Mo, 26. Mai 2014...glasklar artikulierte der junge Pianist seinen Solopart, den das Quartett mit...
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Mo, 26. Mai 2014
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung von: Karin Steinebrunner
Unbekannte Werke bekannter Komponisten
Das Caravaggio Quartett gastiert zusammen mit dem jungen russischen Pianisten Vladimir Guryanov bei den Klosterkonzerten.
Im Rahmen des St. Blasier Musikfrühlings gastierte das Caravaggio Quartett zusammen mit dem jungen russischen Pianisten Vladimir Guryanov mit russischer Musik in Festsaal des Kollegs Foto: Karin Stöckl-Steinebrunner
ST. BLASIEN. Im Rahmen des St. Blasier Musikfrühlings gastierte das Caravaggio Quartett
zusammen mit dem jungen russischen Pianisten Vladimir Guryanov mit russischer Musik im
Festsaal des Kollegs, von den überwältigten Zuhörern enthusiastisch gefeiert.
Zugleich war dies das erste Ergebnis der auf einem Impuls von Seiten der Stadträtin
Elisabeth Kaiser begründeten Zusammenarbeit der St. Blasier Klosterkonzerte mit der 2005
in Basel gegründeten und 2007 auch in Laufenburg etablierten grenzüberschreitenden Reihe
"Connaissez-vous", die sich im Zeichen unbekannter Werke bekannter Komponisten jedes
Jahr einem speziellen Thema verschreibt – in diesem Jahr der "Russischen Musik im
Westen", wie die Schweizer Organisatorin Hedy Stalder in ihrer kurzen Begrüßung
erläuterte.
Das Quartett mit Primarius Thomas Wicky-Stamm, Geigerin Cosetta Ponte, Bratscher
Màtyàs Török und Cellist Ferdinando Vietti begann mit dem 1830 komponierten
Streichquartett F-Dur von Michail Glinka, dessen klar durchstrukturierte Phraseneinteilungen
der klassischen Ausgewogenheit verpflichtet sind, wenngleich Glinka in der Stimmführung
den einzelnen Instrumenten eine große Eigenständigkeit zubilligt und über weite Strecken
hin polyphone Strukturen verwirklicht.
Den Beginn gestaltete das Quartett ausgesprochen sanglich mit quasi spielerischer Lyrik,
wobei der eben angesprochene Wechsel in der Führungsstimme, gepaart mit einem
ungewöhnlichen begleitenden Laufwerk der ersten Geige einen ganz eigenen Reiz
entfaltete. Beschaulich wirkte das Andante, mit brillanter Eleganz überzeugte das Menuetto,
dessen Trioteil die sanft geschwungene Linie in den Vordergrund rückte. Im abschließenden
munter dahinhuschenden Rondo übernahm dann die erste Geige die Vorherrschaft.
Ein flink-tänzerisch angelegtes Scherzo von Alexander Borodin, in dessen Trio die Bratsche
eine wundervoll ausgesungene Solopassage präsentierte, leitete musikalisch über zu vier
kurzen Stücken von Igor Strawinsky, den als radikale Ausdruckskunst angelegten Trois
pièces für Streichquartett von 1914 sowie dem Doppelkanon in memoriam Raoul Dufy von
1959.
Nach der Pause gesellte sich zum Quartett der Pianist Vladimir Guryanov hinzu zur
Interpretation des Klavierquintetts g-Moll op. 57 von Dmitry Schostakowitsch. Kraftvoll und
glasklar artikulierte der junge Pianist seinen Solopart, den das Quartett mit intensiven
Strichen untermauerte, ging dann im Verlauf des ersten Satzes der Reihe nach mit Bratsche,
erster Geige und Cello ein sanft fließendes Zweigespräch ein, an das sich eine zum großen
Gefühlsausbruch führende Steigerung anschloss.
Im Gegensatz dazu völlig entrückt wirkte der hauchzarte Beginn des Adagios, einer Fuge,
beginnend mit den Einsätzen der gedämpften Geigen und von dort über das Cello zur
Bratsche wandernd. Schließlich gesellte sich mit tiefen Schreittönen das Klavier hinzu, löste
sich aus dem Verein mit den übrigen Stimmen und führte über eine machtvoll bewegte
Passage zurück zur Traumverlorenheit des Satzbeginns. Wiederum im markanten Kontrast
zum Vorigen erklang das fröhliche Laufwerk des Scherzos im Klavier, rhythmisch
gegensätzlich begleitet von den akzentreichen Streicherstimmen.
Melodieselig präsentierte sich die erste Geige zu Beginn des Intermezzos, unterlegt mit
leichten, wie Tautropfen anmutenden Pizzicati des Cellos, weitergeführt vom Klavier,
wodurch das Cello befreit zum weiten Melodiebogen ausholen konnte. Nach intensivster
Steigerung und dem Aussingen getrennter Stimmen mündete der Satz in einen zarten
Schluss.
Anmutig verspielt kam zunächst der Finalsatz daher. Immer forscher wagte sich die
Klaviermelodie hervor, von kurzen Tonrepetitionen der Streicher begleitet, spielte furios auf,
um sich mit glissandoartigen Strukturen unterlegt mit einem leicht ironisch gebrochenen
Kinderliedschluss zu verabschieden.
SÜDKURIER 17.05.2014 | von Jürgen Scharf Laufenburg
Verstärkung am Piano aus Moskau
Laufenburg - Caravaggio Quartett spielt kontrastreiches Programm mit russischer Musik bei Connaissez-vous im schweizerischen Laufenburg.
Das Caravaggio Quartett mit Vladimir Guryanov am Klavier beim Konzert in der Kirche St.
Johann im schweizerischen Laufenburg. Bild: Scharf
Da hat Schostakowitsch aber einen Gassenhauer komponiert. Das sarkastische Scherzo in
seinem Klavierquintett g-Moll muss so gespielt werden wie vom Caravaggio Quartett, das
sich für den Klavierpart russische Verstärkung geholt hat: den aus Moskau stammenden
Pianisten Vladimir Guryanov. Mit ihm haben sie den grotesken Witz dieser Musik
herausgearbeitet. Das vierte Konzert im Zyklus „Russische Musik im Westen“ in der Kirche
St. Johann hatte als Hauptwerk dieses Erfolgsstück aus dem Jahr 1940 auf dem Programm.
Es stammt aus einer Zeit, als der zuvor in Ungnade gefallene Schostakowitsch die
öffentliche Anerkennung wieder zurückgewonnen hatte und dafür mit dem Stalin-Preis
ausgezeichnet wurde, was ihm 100 000 Rubel einbrachte. Dem Ensemble gelang die
Darstellung des Schostakowitsch-Stils gut: vom romantisch-pathetischen Prelude über die
umfangreiche Adagio-Fuge, das grelle burleske Scherzo – wie so oft bei Schostakowitsch
persiflierte Unterhaltungsmusik – und den leidenschaftlichen Gesang des Intermezzos bis
zum utopischen, leichtgewichtigen Finale. Dieses kam mit einem gewissen Augenzwinkern
daher und klang leise versöhnlich aus, sodass das Publikum gar nicht wagte, gleich zu
klatschen.
Mit Guryanov saß ein vielversprechender Nachwuchspianist Mitte 20 am Klavier, mit
stählernen Fingern, ausgebildet in Moskau und an der Musikhochschule Basel von Rudolf
Buchbinder und Filippo Gamba. Die Interpretation hat die Affekte, Rhetorik und Konflikte bei
Schostakowitsch eindrucksvoll erschlossen. Zuvor gestaltete das Caravaggio Quartett den
ersten Programmteil allein, wie immer in einem ausdrucksstarken Espressivo-Spiel.
So war die russische Musik Glinkas (ein Streichquartett mit noch sehr mozartischem Klang),
ein schon wilderes expressives Scherzo von Borodin und Werke aus verschiedenen
Stilphasen von Strawinsky spannend und kontrastreich. Das Programm zeugte von Spürsinn
für das Besondere und die Ausführungen waren, wie nicht anders von Thomas Wicky-
Stamm und Cosetta Ponte (Violinen), dem eingesprungenen ungarischen Bratschisten
Màtyàs Török und dem Cellisten Ferdinando Vietti zu erwarten, von großer Intensität und
Einfühlungsvermögen.
Strawinskys atmosphärisch dichten „Trois pièces“ von 1914 erklangen angemessen
lakonisch und aphoristisch in ihrer Kürze, konturenscharf und rhythmisch genau. Eine kleine
Preziose war Strawinskys wehmütiger Canon für Streichquartett (1959) im Gedenken an den
Maler Raoul Dufy.
Sa, 17. Mai 2014, Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung. von: Roswitha Frey
So facettenreich ist russische Musik
Connaissez-vous: Caravaggio-Quartett und Pianist Vladimir Guryanov konzertierten in St. Johann.
Klangliche Hochspannung erzeugten der junge russische Pianist Vladimir Guryanov und die Streicher vom Caravaggio-Quartett. Foto: Roswitha Frey
LAUFENBURG/SCHWEIZ. Wie facettenreich russische Musik sein kann, zeigte sich beim
vierten Konzert der Saison von Connaissez-vous in der Kirche St. Johann in
Laufenburg/Schweiz. Das Caravaggio- Quartett Basel führte am Donnerstagabend Werke
russischer Komponisten auf, die in ihren Klangsprachen ein sehr breites Spektrum entfalten.
Das begann mit dem Streichquartett F-Dur von Michail Glinka von 1830, das eine mozartisch
anmutende Leichtigkeit, Transparenz und lichte Atmosphäre ausstrahlte. Primarius Thomas
Wicky-Stamm, die zweite Geigerin Cosetta Ponte, der Bratschist Màtyàs Török und der
Cellist Ferdinando Vietti betonten dieses Apollinische in ihrem schön durchgezeichneten,
akzentuierten Streicherklang. Ihre Interpretation war geprägt von tänzerischer Leichtigkeit,
Schwung und Esprit, von geschmeidig-sanglichem Klang im ruhigen Satz und steigerte sich
im Schlusssatz zu beschwingter Ausgelassenheit. Voller Hochspannung spielte das Quartett
aus Basel dann das Scherzo von Alexander Borodin. Heftig und rasant fegten die Bogen
über die Saiten, wie ein schneller, flüchtiger Spuk, ein Flirren von Streicherklängen, die sich
immer stärker verdichten. Aber auch Momente von elegischer, wehmütiger Schönheit taten
sich auf, unterbrochen von expressiven Ausbrüchen.
Von aphoristischer Kürze, dafür prägnant im Klang
Ganz anders die Klangwelt in Igor Strawinskys Drei Stücken für Streichquartett. Diese
Miniaturen sind von aphoristischer Kürze, aber umso prägnanter im Klang. Entsprechend
spielte das Ensemble diese Stücke klanglich geschärft und rhythmisch markant, zugespitzt,
so dass sie wie Skizzen, Splitter oder Epigramme wirken. Auch in Strawinskys Canon in
memoriam Raoul Dufy zeigten die Streicher viel Gespür und Einfühlungsvermögen.
Im Hauptwerk des Abends, dem Klavierquintett g-Moll op.57 von Dmitri Schostakowitsch,
wurde das Quartett von dem jungen, aus Russland stammenden Pianisten Vladimir
Guryanov verstärkt. Kraftvoll und leidenschaftlich, ja voller Klangdramatik und Expressivität,
legten sich die Musiker in diesem fünfsätzigem Werk ins Zeug. Glasklar und eindringlich
bewältigte Guryanow den Klavierpart, entwickelte mit den Streichern eine starke Intensität
des Ausdrucks. Das Durchdringen des Liniengeflechts im ersten Satz, in dem sich
Schostakowitsch an Bach orientiert, das Herausarbeiten des polyphonen Klanggewebes in
der Fuge gelingt den Interpreten fesselnd.
Am meisten Effekt macht das Scherzo, in das sich der Pianist und die Streicher mit furioser
Verve hineinsteigern, mit heftiger Streichergeste und markantem, teils gläsernem und
funkelndem Klavierklang. Dieses Scherzo hat mal etwas Graziöses, Witziges, dann wieder
etwas Grelles, Sarkastisches, Schneidendes. All dies bringen die Caravaggios und der
blendende Pianist vorzüglich zur Wirkung. Auch das Intermezzo erklingt eindrücklich mit
seiner intensiv ausgesungenen Melodie, dem lyrischen Geigengesang zu den Pizzicati des
Cellos. Wunderbar beschworen die Interpreten in St. Johann die geheimnisvolle
Emotionalität und dichte Atmosphäre dieser Musik. Als Zugabe gab’s dann nochmal
Schostakowitsch.