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MITTEILUNGEN 11

INSTITUT FÜR DEUTSCHE SPRACHE MANNHEIM

Herausgegeben vomInstitut für deutsche SpracheRedaktion:Wolfgang Teubert

CopyrightInstitut für deutsche Sprache 1985 Postfach 5409 D-6800 Mannheim 1 Tel. (0621) 4401-1

ISBN 3-922641-28-8

INHALTSVERZEICHNIS

Gerhard Stickel: Das "Fremdwort" hat ausgedient ....................... 7

Nathalie Roth: Deutsche Sprachkultur in der Gegenwart ............... 18

Ulrich Wetz: Ansichten über Sprache .................................... 35

Manfred W. Hellmann: Deutsche Sprache Ost und West ................... 63

Michael Kinne: Sprachliche Folgen der Teilung Deutschlandserneut in der Diskussion ................................................ 69

Manfred W. Hellmann: Bemerkungen zur Entwicklung und zur gegenwärtigen Lage des Arbeitsgebietes "Ost-West-Sprach- differenzierung" ......................................................... 76

Manfred W. Hellmann: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1 ................. 93

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VORWORT

Am Anfang des vorliegenden Hefts 11 der Mitteilungen steht ein Beitrag

von Gerhard Stickel über die Fremdwörter. Die Diskussion über dieses

Thema in der Öffentlichkeit hält unvermindert an; noch immer wird, auch

in den Medien, die Ansicht vertreten, bei der Vermittlung von Fachwissen

an die Öffentlichkeit würden sich Verständnisprobleme vor allem da ein­

stellen, wo sogenannte Fremdwörter verwendet werden. Dabei gehört nach

Ansicht der meisten Sprachwissenschaftler die Fremdwortfrage zum alten

Eisen. Verstehensbarrieren entstehen da, wo Wörter einer Fachsprache vom

Laien nicht verstanden werden, weil er die damit bezeichneten Begriffe

nicht kennt; ob diese Wörter lateinischen Urpsrungs sind wie Geron­

tologie, aus dem Englischen kommen wie Software oder aus dem Deutschen

wie Dünnsäure, Besitzdiener oder Zarge, ist dabei ohne Belang.

Über die Internationale Jahrestagung 1984 des Instituts für deutsche

Sprache, die dem Thema 'Sprachkultur' gewidmet war, berichtet Nathalie

Roth. Die Tagung hat eine erstaunlich große Breiten- und Tiefenwirkung

erzielt, sie hat das Wort Sprachkultur in der Bundesrepublik heimisch

gemacht und sicher dazu beigetragen, daß neuerdings die Gesellschaft für

deutsche Sprache einem Preis für Sprachkultur im "Medienalltag" vergibt.

Die Tagungsvorträge sind soeben unter dem Titel 'Sprachkultur' als Jahr­

buch 1984 des Instituts für deutsche Sprache in der Reihe 'Sprache der

Gegenwart1 erschienen. Sprachkultur und politische Kultur - damit be­

schäftigen sich auch die ersten Römerberggespräche, die dem Thema "Spra­

che der Macht - Macht der Sprache" gewidmet waren. In seinem Beitrag hat

Ulrich Wetz diese Veranstaltung einer kritischen Würdigung unterzogen.

Der Schwerpunkt dieser Nummer der Mitteilungen beschäftigt sich mit der

Entwicklung der deutschen Sprache in der Bundesrepublik und der DDR.

Michael Kinne gibt in seinen Anmerkungen zu einem linguistischen Kol­

loquium eine Übersicht über den Forschungsstand hierzu in den beiden

deutschen Staaten. Manfred W. Hellmann ist als Autor gleich dreimal ver­

treten; zum einen mit seinem Beitrag für die Fernsehsendung "Aspekte

Literatur - die geteilte Sprache", zum anderen mit einer Bestandsauf­

nahme des Forschungsgebiets "Ost-West-Sprachdifferenzierung" und

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schließlich mit einer ausführlichen Dokumentation des Bonner Zeitungs­

korpus Teil 1. Die letzten Korrekturarbeiten an diesem umfangreichen

Korpus (Texte aus der "Welt" und dem "Neuen Deutschland" mit einem Ge­

samtumfang von über 3 Mio. Wörtern) wurden vor einigen Monaten abge­

schlossen. Das Korpus (einschließlich Registern und weiteren Textauf­

bereitungen) steht nun endlich als Mikrofiche-Ausgabe und als Text­

datenbank der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung.

Juli 1985

Wolfgang Teubert

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Gerhard Stickel

DAS "FREMDWORT" HAT AUSGEDIENT*

Fremdwörter sind für viele Menschen immer noch ein heißes Eisen. Nun

gibt es bekanntlich für den Umgang mit heißen Eisen seit alters zwei ge­

genläufige Empfehlungen: Nach der einen soll man das Eisen schmieden,

solange es heiß ist; nach einem anderen überlieferten Ratschlag, der

wohl nicht für Schmiede gedacht ist, soll man sich von heißen Eisen mög­

lichst fernhalten, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Als Sprach­

wissenschaftler sieht man sich gegenüber einem Gegenstand des eigenen

Fachs natürlich am liebsten in der Rolle eines tüchtigen Schmieds, der

das Werkstück mit der richtigen Zange anfaßt und etwas Sinnvolles und

Nützliches daraus hämmert. Wenn ich mir aber das Eisen 'Fremdwort' ge­

nauer ansehe, geht es mir wie einigen meiner Kollegen, die sich mit die­

sem Gegenstand eingehender befaßt haben als ich: Ich habe den Eindruck,

daß die Fremdwortfrage schon so oft erhitzt worden ist, schon von so

vielen Schmieden mit oft ungeeigneten Hämmern bearbeitet worden ist, daß

sie nun völlig zerklopft daliegt und man nichts Rechtes mehr daraus ma­

chen kann. Als sprachwissenschaftliches Thema würde ich deshalb das

Fremdwort am liebsten zum alten Eisen werfen. Im folgenden möchte ich

erläutern, warum ich das meine.

Soweit die Fremdwortdiskussion heute noch geführt wird, sind zwei Ebenen

zu unterscheiden, die aber nicht übereinanderliegen, sondern schief zu­

einander stehen:

- die fachinterne Erörterung der Sprachwissenschaftler darüber, was

Fremdwörter eigentlich sind oder sein könnten,

* Leicht gekürzte Fassung eines Beitrags zu einem Diskussionsabend der Gesellschaft für deutsche Sprache/Wiesbaden am 30.10.1984. In der Ankün­digung der Veranstaltung wurden Fremdwörter als ein "heißes Eisen" be­zeichnet.

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- die seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit wieder einmal lebhafter

geführte Diskussion über Nutzen und Schaden der Fremdwörter.

Im Grunde sollte die allgemeine Diskussion die Ergebnisse der fachin­

ternen Klärungsbemühungen voraussetzen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Und daraus sollte man nicht nur den sprachlich interessierten Mitbürgern

einen Vorwurf machen, die zu Fremdwörtern oft recht entschiedene Mei­

nungen haben, sondern auch den Sprachwissenschaftlern, denen es bisher

offensichtlich noch nicht gelungen ist, das, was sie in neuerer Zeit zur

Fremdwortfrage herausgefunden haben, über ihr Fach hinaus zu vermitteln.

Daß Neuigkeiten aus der Forschung sich erst nach einiger Zeit nach und

nach herumsprechen, ist an sich nichts Besonderes. Das gilt für nahezu

alle Wissenschaftler. Im Fall der Fremdwörter kommt jedoch ein ganz ent­

scheidender Verzögerungsfaktor hinzu, nämlich das Wort Fremdwort selbst.

Anders als viele Fachwörter der Sprachwissenschaft und der Sprach-

pädagogik ist der Ausdruck Fremdwort den meisten deutschsprachigen Zeit­

genossen sehr vertraut. Sie gehen mühelos damit um, vor allem in wer­

tenden Äußerungen, in denen etwa ein schwieriger Text oder der Sprach­

gebrauch eines anderen Menschen kritisiert wird. Verbreitet ist die

Meinung, man könne klar unterscheiden zwischen deutschen Wörtern, die

wir ganz oder in ihren Teilen aus der deutschen Sprachgeschichte, soweit

sie sich zurückverfolgen läßt, geerbt haben, und Fremdwörtern, die vor

längerer Zeit oder auch erst in der jüngsten Vergangeheit aus anderen

Sprachen übernommen wurden. Verbunden wird mit dieser Unterscheidung

meist eine unterschiedliche Bewertung. Nach wie vor gibt es die Auf­

fassung, daß der Gebrauch von Fremdwörtern anders als der von deutschen

Wörtern besondere Schwierigkeiten bereitet: Fremdwörter sind schwer zu

schreiben, auszusprechen oder zu verstehen, weil die mit ihnen verbun­

denen Bedeutungen besondere Fach- und Sprachkenntnisse voraussetzen. Wie

man bei Fremdwortdiskussionen immer wieder beobachten kann, wird meist

ein solcher Kausalzusammenhang zwischen Herkunft und Gebrauchsschwie­

rigkeit von Wörtern angenommen.

Gelegentlich wird bei solchen Diskussionen auch eine begriffliche

Dreierunterscheidung gemacht, die viele von uns in der Schule gelernt

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haben, nämlich zwischen Erbwörtern, Fremdwörtern und Lehnwörtern. Wenn

es aber darum geht, anhand konkreter Beispiele zu entscheiden, ob be­

stimmte Wörter Fremd- oder Lehnwörter sind, können die Meinungen rasch

auseinandergehen. Meist gibt man sich mit der generellen Vorstellung zu­

frieden, daß Lehnwörter so etwas wie ehemalige Fremdwörter sind, die

sich den Erbwörtern so weit angeglichen haben, daß sie nur noch von

Fachleuten als Fremdwörter erkannt werden können.

Soweit ich die öffentliche Fremdwortdiskussion in den letzten Jahren be­

obachtet habe, und ich habe mich dabei vor allem mit Leserbriefen und

Sprachglossen in den Zeitungen befaßt, spielt die Begriffstrias von

Erb-, Lehn- und Fremdwörtern dabei keine große Rolle. Zumeist wird an­

genommen, daß man bei den gegenwärtig gebrauchten Wörtern ohne weiteres

zwischen deutschen Wörtern und Fremdwörtern unterscheiden könne.

Im Unterschied zu den meisten Mitbürgern tun sich die Sprachwissen­

schaftler, besonders die Spezialisten im Bereich von Lexikologie und Le­

xikographie mit dem Ausruck Fremdwort schon seit längerem recht schwer.

Die Tendenz geht sogar dahin, diesen Ausdruck als Fachterminus ganz

aufzugeben. Der Grund, warum das Fremdwort als Fachausdruck in Mißkredit

geraten ist, ist vor allem in den Neuansätzen der Sprachforschung der

letzten Jahrzehnte zu suchen, die auf eine geänderte, in jedem Falle

weitere Auffassung von Sprache zurückgehen.

Bis in die ersten Jahre nach Kriegsende war die Sprachwissenschaft in

den deutschsprachigen Ländern vorwiegend historisch ausgerichtet. Auch

Untersuchungen der Gegenwartssprache einschließlich ihres Wortschatzes

zielten stets darauf ab, die beschriebenen Einheiten zu älteren Formen

des Deutschen in Beziehung zu setzen, sie als Ergebnis einer ge­

schichtlichen Entwicklung vom Althochdeutschen bis in die Neuzeit zu

erfassen. Für eine solche Betrachtung waren viele Wörter der Gegen­

wartssprache schon deshalb weniger interessant, wenn nicht gar ärger­

lich, weil sie innerhalb des Deutschen nur eine relativ kurze Geschichte

haben, also z.B. erst im 18. oder 19. Jahrhundert oder gar erst in der

jüngsten Vergangenheit aus anderen Sprachen ins Deutsche übernommen oder

unter Verwendung fremdsprachlicher Elemente im Deutschen gebildet worden

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sind. Was liegt bei einer vorwiegend historischen Interessenlage näher,

als mit Altersunterschieden auch Wertunterschiede zu verbinden?

Hinzu kam, daß die historische Ausrichtung der Germanistik zum Teil auch

motiviert war durch das Bemühen einer nationalen Identitätsbestimmung

aus der deutschen Sprachgeschichte heraus. Deshalb wurden bis in die

jüngste Vergangenheit die aus anderen Sprachen entlehnten Wörter, Wort­

elemente und Bildungsmuster von einem Teil der professionellen Germa­

nisten als Gefahr, als schädlich für die deutsche Sprache und nationale

Identität angesehen und deshalb oft leidenschaftlich bekämpft. Fremd­

wort war dabei nicht nur Beschreibungsbegriff für Teile des Wort­

schatzes, sondern auch Kampfwort zur Verteidigung des Deutschen vor

allem sprachlich, kulturell und politisch Fremden. Einzelheiten der po­

litischen Verstrickung der zünftigen Germanistik einschließlich der

Sprachvereine und -gesellschaften, die als ihre Multiplikatoren wirkten,

sollen aber hier nicht weiter erörtert werden.

Für wichtiger halte ich, daß die Sprachwissenschaft hierzulande erst in

der Nachkriegszeit die Möglichkeit erhielt, Forschungsansätze aufzuar­

beiten, mit denen anderswo schon seit längerem erfolgreich gearbeitet

worden war. Hierzu gehören die Theorien und Methoden des europäischen

und amerikanischen Strukturalismus, der die Geschichtlichkeit von Spra­

che keineswegs leugnet, andererseits aber deutlich gemacht hatte, daß

das Funktionieren einer lebenden Sprache, die wechselseitigen Bezie­

hungen der Einheiten zueinander, die Regeln ihres Gebrauchs sich nicht

ausschließlich aus ihrer Geschichte herleiten lassen. Schon 1916 hatte

der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure auf die me­

thodischen Schwächen der herkömmlichen vorwiegend etymologischen Wort­

forschung hingewiesen. Die außerhalb Deutschlands längst akzeptierte

Einsicht, daß etwa die Bedeutung von Wörtern zu einer gegebenen Zeit in

ihren Beziehungen zu anderen Wörtern und aus ihren Gebrauchseigenschaf­

ten zu ermitteln ist, wurde bestimmend für die neuen Richtungen der

Wortforschung.

Die traditionelle Sprachwissenschaft hatte lexikalische Strukturen zwar

nicht geleugnet, die Gebrauchseigenschaften, den Gebrauchswert der Wör-

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ter aber in verkürzter Weise mit ihrer Herkunft vermengt oder sogar

gleichgesetzt. Als gut und nützlich galten Wörter anerkannt germanischer

Herkunft, als nützlich, wenn auch nicht ganz so gut, die 'eingedeutsch­

ten' Lehnwörter und als unnütz oder sogar schädlich Wörter, die urnnas-

kiert ihre fremde Herkunft erkennen lassen.

Diese Dreierunterscheidung hat sich für die beschreibende Wortforschung,

die sich auf die Beobachtung des gegenwärtigen Sprachgebrauchs stützt,

als ungeeignet erwiesen, als ungeeignet vor allem deshalb, weil sich

zwischen der Herkunft und den Gebrauchseigenschaften der einzelnen Wör­

ter, ihren grammatischen und stilistischen Merkmalen, ihrer Zugehörig­

keit zu bestimmten Fach- und Gruppensprachen bzw. ihrer Gebrauchsüblich-

keit in der Gemeindesprache kein durchgehender Erklärungszusammenhang

herstellen läßt.

Es ist vor allem der noch weithin angenommene kausale Zusammenhang zwi­

schen Herkunft einerseits und Verständlichkeit und Gebräuchlichkeit an­

dererseits, der bei einer Vielzahl von Wörtern zu Abgrenzungsschwierig­

keiten und Widersprüchen führt. Hierzu einige wenige Beispiele.

Die beiden Kriterien scheinen gut zueinander zu passen bei Wörtern wie

Biotop, Gerontologie, Hybridkompositum, Diskont, Legato, Relais, Marke­

ting oder Holding, die wohl die meisten Zeitgenossen Fremdwörter nennen

würden, weil sie mit ihnen nur eine unklare oder gar keine Bedeutung

verbinden. Abgesehen von ihrer Bedeutung sind z.B. Apperzeption, Trans­

substantiation, Ptyalin oder Thriller auch noch schwer zu sprechen. Und

wer außer Medizinern weiß schon, wie man Anästhesie oder Gonorrhöe

schreibt?

Eventuelle Schreibschwierigkeiten scheinen aber die meisten Menschen

nicht daran zu hindern, häufig Wörter wie Portemonaie, Serviette oder

Malheur zu gebrauchen. Und mit Freak, T-Shirt, Jogging, Tuen, Feeling.

Disco oder Poster kommen vor allem junge Leute heute gut zurecht.

Mit Wörtern wie Doktor, Professor, Klinik, Interesse, Material, Zigaret­

te, Theater, Partner, Pullover, Hobby, Sport, Film, Pudding und vielen

anderen hat wohl niemand hierzulande Schwierigkeiten.

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Wenn es also offensichtlich schwierige und leichte, wenig gebräuchliche

und gebräuchliche Fremdwörter gibt, was unterscheidet dann diese Wörter

insgesamt von anderen Wörtern im Deutschen? Bei einem Teil von ihnen

kann ja nicht einmal die fremde Herkunft als Abgrenzungsmerkmal dienen,

worauf ich unten noch kurz eingehen werde.

Auf der anderen Seite werden viele von uns mit Texten konfrontiert, die

nahezu ausschließlich Wörter untadeliger Herkunft enthalten, die aber

deshalb nicht etwa leicht zu verstehen sind. Ich erinnere nur an Behör­

denformulare und andere Texte der öffentlichen Verwaltung und des

Rechtswesens. Bekanntlich wird ja gerade bei den Gesetzestexten schon

seit langem ganz besonders auf sprachliche Sauberkeit geachtet. Ein

Nichtjurist, der sich mit dem auch sprachlich für alle Bürger gemachten

Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) befaßt, wird aber dieses Buch nicht gerade

als Muster für gebräuchliche und verständliche Wörter empfehlen kennen.

Ich beschränke mich auf eine kleine Bei spiel 1iste:

AbdingbarkeitAuflassungAuslobungBefriedigungsrechtBesitzdienerBüchersitzungDienstbarkeitGattungsschuldMündelsicherheitNießbrauchRangvorbehaltSachenmehrheitVerkehrssitteWahlschuldWandelung

Solche Wörter mögen vielen Menschen weniger fremdartig erscheinen als

etwa Appendizitis, Laktose, Computertomograph oder Multiplechoice-Text.

Als Laie sollte man jedoch dem Befriedigungsrecht oder der Verkehrs­

sitte ebensowenig trauen, genauer gesagt, man sollte die eigene spon­

tane Deutung auf keinen Fall mit der juristischen Verwendung dieser Wör­

ter verwechseln.

Man braucht sich im übrigen nicht auf die Fachsprache des Rechtswesens

zu beschränken. Mit dem Wort Dünnsäure, das in letzter Zeit häufig in

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den Nachrichten gebraucht wird, verbinde ich selbst nur eine sehr un­

klare Vorstellung. Bis heute weiß ich nicht, ob diese Säure wegen ihrer

Dünne relativ harmlos oder besonders gefährlich ist. Gelernt habe ich

nur, daß Dünnsäure verklappt wird. Was aber bedeutet verklappen?

Diese wenigen Beispiele sollen nur illustrieren, daß der Begriff 'Fremd­

wort' zur umfassenden Bestimmung von Wörtern mit den Eigenschaften

'fremdsprachliche Herkunft' und 'schwer zu gebrauchen oder zu verstehen'

untauglich ist. Wenn man die beiden Kriterien getrennt anwendet, gelangt

man zu Wortmengen, die sich nur teilweise überlappen, und auch dies

nicht in konstanter Weise. Die Herkunft läßt sich zwar für viele Wörter

einigermaßen sicher ermitteln. Deren Verständlichkeit variiert jedoch

mit den individuellen und sozialen Voraussetzungen der hierzu befragten

Menschen. Was dem Mediziner die Zirrhose ist, ist dem Winzer der Tres­

ter, dem Germanisten der Ablaut, dem Biologen der Klon, dem Historiker

das Palimpsest, dem Jugendlichen der Freak und dem Bildungsbürger das

Sohibboleth. Fremdwörter als Klasse von Wörtern, die allen Mitgliedern

einer Sprachgemeinschaft Schwierigkeiten bereiten, gibt es nun einmal

nicht.

Noch einige Bemerkungen zu den scheinbar sicheren Herkunftskriterium.

Als Fachwort ist der Ausdruck Fremdwort auch deshalb im Kurs gefallen,

weil es herkömmlicherweise suggeriert, daß die damit bezeichneten Wörter

ihre Heimat in einer fremden Sprache haben. Und gerade das trifft auf

eine Vielzahl von Wörtern, die alltagssprachlich Fremdwörter genannt

werden, gar nicht zu. Ich denke dabei etwa an Scheinentlehnungen wie

Twen, Dressman, Showmaster und Highlife, die weder im britischen noch im

amerikanischen Englisch zu Hause sind, sondern hierzulande geprägt wur­

den.

Bedeutsamer als solche sprachlichen Kuriositäten sind große Teile des

Fachwortschatzes von Medizin, Pharmakologie, Chemie und einigen anderen

Fächern: Wörter, die weder aus dem alten Rom noch dem antiken Griechen­

land stammen, die vielmehr in der Neuzeit zumeist aus griechischen und

lateinischen Wortelementen konstruiert wurden, weil deutsche, französi­

sche, englische oder andere Wissenschaftler einen Bezeichnungsnotstand

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zu bewältigen hatten, weil für neuentdeckte Krankheiten, Stoffe oder

Verfahren möglichst eindeutige Bezeichnungen gebraucht wurden. All die

vielen Fachwörter z.B. auf -ose, -itis und -iasis, auf -ismus und -istik

gibt es in ähnlichen Ausdrucksformen in vielen Sprachen. Da sie keiner

Einzelsprache entlehnt sind, sondern in ganz unterschiedlichen Ländern

geprägt wurden, kann man sie nicht gut Fremdwörter nennen, zumindest

bliebe dabei die 'Fremde' völlig unbestimmt. Solche fachsprachlichen

Internationalismen gehören im Grunde genommen allen Sprachen an, deren

fachliche Varietäten an einem solchen internationalen Spezialwortschatz

teilhaben.

Was nun die echten Entlehnungen angeht, also Wörter, die nachweislich

aus einer bestimmten Fremdsprache übernommen wurden, so haben die meis­

ten im Unterschied zu den Internationalismen im Deutschen Eigenschaften

angenommen, die sich von ihrem Gebrauch in der Gebersprache unter­

scheiden. Bekannt ist, daß ein Wortausdruck nach seiner Übernahme in

eine andere Sprache zwar nicht immer seine Form, aber sehr oft seine Be­

deutung ändert. Die schon erwähnte Serviette bezeichnet im Französischen

kein Mundtuch, sondern ein Handtuch. Und auch ein im Deutschen relativ

neues Wort, der Computer hat eine Bedeutungsänderung, und zwar eine Be­

deutungsverengung mitgemacht. Anders als im Deutschen kann man mit Com­

puter im Englischen nicht nur eine rechnende Maschine, sondern auch

einen rechnenden Menschen bezeichnen. Derartige Bedeutungsverschiebungen

sind geradezu kennzeichnend für viele Entlehnungsvorgänge. Die oft

gescholtene Anlehnung des Deutschen an fremde Sprachen erweist sich in

solchen Fällen geradezu als das Gegenteil. Die semantische Abwandlung

von Wörtern ist ja keine Annäherung, sondern eine Entfernung von der be­

treffenden Fremdsprache.

Neben den Erscheinungen der innersprachlichen Entwicklung und dem Ge­

brauch entlehnter Wörter und Wortelemente gibt es Entlehnungsarten, die

sich auch bei historischer Betrachtung nicht sinnvoll unter irgendeinen

Fremdwortbegriff fassen lassen. Hierzu gehören Entlehnungen, bei denen

nicht Wortausdrücke, sondern Bedeutungen übernommen werden. Soll man et­

wa Wörter wie Selbstbedienung, Taschentuch oder Eierkopf zu den Fremd­

wörtern rechnen, weil sie Lehnübersetzungen aus englisch self-service,

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pooket book bzw. egghead sind? Und sind Lehnübertragungen wie Wolken­

kratzer (nach skycraper) oder Entwicklungsland (nach developing country)

Fremdwörter, weil sie nach englischem Vorbild gebildet sind? Sind Verben

wie feuern oder buchen sowohl deutsche Wörter als auch Fremdwörter, weil

sie unter anderem in den Bedeutungen 'entlassen' bzw. 'Platz bestellen'

nach dem Vorbild von englisch to fire und to book gebraucht werden?

Solche Erscheinungen lassen sich mit dem herkömmlichen unklaren Fremd­

wortbegriff gar nicht erfassen. Und ich wüßte auch nicht, wie man diesen

Begriff entsprechend präzisieren könnte. Warum auch? Fachwörter wie

Lehnwortbildung, Lehnübersetzung und Lehnübertragung sind eingeführt und

in jedem Fall genauer.

Es sollte deutlich geworden sein, daß die derzeitige Sprachwissenschaft

die Entlehnungen aus fremden Sprachen nicht etwa übersieht oder bagatel­

lisiert. Auch die neuere Wortforschung nimmt den Einfluß fremder Spra­

chen auf das Deutsche ernst. An der Tatsache, daß der überwiegende Teil

unseres heutigen Wortschatzes auf Entlehnungen oder Lehnwortbildungen

zurückgeht, läßt sich nun einmal nicht herumdeuteln. Es sollte aber

deutlich geworden sein, warum die Sprachwissenschaft mit dem Ausdruck

Fremdwort weder bei der historischen Untersuchung von Entlehnungsvorgän­

gen noch bei der funktionalen Beschreibung des gegenwärtigen deutschen

Wortschatzes etwas anfangen kann. Als Fachwort hat das Fremdwort aus­

gedient.

Da es aber weiterhin in aller Munde ist und deshalb zur deutschen Gegen­

wartssprache gehört, können wir es nicht zum alten Eisen werfen. Es wird

wohl noch einige Zeit im Gebrauch bleiben als alltagssprachliche Be­

zeichnung für Wörter, die dem jeweiligen Sprecher als fremd erscheinen,

und zwar unabhängig davon, ob die so bezeichneten lexikalischen Einhei­

ten tatsächlich aus fremden Sprachen übernommen, ob sie fach- oder bil­

dungssprachliche Internationalismen sind oder im Deutschen unter Ver­

wendung fremdsprachlicher Elemente gebildet wurden.

Als Kampfwort sollte das Fremdwort dagegen längst ausgedient haben. Da­

mit soll nicht von der Tatsache abgelenkt werden, daß es wortbedingte

Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten gibt, daß wir tagtäglich

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mit rücksichtslosem oder irreführendem Sprachgebrauch konfrontiert wer­

den. Wer sich aber sprachkritisch mit bestimmten Texten, mit dem Sprach­

gebrauch in bestimmten Situationen auseinandersetzt, kann sich jedoch

nicht auf einen wissenschaftlich gesicherten Fremdwortbegriff berufen.

Das Bemühen etwa um verständlichere für Laien bestimmte Fachtexte, die

Kritik unklaren oder irreführenden Sprachgebrauchs in der Werbung oder

in der Politik ist wenig hilfreich, wenn dabei lediglich bei der tat­

sächlichen oder vermeintlichen fremden Herkunft der verwendeten Wörter

angesetzt wird. Wie der Germanist Peter von Polenz schon 1967 schrieb,

ist die Ursache für wortbedingte Verständnisprobleme nicht so sehr die

fremdsprachliche Herkunft bestimmter "Wörter oder ihrer Bestandteile,

sondern ihre sprachsoziologische und stilistisch gebundene Geltung"

('Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich betrachtet', in: Mutter­

sprache, 1967, H. 3/4). Als Kampfwort ist Fremdwort demnach kein sprach-

kritisches Argument, sondern aus der Sicht der heutigen Sprachwis­

senschaft vor allem eine begriffliche Schlamperei.

Wenn schon nicht den alltagssprachlichen Ausdruck Fremdwort, sollten wir

auf jeden Fall zusammen mit dem unbrauchbaren Begriff 'Fremdwort' auch

die sogenannte Fremdwortfrage zum alten Eisen werfen. Wir Germanisten

müssen zugeben, daß gerade auch Vertreter unserer eigenen Zunft im Ver­

lauf der letzten hundert Jahre ihren Landsleuten immer wieder die Fremd­

wortfrage als Komplex aus einem wissenschaftlich ungenauen Begriff und

irrationalen hygienischen und ästhetischen Vorstellungen von Sprache

eingeredet haben. Dies hat zur Verbreitung von Vorurteilen geführt, von

denen sich einige leider bis heute erhalten haben. Neben der irrigen

Auffassung von der prinzipiell möglichen, leichten Unterscheidung zwi­

schen 'deutschen' und 'fremden' Wörtern und der generellen Schwerver­

ständlichkeit von 'Fremdwörtern' gehören hierzu die Meinungen, daß

Fremdwörter

- von 'bestimmten' (d.h. unbestimmten) Kreisen gezielt ins Deutsche ein­

geschleust werden,

- im Unterschied zu 'deutschen' Wörtern ungenaue Bedeutungen haben,

- zur Verschleierung oder Irreführung gebraucht werden,

- einer niedrigen Stilebene angehören,

- für anspruchsvolle Dichtung ungeeignet sind,

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- den Wortschatz unnötig 'aufblähen' und die Grammatik komplizierter

machen

- und daß durch ihren Gebrauch die deutsche Sprache und mit ihr die

nationale Identität der Deutschen gefährdet werde.

Sprachwissenschaftler, die sich mit solchen unhaltbaren Pauschalmei­

nungen auseinandersetzen, plädieren damit keineswegs für Gleichgültig­

keit gegenüber unverständlichem oder manipulativem Sprachgebrauch, son­

dern suchen durch die Analyse und Kritik von Vorurteilen zu rationaler

Sprachkritik beizutragen.

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Natalie Roth

DEUTSCHE SPRACHKULTUR IN DER GEGENWART

Internationale Tagung des Instituts für deutsche Sprache

Mannheim, 13. - 16. März 1984

0. EINLEITUNG

Das Thema "Sprachkultur" erwies sich als gewichtig und umfassend genug,

um der diesjährigen und zugleich 20. Jubiläumstagung des IdS mit ent­

sprechender bundesweiter und internationaler Beteiligung würdig zu sein.

Wie das IdS selbst das Problem der gegenwärtigen deutschen Sprachkultur

sieht, konnte man den von ihm zu diesem Anlaß veröffentlichten Mit­

teilungen 10 mit dem Titel Aspekte der Sprachkultur entnehmen, das den

Tagungsteilnehmern überreicht wurde.

Schon der erste Beitrag von Rainer Wimmer, Sprachkultivierung durch

Sprachkritik: Ein Plädoyer für reflektierten Sprachgebrauch, ließ in der

einleitenden Begriffserklärung erkennen, daß mit Sprachkultur nicht etwa

die durch die "überzogenenen normativen Ansprüche" der Puristen in Miß­

kredit geratene Sprachpflege und schon gar nicht die elitäre Sprachkul­

turauffassung gemeint ist, sondern die Förderung eines reflektierten

Sprachgebrauchs des Einzelnen. Nicht die "Herrschaft der wenigen über

die vielen" sollte eine Sprachkultur in unserer Zeit bestimmen, sondern

eine Pluralität von Kommunikationsteilnehmern. Einzelne Sprecher und

Sprechergruppen mit all ihren tatsächlich gelebten Sprachformen sollten

bei einem Sprachkulturkonzept in Betracht gezogen werden.

Ist bei der Erzeugung von Sprachkultur des Deutschen heute Pluralismus

erwünscht, so kam dieser schon bei der Erörterung des Themas auf der Ta­

gung selbst durch zahlreiche recht unterschiedliche Standpunkte zum Aus­

druck. Sprachkultur als Summe der Bemühungen aller an der Kommunikation

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beteiligten Individuen und Gruppen um "reflektierten" Sprachgebrauch, ja

aber wo? In der Bundesrepublik und den anderen deutschsprachigen Län­

dern? Überall dort, wo Deutsch Muttersprache ist? Im Ausland, wo sie es

nicht ist, aber umsomehr gelehrt wird?

1. ZUGÄNGLICHKEIT DES DEUTSCHEN FÜR DEN AUSLÄNDER

Der erste von den insgesamt 19 Beiträgen zu diesem Thema, das Statement

des Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus von Bismarck, Zur Problema­

tik der Sprachkultur im Blick auf das nicht-deutschsprachige Ausland,

bewies schon, daß man möglicherweise Gefahr läuft, über dem Problem der

Erzeugung von Sprachkultur das der Verbreitung eben dieses Resultats

sprachpflegerischer und sprachkultureller Tendenzen im 'Mutterland' zu

vergessen. Geht es bei der Verbreitung des Deutschen im Ausland eigent­

lich noch darum, welcher Überlegenheit das heutige Deutsch zu verdanken

ist, ob der der wenigen oder der der vielen, oder in erster Linie um die

Zugänglichkeit dieser Sprache für den Ausländer? Der Deutschlehrer im

Ausland weiß sehr wohl, daß er z.B. puristische Maßstäbe nicht ansetzen

kann, wenn es darum geht, Deutsch als 'leicht erlernbare' Sprache zu

vermitteln. Man scheut sich nicht vor Internationalismen, wie B. be­

richtete. Bekanntlich werden diese sogar für Einführungslektionen zusam­

mengetragen. Es wird mitunter auch auf schwer erlernbare grammatische

Formen, wie die des Konjunktivs, verzichtet, der in Deutschland sogar in

Mundarten verwendet wird, geschweige denn in den sprachkulturbewußten

Schichten, in der Öffentlichkeit, in den Medien. Eine Sprachreflektiert-

heit der vielen scheint also allein nicht zu genügen, wenn in unserer

Zeit ein Deutsch hervorgebracht werden soll, das auch den rund 20 Mil­

lionen Deutschschülern in der Welt zugänglich ist. (16-17 Millionen

lernen gemäß den von B. gemachten Angaben an Schulen Deutsch und 3-4

Millionen in der Erwachsenenbildung.).

1.1. Normbewußtheit ohne elitäre Tendenz

Normbewußt, wenn auch nicht mit elitärer Tendenz muß der Deutschlehrer

im Ausland schon arbeiten. Dies ging auch aus den Diskussionen deutlich

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hervor, die nach den Ausführungen von B. und dem nachfolgenden Sprecher,

einem Auslandsgermanisten, J. Juhäsz (Budapest), Der Stellenwert der

Sprachkultur in der modernen Gesellschaft, folgten. Daß Deutsch in der

Reihenfolge der erlernten Fremdsprachen heute nach dem unglückseligen

Tiefstand infolge der Ereignisse um den Zweiten Weltkrieg wieder den

dritten Platz einnimmt, nach Englisch und Französisch, sollte eigentlich

auch jene nicht unberührt lassen, die sich für Entwicklung und Pflege

des heutigen Deutsch verantwortlich fühlen, auch wenn sie sich nicht zu

Normierern emporschwingen wollen. Und noch eine Feststellung des Präsi­

denten des Goethe-Instituts ließ manchen Tagungsteilnehmer aufhorchen:

Deutsch wird nicht so sehr aus einem pragmatischen Interesse heraus

gelernt, wie man in letzter Zeit anzunehmen geneigt war, sondern auch um

der deutschen Kultur willen, was wiederum eine Herausforderung an das

'Mutterland1, und zwar für all jene bedeutet, die Kulturwerte mit Hilfe

von Sprache schaffen.

Als "Bestandteil der Kultur überhaupt" bezeichnete Dieter Nerius

(Rostock), einer der beiden erstmals auf einer IdS-Tagung erschienenen

DDR-Linguisten, die Sprachkultur. In seinem Statement, Zur Geschichte

und Bedeutung des Begriffs Sprachkultur in der Linguistik der DDR,

stellte er klar, daß nicht jede sprachliche Erscheinung oder Äußerung

als Sprachkultur zu betrachten sei, sondern nur jene, die bestimmte

Merkmale aufweisen, die beispielsweise ein gewisses qualitatives Niveau,

einen bestimmten Grad der Geformtheit, Gepflegtheit und Ausbildung zeig­

ten. Also nicht Sprachkunst, eine elitäre Befähigung weniger, wolle man

unter Sprachkultur verstehen, sondern die Tendenz, Sprache jedem ihrer

Benutzer zugänglich zu machen, sei es produktiv oder reziptiv. Unter

Hinweis auf die von der DDR-Linguistin Erika Ising 1974 formulierte De­

finition des Begriffs Sprachkultur bekannte sich N. zu einem "norm­

gerechten und schöpferischen Sprachgebrauch", der sich nicht bloß auf

eine bestimmte Existenzform der Sprache, etwa die Literatur-, Hoch- oder

Standardsprache, bezieht, sondern auf alle.

1.2. DDR - normierte Bildungssprache für die vielen

Man unterscheidet zur Zeit in der DDR-Linguistik zwischen einer engeren

20

und einer weiteren Fassung des Begriffs Sprachkultur, wobei der zweite

als Oberbegriff verstanden wird, d.h. er umfaßt Gegebenheiten der

Sprache, des Sprachverhaltens und des Sprachgebrauchs, während mit dem

ersten die in der DDR zur Tradition gewordene Sprachpflege gemeint ist.

'Sprachpflege' ist auch der Titel einer Zeitschrift, die dort seit vie­

len Jahren erscheint und auch heute diese Tendenz kontinuierlich ver­

folgt.

Sprachkultur bezogen auf Gesellschaft einerseits und den einzelnen Spre­

cher andererseits - darüber scheint man sich in der DDR heute bereits

ziemlich einig zu sein, ebenso wie über die Notwendigkeit einer normier­

ten Bildungssprache, die allen zugänglich sein soll, d.h. den vielen,

die am Bildungsprozeß teilhaben. Ob dies nun ausschließlich die Litera­

tursprache sein soll oder auch die Umgangssprache sein könnte, darüber

gebe es zur Zeit in der DDR noch unterschiedliche Meinungen. Dies­

bezüglich wurde der DDR-Linguist B. Techtmeier erwähnt, der für kom­

munikative Adäquatheit plädiert, d.h. für einen funktional und situativ

angemessenen Sprachgebrauch. Als Grundlage der Sprachkultur werde aber

allgemein und so auch von den beiden auf der Tagung vertretenen Lin­

guisten die Literatursprache als wichtigste Existenzform betrachtet,

weil sie überregional, einheitlich und dazu auch viel reicher sei als

die einzelnen Varietäten.

Ob es einer sozialistischen Gesellschaft etwa nicht besser anstünde, die

von allen Sprechern beherrschte Umgangssprache in den Rang einer Stan­

dardsprache zu erheben? Die Frage beantwortete der zweite Tagungs­

teilnehmer aus der DDR, Wolfdietrich Hartung (Berlin), mit nein. In

seinem Statement, Sprachkultur als gesellschaftliches Problem und als

linguistische Aufgabe, erklärte er, die bekannte Diskrepanz zwischen ge­

bildeten und anderen Sprechern, nämlich die Bildung, sei in der DDR

durch Beseitigung der Bildungsschranken so gut wie verschwunden. Unter­

schiede gebe es zwar noch in der Beherrschung des Standards, dieser sei

jedoch den wenigsten fremd. Die DDR-Schule weise dem Muttersprache-

Unterricht beachtliche Bedeutung zu, und man stehe diesbezüglich im

internationalen Vergleich nicht schlecht da (auch im deutsch-deutschen,

wie sich im weiteren Verlauf der Tagung noch herausstellen sollte - Anm.

21

d.A.). Angesichts seiner engen Bindung an die Schriftlichkeit könne

allein der Standard die Hauptform sein, in der gesellschaftliches Wissen

fixiert ist. Zugang zum Standard ist also gleich Zugang zum gesell­

schaftlichen Wissen, so H.

Also wieder Verweis auf die Norm (H. teilt diese in grammatische und

kommunikative Norm),, damit die Sprache zugänglicher werde.

1.3 Duden - Stabilisierung und Kontrolle über Zentrifugalkräfte

Wie es um Normen und Normierarbeit heute in der Bundesrepublik bestellt

ist, ging aus der nachfolgenden Podiumsdiskussion, Sprache und Insti­

tutionen., hervor, zu der die Vertreter der dafür zuständigen Insti­

tutionen dieses Landes angetreten waren: Duden-Redaktion (Mannheim),

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) und Gesellschaft

für deutsche Sprache (Wiesbaden). Das Institut für deutsche Sprache

(Mannheim) hatte sich - wie der Sprecher der Duden-Redaktion Günter

Drosdowski, eingangs hintergründig bemerkte, "bezeichnenderweise auf

eine Moderatorenrolle zurückgezogen", und zwar in der Person des Vor­

standes Gerhard Stickel, der die Diskussion leitete. Gerne hätte man

hier erfahren wollen, welche Haltung das IdS zur Standardsprache hat.

Hatte D. etwa nicht die bereits erwähnten Mitteilungen zu Gesicht be­

kommen, oder sollte das IdS deutlich zu einer verbalen Stellungnahme

hinc et nunc herausgefordert werden? D. stellte vor allem klar, daß der

Duden keineswegs ein staatlicher Verlag sei, verwies auf die Geschichte

dieser Institution, die auch eine Geschichte des geteilten Landes ist,

und auf die Arbeit mit der Sprachkartei, durch die einerseits die Pro­

duktivität der deutschen Sprache, andererseits der Einfluß anderer

Sprachen auf das heutige Deutsch erfaßt, d.h. alle diesbezüglichen 'Be­

wegungen' verfolgt werden. Von einer 'Herrschaft der wenigen' scheint

hier keine Rede zu sein. Es wird bloß der Wortschatz des realen

Sprachgebrauchs erfaßt, das Wortgut differenziert eingeordnet, um es dem

Benutzer zugänglich zu machen. Dabei stelle die zur Zeit ungeheure Flut

von Anglizismen und Amerikanismen Probleme, die zu bewältigen der Duden

allein mitunter nicht vermag. Ein Vorwurf ging auch an die Gesellschaft

für deutsche Sprache, die bezüglich der Entlehnungen nicht genug

22

unternehme. Die Sprachberatungsstelle des Duden hat jährlich 8.000 -

10.000 Anfragen auszuwerten, wo es manchmal auch darum geht, ob man z.B.

'Gerdas Kleid' oder 'Gerda ihr Kleid' sagen sollte. Da heute die Sprach­

gesellschaften an Bedeutung verloren haben, bleibe dem Duden die Rolle

der Stabilisierung der Standardsprache und der Kontrolle Uber die sich

zerfächernden und mitunter zersetzenden Zentrifugalkräfte. Der Weg zum

souveränen Umgang mit Sprache über die Erlernung der Normen sei das, was

der Duden den Sprachbenutzern geben wolle. Dabei müsse er sich manchmal

Kritik gefallen lassen, vom Vorwurf, sich als alleinherrschender

Normierer aufzuschwingen, unkontrolliert 'eskalierende Normsetzung' zu

betreiben, wie es einem privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht zu­

stehe, bis hin zur gegenteiligen Behauptung, er bringe zu viele Varian­

ten in seinen Wörterbüchern, ohne anzugeben, welches nun die richtige

sei, und er übe zu große Toleranz gegenüber namhaften Schriftstellern,

die auch mal einen Fehler machten und mit diesem nicht gleich zur

Normsetzung beitragen sollten, wie man später noch auf der Tagung hören

konnte.

1.4. Sprachkultur als geistige Haltung

Nachdem Martin Gauger, Geschichte, Zielsetzungen und vergangene sowie

gegenwärtige Projekte (u.a. ein noch in Frage stehendes über Wirt­

schaftssprachen) der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darm­

stadt) dargestellt hatte, machte 0. Nüssler im Namen der Gesellschaft

für deutsche Sprache (Wiesbaden) den Versuch, den Begriff Sprachkultur

zu umreißen, der - wie die Themenvielfalt der Tagung bewies - keineswegs

leicht zu fassen ist. Das Thema müsse zuerst mit einer Feststellung und

dann mit einer Forderung angegangen werden. Feststellung darüber, ob man

Sprachkultur hat oder nicht, wobei dies jeweils von der inneren, der

geistigen Haltung eines Individuums oder einer Gemeinschaft abhänge. Hat

man Sprachkultur, so müsse man diese auch vor dem Verkommen schützen.

Sprachkultur sei das hohe Ziel, Sprachpflege die Wege zu diesem Ziel.

Eine sehr gute Abgrenzung zwischen beiden Begriffen, ohne jedoch die

Präzisierung der Mittel zu liefern, mit denen das eine und das andere zu

erreichen ist.

23

Ein glücklicher Einfall der Tagungsveranstalter war, zwischen die Reali­

täten der Sprachkultur in beiden Teilen Deutschlands sowie im Ausland

einen kleinen Exkurs über Sprachgeschichte einzuschieben.

2. SPRACH- UND MORALNORMIERER IM 18. JAHRHUNDERT

K. Eibl (Trier) sprach zum Thema Sprachkultur im 18. Jahrhundert. Über

die Erzeugung von Gesellschaft durch Literatur. Er erinnerte an die

Zeit, da Dichtung als Form gebundener Sprache der Vermittlung morali­

scher Lehrsätze diente. Christian Fürchtegott Geliert (1715-1769) prägte

durch seine Werke das Tugendideal des aufgeklärten deutschen Bürgertums

entscheidend mit. Bürgerliche Tugend wird höfischem Laster gegenüber­

gestellt. Gelassenheit, Bescheidenheit, Freundschaft u.a. moralische

Werte werden von ihm in die bürgerliche Schicht getragen. Er steht so­

mit zwischen der Gottsched- und der Lessing-Phase und stellt eine wich­

tige Station der deutschen Aufklärung dar. Die Kodifizierung sprach­

licher Normen setzte damals anerkannte Vorbilder voraus, wie etwa Johann

Christoph Gottsched (1700-1766) und Johann Christoph Adelung (1732-

1806), beide selbst Normierer der Sprache. Adelungs 'Grammatisch­

kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart' galt bekanntlich bis zu

den Arbeiten der Brüder Grimm als das große deutsche Wörterbuch. Auf

diese frühen deutschen Sprach- und Moralnormierer folgt das anti-

normiererische Zeitalter der 'Abweichungspoetik', die sich z.B. im Sturm

und Drang äußerte. Die 'Fülle des Herzens' und Freiheit des Gefühls

siegt über die Vernunftherrschaft der Aufklärung, wird aber allmählich

verklärt und geht in Kulturpessimismus über, der zur Entdeckung der

Eingeschränktheit des Individuums führt, die allein im Tragischen enden

kann (Goethes Werther). E. teilt diese Literatur des 18. Jahrhunderts in

eine subsidiäre (bis 1770) und eine komplementäre (nach 1770).

3. MEDIENADÄQUATHEIT DER LITERATUR HEUTE

Daß hingegen heute Literatur durchaus keine gesellschaftsbildende Funk­

tion erfüllt, konnte man von den beiden zur Tagung geladenen Schrift-

24

Stellern Adolf Muschg (Zürich) und Ludwig Harig (Saarbrücken) hören.

Muschg erörterte das Problem Sprachkultur und Literatur und stellte u.a.

fest, daß die Literatur das Medium sei, in dem unsere Erkenntnisse noch

am wenigsten altern. Anders als im 18. Jahrhundert, sind Literaten heute

eher darauf bedacht, sich die 'Moral der Welt' anzueignen, als diese

verbessern zu wollen. Der Schriftsteller heute müsse eher dem "Rauschen

des sechsten Sinnes" folgen, wie Harig es in seinem Beitrag, Das

Rauschen des sechsten Sinnes. Vom Rohstoff zum Kunststoff und wieder zu­

rück, formulierte, um mit seinem Werk nicht hinter der gesellschaft­

lichen Realität zurückzubleiben. In Anbetracht der stürmisch fortschrei­

tenden Elektronisierung des öffentlichen und privaten Lebens wird er

womöglich auch zu neuen, mitunter an die außersprachliche Sphäre gren­

zenden Mitteln greifen müssen, um Kultur oder das, was man allmählich

darunter verstehen mag, zu transportieren. Die zur Zeit im Buchhandel

befindliche Luchterhand-Kassette von Ernst Jandls Vorträgen könnte nur

ein Anfang sein in der Richtung Medienadäquatheit der Literatur.

4. STANDARDSPRACHE FÜR DIE SCHULE?

Doch zu einer anderen nicht minder traurigen bundesdeutschen Realität

führte der Beitrag F. Hebels (Darmstadt), Sprachkultivierung in der

schulischen Bildung. Viele schulische Lehrpläne für das Unterrichtsfach

Deutsch seien von starren Normen geprägt, die die Sprachkultur in der

schulischen Bildung beträchtlich einschränkten, führte H. aus. Für die

Gestaltung des Unterrichts müsse es einen größeren Freiraum geben, so z.

B. sei nicht einzusehen, daß den gymnasialen Lehrplänen zufolge Goethe

und Schiller gelesen werden muß. Warum nicht etwa Goethe und Lessing?

Eine sprachliche Kultivierung sei ohne Theoriebezug nicht denkbar, und

gerade darauf verzichteten die Lehrpläne weitgehend. Auch meinte Hebel,

daß eine Gesellschaft wie die unsere eine Standardsprache brauche, womit

er bei vielen Anwesenden auf beträchtlichen Widerstand stieß. Hebels

Argument: Wie könnte sonst die Muttersprache für ihre Sprecher aus dem

Munde von Ausländern verständlich sein? Diese Frage könnte m.E. mit

einer Gegenfrage beantwortet werden: Wem soll der Ausländer eigentlich

'auf den Mund schauen', damit er sich mit seinem Deutsch von Hamburg bis

25

München verständlich machen kann? Vom deutschlernenden Ausland ganz zu

schweigen, das dem vorangegangenen Bericht von D. Bismarck zufolge nicht

weniger einer Einheits- und Standardsprache bedarf, um sich auf deutsch

für alle verständlich ausdrücken zu lernen.

4.1. Weniger Inhalte durch Norm?

Die dem Thema angemessene lebhafte Diskussion förderte, wie erwartet,

die verschiedensten Ansichten zutage. Einheitssprache ja, aber die Nor­

men schränkten eine Sprachkultivierung ein. Man habe es eben angesichts

der in der Bundesrepublik herrschenden gegenläufigen Tendenzen diesbe­

züglich schwerer als in der DDR oder gar in Frankreich. Wir sind kein

zentralistischer Nationalstaat (H. Weinrich - München). Wozu wir eine

Einheitssprache brauchten, wo diese doch nur rezeptiv empfunden werde?

Die kommunikative Breite stehe im umgekehrten Verhältnis zur kommunika­

tiven Tiefe (H.J.Heringer - Augsburg), was soviel bedeutet, daß Inhalte

angeblich durch normierte Einheit verlorengingen. Was wäre aber dazu zu

sagen, daß z.B. an der Technischen Hochschule in Aachen (laut einem

kürzlichen ZdF-Bericht) Deutsch als Fremdsprache mitunter auch für deut­

sche Studenten eingeführt werden mußte, weil diese zwar brillante For­

schungsergebnisse aufweisen, sich aber sprachlich nicht darstellen konn­

ten. Auch Prof. Heringer habe aus Augsburg - so der ZDF-Moderator - ähn­

liches zu melden. Oder ist es etwa normal, daß sich fünf Chemiker an

einem Tisch im Fernsehen (Südwest 3) über Dioxin unterhalten und das

Wort Chemie auf drei verschiedene Arten aussprechen?

4.2 Reorganisierung der Schule von unten

H. Glinz vermißte während der Diskussion zu diesem Thema den Begriff der

Schichtung und Gewichtung im ganzen Prozeß der sprachlichen Kulti­

vierung. Ferner wurde bezweifelt, ob der Lehrplan es sein müsse, an den

die höchsten Anforderungen zu stellen sind, ob nicht eher vom Lehrer

eine akademische Bildung zu erwarten sei, mit deren Hilfe er auch bei

'sehr kleinem Lehrplan1 gut zurechtkommen könne (U. Pörksen - Freiburg).

Wo man beginnen müßte, um dem Übel beizukommen? F. Hebel sieht die Lö-

26

sung in einer Reorganisierung der Schule von unten und nicht von oben.

Nicht eine autoritär-normative Sprachkultivierung sei erstrebenswert. Es

gehe auch nicht an, daß der muttersprachliche Unterricht von jenen be­

stimmt wird, die gerade an der Macht sind.

5. VERWISSENSCHAFTSSCHUB DER SPRACHE

Eine noch heftigere Diskussion sollte jedoch folgender Beitrag von U.

Pörksen (Freiburg) auslösen: Das Demokratisierungsparadoxon. Über die

zweifelhaften Vorzüge der Verwissenschaftlichung und Verfachlichung

unserer Sprache. Hier fühlten sich selbstredend die anwesenden Lin­

guisten in erster Linie als Fachgilde angesprochen und herausgefordert.

Es gehe nicht um Normen, sondern um Usage, meinte P. Und zurück zu

Gottsched: Zu der von diesem Vorgänger unserer Sprachkultur geforderten

Deutlichkeit und Differenziertheit könne man noch den Wohlklang nehmen.

Was aber die Demokratisierung der Wissenschaft hervorgebracht haben, das

seien vor allem undurchdringliche Wissenschaftswörter, wodurch die Spra­

che ihren aufklärenden Wert eingebüßt habe. Der infolge einer vielfach

erhöhten Zahl von Studenten und Hochschulen eingetretene Verwissen-

schaftsschub habe es soweit gebracht, daß man heute eigentlich weniger

Mühe mit der Sache als mit der Sprache habe. Die Wissenschaftstermino­

logie sei ständig erweitert und auseinandergefächert worden und habe zu

einer Metasprache geführt, deren Wurzel eigentlich überwiegend außerhalb

der Wissenschaft selbst zu suchen sei. Diese Metasprache genieße leider

ein hohes Prestige, werde nachgeahmt, es entstehen sprachliche Atrappen.

Eine Repetitions- und Multiplikationsliteratur wachse sich aus, die in

keinem Verhältnis zu ihrer Nützlichkeit stehe. Als Beispiel führte P.

für die Linguistik die Verb-Valenz-Theorie an, etwas, was mit einfachen

Worten erklärt, jedes Schulkind begreifen könne, über die jedoch eine

ganze Literatur geschrieben worden sei. Was all dies für die Sprachkul­

tur allgemein bedeutet? Man müsse sich endlich auf eine leistungsfähige

Gemeinsprache, eine Bildungssprache besinnen, die, um die erforderlichen

Termini und begrifflichen Formeln erweitert, auch im Bereich der Lin­

guistik vermutlich der Komplexität des Gegenstandes besser gewachsen und

27

eher in der Lage ist, differenzierend darzustellen als etwa die steife

Sprache der Naturwissenschaften. Mit anderen Worten, die Linguistik müs­

se als Wissenschaft der Sprache mit gutem Beispiel vorangehen.

5.1 Scheinfachlichkeit und Überlieferungsschwund

Wie die Gemein- und Bildungssprache sein sollte, oder besser, wie sie

nicht sein sollte, erläuterte P. anhand einiger Beispiele aus dem All­

tag, wo wissenschaftliche Termini in die Umgangssprache eingegangen

sind, wobei sie wohl eine Erweiterung des Umfangs, jedoch zugleich auch

eine Verarmung des Inhalts zur Folge hatten. Dadurch werde einerseits

eine Scheinfachlichkeit erzeugt, andererseits sei ein Überlieferungs­

schwund, ein öffentlicher Gedächtnisverlust festzustellen. Diese Wissen­

schaftwörter schließen die Alltagssphäre dem Autoritätsbereich Wissen­

schaft an, ohne daß diese uns dort begegne, sondern vielmehr über den

Umweg ihrer Ratgeber, kommerziell von diesen vermittelt. Sie erwecken

dort die Illusion, an ihren Quellen sei man eigentlich schon viel wei­

ter, und der Einzelne glaubt, er sei an ein System angeschlossen, unbe­

kannt-rätselhaft und zugleich Umfassend, das alle Probleme zu beherr­

schen vermag. Sein Informationsradius wächst, aber er erfährt durch

immer mehr immer weniger. Das Bewußtsein einer sich immer weiter aus­

differenzierenden, verkomplizierenden Welt nimmt zu, die Umgangssprache

wird überlastet durch teils unverstandene, teils passiv verfügbare Vo­

kabeln, aber das Weltbild wird dadurch kaum komplexer, eher vereinfacht

es sich, und die Gebrauchssprache schrumpft. Man fühlte sich dabei an

Wörter erinnert, die heute nicht nur aus dem Sprachgebrauch gekommen,

sondern für die Mehrzahl der Sprecher völlig unverständlich geworden

sind. So muß man heute schon ein Wörterbuch zur Hand nehmen, um z.B. zu

erfahren, daß abtun, auch die Bedeutung töten hat. (Bei Schiller wurde

ein Tier, wenn es geschlachtet wurde, noch abgetan - "Die Räuber"). Es

scheint aber, daß man bald töten im Wörterbuch wird suchen müssen, wie

aus der noch folgenden Podiumsdiskussion "Sprachglossen" zu entnehmen

war, wo man erwog, ob es nicht etwa an der Zeit wäre, das fünfte Gebot

in "Du sollst nicht morden!" abzuändern, weil töten diese verab­

scheuungswürdige Tat der Körpervernichtung heute nicht mehr genau

treffe.

28

Aber zurück zu den Gedanken U. Pörkens, die nicht bloß Interesse, son­

dern sogar Betroffenheit und Unbehagen auslösten. Er räumte zwar ein,

daß durch den Entlehnungsschub in den letzten Jahrzehnten eine Latini-

sierung und damit eine Europäisierung des Deutschen erreicht worden sei,

die wiederum nicht als so unglücklich zu bezeichnen wäre, dennoch wäre

durch die Undurchdringlichkeit der allgemeinen Sprachverwissenschaft-

lichung eine Verkrustung nicht zu bestreiten. Die Conclusio: Man sollte

sich auf eine Gemeinsprache, eine Bildungssprache besinnen, die in die

Humanwissenschaften und ins Unterrichtswesen hineinreicht, auf eine öf­

fentliche und private Gebrauchssprache statt auf Scheinfachlichkeit der

verschiedenen Teil sprachen.

5.2 Therapie gegen Verkrustung schwierig

Die Diskussion zeigte dann, daß das von P. Unterbreitete zwar bei ver­

nünftiger Betrachtung nicht bestritten werden kann, daß jedoch eine

Therapie viel schwerer ist als eine Diagnosestellung (M. Gauger -

Freiburg). Schlimm sei vor allem, daß englische und amerikanische ge­

meinsprachliche Wörter zu wissenschaftlichen Termini erhoben werden (G.

Drosdowski). H. Glinz erinnerte daran, daß es schon immer bei den Deut­

schen Tradition war, eine übermäßige Terminologisierung zu pflegen, im

Unterschied zu Engländern und Franzosen. Ein Trost wohl, aber kaum eine

Maxime für diese Tagung.

Zum anderen waren hier gerade die Linguisten angesprochen, der Überter-

minologisierung in ihrem eigenen Bereich einmal Einhalt zu gebieten, um

so auch für andere Wissenszweige beispielgebend zu sein und der Schein­

verwissenschaftlichung des Alltags entgegenzuwirken.

6. GRUPPENSPRACHEN ODER SPRACHSUBKULTUREN

Nach dieser rigorosen Untersuchung der Wissenschaftssprache folgte eine,

deren Gegenstand sozusagen das andere Extrem sprachlicher Äußerung ist,

die Gruppensprachen. W. Kallmeyers (IdS) Statement, Wir und die anderen,

Bemerkungen zum Verhältnis von sozialen Welten und Sprachkultur, löste

29

zwar weniger Kontroversen aus, dafür aber mehr Verwunderung, und zwar

darüber, daß diese soziolinguistische Untersuchung des im IdS laufenden

Projekts "Stadtsprachen" als sprachkultivierende Aktivität seine Berech­

tigung sucht, zumal es hier keineswegs um Sprachpflege oder um reflek­

tierten Sprachgebrauch geht, sondern vielmehr um Sprachkulturen, d.h.

Sprachen von Randgruppen, deren genaue Untersuchung offenbar dazu dient,

diese Gruppen selbst und nicht deren Sprache einzuordnen. Die Auswertung

der verschiedenen Spracherhebungen dient vielmehr der Aufstellung von

Sozialdaten als einer Sprachpflege oder Sprachkultur. Zwar erläuterte

der Sprecher, man helfe den Zielgruppen durch Beraten und nicht durch

Normieren, damit sie den Kreis der Subkultur, in den sie geraten sind,

verlassen, d.h. von der 'schiefen Ebene' abrücken können, ob ihnen aber

sprachliche Mittel an die Hand gegeben werden, um dies zu realisieren,

ging aus dem Statement nicht klar hervor. Ob es sich- hier eigentlich um

Erforschung von Sprach-Subkulturen handelt, als linguistische Vorarbeit

für soziale Forschung, blieb im Raum stehen. Man helfe den Menschen eben

durch Beratung, damit ihnen durch ihre sprachliche Ausdrucksweise nicht

alle Chancen verbaut würden. Verbaut ist ihnen wohl auch jeglicher Zu­

gang zu Bildung und Ausbildung. Selbst die Sprache der 'nichtschrei-

benden' Medien kann Gruppen mit solch einengendem Sprachgebrauch nicht

mehr zugänglich sein, so daß sie auch an der künftig über diese ver­

mittelten Bildungsquellen nicht teilhaben werden. Ein Bild des Zerfalls

am Rande der Gesellschaft, das - obwohl der Sprecher dies keineswegs

intendierte - gerade auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Sprache

für alle hinweist oder zumindest eines möglichst großen Normenkonsenses.

7. POLITIKERSPRACHE

Ein weiterer Gesellschaftsbereich mit einer eigenen Sprache wurde bei

der folgenden Podiumsdiskussion Sprachkultur und politische Kultur in

Augenschein genommen, und zwar der der Politik. W. Holly (Trier) wies

erstens auf den Einwegcharakter der Kommunikation in der politischen

Sphäre hin, zweitens auf den perlokutiven Aspekt der in diesem Bereich

vollzogenen Sprechakte, d.h. das Hervorrufen von Wirkungen durch Be­

hauptungen, Aufforderungen, Versprechungen und andere IIlokutionen. Da

30

in den wenigen Situationen, wo hier Interaktion möglich wäre, der Poli­

tiker dem angesprochenen Publikum haushoch überlegen ist, bliebe letz­

terem nur das eine: genau zuzuhören, um all das herauszuhören, was neben

dem Gesagten nicht gesagt würde.

W. Bergsdorf (Bonn) wollte offenbar den Politikern gewissermaßen Gerech­

tigkeit widerfahren lassen und erklärte, daß dieser Gegensatz von In­

teressen durch das parlamentarisch-demokratische System institutionali­

siert und zum Teil auch geregelt werde. Auch mache die Komplexität na­

tionaler und internationaler politischer Zusammenhänge die Politik zu­

weilen so undurchsichtig. Dazu käme noch, daß unsere Massenmedien durch

ihre Informationen beim Bürger vorwiegend Betroffenheit erzeugten. So

sei es zu verstehen, daß vor allem der Bildungsbürger eine gewisse Demo­

kratiemüdigkeit zeige, Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Demokratie

habe. In der Politik ende aber der Handlungsstrang nicht mit der Infor­

mation wie in der Wissenschaft, sondern beginne damit erst. Die Sprache

der Politik ist eine Sprache der Begriffe, Kritik an ihrer angeblich

mangelnden Präzision sei eigentlich keine Kritik an der Sprache selbst,

sondern an den Inhalten. Die politische Dimension der Sprachkritik rich­

te sich an die Politiker selbst, meinte B. Das folgende Statement von G.

Strauß und G. Zifonun (IdS) sollte ihm diesbezüglich recht geben.

7.1. Kommunikative Konflikte

Politische Kommunikationskultivierung beziehe sich vor allem auf den

pflegerischen Umgang aller Beteiligten, Politiker wie Öffentlichkeit,

mit kommunikativen Konflikten, und eben diese Konflikte seien Mitur­

sachen von Glaubwürdigkeitsverlust und Systemmüdigkeit. Woher diese Kon­

flikte kommen? Aus dem unterschiedlichen Interesse, das auf beiden Sei­

ten herrsche. Der Politiker müsse 'verkaufen', d.h. werben. Dieser In­

teressengegensatz in der Interaktionskonstellation Politiker - Bürger

sei laut Habermas auf den Gegensatz zwischen Verständigungs- und Er­

folgsorientierung zurückzuführen. Der Grad von Kooperation und Sta­

bilität innerhalb einer sozialen Ordnung ergebe sich - so Habermas - aus

den Interessenlagen der Beteiligten. Stimmten die Aktoren ihre Hand­

lungspläne intern aufeinander ab, so könne man von kommunikativem Han-

31

dein sprechen. Auf die öffentliche politische Kommunikation übertragen,

bedeute dies, daß Verständigungsorientiertheit auf der einen Seite, d.h.

auf der des Bürgers, herrscht, der dem Inhalt einer politischen Aussage

zustimmt, da er aufgrund zugelieferter Fakten von der Richtigkeit dieser

Aussage überzeugt ist, ja sogar die Zielsetzungen des Politikers als

seine eigenen übernimmt, weil die enthaltenen Wertesetzungen den eigenen

für rational gehaltenen kritisch standhalten. Auf der anderen Seite ste­

he hingegen die Erfolgsorientiertheit des Politikers, der Einver-

ständnisgewinnung und Zustimmung des Bürgers ausschließlich in den

Dienst seiner eigenen Handlungsziele stellt, d.h. sie für seine Zwecke

nutzt.

7.2. Perlokutiven Charakter von Sprechhandlungen erkennen

Was bleibt dem Bürger einer Demokratie übrig, angesichts solch erfolgs­

orientierter Rede der Politiker? Er kann diesen Kommunikationskonflikt

zwar nicht lösen, sich aber wappnen, erstens durch Wachsamkeit gegenüber

solch zielgerichteter Taktik, zweitens durch Entschlüsselung der sprach­

lichen Mittel des 'Gegners'. Hier könne nun die Linguistik hilfreich

sein, indem sie dem kleinen Mann zeigt, wie er den perlokutären Cha­

rakter politischer Sprechhandlungen erkennen und sich davor schützen

kann. Daß dies sowohl auf textsemantischer als auch auf wortseman­

tisch-pragmatischer Ebene geschehen kann, war im weiteren Verlauf des

Statements Z/S zu hören.

7.3 Alarmzeichen durch aufklärende Lexikographie

Eine realistische Möglichkeit einer "gesellschaftlich engagierten Lin­

guistik" ergab sich aus diesen Ausführungen jedoch allein auf der Ebene

1angue-bezogener Sprachkultivierung, und zwar durch die Erstellung eines

"Handbuches der schweren Wörter", ein Projekt, das beim IdS seit einigen

Jahren läuft. Eine politisch aufklärende Lexikographie soll den Sprech­

teilhabern Alarmzeichen an die Hand geben, die sie für bestimmten Ge­

brauch bzw. Mißbrauch politischer Wörter sensibilisieren, um nicht durch

manipulativen, taktisch-persuasiven Sprachgebrauch erfolgsorientierter

Rede irregeführt zu werden.

32

8. JOURNALISTEN GEGEN SPRACHMISSBRAUCH

Den Abschluß der Tagung bildete die Podiumsdiskussion Sprachglossen in

Zeitungen und Zeitschriften, die von H. Steger (Freiburg) in so vorzüg­

licher Weise geleitet wurde, daß sie nicht nur das Tagungsgrau farbig

aufhellte, sondern auch manche gegensätzliche Meinungen zutagebrachte.

Schon die erste vom Diskussionsleiter gestellte Frage war durch ihren

provokatorischen Inhalt dazu angetan, die Diskussion aufzuheizen. Was,

wenn der Kultusminister plötzlich gegen Mickey-Maus-Sprechblasen und für

Goethe, Schiller und Matthias Claudius eintreten würde, weil letztere

nützlicher sind? Ja, bei Goethe gebe es manche Sprachmuster, die auch

heute noch verständlich und gültig seien, weil schlicht und prägnant,

gab W. Schneider (Hamburg) auf die sichtbare Ironie hin zu bedenken. Und

wie es mit den Politikern stehe? Die hätten die Neigung, mit vielen Wor­

ten wenig zu sagen, meinte R. Leonhard (Hamburg), was schon bedeutend

versöhnlicher klang als alles, was am Vormittag an die Adresse dieser

gesagt worden war. Zum Thema der Politik kam man auf das der ver­

schiedenen Sprachebenen und wieder auf politische Vokabeln, die

Euphemismen darstellen, wie etwa Mitarbeiter werden freigestellt statt

entlassen, wie es richtig heißen sollte, so daß man sich wiederum an den

perlokutiven Aspekt von Reden und Erklärungen in der öffentlichen Sphä­

re, nicht nur der politischen, erinnert fühlte. Ob der umsichgreifende

Feminismus die Sprache z.B. so weit verändere, daß heute Vater unser

nicht mehr adäquat sei? Oder ob es gar an der Zeit wäre, die Bibel in

ganz modernes Deutsch zu bringen? Ob ethische Normen nicht besser ein­

gehalten werden könnten, wenn die Sprache, in der sie verfaßt sind, der

heutigen Realität näher wäre?

Welches ist das Ziel der Sprachglossenschreiber heute eigentlich? K.

Honolka (Stuttgart) meinte dazu, der Sprachglossenschreiber kritisiere

nicht die Sprecher, sondern den Sprachmißbrauch. Es werde vornehmlich

schlechtes Deutsch unter die Lupe genommen.

Die mit Hilfe der Ironie agierenden Sprachpfleger erwiesen sich im Laufe

der Diskussion als ziemliche Gegner der Linguistik. Man könne diese

höchstens noch bei anderen Sprachen dulden, es sei aber ziemlich unnütz,

33

komisch zu definieren, was einem selbstverständlich sei (L.). Auch die

Duden-Redaktion mache nicht alles richtig, sie lasse den Varianten all­

zuviel Freiheit (Sch.). Man sollte eigentlich Grass eher belehren, als

dessen ungrammatische Sätze als 'zulässig' eintragen. Damit war man auch

wieder beim Thema Normieren. Schneider bekannte sich freimütig als Nor­

mierer, seine Kollegen weniger. Nein, Sprachzuchtmeister, wie Karl Kraus

einst sagte, wollte Honolka keineswegs sein.

Wichtigstes Kriterium sei die Verständlichkeit (L), Hauptzielpunkt der

Kritik von Sprachglossenschreibern seien die Renomiersprachen, z.B. So­

ziologenchinesisch, Wissenschaftsdeutsch als Imponiergehabe von Nicht­

wissenschaftlern, d.h. das, was U. Pörksen u.a. meinte. Die Glosse rege

zum Nachdenken an über die Sprache, meinte G. Drosdowski bei der an­

schließenden Diskussion. Also Sprachreflexion mit Hilfe der 'schrei­

benden' Medien. Gewiß kein schlechter Gedanke und eine Aufgabe, die sich

nicht nur dem Laien stellt, an den die Sprachglosse laut K. Honolka ge­

richtet ist, sondern offenbar in erster Linie an den Linguisten selbst.

34

Ulrich Wetz

ANSICHTEN ÜBER SPRACHE

KOMMENTIERTER BERICHT ZU DEN 11. RÖMERBERG-GESPRÄCHEN

“SPRACHE DER MACHT - MACHT DER SPRACHE"

(in Frankfurt am Main vom 29. bis 30. Juni 1984)'

"Diese Arbeit wurde teils von der U.S.A. Army (Signal Corps), der Air Force (Office of Scien­tific Research, Air Research and Development Command) und der Navy (Office of Naval Research) und teils von der National Science Foundation und der Eastman Kodak Corporation unterstützt.1. August 1956 Noam Chomsky"(Strukturen der Syntax. The Hague / Paris 1973. S. 9)

1. VORBEMERKUNGEN

1.1. Wort und Ding

"... das Wort ist aber nicht das Ding, das existiert.

.... Wenn die Dinge aber auch erkennbar wären, wie könnte sie einer dem

ändern mitteilen? Denn was einer gesehen hat, wie könnte er das

durch ein Wort ausdriicken?

Wenn es aber auch möglich ist, ein Wort zu vernehmen, ja genau zu

vernehmen - aber wie ist es möglich, daß sich der Hörende dasselbe

(wie der Redende) darunter vorstellt? Denn es ist doch nicht mög­

lich, daß dasselbe (Ding) zugleich in mehreren Personen, die von­

einander getrennt sind, vorhanden ist!

.... Es ist daher, wenn es etwas gibt, dies doch nicht erkennbar, (und

wenn es auch erkennbar ist,) so kann es doch keiner dem anderen

mitteilen, erstens, weil die Dinge nicht Worte sind, und zweitens,

weil niemand dasselbe wie der andere (unter ein und demselben Wor-

te) versteht." (Georgias von Leontinoi, etwa 483 - etwa 375)

35

1.2. Skandal

Die Gedanken des Vorsokratikers Gorgias sind eines der ältesten Zeugnis­

se sprachphilosophischer Überlegungen. Gleich an ihnen zeigt sich, wie

Überlegungen zur Möglichkeit menschlicher Erkenntnis unauflösbar mit

Überlegungen zur Sprachlichkeit des Menschen und zur Möglichkeit

sprachlicher Verständigung verflochten sind. Die Gedanken des Gorgias

mögen uns heute in all ihrer unwiederholbaren Naivität brisant erschei­

nen - aber eine Tradition haben sie nicht begründet. Zum Sophisten

abgestempelt, hat Gorgias nicht überlebt.

Die Sprachlichkeit des Menschen unter dem Aspekt sowohl der Erkenntnis

als auch der Verständigung, schließlich des Handelns, geriet mehr als

zweitausend Jahre lang n i c h t zum Thema der Philosophen, Gram-3

matiker und Schriftgelehrten. "Eigentlich ist es ein Skandal" , daß

selbst, nachdem sich einmal so etwas wie eine Sprachphilosophie (und

eine Sprachwissenschaft) herauszukristallisieren begonnen hatte, die

Handlungsdimension der Sprache noch lange nicht ins Blickfeld rückte.

Das dauerte nochmals sozusagen bis in unsere Tage.

Man wird sagen dürfen, daß die Menschen, seit sie über Sprache nachden-

ken, falsche Ansichten darüber haben. Nicht, daß wir Heutigen die rich­

tigen hätten. Aber es beginnt sich allmählich immerhin ein gewisses

Problembewußtsein zu formen. (Sofern es weder von der Verwertungsma­

schinerie - vgl. auch das vorangestellte Chomsky-Zitat - vereinnahmt

oder plattgewalzt noch vom Wandel so genannter Forschungsinteressen

überrollt wird, mag es sich einmal um wirklichen Fortschritt handeln.)

Falsche Ansichten über Sprache zu haben, wäre nicht schlimm, wenn Spra­

che bzw. der Umgang mit ihr etwas Harmloses wäre. Aber die Sprache ist

Gewalt, vermittelt und unvermittelt. Und es wäre gut zu wissen, was wir

mit ihr tun und was sie, geworden, wie sie einmal ist, mit uns tut. Da­

von sind wir aber weit entfernt.

1.3. Gigantisches Toben

Ein unaufhörlicher millionenstimmiger Streit tobt allerorten Tag und

36

Nacht: Ein jeder und eine jede ringen unablässig um ihre Stellung in der

Gesellschaft, und sie tun es, indem sie immerzu sprechen, und sie spre­

chen mit dem alleinigen Ziel, i h r e Bedeutungen der Wörter

durchzusetzen mit allen erfolgversprechenden Mitteln vom zärtlichen

Flüstern bis zum grimmen Totschlag.

1.4. Sprechen über Sprache

Sprechen ist so selbstverständlich, daß Sprache es uns auch scheint. Daß

sie es nicht ist, zeigt sich schon bei jedem öffentlichen wie - im Falle

von Konflikten - privaten Versuch, über Sprache zu sprechen: Das Spre­

chen über Sprache ist, sofern nicht zum metaphysischen Schwindel Aus­

flucht genommen wird, meist bald überschattet von einer gewissen Hoff­

nungslosigkeit und schlägt oft rasch um in Zynismus oder ohnmächtige

Wut.

Gewiß kennt jeder aus eigener Erfahrung, wie schwierig, ja wie aus­

sichtslos eigentlich es ist, zu klären zu versuchen, was jemand in einer

bestimmten Situation g e m e i n t , ja was er überhaupt erst einmal

g e s a g t hat. Und wie bitter ist uns allen die Erkenntnis, daß der

entscheidende Unterschied zwischen Sagen und Meinen, den wir in

unproblematischen Fällen mühelos bewältigen, in Fällen von Verständi­

gungsproblemen zur Klippe wird, an der zu guter Letzt dann auch noch

unser guter Wille zerschellt. Und wie grausam fühlen wir uns behandelt,

wenn wir mit Entsetzen feststellen, daß nicht einmal der Rückzug auf das

w ö r t l i c h Gesagte - vom Gemeinten noch gar nicht zu reden - ir­

gend im mindesten weiterhilft, weil das wörtlich Gesagte uns unter dem

analysierenden Blick in tausend mögliche Bedeutungen auseinanderweht,

bis es schließlich gänzlich unfaßbar ist. Nur zu schnell sind wir dann

bereit, die Probleme auf eine persönliche Ebene zu zerren und unseren

Mitmenschen die Schuld am Scheitern der Verständigung zuzuschieben;

s i e tun das natürlich auch, und notgedrungen verlagert sich der

Konflikt aus der Sphäre des wohl ohnehin halbherzigen Versuchs der

sprachlichen Verständigung offen in die Sphäre des Kampfes um die Macht-

der freilich a u c h sprachlich geführt wird, aber jetzt nicht mehr

mit dem Ziel der Verständigung unter Gleichrangigen, sondern mit dem

37

Ziel der Unterwerfung Andersdenkender, Andersfühlender, Andersmeinender,

Andersgearteter.

In Wirklichkeit ähneln unsere Versuche, anderen Unverständnis vorzuwer­

fen, dem Ansinnen, jemanden zu tadeln, weil er etwa auf die Schwerkraft

zu sehr Rücksicht nähme.

Es ist ein bislang unausrottbarer und folgenschwerer Irrtum zu glauben,

die Sprache sei ein Verständigungsmittel. Sie mag es noch sein, solange

es nur um das reine Funktionieren im Bereich dessen, was wir die physi­

kalische Welt nennen, geht - also beispielsweise um die Reparatur eines

Motors. Aber die Lebenswelt des Menschen, die äußere und die innere, ist

nicht die physikalische Welt - oder doch nur zu geringen Teilen, von der

wirklichen Bedeutung her gesehen.

Der Glaube und die Rede von der Sprache als Verständigungsmittel ist

mehrfach unwahr.

Erstens ist die Sprache, beim derzeitigen Stand unserer Kenntnis von ihr

und uns, als Verständigungsmittel nicht geeignet, von relativ unbedeu­

tenden Teilbereichen des Lebens abgesehen. Das kann hier nur behauptet,

müßte aber noch entwickelt werden. Ich muß mich mit dem - allerdings

starken - Hinweis begnügen, daß ganz offensichtlich Verständigung, außer

in belanglosen Angelegenheiten, nirgendwo stattfindet. (Oder wer wüßte

überzeugende Gegenbeispiele?)

Zweitens w o 1 l e n die Menschen im Ernst gar keine Verständigung,

und zwar den Begriff 'Verständigung' hier in jeder Bedeutung, die noch

einigermaßen sinnvoll erscheint, genommen - das muß nicht mal gleich die

von Habermas ins Auge gefaßte Utopie der idealen Kommunikationssituation

mit gleichberechtigten Partnern sein. Sondern die Menschen wollen ihre

Interessen bzw. das, was ihnen als ihr Interesse erscheint bzw. das, was

ihnen von dem, was ihnen als ihr Interesse erscheint, durchsetzbar

scheint, durchsetzen. Verständigung hat insofern nur einen Stellenwert

im Rahmen einer Strategie zur Durchsetzung von Interessen, und das

heißt: v o n S p r a c h r e g e l u n g e n . Wo es ohne Ver-

38

ständigung geht, unterbleibt sie bedenkenlos, wo sie umgehbar ist, wird

sie leichtherzig umgangen. Man muß sich endlich klarmachen, daß Ver­

ständigung, so wie der Begriff üblicherweise gebraucht wird, eine m o ­

r a l i s c h e Kategorie ist, also keinen Zustand beschreibt, sondern

ein Verhalten fordert, und zwar ein Verhalten, das, da es ja gefordert

wird, real nicht existiert. Wobei zur Ehrenrettung des Begriffs viel­

leicht gesagt werden sollte, daß es letztlich das wahre Interesse der

Menschen sein muß und wohl ist, Verständigung zu wollen - daß dieses

wahre Interesse nur verstellt ist von gesellschaftlichen Verhältnissen,

die Scheininteressen als wahre vorgaukeln.

Drittens verdeckt die Rede von Sprache als Verständigungsmittel, wozu in

gewissem Sinn auch die Rede vom Werkzeugcharakter der Sprache gehört,

Wesentliches, wie ja immer die fortgesetzte falsche Rede zusätzlich zu

der Tatsache, daß sie falsch ist, das Wesentliche verdeckt und damit dem

Bewußtsein und der Diskussion zu entziehen droht. Zwar wäre es gewiß

nicht nur töricht, sondern auch gefährlich, der Sprache eine vom Men­

schen losgelöste irgendwie mythische Existenz zuzusprechen. Deswegen

darf aber nicht das qualitativ ganz andere übersehen werden, daß die

Sprache, einmal nach Maßgabe der Lebenswelt den Köpfen der Menschen ent­

sprungen, nun auch den Menschen gegenübertritt - als zwar in Ab­

hängigkeit zu den Menschen sich wandelndes, aber dennoch jeweils weit­

gehend eigenständiges, eine eigene Wirklichkeit entfaltendes Gebilde,

das seinerseits auf die Menschen einwirkt, ja sie sich, in vielerlei

Hinsicht, unterwirft - dies zumindest solange, als die Menschen glauben,

über die Sprache nach Belieben zu verfügen. (Wie es ja überhaupt ein We­

sensmerkmal des Menschen ist, daß er etwas erschafft - Dinge, Insti­

tutionen, Organisationen, Ideen -, dem er, wenn nicht gleich, so doch

langfristig, zum Opfer fällt.)

1.5. Sprache in der Öffentlichkeit

Nun scheint sich seit einiger Zeit in dem, was Öffentlichkeit heißt, das

Bewußtsein für Sprache ein wenig zu schärfen. Sprachverwendung und

Sprachkultur etablieren sich als Gegenstand von Diskussionen und als

Thema von Veranstaltungen. Man möchte das begrüßen, allein der Zweifel,

39

ob das nicht nur mit der politischen Wende zum Konservatismus zu tun

hat, sitzt tief. Dieser Zweifel hat nichts mit vordergründig parteipoli­

tischen Einstellungen zu tun, sondern mit einem der Parteipolitik vor­

gelagerten Unbehagen. Seine schwächste Artikulation wäre noch die, daß

es sich eventuell um ein Modethema handelt. Gewichtiger sind andere Be­

denken: Es ist höchste Vorsicht geboten, sobald - zumal in unserem Land

- die Besinnung (die ja immer einen Bestandteil von R ü c k besinnung

enthält) auf irgendwelche Werte auch nur droht, um sich zu greifen.

Und wie kommt es, so könnte man beispielsweise fragen, daß 'Kultur', ein

Wort das (durch den und) nach dem Krieg zunehmend in Mißkredit geraten

und in den sechziger und siebziger Jahren mehr und mehr zum Reizwort ge­

diehen ist, das man mied wie die zu heiße Kartoffel, daß dieses Wort

plötzlich wieder in aller Munde ist, als wäre nichts geschehen? Was ist

denn da geschehen? Ist es das: Haben die Konservativen es geschafft,

einen Begriff wieder durchzusetzen, um den sich die anderen jetzt auch

balgen? Oder haben die anderen, die Nichtkonservativen, zeigen wollen,

daß sie viel besser wissen, was Kultur ist, und wollen sie, sich bei­

zeiten in die vermutete Blasrichtung des Zeitgeists legend, den Konser­

vativen davonsegeln? Oder hat der Zeitgeist höchstselbst, keiner weiß

wie, diktiert - und plötzlich war es da? "Als Mitte der achtziger Jahre

die Diskussion um die Sprachkultur ausbrach ...", wird es später viel­

leicht heißen, und vielleicht wird es geschluckt, weil man ja diese

Redeweise gewöhnt ist: "Als 1939 der Krieg ausbrach ...".

Aber das Positive sollte man auch sehen und hervorkehren: Es besteht zu­

mindest darin, daß überhaupt, warum zunächst auch immer, über Sprache in

ihren vielerlei Verflechtungen diskutiert wird. Somit ist prinzipiell

nicht ausgeschlossen, daß auch Vernünftiges gesagt wird.

Zweifellos wurde schon viel Vernünftiges gesagt. Trotzdem bietet das,

was dann nach Durchlaufen der verschiedenen Meinungsfilterungsinstanzen

am Ende übrigbleibt, ein mehr als trauriges Bild. Den Journalisten fällt

beim Thema Sprache meist nur Unsinn ein, lauter quasi im letzten Jahr­

hundert schon abgestandene Sachen. Man sollte es ihnen nicht vorwerfen,

sie sind vom Thema Uberfordert. Man sollte vielmehr versuchen, mit dem

40

Thema vertrauter zu machen. Daflir müssen Formen gefunden werden,

sprachliche und organisatorische.

Die Jahrestagung 1984 des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim zum

Thema 'Sprachkultur' kann auch als solch ein Versuch angesehen werden.

Wie weit dieser Versuch trägt, ist noch nicht abzusehen, da die eigent­

lichen einschlägigen, nachlesbaren wissenschaftlichen Veröffentlichungen

dazu und eventuellen Reaktionen darauf noch ausstehen.^ Seitdem haben

einige Veranstaltungen stattgefunden, die Sprache und Kultur, Sprache

und Politik, Sprache und Krieg und Frieden in ihrem möglichen Zusam­

menhang behandelten. Eine davon war eingebunden in die Tradition der

Frankfurter Römerberg-Gespräche; darauf ist es wohl zurückzuführen, daß

sie ein sehr breites Presse- und Rundfunkecho fand.

Insgesamt gibt es also Anlaß genug, sich mit der Römerberg-Veranstaltung

zu beschäftigen. Dies soll im folgenden, berichtend und kommentierend,

geschehen.

2. DIE 11. RÖMERBERG-GESPRÄCHE

"SPRACHE DER MACHT - MACHT DER SPRACHE"

2.1. Einleitung

Die Römerberg-Gespräche finden im Auftrag des Frankfurter Kulturdezer­

nats statt; sie werden organisiert von der Geschäftsführerin des Kura­

toriums der Römerberg-Gespräche, Maria Christiana-Leven. Nach dem Willen

der Veranstalter sind sie "Expertengespräche zu Themen von besonderer

kultur- und gesellschaftspolitischer Aktualität" und dienen "der kri­

tischen Information durch Analysen und Streitgespräche". Die Referate5

erscheinen jeweils in einem Sammelband.

Zu den 11. Römerberg-Gesprächen waren zusätzlich zu den Referenten/Re-

ferentinnen (s.u.) als Gesprächsteilnehmer/-innen geladen: Hilde Domin

(Schriftstellerin, Heidelberg), Dieter Forte (Schriftsteller, Basel),

Heinrich von Nußbaum (Journalist, Frankfurt), Fritz Pasierbsky (Lin-

41

guist, Paderborn), Wilhelm von Sternburg (Journalist, Frankfurt), Inge-

borg Wurster (Journalistin, Mainz). Diskussionsleiter waren Horst Bingel

(Schriftsteller, Frankfurt) und Iring Fetscher (Politologe, Frankfurt).

Das Publikum zählte an beiden Veranstaltungstagen etwa je 300 Köpfe;

Vertreter von Presse und Rundfunk waren ständig, vom Fernsehen zeit­

weilig anwesend.

2.2. Die Referate in ihrer Reihenfolge

Hans-Jürgen Hellwig (Frankfurts Stadtverordnetenvorsteher und somit

Hausherr des Veranstaltungsraums, des Römerberg-Plenarsaals) hielt das

Begrüßungsreferat. Er stellte u.a. die Frage, ob es einerseits eine

eigene Sprache der Macht und ob es andererseits nicht, angesichts von

Macht, eine Ohnmacht der Sprache gebe.

Hilmar Hoffmann (Frankfurts Kulturdezernent) hielt das Eröffnungsre­

ferat: "Macht der Sprache". Er begann mit einem Brecht-Zitat: "Wenn die

Oberen vom Frieden reden/Weiß das gemeine Volk/Daß es Krieg gibt./Wenn

die Oberen den Krieg verfluchen/Sind die Gestellungsbefehle schon ausge­

schrieben."® Er führte anhand einer Reihe geschichtlicher Beispiele vor,

wie schon immer Sprache und Politik, Sprache und Macht in "fundamentalem

Zusammenhang" gestanden hätten, sei es, daß die Sprache als Machtinstru­

ment eingesetzt worden sei (etwa: "Schon die Römer erkannten die Wich­

tigkeit einer einheitlichen Amtssprache."), oder sei es, daß, wie "mit

grauenhafter Meisterschaft" im Dritten Reich, durch Mißbrauch der Spra­

che die Wirklichkeit verdeckt worden sei. Da "Sprache und Erkenntnis der

Welt untrennbar zusammengehören", sieht er neue, große Gefahren herauf­

wachsen, denn: "Wie nie zuvor ist Sprache vermittelst der neuen Medien

in unserem Jahrhundert nicht nur Instrument der Aufklärung, sondern ist

zum Instrument des Betrugs geworden, millionenfach wirksamer als je zu­

vor durch Runfunk, Fernsehen und alle anderen Wort-Vervielfältiger." Er

halte es allerdings für falsch, aus dem "Mißtrauen gegen den Mißbrauch

der Sprache" heraus in "Mißtrauen in die Sprache oder gar Sprachlosig­

keit" zu verfallen. "Allein Aufklärung über die Macht der Sprache",

"Aufklärung durch Sprache über Sprache" biete die Möglichkeit, die "Ver­

deckung der Wirklichkeit" aufzuheben.

42

Bruno Liebrucks ((Sprach-)Philosoph,7 Frankfurt: "Sprache und Politik")

ist der Auffassung, daß über Krieg und Frieden und über Sprache nur ge-O

sprochen werden könne in der Hegelschen Logik. Für ihn "ist Sprache die

einzige wirkliche Macht auf dieser Erde: Wir verfügen nicht über die

Sprache, sondern sie verfügt über uns." Das zeige sich schon in der

"Sprachlichkeit des Menschen", die keineswegs darin bestehe, daß er

sprechen könne (wie etwa Piaget behaupte), sondern darin, daß er sich,

"indem er sich zu seiner Umgebung verhält, immer und zugleich, uno et

eodem actu, zu sich selbst verhält". Die Physik z.B. habe "ihre zum

Himmel schreienden Erfolge" nur dadurch erreicht, daß sie diese Sprach-

1ichkeit des Menschen, daß sie den "sowohl subjektiven wie objektiven

sprachlichen Weltumgang" verkürzt und sich allein einer angeblichen Ob­

jektivität verschrieben habe. Die "Zielsetzung der Objektivität" sei

aber "eine Form der Rede ..., in der ihr verborgener kriegerischer Sinn

bei einigen mit Wissen und Willen v e r s t e l l t ist, während die

meisten wohl in dieser Verstellung als einem Verblendungszustand leben."

Ähnliches müsse von der Politik gesagt werden, weswegen "außerhalb der

Sprachlichkeit des menschlichen Handelns jede politische Handlung in der

heutigen Situation nur noch als Verbrechen anzusehen" sei. "(Man) fra­

ternisiert auch mit dem Krieg ..., wenn man dauernd das Wort des Frie­

dens in den Mund und nicht s p r a c h l i c h i n d i e S p r a ­

c h e nimmt." Da nun "die meisten Politiker lügen", und zwar "mit der

Wahrheit, d.h. mit der Zusammenstellung von Tatsachen, die uns dazu

zwingen sollen, die von ihnen, den Politikern, gewünschten Schlüsse zu

ziehen, und zwar so, daß wir uns einbilden, daß wir sie selbständig

vollziehen" -; und da allein Kunst und Philosophie, "wenn auch auf dem

Umweg, wenn Sie so wollen, über die Phantasie, wenn Sie so wollen, über

die Lüge", die Wahrheit sagten oder doch ernsthaft versuchten zu sagen

-; da, ferner, was heute als Wissenschaft gelte, nur die R e a l i t ä t

als Inbegriff sog. Tatsachen, hingegen allein Kunst und Philosophie die

W i r k l i c h k e i t als "Einheit von Innerem und Äußerem" be­

schreiben könnten -; und da schließlich die Naturwissenschaften "zwar

ihre Theorien und Techniken erklären", nicht aber sie begreifen und ver­

stehen könnten ('"Verstehen1 würde bedeuten, sie für die ganze Mensch­

heit sinnvoll zu machen.") -: erzählte er ein Märchen, um auf eine ver­

paßte historische Chance aufmerksam zu machen: das Märchen vom 'römi-

43

gsehen Cäsar mit Christi Seele'. Hätten die USA in jenen Jahren, als sie

im Alleinbesitz der Atombombe waren, begriffen, was das hieß, so wären

sie in Gestalt jenes römischen Cäsar mit Christi Seele aufgetreten und

hätten den Weltfrieden diktiert. Liebrucks schloß mit den Worten: " V a

t e r 1 a n d und K r i e g sind Stereotypen, kitschige Stereoty­

pen - jeder, der damit argumentiert, ist verächtlich-, nicht jedoch die

W i r k l i c h k e i t , zu der uns nicht die Wissenschaft, sondern

Kunst und Philosophie führen, von denen man sich allerdings heut' hat

sagen lassen, daß es sie nicht mehr gibt."

B e m e r k u n g e n d a z u : 1.) Es ist die Frage, ob es gleich

solch umgreifender Theorien (vgl. Anm. 8) wie dieses radikalen, des ab­

soluten Idealismus bedarf, um den globalen Siegeszug der formalen Logik,

des Glanzstücks der instrumentellen Vernunft, als globale Gefahr zu er­

kennen und zu bekämpfen. Wenn ja: dann wird es nötig sein, sich ver­

ständlicher zu machen. Jedenfalls scheinen eingängigere Argumentations­

weisen gegen den Vormarsch der Computer und die Künstliche-Intelligenz-

Forschung, wie etwa die von Weizenbaum,^ zu kurz zu greifen, ja gerade­

zu kitschig - um nicht zu sagen: amerikanisch - zu sein. (Vgl. auch

unten die Bemerkungen zu Burger.) 2.) Ein Versuch, Liebrucks zu

verstehen, könnte in folgender Rekonstruktion bestehen: Die Sprache bzw.

Sprachlichkeit stellt eine Gewalt dar, u.a. dadurch, daß sie mich

zwingt, mich, indem ich mich zu anderen verhalte, gleichzeitig zu mir

selbst zu verhalten. Dieser Gewalt kann ich mich nicht entziehen (wie ja

schon mein Selbstbewußtsein - vgl. Kant - eine nicht abzuwendende

Nötigung darstellt) - eigentlich. Nun kann ich mich ihr aber doch ent­

ziehen. Und zwar entweder bewußtlos, weil meine Reflexion diese Gewalt

noch nicht aufgedeckt hat - dann verelendet meine Sprachlichkeit zum

scheinbar naturgegebenen Instrumentarium rein zweckrationalen Handelns,

bleibt also kriegerisch; oder aber bewußt - dann verkommt mein Wort zur

Waffe, mit der ich den anderen und letztlich mich selbst vergewaltige.

Also kann ich mich dieser Gewalt meiner Sprachlichkeit eben doch nicht

entziehen: ohne Unheil zu stiften.

Oskar Negt (Soziologe, Hannover: "Politischer Sprachkampf") ging unter

Hinweis auf Lübbe11 von der Feststellung aus, daß es "in keinem west-

44

liehen Land einen solch wilden Kampf um die politische Sprache" gebe wie

in der Bundesrepublik Deutschland (das zeige sich sogar noch in den er­

bitterten Diskussionen über die Benennung von Straßen und Gebäuden: eine

Allee nach Hindenburg zu benennen, bereite zwar im allgemeinen keine

Schwierigkeiten, aber wenn es um Ossietzky, Lessing, Heine gehe ...). Er

versuchte an den Begriffen 'Zensur', 'Folter' und 'Freiheit/Frieden'

aufzuzeigen, wie im Sinne eines zurückgekehrten Begriffsrealismus ein

Teil der Realität der öffentlichen Diskussion entzogen werde: ein12Vorgang, den er "Enteignung der Begriffe" nannte. Dies geschehe durch

Institutionalisierung der Begriffe, die sie ihrer wichtigsten Eigen­

schaft, nämlich Sprachzusammenhänge zu öffnen, gerade beraube. Z.B. fin­

de laut Grundgesetz eine Zensur nicht statt. Tatsächlich aber finde le­

diglich eine D i s k u s s i o n über Zensur nicht statt, Zensur

selbst dagegen wohl: beispielsweise in den Redaktionen, vor allem in den

Köpfen. Ähnlich verhalte es sich etwa mit der Isolationsfolter, die als

Folter nicht akzeptiert werde, da ja Folter abgeschafft sei. Und Frei­

heit sei, institutionalisiert, zum "Polizeibegriff" geworden, über den

nicht mehr diskutiert werden könne, ohne daß man sich als Freiheitsfeind

verdächtig mache. Insgesamt sei der Begriffsrealismus und, in seiner

Auswirkung, die Tabuierung von Wörtern bzw. Begriffen Ausdruck der

Tatsache, daß es in Deutschland, dem Land der "gelungenen Konter­

revolutionen", weder eine eigene politische Rhetorik noch Sprache noch

auch eine eigene politische Theorie und schließlich auch keine autonome

Politik gebe.

B e m e r k u n g e n d a z u : In der anschließenden Diskussion war

Enttäuschung zu spüren - man hatte gerade von Negt, einem Schüler Lieb­

rucks' und somit aus dem Umkreis der Frankfurter Schule kommend, mehr

erwartet. Tatsächlich scheint es, als hätte er ein Thema verschenkt; der

Problematik 'Nominalismus, Begriffsrealismus usw.' wären gründlichere,

klarere und nicht zuletzt politisch zündendere Gedanken angemessen ge­

wesen.

Bernhard Großfeld (Jurist, München: "Sprache - Recht - Demokratie") ver­

suchte, anhand sprach- und literaturgeschichtlicher Betrachtungen die

geschichtliche und auch die systematische Verflochtenheit von Sprache

45

und Recht sowie von Recht und Macht zu beleuchten. Er kam zu dem Schluß:

"Für die Demokratie ist entscheidend, daß unser aller Erfahrung 'zur

Sprache' kommen kann, daß die Sprachgewalt vom Volke ausgeht ... und das

Klima der Rechtskultur bestimmt."

B e m e r k u n g e n d a z u : Der zitierte Satz sollte nicht zu

falschen Schlüssen verleiten - er ist mit weitem Abstand der brillan­

teste und brisanteste des ansonsten netten Vortrags.

Hans-Gerd Schumann (Politologe, Darmstadt: "Die Beschönigung des Un-13 14

hei 1s") zeigte unter Hinweis auf Burkhardt, Lattmann und Pasierbs-

ky1^ an den Beispielen existierender (Massen-)Arbeitslosigkeit und mög­

lichen Atomtodes auf, wie die Wirklichkeit durch beschönigende Ausdrücke

- Euphemismen - verstellt und wie damit u.a. eine "Gewöhnung an das

Schreckliche" erlangt werde. So werde der doch "individuell erlittene

und kollektiv erfahrene" Verlust des Arbeitsplatzes beschönigt als

"Freistellung" aufgrund von "Anpassungsschwierigkeiten", "Strukturwan­

del", "notwendig gewordener Rationalisierung", "produktionsorientierter

Umstellung" usw.; und zwar beschönigt nicht nur im Hinblick auf das tat­

sächliche menschliche und soziale Elend, sondern auch in dem Sinne, als

handele es sich um anonyme Sachzwänge, "als handele es sich gar nicht um

von Menschen Gemachtes und Veranlaßtes, sondern um ein standortneutrales

System der Zweckrationalität, dessen interessengebundene Prämissen damit

fortinterpretiert werden sollen". Wenn hingegen die Interessen der "so­

zial und politisch Herrschenden" betroffen seien, z.B. im Falle tarif­

politischer Auseinandersetzungen, dann rücke man ab von dieser Sprache

der "technizistischen Sachlichkeit" mit ihrem "Gestus klinisch reiner

Eingriffe zum Zwecke der Krisenbewältigung und zum Wohle des Fort­

schritts", und es "klingt die Interessen- und Mediensprache unisono:

'Ein Streik d r o h t auszubrechen'."

B e m e r k u n g e n d a z u : In der Diskussion entstand der Ein­

druck, der sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung verstärkte, daß es

Schumann gelungen war, die Unmenschlichkeit und gleichzeitig Interes­

sen-, also Machtgebundenheit eines wichtigen Bereichs der 'öffentlichen'

Sprache überzeugend vorzuführen. Schumann selbst nannte es eine Aufgabe

der Sprachkritik, Interessen zu enthüllen.

46

Heiner Geißler (CDU-Generalsekretär/Bundesminister für Jugend, Familie

und Gesundheit, Bonn: ich bin die Tat von deinem Gedanken1

(Heine).1® Die Macht der Sprache oder: Über die politische Verantwortung

der Intellektuellen") hatte sich wegen einer Krankheit entschuldigen

lassen; das Referat wurde von Wulf Schönbohm (Leiter der Gruppe Pla-

nungs- und Grundsatzfragen in der Bundesgeschäftsstelle der CDU, Bonn)

verlesen. Ausgehend von einer Gegenüberstellung des unter "Legitima­

tionszwang" stehenden Politikers, dem es um Machbares, und des nur

"selbstverantwortlichen" Intellektuellen, dem es um Wünschbares gehe,

wurde zunächst auf die Weimarer Republik verwiesen: diese sei "nach Mei­

nung vieler Intellektueller nicht mehr zu verteidigen" gewesen, und "dem

Denken folgen die Taten". Dann wurde ausgeführt, daß die Intellektuellen

in der Bundesrepublik ihre "Glaubwürdigkeit" verspielten, wenn sie in

ihrer Kritik maßlos seien (denn z.B. habe "die atomare Hochrüstung den

Frieden nicht gefährdet") oder wenn sie, andererseits, als unkritische

"Hofsänger" und "geistige Wasserträger" aufträten (so habe es in Frank­

reich "in den letzten Jahren eine grundlegende Auseinandersetzung mit

dem Kommunismus" gegeben, "bei uns nicht") oder aber auch dann, wenn sie

in "politischen Aktivismus" verfielen, weil dieser es "den Politikern

leichtmacht, die Intellektuellen nicht ernst zu nehmen".

B e m e r k u n g e n d a z u : Um es zu verdeutlichen, falls das

noch notwendig sein sollte: Wie schon die Tatsache, daß ausgerechnet

Geißler ein Heine-Zitat im Vortragstitel führte, hatte vermuten lassen,

war der Vortrag selbst eine üble Zumutung. Ist die völlig unhinterfragte

Selbstgerechtigkeit vieler Konservativer ohnehin schon alarmierend ge­

nug, so wird ihre menschenverachtende Arroganz, sobald sie sich im Voll­

besitz der Macht fühlen, erschreckend unerträglich.

Schönbohm verhielt sich in der Diskussion wie erwartet geschickt: Ent­

weder er schwieg eisern auch zu provokantesten Fragen oder er zog sich

zurück auf definitorische Omnipotenz, etwa im Falle der Intellektuellen,

die er - weitab jeglicher diskursfähigen Überlegungen - zirkulär defi­

nierte als diejenigen, auf die er eingedroschen hatte.

Aber es soll nicht verschwiegen werden, daß von allen Referaten, die ge-

47

halten wurden, das Geißler/Schönbohmsche das formal beste war, und es

gibt jede Menge Redner anderer Denkart, denen dringend nahegelegt werden

könnte, davon zu lernen: Es war klar gegliedert (!!!), es uferte nicht

nach allen Himmelsrichtungen hin aus und es brachte griffige Thesen

(wenn sie auch, nicht nachahmenswert, als Wahrheiten ausgegeben wurden).

Peter Glotz (SPD-Bundesgeschäftsführer, Bonn: "Sprache, Politik und Emo­

tion") kam nach Aufzählung einiger philosophischer bzw. erkenntnistheo­

retischer Probleme (etwa des Subjekt/Objekt-Verhältnisses in den Natur-

und in den Gesellschaftswissenschaften) auf die in der Tradition Antonio

Gramscis17 stehenden Analysen zu sprechen, denen zufolge ein Kampf um

die kulturelle Hegemonie die derzeitigen politischen Erfolge der

Konservativen überall in der westlichen Welt vorbereitet habe. In diesem

Zusammenhang erwähnte er auch, daß die CDU sich von Linguisten habe be- 18raten lassen. Auf Geißler eingehend, kritisierte er vor allem dessen

19Pazifismus-Äußerung und die Dokumentation von 1977, in der Sozialdemo­

kraten, Schriftsteller und Philosophen in Verbindung mit Terrorismus ge­

bracht worden seien: "An diesen beiden Punkten war Bonn d o c h Wei­

mar"; und bezüglich dessen M e t h o d e "der publizistischen und

geistigen Kriegsführung" stellte er Geißler neben Goebbels. Selbstkri­

tisch behandelte er die SPD-Wahlkampfparole "Den Frieden wählen", die

die Unterstellung beinhaltet habe, daß, wer anders wählte, den Krieg

wähle.

B e m e r k u n g e n d a z u : Glotz litt sichtlich doppelt: einmal

unter der Abwesenheit seines Lieblingsgegners Geißler, zum anderen unter

seinem eigenen Image, nämlich dem des redegewandten und gleichwohl ker­

nigen, des redlichen und gleichwohl holzen und klotzen könnenden, des

philosophisch gebildeten und gleichwohl zupackenden intellektuellen

Machers. Er hatte Mühe, das alles zusammenzukriegen, zumal er, im Hin­

blick auf den fehlenden Geißler, teilweise improvisierte, und entschied

sich für die schlechteste Lösung: Er machte Wahlkampf; dies allerdings

um mehrere Größenordnungen genießbarer als Geißler/Schönbohm. (Schönbohm

sagte übrigens, er kenne keine Linguisten, die für die CDU gearbeitet

hätten.)

48

Im MANNHEIMER MORGEN vom 2.7.1984 war auf S. 2 zu lesen: "Weil sie

(gemeint sind Geißler/Schönbohm und Glotz) das Thema verfehlten und

'reine Wahlreden' hielten, beschloß das Kuratorium der kulturpolitischen

Veranstaltung, in Zukunft überhaupt keine Politiker mehr einzuladen."

Das ist vielleicht doch kurzsichtig. Denn weder konnte man von Poli­

tikern - Sprechern der Sprache der Macht - von vornherein erwarten, daß

sie darauf verzichten würden, die Macht der Sprache in ihrem Sinne ein­

zusetzen. Noch sollte man sie aus der Pflicht entlassen, auch öffentlich

über ihr Tun zu reflektieren - und sei es nur versuchsweise.

20Senta Trömel-Plötz (Linguistin, Konstanz: "Vergewaltigung durch Spra­

che") brachte eine Reihe von Beispielen dafür, daß die Frauen nicht nur

bei der herrschenden Verwendung der Sprache oft übergangen würden, son­

dern schon in der Struktur der Sprache oft ausgeschlossen seien. "Die

semantische Regel lautet: Alles ist solange männlich, bis etwas anderes

bewiesen ist." Ein Satz wie "Die Deutschen und ihre Frauen sind ein

friedliebendes Volk." werde in bezug auf seine Grammatikalität anstands­

los hingenommen, hingegen müsse die Umkehrung "Die Deutschen und ihre

Männer sind ein friedliebendes Volk." als semantisch "abweichend" be­

trachtet werden, und sie sei "ohne kontextuelle Hilfe nicht (zu) ver­

stehen". "Da Sprache Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern auch

schafft", müsse die "sprachliche Gleichbehandlung von Frauen" und damit

die Anerkennung der Frauen "als autonome(r) Menschen" durchgesetzt21werden.

B e m e r k u n g e n d a z u : Trömel-Plötz' Beobachtungen sind ge­

wiß richtig und verdienstvoll - dies wird im großen und ganzen anerkannt

werden müssen. Aber je öfter man ihren Vortrag hört, desto nachdenk­

licher stimmen folgende Mängel: Zum einen kommt überhaupt nicht zur

Sprache, daß es sich bei den von ihr beschriebenen Erscheinungen in

erster Linie vielleicht gar nicht um geschlechtsspezifische, sondern um

allgemein machtspezifische handelt; analog ihrer Verkürzung der Problem­

sicht bleibt sie eben auch in der Analyse unterwegs stecken. Zum zweiten

tut sie einiges, um den Verdacht zu nähren, daß das Sprachspiel nur um­

gedreht werden soll: Frauen nach oben, Männer nach unten, und innerhalb

der Geschlechter alles nach gehabter Rangordnung. Zum dritten sind ihre

49

Ausführungen gespickt mit peinlichen Passagen wie: "So sagte ein Pro­

fessor an einer juristischen Fakultät Deutschlands seiner Doktorandin,

ob 'summa' oder 'magna cum laude', würde immer noch im Bett entschie­

den." Das mag stimmen oder nicht - mit dieser Zitierweise jedenfalls ist

die Erträglichkeitsschwelle schon überschritten; und daß sie auch nicht

davor zurückschreckt, das Auslaufen ihrer befristeten "Professur" in

Konstanz ohne jede weitere Information und als Ohrfeige für alle männ­

lichen Arbeitslosen einfach als Beispiel für Gewalt, die den Frauen von

Männern angetan wird, hinzustellen - diese und ähnliche Unanständigkei­

ten machen es denjenigen, die sie und ihre Sicht der Sprache und ihre

Art der Linguistik verteidigen wollen, sehr schwer (ich spreche nicht

zuletzt aus eigener leidgeprüfter Erfahrung).

Henri Nannen (ehemaliger Chefredakteur und Herausgeber des STERN, Ham­

burg: "Die Ohnmacht des Leitartiklers") nahm eine Gleichsetzung von

Leitartikel mit Rede und von Reportage mit Gespräch vor und versuchte

darzulegen, daß Bewußtsein nicht durch Rede, sondern durch Gespräch

verändert werde.

Heiner Müller (Schriftsteller, Berlin (Ost)) verlas eine Passage aus

Lessings "Nathan der Weise" (ab 3. Aufzug, 4. Auftritt bis einschließ- 22

lieh Ring-Parabel).

Karin Reschke (Schriftstellerin, Berlin (West)) verlas einen Text, der

den Versuch darstelte, das Phänomen 'Marschflugkörper' poetisch zu

fassen.

B e m e r k u n g e n d a z u : Obwohl Reschke bemerkenswert viele

grobe grammatische und andere Schnitzer ganz offensichtlich unterlaufen

waren (so sprach sie etwa in einem Satz vom Wort 'Rakete', das dann im

nächsten Satz über der realen Landschaft kurvte), fand die schon mehr­

mals aufgeflackerte Diskussion der 'Ästhetik des Grauens' hier ihren

Platz. Es wurde gefragt, wie man "so schön" (die Schnitzer übersah man)

"über solch grausame Dinge sprechen" könne. Es wurde allgemein gefragt:

Kann durch Benennung und Darstellung des Grauens eine abschreckende Wir­

kung erzielt werden? Und selbst, wenn: Ist die Darstellung des Grauens

50

und des Grauenhaften moralisch vertretbar oder wird das Grauen durch

Darstellung nur Mittel zum Zweck (z.B. des Geldverdienens)? Es wurde der

"Holocaust"-FiIm heftig kritisiert und vehement verteidigt. Liebrucks,

der Allgegenwärtige, der die Zuhörer sogar mit weitausholenden und

garantiert schwerstverständlichen Exkursen über Hegel in seinen Bann zu

schlagen vermochte, äußerte die Auffassung: Die 'Macht der Sprache' sei

schon als Begriff existent (Hinweis auf Anselm von Canterbury, der aus

der Tatsache des Begriffs 'Gott' die Existenz Gottes zu beweisen such­

te (später sogenannter ontologischer Gottesbeweis)); ferner: die Atom­

bombe habe schon lange vor ihrem Bau existiert, nämlich a l s B e ­

g r i f f , und allein dadurch schon die ganze Politik verändert:

darin zeige sich die "Sprach]ichkeit der Waffen", und von daher sei das

Problem anzugehen, ob man ästhetisch darüber reden könne.

Rudolf Burger (Wissenschaftstheoretiker, Wien: "Die Sprache der Puppen

oder Die Angst vor dem Widerspruch") stellte seinem Vortrag das

Liebrucks-Zitat voran: "Als Erkenntnis gilt in unserer Gesellschaft nur,

was formal logisch ausdrückbar ist." Ausgehend von dem in der Literatur

als 'Turing-Test' bezeichneten Probierstein der Wahrheit (Kant) ging es

ihm um die Konsequenzen einer positiven Antwort auf die Frage: "Kann 23eine Maschine denken?" Turing und andere Automatentheoretiker bejahten

diese Frage nämlich in dem Sinne, daß es sowohl prinzipiell als auch, in

welch naher oder ferner Zukunft auch immer, technisch möglich sei, Ma­

schinen zu bauen, die in einem "beliebigen Dialog von einem menschlichen

Gesprächspartner nicht zu unterscheiden wären", ja daß sogar alle der

Introspektion zugänglichen Akte des menschlichen Gehirns "konstruktiv

nachgebildet werden könnten, ohne daß es notwendig wäre, ein Konzept des

'Bewußtseins' ins Spiel zu bringen". Wenn eine Maschine ohne Bewußtsein

denken könne, dann dränge sich der (von den Automatentheoretikern voll­

zogene) Umkehrschluß auf, daß das menschliche Bewußtsein eine bloße Fik­

tion sei, eine höfliche Leerformel idealistischer Herkunft. "Was sagt es

über eine Gesellschaft aus, daß diese Debatte (Kann eine Maschine den­

ken?) geführt werden kann, ohne auf Gelächter zu stoßen?" Es sage aus,

daß das "maschinenförmige" Denken auf dem Wege sei, das menschliche Den­

ken zu ersetzen, und man werde sagen können: Die Gesetze der formalen

Logik, bisher "regulatives Postulat des reinen Denkens", "Gesetz aus

51

Freiheit", "methodisches Ideal, Norm, die als solche auch immer bewußt

und damit überschreitbar blieb", sind "in der Maschine gegenständlich

geworden: In ihr hat verdinglichtes Denken buchstäblich sich materiali­

siert." Formale Logik werde "zum Naturgesetz", Bewußtsein und Geschicht­

lichkeit des Menschen würden ausgeschaltet, Widerspruch trete nur noch

als Defekt auf: "Das maschinenförmige Gerede wäre eine gigantische Tau­

tologie."

B e m e r k u n g e n d a z u : (Vgl. auch oben die Bemerkungen zu

Liebrucks.) Die Debatte zum Thema "Kann eine Maschine denken?" hält an

und weitet sich aus, obwohl diese Formulierung des Themas teilweise

schon belächelt wird - nicht von 'der Gesellschaft', sondern von For­

schern.24 Eine rigorose Abrechnung mit, so scheint es, fast allen momen­

tan auffindbaren Argumenten gegen die Künstliche-Intelligenz-Forschung25liefert Kanngießer (1984); sein forscher Ton wird da, wo es um Moral

und Ethik geht, erstaunlich unpräzis, ja schwammig und gleichzeitig bei­

nah' höhnisch: es lohnt sich, die Stelle nachzulesen, und schon die

Stellenangabe macht den ganzen inneren Widerspruch der Argumentation

greifbar: Fußnote 7, S. 70-73.

Angesichts der Diskussionen um die KUnstliche-Intel1igenz-Forschung (die

nicht ganz so im Verborgenen blüht und expandiert wie die Gen-Forschung

- denn diese bedarf nicht der Rechtfertigung: ihr brutaler Sinn ist

denen, die an ihr interessiert sein können, unmittelbar eingängig) fragt

sich vielleicht der naive Laie, warum sie überhaupt nötig seien: Denn

entweder man kann diese wunderbaren Maschinen bauen oder man kann sie

nicht; das muß einfach ausprobiert werden. Wozu also Diskussionen? Doch

wohl deswegen: Weil man sie, wenn überhaupt, nur bauen kann mit viel

Zeit und viel Geld. Die Diskussionen um die theoretische Baubarkeit die­

ser sagenhaft intelligenten Maschinen sind Scheindiskussionen, es geht

lediglich darum, Geld, viel Geld, von anderswo abzuzweigen. So daß also,

ob die Maschinen nun gebaut werden oder nicht gebaut werden können, lei­

der beides von Übel ist. Aber - und ich drehe hier Kanngießers Spieß um,

daß nämlich jedes Argument der Künstliche-Intelligenz-Forschungs-Gegner

die Künstliche-Intelligenz-Forschung nur vorantreibe, weil es der

Klärung diene - die Tatsache, daß es Forscher gibt, die allen Ernstes

52

daran arbeiten, den Menschen maschinell nachzubilden und zu übertreffen,

klärt die Köpfe der, sei es idealistischen oder materialistischen oder

sonstigen, Gegner - und das ganz ohne Abzweigung von Geld, im Gegenteil.

Ein Aspekt, einer der vielleicht überhaupt bedenklichsten, kommt m.E. in

allen Diskussionen zu kurz oder überhaupt nicht vor. Es ist immer die

Rede davon, ob es in irgendeinem Sinne möglich sei, den Menschen maschi­

nell nachzubilden oder zu übertreffen (es kommt mir hier nicht auf die

Bezeichnungen an). Diese und ähnliche Redeweisen verdecken von vorn­

herein zwei fundamentale Probleme.

Erstens: Es wird nämlich so getan, als wüßte man schon, was und wie der

Mensch ist. Davon sind wir aber, trotz aller sogenannter Fortschritte in

den sogenannten Natur- und den ihnen nacheifernden Wissenschaften, ge­

nausoweit entfernt wie eh und je. Man kann nicht etwas nachbilden, das

man nicht kennt. Also bleibt nur die Möglichkeit, das Nachzubildende auf

das, was man kennt oder zu kennen glaubt, zu reduzieren - kurz, ein ma­

schinenförmiges Bild des Menschen zu entwerfen, damit der Mensch ma­

schinell nachgebildet werden kann.

Das wäre vielleicht nicht so schlimm, man kann die Forscher ja forschen

lassen - aber nun zweitens: Die Geschichte der Neuzeit ist untrennbar

mit der Entwicklung der Maschinen verknüpft; die Maschinen, die prinzi­

piell die Mühsal des Lebens erleichtern könnten und dies zum Teil auch

unbestreitbar getan haben, haben aber ihre eigene Wirkmächtigkeit ent­

faltet. So bestimmt z.B. der Rhythmus der Maschine den Rhythmus der Ar­

beit, aber auch bestimmt z.B. die Auslastung der Maschinenkapazität die

materielle und immaterielle Produktion, und vieles andere mehr. Die

Maschinen als geschichtliche Tatsache haben sich verselbständigt und

Zwänge geschaffen, denen sich der Mensch, zumal der einzelne, nicht mehr

entgegenstellen kann: Er muß sich, will er nicht untergehen, anpassen.

Diese Anpassung wird ihm erleichtert und verschleiert durch die Faszina­

tion, die von Maschinen ausgeht. Ohnehin mit der unseligen Gabe ausge­

stattet, sich Autoritäten fraglos anzupassen, erliegt der Mensch der

Faszination der Maschine dann bedingungslos. Und da der Mensch ohne

Wertung nichts tun kann, paßt er sich der Maschine nicht nur einfach an,

53

sondern er sieht einen Wert darin, sich in jeder Weise maschinenförmig

zu verhalten, ja maschinenförmiger als die Maschinen.

Für die Künstliche-Intel1igenz-Forschung heißt dies: Auf der einen Seite

arbeitet man mit einem reduzierten Menschenbild, auf der anderen Seite

arbeiten die Menschen selber fleißig an ihrer Reduktion, an ihrer Ma-

schinenwerdung. Dann ist es natürlich bald kein Kunststück mehr, eine

Ma- schine zu bauen, die sich wie ein Mensch verhält, nur weniger

störan- fällig.

Aber, wie gesagt, diese Diskussion ist nur Scheindiskussion - ist Ersatz

auch für einen gewissen Grundbedarf an Kultivierung auf dem von der

Philosophie geräumten Feld.

Michael Schneider (Schriftsteller, Wiesbaden: "Die Intellektuellen und

der Katastrophismus. Wider den Kultus der Angst und die Rhetorik der

Vergeblichkeit") sieht angesichts des Zustandes der Welt nur die Alter­

native "Einlösung der sozialistischen Utopie (im Sinne des 'Dritten We­

ges') oder der Abfahrt in die Katastrophe". Er kritisierte die Intellek­

tuellen, die als (meist gutsituierte) "professionelle Kassandras" der

Abfahrt in die Katastrophe Vorschub leisteten, indem sie unablässig

deren Unaufhaltsamkeit verkündeten. Stattdessen forderte er Anstrengun­

gen im Sinne der "konkreten Utopie" (Bloch), nicht nur, um "vermittels

unserer hochautomatisierten Produktionstechnologie den Hunger in der

Welt zu beseitigen", sondern auch, um eine "technologisch erstmals mög-OC

lieh gewordene sozialistische Freizeitgesellschaft" herbeizuführen.

B e m e r k u n g e n d a z u : Schneider ist zweifellos ein großes

Formulierungstalent, aber eine geschlagene halbe Stunde sich einander

überschlagender brillantester Formulierungen hält kein Mensch aus, und,

so skeptisch geworden, findet man das Ende gar zu kärglich: Die Techno­

logie, nur recht verstanden und kräftig vorangetrieben, soll die Prob­

leme lösen.

Die Absurdität etwa, daß das alles überwölbende Lebensproblem vieler

Leute hierzulande die Wahl der geeigneten Abmagerungskur zu sein

54

scheint, während anderswo jährlich Millionen verhungern, läßt sich gewiß

nicht durch bessere Technologie überwinden. Denn zu essen wäre ja auch

jetzt genug für alle da.

2.3 Abschließende Bemerkungen

1. Es ist merkwürdig und überraschend, daß sich unter den ursprünglich

geladenen Referenten/Referentinnen keine Linguisten/Linguistinnen be­

fanden (Trömel-Plötz1 Referat war nicht vorgesehen gewesen). Viel­

leicht zeigte sich hier, daß die Linguistik, nach dem großen Boom,

ein wenig in Mißkredit geraten ist: zu Recht möglicherweise, was den

sich auf dem Rücken der Schüler und Lehrer austobenden Methoden­

streit, zu Unrecht gewiß, was ihre Substanz betrifft. Dieses Indiz -

wenn es eines ist - sollte sehr ernst genommen werden, gerade in

Zeiten (angeblicher oder tatsächlicher, je nach Standpunkt) Geld­

knappheit: In Zeiten der Arbeitslosigkeit und Geldknappheit ist das

Regieren in mancher Beziehung allzu leicht.

2. Sowohl in den Referaten als auch in den Diskussionen wurde vielfach

von unklaren Sprachbegriffen ausgegangen. Zu einer Klärung kam es

kaum einmal, ebenso wie es kaum zu einer Klärung der verwendeten

Machtbegriffe kam. Auch wurde einmütig vorausgesetzt, daß es so etwas

wie Sprache der Macht und Macht der Sprache gebe; die berühmte Frage27"Gibt es Mißbrauch der Sprache?" wurde nicht gestellt. Brennender

schien es zu sein, Ängste zur artikulieren: Krieg und Technisierung

wurden sofort zu zentralen Themen. Die Kritik an der Aufklärung (als

historischer Epoche), wie sie vor allem von der Frankfurter Schule in 28

Gang gesetzt worden ist, nahm breiten Raum ein. Das Unbehagen an

der Verselbständigung der instrumentellen technizistischen Vernunft,

die - antiaufklärerisch - selber zum unbegriffenen, unantastbaren

Mythos geworden ist, kam immer wieder zur Sprache.

3. Auch bei dieser Veranstaltung war in bezug auf die Linguistik ein ge­

wisses Gefühl des Mangels unabweisbar; das mag daran liegen, daß 'die

Linguistik1 mit zu großer Bescheidenheit auftritt. Sie ist offenbar

nicht genügend präsent. Sie scheut zurück vor der Maßlosigkeit der

55

Ansprüche, die mit ihrer Mathematisierung einst geweckt wurden. Und

sie scheut immer noch zurück vor ihrer eigenen deutschen Tradition,

anstatt allmählich das Brauchbare, Nichtkorrumpierbare sich anzueig­

nen. Kaum jemand zitiert beispielsweise Weisgerber, aber wäre es

wirklich so gänzlich uninteressant zu erforschen - gerade auch ange­

sichts einer Thematik 'Sprache und Macht' - ,was es nun mit der Ak-

kusativierung des Menschen tatsächlich auf sich hat, nach jetzt wei-29teren bald dreißig Jahren? Könnte nicht vielleicht durch eine Ein­

beziehung solcher Gedanken der merkwürdigen Hohlheit der linguisti­

schen Pragmatik begnet werden?

Aber auch die strukturalistische Betrachtung der Sprache muß nicht im

Papier steckenbleiben. An einem anderen Beispiel, nämlich in der Mu­

sik, hat Adorno angedeutet, was Strukturanalysen zu leisten imstande 30waren.

Der gesellschaftliche Bedarf, das spürt man allerorten, an Wissen

über die Sprache ist groß, und wenn die Linguistik sich ihm nicht

stellt, werden andere ihn entdecken: als Marktlücke; und entsprechend

stopfen.

3. NACHBETRACHTUNG: EIN FALL AUS DER PRAXIS

Am 2.10.1984 hielt Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Eröffnungsrede31auf der Frankfurter Buchmesse. Diese Rede ist in mehrererlei Hinsicht

interessant. Z..B. findet man in dem Teil, der von der Auseinandersetzung

zwischen Politikern und Intellektuellen handelt, Anklänge, wenn auch ge­

mäßigte, an die Frankfurter Geißler/Schönbohm-Rede. Oder: die Passagen,

die sich mit der politischen Sprache beschäftigen, enthalten z.T. wört­

liche Übernahmen von früheren Veröffentlichungen des bayerischen Kultus­

ministers Hans Maier (CSU) aus den Tagen der konservativen 'semantischen32 33Offensive' (und Wolfgang Bergsdorf ist meines Wissens zur Zeit Ab­

teilungsleiter im Bundespresseamt).

Nun darf man einen Bundeskanzler nicht verantwortlich machen für das,

56

was er zu bestimmten Fachgebieten - hier: Sprachwissenschaft - sagt; zu­

mindest darf man seine Worte nicht auf die Goldwaage legen: Er ist da

zum guten Teil nur Sprachrohr seiner Spezialisten, insofern freilich

Verkörperung von Zeitströmungen. Außerdem: Je höher der Rang eines Re­

präsentanten (und/oder je ritueller der Anlaß), desto leerer die Formeln

- dies ist weniger jeweilige subjektive Unfähigkeit als vielmehr objek­

tive Notwendigkeit in einer bestimmten Ausprägung gesellschaftlicher

Organisation (so wie etwa der viel beschworene 'Konsens der Demokraten'

inhaltlich leer ist und gerade deshalb breiteste Identifikationsmöglich­

keiten bietet, die wiederum tatsächlich geschichtlich wirksam werden).

Dennoch ist es lehrreich zu sehen, was der Bundeskanzler, der sich in

der Kritik an der Weltuntergangsstimmungsverbreitung der Intellkektuel-

len mit Schneider (s.o.) durchaus trifft, an Positivem anbietet. Da ist

zum einen die Sprache, die Muttersprache: Problemlos-blauäugig wird da

regierungsamtlich, wie eine regierungsamtliche Mitteilung lauten könnte,

auf der Schiene Humboldt-Weisgerber gefahren; aber wohin? (Dann wird

übrigens gleichzeitig davon gesprochen, daß die Sprache die Wirklichkeit

abbilde - das wäre dann also der entgegenkommende Zug, in dem auch noch,

um das Bild völlig zu verwirren, westliche Christdemokraten, auf Kolli­

sionskurs mit sich selbst, einträchtig mit östlichen Widerspiegelungs­

theoretikern beieinandersitzen.)

Und sonst? Da werden nur angeboten: "Rückbesinnung auf Familie, Nach­

barschaft, Heimat, Vaterland".

Daß die Konservativen (die es gar nicht sind, weil sie ja unermüdlich

die neuesten Maschinen durch die allerneuesten ersetzen wollen - Adorno)

unentwegt die Familie und die Nachbarschaft im Munde führen und unent­

wegt die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die von ihnen ja be­

triebene Industrialisierung und Technisierung ein einziger Prozeß der

Zerschlagung der Familie und der Nachbarschaft war und ist!

Heimat? Es kann ja nicht einmal mehr die Kitsch-Heimat des schönen

Rheins (der auch in seinen besten Zeiten garantiert nie schöner war als

die schöne Marne oder die schöne Wolga) gemeint sein: Heimat ist heutzu-

57

tage hierzulande eine Krankheitsursache aus Dreck, Beton und Fernsehen.

Vaterland? Jedes Schulkind kann heute wissen, daß der Begriff des Vater­

landes den Begriff des Krieges in sich birgt, ja in unaufhaltsam ent-

birgt.

"Wir Deutsche", sagte der Bundeskanzler im Anschluß an Ausführungen über

die jüngere deutsche Geschichte, "haben die Lektion dieser historischen

Erfahrungen gelernt: Von deutschem Boden muß Frieden ausgehen und wir

müssen Europa einigen, um auch für Deutschland die Einheit in Freiheit

zu vollenden." Das ist (obwohl er es natürlich nicht weiß - aber das ist

es ja eben) eine Kriegserklärung.

Anmerkungen

1) Dieser Aufsatz ist die geänderte und erweiterte Fassung eines Be­richts, der mit freundlicher Genehmigung des Erich Schmidt Verlages (Berlin) verwendet werden durfte: Ulrich Wetz: Abfahrt in die Kata­strophe? Bericht über die 11. Römerberg-Gespräche "Sprache der Macht - Macht der Sprache" (Frankfurt am Main, 29. - 30. Juni 1984). In:Deutsche Sprache 12, 1984, S. 374-381.

2) Bericht von Sextus Empiricus (200-250) und Pseudo-Aristoteles, zi­tiert nach Capelle (1968) S. 350-353; in Klammern Zusätze vonCapelle.

3) Stegmüller (1975) S. 64.

4) Für zahlreiche andere Berichte stehe Rosengren (1984). Die Referate der Tagung erscheinen in einem Band der Reihe "Sprache der Gegen­wart" .

5) Vgl. z.B. Hoffmann (1983). Die bisherigen Themen waren: "Kann dieStadt im Kapitalismus noch bewohnbar gemacht werden?" (1973), "Kunst und Manipulation" (1974), "Literatur - Opium ohne Volk?" (1976), "Sie schlagen uns das Kino tot" (1977), "Humanismus und Utopie" (1978), "Die Angst des Prometheus" (1979), "Die Bundesrepublik Deutschland - Republik ohne Bürger?" (1980), "Innerlichkeit - Flucht oder Rettung?" (1981), "Diskriminierung" (1982), "Kultur-Zerstörung?" (1983).

6) Brecht (1981) S. 230.

7) Vgl. etwa Liebrucks (1964-1979).

58

8) Die Hegelsche Logik ist - wie schon, wenn man so will, im Ansatz ihr Vorläufer, die Kantsche transzendentale Logik - Ontologie bzw., um­fassender, Metaphysik, hat also nichts mit Logik im Sinne etwa der formalen Logik zu tun. Sie ist, ausgehend von bzw. gelangend zu der Identität von Begriff und Sache, die Selbstreflexion der Begriff- lichkeit: die Aufdeckung der logischen Struktur der Begriffe ist die Aufdeckung der Struktur des Seins; zugleich ist sie als beginnende (Selbst-)Bewegung der Begriffe (Dialektik) das erste Stadium des Zu- sich-selbst-Kommens, der Selbstvergewisserung des Geistes als Wahr­heit. Damit muß sie eine Disziplin wie die formale Logik, die sich unter der Maxime der Widerspruchslosigkeit mit linearen Denkgesetzen beschäftigt und Selbstreflexivität nicht darstellen kann (Lie­brucks) , ablehnen, ja sie als Verstellung der Wirklichkeit 'denun­zieren' und sie letztlich als "kriegerisch" (Liebrucks) bekämpfen.

9) Diese hypothetische Gestalt übernahm er von Nietzsche. Vgl.Nietzsche (1952) S. 652.

10) Weizenbaum (1978), bes. S. 337 ff.: "Gegen den Imperialismus der in­strumenteilen Vernunft".

11) Lübbe (1967).

12) Offensichtlich in zweifachem Sinne: den Begriffen wird ihre Bedeu­tung und der Öffentlichkeit werden die Begriffe weggenommen.

13) Burkhardt (1984).

14) Lattmann (1983).

15) Pasierbsky (1983).

16) Heine (1968) S. 438 ("Deutschland. Ein Wintermärchen", Cap. VI).(Der Sprecher dieser Worte zerschmettert übrigens auf S. 442 (Cap.VII) mit seinem Beil "die Skelette des Aberglaubens" - aber auchdieses Zitat ist eine Verkürzung).

17) Vgl. etwa de Biago u.a. (1978).

18) Er meinte wohl vor allem jene "Projektgruppe Semantik", die 1973 aufInitiative des damaligen CDU-Generalsekretärs Kurt Biedenkopf hin zum Kampf gegen die "rote Semantik" aufbrach mit dem Ziel, die poli­tischen Begriffe wieder zu "besetzen", und deren Arbeit u.a. dieWahlkampfparole "Freiheit oder/statt Sozialismus" entsprang. Vgl. Behrens/Dieckmann/Kehl (1982).

19) Nachzulesen z.B. in Zifonun (1984).

20) Vgl. etwa Trömel-Plötz (1982).

21) Vgl. auch Trömel-Plötz (1984). Die Römerberg-Variante ihres Vortragsist in großen Auszügen abgedruckt in: Deutsche Volkszeitung, dietat, Frankfurt (M.), vom 27.7.1984.

59

22) Er wollte (wie er hinterher sagte) mit dieser Lesung aus einem Stück, das zu Lebzeiten des Autors nicht aufgeführt worden war, auf die gerade wieder einmal abgesagte Uraufführung (in Frankfurt) des Fassbinder-Stücks "Die Stadt, der Müll und der Tod", dem Antisemi­tismus vorgeworfen wird und das er, Müller, dramaturgisch betreute, hinweisen.

23) Vgl. Turing (1967)

24) Vgl. z.B. Wiener (1984).

25) Vgl. übrigens, im selben Heft, auch Giese/Januschek (1984) und Habel (1984).

26) In großen Auszügen abgedruckt in: Frankfurter Rundschau vom 14.7.1984, S. ZB 3.

27) Römer (1970). Verkürzt gesagt kommt Römer zu dem Schluß, daß in einem wissenschaftlich vertretbaren Sinn von Mißbrauch der Sprache nicht gesprochen werden kann (sondern immer nur von G e brauch).

28) Vgl. etwa Horkheimer/Adorno (1984).

29) Vgl. Weisgerber (1958).

30) Vgl. Adorno (1975).

31) Pressemitteilung Nr. 503/84 vom 2. Okt. 1984 des Presse- und Infor­mationsamtes der Bundesregierung.

32) Vgl. Maier (1982). Es scheint diesen Aufsatz ab 1973 in mehreren Versionen zu geben.

33) Vgl. etwa Bergsdorf (1978). Bergsdorf war beteiligt an der 'semanti­schen Offensive' (vgl. Behrens/Dieckmann/Kehl (1982)).

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OBST 29 = Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 29, Dezember 1984: Sprachersatz. Linguistische Konstrukte und ihre Rationalität.

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61

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62

Manfred W. Hellmann

DEUTSCHE SPRACHE - OST UND WEST

Der folgende Text ist die ungekürzte Fassung des für die Sendung "As­pekte Literatur - Die geteilte Sprache" vom 06.12.1984 vorbereiteten Diskussionsbeitrags. In der Sendung selbst wurde der Text auf etwa dieHälfte gekürzt. Die Frage des Moderators lautete: Wie weit hat sich diedeutsche Sprache oder wie weit hat sie sich nicht auseinanderent­wickelt?"

Über diese Frage gibt es einen Meinungsstreit, seit die ersten Anzeichen

sprachlicher Unterschiede überhaupt bemerkt wurden - das war schon

1947/48. Von "Sprachspaltung" zum "einigenden Band der Nation", von

"Verteidigung der deutschen National sprache" zu den vier national sprach­

lichen Varianten" der vier deutschsprachigen Staaten spannt sich ein

weiter Bogen kontroverser Meinungen. Das ist auch nicht erstaunlich:

Sprache ist ein Politikum, die deutsche Sprache in einem geteilten

Deutschland an der Grenze zweier Machtblöcke ist es umso mehr.

Im übrigen ist auch der Hinweis darauf, daß wir schließlich vier

deutschsprachige Staaten haben und nicht nur zwei, der Beachtung wert.

Österreich und die deutschsprachige Schweiz haben zweifellos ebenso ihre

sprachlichen Eigentümlichkeiten wie die DDR und die Bundesrepublik. Zum

Teil beruhen sie auf einer langen mundartlichen Tradition, andere - vor

allem im öffentlichen Sprachgebrauch - haben mit der Eigenstaatlichkeit

zu tun. Bundesrat bedeutet in der Schweiz etwas anderes als bei uns, und

der staatsrat ist nur in der DDR das oberste Staatsorgan, in der Schweiz

ist es u.a. ein Titel für Personen in bestimmten staatlichen Gremien.

Vergleichende Untersuchungen zu den Wortschätzen der öffentlichen

Kommunikation wären nützlich und sicher lohnend. Aber soweit ich sehe,

reicht die verfügbare Forschungskapazität in der Bundesrepublik zur Zeit

nicht mal für eine angemessene Bearbeitung des Ost-West-Themas - und da

ist uns das deutsch-deutsche Hemd doch näher als der österreichische

oder schweizerdeutsche Rock.

63

Daß die deutsche Sprache nicht unbeeinflußt bleiben konnte von der Er­

richtung zweier Staaten mit verschiedenen politischen und wirtschaft­

lichen Systemen, mit unterschiedlichem Alltag und unterschiedlichen so­

zialen Problemen, ist ja völlig selbstverständlich. Sprache muß unver­

züglich reagieren, wenn sich die Welt der Menschen ändert, und sie tut

es, z.B. mittels Bedeutungsveränderung vorhandener Wörter oder mittels

Einführung neuer Wörter in den Wortschatz, die man entweder aus vor­

handenen Wortelementen neu bildet oder einfach aus einer anderen Sprache

entlehnt. Beides ist in reichem Maße geschehen. Die deutsche Sprache hat

hunderte von Wörtern aus dem Englisch/Amerikanischen aufgenommen, vor

allem in der Bundesrepublik, aber auch in erheblichen Maße in der DDR,

und ebenfalls hunderte von Wörtern aus dem Russischen in den Sprach­

gebrauch der DDR, obwohl sie dort nicht so leicht erkennbar sind (Sou­

jet, Kolchose, Datsche, Subbotnik sind eher Ausnahmen), sondern meist

Lehnbildungen verschiedener Art, wie z.B. Held der Arbeit, Bestarbeiter,

Neuerer, Aktivist, vorfristig, einschätzen. Wir sind beiderseits nach­

haltig sprachlich geprägt von der jeweils führenden Macht.

Zunächst ein Blick auf die Größenordnung, in denen sich unser Problem

abspielt: Die großen mehrbändigen Wörterbücher zur deutschen Sprache der

Gegenwart - es gibt drei davon1 - enthalten zwischen 1,8 und 3 %

ost-west- differente Wörter.

Vergleiche zwischen Zeitungstexten kommen allerdings zu Werten bis zu

10 %, Untersuchungen an literarischen Texten zu sehr viel niedrigeren,

unter 1,5 S, manchmal nahe Null.

Das "Kleine Wörterbuch des DDR-Wortschatzes" meiner Kollegen M. Kinne 2

und B. Strube-Edelmann hat an die 900 Stichwörter nur aus dem Sprach­

gebrauch der DDR und könnte leicht auf 1100 gebracht werden. Nimmt man

die Wörter hinzu, die spezifisch sind für die Bundesrepublik {und zwar

nur die gängigen, die man auch in den Zeitungen findet), kommt man etwa

auf zweieinhalb bis dreitausend Wörter, die ein deutsch-deutsches ver­

gleichendes Wörterbuch enthalten müßte. Im Vergleich zu den vielen

hunderttausend Wörtern, die der Wortschatz der deutschen Gegenwarts­

sprache enthält, ist das immer noch sehr wenig.

64

Daß es nicht mehr sind, liegt u.a. daran, daß eben doch viele neue Wör­

ter gemeinsam akzeptiert werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der

Wortschatz der Ökologie: Umweltverschmutzung, Schadstoffemission, Ge­

wässerbelastung u.v.a. ist in der DDR weitgehend der gleiche wie bei

uns. Das Wort Bürgerinitiative allerdings hat eine andere Bedeutung als

bei uns, z.B. etwa: die Partei entfaltet eine Initiative und die Bürger

machen mit. Und das Wort grün, als Bezeichnung für eine politische Rich­

tung, kennt man aus dem Westen. Wie so vieles andere: es gibt eine West-

Ost-Wortwanderung - auch eine in der Gegenrichtung, aber sie ist schwä- 3

eher. Trotzdem kommt es ja nicht allein auf die relativ niedrige Zahl

an, sondern darauf, was das für Wörter sind. Und hier wird das Bild et­

was bedenklicher. Denn es handelt sich zum großen Teil um Wörter, die

für die öffentliche Kommunikation zentral wichtig sind. Dabei möchte ich

die eigentlichen Ideologiewörter lieber ausklammern. Daß nämlich Wörter

wie Demokratie, Fortschritt, Humanismus, Freiheit, Selbstbestimmung,

aber auch Aggression, imperialistisch in Ost und West sehr unterschied­

lich definiert werden, ist keineswegs ein speziell deutsches Problem.

Darüber streitet man sich nämlich in allen Sprachen und mit allen Spra­

chen der Welt, z.B. in der UNO. Allerdings: In der DDR streitet man sich

nicht darüber: ihre Definitionen werden von oben bestimmt und sind dann

verbindlich.

Aber selbst wenn wir diese Wortgruppe beiseite lassen, bleibt noch ge­

nügend Wichtiges: Staatliche und gesellschaftliche Institutionen sind

anders und heißen anders (Staatsrat, Ministerrat, Bezirke statt Länder),

man sagt territorial statt regional , in der Wirtschaft gibt es keine

Konzerne und Unternehmen, sondern Kombinate, volkseigene Betriebe und

LPGs ^Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften). Realschule,

Gymnasium, Gesamtschule sind keine gängigen Wörter, wohl aber polytech­

nische Oberschule und EOS (=Erweiterte Oberschule).

Die sprachlichen Unterschiede betreffen keineswegs nur das System -

sagen wir: den staatlichen und gesellschaftlichen Überbau, - sie reichen

vielmehr tief in den Alltag, in Beruf, Freizeit, Familie hinein. Es gibt

die Jugendweihe, Neuererprämie und zahllose Kennziffern und Pläne, (im

Sinne von verbindlichen Vorschriften), es gibt in den Betrieben die BGL

65

(Betriebsgewerkschaften) die Kaderabteilung, die Konfliktkommission und

den sozialistischen Wettbewerb um einen Ehrentitel, wie Brigade der so­

zialistischen Arbeit, wobei Brigade natürlich keine militärische Ein­

heit meint. Statt Plastik sagt man Plaste, statt Zielsetzung häufiger

Zielstellung, und Funktionäre allenthalben orientieren auf, etwas oder

schätzen positiv ein.

Daneben und über allem gibt es Propaganda. Meist in einem für unsere

Ohren schwer erträglichen pathetischen Ton der Übertreibung, des Selbst­

lobs. Es heißt unauflöslicher Bruderbund und brüderliche Kampfesgrüße,

ruhmreiche Sowjetarmee der Kurs, die Politik der Regierung sind immer

erfolgreich und die Wörter konkret, umfassend, allseitig kann man vor

unglaublich vielen Verben setzen, vor allem aber vor das Verb ent­

wickeln. Und wenn irgendwo ein Produkt verbessert, ein Plan überboten

wird, dann ist das gleich ein Beitrag zum Sieg des Sozialismus und

Kampf für den Frieden.

Eine solche Sprache läßt sich nicht in den Alltag integrieren. Das ist

Jargon, und er wird auch in der DDR als solcher verstanden, kritisiert

und verulkt (z.B. von Kabaretts).

Aber man muß dringend davor warnen, alles, was uns in der DDR sprachlich

als fremd oder merkwürdig erscheint, gleich als Parteijargon zu denun­

zieren. Es gibt natürlich Parteijargon und es gibt Propagandajargon.

Aber wie schon gesagt, es gibt auch im DDR-Alltag Wörter und Wendungen

und Bedeutungen von Wörtern, die es bei uns so nicht gibt. Und man muß

auch wissen, daß jeder DDR-Bürger je nach Stellung und Ambitionen in der

Öffentlichkeit sich bestimmter Formen dieses DDR-spezifisehen öffent­

lichen Sprachgebrauchs bedienen muß, wenn er sich öffentlich äußern

wi 11.

Heißt das nun, die DDR-Bürger reden wirklich so, wie das Neue Deutsch­

land schreibt und wie die Funktionäre auf den Versammlungen reden? Na­

türlich nicht. Sie können es mehr oder weniger gut, wenn es notwendig

ist, aber untereinander, im privaten oder Freundeskreis, tun sie es ganz

und gar nicht. Im Gegenteil, mir scheint, sie entwickeln eine größere

66

Vorsicht, ein höheres Maß an Sensibilität gegenüber modischen öffent-4

liehen Wendungen, als dies bei uns der Fall ist. Eva Windmöller nannte

die Fähigkeit, zwischen dem privaten Sprachregister der zwischen­

menschlichen Kommunikation und dem öffentlichen Sprachregister umzu­

schalten, die "Kunst der doppelten Zunge". Manche beherrschen sie

virtuos! Für Journalisten und besonders für Schriftsteller, die ja davon

leben, daß sie das, was sie meinen, auch sagen können, bedeutet der5

Zwang zum öffentlichen Klischee eine manchmal unlösbare Aufgabe.

Welche Folgerungen lassen sich nun daraus ziehen?

Die eingetretenen sprachlichen Differenzen sind zwar manchmal störend,

aber nicht generell bedrohlich für die Verständigung; DDR-Texte, insbe­

sondere solche in den öffentlichen Medien, können gelegentlich schon

recht exotisch wirken, sie sind aber deshalb noch nicht unverständlich -

obwohl es das auch gibt: DDR-Text, der uns schlicht unverständlich ist.

Es gibt also keinen Grund zur Panik, wohl aber zur Wachsamkeit: Es wäre

recht fahrlässig, wollte man die sprachliche Entwicklung nicht

sorgfältig im Auge behalten. Noch ist die deutsche Sprache in der Tat

eines der wichtigsten, der wirksamsten Elemente deutsch/deutscher Ge­

meinsamkeiten. Man kann sich weiterhin mit ihr und in ihr trefflich

verständigen und auch streiten, beides gehört ja zu ihren Funktionen.

Aber sie bietet keine G a r a n t i e für Gemeinsamkeit. Wenn es

eine Gefahr für die Verständigung gibt, dann liegt sie nicht in der

Sprache selbst, vielmehr wäre sie sekundär davon betroffen. Eine Gefahr

liegt eher z.B. in der verbreiteten Unkenntnis oder in der Gleich­

gültigkeit auf unserer Seite, die uns natürlich das Verstehen erschwert.

Sie liegt vielleicht auch in der Arroganz, die uns Westdeutsche sogar in

der DDR "deutsch" oder "Deutschland" sagen läßt, wo wir ausschließlich

die Bundesrepublik meinen, sie liegt vielleicht in der Neigung, unsere

Sprachgewohnheiten und Lebensgewohnheiten als normal, als Standard, zu

betrachten und die der DDR-Bevölkerung sozusagen als Abweichung. Wir

können nicht verhindern, daß hüben und drüben neue und unterschiedliche

Wörter entstehen. Aber was wir daraus machen, ist allein unsere Sache.

Ob diese Wortschatzentwicklung zu einer Wortschatz b e r e i c h e -

r u n g der gesamten deutschen Sprache wird - einfach deshalb, weil wir

67

uns füreinander interessieren - oder aber zu einer Verständigungs­

barriere, weil wir das nicht tun, liegt allein in unserer Hand. Wir

können niemand anders dafür verantwortlich machen.

Anmerkungen:

1) Aus der DDR: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. vonder Akademie der Wissenschaften der DDR - Zentralinstitut für Sprach­wissenschaft. Hauptbearbeiter Ruth Klappenbach und WolfgangSteinitz . Bd. 1 - 6 . Berlin Akademie-Verlag 1964-1977.

Aus der BRD: DUDEN Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Hrsg. von Günther Drosdowski. Bd. 1 - 6. Mannheim/Wien/Zürich Bibliogra­phisches Institut AG. 1976-1981.

Brockhaus/Wahrig: Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Hrsg. von G. Wahrig , H. Krämer, H. Zimmermann. Bd. 1 - 6. Wiesbaden und Stutt­gart 1981-1985 (bisher 5 Bände erschienen).

2) Michael Kinne und Birgit Strube-Edelmann: Kleines Wörterbuch des DDR- Wortschatzes. Schwann Düsseldorf 1980, 2. Aufl. 1981.

3) In derselben ZDF-Sendung wurde mehrfach das Wort Exponat als DDR-Wort erwähnt. Es breitete sich in der BRD erst Ende der sechziger Jahre (statt = Ausstellungsstück) aus.

4) Eva Windmöller und Thomas Höpker: Leben in der DDR. Ein Stern-Buch. Hrsg. von Henry Nannen. Hamburg. 1977. Neuauflage Goldmann Sachbücher 11502. München 1980.

5) Ein Beispiel für ein solches Scheitern beschreibt Monika Maron in ihrem Roman "Flugasche". (S. Fischer Verlag. Frankfurt 1981). Dort versucht eine DDR-Journalistin vergeblich, ihre Eindrücke von einer kleinen Stadt, die unter dem Staub eines Großkraftwerks erstickt, in einer druckbaren, offiziell tolerablen Reportage zu schildern.

68

Michael Kinne

SPRACHLICHE FOLGEN DER TEILUNG DEUTSCHLANDS ERNEUT IN DER DISKUSSION

Anmerkungen zu einem linguistischen Kolloquium in Frankfurt/M.

Die sprachlichen Folgen der Teilung Deutschlands stehen seit der Grün­

dung ier beiden in ihrem Gesellschaftssystem so unterschiedlichen Staa­

ten immer wieder im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Auch die

Sprachwissenschaft hat sich kontinuierlich mit diesem Thema befaßt, in

der DDR ebenso wie in der Bundesrepublik. Wesentliche forschungsge­

schichtliche Stationen hier im Westen waren 1962 eine Tagung in Auel bei

Bonn und acht Jahre danach ein Kolloquium in Mannheim. Diese Unternehmen

- beide initiiert von Prof. Hugo Moser, einem Nestor der sprachlichen

Ost-West-Forschungen - gaben einerseits einen guten Überblick über den

jeweiligen Forschungsstand, zum anderen waren sie Anreger und Wegweiser

für die nachfolgenden Arbeiten. Die Aueler Tagung von 1962 setzte sich

vor allem sprachkritisch mit bestimmten Erscheinungen des DDR-Sprachge-

brauchs auseinander. Ganz im politischen Trend der Jahre des kalten

Krieges liegend wurde dabei (methodisch zum Teil recht unreflektiert)

mit Hilfe der Sprachkritik vielfach und handfest Ideologiekritik betrie­

ben. Methodenkritische und sprachtheoretische Gesichtspunkte traten da­

nach notwendigerweise mehr und mehr ins Blickfeld der Forschung und

prägten weitgehend das 1970 vom Institut für deutsche Sprache in Mann­

heim veranstaltete Kolloquium. In den 70er Jahren blieb das Mannheimer

Institut westdeutsches Zentrum der sprachlichen Ost-West-Forschung, der

es sich schon seit seiner Gründung im Jahre 1964 zugewandt hatte.

Nach mehr als 12-jähriger Pause trafen sich im Herbst 1983 erstmals wie­

der rund ein Dutzend westdeutscher Sprachgermanisten, die mit dem Thema

in Forschung und Lehre mehr oder weniger kontinuierlich befaßt sind.

Initiatoren waren Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser vom Institut für

deutsche Sprache und Literatur der Frankfurter Universität und Dr. Man­

fred W. Hellmann, langjähriger Bearbeiter des sprachlichen Ost-West-

Themas im Mannheimer Institut. Der rege Meinungsaustausch mündete

69

seinerzeit in konkrete Planungen einer zentralen wissenschaftlichen

Fachtagung, die nun in diesem Frühjahr, vom 21. - 23. Februar 1985

stattgefunden hat. Gastgeber waren wiederum die Universität Frankfurt

und die beiden oben genannten Initiatoren des 83er Treffens. Der Einla­

dung folgten ca. 30 Linguisten aus der Bundesrepublik (vorwiegend aus

dem Hochschulbereich), hinzu kamen Gäste aus Großbritannien und aus

Schweden. Vor allem die schwedische Sprachgermanistik hat sich des

sprachlichen Ost-West-Themas in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich

und intensiv angenommen.

Daß von einer Spaltung der deutschen Sprache in eine Sprache Ost und in

eine Sprache West nicht die Rede sein kann - darüber besteht bei west­

deutschen Sprachgermanisten schon seit vielen Jahren weitgehend Konsens,

und es hätte keiner Tagung bedurft, um diese Erkenntnis erneut zu be­

stätigen. Die vorhandenen Unterschiede im Wortschatz (neue Wörter oder

Wortbedeutungen auf beiden Seiten), so spürbar sie in manchen Sach- und

Sprachbereichen auch ausfallen, stellen im Blick aufs Ganze, auf den Ge­

samtwortschatz, keine ernsthafte Gefährdung der Spracheinheit dar und

sind als Hindernisse der Verständigung überwindbar. Gravierend und auf­

fallend sind vor allem die Unterschiede zwischen der öffentlichen Spra­

che in West und Ost. Inwieweit ideologische Normen auch im sprachlichen

Bereich - im öffentlichen wie im privaten - ihren spürbaren Niederschlag

finden, war eine der wesentlichen Fragestellungen der Frankfurter Ta­

gung, deren zentrales Thema "Sprachliche Normen und Normierungsfolgen in

der DDR" hieß.

Der Hauptakzent lag also, und das ist charakteristisch für die gesamte

bisherige Forschungsarbeit zum sprachlichen Ost-West-Thema in der Bun­

desrepublik, auch in Frankfurt im wesentlichen auf dem Sprachgebrauch in

der DDR. Daß dennoch - und was hätte näher gelegen! - keine Linguisten

aus der DDR am Frankfurter Treffen teilnahmen, lag nicht daran, daß sie

nicht hätten kommen können bzw. dürfen, sondern daran, daß gar keine

Einladungen an sie ergangen waren. Die Veranstalter nannten zu Beginn

des Kolloquiums zwei Gründe dafür. Zum einen sollte die Tagung einer

70

westdeutschen Bestandsaufnahme der Forschung (immerhin ja der ersten

seit 1970) Vorbehalten bleiben. Schwerwiegend vor allem der zweite

Grund: seit etwa zwei Jahren ist in der thematisch einschlägig arbeiten­

den Sprachgermanistik der DDR ein Prozeß in Gang gekommen, der deutlich

eine Abkehr von lange vertretenen und verteidigten Positionen erkennen

läßt, eine Abkehr von der These der sprachlichen Sonderentwicklung in

der DDR, von einer "sozialistischen Sprachvariante" der deutschen Spra­

che und somit von verschiedenen deutschen Sprachen. Jüngste Arbeiten von

DDR-Linguisten sprechen jetzt von "der deutschen Sprache in der DDR" und

betonen, daß eine weitgehende Differenzierung und Verselbständigung der

deutschen Sprache in der DDR nicht feststellbar und auch nicht wün­

schenswert ist, daß es angebracht ist, die deutsche Sprache in der DDR

"nicht weiter DDR-isolationistisch zu spezifizieren".' Da diese für die

weitere Entwicklung des Forschungsgebiets außerordentlich bedeutsamen

Diskussionen offensichtlich noch in Gang sind, wäre es - so die Ver­

anstalter - wenig sinnvoll gewesen, die Frankfurter Tagung mit dieser

Problematik zu belasten. Begrüßt wurden die neuen Positionen der DDR-

Linguistik von den Tagungsteilnehmern rückhaltlos und uneingeschränkt,

zumal ein Gespräch mit DDR-Linguisten über den gemeinsamen Forschungs­

gegenstand damit erstmals möglich und aussichtsreich erscheint, ein Ge­

spräch, das nicht mehr vorzeitig in ideologisch-terminologischen Aus­

einandersetzungen über eine Zwei Sprachentheorie steckenbleiben muß.

Die Erörterungen dieser neuen Auffassungen in der DDR-Linguistik zur

Einheit der deutschen Sprache bzw. zur Spezifik der deutschen Gegen­

wartssprache wurden von den Teilnehmern in auffallend behutsamer und

sehr sachlicher Weise vorgenommen. Dies hier ausdrücklich hervorzuheben,

erscheint mir vor allem deshalb notwendig, weil in einem Bericht der Ta­

geszeitung DIE WELT Uber das Frankfurter Kolloquium der Eindruck erweckt

wird, als sei dort ein lautstarker Sieg der "gesamtdeutschen Sache" ge­

feiert und DDR-Linguisten der Status von "grimmigen" und "mutigen" Re-2

gimegegnern oder auch Dissidenten zugesprochen worden. Es stellt sich

die Frage, wem eine derart verzerrte Darstellung nützt: den Kollegen in

der DDR zumindest ebensowenig wie einem nun in greifbare Nähe gerückten

Dialog.

71

Zwölf wissenschaftliche Vorträge wurden während des Frankfurter Kollo-3

quiums gehalten. Am Anfang standen zwei grundlegende Referate zur Ent­

wicklung der Sprachnormdebatte in der DDR, die Einblicke in eine

erstaunlich kontinuierliche und intensive Begriffsdiskussion in der DDR

gaben, eine Diskussion, zu der es in der Bundesrepublik kaum Ver­

gleichbares gibt. Verwiesen wurde auf starke Wandlungen bei der Bewer­

tung der Mundarten, auf Änderungen der Einschätzung der Umgangssprache

und auf den stets hohen Stellenwert, der der Standardsprache und ihrer

Pflege zugemessen wird. Das Themenspektrum der folgenden Referate reich­

te von den Normen der Namensgebung über Kinder- und Jugendsprache bis

zum Sprachgebrauch in der Berichterstattung in den Massenmedien Presse

und Fernsehen. Praxisorientierte Textanalysen standen neben empirischen

Beobachtungen anhand der gesprochenen Sprache, die damit seit Jahr­

zehnten erstmals wieder Gegenstand westdeutscher Untersuchungen geworden

ist. Methodenkritische und mehr theorieorientierte Ansätze, wie sie auf

der Mannheimer Tagung 1970 - damals zu einseitig - dominierten, waren

jetzt in Frankfurt auffallend wenig gefragt. Als charakteristisch erwie­

sen sich unbefangene praktische Analysen mit gelegentlich recht schmaler

theoretischer Vorbesinnung. DDR und Bundesrepublik im Kontrast behan­

delten leider nur zwei Beiträge: in dem einen ging es um den Leipziger

und um den Mannheimer Duden als Normierungsinstrumente, im anderen um

den Vergleich von Worthäufigkeiten als Indikatoren für Stil und Ein­

stellungsunterschiede in Zeitungstexten der DDR und der Bundesrepublik.

Artikuliert wurden schließlich in zwei Beiträgen die Bedürfnisse der

Schule und der Auslandsgermanistik nach angemessener und sachgerechter

Information über die deutsch-deutsche Sprachsituation durch die Sprach-

germanistik.

Bei den Referaten und den anschließenden Diskussionen blieben die Wis­

senschaftler unter sich. Der interessierte Bürger war zu einer Podiums­

diskussion in der Frankfurter Universität eingeladen, die zum Thema

"Sprachliche Normen in der DDR und in der Bundesrepublik - Brücke oder

Schranke der Verständigung?" Gesprächspartner vorwiegend mit intensiven

(gegenwärtigen oder früheren) DDR-Erfahrungen zusammenführte.4 Das

heißt: Gesprächspartner waren sie eigentlich nicht. Vielmehr trat an die

72

Stelle des erwarteten lebhaften Gedankenaustausches eine Aneinander­

reihung gewiß sehr aufschlußreicher und interessanter, aber insgesamt

viel zu langer Statement-Monologe, die den Zuhörern ein Höchstmaß an5

Konzentration abverlangten. Einig waren sich die Damen und Herren auf

dem Podium darin, daß man sich heute hier wie drüben problemlos in

Deutsch verstehen kann, daß die Probleme oder auch Schwierigkeiten in

der Verständigung offenbar weniger an der sprachlichen Oberfläche liegen

und nicht nur an einzelnen Wörtern festzumachen sind. Verständigungs­

schwierigkeiten, so wurde konstatiert, resultierten vor allem aus unter­

schiedlichen Verhaltensweisen, aus dem unterschiedlichen kommunikativen

Gestus sowie aus den jahrelangen differierenden Alltagserfahrungen der

Dialogpartner. Die Berichte der Podiumsteilnehmer waren über weite

Strecken geprägt durch aufschlußreiche Details im Hinblick auf solche

Alltagserfahrungen, die, wie sich zeigte, bei linguistischen Unter­

suchungen in Zukunft stärker berücksichtigt werden müßten.

Kritisch hinweisen möchte ich auf eine Beobachtung, die sich sowohl wäh­

rend der wissenschaftlichen Diskussion wie in den Podiumsberichten mehr­

fach anstellen ließ, eine Beobachtung, die sich im übrigen in

Diskussionen über das sprachliche Ost-West-Thema generell machen läßt.

Der empirisch fundierte Verweis auf sprachliche Fakten und Spezifika im

Bereich der DDR wird bisweilen vorschnell mit dem Hinweis konterkariert

und disqualifiziert, daß es das diskutierte Phänomen in der Bundes­

republik so oder zumindest ähnlich auch gäbe, daß die sprachlichen oder

auch außersprachlichen Gegebenheiten hier im Westen im Grunde dieselben

seien. Dabei werden jedoch in der Regel Phänomene miteinander verglichen

und auf ein und dieselbe Stufe gestellt, die tatsächlich von großer

struktureller Unterschiedlichkeit und somit unvergleichbar sind. Die Un­

terschiede hier aufzuhellen und ihre Spezifik exakt zu beschreiben, das

gerade erscheint mir als wissenschaftliche Aufgabe. Besonders wichtig in

diesem Zusammenhang ist es, bestimmte relevante Bereiche des Sprachge­

brauchs hier in der Bundesrepublik (z.B. Formen der Sprachregelung, der

Manipulation, des politischen Sprachgebrauchs generell) intensiver als

bisher linguistisch aufzuarbeiten. Es dürfte sich dann sehr schnell der

empirisch-faktische Nachweis darüber führen lassen, daß das, was immer

wieder als gleichartig hingestellt wird, kaum Gemeinsamkeiten aufweist.

73

Die Linguisten trennten sich in Frankfurt mit dem Wunsch nach intensi­

verer Zusammenarbeit und kontinuierlichen Kontakten und in der Hoffnung,

daß es nicht wiederum länger als 10 Jahre dauert, bis man zu umfassenden

wissenschaftlichen Diskussionen zusammenkommt. Zwischen den größeren Ta­

gungen sollen Arbeitstreffen im kleineren Kreis mit jeweils engerer The­

matik stattfinden.

Das Thema der Sprachentwicklung in beiden deutschen Staaten bleibt also

auch weiterhin auf der Tagesordnung der bundesdeutschen Sprachgerma-

nistik. Hatte doch Minister Windelen vor Jahresfrist darauf gedrängt,

diesem Thema, das, wie er sagte, bei der wissenschaftlichen Erforschung

in der Bundesrepublik in den letzten Jahren zu kurz gekommen sei, wieder

stärkere Beachtung zu widmen. Er verwies damals darauf, daß es im Rahmen

der Deutschlandpolitik notwendig sei, die sprachliche Entwicklung sorg­

fältig im Auge zu behalten, um kein Defizit an wissenschaftlicher Poli­

tikberatung entstehen zu lassen.6

Nachdem in den 60er und 70er Jahren wesentliche Impulse bei der Erfor­

schung des sprachlichen Ost-West-Themas vom Institut für deutsche Spra­

che ausgegangen waren, scheint nun Frankfurt und die universitäre

Sprachgermanistik zum Zentrum der weiteren Arbeit zu werden.

Anmerkungen

1) Vgl. hierzu: Zeitschrift für Phonetik Sprachwissenschaft und Kommuni­kationsforschung 1984, H. 4, S. 415 ff.

2) Ausgabe vom 2.3.1985, S. 31. Titel: "Linguistisches Kolloquium in Frankfurt: Es gibt nur eine deutsche Sprache. Die Ohnmacht des Un­wahren" .

3) Die Beiträge und Ausschnitte aus den Diskussionen werden in einem Sonderheft der Zeitschrift "Germanistische Linguistik" veröffent­licht.

74

4) Dr. Manfred Ackermann (Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Berlin/O.), Irene Böhme (Dramaturgin, Schil­ler-Theater Berlin/W.), Marlies Menge (DIE ZEIT, akkredigiert in Ber­lin/O.), Dr. Hans-Joachim Schädlich (Schriftsteller, Berlin/W.), Prof. Dr. H.D. Schlosser (Universität Frankfurt/M.); Diskussionslei­tung: Prof. em Dr. Gustav Korlen (Stockholm).

5) Ausschnitte aus der öffentlichen Veranstaltung wurden inzwischen vom Deutschlandfunk und vom Hessischen Rundfunk gesendet.

6) Vgl.: Pressemitteilung des Bundesministeriums für innerdeutsche Be­ziehungen Nr. 22/84, S. 5.

75

Manfred W. Hellmann

BEMERKUNGEN ZUR ENTWICKLUNG UND ZUR GEGENWÄRTIGEN LAGE DES ARBEITSGE­

BIETES "OST-WEST-SPRACHDIFFERENZIERUNG“

Die folgenden Bemerkungen wurden als Einleitung auf dem Frankfurter Ge­sprächstreffen vom 23. - 24. September 1983 vorgetragen, zu dem 14 Fach­leute, zumeist Hochschullehrer aus der Bundesrepublik, auf Einladung Horst Dieter Schlossers (Universität Frankfurt) und des Verfassers zu­sammengekommen waren. Das Gesprächstreffen diente u.a. der Vorbereitung des Frankfurter Kolloquiums "Sprachliche Normen und Normierungsfolgen in der DDR", das vom 23. - 25. Februar 1985 stattfand (vgl. dazu den Be­richt von M. Kinne in diesem Heft).

Die Bemerkungen werden inhaltlich auf dem Stand von September 1983 und sprachlich in ihrer ursprünglichen Form als knappe, thesenartige statements belassen; nur die Anmerkungen wurden ergänzt.

VORBEMERKUNG:

Ich benutze zur zeitlichen Strukturierung meiner Bemerkungen folgende

Orientierungspunkte:

A Die Tagung in Auel von 1962 und den Sammelband "Das Aueler Protokoll"1

von 1964

B Das Mannheimer Symposion von 1970 und den Sammelband "Zum öffentlichen 2

Sprachgebrauch ..." von 1974

C Dieses Gesprächstreffen (1983)

Für den ersten Zeitraum A/B gibt es genügend Überblicke über die For-3

schungsentwicklung; ich verweise auch auf den Aufsatz von Pelster 1974,

der die Ergebnisse der Aueler und der Mannheimer Tagung verglichen hat.

Ich konzentriere mich daher im wesentlichen auf den zweiten Zeitraum.

Es ist eine erwiesene und mehrfach diskutierte Tatsache, daß die Be­

schäftigung mit unserem Arbeitsthema von außerfachlichen Bedingungen u.

76

a. auch politischer Art beeinflußt worden ist und wohl auch immer beein­

flußt werden wird. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind vor allem die

interessant, die sich seit 1970 besonders stark gewandelt haben. Ich be­

schränke mich dabei auf

1. das politische Umfeld

2. das mediale Umfeld

3. das schulische Umfeld.

I. ALLGEMEINE RAHMENBEDINGUNGEN

1. Politisches Umfeld

Ich erinnere:

1970 hatten die Verhandlungen zwischen den Regierungen der beiden deut­

schen Staaten gerade erst begonnen (Erfurt und Kassel). Die DDR schoß

propagandistisches Sperrfeuer gegen die Fortschritte in der Ost-Politik

der Bundesregierung. Zur Zeit des Mannheimer Symposions im Dezember 1971

hatte die DDR gerade wieder die Zugangswege nach West-Berlin behindert.

1971 wurde das Viermächteabkommen über Berlin geschlossen, 1972 die Ver­

kehrsverträge mit der DDR, 1973 der Grundlagenvertrag; beide deutschen

Staaten traten der UNO bei.

In der Folge kam es dann zu einer Serie weiterer Einzel Vereinbarungen,

so z.B. über den Telefonverkehr (1976), der eine wesentliche Ver­

besserung der Telefonverbindungen brachte. Der Reiseverkehr vervielfach­

te sich; weit mehr Bundesbürger als je vorher lernten und lernen die DDR

aus eigener Anschauung kennen. Zunehmend reisen auch Schulklassen in die

DDR. Sprachliche Erfahrungen bei einem solchen Besuch schildert z.B.4

Pelster in seinem Aufsatz in der "Muttersprache" .

Es gibt Zusammenarbeit auf Teilgebieten (z.B. Grenz- und Umweltfragen),

es gibt Gefangenenfrei kauf ("besondere Bemühungen" (West), "humanitäre

77

Maßnahmen" (Ost)),

es gibt den "Swing" und überraschende Kredite

und manchmal auch überraschende Ausreisegenehmigungen;

es gibt eine neue Bundesregierung, die jedoch im wesentlichen die

Deutschlandpolitik ihrer Vorgängerin fortsetzt und insbesondere die

menschlichen individuellen Kontakte zwischen Ost und West weiterhin för­

dern will, in der Erwartung, daß mehr Verständigung und mehr Kommuni­

kation auch die Einheit der Deutschen bewahren und fördern könne.

Es gibt andererseits:

die Politik der Abgrenzung in der DDR,

seit 1974 die neue Verfassung der DDR als "sozialistischer Staat der Ar­

beiter und Bauern" (statt: "sozialistischer Staat deutscher Nation"),

die Selbstdefinition der DDR als "sozialistische Nation (deutscher Na­

tionalität)" und - dazu passend - die These der "vier nationalsprach- 5

liehen Varianten" ,

es gibt eine scharfe Abgrenzung insbesondere im ideologischen und kul­

turellen Bereich (z.B. Ausbürgerung Biermanns und Kampf gegen dessen

Sympathisanten; Ausweisung von Anhängern der Jenaer Friedensbewegung),

die Propagierung einer sozialistischen "Sprachkultur"6 - ein Begriff,

dessen Ambivalenz noch nicht erkennen läßt, ob hier mehr Erbe-Bewahrung

im Vordergrund steht, oder vielmehr die Herausbildung DDR-spezifischer

Normen des Sprachgebrauchs;

es gibt zwar neuerdings Kulturverhandlungen, jedoch immer noch kein Kul­

turabkommen, also auch keine Zusammenarbeit auf sprachwissenschaftlichem

Gebiet (mit der einen Ausnahme: Rechtschreibreform7).

Zusammenfassend:

Trotz fortgesetzter Abgrenzung der DDR gegenüber Einflüssen der Bundes­

republik, insbesondere gegenüber allem, was die Selbständigkeit der DDR

schwächen könnte, haben sich die Rahmenbedingungen für Kontakte zumin­

dest für die Bürger der Bundesrepublik seit 1970 erheblich verbessert,

d.h. qualitativ differenziert und quantitativ vermehrt.

78

2. Mediales Umfeld

Seit Anfang der 70er Jahre nimmt das Informationsangebot über die DDR in

den Medien der Bundesrepublik laufend zu. Zumindest die Medienverant­

wortlichen setzen offenbar auch ein zunehmendes Informationsinteresse

voraus, und zwar mit Erfolg.

Nach der Akkreditierung westlicher Korrespondenten in der DDR erschienen

und erscheinen in allen großen Publikumszeitschriften der Bundesrepublik

sowie im Fernsehen zum Teil ausführliche Serien über die DDR ("Stern",

"Spiegel", "Zeit"; sogar "Brigitte"). Anlaß für größere Darstellungen

waren z.B. die Dreißigjahrfeiern der beiden deutschen Staaten 1979. Hin­

zu kommen die regelmäßigen Serien im Fernsehen ("Kennzeichen D", "ZDF-

Magazin", "Kontraste" u.a.). Verbreitet vor allem an Schulen ist auch

der DDR-Kalender des Gesamtdeutschen Instituts. In einer Reihe verbrei­

teter Taschenbücher werden System und Alltag der DDR westdeutschen Le-Q

sern begreiflich gemacht:

H. Bussiek: Notizen aus der DDR (1979)

Windmül 1er/Höpker: Leben in der DDR (Stern-Buch, 1980)

T.G. Ash: Und willst Du nicht mein Bruder sein ... Die DDR heute (Spie­gel Buch, 1981)

Irene Böhme: Die da drüben - Sieben Kapitel DDR (1983)

"DDR konkret" (Beiträge exilierter DDR-Schriftsteller aus der Pro-Bier- mann-Gruppe, 1981)

Gesamtdeutsche Ereignisse von weitester Resonanz waren auch die Auf­

tritte Wolf Biermanns im Fernsehen, seine Bücher und Schallplatten und

die Diskussion um seine folgende Ausweisung; kennzeichnend für das stark

gewachsene Interesse sind auch die Literaturvorlesungen bekannter DDR-

Autoren an der Universität Frankfurt.

Sogar die Unterhaltungsbranche profitiert von diesem Publikumsinteresse:

Wer hätte vor 10 Jahren Udo Lindenbergs "Sonderzug nach Pankow" oder

Reinhard Mey's "Ich möcht so gern in Dresden singen" für möglich gehal­

ten?

79

Zusammenfassend:

Das Interesse und die Beschäftigung mit der DDR sind gestiegen und haben

sich verbreitert. Ich bewerte dies gewachsene Publikumsinteresse und Me­

dienangebot nicht als ein Argument gegen die Beschäftigung mit unserem

Thema. Verstärktes Interesse und verbesserte Sachkenntnis beim Bürger

machen die sprachliche Arbeit des Linguisten nicht überflüssig, sondern

stützen sie.

3. Schulisches Umfeld

In den Schulen wurde der Bedarf an Informationen und Unterstützung bei

der Behandlung von Ost-West-Themen verstärkt durch den Beschluß der Kul­

tusministerkonferenz über die Behandlung des Themas "Deutschland" im

Unterricht. Abgesehen von den sprachlichen Anforderungen aus dem Fach

Deutsch (wo das Ost-West-Thema zum Teil schon verankert war), erwachsen

nun neue Anforderungen auch aus den Fächern Geschichte und Gemein-g

schaftskunde. Das Angebot an Unterrichtsmaterial verbreitert sich, aber

das sprachliche Thema ist - mit Ausnahme des Heftes "Texte Ost - Texte

West" von M. Kinne ^ - entweder auf einem überholten Stand stehenge­

blieben oder weitgehend ausgeklammert geblieben.

Vermutliche Ursache:

Der Rückgang der Zahl derjenigen, die sich regelmäßig in Forschung und

(Hochschul-)Lehre mit dem sprachlichen Ost-West-Thema befassen, führt zu

Schwierigkeiten, die im Schulbereich entstandene Lücke zu schließen. Da

die Lehrerstudenten in aller Regel mit dem Ost-West-Thema im Laufe ihres

Studiums nicht in Berührung kommen (vgl. nächsten Punkt), sind aus die­

ser Gruppe kaum eigenständige Beiträge zum Thema zu erwarten. Die gerin­

ge Zahl einschlägig versierter Lehrer macht es zudem nicht sehr wahr­

scheinlich, daß für die Schule geeignetes Material aus diesen Kreisen

selbst entwickelt und bereitgestellt wird. Fachliches Interesse an die­

sem Thema ist jedoch offensichtlich vorhanden.

80

II. FACHLICHES

1. Forschung und Lehre

a) Universität/Lehre: Soweit sich dies aus den zum Teil sehr allgemein

gehaltenen Titelangaben der Lehrveranstaltungen erkennen läßt, haben

in den vergangenen zwei Jahren etwa 12-15 Hochschulgermanisten und

-linguisten das Ost-West-Thema zum Inhalt von Lehrveranstaltungen ge­

macht.11 In den 3 Jahren vorher waren es drei bis vier.

b) Sekundärliteratur: Schaeders Literaturübersicht in der "Mutterspra-12che" 1981 zeigt es exemplarisch: Die DDR-Linguistik hat im Zeitraum

1973 bis 1982 rund dreimal so viel Titel produziert wie die BRD-Lin-

guistik. Zentrum der linguistischen Arbeit ist das Zentralinstitut

für Sprachwissenschaft in Ost-Berlin, Nebenzentren haben sich gebil­

det um W. Fleischer (Leipzig) und W. Schmidt (Potsdam) (inzwischen

verstorben).

Auffällig: In der BRD gibt es nur wenige kritische Auseinander­

setzungen mit den einschlägigen Veröffentlichungen in der DDR, auch

nicht mit den wichtigen Bänden der Reihe "Sprache und Gesellschaft".

c) Hochschulfreie Forschung: Die Institutionen der etablierten DDR-For-

schung in der Bundesrepublik bearbeiten das sprachliche Thema 13nicht. Die einzige Institution, die dies tut, ist das IdS. Seine

Bonner Forschungsstelle hatte in den Jahren 1976-80 eine annehmbare

Kapazität erreicht, die auch lexikographische Textauswertung ("Ma­

schinelles Korpuswörterbuch") und Kinnes "Kleines Wörterbuch" ermög- 14lichte, jedoch wurde sie 1980 aufgelöst. Von ihren Aktivitäten wer­

den einige in begrenztem Rahmen in Mannheim weitergeführt.

Insgesamt:

Seit 1981/82 ist an den Hochschulen der BRD vielleicht eine gewisse Be­

lebung in der Beschäftigung mit unserem Thema spürbar; dadurch wurde

dieses Treffen erst möglich und sinnvoll. Eine verdienstvolle Rolle

81

spielt dabei die Zeitschrift "Muttersprache", die einen großen Teil der

einschlägigen Aufsätze 1981-83 veröffentlicht hat.16

Dazu die Frage:

Wie ist die Gegenläufigkeit zu erklären: Mehr deutsch/deutsche Bezie­

hungen, mehr Informationen und Informationsinteresse über DDR-Themen in

der Öffentlichkeit, weiterhin starkes Interesse auch von Seiten der (Hö­

heren) Schule, - aber Nachlassen der Forschungs- und Lehranstrengungen

in der BRD.

2. Personeller Wandel

Von dem auf dem Mannheimer Symposion 1970 vertretenen Wissenschaftlern

sind aus dem Kreis der aktiven Forscher bzw. Hochschullehrer ausgeschie­

den: W. Betz (gestorben 1981), H. Moser, G. Korlen (beide emeritiert),

H. Ischreyt. Die Teilnehmer am Mannheimer Symposion 1970 Bartholmes,

Marx-Nordin, Reich, Römer, Stolt haben sich von dem Thema zurückgezogen.

Von den damaligen Teilnehmern sind weiterhin mit dem Thema befaßt:

Dieckmann, Pelster, Hellmann, Kinne und Schmidt (die beiden letzteren

mit Einschränkungen16); ferner C.H. Good, der allerdings 1970 in Mann­

heim nicht dabei war.

Neu hinzugekommen sind die meisten der hier Versammelten und einige wei­

tere, die entweder verhindert waren oder die wir nicht mehr einladen

konnten; außerdem sicher einige, die wir übersehen haben, weil uns ihre

Beschäftigung mit dem Thema nicht bekannt geworden ist.

Kontinuierlich dabei schon seit der Aueler Tagung 1962 sind, soweit ich

sehe, nur drei der jetzigen Teilnehmer.17

Offensichtlich war die personelle Kontinuität von Auel bis Mannheim weit

stärker als die von Mannheim bis Frankfurt.

Auch dazu wieder die Frage: Hat der Rückgang in Forschung und Lehre et­

was mit diesem personellen Wandel zu tun? Sind wir .zuwenige? Oder nicht

mehr interessiert genug?

82

3. Thematischer Wandel

Anfang der 60er Jahre dominierten folgende Themen:

Duden-Vergleiche, Partei spräche der DDR, Veränderung in ideologischen

Wortinhalten, Stilelemente als Indiz für Außersprachliches, einige Sach-

gebietsuntersuchungen.

19Anfang der 70er Jahre (nach Dieckmanns kritischen Arbeiten ) dominier­

ten material reiche Untersuchungen zur offiziellen DDR-Sprache, zu An­

glizismen, Begriffs- und wortmonographische Arbeiten (H. Bartholmes

1970, B. Marzahn 1979), Glossare zum Sprachgebrauch der "Linken", Sach­

gebietsuntersuchungen (z.B. H. Lehmann 1972).

Anfang der 80er Jahre dominieren folgende Themen: Wörterbuchanalysen zum20

WDG und zum Großen Duden-Wörterbuch (z.B. Braun, Hermanns ), Unter-21suchungen zum Problem der "nationalsprachlichen Varianten", zu poli-

22tischen Wörtern und ihrer Kritik (hier meist bezogen auf die BRD ),23

textgestutzte Lexikographie (IdS), einige Einzelthemen (z.B. Oschlies

"Jugendsprache",24, G.D. Schmidt "Paläologismen"2^).

4. Erreichtes, auf das man sich heute stützen kann

Anfang der 80er Jahre können wir uns auf einige wichtige Vorgaben stüt­

zen, die es Anfang der 70er Jahre noch nicht gab:

OCa) Zur Lexikographie (in Auswahl)

Fertig sind:

das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG) in 6 Bänden

(seit 1977)

das Große Duden-Wörternuch in 6 Bänden (seit 1983)

das "kleine Wörterbuch des DDR-Wortschatzes" von Kinne und Strube/

Edelmann (1980/81)

die 1. und 2. Auflage des "DDR-Handbuchs" (1979) (3. Auflage 1985)

einige Bände der "Geschichtlichen Grundbegriffe" (1972 ff)

das komplette Werk "Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft"

(seit 1972)

83

das Kulturpolitische Wörterbuch (1983).

b) Texte für maschinell gestützte lexikologische Untersuchungen:

Es liegen heute folgende Textkorpora zur Auswertung vor:

das Bonner Zeitungskorpus Teil 1 aus ost- und westdeutschen Zeitungs­

texten - WELT und ND bis Jg. 1974 -(1. Version seit 1979, revidierte27Version ab 1985 auf Mikrofiches so- wie auf Magnetband )

das Bonner Zeitungskorpus Teil 2 (Regionalzeitungen Jg. 1964 und

1974) unkorrigiert auf Magnetband

das LIMAS-Korpus (Querschnittskorpus von 1966/67 aus diversen Texten28

der BRD) auf Mikrofiches und Magnetband

das Lunder-Korpus (Süddeutsche Zeitung) von 1967/68 tei1 korrigiert 29auf Magnetband

das Mannheimer-Korpus des IdS (mit wenigen Texten aus der DDR) On-30

line auf Bildschirm und Magnetband.

c) Auswertungshilfen

cl Maschinelle Auswertung: Für die vom IdS verwalteten Texte:

Mannheimer Korpus 1 und 2

Freiburger Korpus gesprochener Sprache

Bonner Zeitungskorpus

LIMAS Korpus

31hat das IdS verbesserte Auswertungsprogramme entwickelt. Sie sind

auch für externe Interessenten verfügbar. Ergebnisse maschineller

Auswertungen bleiben aber oft, wie wir auch aus Bonner Erfahrungen

wissen, auf der Ebene von Zulassungsarbeiten oder Ma- gisterarbeiten

stecken.

c2 Auswertung über Mikrofiches: Zum Bonner Zeitungskorpus und zum LIMAS-

Korpus sind außer den Texten selbst auch Basisregister (Indices, Häu­

figkeitsregister, KWIC-Konkordanzen) zur manuellen Auswertung auf Mi-32krofiches verfügbar bzw. in Vorbereitung.

84

d) Literaturdokumentation:

Das in der früheren Bonner Forschungsstelle des IdS aufgebaute Archiv

für öffentlichen Sprachgebrauch, auf dem auch die "Kommentierte Bib-33liographie zum öffentlichen Sprachgebrauch" beruht, dokumentiert

insbesondere die Sekundärliteratur (Zeitschriften, Sammelbandbeiträ­

ge) zum sprachlichen Ost-West-Problem. Es wurde nach 1980 im Mann­

heimer IdS bis zu einem gewissen Grade fortgeführt und soll 1984 wie-34der auf einen aktuellen Stand gebracht werden. Erwogen wird z.Z.

die Übertragung neuerer Titel zum Thema auf Datenträger. Dieses

Archiv steht auch externen Interessenten wie bisher zur Verfügung.

e) Forschungsdokumentation:

Das Bonner Gesamtdeutsche Institut stellt seit 1980 in eigenen Doku­

mentationen Informationen über Themen, Personen und Institutionen der

DDR- und vergleichenden Deutschlandforschung aus Forschung und Lehre 35bereit. Auch die IdS-Dokumentationen Sprachwissenschaftliche Lehr­

veranstaltungen (seit 1981) und Sprachwissenschaftliche Forschungs­

vorhaben (seit 1981/82) führen die Veranstaltungen zu unserem Themaoc

(soweit als solche erkennbar) auf.

f) Interdisziplinäre Ausweitung:

Als plus ist auch zu verbuchen, daß die Sozial- bzw. Politikwis­

senschaft in mindestens zwei markanten Fällen sprachliche Gesichts-37punkte miteinbezogen' hat, und zwar nicht nur marginal: vgl. P. C.

Ludz, Mechanismen der Herrschaftssicherung (1980), und 0. Gudorf,

Sprache als Politik (1981).

Zusammenfassung:

Was die Aufbereitung und Bereitstellung von sprachlichen Daten und

außersprachlichen Fakten, sowie die fachspezifische Dokumentation be­

trifft, hat sich die Forschungslage gegenüber 1970/73 entschieden ver­

bessert. Frage dazu: Nutzen wir die gegebenen Möglichkeiten?

85

5. Lücken

Es erscheint mir offenkundig, daß die derzeitige Beschäftigung mit dem

sprachlichen Ost-West-Problem nur einen kleinen Teil der möglichen und

wünschbaren Themen abdeckt, die derzeit bearbeitbar sind. Ich liste im

folgenden einige solcher Themen auf, deren Nichtbearbeitung mir am mei­

sten auffällt, wobei persönliche Präferenzen natürlich nicht im Spiel

sind.

- Syntaxuntersuchungen an nicht literarischen Texten, z.B. ,Zeitungstex ten (vielleicht unter Benutzung der von Folsom und Rencher benutzten Untersuchungskategorien

- vergleichende Stil-Untersuchungen, auch frequenziell gestützt, zu be­stimmten Textsorten

- vergleichende Sachgebietsiintersuchungen (H. Lehmanns Untersuchungen zum Wirtschaftsvokabular sind schon 10 Jahre alt, weitere gründliche Sachgebietsuntersuchungen gibt es nicht). Erwünscht wären vor allen Dingen alltagsnahe Sachgebiete wie z.B. Betrieb/Beruf/Arbeit; Wohnen/ Familie/Einkaufen/Freizeit und eine Reihe anderer. (Dagegen liegen ge­rade zum relativ unergiebigen Sachgebiet Sport mehrere Untersuchungen vor.)

40- Diachronische Untersuchungen: Wortschatzentwicklung allgemein, Ge­winn- und Verlustraten im Gesamtvokabular oder in Teilvokabularien Neologismen, ModewörterPropagandavokabularOnomasiologie bestimmter Sachbereiche/Sachverhalte/Wortfelder (z.B. zu den Staatsbezeichnungen für Deutschland und die beiden deutschen Staa­ten seit 1945)

- Untersuchungen von Wortverbindungen und Wortumgebungen (auch maschi­nell gestutzt)

- Untersuchungen zum nicht-öffentlichen Sprachgebrauch (Umgangssprache, Jargon etc.)

- Verständlichkeitsuntersuchungen, z.B.: Fremdheitsgrad von Texten in Abhängigkeit von verwendetem Wortschatz und Wortgebrauch

Der Mangel an Untersuchungen zur Verständlichkeit von Texten und Ver­ständigung zwischen Kommunikationspartnern aus Ost und West ist inso­fern besonders auffällig, als die Deutschlandpolitik sowohl der frü­heren wie auch der jetzigen Regierung davon ausgeht, daß massenhafte Kommunikation entscheidende Basis für die Einheit der Deutschen sei. Niemand aber macht die Frage, ob und welche Schwierigkeiten bei der (ein- oder mehrdirektionalen) Kommunikation zwischen Ost und West auf- treten und inwieweit diese sprachlich bedingt sind, zum Gegenstand eines Forschungsprojekts.

86

Zusammenfassend:

Es besteht nach wie vor ein empfindlicher Mangel an soliden empirischen

Wortschatz- und Sprachgebrauchsuntersuchungen, insbesondere solchen zur

Entwicklung in der Nachkriegszeit.

6. Schlußbemerkung

Angesichts der seit 1980 drastisch reduzierten Forschungskapazität in41der institutionalisierten Sprachforschung der Bundesrepublik ist bis

auf weiteres von dieser Seite jedenfalls quantitativ kein wesentlicher

Beitrag mehr zu erwarten. Insofern die geschilderte Situation als än­

derungsbedürftig betrachtet wird, kann eine solche Änderung nur - oder

doch ganz überwiegend - von den Germanisten/Linguisten an den Hoch­

schulen herbeigeführt werden. Sie haben die Möglichkeit, die Themen

ihrer Lehre und Forschung weitgehend selbst zu bestimmen, sie haben auch

den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Bereitschaft zur Förderung ein­

schlägiger begrenzter Projekte ist, nach den öffentlichen Erklärungen

staatlicher Stellen zu urteilen, durchaus vorhanden.

Anmerkungen

1) Moser, Hugo: Das Aueler Protokoll. Deutsche Sprache im Spannungsfeld zwischen West und Ost (= Sprache im geteilten Deutschland, Bd. 1) . Düsseldorf 1964.

2) Hellmann, Manfred W. (Hg.): Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR - Methoden und Probleme seiner Erforschung. Aus den Referaten einer Tagung zusammengestellt von Manfred W. Hellmann (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 18). Düs­seldorf 1973.

87

3) Pelster, Theodor: Überlegungen zur deutschen Sprachentwicklung. In: deutsche Studien 12, H. 48, 1974, S. 377-381.

4) Pelster, Theodor: Deutsch im geteilten Deutschland. 'Kommunikations­mittel', 'Muttersprache' oder Summe 'nationalsprachlicher Varian­ten'? In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 121-144.

5) In der BRD bekanntgeworden ist diese These durch den Beitrag von Lerchner, Gotthard: Nationalsprachliche Varianten. In: Forum, H. 6, 1976, S. 10-11.

6) Vgl. zum Begriff "Sprachkultur" die von Walter Schmich zusammen­gestellte Bibliographie in "Aspekte der Sprachkultur", Mitteilungen des Instituts für deutsche Sprache H. 10, Mannheim (Eigenverlag) 1984, S. 122-136.

7) Zur Neuregelung der Rechtschreibung vgl. Mentrup, Wolfgang: Dasorthographie-problem als begründung einer neuregelung. In: Spectrum der Wissenschaft H. 2 (Februar) 1975, S, 28-29. Demnächst derselbe:Zur Viel-Schichtigkeit der Diskussion einer Rechtschreibreform. In:Jahrbuch für internationale Germanistik Bd. XVI H. 2 und XVII H. 1 (1985, im Druck).

8) Bussiek, Hendrik: Notizen aus der DDR. Fischer Taschenbuch Nr. 3417, Frankfurt 1979.Windmöller, Eva und Höpker, Thomas: Leben in der DDR. Ein Stern- Buch. (= Goldmann-Taschenbücher 11502) München 1980.Ash, Timothy G.: Und willst Du nicht mein Bruder sein ... - Die DDR heute. (Spiegel-Buch Nr. 15) Rowohlt Reinbeck 1981.Böhme, Irene: Die da drüben - Sieben Kapitel DDR (= Rotbuch Nr. 265) Berlin (W) 1983.Auerbach, Thomas u.a.: DDR-konkret. Geschichten und Berichte auseinem real existierenden Land. Verlag Olle & Wolter, Berlin 1981.Neu erschienen ist 1985: GEO special DDR. Nr. 1, 13.2.85.Schon älter ist Rudolph, Hermann: Die Gesellschaft der DDR - eine deutsche Möglichkeit? Piper Verlag, 2. Aufl., München 1973.

9) Ein interessantes Beispiel ist WOCHENSCHAU für politische Erziehung, Sozial- und Gemeinschaftskunde, 33. Jg., 1982, Nr. 3/4, Ausg. Se­kundarstufe I mit dem Titel "DDR-ALLTAG 1 + 2". Ein entsprechendes Arbeitsheft für den Deutschunterricht gibt es m. W. nicht.

10) Kinne, Michael (Hg.): Texte Ost - Texte West. Arbeitsmaterialien zur Sprache der Gegenwart in beiden deutschen Staaten (= Kommunikation/ Sprache. Materialien für den Kurs- und Projektunterricht).Frankfurt/Berlin/München 1977.

11) Quelle: Institut für deutsche Sprache, Abt. Wiss. Dienste: Dokumen­tation Sprachwissenschaftlicher Lehrveranstltungen an Hochschulen der BRD. Bd. 1, WS 1980/81, Mannheim 1980; Bd. 2, SS 1981, Mannheim 1981; Bd. 3, WS 1981/82, Mannheim 1981; Bd. 4, SS 1982, Mannheim1982; Bd. 5, WS 1982/83, Mannheim 1982; Bd. 6, SS 1983, Mannheim1983.

88

12) Schaeder, Burkhard: Deutsche Sprache in der BRD und in der DDR. Neuere Arbeiten und Ansichten über das sprachliche Ost-West-Problem. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 198-205.

13) Kennzeichnend dafür ist auch das Fehlen jeder sprachlichen Thematik auf den jährlich stattfindenden "Tagungen zum Stand der DDR-For- schung", die vom Deutschland Archiv veranstaltet werden (1984 die 17. Tagung).

14) Vgl. zu beiden Projekten die Berichte in dem Sammelband Hellmann, Manfred W. (Hg.): Ost-West-Wortschatzvergleiche. Maschinell gestütz­te Untersuchungen zum Vokabular von Zeitungstexten aus der BRD und der DDR. (= Forschungsberichte des IdS, Bd. 48) Tübingen 1984. Darin besonders die Beiträge Nr. I, VIII und IX.

15) Vgl. die Hefte Nr. 3/4 1981 und Nr. 5/6 1983 mit jeweils mehreren einschlägigen Beiträgen.

16) Michael Kinne, und Günter Dietrich Schmidt, sind als wissen­schaftliche Mitarbeiter des IdS in andere lexikologische Arbeitsvor­haben übergewechselt.

17) Die Herren G. Beilmann, M. Kinne, H. Murawski.

18) Hierzu vgl. die knappe Literaturübersicht bei Hellmann, Manfred W.: Das Projekt Ost-West-Wortschatzvergleiche (= Beitrag Nr. I in dem Anm. 14 zitierten Sammelband), S. 22-31 sowie das Literaturverzeich­nis am Schluß des genannten Sammelbandes.

19) Dieckmann, Walther: Kritische Bemerkungen zum sprachlichen Ost- West-Problem. In: Zeitschrift für deutsche Sprache, Jg. 23, H. 3, 1967, S. 136-165.derselbe: Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache (= Schmitt, L. E. (Hg.): Sprachwis- senschaftliche Studienbücher, 2. Abt.). 1. Aufl. Heidelberg 1969, 2. Aufl. Heidelberg 1975 (mit einem Literaturanhang).

20) Braun, Peter: Vergleichende Untersuchungen zu deutsch-deutschen Wör­terbüchern. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4, 1981, S. 157-168. Hermanns, Fritz: Brisante Wörter. Zur lexikographischen Behandlung parteisprachlicher Wörter und Wendungen in Wörterbüchern der deut­schen Gegenwartssprache. In: Wiegand (Hg.): Studien zur neuhoch­deutschen Lexikographie II, 1982, S. 87-108.Hinzuweisen ist auch auf die im Entstehen begriffene Dissertation von Gisela Erkens, Essen, die ebenfalls die beiden 6-bändigen Wör­terbücher vergleicht.

21) Schmidt, Günter Dietrich: Bald zweierlei Deutsch in den Schulen des Auslands? Zur Anerkennung der Vier-Varianten-These in der Sowjet­union. In: Muttersprache, Jg. 88, H. 5, 1978, S. 287-290.Schlosser, Horst-Dieter: Die Verwechslung der deutschen National­sprache mit einer lexikalischen Teilmenge. In: Muttersprache, Jg. 91, H. 3/4 1981, S. 145-156.Andersson, Sven-Gunnnar: Deutsche Standardsprache - drei oder vier

89

Varianten? In: Muttersprache, H. 5/6, 1983, S. 259-293.Schmidt, Günter Dietrich: Die deutschen Varianten des Deutschen. Zum Einfluß der Politik auf Interpretation, Bewertung und Verlauf der Sprachentwicklung in der DDR. In: Muttersprache, Jg. 93, H. 5/6,1983, S. 284-289.Schmidt, Günter Dietrich: Wie weit noch ist der Weg zur nationalen Variante der DDR? Zu einem neuen Buch des sowjetischen Germanisten A. I. Domaschev. In: Muttersprache, Jg. 94, H. 3/4, 1984, S.376-378.Inzwischen scheint sich in der DDR-Linguistik eine neue Auffassung durchzusetzen, die von der "DDR-isolationistischen" (W. Fleischer) Vier-Varianten-These abrückt und nur noch von der "deutschen Sprache in der DDR, der BRD, in Österreich und der Schweiz" und von deren jeweiligen "Besonderheiten" spricht. Vgl. dazu insbesondere die folgende Aufsätze von Wolfgang Fleischer, der in unterschiedlicher Ausführlichkeit und von den verschiedensten Ansätzen her auf das Thema eingeht:Fleischer, Wolfgang: Die deutsche Sprache in der DDR. Grundsätzliche Überlegungen zur Sprachsituation. In: D. Nerius (Hg.): Entwicklungs­tendenzen der deutschen Sprache seit dem 18. Jahrhundert. Linguisti­sche Studien, Reihe A, H.111, Berlin (0) 1983, S. 258-273. derselbe: Zur lexikalischen Charakteristik der deutschen Sprache in der DDR. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kom­munikationsforschung (Berlin, 0) H. 4, 1984, S. 415-424. derselbe: Der Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR - Aufriß des Projekts. In: Wiss. Zs. der KMU Leipzig, Ges. u. sprachwiss. Reihe, Heft 5 ("Der Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR"),1984, S. 458-463.derselbe: Aspekte der sprachlichen Benennung. In: Sitzungsberichteder Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaf­ten, Heft Nr. 7, Berlin 1984, S. 3-28.derselbe: Zum Begriff 'Nationale Variante einer Sprache' in dersowjetischen Soziolinguistik. In: Linguistische Arbeitsberichte,Heft 43, Leipzig 1984, S. 63-73.derselbe: Geschichte und Sprache. Festvortrag anläßlich der Verlei­hung des "Jakob und Wilhelm Grimm-Preises der DDR" 1983. In: Deutsch als Fremdsprache, Jahrgang 1921, Heft 3, 1984, S. 133-138.

22) Vgl. dazu einige der Aufsätze in Dieckmann, Walther (Hg.): Politi­sche Sprache - Politische Kommunikation. Vorträge - Aufsätze - Ent­würfe. Heidelberg 1981.

23) Vgl. den in Anm. 14 genannten Sammelband von Hellmann (Hg.).

24) Mehrere Aufsätze, u.a. in "Muttersprache" H. 3/4, 1981 und H. 5/6, 1983; in "Deutschland Archiv" H. 10, 1979, und H. 9, 1980.

25) Schmidt, Günter Dietrich: DDR-spezifische Paläologismen. Veraltetes Wortgut in der deutsche Sprache der DDR. In: Muttersprache, Jg. 92, Hi 3/4, 1982, S. 129-145.

26) Klappenbach, Ruth/Steinitz, Wolfgang: Wörterbuch der deutschen Ge­genwartssprache. Bd. 1-6, 1. Aufl. 1964-1977. Berlin (0) 1964 ff.Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

90

Drosdowski, Günther (Hg.): Duden - Das große Wörterbuch der deut­schen Sprache in 6 Bänden. Mannheim/Wien/Zürich, 1976-1981.Kinne, Michael/Strube-Edelmann, Birgit: Kleines Wörterbuch des DDR- Wortschatzes. Düsseldorf 1980, 2. Aufl. 1981.DDR Handbuch. Wissensch. Leitung: Peter Christian Ludz unter Mitwir­kung von Johannes Kuppe. Hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. 2. Aufl. Köln, 1979 (3. Aufl. in 2 Bänden ist Mai 1985 erschienen).Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch­sozialen Sprache in Deutschland. Hg. von O. Brunner, W. Conze, R. Koselleck. Klett-Cotta Stuttgart, 1972 ff; erschienen Bd. 1 (1972)bis Bd. 5 (Pro-Soz) (1984).Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende En­zyklopädie. Hg. von C.D. Kernig. 6 Bde. und Zusatzband. Herder, Freiburg, 1966-1972.Kulturpolitisches Wörterbuch. Bundesrepublik Deutschland/Deutsche Demokratische Republik im Vergleich. Hg. von W. R. Langenbucher, R. Rytlewski, B. Weiergraf. Stuttgart 1983.Seit 1985 ist ferner erschienen: Handwörterbuch der deutschen Ge­genwartssprache in zwei Bänden. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Günter Kempcke. Akademie der Wissenschaften der DDR - Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. Berlin (O), 1984.

27) Eine ausführliche Beschreibung zur revidierten Mannheimer Version findet sich in diesem Heft.

28) Hoppe, Alfred/Zimmermann, Harald/Hitzenberger, Ludwig: LIMAS-Corpus (= Regensburger Microfiche Materialien (RMM) Nr. 02, Teil 1 und Teil2). Nürnberg/Regensburg 1979.

29) Das Lunder Korpus, begründet von Inger Rosengren (Lund/Schweden), enthält Zeitungstexte aus der WELT und der Süddeutschen Zeitung 1966/67 in nur teilweise korrigiertem Zustand. Die Texte sind ggf. auf Anfrage im IdS benutzbar.

30) Vgl. dazu Institut für deutsche Sprache: LDV-Info 1, Mannheim (Eigenverlag) 1981.

31) Die erstgenannten 3 Korpora sind im IdS auch für externe Wissen­schaftler mit dem Dialog-System REFER direkt auswertbar, diese und die übrigen genannten Texte im Rahmen von Service-Aufträgen mit verschiedenen Auswertungsprogrammen. Eine knappe Übersicht dazu von S. Dickgießer: LDV-Service. In: Institut für deutsche Sprache,LDV-Info 4, Mannheim 1984.

32) Institut für deutsche Sprache: Das Bonner Zeitungskorpus. Am Insti­tut für deutsche Sprache erstellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hellmann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Microfiche Materia­lien (RMM) Nr. 007/1), MCS-Verlag Nürnberg/Regensburg 1985.Zum LIMAS-Korpus siehe Anm. 28

33) Hellmann, Manfred W. (Hg.): Bibliographie zum öffentlichen Sprach-91

gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Zusam- mengestellt und kommentiert von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Manfred W. Hellmann (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 16) . Düsseldorf 1976.

34) Vgl. Kinne, Michael: Das "Archiv zum öffentlichen deutschen Sprach­gebrauch" (AöS) im Institut für deutsche Sprache. In: Mitteilungen des Ids, Heft 8, Mannheim o.J. (1982), S. 97-102. Das Archiv wird inzwischen aktualisiert.

35) Die Dokumentationen erscheinen beim Gesamtdeutschen Institut Bonn (nicht im Buchhandel!) in 3 Reihen:I Hochschulveranstaltungen (3. Folge; WS 80/81-WS 81/82) 1984II Forschungsvorhaben (2. Projektverzeichnis Juli 1981)III Institutionen, Publikationen, Entwicklung1. Dissertationen, Habilitationen, Hochschulschriften aus der BRD

bis 19782. dito aus der DDR bis 19783. Kritiken aus der DDR (1983)4. Institutionen (1984)Hinzukommt eine Dokumentation von Forschungsvorhaben zur DDR- und vgl. Deutschlandforschung "auf englisch" (in englischsprachigen Län­dern) .

36) Zur Dokumentation Sprachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen s. Anm. 11. Für Forschungsvorhaben siehe Institut für deutsche Sprache Mannheim: Dokumentation Sprachwissenschaftliche Forschungsvorhaben1981/82. Bearbeitet von Roland Wingerter, Mannheim 1983.

37) Ludz, Peter Christian: Mechanismen der Herrschaftssicherung. Eine sprachpolitische Analyse gesellschaftlichen Wandels in der DDR. Mün­chen/Wien 1980.Gudorf, Odilo: Sprache als Politik. Untersuchungen zur öffentlichen Sprache und Kommunikationsstruktur in der DDR. Köln 1981.

38) Folsom, Marvin H./Rencher, Alvin C.: Zur Frage der sprachlichen Unterschiede in der BRD und der DDR. Zwei statistische Studien. In: Deutsche Sprache 1977, S. 48-55.

39) Lehmann, Heidi: Russisch-deutsche Lehnbeziehungen im Wortschatz of­fizieller Wirtschaftstexte der DDR (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 21). Düsseldorf 1972.

40) Das Bonner Zeitungskorpus bietet aufgrund seiner zeitlichen Stufung besonders gute Möglichkeiten zu vergleichenden diachronischen Unter­suchungen, die bis in die Anfangsjahre der beiden deutschen Staaten zurückreichen.

41) Das IdS z.B. stellt seit 1981 nur noch einen wissenschaftlichen Mit­arbeiter zur Bearbeitung des Ost-West-Themas frei.

92

Manfred W. Hellmann

DAS BONNER ZEITUNGSKORPUS TEIL I

INFORMATIONEN FÜR DEN BENUTZER

0. Vorbemerkung

1. Zielsetzung und Textauswahl

2. Aufbau und Zusammensetzung

3. Zur Codierung des BZK 1

4. Zur Identifikation und Klassifikation der Zeitungsartikel

5. Möglichkeiten der Auswertung

6. Ausblick

7. Literatur

0. VORBEMERKUNG

Über das Bonner Zeitungskorpus ist, wie die Literaturübersicht am Schluß

zeigt, an verschiedenen Stellen berichtet worden, am ausführlichsten in

dem Sammelband Hellmann (Hg.) 1984, vor allem dort im Bericht II von B.

Schaeder. Allerdings bezieht sich jener Bericht auf die Bonner Version

des BZK. Inzwischen ist das BZK 1 vollständig überarbeitet worden. Es

gab noch zwei weitere Gründe, eine neue - und zwar vollständige - Be­

schreibung des BZK vorzulegen: Zum einen ist der erwähnte Sammelband so

exorbitant teuer, daß er nicht überall erreichbar sein wird, zum anderen

ist mit erhöhtem Benutzerinteresse zu rechnen, da das BZK Teil 1 jetzt

gleichzeitig im MCS-Verlag auf Microfiches erscheint und im IdS mit dem

Abfragesystem REFER auswertbar ist.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen im IdS, die sich in den letzten 3

Jahren mit mir der Mühe unterzogen haben, ein Drei-Millionen-Korpus zu

überarbeiten und bereitzustellen, insbesondere Willi Oksas, Snjezana

Benakovic und Peter Mückenmüller.

93

1. ZIELSETZUNG UND TEXTAUSWAHL

1.1. Gegenstandsbestimmung

Das Bonner Zeitungskorpus (BZK) ist eine systematisch zusammengestellte,

maschinenverfügbar gemachte Sammlung von Texten aus bestimmten Tageszei­

tungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen

Republik, die zum Zwecke linguistischer Untersuchungen zur deutschen Ge­

genwartssprache, insbesondere zum Zweck vergleichender Untersuchungen

des öffentlichen Sprachgebrauchs in den beiden deutschen Staaten, ange­

legt wurde. Das BZK Teil 1 ist eine bestimmte Teilmenge davon (nämlich

aus der WELT und dem NEUEN DEUTSCHLAND), und zwar diejenige, die zur

Zeit überarbeitet, an die Textkonventionen des IdS Mannheim angepaßt und

mittels vorhandener Auswertungsprogramme auswertbar ist (vgl. 2.3.).

1.2. Anlaß und Zielsetzung

Das IdS hatte 1964 in Bonn eine Forschungsstelle eingerichtet, deren

Hauptaufgabe die Untersuchung der sprachlichen Differenzierungen zwi­

schen den beiden deutschen Staaten sein sollte. Die damalige For­

schungssituation legte es nahe, sich zunächst das Ziel zu setzen, eine

ausreichende und von subjektiven Auswahlkriterien möglichst unabhängige

Grundlage für empirische Untersuchungen zu schaffen, und zwar nach Lage

der Dinge vor allem für Untersuchungen zum Wortschatz und Wortgebrauch.

Eine solche Textgrundlage sollte auf jeden Fall maschinell verfügbar ge­

macht werden, und zwar einerseits zur Entlastung von zeitraubenden Aus-

wertungs-, Sortier- und Auflistungsarbeiten, zum anderen aber um Häufig­

keit und Verteilung sprachlicher Phänomene als Erkenntnis- und Beschrei­

bungskategorie nutzen zu können. Darüber hinaus sollte das zu schaffende

Textkorpus folgende Eigenschaften aufweisen: Es sollte

- aktuell sein

- wenig autorenspezifisch sein

- thematisch weit gestreut sein

- dem Forschungsgegenstand angemessen, also möglichst ergiebig für Ost-

West-Unterschiede sein.

94

Da für uns die Konstituierung eines großen Mischkorpus aus unter­

schiedlichen Publikationsgattungen aus Kosten- und organisatorischen

Gründen nicht in Frage kam, mußten wir uns also für eine bestimmte Pub­

likationsgattung entscheiden. Am ehesten werden die gestellten Anfor­

derungen von Tageszeitungen erfüllt, und zwar von solchen, die sich an

gehobene Ansprüche richten (also nicht von Boulevardblättern).

1.3. Auswahl und Zusammensetzung

Textauswahl und Aufnahmeprinzip

Die Kriterien für die Auswahl eines Textkorpus werden - bewußt oder un­

bewußt - bestimmt durch den Zweck, für den das Korpus aufgenommen werden

soll. Dies gilt schon für die Wahl der Grundgesamtheit: Wenn ich öffent­

lichen Sprachgebrauch, und zwar in den beiden deutschen Staaten, unter­

suchen will, ist die Wahl von überregionalen Tageszeitungen, und zwar

aus Ost und West, vielleicht nicht die einzig mögliche, aber sicher eine

zweckmäßige Grundlage für den Aufbau eines Korpus.

Die nächste Frage gilt dem Aufnahmeprinzip: Zugespitzt (es gibt Über­

gangsformen) lautet die Alternative: Benötige ich ein Korpus für eine

einzige, vorher bekannte Fragestellung oder ein Korpus für eine Vielzahl

verschiedener, z.T. vielleicht noch nicht bekannter Fragestellungen?

Diesen sehr unterschiedlichen Zwecken entsprechen auch - auch hier wie­

der zugespitzt - sehr unterschiedliche Aufnahmeprinzipien:

(a) thematisch gesteuerte Auswahl

(b) statistisch gesteuerte Auswahl

Bei ersterem Aufnahmeprinzip wähle ich aus der festgelegten Grundgesamt­

heit solche Texte aus, die - nach meinem Vorverständnis vom Forschungs­

gegenstand und vom Thema - besonders ergiebig und interessant zu sein

scheinen. Dieses Auswahlverfahren ist sehr effektiv, denn ich komme mit

relativ geringem Aufwand zu einer Auswahl, die in hoher Dichte die von

mir zu untersuchenden Erscheinungen enthält und daher für diesen Gegen­

stand sehr gut geeignet ist, - für alle anderen Fragestellungen jedoch

95

voraussichtlich entsprechend schlecht. Hinzuweisen ist noch auf zwei

weitere Punkte: Eine rein thematisch gesteuerte Auswahl erlaubt keine

statistisch abgesicherten Rückschlüsse auf die Verhältnisse in der

Grundgesamtheit, der die Auswahl entnommen ist, und sie erlaubt keiner­

lei Vergleiche mit anderen thematisch gesteuerten Auswahlen. Zweitens:

Es besteht die Gefahr des methodischen Zirkels: Ich erhalte im wesent­

lichen das bestätigt, was ich über den Gegenstand kategorial schon vor­

her wußte.

Das zweite Aufnahmeprinzip, das ja von der Vorstellung einer Vielzahl

verschiedener Benutzer mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen aus­

geht, erlaubt von vornherein keine Vorweg-Auswahl des "Wichtigeren" oder

"Interessanteren", da jede qualitative Auswahl eine Einschränkung der

Benutzung durch andere bedeuten kann. Konsequenterweise wird man ver­

suchen, die Auswahl so zu treffen, daß sie alle bekannten Eigenschaften

der Grundgesamtheit möglichst getreu widerspiegelt. Beachtet man bei der

Zusammenstellung der Auswahl gewisse systematische Grundsätze, so kann

die Auswahl als in jeweils bestimmbaren Grenzen repräsentativ in bezug

auf die Grundgesamtheit angesehen werden, d.h. Zahlenangaben zu Vor­

kommen oder Verteilung bestimmter Erscheinungen in der Auswahl lassen

mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluß auf entsprechende Verhältnisse

in der Grundgesamtheit zu. Außerdem sind alle Teile des Korpus, die nach

dem gleichen Verfahren ausgewählt und aufgenommen worden sind, auch

untereinander vergleichbar.

Der Nachteil bei diesem Auswahl verfahren ist, daß man, um auch für spe­

ziellere Untersuchungen noch genügend Material zur Verfügung stellen zu

können, sehr viel mehr Text als bei einer thematisch gesteuerten Auswahl

aufnehmen muß. Außerdem verlangt eine so breit gestreute Auswahl einen

wesentlich höheren Aufwand an Klassifikation der einzelnen Textein­

heiten, um dem künftigen Benutzer eine Selektion der Texte im Hinblick

auf bestimmte gewünschte oder nicht gewünschte Merkmale zu ermöglichen.

Wir entschieden uns im Jahre 1964/65 für ein rein statistisch gesteuer­

tes Aufnahmeprinzip, und zwar aus folgenden Gründen:

96

Erforschung des öffentlichen Sprachgebrauchs auf der Basis von Tageszei­

tungen war damals und ist auch heute keineswegs nur unter Ost-West-

Aspekt interessant. Es war vorauszusehen, daß die Linguistik, wäre ein

geeignetes Korpus erst einmal vorhanden, dies ist auch unter generellen

Aspekten des Wortschatzes, des Wortgebrauchs, des Stils, der Wortbil­

dung, der Syntax usw. auswerten würde. Angesichts des Aufwandes an Zeit

und Kosten, den jede maschinelle Dokumentation von Texten - gleich ob

thematisch gesteuert oder statistisch gesteuert - verursacht, schien es

uns auch ökonomischer, die Textauswahl nicht auf den einen Forschungsge­

genstand hin zu beschneiden. Im übrigen sahen wir in der Tatsache, daß

das IdS eine zentrale Forschungsinstitution ist, eine gewisse Verpflich­

tung, ein neu aufzubauendes Korpus nicht als ad-hoc-Korpus für über­

wiegend hausinterne Zwecke anzulegen, sondern es für eine möglichst

breite wissenschaftliche Nutzung innerhalb u n d außerhalb des IdS zu

konzipieren. Denn der Aufbau eines ad-hoc-Korpus für eine spezielle Fra­

gestellung führt oft zum Aufbau anderer ad-hoc-Korpora für ähnliche,

ebenfalls spezielle Fragestellungen an anderer Stelle, ohne daß sich

durch die Kumulation von ad-hoc-Korpora ein in sich vergleichbares

Korpus deutscher Gegenwartssprache - oder auch nur eines Ausschnitts

daraus - ergäbe.

Über einen Nachteil waren wir uns seinerzeit allerdings im klaren: Eine

Korpuskonzeption, die im skizzierten Sinne auf breite verschiedenartige

Nutzung und statistische Repräsentativität zur jeweiligen Grundgesamt­

heit hin angelegt ist, kann zwar für die meisten Fragestellungen ge­

eignetes, aber für manche davon sicherlich nicht genügend Material be­

reitstellen, - jedenfalls wenn man von einigermaßen realistischen Kos­

ten- und Zeitvorstellungen ausgeht. Die Konzeption mußte also so be­

schaffen sein, daß sie Materialerweiterungen und -Verdichtungen in ver­

schiedener Hinsicht jederzeit zuläßt.

Zum Problem der Aktualität

Jedes Korpus beginnt vom Tage seiner Verfügbarkeit an zu veralten. Nun

ist der Begriff "Deutsche Gegenwartssprache" zwar recht dehnbar - man

setzt den Beginn meist 1945 oder 1949 und läßt ihn jeweils in der Gegen-

97

wart enden jedoch hat sich für eine Reihe von Untersuchungen insbe­

sondere zum Wortschatz und zum Stil ein engerer Begriff von "Gegenwart"

und zugleich ein Bedürfnis nach stärkerer Differenzierung der Ent­

wicklung in der Nachkriegszeit herausgestellt. Die Bonner Korpuskonzep­

tion wollte dem Rechnung tragen.

Man kann Aktualität dadurch erreichen, daß man laufend Texte aufnimmt.

Dies ist bei Periodika, die ohnehin parallel zum Zeitkontinuum permanent

Texte produzieren, grundsätzlich kein Problem. Allerdings stößt man sehr

schnell auf Kapazitätsgrenzen. Westdeutsche überregionale Tageszeitungen

produzieren pro Jahrgang etwa 5.000 Seiten "Normal"-Text, dazu nochmals

zwischen 1.500 und 3.000 Seiten Beilagentext. Bei rd. 3.000 lfd. Wörtern

pro Seite ergibt sich daraus eine Menge von 15 Mio. lfd. Textwörtern zu­

züglich ca. 6 Mio. lfd. Wörtern aus Beilagen. Solche Mengen führen schon

bei e i n e r Zeitung und e i n e m Jahrgang ins Absurde, um so

mehr bei einer beabsichtigten Aktualisierung durch laufende Aufnahme von

Texten. Ein Ausweg ist die Aktualisierung durch Aufnahme von Querschnit­

ten in regelmäßigen Intervallen. Solange dieses Verfahren weitergeführt

wird, ist Aktualität in hohem Maße gewährleistet; gleichzeitig sind die

Voraussetzungen gegeben für diachronische Untersuchungen der Sprachent­

wicklung mit zunehmender zeitlicher Tiefe.

Die Entscheidung für die Textaufnahme in Form diachronischer Querschnit­

te in bestimmten zeitlichen Intervallen nimmt natürlich Lücken in Kauf.

Sachlich und sprachlich können dabei wichtige Erscheinungen undokumen­

tiert bleiben. Unsere Entscheidung für ein fünfjähriges Aufnahmeinter­

vall läßt z.B. Ereignisse wie den 17. Juni 1953, den 13. August 1961,

die Verhandlungen über das Berlin-Abkommen 1970-72, den Wahlsieg der so-

zial-liberalen-Koalition oder auch die Olympiade in München unberück­

sichtigt; andere wie z.B. die Gründung der beiden deutschen Staaten, die

Bildung der großen Koalition, die Guilleaume-Krise und der Wechsel

Brandt/Schmidt, die Olympiade von Tokio (1964) u.v.a. sind im Bonner

Zeitungskorpus sehr gut vertreten.

Es spricht also - vom Kosten- und Kapazitätsargument abgesehen - einiges

für kürzere Intervalle. Es spricht noch mehr gegen längere Intervalle.

98

Wir halten Fünf-Jahres-Intervalle für gerade noch ausreichend: mittel­

fristige Erscheinungen haben noch eine ausreichende Wahrscheinlichkeit,

in der Auswahl dokumentiert zu werden; kürzerfristige nur dann, wenn sie

in einen der dokumentierten Jahrgänge oder do.ch in dessen Nähe fallen.

Im konkreten Fall haben wir mit dem Jahrgang 1964 deshalb begonnen, weil

er bei Beginn der Textdokumentation (im Frühjahr 1965) der erste und ak­

tuellste abgeschlossen vorliegende Jahrgang war; damit war auch gewähr­

leistet, daß unsere Auswahl im Jahr der Gründung der beiden deutschen

Staaten, 1949, beginnen würde.

Zur Auswahl innerhalb des Jahrgangs

Wie schon festgestellt, ist die vollständige Aufnahme eines Jahrgangs

aus Kapazitätsgründen unmöglich. Eine Auswahl aus dem Jahrgang kann in

verschiedener Hinsicht erfolgen:

Man kann bei gleichem Aufwand z. B. sowohl einen Monat vollständig als

auch über den ganzen Jahrgang hin jede zwölfte Ausgabe erfassen. Für be­

stimmte Untersuchungen, z.B. eine Untersuchung zur Sprache der Fußball-

Sportberichterstattung, kann die erstere Variante eine hervorragende Ma­

terialbasis mit sehr hoher Dichte ergeben, sofern man darauf achtet, daß

der ausgewählte Monat nicht gerade in die Zeit der Fußballferien fällt.

Unter der Voraussetzung sehr unterschiedlicher Fragestellungen macht die

Entscheidung für einen bestimmten Erfassungszeitraum jedoch große Be­

gründungsschwierigkeiten. Denn jede Untersuchung von Zeitungen bestä­

tigt, daß Zeitungen im Verlauf eines Jahres sehr starke, regelmäßige

"thematische Dominanzen" aufweisen, so insbesondere im Bereich des

Sports, der Wirtschaft (vor allem Landwirtschaft), der Sparte Reise/Er­

holung, der Werbung, aber auch in Teilen der Sparte Kultur (Theater­

ferien) und teilweise auch Politik (thematische Schwerpunkte z.B. am

Jahresanfang bzw. -ende, zu bestimmten Gedenktagen etc.). Ein Textkor­

pus, das Zeitungssprache widerspiegeln will, muß diese thematischen Do­

minanzen angemessen berücksichtigen, d.h. es muß sich auf den ganzen

Jahrgang einer Zeitung beziehen.

99

Die Stichproben, die aus dem Kontinuum eines Jahrgangs entnommen werden

sollen, sollten in gleichmäßigen, nicht zu großen Abständen über den

ganzen Jahrgang verteilt werden.

Uns schien die Berücksichtigung von je einer Ausgabe pro Woche dafür am

geeignetsten.

Außer im Ablauf eines Jahres gibt es auch im Ablauf einer Woche bei Ta­

geszeitungen sehr deutliche thematische Dominanzen. So gibt es einen

ausgedehnten Sportteil montags, ausführliche Kinoprogramme dienstags

oder freitags, Wohnungsmarkt vor allem mittwochs und samstags; bestimmte

Beilagen erscheinen an bestimmten Wochentagen; vor allem die Samstagaus­

gabe weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Es war also notwendig,

durch einen entsprechenden Turnus der Aufnahme dafür zu sorgen, daß alle

Wochentagsausgaben in der Jahrgangsauswahl berücksichtigt wurden.

Dies führte zu folgendem rotierenden Turnus: Zum Beispiel erste Jahres­

woche: Montagsausgabe, zweite Woche Dienstagsausgabe, dritte Woche Mitt­

wochsausgabe ..., fünfte Woche Freitagsausgabe, sechste Woche Samstags­

ausgabe, siebente Woche Montagsausgabe.

Während der Normalabstand zwischen zwei Ausgaben also acht Tage beträgt,

beträgt er zwischen der Samstags- und Montagsausgabe nur zwei Tage, so

daß ein durchschnittlicher Abstand von knapp sieben Tagen gewährleistet

ist. Insgesamt führt dies zu einer Berücksichtigung von 52 oder 53 Aus­

gaben pro Jahr.

Zur Auswahl der Seiten

Falls man diese 53 Ausgaben vollständig aufnehmen kann, entfallen wei­

tere Auswahl Überlegungen. Für uns lag die damit anfallende Menge von ca.

700-800 Seiten pro Zeitung und Jahrgang jedoch noch weit jenseits un­

serer Möglichkeiten. Eine Seitenauswahl war also unumgänglich. Nun gibt

es auch innerhalb einer jeden Ausgabe Regelmäßigkeiten, die zu beachten

sind, wenn man bestimmte Seiten auswählen will. Während die erste und

die letzte Seite bei allen Zeitungen in aller Regel eine Mischung ver-

100

schiedener Themen und Sachgebiete aufweisen, sind die übrigen Seiten

meist in sog. "Sparten" thematisch gebündelt. Diese Bündelung ist zwar

nicht starr, weist jedoch jeweils zeitungstypische Regelmäßigkeiten auf.

Diese Regelmäßigkeiten müssen sich in der Auswahl widerspiegeln, d. h.

jede Seitenklasse soll in der Auswahl anteilig repräsentiert sein.

Zur Aufnahmequote

Wenn man davon ausgeht, daß aus jeder Woche eine Ausgabe und aus jeder

Ausgabe nur eine Seite aufgenommen wird, ergibt dies eine Mindest­

auswahlmenge von 52 oder 53 Seiten. Mit diesem Minimum haben wir in der

Tat bei den Jahrgängen ND 64 und ND 54 begonnen (die Auswahl ND wurde

später durch Beilagenseiten erweitert). Bei einer Grundgesamtheit von

2125 Seiten im Jahrgang ND 64 und 1976 Seiten bei ND 54 ergaben sich so­

mit Aufnahmequoten von 2,5 % (ND 64) bzw. 2,6 % für ND 54.

Wir haben im folgenden eine Auswahlquote von ca. 2,4 t bis 2,5 l für

alle Jahrgänge des BZK 1 konstant gehalten, mindestens aber 52 Seiten

pro Jahrgang aufgenommen (zur Ausnahme WE 49 siehe unten 2.3., Anm. 1).

Da die WELT weit mehr Seiten und Text produziert als das ND, ergibt sich

für die WELT bei gleicher Quote eine größere Auswahlmenge und zugleich

eine höhere Aufnahmedichte pro Ausgabe.

Das Schema sieht folgendermaßen aus:

z.B. ND 74 z.B. WELT 74

1. Woche Mi 02.01. S. 1 Mi S. 1, 2, 3

2. Woche Do 10.01. S. 2 Do S. 2, 3, 4

3. Woche Fr 18.01. S. 3 Fr S. 3, 4, 5

4. Woche Sa 26.01. S. 4 Sa s. 32, 33, 34

5. Woche Mo 28.01. S. 5 Mo s. 5, 6, 7

6. Woche

usw.

Di 05.02. s. 6, 3 Di

usw

s. 6, 7, 8

101

Zur Bestimmung der Grundgesamtheit

Nicht alles, was eine Zeitung im Laufe eines Jahres produziert bzw. an

ihre Leser verteilt, ist in gleicher Weise Bestandteil dieser Zeitung.

Wir unterscheiden

Grundmenge 1: Redaktioneller Teil der Zeitung und regelmäßige Beilagen,

soweit sie normal durchlaufend numeriert sind.

Grundmenge 2: gesondert (meist römisch) numerierte Beilagen, die regel­

mäßiger Bestandteil bestimmter Wochentagsausgaben dieser

Zeitung sind (z.B. Stellenanzeigen in der Samstagsausgabe,

die "Geistige Welt", die "Gebildete Nation" (ND)),

Grundmenge 3: nach Druckbild, Numerierung und Aufmachung eigenständige

Beilagen ("Sonderbeilagen"), die nicht regelmäßiger Be­

standteil dieser Zeitung sind oder als "Zeitung in der

Zeitung" erscheinen (z.B. bei der WELT die "Welt der Li­

teratur", die Rundfunk-Fernseh-Bei 1 age etc.).

Zur besseren Unterscheidung der Grundmengen 1 und 2 wird folgende Zu­

satzbestimmung verwendet: Wenn eine Beilage regelmäßig mehr als die

Hälfte des redaktionellen Teils ausmacht, wird sie zur Grundmenge 2 ge­

rechnet.

Auf der Grundlage der genauen Auszählung aller Ausgaben des Jahrgangs

wird ermittelt, welche Seiten wie oft in den Grundmengen Vorkommen.

Diese Grundmengen werden in unterschiedlichen Quoten repräsentiert, und

zwar wird

- die Grundmenge 1 mit einer Quote von ca. 2,4 %

- die Grundmenge 2 mit einer Quote von ca. 1,5 bis 1,8 %

- die Grundmenge 3 überhaupt nicht repräsentiert.

Als Grundgesamtheit ist damit die Summe aller Zeitungsseiten (=Elemente)

der Grundmengen 1 und 2 eines Jahrgangs definiert.

102

94. AUFBAU UND ZUSAMMENSETZUNG

2.1 Aufbau des Bonner Zeitungskorpus

Mengenangaben (in lfd. Wörtern) gerundet

Doppelt umrandete Felder: = BZK Teil 1

FR 74

(310.000)

[ BG 64

(340.000)

BG 74

(340.000)

310.000 680.000

WE 49

Ausgabe Nord

(163.000)

WE 54

Ausgabe F j

(258.000) !

WE 59

Ausgabe D l

(293.000)

WE 64 '

Ausgabe B

(379.000)

WE 69

Ausgabe D

(414.000)

WE 74"

Ausgabe D

(363.000)

_4_

ND 49

Ausgabe R

(206.000)

ND 54

Ausgabe B

(208.000)

ND 59

Ausgabe B

(208.000)

ND 64

Ausgabe B

(194.000)

ND 69

Ausgabe B

(174.000)

ND 74

Ausgabe R

(179.000)

NN 64

( 100 . 000 )

NN 74 MO 74

(100.000) (140.000)

3,039.000 1,169.000 200.000 140.000

BRD-Zeitungen

WE = DIE WELT (B = Berliner Ausgabe, D = Deutschland-Ausgabe (Essen), F = Norddeutsche Ausgabe (Hamburg))

GB = Bonner-General-Anzeiger (Stadtausgabe)FR = Frankfurter Rundschau

103

DDR-Zeitungen

ND = Neues Deutschland (B = Berliner Ausgabe, R = Republik-Ausgabe)NN = Norddeutsche Neueste Nachrichten (NDPD, Rostock)MO = Der Morgen (LDPD, Berlin Ost)

Umfang des Bonner Zeitungskorpus Teil 1: 3,04 Mio. lfd. WörterTeil 2: 1,33 Mio. lfd. Wörter

2.2. Versionen des BZK

Das Bonner Zeitungskorpus wurde in 3 Phasen geschaffen:

(1) 1965-75 (mit Unterbrechungen) Jg. WE 54, 64, 59

Jg. ND 54, 64, 69

und teilweise ND 74

(2) 1976-78 (Projekt "Ost-West-Wortschatz") Jg. WE 49, 59, 74

Jg. ND 49, 59, 74

ferner Jg. BG 64, 74

Jg. FR 74

Jg. NN 64, 74

Jg. MO 74

Die Texte der Phase (2) wurden mit Unterstützung der Deutschen For­

schungsgemeinschaft extern erfaßt und einmal Korrektur gelesen.

(3) 1981-84

Überarbeitung des Teils 1 (WE und ND) und Anpassung an die Mann­

heimer Textkonventionen

Jg. WE 49, 54, 59, 64, 69, 74

Jg. WE 49, 54, 59, 64, 69, 74

Die Texte der Phase 1 und 2 - "Bonner Version" - weisen gegenüber der

Phase 3 - "Mannheimer Version" - einige Besonderheiten auf:

1. Sie sind weniger gut durchkorrigiert.

104

2. Sie weisen Schwankungen in der Codierung auf (bedingt u.a. durch den

Übergang zur externen Texterfassung in Phase 2).

3. Sie sind komplizierter transkribiert (vgl. Punkt 3.2.).

4. Umlaute und ß sind als ae, oe, ue, sz codiert.

5. Sie haben eine andere Satzschlußcodierung (vgl. Punkt 3.2.).

6. Die Texte der Phase 1 sind mit Artikel nummer/Zeilennummer numeriert;

die Texte der Phase 2 sind durchlaufend zeilenweise numeriert.

7. Insbesondere die Texte der Phase 1 weisen eine erweiterte Klassifi­

kation auf (vgl. Punkt 4.1).

Für bestimmte Fragestellungen eignen sich die BZK-Texte in der Bonner

Version (trotz ihrer höheren Fehlerquote) besser als die Mannheimer Ver­

sion, daher bleibt auch die Bonner Version auf Magnetband gespeichert.

Solche Fragestellungen können z.B. sein: Untersuchungen zu Personennamen

samt Titulaturen, zu Sach-Eigennamen, zur Markierung von Satzschlüssen

in Zeitungstexten.

Die Mannheimer Version steht zur Verfügung

- in satznumerierter Form zur Auswertung mittels REFER (vgl. Punkt

5.2.3)

- in zeilennumerierter Version auf Magnetband

- zusätzlich auf Mikrofiches (vgl. Punkt 5.2.2).

Auch die Mannheimer Version ist nicht absolut fehlerfrei; dies wäre bei

einem manuell erfaßten Drei-Mi 11ionen-Korpus nur mit unvertretbar hohem

Aufwand erreichbar. Wir haben eine Fehlerquote von durchschnittlich 1

Fehler auf 3 Seiten Text (ä 60 Zeilen) in Kauf genommen. Für NO und WELT

1949 sowie für WELT 1969 wurde dies Ziel wahrscheinlich nicht ganz er­

reicht (1 Fehler auf 2 Seiten Text).

105

Z.3. Umfang der Grundmenge 1 und Seitenauswahl

Bonner Zeitungskorpus Teil 1

Jg Grundmenge 1 Seitenauswahl Quote

WE 49 1.684 41 (54) Z,43 (3,Z)(1)

WE 54 3.348 80 Z,40

WE 59 3.9Z0 95 Z,4Z

WE 64 5.635 135 Z,40

WE 69 6.988 168 Z,40

WE 74 6.Z43 150 Z,40

Gesamt

WELT 27.818 669 2,40

ND 49 1.814 5Z Z,87

ND 54 1.976 5Z Z,63

ND 59 Z. 300 56 Z,43

ND 64 Z.1Z5 (+31Z) 53 (+8) 2,50(2)

ND 69 Z. 504 61 Z,44

ND 74 Z. 484 61 Z,46

Gesamt

ND 13.515 343 Z,54

WE + ND 41.333 101Z Z,45

Die 101Z Seiten Auswahlmenge des BZK 1 repräsentieren somit eine Grund­

gesamtheit von 41.333 Seiten in einer Quote von durchschnittlich Z,45 %.

Anm. (1): Aus H e r turnusmäßig ermittelten Auswahlmenge von 54 Seiten wurden 13 herausgenommen und als Zusatzmenge gespeichert, da die WELT im 1. Halbjahr 49 nur an jedem Z. Tag erschienen ist.

Anm. (Z): Die Beilage "Die Gebildete Nation" wurde nachträglich in die Grundmenge und die Auswahl einbezogen.

106

Zusätzlich zu diesen 1012 Seiten wurden zu den meisten Jahrgängen wei­

tere Seiten als Zusatzmengen aufgenommen. Ihr Vorhandensein hat ver­

schiedene Gründe. Bei den früheren Bonner Jahrgängen der Phase 1 handelt

es sich großenteils um eine zusätzliche Auswahl aus dem Monat Februar

(sog. "Februarserie"), die aufgenommen wurde, um bestimmte Fragen sta­

tistischer Repräsentativität bei erhöhter Aufnahmequote zu untersuchen.

Teilweise handelt es sich um irrtümlich und später ausgetauschte Seiten.

In der Mehrzahl jedoch, insbesondere bei den Texten der Phase 2, handelt

es sich um ausgewählte Seiten aus der Grundmenge 2, also um Beila-

gen-Seiten. Die jeweiligen Zusatzmengen sind in 2.4.1 und 2.4.2 auf­

geschlüsselt.

Die Texte dieser Zusatzmengen liegen zum größeren Teil nur in der Bonner

Version vor, d.h. sie sind nicht an die Mannheimer Codierungs-Konvention

angepaßt, nur einmal korrigiert und sind auch nicht mittels REFER am

Bildschirm, sondern nur über allgemeine Suchwortprogramme auswertbar.

2.4. Aufschlüsselung der ausgewählten Seiten nach dem Inhalt

Vorbemerkung

Die Aufschlüsselung muß für ND und WELT gesondert vorgenommen wederi, da

der Spartenaufbau bzw. die Ressortgliederung stark differieren. Aber

auch innerhalb derselben Zeitung schwankt diese Gliederung stark. Die

Zuordnung der Seiten zu einem einmal festgelegten Schema ist daher zu­

mindest bei WE 49 und 54 oft schwierig.

Die Zählung berücksichtigt bei Seiten mit gemischtem Inhalt nur jeweils

halbe Seiten (z.B. 1/2 Wirtschaft, 1/2 Roman).

Weitergehende Mischungen (z.B. zusätzlich noch Anzeigen) wurden nicht

berücksichtigt. Generell können Anzeigen auf jeder Seite Vorkommen; ge­

zählt wurden sie nur, wenn sie annähernd die Hälfte oder mehr einer

Seite ausmachen.

107

2.4.1. Spartenverteilung DIE WELT

.Sparte WE 49 WE 54 WE 5911 WE 64 WE 69

.WE 74

Titelseite 6 8 818 8 7

Politi k 6 11 23 ¡27 26 23 1/2■ Mei nung 1 6 7Reportage 3 ; 1 6 1/2 5 1/2Anzei gen 4 1/2 13 1/2 18 1/2 24 34 1/2 44Leserbriefe 4 4 4Sport 3 4 1/2 6 8 14 8Wirtschaft 5 13 16 1/2 ! 27 25 17Börse 1 4 1/2 ! 5 13 1/2 12Kultur/Feuilleton 8 15 5 ! 5 8 16 1/2Roman 2 3 1/2 ! 5 6 1/2Wi ssenschaft \ 3 1/2Motor/Rei se 1 i 3Aus al1er Welt 9 7 ! 3 8 2Berlin/Regionales 2 15Nachrichten/Berichte 7 1/2{s.Anm.) !

Summe 41 801

95 135 168i

150

-.... .... - | , i

Zusatzauswahli i 1 i

Titelseite 2 2¡"Februarmenge" (gem.) 4 ¡12jKultur/Feui1leton 2 1/2 i 4 1/2 1 1/2lAnzeigen/Stellen- I 8¡Anzeigen sonst. 2 2 1/2Wi rtschaft 2 1/2Beilage GW 5 ! 4 5Beilage Humor 2 2 1Beilage Frau 2 ! 1Sonstiges 2 1 2 i; Reise/Erholung 3 1/2 1:Poli ti k 2 3

!Summe1

13 5 18t

37

i0 7

Anmerkung zu WE 49:In WE 49 ist eine Sparten- oder Ressorteinteilung kaum erkennbar. In der Mehrzahl der Seiten werden Themen aus Innen- und Außenpolitik, Wirt­schaft und Gesellschaft bunt gemischt. Sie werden für diesen Sonderfall in der Rubrik Nachrichten/Berichte (7 1/2) zusammengefaßt.108

2.4.2 Spartenverteilung NEUES DEUTSCHLAND

Sparte ND 49 ND 54 ND 59 i ND 641ND 69 ND 74 1

Titelseite 9 8

. .

9 ; 7 7 8Politik 11 i 18 14 1/2 j 14 17 17 1/2,Wi rtschaf11Produkti o l 5 1 3 1/2 5 1/2 3 3 1/2!Kultur/Feui1leton/ iWissenschaft 9 1 3 7 4+5 5 6 1/2!Reden/Reportagen 6 1/2 |11 10 11 13 1/2 12 1/2jLeserbr./Diskuss. 1+2 1 1Sport 3 1/2 ¡ 3 4 1/2 8 4 6jBerlin/Lokales 5 4 3 1/2 4 1/2 4 1/2.Anzeigen 1 ! 1 3 2 6 1 1/2Vermischtes 2 3+1

Summe1

52 52. _____ _ . -I ._. ......

56 53+8 61 61

Zusatzauswahl Z|E

Reden 18 112"Februarserie"(div.) 5 14 1Kultur 1 3 211 2Wissenschaft/Technik 1 21 2Reportagen/Reden ¡Beilage Freizeit 1

1 1111

2

Beilage Lokales 11Gemischte Auswahl I 8 1 114 1Anzeigen 1 1 1

Summe 0 , 15 5 33 8 18 8

Anmerkung:

ND 49, 64, 69 enthalten keine Seitenüberschriften, ND 74 abweichende.Die Zuordnung erfolgte sinngemäß.

Die Zusatzauswahlen ND 69/Z und ND 74 entstammen der Wochenendbeilage "ND am Wochenende".

In ND 64 ist die Beilage "Die gebildete Nation" in den Hauptfile inte­griert (+ 8 Seiten).1) incl. Theater-, Rundfunk-/Fernseh-Programme und Roman2) ND 64: mit Berlin-Teil

109

2.5. Listen der aufgenommenen Seiten

Die folgenden Listen verzeichnen sämtliche nach dem statistischen Aus­

wahlverfahren aufgenommenen Seiten des BZK 1, also jeweils die Model 1-

mengen. ohne Zusatzmengen. Es handelt sich um genau die Auswahl, die

Grundlage der Microfiche-Veröffentlichung des BZK 1 ist, mit Ausnahme

der Liste des Jahrgangs WE 49; dort sind die mit Z gekennzeichneten Sei­

ten nicht in die Modellmenge aufgenommen worden.

Da den Seiten das genaue Datum und die Artikelnummer zugeordnet sind,

kann jeder im BZK 1 gespeicherte Artikel und jeder daraus extrahierte

Beleg datiert werden.

Die Artikel nummern in der rechten Spalte vermerken jeweils die niedrig­

ste und höchste Artikelnummer auf der betreffenden Seite. Dazwischen

liegende Nummern müssen nicht unbedingt besetzt sein. Beim Übergang von

einem Blatt zum nächsten bleiben aus organisatorischen Gründen ohnehin

meist Nummern frei.

Die Listen sind durchgehend chronologisch geordnet. Die Artikelnume­

rierung und (selten) die Blattnumerierung können springen. Auf dem Mag­

netband und in der Microfiche-Veröffentlichung (Gruppe Klartexte) liegen

die Artikel dagegen in strikt numerisch aufsteigender Folge.

Die Numerierung in der linken Spalte bezieht sich auf die ausgewählten

Seiten in der Textvorlage, die im IdS blattweise durchnumeriert, archi­

viert und gebunden wurde. Wer sich für den Originalartikel, seine Auf­

machung und Plazierung auf der Seite etc. interessiert, kann über die

Blattnummer am einfachsten darauf zurückgreifen und ggf. dazu eine Foto­

kopie/Rückvergrößerung beim IdS bestellen.

110

IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

Z 1 06.01. Do 5 2001-20231 11.01. Di 1 0030-0048

Z 2 22.01. Sa 4 2055-20972 27.01. Do 2 0105-0118

Z 3 01.02. Di 3 2125-21303 12.02. Sa 3 0135-0141

Z 4 17.02. Do 2 2147-21624 22.02. Di 4 0170-0201

Z 5 05.03. Sa 1 2170-21895 10.03. Do 5 0210-0234

Z 6 15.03. Di 6 2200-22296 26.03. Sa 6 0240-0269

Z 7 31.03. Do 4 2240-22807 05.04. Di 1 0275-0300

Z 8 16.04. Sa 5 2290-22978 20.04. Mi 2 0306-0318

Z 9 26.04. Di 2 2300-23139 07.05. So 3 0325-0330

Z 10 12.05. Do 6 2320-234710 17.05. Di 4 0336-0364

Z 11 28.05. Sa 7 2355-237611 02.06. Do 5 0370-0396

Z 12 08.06. Mi 1 2385-241212 18.06. Sa 6 0401-0420

Z 13 23.06. Do 6 2420-244813 28.06. Di 1 0426-044614 06.07. Mi 8 0452-048015 14.07. Do 5 0486-051216 22.07. Fr 2 0518-052717 30.07. Sa 3 0535-054218 30.07. Sa 5 0548-056919 01.08. Mo 4 0575-060320 09.08. Di 5 0610-063221 17.08. Mi 6 0637-064722 25.08. Do 1 0655-067823 02.09. Fr 2 0685-069724 10.09. Sa 9 0705-071025 12.09. Mo 3 0716-072426 20.09. Di 4 0730-075527 28.09. Mi 5 0761-077828 06.10. Do 6 0785-080729 14.10. Fr 1 0815-083730 22.10. Sa 4 0843-086731 22.10. Sa 8 .0868-088732 24.10. Mo 1 0893-091233 01.11. Di 2 0917-092734 09.11. Mi 4 0933-095835 17.11. Do 4 0959-096536 25.11. Fr 3 0970-097937 03.12. Sa 7 0983-099738 05.12. Mo 6 1003-101739 13.12. Di 3 1023-103140 21.12. Mi 8 1037-106341 29.12. Do 2 1070-1081

WELT 1954/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Sa 1 1- 152 02.01. Sa 11 163 02.01. Sa 16 17- 284 11 .01 . Mo 2 29- 445 19.01. Di 3 45- 596 19.01. Di 5 60- 717 27.01. Mi 4 72- 898 04.02. Do 5 101-1169 12.02. Fr 6 117-124

10 20.02. Sa 7 125-13011 20.02. Sa 12 131-13912 20.02. Sa 17 14013 22.02. Mo 8 141-15414 02.03. Di 1 201-21815 10.03. Mi 2 219-23916 10.03. Mi 9 240-24817 18.03. Do 3 249-26418 26.03. Fr 4 265-27119 26.03. Fr 6 272-29220 03.04. Sa 5 301-30821 03.04. Sa 13 309-31322 03.04. Sa 22 31423 05.04. Mo 6 315-34324 13.04. Di 7 344-35425 21.04. Mi 8 355-37126 29.04. Do 1 372-39227 07.05. Fr 2 401-42128 15.05. Sa 3 422-43529 15.05. Sa 14 436-43930 15.05. Sa 30 440-44831 17.05. Mo 4 449-45832 17.05. Mo 7 459-47633 25.05. Di 5 477-48234 02.06. Mi 6 501-51835 02.06. Mi 10 519-53436 10.06. Do 7 535-53837 17.06. Do 8 539-54238 17.06. Do 9 543-55139 26.06. Sa 1 552-56940 26.06. Sa 15 570-57441 26.06. Sa 20 57542 28.06. Mo 2 576-59343 06.07. Di 3 601-61444 06.07. Di 8 615-62745 14.07. Mi 4 628-63846 22.07. Do 5 639-64747 30.07. Fr 6 648-66648 07.08. Sa 7 70149 07.08. Sa 16 70250 07.08. Sa 21 703-70951 09.08. Mo 8 710-72252 17.08. Di 1 723-74253 25.08. Mi 2 743-76154 02.09. Do 3 801-806

112

IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART:-NR.

55 10.09. Fr 1 807- 82456 10.09. Fr 4 825- 83257 18.09. Sa 5 83358 18.09. Sa 17 83459 18.09. Sa 22 835- 83960 20.09. Mo 6 840- 85261 28.09. Di 7 853- 86262 06.10. Mi 8 901- 92063 14.10. Do 1 921- 93864 22.10. Fr 2 939- 95665 30.10. Sa 3 957- 96166 30.10. Sa 12 962- 96467 30.10. Sa 23 96568 01.11. Mo 4 1001-100969 09.11. Di 5 1010-102370 17.11. Mi 6 1024-102771 25.11. Do 7 1028-103072 25.11. Do 10 1031-104973 03.12. Fr 8 1101-111574 11.12. Sa 1 1116-113475 11.12. Sa 13 1135-113776 11.12. Sa 24 113877 13.12. Mo 2 1139-115978 13.12. Mo 5 1160-117479 21.12. Di 3 1175-117980 29.12. Mi 4 1180-1197

113

WELT 1959/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Fr 6 0001-00142 10.01. Sa 7 0020-00323 10.01. Sa 14 0040-00524 12.01. Mo 1 0060-00735 12.01. Mo 3 0080-00886 20.01. Di 8 0090-01047 28.01. Mi 11 0110-01258 05.02. Do 2 0130-01459 13.02. Fr 5 0150-0151

10 21.02. Sa 10 0160-016211 21.02. Sa 11 0170-017112 21.02. Sa 12 0180-018113 21.02. Sa 13 0190-019214 23.02. Mo 7 0200-021415 03.03. Di 1 0220-023216 11.03. Mi 2 0240-025817 11.03. Mi 3 0260-026718 19.03. Do 4 0270-028819 19.03. Do 11 0290-029320 28.03. Sa 5 0300-031021 28.03. Sa 15 0320-032122 31.03. Di 6 0330-034223 08.04. Mi 4 0350-036724 08.04. Mi 7 0370-038525 08.04. Mi 9 0390-039626 16.04. Do 8 0400-040727 16.04. Do 15 0410-041328 24.04. Fr 2 0420-044029 24.04. Fr 3 0450-045630 24.04. Fr 14 0460-047331 02.05. Sa 13 0480-049032 04.05. Mo 2 0500-052033 04.05. Mo 10 0530-054734 12.05. Di 5 0550-055735 20.05. Mi 1 0560-057536 20.05. Mi 6 0580-059037 28.05. Do 3 0600-060738 28.05. Do 9 0610-061339 05.06. Fr 4 0620-063740 05.06. Fr 8 0640-064941 05.06. Fr 11 0650-065142 13.06. Sa 2 0660-067243 13.06. Sa 16 0680-069344 15.06. Mo 3 0700-070745 23.06. Di 7 0710-072746 23.06. Di 10 0730-074747 01.07. Mi 5 0750-075948 01.07. Mi 12 0760-076949 09.07. Do 1 0770-078550 09.07. Do 6 0790-079651 17.07. Fr 9 0799-080952 25.07. Sa 4 0810-082453 25.07. Sa 8 0830-084454 27.07. Mo 6 0850-0854

114

WELT 1959/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

55 04.08. Di 11 086056 04.08. Di 12 0870-088857 12.08. Mi 2 0890-090858 12.08. Mi 7 0910-093259 20.08. Do 5 0940-094660 20.08. Do 10 0950-095861 20.08. Do 12 1000-101062 28.08. Fr 1 1020-103063 05.09. Sa 3 1040-104564 05.09. Sa 9 1050-106165 05.09. Sa 13 1070-108066 07.09. Mo 4 1090-110567 07.09. Mo 8 1110-112668 15.09. Di 1 1130-114769 23.09. Mi 6 1150-115670 23.09. Mi 8 1160-116471 01.10. Do 2 1170-118472 09.10. Fr 5 1190-119473 09.10. Fr 10 1200-120174 09.10. Fr 12 1210-122775 17.10. Sa 1 1230-124676 17.10. Sa 16 1250-126877 19.10. Mo 6 1270-128478 27.10. Di 8 1290-130279 27.10. Di 10 1310-131180 04.11. Mi 14 1320-133481 12.11. Do 7 134082 20.11. Fr 9 1350-136783 28.11. Sa 10 1370-137384 28.11. Sa 12 1380-138285 30.11. Mo 2 1390-140686 30.11. Mo 5 1410-141987 30.11. Mo 9 1420-142788 08.12. Di 7 1430-144589 08.12. Di 9 1450-145390 08.12. Di 11 146091 16.12. Mi 3 1470-147592 16.12. Mi 4 1480-149793 24.12. Do 3 1500-150794 24.12. Do 4 1510-152395 28.12. Mo 1 1530-1547

115

WELT 1964/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Do 1 1- 182 02.01. Do 2 19- 323 02.01. Do 4 35- 51

Z 1 04.01. Sa I 1801Z 2 04.01. Sa II 1802-1805

4 10.01. Fr 3 52- 585 10.01. Fr 3 59- 63

Z 3 16.01. Do I 1806-18176 18.01. Sa 5 65- 667 18.01. Sa 6 67- 698 20.01. Mo 7 70- 869 20.01. Mo 8 87- 9610 20.01. Mo 9 100- 11611 28.01. Di 10 155- 17112 28.01. Di 11 172- 17413 28.01. Di 12 175- 18614 05.02. Mi 13 234- 24015 05.02. Mi 14 241- 25616 13.02. Do 15 288- 29317 13.02. Do 16 294- 300

Z 4 15.02. Sa II 1821-1826Z 5 15.02. Sa IV 182018 21.02. Fr 1 339- 35719 21.02. Fr 2 358- 37320 21.02. Fr 3 374- 38021 29.02. Sa 3 413- 41722 29.02. Sa 4 418- 42723 29.02. Sa 11 428- 44124 02.03. Mo 1 1600-161525 02.03. Mo 5 442- 44626 02.03. Mo 6 447- 45327 10.03. Di 7 454- 47028 10.03. Di 8 471- 48229 10.03. Di 12 483- 49330 18.03. Mi 9 495- 51331 18.03. Mi 10 514- 52232 26.03. Do 11 523- 52833 26.03. Do 12 529- 54034 26.03. Do 13 541- 55235 03.04. Fr 15 553- 56236 03.04. Fr 16 564

Z 6 04.04. Sa III 1828Z 7 04.04. Sa VII 182737 11.04. Sa 17 582- 58738 11.04. Sa 18 58839 11.04. Sa 31 1616-161840 11.04. Sa 32 1619-162041 13.04. Mo 1 589- 60542 13.04. Mo 13 606- 62143 13.04. Mo 14 622- 63244 21.04. Di 19 633- 638

648- 64945 21.04. Di 20 635, 70046 29.04. Mi 21 637, 639

116

WELT 1964/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

47 29.04. Mi 22 640- 642Z 8 07.05. Do II 1829-183248 15.05. Fr 3 681- 68749 15.05. Fr 4 688- 69850 15.05. Fr 13 699- 707

Z 9 16.05. Sa IV 1834-1846Z10 16.05. Sa X 183351 23.05. Sa 5 721- 72852 23.05. Sa 6 708- 72053 23.05. Sa 48 162154 23.05. Sa 57 1622-162355 25.05. Mo 7 729- 75056 25.05. Mo 8 751- 76257 02.06. Di 5 764- 77658 02.06. Di 9 777- 79259 02.06. Di 10 793- 808

Z U 04.06. Do V 184760 10.06. Mi 11 809- 82961 10.06. Mi 12 830- 84362 17.06. Mi 2 1624-164063 17.06. Mi 13 844- 85364 17.06. Mi 14 854- 86265 26.06. Fr 1 1680-169666 26.06. Fr 15 863- 86467 26.06. Fr 16 865- 87068 04.07. Sa 17 87269 04.07. Sa 18 873- 87770 04.07. Sa 26 1641-164471 04.07. Sa 27 1645-1647

ZI 2 04.07. Sa V 1848-185272 06.07. Mo 3 878- 88473 06.07. Mo 4 885- 90474 14.07. Di 5 905- 91375 14.07. Di 6 915- 92476 22.07. Mi 6 925- 93077 22.07. Mi 7 931- 94978 22.07. Mi 8 950- 95979 30.07. Do 9 960- 96480 30.07. Do 10 96581 07.08. Fr 5 1648-165282 07.08. Fr 13 966- 98583 07.08. Fr 14 986- 99184 15.08. Sa 21 99285 15.08. Sa 22 993

ZI 3 15.08. Sa VI 1854-1855Z14 15.08. Sa XVI ■ 185386 17.08. Mo 11 994- 99587 17.08. Mo 12 996-101288 25.08. Di 1 1013-103189 25.08. Di 2 1032-104990 25.08. Di 8 1050-1064

Z15 27.08 Do III 1856-186291 02.09. Mi 1 1065-108092 02.09. Mi 2 1081-1097

WELT 1964/3 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

93 10.09. Do 3 1098-110294 10.09. Do 4 1103-111595 10.09. Do 7 1116-113196 18.09. Fr 5 1132-114297 18.09. Fr 6 1143-115098 26.09. Sa 23 1151-115299 26.09. Sa 25 1153-1159100 28.09. Mo 7 1160-1177101 28.09. Mo 8 1178-1192Z16 03.10. Sa I 1864-1867Z17 03.10. Sa XIX 1863102 06.10. Di 9 1193-1208103 06.10. Di 10 1210-1229104 14.10. Mi 2 1/00-1716105 14.10. Mi 11 1230-1242106 14.10. Mi 17 1243-1251107 22.10. Do 13 1256-1257108 22.10. Do 14 1258-1264109 22.10. Do 17 1653-1661110 30.10. Fr 14 1265-1274111 30.10. Fr 15 1275-1287112 30.10. Fr 16 1288-1302113 07.11. Sa 9 1303-1323114 07.11. Sa 19 1324-1328115 07.11. Sa 20 1329-1337116 09.11. Mo 1 1338-1354117 09.11. Mo 2 1355-1368118 09.11. Mo 10 1369-1376Z18 14.11. Sa IV 1869-1879Z19 14.11. Sa XXII 1868119 17.11. Di 3 1377-1384120 17.11. Di 4 1385-1400121 25.11. Mi 5 1401-1412122 25.11. Mi 6 1413-1424123 25.11. Mi 9 1662-1677124 03.12. Do 16 1425-1435125 03.12. Do 17 1436-1441

1491-1498Z20 03.12. Do IV 1880-1891126 11.12. Fr 7 1442-1460127 11.12. Fr 8 1461-1472128 19.12. Sa 14 1473-1484130 19.12. Sa 16 1504-1522129 19.12. Sa 19 1485-1490131 19.12. Sa 29 1678132 21.12. Mo 9 1523-1539133 21.12. Mo 10 1540-1554134 29.12. Di 11 1555-1570135 29.12. Di 12 1571-1588

118

WELT 1969/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 04.01. Sa 1 201- 2142 04.01. Sa 2 217- 2253 04.01. Sa 3 228- 2344 06.01. Mo 2 238- 2455 06.01. Mo 3 251- 2596 06.01. Mo 4 264- 2837 14.01. Di 3 288- 2968 14.01. Di 4 301- 3089 14.01. Di 5 312- 32510 22.01. Mi 4 334- 35211 22.01. Mi 5 360- 36812 22.01. Mi 6 372- 37813 30.01. Do 5 382- 39514 30.01. Do 6 401- 40315 30.01. Do 7 406- 41316 07.02. Fr 6 417- 41817 07.02. Fr 7 421- 42618 07.02. Fr 8 430- 43519 15.02. Sa 7 445- 44920 15.02. Sa 8 465- 47521 15.02. Sa 9 480- 49322 15.02. Sa 22 500- 50123 17.02. Mo 8 508- 52024 17.02. Mo 9 525- 53025 17.02. Mo 10 535- 55126 25.02. Di 9 557- 56227 25.02. Di 10 56728 25.02. Di 11 571- 58829 05.03. Mi 10 593- 59730 05.03. Mi 11 601- 60231 05.03. Mi 12 60532 13.03. Do 11 610- 62533 13.03. Do 12 630- 63934 13.03. Do 13 645- 65335 21.03. Fr 12 658- 66936 21.03. Fr 13 675- 67837 21.03. Fr 14 683- 69738 21.03. Fr 21 700- 70839 29.03. Sa 15 71240 29.03. Sa 33 717- 71941 29.03. Sa 36 724- 72842 31.03. Mo 14 73243 31.03. Mo 15 736- 74044 31.03. Mo 16 745- 75345 08.04. Di 15 758- 77046 08.04. Di 16 775- 79247 08.04. Di 17 797- 80648 16.04. Mi 16 811- 81449 16.04. Mi 17 819- 82750 16.04. Mi 18 832- 83651 24.04. Do 17 841- 84452 24.04. Do 18 849- 85353 24.04. Do 19 858- 86054 24.04. Do 22 865- 873

WELT 1969/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

55 02.05. Fr 18 878- 88256 02.05. Fr 19 887- 89057 02.05. Fr 20 89560 10.05. Sa 1 940- 95158 10.05. Sa 19 900- 91259 10.05. Sa 20 917- 93162 12.05. Mo 1 979- 99163 12.05. Mo 2 996-100361 12.05. Mo 20 956- 97464 20.05. Di 1 1008-102065 20.05. Di 2 1025-103266 20.05. Di 3 1037-104067 28.05. Mi 2 1045-105268 28.05. Mi 3 1057-105969 28.05. Mi 4 1064-107970 05.06. Do 3 1084-108871 05.06. Do 4 1093-111372 05.06. Do 5 1118-112573 05.06. DO 21 1130-1>3674 13.06. Fr 4 1141-115775 13.06. Fr 5 1162-116976 13.06. Fr 6 1174-118477 21.06. Sa 5 1189-119578 21.06. Sa 6 1199-120779 21.06. Sa 7 1212-121680 23.06. Mo 6 1221-123181 23.06. Mo 7 1236-124582 23.06. Mo 8 1250-125683 01.07. Di 7 126184 01.07. Di 8 1264-126585 01.07/ Di 9 1270-127686 01.07. Di 22 1281-129987 09.07. Mi 8 1304-130788 09.07. Mi 9 131089 09.07. Mi 10 1315-132190 17.07. Do 9 1326-134191 17.07. Do 10 1345-135692 17.07. Do 11 1361-136693 25.07. Fr 10 137194 25.07. Fr 11 1380-139595 25.07. Fr 12 1400-140796 02.08. Sa 22 1412-141497 02.08. Sa 23 1420-142198 02.08. Sa 24 1430-143499 04.08. Mo 12 1439-1456

100 04.08. Mo 13 1460-1469101 04.08. Mo 14 1474-1485102 12.08. Di 13 1490-1492103 12.08. Di 14 1497-1508104 12.08. Di 15 1513-1517105 20.08. Mi 14 1522-1536106 20.08. Mi 15 1541-1543107 20.08. Mi 16 1548-1551108 28.08. Do 15 1556-1558

120

WELT 1969/3 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

109 28.08. Do 16 1563-1572110 28.08. Do 17 1577-1584111 05.09. Fr 16 1590112 05.09. Fr 17 1595-1610113 05.09. Fr 18 1615-1616114 05.09. Fr 21 1620-1625115 13.09. Sa 17 1630-1634116 13.09. Sa 18 1639-1648117 13.09. Sa 19 1653-1655118 15.09. Mo 18 1660-1669119 15.09. Mo 19 1674-1679120 15.09. Mo 20 1684-1693121 15.09. Mo 21 1698-1703124 23.09. Di 1 1738-1749122 23.06. Di 19 1708-1714123 23.06. Di 20 1719-1733126 01.10. Mi 1 1772-1784127 01.10. Mi 2 1789-1796125 01.10. Mi 20 1754-1767128 09.10. Do 1 1801-1813129 09.10. Do 2 1818-1825130 09.10. Do 3 1830-1832131 17.10. Fr 21 1837-1848132 17.10. Fr 24 1853-1862133 17.10. Fr 25 1867-1873134 17.10. Fr 26 1878-1896135 25.10. Sa 25 1901-1908136 25.10. Sa 26 1913-1918137 25,10. Sa 27 1925138 27.10. Mo 4 1935-1950139 27.10. Mo 5 1955-1962140 27.10, Mo 6 1967-1978143 04.11, Di 7 2012-2021141 04.11. Di 17 1983-1992142 04.11. Di 18 1997-2007144 12.11. Mi 27 2026-2030145 12.11, Mi 28 2035-2051146 12.11, Mi 29 2056147 20.11. Do 22 2061-2066148 20.11. Do 23 2071-2081149 20.11. Do 24 2086150 20.11. Do 25 2091-2097151 28.11. Fr 8 2102-2106152 28.11. Fr 9 2111-2118153 28.11. Fr 23 2123-2129154 06.12. Sa 30 2134-2135155 06.12. Sa 31 2140-2144156 06.12. Sa 32 2149-2150157 08.12. Mo 10 2155-2163158 08.12. Mo 11 2170-2183159 08.12. Mo 12 2188-2196160 16.12. Di 11 2204-2218161 16.12. Di 12 2228-2231162 16.12. Di 13 2236-2245

121

WELT 1969/4 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

163 24.12. Mi 13 2250-2254164 24.12. Mi 14 2259-2265165 24.12. Mi 15 2270-2275166 31.12. Mi 13 2280-2283167 31.12. Mi 14 2288-2294168 31.12. Mi 16 2299-2308

122

IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Mi 1 0001-00112 02.01. Mi 2 0016-00343 02.01. Mi 3 0040-00424 10.01. Do 2 0047-00625 10.01. Do 3 0067-00696 10.01. Do 4 0074-00847 18.01. Fr 3 0085-00908 18.01. Fr 4 0095-01059 18.01. Fr 5 0110-0118

10 26.01. Sa 32 012411 26.01. Sa 33 0130-013112 26.01. Sa 34 0136-014113 28.01. Mo 5 0146-015314 28.01. Mo 6 0158-016815 28.01. Mo 7 0174-018616 05.02. Di 6 0191-020117 05.02. Di 7 0206-021518 05.02. Di 8 0225-024019 13.02. Mi 7 0245-025120 13.02. Mi 8 0256-026121 13.02. Mi 9 0266-028522 21.02. Do 8 0290-030123 21.02. Do 9 0305-032024 21.02. Do 10 0325-033925 01.03. Fr 9 0345-035126 01.03. Fr 10 035627 01.03. Fr 11 0360-037928 09.03. Sa 10 0384-039329 09.03. Sa 11 0398-041230 09.03. Sa 12 0415-042431 11.03. Mo 11 042932 11.03. Mo 12 0434-043533 11.03. Mo 13 0440-045334 19.03. Di 12 0460-046835 19.03. Di 13 0475-047836 19.03. Di 14 0480-048537 27.03. Mi 13 0490-049638 27.03. Mi 14 0500-051239 27.03. Mi 15 0520-052240 04.04. Do 14 0530-053741 04.04. Do 15 0540-054342 04.04. Do 16 0550-055843 13.04. Sa 24 0565-056844 13.04. Sa 27 0575-057945 13.04. Sa 28 0585-059046 20.04. Sa 16 0600-060847 20.04. Sa 17 0615-061748 20.04. Sa 18 062049 22.04. Mo 17 0625-063350 22.04. Mo 18 0640-065351 22.04. Mo 19 0660-066952 30.04. Di 18 067553 30.04. Di 19 0680-068354 30.04. Di 20 0690-0697

123

WELT 1974/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

55 08.05. Mi 19 0700-071056 08.05. Mi 1 0720-072957 16.05,. Do 1 0735-073958 16.05. Do 2 0745-075859 16.05. Do 3 0765-077460 24.05. Fr 2 0780-079561 24.05. Fr 3 0800-081362 24.05. Fr 4 0820-083163 01.06. Sa 29 0840-084264 01.06. Sa 30 0850-085365 01.06. Sa 31 0860-086466 04.06. Di 4 0870-088167 04.06. Di 5 0890-090268 04.06. Di 6 0910-092569 11.06. Di 5 0930-094370 11.06. Di 6 0950-095971 11.06. Di 7 096572 19.06. Mi 6 0970-097873 19.06. Mi 7 098574 19.06. Mi 8 0990-099775 27.06. Do 7 1000-100776 27.06. Do 8 1010-101977 27.06. Do 9 1025-103578 05.07. Fr 8 1040-105179 05.07. Fr 9 1060-107180 05.07. Fr 10 1080-108981 13.07. Sa 9 1095-109782 13.07. Sa 10 1100-110783 13.07. Sa 11 1115-112484 15.07. Mo 10 1130-114085 15.07. Mo 11 1145-115186 15.07. Mo 12 1160-116687 23.07. Di 11 117588 23.07. Di 12 1180-119289 23.07. Di 13 1200-120990 31.07. Mi 12 1215-122591 31.07. Mi 13(1) 123092 31.07. Mi 14(2) 1235-123693 08.08. Do 13 1245-124994 08.08. Do 14 1255-126795 08.08. Do 17 1275-128696 16.08. Fr 14 1295-130997 16.08. Fr 1 1315-132798 16.08. Fr 2 1335-135199 24.08. Sa 1 1360-1371100 24.08. Sa 2 1380-1395101 24.08. Sa 3 1400-1410102 26.08. Mo 2 1415-1431103 26.08. Mo 4 1440-1452104 26.08. Mo 5 1460-1468105 03.09. Di 6 1475-1483106 03.09. Di 7 1490-1494107 03.09. Di 8 1500-1506108 11.09. Mi 9 1515-1527

124

IOS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR

109 11.09. Mi 10 1535-1546110 19.09. Do 11(111) 1555-1560111 19.09. Do 12(IV) 1565-1568112 27.09. Fr 13 1575-1584113 27.09. Fr 14 1590-1594114 05.10. Sa 25 1600115 05.10. Sa 26 1605-1606116 07.10. Mo 15 1615-1622117 07.10. Mo 16 1630-1646118 15.10. Di 16 1635-1659119 15.10. Di 17 1665-1669120 15.10. Di 18 1675-1682121 23.10. Mi 17 1690-1695122 23.10. Mi 18(1) 1700-1703123 23.10. Mi 19(11) 1710-1712124 31.10. Do 20(11) 1720-1728125 31.10. Do 21(111) 1735-1738126 31.10. Do 22(IV) 1745-1751127 08.11. Fr 15 1760-1765128 08.11. Fr 20 1770-1781129 08.11. Fr 21 1790-1797130 16.11. Sa 22 1805-1808131 16.11. Sa 23 1815132 18.11. Mo 1 1820-1828133 18.11. Mo 15 1835-1843134 26.11. Di 1 1850-1860135 26.11. Di 16 1865-1870136 26.11. Di 17 1875-1879137 04.12. Mi 22 1885-1886138 04.12. Mi 23 1890-1893139 04.12. Mi 24(1) 1900140 12.12. Do 20(IV) 1910-1915141 12.12. Do 21 1920-1928142 20.12. Fr 3 1935-1943143 20.12. Fr 4 1950-1961144 20.12. Fr 5 1970-1979145 28.12. Sa 15 1985-1991146 28.12. Sa 16 2000-2016147 28.12. Sa 17 2025-2026148 30.12. Mo 4 2035-2047149 30.12. Mo 5 2055-2062150 30.12. Mo 6 2070-2078

125

ND 1949 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 01.01. Sa 5 0001-00032 11.01. Di 2 0010-00273 19.01. Mi 3 0035-00454 27.01. Do 7 0050-00645 04.02. Fr 1 0070-00926 12.02. Sa 4 0100-01257 13.02. So 2 0130-01498 22.02. Di 3 0155-01629 02.03. Mi 4 0170-0174

10 10.03. Do 1 0180-020311 18.03. Fr 2 0210-023412 26.03. Sa 3 0240-025413 27.03. So 8 0260-027314 05.04. Di 4 0280-029815 13.04. Mi 5 0310-032316 21.04. Do 1 0330-034517 29.04. Fr 6 0350-036318 07.05. Sa 2 0370-039519 08.05. So 4 0400-040220 17.05. Di 5 0410-042621 25.05. Mi 1 0435-045622 02.06. Do 6 0465-047623 10.06. Fr 2 0485-051524 18.06. Sa 3 0520-052925 19.06. So 5 0535-054626 28.06. Di 6 0550-056827 06.07. Mi 1 0575-060228 14.07. Do 2 0610-063329 22.07. Fr 3 0640-065130 30.07. Sa 4 066031 31.07. So 6 0670-068932 09.08. Di 1 0700-072133 17.08. Mi 2 0730-075234 25.08. Do 3 0760-076935 02.09. Fr 4 0775-078136 10.09. Sa 5 0790-081137 11.09. So 1 0820-083538 20.09. Di 2 0840-086439 28.09. Mi 3 0870-088440 06.10. Do 5 0890-089341 14.10. Fr 1 0900-092842 22.10. Sa 6 0935-095643 23.10. So 2 0965-098244 01.11. Di 3 0990-100045 09.11. Mi 4 1010-101546 18.11. Fr 5 1020-103747 25.11. Fr 6 1045-106648 03.12. Sa 1 1075-108849 04.12. So 3 1100-111050 13.12. Di 4 1120-112251 21.12. Mi 5 113052 29.12. Do 6 1135-1150

126

IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1/2 01.01. Fr 1 1- 53 10.01. So 3 700- 7024 19.01. Di 4 28- 335 27.01. Mi 5 34- 496 04.02. Do 7 50- 657 12 02. Fr 2 66- 778 20.02. Sa 3 78- 869 21.02. So 4 703- 71510 02.03. Di 5 95- 10611 10.03. Mi 6 107- 12312 18.03. Do 1 124- 13613 26.03. Fr 3 137- 14314 03.04. Sa 4 144- 14815 04.04. So 7 716- 71916 13.04. Di 5 153- 17017 21.04. Mi 6 171- 18818 29.04. Do 6 630- 63219 07.05. Fr 4 206- 21120 15.05. Sa 5 212- 22521 16.05. So 2 720- 73322 25.05. Di 1 230- 24123 02.06. Mi 2 242- 25324 10.06. Do 3 254- 25825 18.06. Fr 5 259- 27426 26.06. Sa 8 275- 29127 27.06. So 7 735- 74028 06.07. Di 6 300- 31729 14.07. Mi 1 318- 326

32130 22.07. Do 2 327- 34131 30.07. Fr 6 342- 35732 07.08. Sa 1 633- 64333 08.08. So 2 741- 75334 17.08. Di 3 372- 37935 25.08. Mi 4 380- 38636 02.09. Do 5 387- 40637 10.09. Fr 1 407- 42138 18.09. Sa 2 422- 43539 19.09. So 3 755- 76540 28.09. Di 4 448- 45041 06.10. Mi 5 451- 47042 14.10. Do 6 473- 49243 22.10. Fr 1 493- 50444 30.10. Sa 2 505- 51345 31.10. So 4 766- 77046 09.11. Di 8 522- 54447 17.11. Mi 3 545- 55248 25.11. Do 4 553- 56249 03.12. Fr 5 563- 57150 11.12. Sa 6 572- 59051 12.12. So 1 771- 77652 21.12. Di 2 610- 62053 29.12. Mi 3 603- 604

127

ND 1959 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 01.01. Do 1 0001-00072 09.01. Fr 3 0010-00183 17.01. Sa 4 0020-00294 18.01. So 5 0035-00365 26.01. Mo 2 0040-0050.6 03.02. Di 2 0055-00657 11.02. Mi 6 0070-00798 19.02. Do 7 0085-01009 27.02. Fr 1 0105-011810 07.03. Sa 3 012011 08.03. So 4 0125-013012 16.03. Mo 1 0135-014413 24.03. Di 5 0150-016714 01.04. Mi 2 0170-018315 09.04. Do 8 0190-020216 17.04. Fr 6 0210-021417 25.04. Sa 1 0220-022718 26.04. So 3 0230-023319 04.05. Mo 2 0240-025120 12.05. Di 5 0255-026621 20.05. Mi 1 0270-027822 28.05. Do 7 0280-028223 05.06. Fr 4 0290-030424 13.06. Sa 6 0310-031925 14.06. So 1 0325-033426 22.06. Mo 3 0340-034627 30.06. Di 2 0350-036528 08.07. Mi 4 0370-037229 08.07. Mi 5 0380-038830 16.07. Do 6 0395-039831 24.07. Fr 5 0400-040532 24.07. Fr 8 0410-042733 01.08. Sa 4 0430-043834 02.08. So 6 0445-045935 10.08. Mo 1 0460-047136 18.08. Di 3 0480-048937 26.08. Mi 2 0495-050938 03.09. Do 4 0515-051739 11.09. Fr 4 0520-052940 19.09. Sa 2 0535-053841 20.09. So 3 054042 27.09. Mo 8 0555-057643 06.10. Di 1 0580-058444 14.10. Mi 3 059045 22.10. Do 2 0595-060646 30.10. Fr 7 0610-062647 07.11. Sa 5 0630-063348 07.11. Sa 6 0640-064649 08.11. So 3 065050 16.11. Mo 4 0655-066751 24.11. Di 4 0670-067552 02.12. Mi 1 0680-068553 10.12. Do 3 0690-069354 18.12. Fr 2 0700-071255 25.12. Fr 5 0720-073356 28.12. Mo 6 0740-0755

128

ND 1964 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Do 1 1- 112 10.01. Fr 2 12- 253 18.01. Sa 3 26- 30

4/5 20.01. Mo 2 31- 496 28.01. Di 3 68- 727 05.02. Mi 4 748 13.02. Do 5 75- 849 21.02. Fr 6 8510 29.02. Sa 7 8911 02.03. Mo 3 90- 9812 10.03. Di 4 99- 10913 18.03. Mi 5 110- 11614 26.03. Do 6 117- 12715 03.04. Fr 7 128- 12916 11.04. Sa 5 130- 15317 13.04. Mo 4 154- 16918 21.04. Di 5 170- 18919 29.04. Mi 6 190- 19420 15.05. Fr 1 195- 20021 23.05. Sa 2 209- 22222 25.05. Mo 3 223- 23423 02.06. Di 6 235- 24524 10.06. Mi 7 246- 27225 18.06. Do 8 273- 28826 26.06. Fr 1 289- 29927 04.07. Sa 2 300- 31728 06.07. Mo 4 348- 35729 14.07. Di 1 358- 36930 22.07. Mi 2 370- 37731 30.07. Do 3 378- 39132 07.08. Fr 8 392- 40533 15.08. Sa 6 406- 42034 17.08. Mo 1 428- 43935 25.08. Di 2 440- 45536 02.09. Mi 3 20737 10.09. Do 4 472- 48238 18.09. Fr 5 48339 26.09. Sa 8 484- 49940 28.09. Mo 6 500- 50841 06.10. Di 3 509- 51342 06.10. Di 10 325- 33543 22.10. Do 2 527- 54244 30.10. Fr 1 543- 55745 07.11. Sa 7 558- 57846 09.11. Mo 3 579- 59447 17.11. Di 4 595- 60048 25.11. Mi 5 601- 61449 03.12. Do 8 615- 63150 11.12. Fr 7 632- 64751 19.12. Sa 6 648- 66652 21.12. Mo 1 667- 68353 29.12. Di 5 684- 686

129

ND 1969/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

T 04.01. Sa 1 1- 92 06.01. Mo 2 11- 264 14.01. Di 3 41- 425 22.01. Mi 4 45- 466 30.01. Do 5 48- 697 07.02. Fr 6 72- 788 15.02. Sa 7 80- 959 17.02. Mo 8 97

10 25.02. Di 1 101- 113E 1 25.02. Di 4 900- 91012 05.03. Mi 2 121- 13213 13.03. Do 3 135- 14214 21 03. Fr 4 146- 15315 29.03. Sa 5 155- 17416 31.03. Mo 6 177- 19617 08.04. Di 7 201- 220

E 2 08.04. Di 8 915- 924E 3 16.04. Mi 3 930- 93318 16.04. Mi 8 222- 23919 24.04. Do 1 243- 25220 02.05. Fr 2 255- 26421 10.05. Sa 3 265- 26722 15.05. Mo 4 270- 28023 20.05. Di 5 283- 28824 28.05. Mi 6 290- 29525 05.06. Do 7 298- 316

E 4 13.06. Fr 5 938- 94426 13.06. Fr 8 320- 33527 21.06. Sa 1 339- 35128 23.06. Mo 2 354- 36529 01.07. Di 3 368- 379

E 5 09.07. Mi 1 950- 95930 09.07. Mi 4 383- 38332 17.07. Do 5 412- 42233 25.07. Fr 6 426- 432

E 6 02.08. Sa 6 965- 96734 02.08. Sa 7 435- 44835 04.08. Mo 8 451- 45236 12.08. Di 1 455- 46837 20.08. Mi 2 471- 48138 28.08. Do 3 484- 48940 05.09. Fr 4 497- 504

E 7 05.09. Fr 7 972- 99341 13.09. Sa 5 507- 51242 15.09. Mo 6 51543 . 23.09. Di 7 518- 53944 01.10. Mi 8 543- 54948 09.10. Do 1 561- 56949 17.10. Fr 2 572- 58550 25.10. Sa 3 58851 27.10. Mo 4 590- 60152 04.11. Di 5 603- 61553 12.11. Mi 6 618- 622

E 8 20.11. Do 2 995-1009

130

ND 1969/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

54 20.11. Do 7 624- 64955 28.11. Fr 8 652- 66556 06.12. Sa 1 668- 67757 08.12. Mo 2 680- 70259 16.12. Di 3 72660 24.12. Mi 4 728- 73761 31.12. Do 5 741- 747

131

ND 1974/1 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

1 02.01. Mi 1 0001-00122 10.01. Do 2 0018-00293 18.01. Fr 3 00354 26.01. Sa 4 0041-00475 28.01. Mo 5 0055-00796 05.02. Di 3 00857 05.02. Di 6 0091-00988 13.02. Mi 7 0104-01289 21.02. Do 4 0134-014510 21.02. Do 8 0151-016411 01.03. Fr 2 0170-018312 09.03. Sa 3 0189-019313 11.03. Mo 4 0198-021414 19.03. Di 5 0219-023315 27.03. Mi 6 0238-024216 04.04. Do 7 0247-027017 13.04. Sa 5 0295-030718 20.04. Sa 1 0312-031719 22.04. Mo 3 0322-032720 30.04. Di 4 0337-035021 08.05. Mi 3 035522 08.05. Mi 5 0360-036823 16.05. Do 6 0373-037624 24.05. Fr 4 0381-039225 24.05. Fr 7 0396-041626 01.06. Sa 8 0426-043627 04.06. Di 1 0441-044928 11.06. Di 2 0454-047129 19.06. Mi 4 0476-048930 27.06. Do 5 0494-051131 05.07. Fr 6 0516-052032 13.07. Sa 7 0525-054933 15.07. Mo 8 0556-057434 23.07. Di 1 0579-058435 31.07. Mi 2 0589-060936 08.08. Do 3 0614-062237 16.08. Fr 5 0627-063438 24.08. Sa 6 0639-064339 26.08. Mo 2 0648-067040 26.08. Mo 7 0676-068941 03.09. Di 6 0695-069942 03.09. Di 8 0705-072543 11.09. Mi 1 0731-074144 19.09. Do 2 0747-076445 27.09. Fr 5 0770-078146 05.10. Sa 4 0787-079447 07.10. Mo 6 0800-081248 15.10. Di 7 0818-084249 23.10. Mi 8 0852-087350 31.10. Do 1 0879-088851 08.11. Fr 2 08 -090952 08.11. Fr 8 0915-092853 16.11. Sa 3 0935-094654 18.11. Mo 1 0951-0963

132

ND 1974/2 IDS-BLATT DATUM TAG SEITE ART.-NR.

55 18.11. Mo 4 0968-098256 26.11. Di 5 098857 04.12. Mi 7 0995-102358 12.12. Do 8 1030-104959 20.12. Fr 1 1055-106460 28.12. Sa 2 1070-108861 30.12. Mo 3 1095-1106

133

2.6 Statistische Angaben

Text1

Artik2

. Sätze3

Zeilen4

token5

types6

type/tokenRel.

7Satz- 1 änge

8Artikel- länge

9Text- 1 äng. Fakt.

D49 820 13498 31561 206186 32077 6,43 15,28 251,44 0,79

D54 591 12931 34255 207624 27869 7,45 16,06 351,31 1,24

D59 522 13044 31914 208003 29231 7,12 15,95 398,47 1,41

D64 630 12625 33285 193844 31288 6,20 15,35 307,69 1,96

D69 649 10775 28390 173554 26818 6,48 16,11 267,42 2,39

D74 795 11135 28390 179043 28022 6,39 16,08 225,21 2,03

D.. 4007 74008 187795 1168254 175305 6,66 15,79 291,55 1,60

W49 768 12251 27073 163359 33383 4,9 13,33 212,71 1,26

W54 901 19211 46626 258281 42794 6,04 13,44 286,66 0,80

W59 1063 22272 48818 292774 47409 6,18 13,15 275,42 0,71

W64 1428 26905 69667 379429 58297 6,51 14,10 265,71 0,51

W69 1411 31246 77838 414466 64179 6,46 13,26 293,74 0,42

W74 1262 26869 62213 362957 59662 6,42 13,51 287,60 0,49

W.. 6833 138754 332235 1871266 305724 6,12 13,49 273,86 0,62

Alle 10840 212762 520030 3039520 481029 6,32 14,29 280,40

Spalte 1 = Zahl der ArtikelSpalte 2 = Zahl der SätzeSpalte 3 = Zahl der Zeilen im Ausdruck bzw. MicroficheSpalte 4 = Zahl der lfd. Wörter (tokens), u = u TextlängeSpalte 5 = Zahl der verschiedenen Wortformen (types) (ohne Sonderzei­

chen und Transkriptionszeichen, incl. Zahlen), = Vokabular Spalte 6 = type-token-Relation (tokens/types)Spalte 7 = Durchschnittliche Satzlänge (tokens/Sätze)Spalte 8 = Durchschnittliche Artikellänge (tokens/Artikel)Spalte 9 = Textlängenfaktor (tokens WELT/tokens ND)

(tokens ND/tokens WELT)

134

3. ZUR CODIERUNG DES BZK 1

3.1. Allgemeines zur Textcodierung

Unter Textcodierung verstehe ich zunächst jede Art von absichtlicher

Veränderung an Texten, die man vornimmt, wenn man Texte auf Datenträger

übertragen und maschinenverfügbar machen will.

Auch "Text" ist sehr allgemein zu verstehen: gemeint sind damit nicht

nur die Buchstaben und Zeilen, die sich zu Wörtern, Sätzen und Text im

linguistischen Sinne verbinden (das wäre sehr einfach), sondern auch

alles andere, was sich z.B. auf einer Zeitungsseite befindet, z.B. Bil­

der (Fotos), Tabellen und Graphiken, Spartenüberschriften und Impressum,

Werbezeichnungen, Firmenembleme, Warenzeichen und Lottozahlen. Es ge­

hören dazu auch die besonderen Mittel, die eine Zeitung anwendet, um

Texte zu gliedern, Textteile hervorzuheben oder in Beziehung zu anderen

zu setzen, wie unterschiedliche Schriftgrade (z.B. bei Überschriften)

oder Schriftdicken, mehrspaltiger Satz, Einrückungen, Sperrungen, Stri­

che, Punkte und Pfeile, 5ymbolzeichen der verschiedensten Art (z.B. für

Telefon, Paragraph, Prozent, Dollar usw.).

Gegenüber dieser Fülle an Möglichkeiten mutet der Zeichenvorrat in DV-

Anlagen und die Möglichkeiten ihn einzusetzen geradezu ärmlich an: Auf

den früheren Lochkartengeräten waren gerade 48 Zeichen, auf den späteren

64 Zeichen verfügbar; ein moderner Bildschirm mit Groß-/Kleinschreibung

verfügt über 84 Zeichen, die normalen Schnelldrucker-Ketten über 126

Zeichen, Hinzu kommt, daß in der Textvorlage nebeneinander Geordnetes

(wie Mehrspaltensatz, Tabellen, Graphiken oder Zeichnungen mit inte­

griertem Text) bei der Erfassung in eine lineare Ordnung gebracht werden

muß.

Eine Veränderung oder Bearbeitung ist also in jedem Falle unerläßlich.

Die Frage ist, in welchem Sinne diese Veränderung vorgenommen werden

sol 1 .

Eine Textdokumentation, die für möglichst viele verschiedene, auch vor-

135

her nicht bekannte Zwecke dienen soll, wird vor allem der Forderung nach

möglichst weitgehender dokumentarischer Treue folgen, also dem Grund­

satz: so wenig abändern wie möglich. Das impliziert die Forderung nach

Vollständigkeit und nach zeichengetreuer Umsetzung und nach Verzicht auf

Zutaten.

Dagegen wird der Benutzer, hier also der auswertende Linguist, auch wenn

er die "ganze" Zeitung als Textgrundlage wünscht, "Vollständigkeit"

nicht so umfassend verstehen wie der Dokumentär: Gleichbleibende Teile

wie der Zeitungskopf, Spartenüberschriften, Impressum, Preisangaben der

Zeitung etc. interessieren ihn nicht, selten auch Zahlenkolonnen, wie

sie in den täglichen Börsenübersichten Vorkommen. Dafür interessieren

ihn um so mehr linguistische Merkmale, die der Originaltext in aller Re­

gel keineswegs in der gewünschten Eindeutigkeit oder Vollständigkeit

liefert, z.B. eine Markierung der Satzgrenzen und der Satzgliederung

oder z.B. eine Beschränkung der Großschreibung auf Substantive und An­

redenpronomen; auch wünscht er vielleicht Überschriften von Normaltext

oder deutschen Text von fremdsprachigem zu unterscheiden oder die Anfüh­

rungszeichen funktional zu differenzieren. Das alles mußte bei der Er­

fassung durch Auslassungen oder Einfügungen unterschiedlicher Art gere­

gelt werden. Bei der Formulierung dieser Codierregeln tritt erfahrungs­

gemäß eine Schwierigkeit auf: Vieles was dem später auswertenden und

deshalb vorher regelformulierenden Linguisten ganz klar zu sein scheint,

ist so klar in der Praxis nicht, und vor allem nicht den Schreibkräften,

die die Regeln anzuwenden haben (z.B.: was ist ein Name? was ist ein

Satzschluß?). Je mehr Ausnahmeregelen oder Interpretationshilfen eine

Codierregel nach sich zieht, um so mehr spricht dafür, auf sie zu ver­

zichten und lieber genau so zu schreiben, wie es in der Textvorlage

steht. Auch bei der Codierung der Bonner Zeitungstexte ist die anfäng­

liche Codierungseuphorie einer zunehmenden Skepsis gewichen.

Grundsätzlich muß aber für jede Codierung gelten: Sie muß als solche

formal erkennbar sein und sie muß reversibel sein. Eine Codierung, die

den ursprünglichen Textzustand nicht wieder herzustellen erlaubt, ver­

fälscht ihn und macht darauf bezogene Auswertungen unmöglich. Man muß

gute Gründe haben, um dies inkauf zu nehmen.

136

Sind die Forderungen des Dokumentars nach Vorlagentreue und des auswer­

tenden Linguisten nach erleichterter Auswertbarkeit durch Codierung

schon oft schwer vereinbar, so tritt als dritte Forderung die des Daten­

verarbeiters nach formaler Konsequenz hinzu: Gleiches habe auch formal

gleich zu sein (= identische Zeichenketten), Zusammengehöriges muß auch

zusammen geschrieben sein (kein Leeranschlag im "Wortinneren"); zwischen

Wort und Nichtwort, Satz und Nichtsatz, Text und Nichttext ist eindeutig

zu unterscheiden. Diese Forderung führt unter Umständen zu Veränderungen

am und im Wort, an Satzzeichen, am Text überhaupt, die einer der beiden

obengenannten Forderungen oder beiden widersprechen. Obwohl die Be­

nutzung z.B. alphabetischer Register ohne Zweifel die Berücksichtigung

bestimmter Sortierkriterien - und damit bestimmter Codierungen - nahe­

legt, ist auch hier Skepsis am Platz: Es hat keinen Zweck, aus Gründen

der Datenverarbeitung den Texten eine Einheitlichkeit überzustülpen, die

diese nun einmal nicht haben. Schreibvarianten und Sortierprobleme wird

es immer geben. Perfekte Register sind nur um den Preis starker Ein­

griffe in den Text und/oder sehr hohen Codieraufwandes zu haben.

Eine letzte Forderung, die in der Praxis sogar von ausschlaggebendem Ge­

wicht sein kann, kollidiert möglicherweise mit allen drei vorgenannten:

die Forderung nämlich, daß auf ein bestimmtes, schon vorhandenes und

lange praktiziertes Codiersystem Rücksicht zu nehmen ist und daß neue

Texte, auch um eine einheitliche maschinelle Auswertung zu gewährlei­

sten, sich diesem System anzupassen haben, - Forderungen eins bis drei

hin oder her.

So galt z.B. für das Mannheimer Korpus von Anfang an die Regel: Jeder

Satz wird durch Punkt zwischen blanks (= Leeranschlag) geschlossen. Nach

Fragezeichen, Ausrufezeichen wird zusätzlich ein Satzschlußpunkt ge­

setzt. Wenn gar kein Satzschlußzeichen vorhanden ist, wird trotzdem

Punkt zwischen blanks gesetzt. Grund für die strikte Satzschlußregelung

war, daß der linguistische Ansatz für das Mannheimer Korpus 1 vor allem

ein grammatisch-syntaktischer war: es sollten Sätze gefunden und ana­

lysiert werden. Da das Korpus ganz überwiegend aus literarischen Texten

bestand, traten Probleme kaum auf: Die meisten Sätze schlossen ohnehin

mit Punkt; die Codierung für Fragezeichen und Ausrufezeichen war re-

137

versibel, Sätze ohne Satzschlußpunkt kamen fast nur in Überschriften

vor, und diese wiederum waren codiert, genauer: transkribiert.

Erst bei der Anwendung auf Zeitungstexte wurde die Problematik erkenn­

bar: Bis zu 15 X der "Sätze" sind in der Textvorlage nicht durch Satz­

schlußpunkte abgeschlossen. Vor allem in Tabellen, Listen, Schaubildern,

in zahlreichen Werbeanzeigen werden andere als die laut DUDEN vorgese­

henen Mittel zur Gliederung von Äußerungen benutzt (z.B. solche des

layout). Aber auch in Familien- und Kleinanzeigen, bei Aufrufen, Paro­

len, Slogans, in BiIdbeiSchriften, Bilanzen und Bekanntmachungen wird

vom Mittel des klassischen Satzschlußpunktes manchmal nur sparsam oder

ungewöhnlicher Gebrauch gemacht. Hier wird die sonst unproblematische

Codierregel für Satzschlüsse nicht nur für die Schreibkräfte problema­

tisch, sondern auch, mangels "richtiger Sätze", für die spätere lin­

guistische Auswertung. Vor allem aber verstößt sie gegen das Prinzip der

Reversibilität: Man kann den DV-gespeicherten Texten nicht mehr ansehen,

was in der Textvorlage gestanden hat.

Gleichwohl wurde bei der Anpassung des BZK an die Mannheimer Konven­

tionen diese Regelung aus den erwähnten Gründen übernommen und ange­

wandt. Uns schien dies vertretbar, da die ursprüngliche Bonner Version

ja weiterhin zugänglich ist. Wer sich also für die Frage interessiert,

wie häufig z.B. in den Bonner Zeitungstexten der Satzschlußpunkt wirk­

lich vorkommt, kann die Bonner Version benutzen.

Im übrigen ist die auf das BZK angewandte Codierung, wie nicht anders zu

erwarten, ein Kompromiß.

Als oberster Grundsatz galt allerdings: So textnah wie möglich. Gegen­

über dem Gebot der Vollständigkeit wurden gewisse Abstriche gemacht:

Zeitungskopf, Impressum, Spartenüberschriften und anderes stets Gleich­

bleibendes wird als Nicht-Text definiert und übergangen. Anderes, das im

laufenden Text vorkommt, aber ohne erkennbares linguistisches Interesse

ist, wie z.B. Zahlenkolonnen, wird ausgelassen, aber das Ausgelassene

durch Hinweis gekennzeichnet. Auch Dinge, die durch Schrift nicht wie­

derzugeben sind, wie Graphiken, Firmenembleme, Zeichnungen, Fotos, Sym-

138

bolzeichen, werden ausgelassen, aber als Ausgelassenes gekennzeichnet.

Drucktechnische Besonderheiten wie Halbfettdruck, Sperrdruck, Kursive

o.a. werden im BZK nicht markiert.

3.2 Arten von Codierungen

Wir unterscheiden

a) Codierungen am Wort, die bei der Textzerlegung sortierrelevant wer­den:

z.B. Großschreibung am Satzanfang wird ausgeglichen; Großgeschriebene Adjektive als Teil von Eigennamen und Personen-Fami1iennamen erhal­ten Zusatzmarkierungen.Hybridwörter aus Zahlen und Buchstaben werden mit Bindestrich durch­gekoppelt, (7-1/2-t-Kipper statt 7 1/2 t Kipper) etc.

b) Codierungen im Satz, die Sonderzeichen ihrer Funktion nach (syntak­tische oder andere) vereindeutigen:

z.B. alle Zeichen mit syntaktischen Funktionen stehen zwischen blanks etc.

c) Codierungen bestimmter Textstellen, die es erlauben, diese Textstel­len gesondert anzusprechen oder zu übergehen. (Diese Codierungen heißen Transkriptionen):

z.B. Überschriften, fremdsprachige Textstellen usw. werden durch Ein­fügen von Transkriptionszeichen am Anfang und am Ende markiert.

d) Codierungen an der Textgestalt

z.B. Überschriften werden durch Leerzeile vom Normaltext getrennt; Absätze werden durch Einrückung von 3 Leeranschlägen oder durch Leer­zeile markiert.

Diese Codierungen sollen die Lesbarkeit des dv-gespeicherten Textes verbessern.

Die Forderung nach Reversibilität ist - mit Ausnahme der erwähnten Satz­

schluß-Regelung und drei weiteren sehr marginalen Punkten (siehe unter

3.3, Absatz 4)) berücksichtigt.

Abweichungen von der Textvorlage aus Gründen der Sortierung wurden nur

sehr sparsam zugelassen und gegenüber der früheren Mannheimer Konvention

noch weiter vermindert.

139

3.3. Aus den Codiervorschriften für das BZK 1

Vorbemerkung: Die folgenden Codierungen und Regeln gelten für die über­

arbeitete, den Mannheimer Konventionen weitgehend angepaßte Version des

BZK 1. Für die Bonner Ausgangsversion gelten in den mit (*) (Sternchen)

bezeichneten Fällen andere Regeln, die bei Benutzung der Bonner Version

zu erfragen sind.

1. Drucktechni sches

Impressum und Seitenüberschriften werden generell übergangen, ebenso der Zeitungskopf auf der Titelseite.

Sperrung, Kursive, Halbfett o.ä. werden nicht gekennzeichnet (vgl. aber Überschriften), ebensowenig diakritische Zeichen (Akzente u.a.).

Versalienschreibung wird umgesetzt in Normal Schreibung, Abkürzungen bleiben unverändert.

Zur Textgliederung werden, möglichst in Anlehnung an die Vorlage, Leer­zeile und/oder Einrückung um 3 blanks verwendet.

Fette Punkte zur Textgliederung am Zeilenanfang werden durch Spiegel­striche zwischen blanks wiedergegeben.

Überschriften und Zwischenüberschriften werden vom Normaltext durch Leerzeile abgesetzt.

ORIGINAL ABSCHRIFTDIE WELT die WeltGmbH GmbH

2. Transkriptionen(*)

a+ ....... +a = übersetzte Textstelle(*)c+ ....... +c = Bi 1 dbei schri ft (*)f+ ....... +f = Fremdsprachliche Textstellem+ ....... +m = Mundartliche Textstelleo+ +o = Ostzitat in Westtextq+ +q = Quellenangabe:

Ort, Tag, Agentur (am Kopf von Artikeln)u+ ....... +u = Überschriften, Zwischenüberschriftenv+ +v = Verfasserangaben (am Anfang oder Schluß von

Artikeln)w+ ..... +w = Westzitat in Osttextx+ ...... +x = Nichtabdruckbare Symbolzeichen (z.B. x+ Durch­

messer +x, x+ Pfund Sterling +x), nicht Schreib­bares (x+ Foto +x, x+ Tabelle +x etc.) undSchreibkommentare (z.B. x+ Textstelle unlesbar+x)

140

y+ ....... +y = Wegzulassendes(z.B. Anzeigenchiffren, Zahlenkolonnen und Bör­sentabellen in Bilanzen etc.)

3. Behandlung von Zusammensetzungen und Abkürzungen

ORIGINALMi t-sich-geschehen-lassen Wald- und Wiesen-Tee SPD - Fraktion Dr.Str."Entwicklungs"-Völker(Wasser)Bal1(Wasser-)Bal1CDU / CSU1980 / 81km/h6 1/2 Prozenter

ABSCHRIFTMit-sich-geschehen-1assen Wald- und Wiesen-Tee SPD-Fraktion Dr.(*)Str.(*)" Entwicklungs"-Völker(*)( WasserJBal1(*)( Wasser-JBall(*)CDU/CSU1980/81(aber: 1933 - 1945) km/h6-1/2-Prozenter

4. Zahlen und Zahlenverhältnisse; Mathematische Ausdrücke und Formeln

Dezimalzahlen gelten als ein Wort, werden also ohne Blank vor und nach dem Komma geschrieben.

Der angelsächsische Dezimalpunkt wird als Dezimalkomma geschrieben.

ORIGINAL ABSCHRIFT123,45 123,454.2 4,2150 000 1500001.250.000,25 1.250.000,2511 l-l/2(*)

Jo9.30 Uhr

Mathematische Operatoren werden wie in der Textvorlage geschrieben. Malzeichen: x*)

Formeln werden wie folgt geschrieben

10® 10E5 (E steht für ExponentM*)N„H. N2H4ZN?NH3)2CL2 ((ZN(NH3)2CL2))(*)

Eckige Klammern sind als nicht abdruckbare Zeichen durch runde Klammern zu ersetzen.(*)

Römische Zahlen werden in arabische Ziffern umgesetzt.

Als einziges Symbolzeichen ist das Zeichen % (Prozent) zulässig.(*) Alle anderen werden umschrieben und mit x+ ... +x transkribiert (siehe 2.).

141

5. Behandlung von Satzzeichen

Zwischen Satzzeichen und Wort (Zahl) bzw. Satzzeichen und Satzzeichen steht immer ein blank.

Das letzte Zeichen eines Satzes ist immer Punkt - auch dann, wenn in der Vorlage ein anderes oder gar kein Satzschlußzeichen steht.(*) Deshalb sind am Ende des Satzes ggf. folgende Umstellungen bzw. Punkt-Ergänzun­gen erforderlich.

ORIGINAL

.)

!" ?"

ABSCHRIFT

mit folgender Großschreibung

T Punkt wird umgesetzt

Punkt wird ergänzt

Auch Buchtitel, Untertitel und Überschriften gelten als Satz und sind mit Punkt zu schließen. Danach folgt eine Leerzeile.Ausnahme: Überschriften, die Teil des ersten Satzes eines Textes sind. Beispiel:

ORIGINALWIR SIND DIE BESTEN sagte Uwe gestern zu unserem Reporter

Regelung bei Aufzählungen

ABSCHRIFTu+ wir sind die Besten +u sagte Uwe gestern zu unserem Reporter .

Aufzählungsmerkmale gelten als eigenständige Sätze und bekommen einen Satzpunkt, wenn vollständige Sätze folgen, deren Anfang in der Vorlage groß geschrieben wird.

Abschnittsgliederungsmerkmale, die ohne Einleitung größere Passagen (z. B. mehrere Seiten) einleiten und daher eigentlich nicht als Aufzählung betrachtet werden können, werden (wenn sie nicht in den Satzzusammenhang eingehen) wie Aufzählungsmerkmale behandelt.

ORIGINALTJ2)3)a)b)

ABSCHRIFTTT 2 )3)a)b)

6. Groß/Kleinschreibung

Am Satzanfang wird klein geschrieben (es sei denn, es stünde ein Sub­stantiv, Name oder Anredepronomen dort).142

Groß geschriebene Adjektive in Namen werden durch Apostroph plus Groß­schreibung gekennzeichnet. Ebenso wird bei Adjektiven verfahren, die von Städtenamen abgeleitet sind. (Versalien siehe obenb unter 1.)

7. Personen/Namen

Personen-Familiennamen werden mit Vorgesetztem Stern gekennzeichnet: Helmut *Schmidt(*)

8. Worttrennung

Worttrennung am Zeilenende ist nicht zulässig(*)

4. ZUR IDENTIFIKATION UND KLASSIFIKATION DER ZEITUNGSARTIKEL

4.1. Informationsklassen der IK-Datei

Die Dokumentationseinheit, d.i. die Datenmenge, die stellvertretend für

ein Dokument in den Dokumentationsprozeß eingeht, ist in unserem Fall

der einzelne Zeitungsartikel. Als Bestandteile von sogenannten Sammeldo­

kumenten stellen die einzelnen Zeitungsartikel bibliographisch unselb­

ständige Dokumentationseinheiten dar.

Der Begriff "Zeitungsartikel" hat in unserer Dokumentationspraxis einen

relativ weiten Inhalt: Wir verstehen darunter auch z.B. eine Sammlung

von Kurznachrichten unter einer gemeinsamen Überschrift (wie etwa "Kurz

berichtet"), eine Sammlung von Kfz.-Anzeigen, eine Börsentabelle, eine

Lotto-Gewinnliste, den "Pressespiegel", "Roman unterm Strich" usw.

Jeder Zeitungsartikel trägt eine Nummer und zusätzlich die Jahrgangssig­

le zur Kennzeichnung, aus welchem Zeitungsjahrgang er stammt.

Diese Artikelnummer und die Jahrgangssigle sind zugleich der Schlüssel

oder die Adresse zu einem Satz von Informationen, die jedem Zeitungsar­

tikel zugeordnet sind. Diese Informationen lassen sich in 3 Gruppen

gliedern:

- Informationen zur Wiederauffindung und Datierung des Artikels

143

ORIGINAL Grüne Woche Berliner Bevölkerung

ABSCHRIFT 'Grüne Woche 'Berliner Bevölkerung

- Informationen zu seiner Herkunft (Autor/Agentur)

- Informationen zu Inhalt, Form und Aufmachung.

Alle diese Informationen sind, zum Teil verschlüsselt, in einem IK-Satz

(IK = Information und Klassifikation) von jeweils 80 Zeichen Länge ent­

halten; alle IK-Sätze zusammen bilden die IK-Datei.

Sie ist folgendermaßen aufgebaut (vgl. das folgende Muster der IK-Da­

tei ) :

Gruppe A

1. Korpussigle (BK = Bonner Korpus)

2. Satzkennung (IK = IK-Datei)

3. Artikelnummer 4-stellig

4. Angabe, ob der Artikel unvollständig ist (F = Fragment)

5. Angabe der Publikationsgattung (ZT = Tageszeitung)

6. Angabe, ob Ost- oder Westtext (0/W)

7. Aufnahmeprinzip (1 = statistisches; Modellmenge)

8. Zeitungsjahrgang (NDB = Neues Deutschland, Republik Ausgabe)

9. Datierung (69010602" Jg. 69, Monat: Januar, Tag: 6., Seite: 02)

Gruppe B

10. Angabe des Verfassers (falls voller Name: Sternchen vorangestellt)

11. Angabe der Agentur(en)

Gruppe C

12. Angabe des Sachgebiets (bis zu 3-fach-Kennzeichnung möglich)

13. Angabe der Intention (publizistisches Ziel), (2-fach-Kennzeichnung

möglich)

14. Angabe der Artikelform (zeitungsspezifische Textsorte)

15. Angabe der Sparte (1 = Politik)

16. Angabe der Aufmachung (Länge und Breite des Artikels)

Auflösung der Jahrgangssiglen in Feld 8:

BG = Bonner General-Anzeiger (Stadtausgabe)

FR = Frankfurter Rundschau (Deutschlandausgabe)

144

ND = Neues Deutschland (A = Berliner Ausgabe, B = Republik-Ausgabe)

MO = Der Morgen (Zeitung der LDPD/DDR)

NN = Norddeutsche Neueste Nachrichten (Rostock, Zeitung der NDPD/DDR)

WE = DIE WELT (Deutschlandausgabe) (B = Berliner Ausgabe)

Beispiel für den Aufbau der Informations- und Klassifikations-Datei (IK-

Datei) zum Bonner Zeitungskorpus (Version 10/83)

A B C

BKIK 0001 ZT 01NDB69010401 ND 1B2V 1 0 114

BKIK 0002 ZT 01NDB69010401 ND 2G2Q3C13C 133BKIK 0003FZT 01NDB69010401 ND 1AlB 23U0122

BKIK 0004 ZT 01NDB69010401 ADNND 1B10 13B 121

BKIK 0005 ZT 01NDB69010401 ND 1Q1W2G12E 122

BKIK 0006 ZT 01NDB69010401 ADNND IM 1 A 122

BKIK 0007 ZT 01NDB69010401 3V1A 1 S 112

BKIK 0008 ZT 01NDB69010401 ND 1W1I 1 A 121

BKIK 0009FZT 01NDB69010401*U1bricht.Walter 1B1A1D23T 141

BKIK 0011FZT 01NDB69010602 2A2G 23B 821

BKIK 0012FZT 01NDB69010602 2C3L2T1 A 821

BKIK 0013 ZT 01NDB69010602*Hempel,Wilhelm 2C3L2T12B 831

BKIK 0014 ZT 01NDB69010602 (Zeichn.Prof.*Haas) 2T 4 0 812

BKIK 0015FZT 01NDB69010602 2F2E3V12B 822

BKIK 0016 ZT 01NDB69010602*Brock,Guenther 3V1W1J12E 822

BKIK 0017 ZT 01NDB69010602*Muel1er,Erwin 3V 12E 822

BKIK 0018 ZT 01ND869010602*Urbschat,Hans-Georg 2C3L2T12B 824

BKIK 0019 ZT 01NDB69010602*Sturzbecher,Adolf 2L2G2F128 831

BKIK 0020 ZT 01NDB69010602 ADN 1A1B 23B 821

BKIK 0021 ZT 01NDB69010602 ND 5H5B 13B 821

BKIK 0022 ZT 01NDB69010602 ND 3B 1 A 811

BKIK 0023 ZT 01NDB69010602 3C2H 12E 832

BKIK 0024 ZT 01NDB69010602 E.Ru. 1S2G2K12E 832

BKIK 0025 ZT 01NDB69010602 BI 2L2F 23C 832

BKIK 0026 ZT 01NDB69010602 5T 13E 821

BKIK 0041 ZT 01NDB69011403 1A1R1P23T 163

145

In der Gruppe C sind die Felder (= Informationsklassen) 13, 14 und 16

nur bei den Bonner Jahrgängen der Phase 1 (WE und ND 54, 64 und 69) aus­

gefüllt; Nr. 12 und 15 (Sachgebiet und Sparte) als die wichtigsten Anga­

ben zur Inhaltserschließung sind jedoch bei allen Zeitungsartikeln aus­

gefüllt.

Die Angaben in Gruppe C sind zum Teil verschlüsselt. Eine Tabelle zur

Entschlüsselung siehe folgende Seiten.

In einem weiteren Informations-Satz, dem "Thema-Satz", wird außer der

Artikelnummer noch das Thema, das in dem betreffenden Artikel behandelt

wird, angegeben. Das geschieht in der Weise, daß zum einen die Länder

genannt werden, auf die sich das im Artikel behandelte Thema bezieht,

daß zum anderen das Thema in Stichworten wiedergegeben wird. Auch diese

Informationen sind nur bei den Bonner Texten der Phase 1 vorhanden.

4.2. Benutzerzugriff

Ein Benutzer kann auf diese Informationen auf zweierlei Weise zugreifen:

a) Er kann sie benutzen, um den gesamten Datenbestand zu segmentieren;

z.B. kann er Anzeigentexte ausschließen oder nur Agenturtexte ein­

schließen oder das gesamte BZK 1 nach Sparten aufgliedern wollen.

Dies ist durch entsprechende Selektions- und Sortierarbeiten in der

IK-Datei möglich; das Ergebnis ist eine Liste von gewünschten oder

ausgeschlossenen Artikel nummern, die dann als Eingabedatei für ent­

sprechende Selektionsläufe über das Textkorpus dient.

b) Er kann aber auch, von einzelnen Textbelegen ausgehend (z.B. als Er­

gebnis von Suchwort-Recherchen mittels REFER) Informationen zu seinen

Textbelegen wünschen; in der Regel die genaue Datierung, aber ggfs.

auch die gesamten im IK-Satz gespeicherten Informationen einschließ­

lich Sachgebiets- und Spartenzuordnung.

Hier dient die jedem Textbeleg beigegebene Artikelnummer und Jahr­

gangssigle als Adresse, unter der die gewünschten Informationen aus

der IK-Datei abrufbar sind.

146

Wo kein Terminal Zugang zur IK-Datei besteht, ermöglichen die unter

2.4. zusammengestellten Listen der aufgenommenen Seiten wenigstens

eine genaue Datierung. In Einzelfällen kann das IdS bei der

Beschaffung von Kopien der Original-Artikel helfen.

4.3. Listen zur Entschlüsselung kodierter Angaben

Zu 12) Klassifikation der Sachgebiete (vgl. Hellmann 1968, 99-103)

1 Politik

1A Allgemeine Lage 1B Persönlichkeiten IC Übernationale Zusammenschlüsse

und Vereinbarungen ID West-Ost-Politik bestimmter

Staaten)IE Westliche Außenpolitik 1F Östliche Außenpolitik IG Politik der Blockfreien und

Neutralen als Gruppe 1H Politik einzelner blockfreier

und neutraler Staaten II Militär- und Verteidigungspoli­

tik (international und national) 1J Europäische Politik (auch ein­

zelner Staaten)1K Afrikanische Politik (auch

einzelner Staaten)

2 Wirtschaft

2A Al 1 gemeine Lage 2B Persönlichkeiten 2C Technik2D Übernationale Zusammenschlüsse

(außer europäischen)2E Europäische Zusammenschlüsse 2F Organisationen, Verbände 2G Planung2H Arbeitskräfte, Personal Struk­

tur21 Industrie, Grundstoffindustrie 2J Industrie, Investitionsgüter 2K Industrie, Konsumgüter 2L Landwirtschaft, Forsten 2M Seefahrt, Fischerei 2N Handwerk 20 Handel, Außen-

IL Asiatische Politik (auch einzel­ner Staaten)

IM Arabisch-nahöstl. Politik (auch einzelner Staaten)

IN Deutsche Außenpolitik 10 Deutsche West-Ost-Politik IP Innenpolitik auf Bundesebene bzw.

der DDRIQ Innenpolitik auf Länderebene IR Innenpolitik auf Partei(en)ebene IS Deutsche Wirtschaftspolitik IT Innenpolitik bestimmter Staaten 1U Deutsche Kulturpolitik IV Deutsche Sozialpolitik IW Verbände IX Kommunalpolitik 1Y1Z Sonstiges

2P Handel, Innen-2Q Betriebsorganisation, Rationali­

sierung2R Finanzen, Börse, Versicherungen 2S Verkehr, Verkehrswege 2T Verkehrsmittel (Luft-, Land-,

Seefahrzeuge) und -technik 2U Stadtplanung, Raumordnung 2V Wohnungsbau, Bauwesen 2W Dienstleistungsindustrie und -ge-

werbe (Fremdenverkehr, Hotel u. dergl.)

2X Werbung2Y Vergnügung, Unterhaltung, Massen­

medien (nur wirtschaftlich)2Z Sonstiges 2( Energiewirtschaft2) Handel-Versorgung

147

3 Soziales

3A Allgemeines, Statistik 3B Persönlichkeiten 3C Bevölkerung3D Verbrechen, Vergehen (auch Be­

schuldigungen)3E Rechtswesen3F Gesundheitswesen, Medizin 3G Verbände, Organisationen 3H Körperpflege 31 Versorgung (Renten usw.)3J Rassenprobleme 3K Kommunikationsmittel (Presse,

Rundfunk, Fernsehen, Film - nicht Artikel zum künstlerischen Rang!)

3L Wissenschaft und Forschung

4 Sport

4A Al 1 gemeines4B Persönlichkeiten, Verbände 4C4D Großveranstaltungen mehrerer

Sportarten (z.B. olymp. Spiele) 4E Leichtathletik 4F Schwerathletik, Boxen, Ringen 4G4H Turnen, Gymnastik, Tanz 414J Ballspiele, Mannschafts- 4K4L Ballspiele, Einzel- (Tennis,

Tischtennis usw.); Golf usw.

5 Kulturelles

5A Allgemeines 5B Persönlichkeiten 5C Museen, Galerien usw.5D Organisationen, Gruppen 5E Kulturelle Entwicklung in

einzelnen Ländern 5F Musik (Konzert)5G Oper, Operette, Musical 5H Theater, Bailet 51 Malerei, Graphik 5J Bildhauerei 5K Architektur 5L Literatur 5M Sprache

3M Schul-, Erziehungs-,Bildungswesen 3N Beruf und Arbeitswelt 30 Haus und Garten 3P Familie, (Ehe)3Q Liebe (Ehe), Erotik (sog. Privat

oder Intimsphäre)3R Hobbies, Freizeit, Reisen,

Touri smus 3S Geographisches 3T Mode 3U3V Veranstaltungen 3W Naturereignisse, Wetter 3X Unglücksfälle, Todesfälle 3Y Streiks, Unruhen, Aufstände 3Z Sonstiges

4M Fechten 4N Pferdesport 40 Wassersport4P Wintersport (mit Eislauf) 4Q Schießsport 4R Radsport4S Motor- und Flugsport 4T4U Bergsteigen, Wandern 4 V4W Spiele und Rätsel4X4Y4Z Sonstiges

5N Wissenschaft, Forschung, Univer­sitäten

50 Massenmedien5P Philosophie, Weltanschauung 5Q Kunstakademien 5R Religion und Kirche 5S5T Geschichte 5U5V Volks- und Brauchtum5W5X5YSonstiges, Vermischtes

148

Nachbemerkung: Leere Felder sind durch spätere Zusammenlegung zweier oder mehrerer Klassen entstanden, bzw. für eventuell neu zu etablierende Klassen vorgesehen gewesen.

Dieses Sachgebietsschema ist für Zwecke der Korpus-Segmentierung viel­

leicht, für statistische Zwecke sicherlich schon zu fein aufgeschlüs­

selt. Es wurde daher eine Hyperklassifikation entwickelt, in der die

einzelnen Untersachgebiete zu größeren Gruppen zusammengefaßt wurden,

nämlich Politik mit 4, Wirtschaft mit 5, Soziales Leben mit 5, Sport mit

4, Kulturelles Leben mit 4 Untergruppen, also zusammen 22 Gruppen. (Zur

Einteilung dieser Hyperklassifikation siehe Schaeder, Bericht II in

Hellmann (Hg.) 84, Anhang S. 119-123.)

Zu 13)

Publizistische ZieleEs können 2 Chiffren gleichzeitig angegeben werden.

1 = Unterrichtung2 = Belehrung3 = Beeinflussung4 = Unterhaltung5 = Wirtschaftswerbung

zu 14)

A = Nachricht (Unterrichtung, Wirtschaftswerbung)B = Bericht (Unterrichtung, Belehrung, Beeinflussung, Wirtschaftswer­

bung)C - Background-Bericht (Unterrichtung, Belehrung, Beeinflussung)D = Abhandlung (Belehrung, Unterrichtung)E = Beitrag (Belehrung, Unterrichtung, Unterhaltung, Wirtschaftswerbung) F = Tips, Vorschlag, Anweisung (Belehrung, Unterrichtung, Unterhaltung,

Wirtschaftswerbung)G = Hauptkommentar (Beeinflussung, Belehrung, Unterrichtung)H = Glosse (Beeinflussung, Unterhaltung)I = "Spitzmarke" (Beeinflussung, Unterhaltung)J = Geschichte (Unterhaltung, Belehrung) (Kurzgeschichte, Erzählung)K = Plauderei (Unterhaltung, Beeinflussung, Belehrung)L = "kleines Feuilleton" (Unterhaltung, Beeinflussung, Belehrung)M = Großanzeige (Wirtschaftswerbung, Beeinflussung, Unterrichtung, Be­

lehrung)N = Anzeige (Wirtschaftswerbung, Beeinflussung, Unterrichtung, Beleh­

rung)

Sonderformen

0 = Text zu einem Bild, Schaubild, graph.Darstellung usw.P = LeserbriefQ = Interview

149

R = Abdruck eines literarischen Textes (auch Gedichtes)S = Abdruck einer amtlichen Verlautbarung (Gesetz, Vertrag, Bekannt­

machung, Aufruf), Kommunique T = Abdruck einer RedeU = Abdruck eines fremden ArtikelsV = Klein- und Privatannonce W = Tabelle, Wetterbericht X = Fortsetzungsroman Z = Sonstiges

Für diese Sonderformen braucht kein publizistisches Ziel angegeben zu werden; die dafür vorgesehenen Spalten (64-65) werden dann mit 00 aus­gefüllt.

Zu 15)

Angabe der Sparte

Politik = 1Wirtschaft = 2Sport = 3Technik-Motor = 4Feuilleton = 5

Zu 16)

Äußere Form

1) Länge des Artikels in Zeilen (nach Klassen gruppiert),2) Breite des Artikels in Spalten.

5. MÖGLICHKEITEN DER AUSWERTUNG

5.1. Fragestellungen

Grundsätzlich erlaubt das Material von seiner Struktur her ein Herange­

hen unter verschiedenen Aspekten:

1. Da das Material aus Ost- und West-Zeitungen besteht: ost-west- ver­

gleichend, und zwar sowohl generell als auch jahrgangsweise oder nach

anderen Auswahlkriterien.

2. Das das Material zeitlich gestuft ist: diachronisch vergleichend, al­

so bezogen über einen Zeitraum von 25 Jahren hin.

Lokales = 6Anzeigen = 7Vermischtes = 8Sonstiges = 0

3. Das das Material u.a. nach Sparten und Sachgebieten klassifiziert ist

150

(vgl. oben 4.2): nach Sparten/Sachgebieten vergleichend, ggf. unter

Einbeziehung auch des ost-west-vergleichenden und/oder des diachro­

nisch vergleichenden Aspekts.

Außerdem ist das Material, wie oben in 3.3 beschrieben, in bestimmter

Weise codiert bzw. transkribiert und kann entsprechend abgefragt werden.

Man kann also z.B. die transkribierten Überschriften, Bildbeischriften,

Quellenangaben aus einer Untersuchung ausschließen oder gerade gesondert

hervorheben; man kann u.a. Substantive, Initialabkürzungen, großge­

schriebene Adjektive abfragen sowie Satzschlüsse und andere syntaktische

Binnengliederungen mithilfe codierter Satzzeichen erkennen und abfragen.

Jede der in 3.3 erwähnten Codierungen erlaubt entsprechende Abfragen.

Nicht abfragbar - um auch zwei Beispiele aus der Praxis zu zitieren -

sind dagegen Fragestellungen wie "Ironie im Feuilleton" oder "Manipula­

tion im Meinungsartikel der WELT": Feuilleton und Meinungsartikel wären

segmentierbar, aber "Ironie" oder "Manipulation" sind nicht maschinenex­

plizit, und die Anführungszeichen (z.B. vor und nach "DDR") helfen nicht

weiter.

Sehr gut bearbeitbar sind dagegen in der Regel alle Fragestellungen, die

sich auf Häufigkeit und Häufigkeitsrelationen von Wortformen beziehen.

Gerade der Unterschied von Häufigkeiten im Zeitvergleich oder im Ver­

gleich zwischen Sachgebieten ergibt interessante Aufschlüsse, z.B. auch

über Stilerscheinungen.

Am häufigsten wird das Material zur Beschaffung von Belegen zu vorge­

gebenen Wörtern oder Wortbestandteilen (z.B. Morphemen) benutzt. Dazu

wird eine bestimmte Zeichenkette, z.B. "demokrat", eingegeben. Der Rech­

ner liefert dazu sämtliche Sätze, in denen Wortformen mit dieser Zei­

chenkette Vorkommen, also auch z.B. "demokratischste, undemokratischer,

demokratiefeindlich" usw. Dies Verfahren läßt sich auch bei einer Abfra­

ge nach Morphemen verwenden, z.B. nach "-ismus", obwohl man mit Fehl­

belegen wie "Kreismuster" rechnen muß. Auch Kombinationsabfragen mit

(zur Zeit) 2 Gliedern sind möglich, z.B. nach "in" & "Angriff", wenn das

Funktionsverbgefüge "in Angriff nehmen" bearbeitet werden soll. (Aller-

151

dings werden zur Zeit vom Programm auch Sätze ausgegeben, in denen die

gesuchten Wörter weit entfernt stehen: "...als in diesem Augenblick der

Angriff begann ..."). Die gefundenen Kontext-Belege werden zusammen mit

bestimmten Nummern ausgegeben, die ein Wiederauffinden in den Texten und

eine Fundstellenangabe ermöglichen. Für das Bonner Zeitungskorpus ist

eine entsprechende Datierung mithilfe der in diesem Aufsatz gedruckten

Artikel-Seiten-Kokordanz gewährleistet.

5.2. Ausgabeformen und -techniken

5.2.1 Ausgabe über Drucker

Die wesentlichen Ausgabeformen über Schnelldrucker sind:

- Kontext-Beleglisten als Ergebnis von Suchwort-Abfragen

- KWIC-Konkordanzen (KWIC = key word in context) oder KWIC-Auszüge, bei

denen das gesuchte Wort in alphabetischer Sortierung in der Mitte von

genau einer Computerzeile Kontext steht;

- Wortregister ohne Kontext, aber mit Fundstellenangaben (= Index) oder

ohne letztere (= Register) und zwar in alphabetisch vorwärtsläufiger

Sortierung, in alphabetisch rückläufiger Sortierung, nach Häufigkeit

absteigend sortiert;

- Gesamt- oder Mischregister aus allen Jahrgängen.

Auch diese Wortregister können wieder Gegenstand von Suchwort-Abfragen

sein; das Ergebnis sind entsprechende Auszüge aus den Registern.

Weitere Abfrage- und Auswertungsmöglichkeiten sollten mit der Service-

Stelle im IdS, z.Hd. Frau S. Dickgießer, oder mit dem fachlich zustän­

digen wissenschaftlichen Mitarbeiter besprochen werden.

5.2.2 Mikrofiches

Die Texte selbst umfassen, auf Papier (Großformat) ausgedruckt, etwa 18

Bände zu je 500 bis 600 Seiten. Die Indices und Register machen etwa 30

Bände aus, die vollständigen KWIC-Konkordanzen (bei 60 Zeilen pro Seite)

152

rund 100 Bände zu je 500 Seiten. Niemand kann solche Papierberge noch

speichern, geschweige denn bewegen. Auch diese Daten ständig auf Magnet­

platten bereit zu halten, ist nicht immer möglich. Dafür bietet der Mi­

krofiche ein preiswertes und handliches Archivierungsmittel. In 48-

facher Verkleinerung speichert ein postkartengroßer Mikrofiche 270 Com­

puterseiten; 100 Bände Großformat lassen sich auf weniger als 200 Mikro­

fiches unterbringen.

Das gesamte Bonner Zeitungskorpus Teil 1 mit allen Registern und Kon­

kordanzen paßt bequem in eine Aktentasche. Ein Lesegerät kostet weniger

als ein Bücherregal. Im IdS und in einigen großen Bibliotheken sind

reader-printer vorhanden, mit denen man die (ausgewählten bzw. benötig­

ten) Daten vom Mikrofiche wieder rückvergrößern und auf Papier kopieren

kann. Bei einer Reihe von Fragestellungen bzw. Arbeitsgängen macht die

Verwendung von Mikrofiches und reader-printer die Benutzung des Rechners

überhaupt überflüssig.

Das BZK 1 erscheint auf Mikrofiche unter folgendem Titel:

Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. Am Institut für deutsche Sprache er­

stellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hel 1 -

mann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. Texte, Register, Kon­

kordanzen, Gesamtregister. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Mikrofiche

Materialien (RMM) Nr. 007/1), Regensburg 1985. (MCS Verlag Nürnberg).

5.2.3 Bildschirm-Auswertung

Im IdS selbst ist ein dialogorientiertes, sehr benutzerfreundliches Ab­

fragesystem namens REFER entwickelt worden, mit dessen Hilfe der Be­

nutzer in verschiedener Hinsicht seine Abfragen selbst steuern, Belege

kommentieren, abspeichern oder ausgeben lassen kann. Eine detaillierte

Beschreibung ist bei der IdS-Service-Stelle erhältlich, sie ersetzt al­

lerdings das Ausprobieren nicht. REFER enthält auch die oben erwähnte

Möglichkeit der Kombinationsabfrage. Vor allem ist es sehr schnell, d.h.

die Antwortzeiten des Systems am Bildschirm sind erfreulich kurz. REFER

wird in gewissen Zeitabständen weiterentwickelt.

153

5.3. Bearbeitung von Anwenderproblemen

Es kommt vor, daß Anwenderprobleme mit den vorhandenen Bereitstellungs­

formen und Auswertungsprogrammen einschließlich REFER nicht zu lösen

sind. Je nachdem ob es sich eher um ein linguistisches oder um ein tech­

nisches Problem handelt, sollte der zuständige wissenschaftliche Mit­

arbeiter im IdS oder aber die Service-Stelle oder beide mit dem Problem

vertraut gemacht werden. Manchmal findet sich noch ein Lösungsweg.

Manchmal können wir auch ein Anwenderproblem zu unserem eigenen machen

und finden gemeinsam eine neue Lösung. Es lohnt sich also nachzufragen

(vgl. auch M. Kolvenbach in IdS LDV-Info 1, 1981, S. 1-4).

6. AUSBLICK

6.1 Fortschreibung

Das Bonner Zeitungskorpus ist auf Fortschreibung in bestimmten Interval­

len hin angelegt. Nur so läßt sich laufend Aktualität gewährleisten, und

nur durch Aktualität bleibt das Korpus auch in seinen früheren Quer­

schnitten interessant. Der Jahrgang 1979 wurde daher schon kurz nach der

Übersiedlung von Bonn nach Mannheim ausgezählt, die Auswahl fotokopiert

und zur Texterfassung vorbereitet. Der Jahrgang 1984 steht jetzt an. Das

IdS sucht nach einer technischen Lösung, die die immensen Kosten einer

manuellen Texterfassung auf ein erträgliches Maß reduziert.

6.2. Erweiterungen

Das Bonner Zeitungskorpus enthält mit der WELT und dem ND gewiß zwei für

den jeweiligen Staat durchaus typische Zeitungen, trotzdem würde man

sich, zumindest für die westdeutsche Seite, Ergänzungen wünschen. Sie

wurden noch in Bonn durch die Aufnahme folgender Jahrgangsauswahlen vor­

genommen:

Bonner General-Anzeiger 1964

Bonner General-Anzeiger 1974

Frankfurter Rundschau 1974

154

Rostocker Neueste Nachrichten (NDPD/DDR) 1964

Rostocker Neueste Nachrichten (NDPD/DDR) 1974

Der Morgen (LDPD/DDR) 1974.

Diese Jahrgangsauswahlen bilden den Teil 2 des BZK. Sie sind nach dem

gleichen Prinzip aufgenommen wie Teil 1. Sie werden allerdings nicht

mehr den Mannheimer Codierungskonventionen angepaßt und bleiben im we­

sentlichen unkorrigiert. Sie sind mittels allgemeiner Suchwortprogramme

auswertbar, jedoch nicht mittels REFER.

An eine Fortschreibung auch dieser Erweiterungstexte wird zur Zeit nicht

gedacht.

Statt ihrer entsteht zur Zeit - im Rahmen eines großen lexikologischen

Vorhabens - eine umfangreiche Sammlung maschinenlesbarer Texte des

"Mannheimer Morgen" Jg. 1985. Die Texte sind jedoch vorläufig nicht ver­

fügbar.

Literatur

Bayer, Klaus/Kurbel, Karl: Maschinelle Textverarbeitung im Rechenzentrum des Instituts für deutsche Sprache. In: Bayer/Kurbel/Epp: Maschi­nelle Textverarbeitung im Rechenzentrum des IdS (= Forschungsbe­richte des IdS Nr. 14). Tübingen 1974, S. 1-66.

Hellmann, Manfred W . : Zur Dokumentation und maschinellen Bearbeitung von Zeitungstexten in der Außenstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache (= Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache Nr. 2). Mannheim 1968, S. 39-125.

Hellmann, Manfred W. : Untersuchungen an östlichen und westlichen Zei­tungstexten. Zu einigen Arbeiten der Außenstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache. In: H. Schanze (Hg.), Literatur und Daten­verarbeitung. Tübingen 1972, S. 66-70.

155

I

Hellmann, Manfred W . : Bericht über die Arbeit der Forschungsstelle Bonn des Instituts für deutsche Sprache. In: Hellmann, Manfred W. (Hg.): Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR - Methoden und Probleme seiner Erforschung. (= Reihe Sprache der Gegenwart Bd. 18). Düsseldorf 1973, S. 15-34.

Hellmann, Manfred W. : Sprache zwischen Ost und West - Überlegungen zur Wortschatzdifferenzierung zwischen BRD und DDR und ihren Folgen. In: Kühlwein, W./Radden, G. (Hg.): Sprache und Kultur: Studien zur Diglossie, Gastarbeiterproblematik und kulturellen Integration (= Tübinger Beiträge zur Linguistik Bd. 107). Tübingen 1978, S. 15-54 (mit einem Anhang Wortläufigkeitstabellen, S. 50 ff).

Hellmann, Manfred W. (Hg.): Ost-West-Wortschatzvergleiche. Maschinellgestützte Untersuchungen zum Vokabular von Zeitungstexten aus der BRD und der DDR. (= Forschungsberichte des IdS Bd. 48) . Tübingen 1984.

Hellmann, Manfred W . : Das Projekt "Ost-West-Wortschatzvergleiche" - Neue Wege zur Untersuchung der sprachlichen Ost-West-Differenzen. In: M. W. Hellmann (Hg.), 1984, S. 11-73.

Hellmann, Manfred W.: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. In: IdS LDV-Info 4. Mannheim 1984, S. 38-47.

Institut für deutsche Sprache: Das Bonner Zeitungskorpus Teil 1. AmInstitut für deutsche Sprache erstellt nach der Konzeption und unter der Leitung von Manfred W. Hellmann. Teil 1: DIE WELT und NEUES DEUTSCHLAND. (= Brekle u.a. (Hg.), Regensburger Microfiche Materialien (RMM) Nr. 007/1). Regensburg 1985 (MCS Verlag Nürn­berg) . (Microfiche-Veröffentlichung der Texte, Register und Konkor­danzen) .

Mückenmüller, Peter: Die maschinelle Aufbereitung des Bonner Zeitungs­korpus Teil 1: In IdS LDV-Info 4. Mannheim 1984, S. 48-56 (mitMuster-Auswertungen).

Institut für deutsche Sprache, Abt. Zentrale Wiss. Dienste: IdS LDV-Info 1: Nachrichten aus der Arbeitsstelle Linguistische Datenverarbei­tung. (masch.), Mannheim 1981IDS LDV-Info 2, Mannheim 1982IdS LDV-Info 3, Mannheim 1983IdS LDV-Info 4, Mannheim 1984(jeweils Eigenverlag des IdS).

Schaeder, Burkhard: Eine Dokumentation maschinenlesbarer Textkorpora der deutschen Gegenwartssprache. In: Henne u.a. (Hg.) 1978, S. 233-254.

Schaeder, Burkhard: Maschinelle Dokumentation und Lexikographie. Ausfüh­rungen zum DFG-Projekt Ost-West-Wortschatzvergleiche. In: Krallmann (Hg.) 1978, S. 110-164.

Schaeder, Burkhard: Zur Methodik der Auswertung von Textkorpora für die Zwecke der Lexikographie. In: Bergenholtz/Schaeder (Hg.), Empiri-

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sehe Textwissenschaft. Aufbau und Auswertung von Textkorpora. Kö- nigstein/Ts 1979, S. 220-267.

Schaeder, Burkhard: Maschinenlesbare Text-Corpora des Deutschen und des Englischen. Eine Dokumentation. In: Bergenholtz/Schaeder (Hg.)1979, S. 325-336 (Anhang).

Schaeder, Burkhard: Lexikographie als Praxis und Theorie (= ReiheGermanistische Linguistik Bd. 34). Tübingen 1981.

Schaeder, Burkhard: Das Bonner Zeitungskorpus. Eine maschinelle Dokumen­tation von Tageszeitungen aug der BRD und der DDR. In: M.W. Hell­mann (Hg.). 1984, S. 74-123 (Bericht Nr. II).

157