Mobilität fördert Entwicklung, Austausch und … Welt...6 Eine Welt Nr .1 / März 2015 Mobilität...

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Eine Welt Nr.1 / März 2015 6 Mobilität fördert Entwicklung, Austausch und Abhängigkeit Grosse Geldgeber wie die Weltbank, die EU oder China inves- tieren seit Jahren in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern. Mobilität gilt als Motor für Entwicklung. Viele ländliche Gebiete sind jedoch bis heute schlecht erschlossen – gleichzeitig droht in den rasch wach- senden Städten der Verkehrskollaps. Von Gabriela Neuhaus. DOSSIER

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Mobilität fördert Entwicklung,Austausch und AbhängigkeitGrosse Geldgeber wie die Weltbank, die EU oder China inves-tieren seit Jahren in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vonSchwellen- und Entwicklungsländern. Mobilität gilt als Motorfür Entwicklung. Viele ländliche Gebiete sind jedoch bis heuteschlecht erschlossen – gleichzeitig droht in den rasch wach-senden Städten der Verkehrskollaps. Von Gabriela Neuhaus.

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Marie Dorigny/laif

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Transport

Die angejahrten Getreidemühlen im pakistanischenHunza-Tal – hoch oben im Karakorum-Gebirge –stehen still. Die hölzernen Kanäle, die seit Men-schengedenken Gersten- und Buchweizenfeldermit Wasser versorgt und die Mühlräder angetrie-ben haben, sind zerfallen. Getreide baut hier nie-mand mehr an, seit man Mehl mit Lastwagen ausdem Tiefland importieren kann. Vor gut 50 Jahrenhat China den Bau des Karakorum-Highways ini-tiiert. Die höchstgelegene Fernverkehrstrasse derWelt führt über den auf 4700 über Meter gelege-nen Kunjirap-Pass und verbindet die westchinesi-

sche Region Xinjiang mit Islamabad. Damit eröff-nete sich China einen Verkehrsweg zum IndischenOzean.

Handel mit dem TieflandSeit Fertigstellung des Highways Ende der 1970er-Jahre hat sich das Leben in den Bergtälern des Ka-rakorum drastisch verändert. Der vereinfachte Wa-renaustausch über die Grenze mit China und inspakistanische Tiefland bewirkte einen tief greifen-den sozialen und wirtschaftlichen Wandel. Jahr-hunderte alte bewährte Strategien der Subsistenz-wirtschaft wurden aufgegeben. Nicht nur das Mehl, ein Grossteil der Alltagsgüter kommt heuteaus dem Tiefland. Um sich diese Waren leisten zu können, produzie-ren die Bauern im Hunza-Tal und anderen Tälernentlang der Karakorum-Strasse Saatkartoffeln, diein dieser Höhenlage weniger krankheitsanfällig undauf dem Markt entsprechend begehrt sind. Der Ka-rakorum-Highway ist heute die wichtigste Lebens-ader der Region. Infolge von Felsstürzen, Erdbe-ben oder politischen Unruhen wird sie aber immerwieder für Tage oder Wochen unterbrochen. Diesführt in den Dörfern, die auf die Güter von aus-wärts angewiesen sind, zu prekären Versorgungs-engpässen. Trotzdem wünscht sich niemand die al-ten Zeiten zurück.

Sicher, sauber, erschwinglichDer Verbesserung von Verkehrsinfrastrukturen wirdin der Entwicklungszusammenarbeit ein hoherStellenwert eingeräumt. «Mobilität ist eine Voraus-setzung für wirtschaftliches Wachstum», schreibtzum Beispiel Marc Juhel, Sektormanager Transportbei der Weltbank, in seinem Blog. «Mobilitätbraucht es für den Zugang zu Jobs, Bildung, Ge-sundheit und anderen Dienstleistungen. Wichtig istaber in unserer globalisierten Wirtschaft auch dieMobilität von Gütern, um die Weltmärkte zu ver-sorgen. Zusammenfassend kann man sagen: Trans-port ist der Antrieb von Entwicklung.» Die Weltbank ist seit Jahrzehnten einer der wich-tigsten Geldgeber für den Bau und die Instandstel-lung von Transportinfrastrukturen in Entwicklungs-und Schwellenländern. Bis heute fliessen rund 60Prozent ihrer Investitionen für den Transportsektorjedoch einzig in den Strassenbau. Bereits 1985 forderte das international für eine nachhaltigeTransportpolitik plädierende Institute for Trans-portation & Development Policy eine Abkehr vonder einseitig auf den motorisierten Individualver-

Der Bau des Karakorum-Highways hat das Leben in den Bergtälern zwischen Pakistan und China drastischverändert.

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Daniel van Moll/laif

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Wie hier in Liberia sind bei Regen viele ländliche Regionen in Entwicklungsländern abgeschnitten, weil sie über keinewetterfesten Strassen verfügen.

kehr fokussierten Politik, hin zu einer nachhaltigenMobilität.Die rasante Entwicklung der Megacities und diedaraus erwachsenden Umwelt- und Verkehrspro-bleme führten schliesslich auch bei der Weltbankzum Umdenken: Als oberstes Ziel nennt sie in ih-rer Transportstrategie heute die Förderung eines «sicheren, sauberen und erschwinglichen Trans-

ports». Dabei engagiert sie sich insbesondere für die Entwicklung und gleichzeitig Verbesserung von öffentlichen Transportsystemen in Grossstäd-ten, stellt aber auch Gelder zur Verfügung für Or-ganisationsentwicklung und Gouvernanz im Ver-kehrssektor.

Mobilität ist nicht nachhaltigSo wichtig Transport in der globalisierten Welt ist,so gross sind die damit verbundenen Probleme: Nir-gends nehmen die CO2-Emissionen so stark zu, wieim Verkehrssektor. Der globale Handel sowie die in-ternationale Mobilität sind nur möglich dank nied-riger Erdölpreise. Schiffe, die 90 Prozent des welt-weiten Güterverkehrs transportieren, emittierengemäss einer Untersuchung des Deutschen Luft-und Raumfahrtzentrums jährlich 800 MillionenTonnen CO2 – beim Flugverkehr waren es 2012689 Millionen Tonnen. Innerhalb des Transport-sektors verursacht der Strassenverkehr jedoch mitAbstand am meisten Treibhausgase – Tendenz stei-

Klimaschutz undTransportIm Sommer 2014 beauf-tragte UN-GeneralsekretärBan Ki-moon zwölf Vertre-ter aus Politik, Privatwirt-schaft und Zivilgesellschaftmit der Erarbeitung vonEmpfehlungen für nachhal-tige Transportlösungenund deren Integration inEntwicklungsstrategien,die den Klimaschutz ein-schliessen. Die High-LevelAdvisory Group on Sus-tainable Transport wurdefür drei Jahre einberufenund soll sowohl mit Regie-rungen zusammenarbei-ten, wie auch mit Anbie-tern aus den verschiede-nen Transportsektoren wieFlug- und Schiffsverkehr,Fähren, Eisenbahn, Stras-sen- sowie öffentlicherVerkehr. Generalsekretärder Gruppe ist OlofPersson, CEO der Volvo-Gruppe; als seine Stellver-treterin wurde CarolinaTohá, Stadtpräsidentin vonSantiago de Chile, gewählt.

gend, da die Anzahl von Fahrzeugen mit Verbren-nungsmotor ungebremst zunimmt. Längst steht fest: Mobilität, wie wir sie heute ken-nen und immer noch fördern, ist nicht nachhaltig.«Ein Paradigmenwechsel in der Transportpolitik istunerlässlich, um eine gesellschaftlich und ökolo-gisch tragfähige Mobilität der Zukunft zu errei-chen», schreibt etwa Jürgen Perschon, Geschäfts-

führer des European Institute for Sustainable Trans-port (Eurist). In seinem Policy Paper, das er im Auf-trag der deutschen Friedrich Ebert Stiftung ver-fasst hat, geht er unter anderem auf die besonderenProblemstellungen in Entwicklungs- und Schwel-lenländern ein: Während in ländlichen Regionenein Mangel an Transportmöglichkeiten Mobilitätbeeinträchtigt und Entwicklung hemmt, erstickendie Städte im Verkehr.

Brasilianisches ErfolgsmodellSchlechte Luft und daraus resultierende Umwelt-und Gesundheitsprobleme sind aber nicht die ein-zigen negativen Folgen des überbordenden Stras-senverkehrs. Stau und Verkehrschaos gehören indicht besiedelten Regionen und den rasch wach-senden Städten des Südens zur Tagesordnung. Zu-dem haben in den Entwicklungsländern die tödli-chen Verkehrsunfälle stark zugenommen. Besondersgefährdet sind Fussgänger und Radfahrer in urba-nen Gebieten. Hier braucht es Lösungen, die es

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Scott Dalton/NYT/Redux/laif

David Steets/laif

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Transport

auch der armen Bevölkerung in Aussenquartierenund Slums ermöglichen, ihre oft weit entferntenArbeitsplätze oder Schulen sicher und zu einem er-schwinglichen Preis zu erreichen.Als kostengünstiges und effizientes Transportmittelhat sich in den letzten Jahren in vielen Städten desSüdens ein von der öffentlichen Hand betriebenesSchnellbussystem BRT (Bus Rapid Transport)

Im Gegensatz zu Lagos/Nigeria (unten), das wie viele Grossstädte im Verkehr versinkt, setzt Bogotá mit dem ebenso kostengünstigen wie effizienten Schnellbussystem TransMilenio auf den öffentlichen Verkehr.

durchgesetzt, dessen Prototyp 1974 in der brasilia-nischen Stadt Curitiba entwickelt wurde: Eine Artoberirdische Metro, bei der Busse eingesetzt wer-den, die auf einem eigenen Trassee fahren und sonicht im Stau stecken bleiben. Den Durchbruch er-langte das Konzept im Jahr 2000 mit der Eröffnungdes TransMilenio in der kolumbianischen Haupt-stadt Bogotá. Parallel zum Bussystem wurden dort

auch Fahrradwege und Fussgängerzonen einge-richtet, womit man die Lebensqualität für die ge-samte Stadtbevölkerung verbesserte, namentlichauch für jene, die nicht-motorisiert unterwegs sind. Das Beispiel macht Schule: Fast 200 Städte auf derganzen Welt verfügen heute über ein solchesSchnellbussystem. In der südchinesischen Stadt Guangzhou etwa, wotäglich eine Million Menschen mit Schnellbussenunterwegs sind, wurden die BRT-Stationen mitdem U-Bahn-System verknüpft. Zudem stehenden Passagieren Veloparkplätze sowie 15 000 Leih-velos zur Verfügung. Wachsender Beliebtheit er-freuen sich auch Luftseilbahnen, die bereits in zahl-reichen Städten Lateinamerikas, aber auch in Afri-ka und Asien Teil des öffentlichen Verkehrs sind.

Fehlende TransportmöglichkeitenWährend in den Städten die Reduktion des Pri-vatverkehrs sowie die Gewährleistung von sicheremund bezahlbarem Transport erste Priorität haben,

Schnelle Wege durchdie LuftTäglich pendeln 440000Menschen zwischen ElAlto (4000 m.ü.M.) und dem bolivianischen Regie-rungssitz La Paz. In derVergangenheit führte dereinzige Weg über die chronisch verstopftenVerbindungsstrassen. Mit der Inbetriebnahme derersten Linie der Luftseil-bahn «Mi Teleférico» imMai 2014 verkürzte sichdie Reise von rund einerStunde auf elf Minuten.Von sozialer Bedeutung istdas neue Transportmittel,weil es für die oft armeBevölkerung in El Alto denArbeitsweg nach La Paznicht nur verkürzt, sondernauch verbilligt. ZahlreicheMegacities verbinden mitdem Bau von Luftseilbah-nen gezielt die Aufwertungvon Slums. So integriertenz.B. die ETH-ArchitektenAlfredo Brillembourg undHubert Klumpner in der ve-nezolanischen HauptstadtCaracas kulturelle, sozialeund administrative Ein-richtungen wie Gemein-schaftszentren oder eineSporthalle in die Seilbahn-stationen.

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Fautre/Le Figaro Magazine/laif

Yann Doelan/hemis.fr/laif

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Bananentransport nahe Njundamu in Uganda: Für viele ist das Velo die einzige Möglichkeit, ihre Ernte zur Sammelstellezu bringen.

stehen ländliche Regionen vor ganz anderen He-rausforderungen: Tausende Menschen leben nochimmer mehrere Tagesmärsche entfernt von dernächstgelegenen befahrbaren Strasse. In Afghanistanoder Uganda etwa sind viele Dörfer während derRegenzeit oder im Winter kaum zu erreichen, weilsie über keine wetterfeste Strasse verfügen. DieMenschen sind zu Fuss unterwegs, die meisten ha-ben keine andere Transportmöglichkeit. Öffentli-chen Verkehr gibt es kaum. Besonders problematisch ist die Situation für Kran-ke: In Entwicklungsländern müssen 40 bis 60 Pro-zent der ländlichen Bevölkerung mehr als acht Ki-lometer zurücklegen, bis sie den nächstgelegenenGesundheitsposten erreichen. Ohne Transport-möglichkeit ist dies für Schwangere, Kranke, Kin-der oder Alte kaum zu schaffen. Deshalb suchen vie-le NGOs im Rahmen der Basisgesundheitsversor-gung nach innovativen Lösungen. Dazu gehörtauch der Einsatz von Fahrrädern: Diese ermögli-chen es dem Gesundheitspersonal, abgelegene Dör-fer zu besuchen. Für den Transport von Schwan-geren oder Kranken werden Veloambulanzen ein-gesetzt: Fahrräder mit angehängter Liege, aufwelcher Patienten und Patientinnen transportiertwerden können. Der Mangel an Mobilität in ländlichen Gebietenhat aber nicht nur auf die Gesundheitsversorgungnegative Auswirkungen. Kinder haben oft einensehr weiten Schulweg – weil sie für den Besuch ei-

ner höheren Schule auswärts wohnen müssten, ver-zichten viele auf eine bessere Ausbildung.Ein weiteres Problem ist der schwierige Zugang zuMärkten: Bauern, die ihre Produkte verkaufen wol-len, sind auf Zwischenhändler angewiesen, die überTransportmittel verfügen und naturgemäss schlech-tere Preise zahlen als bei der Direktvermarktung.Eine Studie aus dem Hochland von Kenia zeigt, mitwas für Schwierigkeiten Kleinbauern konfrontiertsind, die ihre Zwiebeln – eine wichtige Verdienst-quelle in der Region – verkaufen wollen: Sie trans-portieren ihre Produkte zu Fuss, mit Eselskarren,Velo oder vereinzelt auch mit Motorradtaxis zurSammelstelle. Das ist zwar teuer und gefährlich, abermangels öffentlicher Transportmöglichkeiten dereinzige Weg, die verderblichen Produkte schnell aufden Markt zu bringen. Hier zeigt sich: Eine Stras-se allein hilft nicht weiter – auch für die ländlicheEntwicklung braucht es verfügbare und erschwing-liche Transportmittel.

Hohe Transportkosten in Afrika Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur hat direkteAuswirkungen auf die Transportkosten und somitauf die Produktpreise. In Afrika sind viele Ver-kehrsachsen in so miserablem Zustand, dass Last-wagen tage- und wochenlang stecken bleiben. Fürverderbliche Güter eine Katastrophe. Nebst hohenZeitverlusten infolge schlechter Strassen und lang-wieriger Grenzabfertigungen tragen auch Zollge-

Neue PrioritätenIn der Entwicklungspolitiksteht heute nicht mehr derAusbau von Strassenin-frastruktur zuoberst auf der Transport-Agenda,sondern die Frage, wieMobilität umwelt- und sozi-alverträglich optimiert wer-den kann. Mit dem Motto«Verkehr vermeiden, verla-gern, verbessern» (Avoid,Shift and Improve A-S-I)werden neue Prioritätengesetzt: Vermeiden heisst,dass künftig nach Lösun-gen gesucht werden soll,wie Mobilität eingedämmtwerden kann. Die Verlage-rung auf umwelt- und sozi-alverträgliche Verkehrs-mittel kann über Regulie-rungen und Anreizsystemegefördert werden. Und un-ter Verbesserungen fallenFortschritte technischerArt, die es erlauben, CO2-Emissionen zu reduzieren.

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Transport

Hilfe für BinnenländerIm November 2014 verab-schiedete die UNO mit der«Erklärung von Wien» ei-nen Zehnjahres-Entwick-lungsplan für die Be-schleunigung einernachhaltigen Verkehrs-entwicklung in jenen 31Entwicklungsländern, diekeinen Zugang zum Meerhaben. Kasachstan ist von all diesen Ländern mit 3750 Kilometern amweitesten von einemMeereshafen gelegen.Über 2000 Kilometer vom Meer entfernt liegenAfghanistan, Tschad, Niger,Sambia und Simbabwe.Wegen der grossenDistanz, schwierigemGelände und dem schlech-ten Zustand von Strassenund Eisenbahnverbindun-gen sind die Transport-kosten in diesen Ländernbesonders hoch. Um dieinternationalen Wettbe-werbsbedingungen armerBinnenländer zu verbes-sern, sieht der Aktionsplanvon Wien u.a. eine sub-stanzielle Verbesserungder Qualität von Strassen-verbindungen sowie – woimmer möglich – denAusbau von Eisenbahn-linien vor.

bühren und die weitverbreitete Korruption dazubei, dass Gütertransporte in Afrika extrem teuersind. Laut einer Studie der Welthandelskonferenz Unc-tad kostet der Transport einer Tonne Fracht vonDouala in Kamerun nach N’Djamena im Nach-barland Tschad 11 US-Cents pro Kilometer – dop-pelt so viel wie in Westeuropa und das Fünffachedessen, was er in Indien kosten würde. Dies hat zurFolge, dass Importprodukte teurer sind als anders-wo – aber auch, dass afrikanische Produzenten we-gen hoher Transportkosten auf dem internationa-len Markt nicht konkurrenzfähig sind.

Kein Rezept für EntwicklungEine verbesserte Verkehrsinfrastruktur hat jedochnicht nur positive Auswirkungen auf die lokaleEntwicklung. Verkehrswege sind keine Einbahn-strassen. So gelangt etwa tonnenweise importiertesBilligfleisch aus Europa auf afrikanische Märkte, woes zu EU-subventionierten Tiefstpreisen angebotenwird, bei denen einheimische Kleinbauern mitihren lokal aufgezogenen Hühnern nicht mithal-ten können. Weltweit müssen Handwerker aufge-ben, weil Importware aus China oder Korea ihreProdukte verdrängt. Die Integration in den Weltmarkt fordert ihren Tri-but. Entwicklung braucht Mobilität. Aber nichtjegliche Art von Transportförderung ist der Ent-wicklung zuträglich. Bei der Planung grosser In-

Mangels öffentlicher Transportmöglichkeiten bringen Kleinbauern – hier in Sine Saloum (Senegal) – die Ware zu Fuss odermit Eselskarren zum Markt.

frastrukturprojekte zählen in der Regel nicht dieBedürfnisse der Einheimischen, sondern die Inter-essen multinationaler Firmen, die ihre Produktemöglichst effizient und profitabel in die Entwick-lungsländer exportieren wollen. Und jene der Rohstoffkonzerne, deren Geschäft ebenfalls guteVerkehrswege für den Export erfordert. Für die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung hingegen müssen die Investitionen in eine andereRichtung gelenkt werden: Dienstleistungsein-richtungen wie Gesundheitszentren und Schulensollten prinzipiell dezentral angelegt werden. Eben-so wichtig ist die Förderung einer ressourcenscho-nenden Mobilität. Obschon sich das Leben der Einheimischen imNorden Pakistans seit dem Bau des Karakorum-Highways grundlegend verändert hat, ist die Mehr-heit immer noch bitterarm. Die Produktion vonSaatkartoffeln ist auf den ausgelaugten, überdüng-ten Böden schwierig geworden. Viele Menschen su-chen Arbeit in der Migration. 30 Jahre nach Inbe-triebnahme der Fernstrasse wird nun aber wiedergebaut: Bald soll die Fahrbahn durchgehend as-phaltiert und wintersicher befahrbar sein. An neu-ralgischen Stellen wurden Tunnels in den Berg ge-sprengt – keine Hindernisse sollen künftig die Last-wagentransporte zwischen Pakistan und Chinamehr unterbrechen. Parallel zur Strasse entstehtauch eine Pipeline, durch die künftig Öl aus demIran nach China gepumpt wird. ■

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Bettina Flitner/laif

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«Eine Welt»: In ihren Publikationen bezeich-nen Sie Mobilität als wichtigen Baustein füreine gerechtere Welt. Befürworten Sie einMenschenrecht auf Mobilität?Patrick Kayemba: Jeder Staat ist dazu verpflich-tet, seiner Bevölkerung Dienstleistungen zur Ver-fügung zu stellen. Er muss aber auch dafür sorgen,dass diese Dienstleistungen für alle erreichbar sind.Unabhängig von Bildungsniveau oder Einkom-men – jeder Bürger und jede Bürgerin hat dasRecht auf Zugang zu Ämtern, zum Parlament oderzu Spitälern. Deshalb ist Mobilität ein zentraler Faktor für das Funktionieren einer Gesellschaft. Indiesem Sinn gibt es durchaus ein Recht auf Mobi-lität: Wo die entsprechende Infrastruktur fehlt, werden Menschen, die sich keinen Transport leis-ten können, ausgeschlossen. Es darf keine Rollespielen, ob jemand vom Land kommt oder aus derStadt – alle haben das gleiche Recht auf sozialeDienstleistungen.

Was heisst das konkret? Was braucht es, umdieses Recht durchzusetzen?Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Mo-torisierung haben dazu geführt, dass in unserenStädten viele Einrichtungen für Fahrzeuge bessererreichbar sind als für Menschen. Fussgänger undRadfahrer leben gefährlich auf unseren Strassen. Inden Städten werden Menschen mit geringem Ein-kommen an die Peripherie verdrängt. Jeden Mor-gen legen sie auf der Suche nach Arbeit imStadtzentrum weite Strecken zu Fuss oder mit demFahrrad zurück. Damit sich auch arme Stadtbe-wohner den Weg ins Zentrum leisten können, ma-chen wir uns sowohl für die Förderung des öffent-lichen Verkehrs wie auch für nicht-motorisierteTransportlösungen stark. Indem wir Platz für denLangsamverkehr schaffen, tragen wir gleichzeitigzur Reduktion der Verkehrsunfälle bei. Diese zählenin Afrika nebst Aids und Malaria zu den häufigstenTodesursachen.

Strassen für Menschen, statt für FahrzeugeMobilität ist ein Katalysator für Entwicklung. Meist wird jedochdie Bedeutung des nicht-motorisierten Verkehrs unterschätzt.Der ugandische Verkehrsexperte Patrick Kayemba plädiert imGespräch mit Gabriela Neuhaus für eine integrierte Verkehrs-politik mit besonderer Berücksichtigung von Fussgängern undRadfahrern.

Eine Krankenstation in Kongo: Oft hat die ländliche Bevölkerung nur einen sehr beschränkten Zugang zuGesundheitsdienstleistungen.

Patrick Kayemba lebt in seinem HeimatlandUganda und in Deutsch-land, wo er als Experte fürEntwicklungsfragen zumTeam des EuropeanInstitute for SustainableTransport (Eurist) gehört.In dieser Funktion hält erVorträge und publiziertüber Themen wie nachhal-tige Verkehrsplanung inafrikanischen Städten oderMobilität für alle. Gleich-zeitig ist Kayemba Direktorder afrikanischen NGOFabio in Uganda, die sichfür eine nachhaltige Trans-portpolitik in ganz Afrikaeinsetzt. Über Verkehrs-fragen hinaus engagiertsich Patrick Kayembaauch in der Korruptions-bekämpfung sowie fürEntwicklungsfragen inAfrika. Er ist Vorsitzendervon Transparency Interna-tional in Uganda sowieMitglied des Wirtschafts-,Sozial- und KulturratsEcosocc der AfrikanischenUnion. www.eurist.infowww.fabio.or.ug

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Norbert Enker/laif

fabio.or.ug

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Transport

Das heisst, es braucht mehr Radwege undFussgängerzonen?Das ist ein Ansatz. Man muss aber auch die Not-wendigkeit für Mobilität reduzieren. Die Men-schen sollen nicht ständig von einem Ort zum an-dern unterwegs sein. Da haben die Kommunikati-onstechnologien schon viel bewirkt: Heute greifenwir zum Handy oder nutzen eine öffentliche Tele-fonkabine, wenn wir mit jemandem, der geradenicht in der Nähe ist, sprechen wollen. Gefordertsind zudem die Stadtplaner. Sie müssen dafür sor-gen, dass sich Einrichtungen wie Schulen, Spitäleroder Märkte in der Nähe ihrer Nutzer befinden.Gute Planung führt zu einer Reduktion der Mo-bilität: Menschen müssen die Möglichkeit haben,sich zum Beispiel für eine Schule in der Nähe zuentscheiden. Dies setzt aber voraus, dass das Bil-dungsangebot dezentralisiert wird. Aktuell befindensich die meisten guten Schulen und Spitäler inStadtzentren, was dazu führt, dass alle dorthin drän-gen. In der ugandischen Haupstadt Kampala liegtder grösste Markt mitten im zentralen Geschäfts-viertel. Wer etwas kaufen oder verkaufen will, mussins Stadtzentrum. Um solche Entwicklungen zuverhindern, brauchen wir unbedingt eine Kombi-nation von Raumplanung und flächendeckendemöffentlichem Verkehr.

Gilt dies auch für ländliche Gebiete?In Afrika sind die meisten Strassen auf dem Landwährend der Regenzeit unpassierbar. Das ist dasHauptproblem. Bei Überschwemmungen gehenBrücken kaputt – andere werden abgebaut, um sievor Hochwasser zu schützen. Dies hat zur Folge,dass Fahrzeuge, die landwirtschaftliche Produkteabholen oder Kranke transportieren sollten, dieDörfer nicht erreichen können. Deshalb setzt sichdie NGO Fabio in Uganda dafür ein, dass die Ge-meinden eigene Fahrräder haben. Weil sich ein

Fahrrad auf jeder Strasse fortbewegen kann – egal,in welchem Zustand sie ist.

Welche Verkehrspolitik braucht es für eineMobilität für alle?Die meisten Strassen in Afrika werden mit Sub-ventionen oder Krediten der Weltbank, der EU oderder Afrikanischen Entwicklungsbank gebaut. Die-se stellen auch Mittel für die Instandstellung beste-hender Verkehrswege zur Verfügung. Es ist höchsteZeit, dass die internationalen Partner ihre Geldermit Konditionen verknüpfen, damit auch in Ein-richtungen für den nicht-motorisierten Verkehr in-vestiert wird. In der Vergangenheit wurden Ingeni-eure bei uns dafür ausgebildet, Strassen für Fahr-zeuge, nicht aber für Menschen zu bauen. UnsereKapazitäten für die Planung von menschenfreund-lichen Verkehrswegen und Städten sind limitiert.Deshalb brauchen wir da einen Transfer von Ex-perten und Wissen aus dem Norden in den Süden.

Weshalb ist es so wichtig, Mobilität zu för-dern und zu gewährleisten? Mobilität ist ein Katalysator für Entwicklung, weilsie den Transfer von Erfahrungen, Waren undDienstleistungen von Ort zu Ort ermöglicht. Diesführt zu einer Zunahme der Produktion, und da-mit auch zum Wachstum der Märkte. Fest steht: Jemehr Leute Zugang zum Markt haben, desto bes-ser läuft die Wirtschaft. Umgekehrt haben Mobi-litätsbeschränkungen zur Folge, dass Leute wenigerausgeben und nicht in der Lage sind, grosse Märk-te zu versorgen. Verbessert man die Mobilität derMenschen, trägt dies langfristig zur wirtschaftlichenEntwicklung eines Landes bei. Dies ist für uns inAfrika besonders wichtig – denn das Ziel ist, eige-ne Absatzmärkte für unsere Produkte aufzubauen. ■

(Aus dem Englischen)

Das Velo hat in Entwicklungsländern einen sehr hohen Stellenwert als Transportmittel – ob als Ambulanz in Uganda oderals Rikscha in Bangladesch.

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(gn) In Gebirgsregionen ist der Bau von Strassen be-sonders schwierig und heikel: Konventionelle Me-thoden mit schweren Maschinen und Felsspren-gungen sind nicht nur teuer, oft lösen sie auch Erd-rutsche und Steinschlag aus und gefährden dieUmwelt. Wo die empfindliche Vegetationsdecke ver-letzt wird, droht Erosion. Schon früh setzte dieDEZA in Nepal deshalb auf umweltfreundlichesVorgehen und die Einbindung der Dorfbevölke-rung, die beim Strassen- und Brückenbau mitbe-stimmt und mitbaut. Der Ansatz wurde mit den Jah-ren laufend verbessert und den sich veränderndenBedürfnissen angepasst: Heute braucht es vermehrtStrassen, die auch dem Gewicht von Lastwagen undBussen standhalten und möglichst ganzjährig be-fahrbar sind.

Fokus auf soziale AspekteIm Rahmen des District Roads Support Program-me DRSP unterstützte die DEZA von 1999 bis

Ende 2014 in sieben Distrikten den Bau und die In-standstellung von rund 600 Strassenkilometern. DieLokalbevölkerung wurde nicht nur in die Planungeinbezogen, sondern erhielt auf den Baustellen eineMöglichkeit, Geld zu verdienen: Bewusst setzte dasProjekt auf Handarbeit mit Hacke und Pickel undgenerierte so für die arme Bergbevölkerung insge-samt fünf Millionen bezahlte Arbeitstage. «Besonders wichtig bei den Strassenprojekten ist dersoziale Aspekt», sagt Renate Lefroy, Nepal-Pro-grammbeauftragte bei der DEZA. Während desStrassenbaus hatten die Beteiligten für rund 90 Tageein gesichertes Einkommen. Bei der Anstellungwurden benachteiligte Bevölkerungsgruppen be-sonders berücksichtigt. Mindestens ein Drittel derStellen war für Frauen reserviert, die den gleichenLohn erhielten wie die Männer. «Dies führte an-fänglich zu heftigen Diskussionen – wurde aberschliesslich akzeptiert und geschätzt», fasst RenateLefroy zusammen.

Strassen für AfghanistanDie Erfahrungen aus Nepallassen sich auch aufAfghanistan übertragen:Seit 2007 finanziert dieDEZA in der Provinz Takharin Nordafghanistan Pro-jekte zur landwirtschaftli-chen Entwicklung. Auchwegen der schwierigenErreichbarkeit – nebenÜberschwemmungen,Erdrutschen und Boden-übernutzung – gehört dieRegion zu den ärmstendes Landes. Ab Frühjahr2015 investiert die DEZAzusätzlich in bessere lokaleVerkehrswege: Im Ein-zugsgebiet zweier Flüssesollen Strassen ausgebautund dadurch ganzjährigbefahrbar werden. Dabeinutzt man die Vorteile desin Nepal erprobten arbeits-intensiven Strassenbaus:Die vierjährige Projektdauerschafft für rund 1500Menschen aus der Regioneine Beschäftigung. DasEinkommen soll helfen, dieZeit zu überbrücken, bislängerfristige landwirt-schaftliche Investitionenwie der Anbau von Obst-und Nussbäumen Ertragabwerfen.

Die Dorfbevölkerung wird beim Bau einer Strasse miteinbezogen, indem sie mitbaut, mitbestimmt und später für derenUnterhalt sorgt.

Nepals grüne, soziale und nachhaltige StrassenIn Nepal engagiert sich die Schweiz seit Jahrzehnten für den Bauvon Brücken und Strassen. Dabei entwickelte sie einen Ansatz,bei dem die lokale Bergbevölkerung nicht nur mitbestimmt,sondern selber baut und künftig auch vermehrt Verantwortungfür den Unterhalt übernimmt.

Jean Mutam

ba Lum

pungu/DEZA

Jean Mutam

ba Lum

pungu/DEZA (2)

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Transport

Eine Umfrage bei ehemaligen Strassenbauern zeigt,dass die Erwerbsmöglichkeit – obschon zeitlich be-grenzt – den Betroffenen viel gebracht hat. Ihr Zu-satzeinkommen, sagen sie, hätten sie vor allem zurDeckung von Schulden, für Nahrungsmittel und dieSchule der Kinder ausgegeben – aber auch für denKauf von Land oder die Einrichtung eines Ver-kaufsstands an der neuen Strasse.

Selber Hand anlegenNach der Fertigstellung erleichtern die besserenVerbindungen in abgelegenen Regionen Nepals, wonach wie vor die meisten zu Fuss unterwegs sind,den Weg ins nächste Dorf, in die Schule, auf denMarkt. Wo wetterfeste Strassen den Verkehr vonBussen und Lastwagen ermöglichen, verkürzen sichdie Reisezeiten zusätzlich und der Warentransportzum oder vom Markt wird einfacher und günsti-ger. Darüber hinaus löste der gemeinsame Strassenbauin den beteiligten Dörfern soziale und wirtschaftli-che Veränderungen aus. Naresh Tamang aus Lisan-ku beschreibt in seiner preisgekrönten Geschichteüber den Hasen und die Schildkröte die neue Si-tuation und das neue Lebensgefühl: «Die wirt-schaftlichen Aktivitäten im Dorf sind zahlreich undunterschiedlich – sie reichen vom Kartoffelanbauüber Ziegen- und Bienenhaltung bis zu Obstbäu-men. Der vielleicht wichtigste Unterschied ist aberdie Veränderung von uns allen. Mit dem Bau derStrasse erlangten wir das Gefühl, das Schicksal sel-ber in die Hand nehmen zu können. Wir lernten soviele Fertigkeiten, die uns helfen, unseren Kinderneine andere und bessere Zukunft zu ermöglichen.»

50 000 Kilometer Wege gebautDie Methode des arbeitsintensiven Strassenbauswird mittlerweile von weiteren Entwicklungsagen-turen sowie von der nepalesischen Regierung prak-tiziert. Mit ihren neuen Strasseninfrastruktur-Pro-

Preisgekrönt Die Erzählung «Der Haseoder die Schildkröte – werhatte die richtige Durch-haltetaktik?» gewann 2003beim DEZA-Wettbewerbzu Geschichten überNachhaltigkeit. NareshTamang beschreibt darin,wie der von den Behördenimplementierte Strassen-bau im Nachbardorf zuerstschnell vorankam, schliess-lich aber scheiterte. ImGegensatz dazu musstendie Bewohner seinesDorfes im Rahmen desDEZA-Projekts selberHand anlegen, was an-fänglich gar nicht gut an-kam. Der Bau ging viellangsamer voran. DieseStrasse funktionierte aberschliesslich und brachtedas Dorf auch sonst weiter.Dieses District RoadsSupport Programme der DEZA gewann 2011 den Innovationspreis derInternational Road Federa-tion IRF für Strassentrans-port in Entwicklungslän-dern in der Kategorie«ländlicher Transport».www.agridea-internatio-nal.ch (The Hare or theTortoise)

Der gemeinsame Strassenbau ermöglicht nicht nur den Weg ins nächste Dorf oder auf den Markt, er löst in den beteilig-ten Dörfern konkrete soziale und wirtschaftliche Veränderungen aus.

jekten entwickelt die DEZA das Konzept weiter:Der erfolgreiche Ansatz soll künftig systematisch fürden Unterhalt der Verkehrsinfrastruktur in abgele-genen Regionen eingesetzt werden. Von den rund 50 000 Kilometern lokaler Verkehrs-wege, die in Nepal seit den 1990er-Jahren gebautwurden, sind heute rund die Hälfte nicht oder nurzeitweise passierbar. Damit die Verbindungen auch

während der Regenzeit genutzt werden können,braucht es vielerorts zusätzliche Hangbefestigungen,härtere Beläge und verbesserte Entwässerungssyste-me.

Handarbeit der LokalbevölkerungDas neue Projekt unterstützt die Distrikte dabei, jeeigene Masterpläne für den Ausbau und vor allemfür den Unterhalt ihrer Verkehrsnetze zu erstellenund umzusetzen. Die Arbeiten sollen wiederummöglichst von der lokalen Bevölkerung in Hand-arbeit geleistet werden. Damit schafft man nicht nurim Strassenbau, sondern auch im Unterhalt Er-werbsmöglichkeiten. Wer auf der Baustelle Erfah-rungen gesammelt hat, soll diese zertifizieren lassenund sich künftig als qualifizierte Arbeitskraft aus-weisen können. Das neue DEZA-Programm Local Roads Impro-vement hat einen Zeithorizont von voraussichtlich14 Jahren. Aus guten Gründen: Gebaut seien Stras-sen schnell einmal – auch mit dem arbeitsintensi-ven Ansatz, sagt Renate Lefroy: «Die partizipativePlanung jedoch braucht viel Zeit. Vor allem abermuss man Verständnis für die Bedeutung des Un-terhalts wecken und dafür langfristig die notwendi-gen Kapazitäten sicherstellen – sonst macht es kei-nen Sinn, in Strassenprojekte zu investieren.» ■

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Francesco Zizola/Noor/laif

Eine Welt Nr.1 / März 201516

(gn) Im Frühjahr 2014 erfolgte in Westafrika derStartschuss für ein ehrgeiziges Projekt: Die Eisen-bahnstrecke zwischen Nigers Hauptstadt Niamey indie gut 1000 Kilometer entfernte Hafenstadt Co-tonou in Benin soll bis 2016 fertiggestellt werden.Die Strecke ist ein zentrales Teilstück eines umfas-senderen Eisenbahnnetzwerks, mit dem eine Rei-he weiterer westafrikanischer Zentren miteinanderverbunden werden sollen. Das Projekt stammt ursprünglich aus dem 19. Jahr-hundert, erste Teilstrecken wurden noch währendder Kolonialzeit gebaut. Danach war es lange stillum die Eisenbahnverbindung zwischen dem Bin-nenland Niger und Benin am Golf von Guinea. EinGrund dafür sind die hohen Investitionskosten – derBau und Unterhalt von Eisenbahn-Infrastruktur istteuer und übersteigt die finanziellen Möglichkeitenvieler Entwicklungsländer. Finanziert wird das Mil-liardenprojekt denn auch in erster Linie vom pri-vaten französischen Mischkonzern Bolloré. Der In-vestor verbindet mit dem Bau dieser Strecke hand-feste wirtschaftliche Interessen: Niger exportiertjährlich 4000 Tonnen Uran über den Hafen von Co-tonou, hinzu kommt der Abbau weiterer Rohstof-

fe wie Gold oder Eisen. Mit der Verlegung desTransports dieser Exportprodukte von der Strasse aufdie Schiene, wird die Reisezeit bis in den Hafenmassiv verkürzt.

Gute Trümpfe gegenüber StrasseDie Revitalisierungs- und Ausbaupläne des Schie-nennetzes in Westafrika ist nur gerade ein Beispielunter vielen: Nachdem in den letzten Jahrzehntendie Strasse vielerorts die Eisenbahn verdrängt hatte,setzt man heute wieder vermehrt auf die unbestrit-tenen Vorteile der Schiene: Insbesondere der Trans-port schwerer Güter über weite Strecken ist mit demZug schneller, zuverlässiger und somit auch günsti-ger als auf den Strassen, die oft in schlechtem Zu-stand sind. Mit der Verlegung von Eisenbahnlinien werdenTransportkorridore geschaffen, die sich positiv aufdie Entwicklung der regionalen Wirtschaft auswir-ken können. Dies ist aber nur der Fall, wenn nebstdem internationalen Rohstoffgeschäft auch lokaleProduzenten und die breite Bevölkerung die neu-en Verbindungen nutzen und von ihnen profitierenkönnen. ■

Sowohl in Afrika (oben Kenia) wie Asien sind neue Eisenbahnlinien in Planung: Erfahrungsgemäss wirken sie sich positivauf die regionale Entwicklung aus.

Schiene statt AsphaltDie Kolonialmächte investierten einst in grossem Stil in Schie-nennetze, um Rohstoffe aus dem Landesinnern in die Häfen zubefördern. Heute erlebt die Eisenbahn als Transportmittel undTreiberin für regionale Entwicklung einen neuen Aufschwung.

Ausbau undModernisierung Der Bau von Eisenbahnenboomt vorab in Entwick-lungs- und Schwellenlän-dern: Netzausbauten ingrossem Stil erfolgen rundum den Persischen Golf,im Maghreb sowie imsüdlichen Afrika. Treiben-de Kraft dabei ist China,das in den letzten Jahrennicht nur sein eigenesEisenbahnnetz massivausgebaut hat, sondernweltweit in Revitalisierungund Neubau von Schie-nenverbindungen inves-tiert. Das Projekt einespanasiatischen Bahn-netzes etwa hat zum Ziel,den regionalen Güter-transport anzukurbeln undgrenzübergreifend einenintegrierten Markt aufzu-bauen. China investiertnicht nur in mehr Schie-nenkilometer, aber auch in innovative Technologie:Schnellzüge mit Ge-schwindigkeiten von biszu 350 Kilometern proStunde sind ebenso fürChina selber bestimmtwie für den Export sowiedie Verbindung durchZentralasien bis nachEuropa.

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Naftali Hilger/laif

Schlüsselzahlen• In Afrika sind 90 Prozent der ländlichen Bevölkerung zu Fuss unterwegs.

• Jährlich sterben 1,2 Millionen Menschen bei Strassenunfällen, 92% in Schwellen- und Entwicklungsländern, davon fast die Hälfte in städtischen Gebieten. Obschon nur 2% der weltweit zugelassenen Fahrzeuge in Afrika verkehren, sterben dort schätzungsweise jedes Jahr 200000 Menschen bei Verkehrs-unfällen – dies entspricht 16% der globalen Verkehrstoten.

• In Nigeria müssen Kinder des ärmsten Fünftels der Bevölke-rung im Durchschnitt fünfmal so weit reisen bis zur nächsten Primarschule wie jene, die dem wohlhabendsten Fünftel angehören.

• Seit 2002 hat die Weltbank den Bau und die Instandstellung von über 260000 Strassenkilometern unterstützt.

• Der Anteil des Verkehrs am weltweiten CO2-Ausstoss beträgt

aktuell 23%. Rechnet man Strassenbau und Autoherstellung dazu, sind es 30%. Geht die Entwicklung gleich weiter wie bisher, werden 2050 80% der CO

2-Emissionen durch Verkehr

verursacht.

Durchschnittliche Strassendichte pro 100 km2 der GesamtflächeAfrika 6,8 km Asien 18 kmLateinamerika 12 kmSchweiz 173 km

Eine Welt Nr.1 / März 2015 17

Transport

Facts & Figures

LinksInternational Forum for Rural Transport and Development –IFRTDDie Organisation engagiert sich für die Verbesserung der Mobilität der armen Bevölkerung auf dem Land. Heute unterhältsie ein breites Netzwerk von Mitgliedern, vor allem im Süden. Die DEZA gehört zu den wichtigsten Gebern des IFRTD-Netz-werks. www.ifrtd.org

Institute for Transportation & Development Policy – ITDPDie Organisation geht auf die US-amerikanische Bewegung«Fahrräder statt Bomben» (Bikes Not Bombs) zurück, die in den 1980er-Jahren Velos nach Nicaragua schickte, um dort dieGesundheits- und Bildungsarbeit zu unterstützen. Seither ent-wickelte sich das ITDP zu einer der wichtigsten Institutionen bezüglich der Entwicklung von nachhaltigem Transport in denStädten. www.itdp.org

European Institute for Sustainable Transport – EuristDie NGO mit Sitz in Hamburg setzt sich weltweit für eine bessere Nachhaltigkeit von Transport und Mobilität ein. Dazugehören das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen Trans-port und CO

2-Emissionen, Armutsbekämpfung, Umweltschutz,

Verkehrssicherheit und Frachtgut. www.eurist.info

Rural Access Indicator – der Index gibt an, wieviele Menschen in einem Radius von zwei Kilometern von ihremWohnort entfernt Zugang zu einer «Allwetterstrasse» haben. Insgesamt über einer Milliarde Menschen fehlt dieserZugang – dies entspricht einem Drittel der ländlichen Bevölkerung weltweit.

0-32

33-49

50-70

71-86

87-100

unbekannt

RAI (%)