der am Bauhaus zumleitmotivischen Gestaltungsprinzip entwickelt wurde.

In Deutschland gehörten ferner Richard Riemerschmid (1868 bis1957) und Bruno Paul (1874 bis 1968) zu jenen Künstlern, diedurch ihre Typenmöbel-Entwürfe, etwa für die Dresdener Werkstättenfür Handwerkskunst, zu Industriedesignern wurden. Ähnlich der Künst-ler Henry van de Velde (1863 bis 1957) in Belgien und später inDeutschland. Auch er versuchte die Kunst vom Handwerk her zuerneuern, ohne die Technik zu negieren, wandte sich dem Kunstge-werbe zu, entwarf funktionale Gegenstände für die industrielle Pro-duktion und baute Häuser als Ausdruck einer hochkultivierten künstle-rischen Individualität. Frei vom Ballast historischer Formen und unterEinsatz eines der Natur entlehnten feinsinnig kalkulierten Liniensy-stems, das die Konstruktion des Gegenstandes bzw. des Hauses undseine Funktionen auf subtile Weise veranschaulichen sollte, entspra-chen die von van de Velde entworfenen Gegenstände dennoch nichtden gestalterischen Erfordernissen einer maschinellen Serien- bzw.Massenfertigung. Van de Velde, dessen in Weimar gegründeteGroßherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule zur unmittelbarenVorläuferinstitution für das Staatliche Bauhaus gehörte, gilt ebensowie die zuvor erwähnten Künstler als einer der bedeutendsten Vertre-ter des Jugendstils, einer Bewegung von Künstlern, die sich derGesellschaft gegenüber verantwortlich fühlten und die das fortschrei-tende Auseinanderfallen der künstlerischen und produktkulturellenGebiete verhindern und zu einer neuen Einheit verschmelzen wollten.Im Ergebnis dessen stand ein neues, allerdings exklusives Lebenskon-zept, das letztlich den Bedürfnissen einer hoch entwickelten Industrie-gesellschaft nicht gerecht werden konnte.

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Walter Gropius betonte immer wieder, dass das Bauhaus aus demGeist des Deutschen Werkbundes hervorgegangen ist. Als Vereini-gung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständi-gen 1907 von Hermann Muthesius (1861 bis 1927) in Münchengegründet und von Gestaltern wie Peter Behrens und Walter Gropi-us getragen, versuchte der Deutsche Werkbund eine praxiswirksameVerbindung zwischen Handel, Handwerk und Industrie mit demgestaltenden Künstler herzustellen. Auf der Grundlage einer positivenBewertung der sozialen und technischen Potenziale der Industrie undihrer neuartigen Erzeugnisse wie Flugzeuge, Schnellzüge, Waschma-schinen und Automobile wurde eine Ästhetik entwickelt, die, im Sinneeiner Industriekultur für alle, ganz auf Nützlichkeit und Sachlichkeitsowie auf Materialgerechtigkeit von Architektur und Gebrauchsgerätsetzte. Großer Wert wurde auf eine nachhaltige, auch mediale Ver-marktung der Werkbund-Produkte gelegt. Trotz grundsätzlicher Über-einstimmungen konnte in Einzelfragen unter den Mitgliedern des

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Werkbundes keine Einigkeit hergestellt werden, was letztendlich auf

den mit der Warenproduktion eng verbundenen Prozess der Verwer-

tung, der Entfremdung und Verdinglichung in der modernen Industrie-

gesellschaft zurückzuführen ist.

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Einen ganz unmittelbaren Einfluss übte auf die künstlerische Ent-

wicklung des Bauhauses die 1917 gegründete holländische Künst-

lergruppe De Stijl aus, deren konstruktivistische Gestaltungs-

grundsätze in Weimar durch den Maler Theo van Doesburg (1881

bis 1931) propagiert wurden. Die Auseinandersetzung des Bau-

hauses mit Technik und Industrie wurde durch De Stijl beschleunigt,

und die Formensprache von Gropius und anderen Bauhaus-

künstlern zum Teil nachhaltig danach ausgerichtet. Im Bereich der

bildenden Kunst waren für das Bauhaus besonders diejenigen

Künstler von Bedeutung, die sich mit ihrem Werk um den Blauen

Reiter und um die vom Musiker und Kunstkritiker Herwarth Walden

(1878 bis 1941) gegründete Zeitschrift und Galerie Der Sturm

gruppierten. Dazu gehörten u.a. auch die Maler Paul Klee (1879

bis 1940) und Wassily Kandinsky (1866 bis 1944), die später als

Meister an das Bauhaus berufen wurden. Zu den Besonderheiten

dieser Maler gehörte es, mit großer Sensibilität und Eindringlichkeit

auf die gesellschaftlichen Veränderungen und den tief greifenden

Wandel innerhalb der wissenschaftlichen Sicht auf die Welt zu rea-

gieren. Gestaltungsweisen, die angemessen erschienen, auf die

Widersprüche der Zeit einzugehen, wurden in der Ablehnung des

überkommenen Abbildbegriffes sowie in der Konzentration auf

Abstraktion und Expression, auf Kubismus und Futurismus gesehen.

Die eingehende Analyse der künstlerischen Gestaltungsmittel sowie

die Erkundung ihrer Gesetzmäßigkeiten dienten der Suche nach

einer neuen Geistigkeit durch Erkenntnisfortschritt auf der Basis auf-

geklärter Rationalität.

In politischer Hinsicht ist das Bauhaus infolge sowie in Reaktion

auf die Oktoberrevolution von 1917 in Russland, die November-

revolution von 1918 in Deutschland und das Ende des Ersten Welt-

kriegs entstanden. Die Situation nach diesem Krieg und die politi-

schen Umwälzungen waren allgemeine Prämissen für die avisierten

Erneuerungen von Kunst und Architektur. Aus Gropius programmati-

schen Texten geht hervor, dass sich der Bauhausgründer durchaus

dieses Zusammenhangs bewusst war und er selbst, wie viele seiner

Zeitgenossen und späteren Mitstreiter, einen Beitrag zur Schaffung

einer neuen, demokratischen Gesellschaft leisten wollte. Für Gropius

war der Erste Weltkrieg mehr als ein verlorener Krieg. Für ihn war

eine Welt zu Ende und er suchte 1918 nach radikalen Lösungen für

die Probleme seiner Zeit. Ihm kommt schließlich das Verdienst zu, in

seinem Denken den Versuch unternommen zu haben, einige der

bedeutendsten kulturellen Einflüsse, Impulse und Strömungen aus Ver-

gangenheit und Gegenwart zusammengefasst und daraus als Syn-

these das Bild einer neuen Welt entwickelt zu haben. Darin war das

Bauhaus fest verankert.

DDaass SSttaaaattlliicchhee BBaauuhhaauuss iinn WWeeiimmaarr vvoonn 11991199 bbiiss 11992255

Wohl keine andere Schule in Deutschland war so eng mit den kultu-

rellen, politischen und sozialökonomischen Entwicklungen der Wei-

marer Republik verbunden wie das Bauhaus. Das Gründungsdatum

des Bauhauses am 1. April 1919 fiel mit den Verhandlungen der Ver-

fassung gebenden Versammlung im Weimarer Hoftheater zusam-

men, die am 31. Juli die Weimarer Verfassung verabschiedete. Nur

wenige Wochen nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar

1933 wurde das Bauhaus Berlin am 12. April 1933 polizeilich

nach kommunistischem Material untersucht und geschlossen, bevor

sich die Hochschule am 19. Juli 1933 selbst auflöste, ein letzter Akt

geistiger Entscheidungsfreiheit.

Dazwischen liegen zwei Ortswechsel – 1925 nach Dessau und

1932 nach Berlin – sowie zwei Direktorenwechsel – 1928 zu Han-

nes Meyer und 1930 zu Ludwig Mies van der Rohe -, die sämtlich

überwiegend politisch motiviert waren. Stets bestimmten die jeweils

zuständigen Parlamente die Entwicklung am Bauhaus mit, so der Thü-

ringer Landtag in Weimar bis 1925 oder der Dessauer Stadtrat bis

1932, und mit politischen Aktivitäten und juristischen Prozessen oft

noch zeitlich darüber hinaus.

Bereits im März 1920 hatten rechtsextreme Militärs und Politi-

ker unter der Führung von Wolfgang Kapp (1858 bis 1922) und

Walther Freiherr von Lüttwitz (1859 bis 1942) versucht, die junge

Republik mit einem Militärputsch zu vernichten (Kapp-Putsch). Die-

ser Putsch wurde durch einen Generalstreik niedergeschlagen, bei

dem zahlreiche Demonstranten von den Putschisten erschossen

wurden. Für die in Weimar Gefallenen schuf Walter Gropius

1922 auf dem Weimarer Hauptfriedhof das Denkmal der März-

gefallenen und im gleichen Jahr auch am Deutschen National-

theater die Gedenktafel für die Weimarer Verfassung. Das von

Ludwig Mies van der Rohe im Auftrag der KPD (Kommunistische

Partei Deutschlands) geschaffene Ehrenmal für die ermordeten

Karl Liebknecht (1871 bis 1919) und Rosa Luxemburg (1871 bis

1919) wurde 1926 auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde einge-

weiht. Die Not der Nachkriegszeit, die noch durch Reparations-

zahlungen aus dem Versailler Vertrag dramatisch verstärkt wurde,

führte zum wirtschaftlichen Zusammenbruch mit der Inflation des

Jahres 1923. Während der Dollarkurs zur Mark Anfang Januar

1919 noch 1:8 stand, fielen die Werte zum Jahresbeginn 1920

auf 1:50, dann 1922 auf 1:200, Anfang 1923 auf 1:7000 und

bis zur Währungsstabilisierung Ende 1923 auf 1:4,2 Billonen!

Die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs und relativer Stabili-

tät – „die goldenen 20er Jahre“ – dauerte in Deutschland von

1924 bis 1929, bis zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise nach

dem „schwarzen Freitag“ an der New Yorker Börse am 25. Okto-

ber 1929.

Das Bauhaus wurde zum Fokus der Avantgarde in Bildung,

Design und Architektur: im Jahr 1923 mit der großen Weimarer Bau-

haus-Ausstellung und angeschlossener Exposition Internationaler

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Gebäude der ehemaligen Großherzoglich-Sächsischen Kunsthochschule inWeimar, Architekt: Henry van de Velde, 1904/11 (UNESCO-Welterbe)

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Architektur 1923, mit den Bauhausgebäuden in Dessau 1926 oderder Bauhaus-Wanderausstellung 1929/1930 und der vom Deut-schen Werkbund initiierten deutschen Abteilung auf der Expositionde la société des artistes décorateurs unter der Leitung von WalterGropius in Paris 1930.

Aber auch die Diskussionen und Konflikte innerhalb des Bauhau-ses in Weimar, die programmatischen und strukturellen Veränderun-gen spiegeln diese Zusammenhänge in oft dramatischer Weise:Der „Fall Groß“ 1919, die Sezession der ehemaligen Kunstschul-professoren und die Neugründung einer Weimarer Kunsthochschu-le 1920/1921, der De Stijl-Kurs Theo van Doesburgs und derKonstruktivisten-Kongress in Weimar, der Konflikt Gropius-Itten unddie Gründung einer Bauhaus-Siedlungsgenossenschaft 1922, einerBauhaus-GmbH und des Freundeskreises des Bauhauses 1924 bishin zum politisch erzwungen Ortswechsel nach Dessau zum1. April 1925.

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Nachdem der belgische Künstler Henry van de Velde am 25. Juli1914, wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, demWeimarer Großherzog sein Entlassungsgesuch als Direktor der Groß-herzoglichen Kunstgewerbeschule unterbreitet hatte, wurde sein Ver-trag bis zum 1. Oktober 1915 befristet und die Schule zu diesemTermin geschlossen. Van de Velde empfahl dem GroßherzoglichSächsischen Staatsministerium für seine Nachfolge die deutschenArchitekten August Endell (1871 bis 1925) und Walter Gropiussowie den Schweizer Bildhauer Hermann Obrist (1863 bis 1927).Seit Oktober 1915 entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischendem Maler und Direktor der Großherzoglich Sächsischen Hochschu-le für bildende Kunst in Weimar, Fritz Mackensen (1866 bis 1953),und Walter Gropius über eine anzugliedernde Abteilung Architektur

Gebäude der ehemaligen Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule inWeimar, Architekt: Henry van de Velde, 1905/06 (UNESCO-Welterbe)

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und angewandte Kunst, zu deren Leiter Gropius berufen werden soll-

te, der im Dezember zu einer persönlichen Aussprache in Weimar

weilte und beim Großherzog eine Audienz erhielt. Am 25. Januar

1916 übersandte Walter Gropius auf Anforderung des Weimarer

Staatsministeriums seine Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt

als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Hand-

werk 1. Ein Jahr später machte das Professorenkollegium der Kunst-

hochschule eine Eingabe an das Staatsministerium mit Reformvor-

schlägen, insbesondere zur Ergänzung des Lehrprogramms in Rich-

tung Architektur, Kunstgewerbe und Theaterkunst.

Am 3. November 1918 begann die Revolution in Deutschland,

die am 8. November auch Weimar erreichte. Am 9. November rief

der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann (1865 bis 1939) am

Reichstag die „Deutsche Republik“ aus, zwei Stunden später Karl

Liebknecht am Berliner Schloss eine „Freie Sozialistische Republik“.

Der Kaiser und alle deutschen Fürsten dankten ab, ohne dass weit

gehende gesellschaftliche Umwälzungen erfolgten.

Am 3. Dezember 1918 fand die erste Sitzung der November-

gruppe in Berlin statt. Dies war eine Vereinigung von Künstlern und

Architekten wie Lyonel Feininger (1871 bis 1956), Wassily Kandins-

ky, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, aber auch Max

Pechstein (1881 bis 1955), Otto Dix (1891 bis 1969), George

Grosz (1893 bis 1959) oder Hans Poelzig (1869 bis 1936), die

ihren Beitrag zum Aufbau der jungen Republik leisten wollten. Paral-

lel dazu formierte sich der Arbeitsrat für Kunst, unter anderem mit

einer Arbeitsgruppe zur Reformierung des Bildungswesens unter Lei-

tung des Architekten Otto Bartning (1883 bis 1959), an der auch

Gropius mitarbeitete. Eine zentrale Frage war die Herstellung der

Chancengleichheit für alle Kinder durch eine Einheitsschule in Verbin-

dung mit der Idee der Arbeitsschule. Besonderes Augenmerk wurde

auf die Reformierung der Kunstschulen gelegt. In nur leicht abgewan-

delter Form fanden die Diskussionsergebnisse ihren Niederschlag im

Programm und Manifest des Bauhauses von Walter Gropius, das mit

dem Titelholzschnitt von Lyonel Feininger im April 1919 erschien. Die

Wiedervereinigung aller künstlerischen Disziplinen am Bau in Verbin-

dung mit Handwerk und Werkstatt als Ausbildungsbasis standen im

Mittelpunkt der Programmatik. Die Meister, Gesellen und Lehrlinge

des Bauhauses sollten eng mit der Industrie und dem öffentlichen

Leben „Fühlung nehmen“ und freundschaftlichen Verkehr untereinan-

der außerhalb der Arbeit mit Theater, Vorträgen, Musik und „… hei-

terem Zeremoniell bei diesen Zusammenkünften“ aufbauen.2

Ein besonderes Symbol für diesen Aufbruch war das erste Bau-

haussignet „Sternenmännchen“, mit dem der Student Karl Peter Röhl

(1890 bis 1975) den studentischen Wettbewerb gewonnen hatte.

Im Mittelpunkt steht der strichförmig abstrahierte Mensch mit nach

oben gestreckten Armen in bewusster Anlehnung an Leonardo da

Vincis (1452 bis 1519) Idealmenschen im Kreis und Quadrat,

zugleich aber auch als altgermanische Doppelrune „Mann-Frau“ mit

einem kreisförmigen Kopf, der mit seiner schwarzen und weißen

Hälfte die höchste Abstraktionsstufe des chinesischen Yin und Yang

darstellt. Dieser Bauhaus-Mensch trägt über sich eine Pyramide als

das antike Symbol für die Einheit von Gesellschaft, Kunst und Religi-

on. Er wird von der Sonne als Swastika, dem buddhistischem Glücks-

symbol, Mond und Stern umkreist. Weltkulturen und Weltreligionen

bildeten den humanistischen Hintergrund für die Zukunftsvisionen

des Bauhauses.

Die Gründung des Bauhauses fällt mit den ersten Wahlen des

neu gegründeten Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach am 9.

März 1919 und der Bildung einer republikanischen provisorischen

Regierung aus Sozialdemokraten (SPD) und Deutschen Demokraten

(DDP) zusammen. Im Februar und März reiste Gropius mehrfach zu

Verhandlungen nach Weimar und erreichte bei den Kunstschul-

professoren die Unterstützung zu seiner Berufung als Direktor und

für den neuen Namen Staatliches Bauhaus in Weimar. Am 1.

April 1919 unterzeichnete noch das Weimarer Hofmarschallamt

den Vertrag mit Gropius und stimmte am 12. April auch der

Umbenennung zu.

Als Zusammenschluss der ehemaligen Kunsthochschule und Kunst-

gewerbeschule in Weimar musste Gropius die verbliebenen Profes-

soren der Kunsthochschule Richard Engelmann (1868 bis 1957),

Otto Fröhlich, Walther Klemm (1883 bis 1957) und Max Thedy

(1858 bis 1924) in das Bauhaus übernehmen. Die Berufung des

neuen, internationalen Lehrkörpers mit Avantgardekünstlern dauerte

vier Jahre: im Jahr 1919 kamen Lyonel Feininger, Gerhard Marcks

(1889 bis 1981) und Johannes Itten (1888 bis 1967). Ein Jahr

danach Georg Muche (1895 bis 1987), dann 1921 Paul Klee

(1879 bis 1940), Oskar Schlemmer (1888 bis 1943) und Lothar

Schreyer (1886 bis 1966), Wassily Kandinsky 1922 und im Wech-

sel mit Itten erst 1923 László Moholy-Nagy.

Bereits im Herbst 1919 formierten sich die Bauhausgegner in

Weimar, konservative Handwerkerschaft, akademische Künstler,

rechtskonservatives Bildungsbürgertum und Politiker in der Freien Ver-

einigung für städtische Interessen und polemisierten in Bürgerver-

sammlungen öffentlich gegen den „… spartakistisch-bolschewisti-

schen Einfluss“ am Bauhaus. Der Meisterschüler am Bauhaus, Hans

Groß, beklagte auf einer solchen Veranstaltung das Fehlen einer

deutsch-national gesinnten Führerpersönlichkeit am Bauhaus. Der

„Fall Groß“ führte zum Austritt von mehr als einem Dutzend Studieren-

der, zu einer Beschwerde gegen das Bauhaus von 49 rechtskonser-

vativen Weimarer Bürgern und Künstlern bei der Landesregierung,

aber auch zur ersten Mobilisierung der Bauhaus-Befürworter aus dem

Deutschen Werkbund und dem Berliner Arbeitsrat für Kunst. Der

Kampfschrift gegen das Bauhaus von Emil Erfurth, dem Vorstand des

völkisch-nationalen Bürgerausschusses, setzte Walter Gropius im

Frühjahr 1920 mit Unterstützung des Kultusministeriums eine eigene

Broschüre entgegen.

Am 30. April 1920 schlossen sich die acht bisherigen thüringischen

Freistaaten zum Land Thüringen mit Weimar als Hauptstadt zusammen.

Am 20. Juni fanden die ersten Landtagswahlen statt, aus denen eine

Regierungskoalition aus SPD, USPD (Unabhängige Sozialdemokrati-

sche Partei) und DDP unter August Fröhlich hervorging. Das Bauhaus

wurde dem Ministerium für Volksbildung, Kultus und Justiz unterstellt.

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Lyonel Feininger, Kathedrale der Zukunft, Titelblatt zum Manifest undProgramm des Staatlichen Bauhauses in Weimar, 1919

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Walter Gropius, Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses inWeimar, 1919

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Am 9. Juli hielt Gropius eine Ansprache vor dem Thüringischen Land-tag und nahm als Sachverständiger an der Haushaltsberatung teil. Ernutzte die Gelegenheit, die Entwicklung der Kunsthochschulen bis zumBauhaus vorzustellen, politische Angriffe zurückzuweisen und für dieErweiterung des völlig unzureichenden Bauhaus-Etats zu werben.

Die Professoren der ehemaligen Weimarer KunsthochschuleThedy und Fröhlich betrieben seit Anfang 1920 die Sezession derMalereiklassen vom Bauhaus, der sich im Oktober auch Engelmannund Klemm anschlossen. Sie erreichten die Neugründung einer aka-demisch orientierten Staatlichen Hochschule für bildende Kunst inWeimar am 4. April 1921, die direkt neben dem Bauhaus in denRäumen der ehemaligen Kunsthochschule etabliert wurde.

Diese Sezession ermöglichte die überfälligen Neuberufungen desJahres 1921 am Bauhaus und zugleich dessen Profilierung. Nach-dem die Druckerei, Buchbinderei, Bildhauerei und Weberei schon1919 ihren Lehrbetrieb aufnehmen konnten, folgten 1920 Tischlerei,Töpferei, Metallwerkstatt und Glasmalereiwerkstatt. Im Januar 1921erschienen die ersten Satzungen des Staatlichen Bauhauses zu Wei-mar, die nach einer Überarbeitung bis 1925 gültig blieben.

Johannes Itten hatte im Februar seine kuttenartige, aber nicht offi-ziell eingeführte Bauhaustracht entworfen. Im Sommer besuchte erden Mazdaznan-Kongress in Leipzig und führte zusammen mitGeorg Muche diese Lehre am Bauhaus ein, unter anderem mit vege-tarischem Essen in der Bauhaus-Kantine. Neben dieser amerikani-schen Sekte, die sich auf die altpersische Lehre Zarathustras berief,spielten die verschiedenen Lebensreformbewegungen, der Wander-vogel, aber auch sozialistische Ideen und christliche Wanderpredi-ger am frühen Bauhaus eine Rolle und versuchten, das von Krieg undRevolution verursachte Wertevakuum zu füllen.

Diese geistige und praktische Aufbau- und Formierungsphase wirdoft auch als die expressionistische Phase des Bauhauses bezeichnet.In dieses „expressionistische“ Bild fügte sich scheinbar auch die wohlbedeutendste Grafikedition ein, die fünf Mappen Bauhaus-Drucke.Neue Europäische Grafik mit 56 Werken von 49 beteiligten Künst-lern aus sechs Ländern sowie von allen Bauhaus-Meistern. In Wirk-lichkeit spiegelt sie das pluralistische Bild der europäischen Avantgar-de vom deutschen Expressionismus und italienischen Futurismus überden russischen Konstruktivismus bis hin zum holländischem De Stijl.

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Walter Gropius ordnete 1922 die Aufgaben der Bauhausmeisterneu. Insbesondere die Aufgaben- und zugleich Machtfülle von Johan-nes Itten wurde abgebaut; nach Klee und Schlemmer übernahmMoholy-Nagy 1923 die Metallwerkstatt, Klee die Glasmalerei-werkstatt, Kandinsky nach einem Zwischenspiel von Schlemmer dieWandmalereiwerkstatt, Muche die Weberei und Gropius selbst dieTischlerei. Zugleich wurde im Meisterrat, dem obersten Führungsgre-mium des Bauhauses, erneut intensiv um die Idee und Struktur desBauhauses diskutiert. Klee lieferte dazu eine Skizze, die das Bauhaus

als einen Globus mit Sonnenmotiv im Zentrum darstellt. Die Erdach-se trägt oben zwei dreieckförmige Wimpel mit den Bezeichnungen„Propaganda“ und „Verlag“ und verweist auf mediale Strategien derBauhaus-Meister, die mit den Bauhaus-Grafikmappen, mit den Bau-hausbüchern, der Bauhaus-Zeitschrift, mit Ausstellungen und Vorträ-gen zur Corporate Identity und internationalen Ausstrahlung des Bau-hauses maßgeblich beitrugen.

Der äußere Ring des Globus benennt die Vorlehre, den Vorkurs alswichtige pädagogische Erfindung des Bauhauses für die Vorbereitungauf das reguläre Studium in den Bauhaus-Werkstätten, die in denSonnenstrahlen mit den Materialbezeichnungen Holz, Stein, Metallusw. beschrieben werden. Die Werkstattarbeit wird in diesem Schemaverzahnt mit den künstlerischen und naturwissenschaftlich-technischenKursen wie Naturstudium, Farb- und Kompositionslehre, Konstruktions-lehre, Stoffstudium oder Material- und Werkzeuglehre. Im Zentrumsteht die Sonnenscheibe mit den Begriffen „Bau und Bühne“ undverweist auf die Einheit der Künste und zugleich die Förderung allerschöpferischen Talente der Studierenden. Das offizielle Schemades Studiengangs verzichtete auf die Sonnen- und Erdsymbolik,aber auch auf die zentrale Stellung der Bühne, betonte dagegenin seiner strengen Kreisform die Seriosität der Ausbildung in dreiStufen, dem einsemestrigen Vorkurs, der dreijährigen Handwerks-ausbildung mit Abschluss als Geselle und die praktische Ausbildungam Bau als Aufbaustudium.

Die reguläre Architektenausbildung konnte Gropius erst mit derBerufung des Schweizers Hannes Meyer (1889 bis 1954) an dasDessauer Bauhaus im Jahr 1927 realisieren. Dieses veränderte Bau-hausverständnis sollte sich auch in einem neuen Signet widerspie-geln, das aus einem Wettbewerb unter den Bauhaus-Meistern hervor-ging, bei dem Oskar Schlemmer mit seinem Profilkopf als Sieger her-vorgegangen war. Wieder stand der Mensch im Mittelpunkt, nun

Karl Peter Röhl, Bauhaus-Signet „Sternenmännchen“, 1919

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reduziert auf den Kopf als Zentrum von Gefühl und Intellekt in einergeometrisch-abstrakten Formensprache des Industriezeitalters.

Die Neuorientierung des Bauhauses wurde 1921 und 1922maßgeblich durch das Wirken Theo van Doesburgs (1883 bis1931) in Weimar gefördert. Im Jahr 1917 hatte Doesburg mit PietMondrian (1872 bis 1944) die holländische Künstlervereinigung DeStijl gegründet mit einem ganzheitlichen Ansatz, aus dem ein Gestal-tungskanon mit rechtem Winkel und den um Grau, Schwarz undWeiß ergänzten Primärfarben abgeleitet wurde – ein moderner Stil.Schon im Dezember hatte van Doesburg das Bauhaus besucht undübersiedelte 1921 nach Weimar. Von März bis Juli 1922 hielt vanDoesburg seinen legendären De Stijl-Kurs im Atelier von Karl PeterRöhl in Weimar ab. Daran nahmen mehr als 20 Personen teil, über-wiegend Bauhausstudenten von Walter Herzger (1903 bis 1985)bis Andor Weininger (1899 bis 1986), aber auch einige Lehrkräftevon Josef Zachmann (*1905) bis Erich Brendel oder Jenaer Künstler-kollegen wie Max Burchartz (1887 bis 1961) und Walter Dexel(1890 bis 1973). Theo van Doesburg berief am 25. September1922 auch den Kongress der Konstruktivistischen Internationale nachWeimar, er machte sich Hoffnung auf die durch Itten frei werdendeMeisterstelle, doch Gropius berief 1923 den ungarischen Konstrukti-visten und Konzeptkünstler László Moholy-Nagy (1895 bis 1946).Gropius vermied damit bewusst die Dominanz eines Stils am Bau-haus zugunsten eines offenen pluralistischen Gestaltungskonzeptes,das sich nicht zuletzt an den neuen Möglichkeiten der Printmedienund der Reklame, Film, Foto und elektrischer Datenübertragung orien-tierte. Die Modernisierung des Bauhauses wurde auch durch die Kuri-Gruppe (Konstruktiv-Utilitär-Rational-International) von Bauhausstuden-ten unter Leitung von Farkas Molnár (1895 bis 1945) vorangetrie-ben, die sich Ende 1922 formiert hatte.

In diese Phase fällt auch der einzige größere öffentliche Architektur-auftrag mit dem Umbau des Stadttheaters in Jena 1921/1922 auf Ver-mittlung von Ernst Hardt, dem Generalintendanten des DeutschenNationaltheaters Weimar. Dabei wurde nach Kritik von Dexel und vanDoesburg das Deckengemälde im Saal von Schlemmer abgewaschenund durch farbige Anstriche in Grau, Lachsrosa und tiefem Blau ersetzt.

Am 13. April 1922 wurde die Bauhaus-Siedlungsgenossenschaftgegründet, um den Mangel an Ateliers und Wohnraum für Lehrendeund Studierende zu überwinden, aber auch um einen Hochschul-neubau mit verbesserten Werkstattangeboten zu fördern. Im Juni1922 forderte die Thüringische Landesregierung das Bauhaus zueiner umfassenden Leistungsschau auf und knüpfte daran die weitereVergabe von Mitteln. Gropius terminierte diese Ausstellung auf denSommer 1923 und konzentrierte die gesamte Schule auf dieses Ziel,deswegen wurden keine neuen Studenten am Bauhaus aufgenom-men. Eine erste künstlerische Leistungsschau des Bauhauses fandEnde 1922 auf Initiative des indischen Dichters und Malers Rabin-dranath Tagore (1861 bis 1941) in Calcutta/Indien statt. Es wurdenmehr als 250 Handzeichnungen und Druckgrafiken der Bauhausmeister,darunter Bühnenprojekte von Schreyer und zahlreiche Vorkursarbeitenvon Margit Téry, präsentiert.3

„„KKuunnsstt uunndd TTeecchhnniikk –– eeiinnee nneeuuee EEiinnhheeiitt““ uunndd ddiiee BBaauuhhaauuss--AAuusssstteelllluunngg 11992233

Vom 15. August bis zum 30. September 1923 fand in Weimar diegroße Bauhaus-Ausstellung statt, mit der Publikation Staatliches Bau-haus in Weimar 1919-1923 als Rechenschaftsbericht und Bilanzder Aufbauarbeit, mit dem Musterhaus Am Horn als einzigem reali-sierten Bauhausgebäude in Weimar, mit der 1. Internationalen Archi-tekturausstellung der Moderne und einer Bauhauswoche mit Konzer-ten, Vorträgen und Bühnenaufführungen in Weimar und Jena. Gropi-us hielt den Eröffnungsvortrag Kunst und Technik – eine neue Einheitund fokussierte damit die Diskussionen um das Profil des Bauhausesseit 1921. Gleichzeitig knüpfte er an eigene Konzeptionen zumZusammenhang von Kunst und Technik vom März 1910 an, die erim Rahmen eines Programms zu einer modernen Hausbaugesell-schaft an den damaligen Direktor der AEG, Walther Rathenau,übergeben hatte. 4

Am Deutschen Nationaltheater Weimar wurden das TriadischeBallett von Oskar Schlemmer und Konzerte mit Werken von Krenek,Busoni, Hindemith und Strawinsky aufgeführt. Am 4. Septembertagte der Deutsche Werkbund in Weimar und bekam Aufführungs-wiederholungen des Mechanischen Balletts von Kurt Schmidt, desFiguralen Kabinetts von Oskar Schlemmer und der ReflektorischenLichtspiele von Ludwig Hirschfeld-Mack (1893 bis 1965) zusehen. Die bildkünstlerischen Leistungen der Lehrenden und Studie-renden wurden in einer umfassenden Schau im Weimarer Landes-museum präsentiert.

Oskar Schlemmer, Bauhaus-Signet „Profil“, 1922© Archiv und Familiennachlass Oskar Schlemmer

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Besonders in den Werkstätten – den künftigen „Laboratorien fürdie Industrie“ – waren im zurückliegenden Jahr zahlreiche Prototypenentwickelt worden, die den Übergang von handwerklichen zu indus-triellen Technologien deutlich machten. Dafür standen der „Latten-stuhl“ von Marcel Breuer oder ein „Spielschrank“ von Alma Buscher,die Tischlampe von Carl Jakob Jucker und Wilhelm Wagenfeld oderein siebenarmiger Leuchter und die minimalistisch wirkende Stehlam-pe von Gyula Pap, die Kombinationsteekanne und Mokkamaschinevon Theodor Bogler sowie Kaffeekannen von Otto Lindig in Porzel-lan und Gusskeramik, bis hin zu textiler Meterware von AgnesRoghé, Hedwig Jungnik und Gunta Stölzl neben individuellen Wand-behängen mit Form-, Material- und Bindungsexperimenten.

Die künstlerischen Raumgestaltungen in den Schulgebäuden vonOskar Schlemmer, Joost Schmidt und Herbert Bayer bis hin zumDirektorenzimmer von Walter Gropius vermittelten einen facetten-reichen Überblick zum Thema Farbe und Architektur.

Die zwanzig Bauhaus-Postkarten zur Ausstellung nach Entwürfender Meister und Studierenden mit einer Auflage von je 2000 Exem-plaren dürfte in Verbindung mit den Veranstaltungsprogrammen zueiner der ersten Mail-Art-Aktionen geführt haben. Eisenbahn- und

Bahnhofswerbung, Plakate und besondere Stadtpläne sorgten füreine ungewöhnlich professionelle Werbung.

Diese Leistungen wurden erbracht, als die deutsche Währung umSommer 1923 völlig zusammenbrach und 60 % der deutschenBevölkerung arbeitslos war. Im Oktober gab es kommunistische Auf-stände in Hamburg, Sachsen und Thüringen. Dort wurde auch vonSozialdemokraten und Kommunisten eine „Arbeiterregierung“ gebil-det, die am 8. November von der in Weimar einmarschierendenReichswehr zerschlagen wurde. Am 23. November führte die Reichs-wehr bei Gropius aufgrund anonymer politischer Anschuldigungeneine Hausdurchsuchung durch. Die politische Rechte interpelliertebereits am 16. März 1924 im Thüringischen Landtag gegen dieOrganisation und Betriebsführung am Bauhaus, während der Volks-bildungsminister Max Greil das Bauhaus verteidigte.

Im Oktober begann Gropius Verhandlungen mit dem Präsidentender Thüringischen Staatsbank zur Gründung einer Vertriebs-gesellschaft für Bauhausprodukte, der künftigen Bauhaus-GmbH. InVerbindung mit einer Verstärkung des Produktivbetriebs der Bauhaus-werkstätten, gegebenenfalls auch als privatkapitalistisch geleitetesUnternehmen, wollte Gropius versuchen, das Bauhaus von öffentli-

Paul Klee, Idee und Struktur des Bauhauses, 1922 Walter Gropius, Schema des Studiengangs am Bauhaus, 1922

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chen Finanzen und politischer Einflussnahme frei zu machen. In klei-nerem Maßstab war dieses Modell bereits im Sinne der Studieren-den getestet worden. So wurden Stipendien, Studiengeldfreistellenund Ateliers auch nach sozialer Bedürftigkeit, besonders aber nachdem Leistungsprinzip verteilt. Darüber hinaus erhielten die Studieren-den den Verkaufserlös ihrer Produkte unter Abzug von Material undMaschinenkosten und konnten damit ihr Studium durch qualifizierteArbeit wesentlich mitfinanzieren, bevor am Dessauer Bauhaus sogarLizenzgebühren der Industrie an Mitarbeiter und Studenten ausge-zahlt werden konnten.

Diese deutliche Praxisorientierung in Produktivwerkstätten bedeute-te noch einmal einen spürbaren Schub für die Entwurfsarbeit am Bau-haus. Es entstanden qualitätsvolle Möbel von Erich Dieckmann, dieTee- und Kaffeeservices von Marianne Brandt und Wilhelm Wagen-feld, das Bauhaus-Schachspiel von Josef Hartwig.

Die 3. Thüringer Landtagswahlen am 10. Februar 1924 brach-ten einen radikalen politischen Kurswechsel nach dem Sieg des „Thü-ringer Ordnungsbundes“, einem Verbund rechtskonservativer Parteien(DNVP, DVP, DDP). Bereits am 20. März teilte der neue thüringischeVolksbildungsminister Leutheußer Gropius mit, dass die Verträge mitdem Bauhaus nicht verlängert werden sollen. Die Angriffe gegen das

Bauhaus seitens der Handwerkerschaft, des Weimarer Künstlerratesund des deutsch-völkischen Blocks im Landtag verstärkten sich, flan-kiert durch die Gelbe Broschüre, eine Hetzschrift des ehemaligenBauhaus-Syndikus Hans Beyer. Am 9. September 1924 stellte dieThüringische Rechnungskammer die Unrentabilität des StaatlichenBauhauses fest, worauf die Regierung „vorsorglich“ die Arbeits-verträge mit dem Bauhaus zum 31. März 1925 kündigte. Den End-punkt dieser kulturpolitischen Farce setzte der Haushaltausschuss desLandtags mit der Kürzung des Etats von 100.000 auf 50.000Reichsmark. Die Petition von über 600 Weimarer Bürgern für dasBauhaus blieb ebenso wirkungslos wie zahlreiche Eingaben in- undausländischer Künstler, Architekten und Organisationen. Auch der imHerbst 1924 gegründete Kreis der Freunde des Bauhauses, demNobelpreisträger wie Albert Einstein und Wilhelm Ostwald angehör-ten, konnten die Landesregierung nicht umstimmen. Am 26. Dezem-ber erklärte der Meisterrat in einem Offenen Brief das Bauhaus inWeimar mit Ablauf der Verträge zum 1. April 1925 für aufgelöst.

Walter Gropius und Museumsdirektor Wilhelm Köhler wähltengemeinsam die besten 165 Werkstattarbeiten aus den Beständendes Bauhauses mit mehr als 2000 Exponaten für die StaatlichenKunstsammlungen zu Weimar aus, die den Kernbestand des heuti-

Porträt Walter Gropius, 1928, Fotografie: Hugo Erfurt

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gen Bauhaus-Museums in Weimar bilden – fast ausnahmslosDesignklassiker des 20. Jahrhunderts. Die originale Fotodokumen-tation des Weimarer Bauhauses hat sich an der heutigen Bauhaus-Universität Weimar ebenso erhalten wie die etwa 500 Bändeumfassende Bauhaus-Bibliothek. Fast vollständig sind die Akten desStaatlichen Bauhauses in Weimar im Thüringischen HauptstaatsarchivWeimar überliefert und bilden bis heute die Basis jeder seriösenBauhausforschung.

Nach ersten Kontakten im Februar 1925 beschloss der Gemein-derat der Stadt Dessau mit Oberbürgermeister Fritz Hesse das Bau-haus zum 1. April nach Dessau zu übernehmen.

Mit der Gründung der Staatlichen Hochschule für Handwerk undBaukunst in Weimar unter der Leitung von Otto Bartning am 1. April1926 begann ein zweites „Bauhaus-Kapitel“ in Weimar, da 80 %der Lehrkräfte Absolventen des Bauhauses waren. Es endete mit derpolitisch motivierten Schließung im Frühjahr 1930 durch den imHerbst 1946 hingerichteten Nazi-Minister Dr. Wilhelm Frick (1877bis 1946), der auch die Verantwortung für die Zerstörung der Bau-haus-Wandgestaltungen in den Hochschulgebäuden und die Zer-schlagung der Bauhaus-Kollektion in den Staatlichen Kunst-sammlungen zu Weimar trägt.

Georg Muche / Baubüro Gropius, Haus Am Horn, Ansicht von Nordwest, 1923

Aufruf des Bauhauses zum Bau des Musterhauses Am Horn, 1922

Herbert Bayer, Entwurf für ein Plakat zur Bauhaus-Ausstellung 1923

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OOOberdieck-Deutschbein, Eva 64Obrist, Hermann 8, 12Oelze, Richard 224Olbrich, Josef Maria 8, 9Opitz, Dipl.-Ing. 251Ortega y Gasset, José 246Osthaus, Karl Ernst 189Ostwald, Wilhelm 19, 49, 61, 98, 119, 251Otte (Koch-Otte), Benita 137, 114411, 243Oud, J. J. P. 243Overhoff, Theodor 22Ozenfant, Amédée 242

PPPahl, Pius 202, 220033Palucca, Gret 245-246Pap, Gyula 18, 165-166, 116688, 243Paul, Bruno 9Paulick, Richard 22, 195, 119966, 245Pazitnov, L. 239Pechstein, Max 13Peiffer Watenphul, Max 137, 217, 218, 222277Perret, August 242Perret, Gustave 242Pestalozzi, Johann Heinrich 31Peterhans, Walter 34, 98, 100, 114477, 205, 221133, 221144,, 215, 238, 246, 250-251Petitpierre, Petra 218Peus, Heinrich 22Pevsner, Antoine 242Picabia, Francis 243Piccard, Auguste 247Picasso, Pablo 243, 247Piscator, Erwin 197, 198, 245-246Poelzig, Hans 13, 247Pohl, Josef 150, 116622, 165Post, Herbert 61Preiswerk-Dirks, Gertrud 137Preller, Luis 232Prinzhorn, Hans 243Przyrembel, Hans 165, 170, 172, 117733Puccini, Giacomo 245Pudowkin, Wsewolod 245Püschel, Konrad 44, 4477, 5555, 199

RRRaphael, Max 247Rathenau, Walther 17, 190, 243Ravel, Maurice 245Reich, Lilly 34, 137, 149, 165, 202, 247, 250-251Reichardt, Margaretha 4477, 5533, 137, 139Reindl, Paul 44Reinhardt, Max 242Remarque, Erich Maria 246Renger-Patzsch, Albert 205Renoir, Jean 245Richter, Hans 243Riedel, Hans 31Riedel, Johannes 251Riedel, Renate 64Riemerschmid, Richard 9Rietveld, Gerrit 244Rilke, Rainer Maria 7777, 244Rittweger, Otto 165, 116699Rivera, Diego 246Rodschenko, Alexander 242Röhl, Karl Peter 13, 1166, 17, 76, 125, 112288, 177, 218, 222266, 222288, 242Röseler, Hermann 218Rößger, Wolfgang 165Roghé, Agnes 18, 137, 114433Rose, Hajo 139, 207, 221122, 218, 224, 223355Rose, Katja 139Rossig, Reinhold 5500, 6600, 220011, 202, 224, 222299Rudelt, Alcar 34, 199, 245, 251Runge, Philipp Otto 52, 119Ruskin, John 8-9Ruttmann, Walter 245

SSSaemann, Willi 31, 251Saint-Exupéry, Antoine de 247Schabbon, Wilhelm 165, 251Schäfter, Alfred 165, 251Schawinsky, Xanti 111111Scheidemann, Philipp 13, 242Scheper, Hinnerk 22, 2266, 34, 61, 115, 118-119, 112200, 193, 244, 250Scheper, Lou 218Schlaf, Johannes 76Schleicher, Kurt von 247Schlemmer, Carl 113, 251Schlemmer, Oskar 13, 16, 1177, 18, 22, 24, 2266, 36, 50, 5566, 57-60, 75, 87, 9922, 97,

113, 115, 111177, 125, 113300, 113322, 165, 178-179, 118844, 118855, 118866,194, 217, 221188, 222233, 238, 240, 243-244, 246-247, 250-251

Schmetzer, Wilhelm 22Schmidt, Hans 251Schmidt, J. F. 63Schmidt, Joost 18, 22, 2266, 34, 60-61, 64, 97-98, 9999, 100, 110088, 110099, 111100, 111111,

115, 125-126, 113322, 113333, 113355, 172, 118822, 191, 193, 243-247,250-251

Schmidt, Kurt 17, 177-178, 117799, 118800, 205, 218, 222288, 243Schmölz, Hugo 205

Schneider, Hermann 251Schoedsack, E. B. 247Schostakowitsch, Dimitri 245Schrader, Erich 251Schrammen, Eberhard 76, 9944, 177, 251Schreyer, Lothar 13, 17, 61, 75, 87, 177, 117788, 217, 242-243, 250-251Schürmann, Herbert 214, 221155Schultze-Naumburg, Paul 34, 246-247Schulze, Helmut 165Schunke, Gerhard 87Schwarz, Rudolf 165, 251Schweitzer, Elisabeth 75Schwertfeger, Kurt 118811Schwitters, Kurt 61, 89Sebök, Stefan 198Selmanagic, Selman 202Sharon, Arieh 199, 202, 245Siedhoff, Werner 179, 118866Siedhoff-Buscher, Alma 113311, 149, 115577, 231Singer, Franz 76, 7799, 205Skala, Franz 222266Slutzki, Hedwig 36Slutzky, Naum 165, 116677, 242, 251Sörensen, Irmgard 41, 46Sommerfeld, Adolf 60, 81, 113, 125, 137, 149, 190-191, 242Speer, Albert 194Stam, Mart 149, 199, 239, 245, 251Sternberg, Josef von 246Stockmar, Paula 223322Stölzl, Gunta 18, 22, 2266, 32, 81, 137, 114422, 114444, 114466, 114477, 149, 115522, 231,

244-246, 250Storck, Henry 247Strawinsky, Igor 17Stresemann, Gustav 243

TTTagore, Rabindranath 17Tatlin, Wladimir 242Taut, Bruno 193, 198, 242, 245Taut, Max 198Teige, Karel 246, 251Teltscher, Georg-Adams 178, 218, 243Téry, Margit 17Tetzner, Heinz 149Thedy, Max 13, 16, 87, 217, 242, 250Thiemann, Hans 224Tobias, Paul 251Toscanini, Arturo 243Tucholsky, Kurt 246-247Tümpel, Wolfgang 165, 116699

UUUmbehr, Otto 4455Umlauf, Karl 75Urey, H. C. 247

VVVelde, Henry van de 9, 1111, 1122, 115, 137, 149, 165, 189Vinci, Leonardo da 13Vogel, Richard 251Voigt, Reingard 5555Voigt, Werner 75Volger, Hans 251Volger, Lis 145

WWWagenfeld, Wilhelm 18-19, 165-166, 116677, 116699, 117711, 238Wagner, Otto 9Walden, Herwarth 10, 177Warnke, Kurt 250Wassiljew, Nikolai 40, 4433Weber, Max 242Weber, Vincent 4422Wegener, Paul 242Weidensee, Reinhold 149, 251Weill, Kurt 245-246Weininger, Andor 17, 81, 178Werner, Otto 125Whale, James 247Wibiral, Dora 61, 250Wick, Rainer 58, 239Widmaier, Karl 76Wigman, Mary 242Willers, Margaret 40, 222277Wingler, Hans M. 239Winkelmayer, Richard 165Winter, Fritz 218, 224Wirths, Willi 251Wittwer, Hans 198, 119999, 220000, 246, 251Wolf, Friedrich 246Woolf, Virginia 245Wottiz, Anni 7788

YYYamawaki, Iwao 3333, 214Yamawaki, Michiko 223355

ZZZachmann, Josef 17, 149, 251Zaubitzer, Carl 87, 250Zimmermann, Werner 44

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Das Bauhaus ist eine der bedeutendsten kulturellen Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. Walter Gropius gründetedas Designinstitut 1919 in Weimar und bald darauf war es auch in Dessau und Berlin tätig. Die Professoren,

Walter Gropius (1919-1928), Hannes Meyer (1928-1930) und Ludwig Mies van der Rohe (1928-1930), waren bekannteArchitekten ihrer Zeit. Die Arbeiten der Bauhaus-Künstler Lyonel Feininger, Wassily Kandinksy, Paul Klee, GerhardMarcks, Oskar Schlemmer und László Moholy-Nagy sowie ihrer Studenten und Fakultätsmitglieder Josef Albers,Herbert Bayer, Marcel Breuer, Gunta Stölzl und Joost Schmidt wurden ausnahmslos bewundert und weckten dasInteresse vieler Museen auf der ganzen Welt.

Auf der Basis neuer ästhetischer Perspektiven und kreativer Lehrmethoden wurde das Bauhaus gegründet, umArchitekten, Designer und Künstler für eine neue demokratische Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg auszubilden.Der Lehrplan bestand aus gestalterischen Übungen, der Vermittlung eines grundlegenden Kunstverständnisses sowieWerkstatt- und Gruppenarbeiten. Angetrieben von einem sozialen Bewusstsein, schloss sich das Bauhaus schon baldder Industrialisierung und Massenproduktion an und konzipierte zahlreiche Arbeiten, die nicht nur gestalterischschön, sondern vor allem haltbar, nützlich und erschwinglich waren.

Auch heute noch schenkt man der Gestaltungslehre des Bauhauses an Architektur-, Design- und Kunsthochschulengroße Beachtung. Die Entwürfe und Arbeiten des Bauhauses, wie zum Beispiel Marcel Breuers berühmte Stahlrohr-Möbel, wurden zu preisgünstigen Designklassikern. Die Gebäude des Bauhauses haben Architekturgeschichtegeschrieben und gehören mittlerweile zum Weltkulturerbe der UNESCO.

1933 wurde das Bauhaus von den Nationalsozialisten geschlossen, was dazu führte, dass viele der Mitgliederdas Land verließen (viele emigrierten in die USA) und trugen somit den Gedanken des Bauhauses in die Welt.

Dieses Buch bietet einen Überblick über die Geschichte des Bauhauses, begleitet von einer reichen Auswahlan Bildern. Die Autoren geben dem Leser in sehr verständlicher Weise Aufschluss über die Entwicklung undVerbindung des Bauhauses zu anderen Kunstströmungen.

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1919-1933

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