MINICHAMPS Nicht die Grösse ist wichtig, die Qualität ist ... · 1994 trat Modellautohersteller...

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MOTORSPORT aktuell 12 17. Januar 2006 Ob original oder 1:43: Qualität steht in beiden Fällen an erster Stelle Nicht die Grösse ist wichtig, die Qualität ist entscheidend Formel 1 im Kleinformat: Der Bau von Modellautos ist zu einem Millionengeschäft geworden. Marktleader Minichamps zeigt, was dahintersteckt. Von Christian Eichenberger l n der Formel 1 herrscht dieser Tage wieder Alarm- stufe Rot. Mit dem Test- wahnsinn beginnt die Ge- heimniskrämerei. Garagen werden mit Stellwänden ver- barrikadiert, Heck- und Front- flügel abgedeckt, als müsse man sie vor der Vogelgrippe schützen. Auch bei Präsenta- tionen herrscht Paranoia. Alte Teile werden an neue Autos geschraubt (wird ja wohl keiner merken) – aus Angst, die Konkurrenz klaue Ideen. Auch den Herstellern von Formel-1-Modellautos ist die tationen eingeladen. Bei den ersten zwei Rennen sind wir vor Ort.» Je länger es dauert, bis Minichamps im Besitz der erforderlichen Unterlagen ist, desto später kommt das Mo- dell in den Handel. Ein exklusiver Fototermin ist für die Aachener wie Son- nenschein über Grossbritan- nien – man freut sich darü- ber, es kommt aber viel zu selten vor, «und wenn, dann steht in der Regel ein Wach- hund daneben», schmunzelt der 57-jährige Lang. Bilder von solchen Shoo- tings werden vom Team gründlich unter die Lupe ge- nommen. «Es ist schon vor- gekommen, dass uns aus 1000 Fotos nur 20 zurückge- schickt wurden», erzählt der Minichamps-Boss. Kontakte sind das A und O Für eine perfekte Zusammen- arbeit sind gute Kontakte das A und O. Personalwechsel in den Technik-Etagen der F1- Teams können die Arbeits- abläufe beeinflussen, «müs- sen aber nicht», betont Lang. Fest steht: Der Bau von Formel-1-Modellen ist auf- wändig. Für 1:43-Miniaturen braucht Minichamps von den ersten Zeichnungen bis zur Fertigstellung mindestens ein halbes Jahr. «Früher ging es schneller», bedauert der Firmenchef. Nach dem Zusammentra- gen der Unterlagen beginnt die Arbeit am Computer. Wie das Original entstehen auch die Miniaturen mittels CAD (Computer Aided Design) seit 2002 vollständig am Bild- schirm. Der nächste Schritt ist der Bau eines Urmodells, das von den Teams auf Pro- portionen und Detailtreue geprüft wird. Lang: «Auch die Dekorationen werden kon- trolliert, aber sonst lässt man uns in Ruhe arbeiten.» Sobald der Prototyp abge- nommen, also das Wohlge- fallen des Teams gefunden hat, geht es an den Formen- bau. Die Produktion hat Mini- champs Anfang der 90er-Jah- re in die Provinz Donguan nach China, dem weltweit grössten Produzentenstand- ort von Die-Cast-Modellen (industriell gefertigte Modelle aus Zinkdruckguss), ausgela- gert: Lang: «Ziel war es, Hand- arbeitsmodelle zum Indus- triepreis zu fertigen. Das geht wegen der niedrigen Lohn- kosten und der bestehenden Infrastruktur nur in China.» Würden 1:43er-Modelle aus- schliesslich in Deutschland hergestellt, müsste der Samm- ler das Vier- bis Fünffache be- zahlen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben deshalb fast alle Modellautohersteller ihren Produktionsstandort in den Fernen Osten verlegt. Tonnenschwere Formen Eine fertige Zinkdruckguss- form für ein 1:18-Modell ist stattliche 1,1 Tonnen schwer. 1:43er-Formen wiegen knapp 600 Kilogramm, also genau- soviel wie ein Formel-1-Fahr- zeug. Der Preis für eine Form liegt im sechsstelligen Be- reich. Die Anfertigung dauert locker sechs Monate. Nach dem Giessen der Mo- delle folgen der Feinschliff und die Verarbeitung, die halbautomatisch vorgenom- men wird. Kunststoffteile wie Flügel, Leitelemente und An- Geheimniskrämerei ein Dorn im Auge. Minichamps-Grün- der Paul Günter Lang verrät: «Wir beginnen jedes Jahr wie- der bei Null. Es wird immer schwieriger, an Daten heran- zukommen.» Millionen für Lizenzen Die Grundlage eines Formel- 1-Modells ist ein Lizenzver- trag. «Ohne den geht gar nichts», weiss Lang. Die Prei- se variieren gewaltig. Spit- zenreiter ist Ferrari. US-Spiel- zeugriese Mattel vertreibt die roten Miniaturflitzer aus Ma- ranello unter dem Label «Hot- wheels» seit 1999 exklusiv. Die Lizenzgebühren für fünf Jahre sollen im achtstelligen Bereich liegen, man munkelt von 50 Millionen US-Dollar. «Da machen wir nicht mit», schüttelt Lang den Kopf. Ferrari ist nicht das einzige Team, das seine Kriegs kasse mit massstabsgetreuen Autos füllt. Siebenstellige Lizenzge- bühren sind heute an der Ta- gesordnung – ein schönes Zubrot, vor allem für noto- rische Hinterbänkler. Kaum haben die Teams die Decke von ihren Autos run- tergezogen, beginnt für Mini- champs das Zusammentra- gen von Daten und Bildmate- rial. Lang: «Manchmal wer- den wir zu Tests oder Präsen- MINICHAMPS FORMEL 1

Transcript of MINICHAMPS Nicht die Grösse ist wichtig, die Qualität ist ... · 1994 trat Modellautohersteller...

MOTORSPORT aktuell12 17. Januar 2006

Ob original oder 1:43: Qualität steht in beiden Fällen an erster Stelle

Nicht die Grösse ist wichtig, die Qualität ist entscheidendFormel 1 im Kleinformat: Der Bau von Modellautos ist zu einem Millionengeschäft geworden. Marktleader Minichamps zeigt, was dahintersteckt.

Von Christian Eichenberger

ln der Formel 1 herrscht dieser Tage wieder Alarm-stufe Rot. Mit dem Test-

wahnsinn beginnt die Ge-heimniskrämerei. Garagen werden mit Stell wänden ver-barrikadiert, Heck- und Front-fl ügel abgedeckt, als müsse man sie vor der Vogelgrippe schützen. Auch bei Präsenta-tionen herrscht Paranoia. Alte Teile werden an neue Autos geschraubt (wird ja wohl keiner merken) – aus Angst, die Kon kurrenz klaue Ideen.

Auch den Herstellern von Formel-1-Modellautos ist die

tationen eingeladen. Bei den ersten zwei Rennen sind wir vor Ort.» Je länger es dauert, bis Minichamps im Besitz der erforderlichen Unterlagen ist, desto später kommt das Mo-dell in den Handel.

Ein exklusiver Fototermin ist für die Aachener wie Son-nenschein über Grossbritan-nien – man freut sich darü-ber, es kommt aber viel zu selten vor, «und wenn, dann steht in der Regel ein Wach-hund daneben», schmun zelt der 57-jährige Lang.

Bilder von solchen Shoo-tings werden vom Team gründlich unter die Lu pe ge-nommen. «Es ist schon vor-

gekommen, dass uns aus 1000 Fotos nur 20 zurückge-schickt wurden», erzählt der Minichamps-Boss.

Kontakte sind das A und OFür eine perfekte Zusammen-arbeit sind gute Kontakte das A und O. Personalwechsel in den Technik-Etagen der F1-Teams können die Ar beits -abläufe beeinfl ussen, «müs-sen aber nicht», be tont Lang.

Fest steht: Der Bau von Formel-1-Modellen ist auf-wändig. Für 1:43-Miniaturen braucht Minichamps von den ersten Zeichnungen bis zur Fertigstellung mindestens ein halbes Jahr. «Früher ging es schneller», bedauert der Firmenchef.

Nach dem Zusammentra-gen der Unterlagen beginnt die Arbeit am Computer. Wie das Original entstehen auch die Miniaturen mittels CAD (Computer Aided Design) seit 2002 vollständig am Bild-schirm. Der nächste Schritt ist der Bau eines Urmodells, das von den Teams auf Pro-portionen und Detailtreue geprüft wird. Lang: «Auch die Dekorationen werden kon-trolliert, aber sonst lässt man uns in Ruhe arbeiten.»

Sobald der Prototyp abge-nommen, also das Wohlge-fallen des Teams gefunden hat, geht es an den Formen-bau. Die Produktion hat Mini-champs Anfang der 90er-Jah-re in die Provinz Donguan nach China, dem weltweit grössten Produzentenstand-ort von Die-Cast-Modellen (industriell gefertigte Modelle aus Zinkdruckguss), ausgela-gert: Lang: «Ziel war es, Hand-arbeitsmodelle zum Indus-triepreis zu fertigen. Das geht wegen der niedrigen Lohn-kosten und der be stehenden Infrastruktur nur in China.»

Würden 1:43er-Modelle aus-schliesslich in Deutschland hergestellt, müsste der Samm-ler das Vier- bis Fünffache be-zahlen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben deshalb fast alle Modellautohersteller ihren Produktionsstandort in den Fernen Osten verlegt.

Tonnenschwere Formen Eine fertige Zinkdruckguss-form für ein 1:18-Modell ist stattliche 1,1 Tonnen schwer. 1:43er-Formen wiegen knapp 600 Kilogramm, also genau-soviel wie ein Formel-1-Fahr-zeug. Der Preis für eine Form liegt im sechsstelligen Be-reich. Die Anfertigung dauert locker sechs Monate.

Nach dem Giessen der Mo-delle folgen der Feinschliff und die Verarbeitung, die halbautomatisch vorgenom-men wird. Kunststoffteile wie Flügel, Leitelemente und An-

Geheimniskrämerei ein Dorn im Auge. Minichamps-Grün-der Paul Günter Lang verrät: «Wir beginnen jedes Jahr wie-der bei Null. Es wird immer schwieriger, an Daten he ran-zukommen.»

Millionen für LizenzenDie Grundlage eines Formel-1-Modells ist ein Lizenzver-trag. «Ohne den geht gar nichts», weiss Lang. Die Prei-se variieren gewaltig. Spit-zenreiter ist Ferrari. US-Spiel-zeugriese Mattel vertreibt die roten Miniaturfl itzer aus Ma-ranello unter dem Label «Hot-wheels» seit 1999 exklusiv. Die Lizenzgebühren für fünf

Jahre sollen im achtstelligen Bereich liegen, man munkelt von 50 Millionen US-Dollar. «Da machen wir nicht mit», schüttelt Lang den Kopf.

Ferrari ist nicht das einzige Team, das seine Kriegs kasse mit massstabsgetreuen Autos füllt. Siebenstellige Lizenzge-bühren sind heute an der Ta-gesordnung – ein schönes Zubrot, vor allem für noto-rische Hinterbänkler.

Kaum haben die Teams die Decke von ihren Autos run-tergezogen, beginnt für Mini-champs das Zusammentra-gen von Daten und Bildmate-rial. Lang: «Manchmal wer-den wir zu Tests oder Präsen-

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MOTORSPORT aktuell 1317. Januar 2006

tennen werden in Handarbeit (10 bis 15 Minuten pro Mo-dell) angebracht. Die aufwän-digen Dekorationen werden je nach Modell mittels Schab-lonen- oder Tamponverfah-ren platziert. Bei letzterer wird ein Motiv von einer Blechplatte mit einem Sili-konstempel (Tampon) aufge-nommen und mit einem Me-chanismus auf die Miniatur

gedrückt und übertragen. Zwischen Giessen und Ver-

sand eines Modells vergehen rund sechs Wochen. Kompli-zierte Modelle brauchen län-ger. «Am aufwändigsten war der Toyota», sagt Lang. «Die vielen fi ligranen Flügel und Luftleitelemente haben das Lackieren und Dekorieren er-schwert und Zeit gekostet.»

Von jedem Fahrzeug pro-duziert Minichamps mehrere tausend Stück – von man-chen Modellen (Stichwort Testfahrer) werden auch limi-tierte Serien zwischen 1000 und 3000 Stück aufgelegt.

Allein für die Produktion der winzigen Reifen benötigt Minichamps jährlich rund zehn Tonnen Gummi. Die La-ckierungen verschlingen 20 Tonnen Farbe. Nach wie vor gilt: Ein Minichamps-Modell wird nur einmal hergestellt. Die Ausnahme bestätigt die Regel. «Wenn wir ein Modell neu aufl egen, dann überar-beiten wir es aber auch gründlich», präzisiert Lang.

Qualität an erster StelleDer grösste Unterschied zwi-schen Original und Verklei-

1994 trat Modellautohersteller Minichamps als Sponsor bei Benetton auf (oben) – im Bild: Jos Verstappen in Hockenheim. Vom 2005er-Startfeld sind acht von zehn Teams erhältlich (links) – Minardi wird sich später dazugesellen, Ferrari wird exklusiv von Mattel hergestellt

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So sieht eine fertige Zinkdruckgussform für ein Formel-1-Modell im Massstab 1:18 aus (unten). In der Minichamps-Produktionswerkstätte in der Provinz

Donguan in China wird Handarbeit noch gross geschrieben (ganz unten)

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Die Firma Minichamps (Paul’s Model Art GmbH &

Co) wurde am 1. Mai 1990 von Paul Günter Lang ge-gründet. Als erstes Modell erscheint der Audi-V8 von Hans-Joachim Stuck aus der DTM. 1992 schickt Lang mit einer 1:43-Verkleinerung des Benetton-Ford B192 von Mi-chael Schumacher den ers-ten Formel-1-Boliden ins Ren nen. Den Deal dazu hat Lang einen Tag nach Schu-mis erstem Grand-Prix-Sieg in Spa-Francorchamps am Tele fon mit Manager Willi Weber ausgehandelt.

1993 folgen die ersten 1:18er-Miniaturen – darunter

der Benetton, der Ferrari und der Williams. 1997 ver-lässt das zehn-millionste Mo-dell die Werks-hallen in China. Heute ent stehen bei Mini champs im Schnitt 600 Neuheiten im Jahr, jährlich werden rund 2,5 Millionen Modell-autos produziert. Das Sortiment reicht von Renn-autos über Perso-nenwagen bis zu Motorrädern, Nutzfahrzeu-gen und Panzer. Abgesehen

von Ferrari (exklusiv bei Mattel, s. Hauptartikel) bie-

tet Mini champs das kom plette Formel-1-Start-feld 2005.

Die Beleg-schaft ist in 15 Jahren auf 50 Mitarbeiter in der Hauptzent-rale in Aachen und 3000 in Chi-na angestiegen. Jeder Produkti-onsschritt wird von Aachen aus überwacht. Der

Jahresumsatz liegt im acht-stelligen Bereich.

80 Prozent der Modelle werden in Europa ver kauft, Deutschland ist nach wie vor der grösste Markt, aber auch in der Schweiz, in Frank reich und Grossbritan-nien ist die Nachfrage nach Mini champs-Produk ten sehr gross. Weitere wichtige Märkte sind Japan und die USA. Auch im Produktions-land China ist das Interesse an Minichamps-Miniaturen spürbar gestiegen.

2006 soll am Hauptsitz in Aachen das erste offi zielle Minichamps-Museum eröff-net werden. Weitere Infor-mationen gibt es unter www.minichamps.de ◆ CE

Minichamps – eine Erfolgsstory

Gründer: Paul Günter Lang

nerung besteht im Preis. Das fertige F1-Modell kostet im Fachhandel je nach Grösse zwischen 25 (1:43) und 65 Euro (1:18). Durch den hohen Anspruch («Qualität steht bei uns an erster Stelle») verzö-gert sich die Auslieferung bis spät in den Herbst. Die F1-Modelle 2005 sind erst er-schienen, als sich die Königs-klasse bereits in der Winter-

pause befand. «Das ist nicht ideal, erst recht, weil die Mo-delle auf dem Stand der ers-ten Rennen sind. Aber schnel-ler geht’s nicht», entschuldigt sich der Chef.

Nicht jedes Formel-1-Mo-dell ist gleich begehrt. «Der Verkauf steht und fällt mit

dem Fahrer», weiss Lang. Schumacher, Sen na oder Häkkinen verkaufen sich weltweit. Andere Piloten las-sen die Verkaufszahlen nur lokal in die Höhe schnellen. Modelle von Jos Verstappen beispielsweise gehen in den Niederlanden weg wie warme Semmeln – «oft verkaufen sie sich sogar besser als die der grossen Stars», verrät Lang.

Auch Japan ist für Mini-champs zu einem wichtigen Markt geworden. Allein von Takuma Sato gibt es inzwi-schen mehr als zwei Dutzend (!) Modelle, obschon der er-folgreichste GP-Japaner erst seit 2002 Formel 1 fährt.

Manchmal reicht ein Wech-sel eines Fahrers in eine Se-rie, um den Verkauf anzukur-beln. «Als Jean Alesi in die DTM eingestiegen ist, ist die Zahl der verkauften DTM-Modelle schlagartig gestie-gen», schmunzelt Lang – sein spitzbübisches Lächeln verrät das Firmenmotto: «Wir ver-kaufen kleine Modell autos und fi nden das gut!» ◆

«Der Verkauf von F1-Modellen steht und fällt mit dem Fahrer.»

Minichamps-Gründer Paul Günter Lang

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