Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung · geplanten Verhaltens und die...

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Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung Sonia Lippke, Benjamin Schüz und Ben Godde Inhalt 1 Einleitung ................................................................................................ 1 2 Modelle zur Motivationsbildung und zur Verhaltensrealisation .................................... 2 2.1 Modell gesundheitlicher Überzeugungen und Theorie der Schutzmotivation .......................... 2 2.2 Theorie des geplanten Verhaltens und sozial-kognitive Theorie ........................................ 3 2.3 Von der Absicht zum Verhalten: Volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens ..................... 4 2.4 Rubikonmodell ........................................................................................... 4 2.5 Handlungspläne .......................................................................................... 4 3 Stadienmodelle .......................................................................................... 5 4 Hybridmodell ............................................................................................ 6 5 Externe Einüsse auf Gesundheitsverhalten ......................................................... 6 5.1 Umwelteinüsse auf Verhalten: Stimuluskontrolle und Hinweisreize .................................. 7 5.2 Theorie der zeitlich bezogenen Selbstregulation ........................................................ 8 6 Multiple Gesundheitsverhaltensänderung ............................................................ 10 7 Soziale Ungleichheit im Gesundheitsverhalten ....................................................... 13 8 Zusammenfassung und Fazit ........................................................................... 14 Literatur ....................................................................................................... 15 1 Einleitung In diesem Kapitel geht es um Theorien und Modelle des Gesundheitsverhaltens bzw. des gesundheitsbezogenen Han- delns und der Verhaltensänderung. Unter Theorien und Modellen verstehen wir in diesem Zusammenhang ganz abs- trakt Sätze von Annahmen, die zusammen entsprechendes Verhalten erklären. Das heißt, dass in solchen Theorien und Modellen Annahmen darüber gemacht werden, welche Ein- ussgrößen sich auf das Gesundheitsverhalten auswirken. Gesundheitsverhalten ist dabei jegliches Verhalten, das Menschen ausüben und das die Gesundheit fördert und lang- fristig erhält, Schäden und Einschränkungen fernhält und die Lebenserwartung verlängert. Gesundheitsverhalten kann auch die Unterlassung eines Risikoverhaltens sein, also wenn Verhaltensweisen, die die Gesundheit gefährden, aufgegeben oder reduziert werden. Aus den Annahmen, die in den Theorien gemacht werden (z. B. Einussgröße X wirkt sich förderlich auf Verhalten Y aus), lassen sich Hypothesen ableiten, die dann empirisch überprüft werden können. Aus den Ergebnissen dieser Unter- suchungen lässt sich dann ableiten (Evidenz), wie gut die Annahmen der Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. S. Lippke (*) Department of Psychology and Methods; Health Psychology & Behavioral Medicine, Jacobs University Bremen, Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] B. Schüz Institut für Public Health und Pegeforschung, Universität Bremen, Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] B. Godde Psychology & Methods, Jacobs University Bremen, Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 M. Tiemann, M. Mohokum (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, Springer Reference Pege Therapie Gesundheit, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_8-1 1

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Modelle gesundheitsbezogenen Handelns undVerhaltensänderung

Sonia Lippke, Benjamin Schüz und Ben Godde

Inhalt1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Modelle zur Motivationsbildung und zur Verhaltensrealisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Modell gesundheitlicher Überzeugungen und Theorie der Schutzmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Theorie des geplanten Verhaltens und sozial-kognitive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.3 Von der Absicht zum Verhalten: Volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.4 Rubikonmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.5 Handlungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

3 Stadienmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4 Hybridmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

5 Externe Einflüsse auf Gesundheitsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65.1 Umwelteinflüsse auf Verhalten: Stimuluskontrolle und Hinweisreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75.2 Theorie der zeitlich bezogenen Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

6 Multiple Gesundheitsverhaltensänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

7 Soziale Ungleichheit im Gesundheitsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

8 Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1 Einleitung

In diesem Kapitel geht es um Theorien und Modelle desGesundheitsverhaltens bzw. des gesundheitsbezogenen Han-delns und der Verhaltensänderung. Unter Theorien und

Modellen verstehen wir in diesem Zusammenhang ganz abs-trakt Sätze von Annahmen, die zusammen entsprechendesVerhalten erklären. Das heißt, dass in solchen Theorien undModellen Annahmen darüber gemacht werden, welche Ein-flussgrößen sich auf das Gesundheitsverhalten auswirken.

Gesundheitsverhalten ist dabei jegliches Verhalten, dasMenschen ausüben und das die Gesundheit fördert und lang-fristig erhält, Schäden und Einschränkungen fernhält und dieLebenserwartung verlängert. Gesundheitsverhalten kannauch die Unterlassung eines Risikoverhaltens sein, also wennVerhaltensweisen, die die Gesundheit gefährden, aufgegebenoder reduziert werden.

Aus den Annahmen, die in den Theorien gemacht werden(z. B. Einflussgröße X wirkt sich förderlich auf Verhalten Yaus), lassen sich Hypothesen ableiten, die dann empirischüberprüft werden können. Aus den Ergebnissen dieser Unter-suchungen lässt sich dann ableiten (Evidenz), wie gut dieAnnahmen der Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

S. Lippke (*)Department of Psychology and Methods; Health Psychology &Behavioral Medicine, Jacobs University Bremen, Bremen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

B. SchüzInstitut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen,Bremen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

B. GoddePsychology & Methods, Jacobs University Bremen,Bremen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019M. Tiemann, M. Mohokum (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit,https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_8-1

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Dies hat einen ganz praktischen Nutzen für die Verhaltens-änderung: Wenn die Forschung gezeigt hat, dass einebestimmte Einflussgröße von Bedeutung ist, dann sollten dieseEinflussgrößen in Interventionen auch gezielt angesprochenwerden (Michie et al. 2018). So können sie die Anleitungenfür die Entwicklung von effektiveren Verhaltensänderungs-maßnahmen sein (z. B. Bartholomew Eldredge et al. 2016).

" Theorien und Modelle beschreiben, wie und unter wel-chen Bedingungen bestimmte Einflussfaktoren zusam-menwirken und ein Kriterium (z. B. mit dem Rauchen auf-zuhören) beeinflussen. Es lassen sich Hypothesen ausihnen ableiten, um die Theorie zu testen (was Evidenz füroder gegen die Annahmen im Modell schafft), auf dessenGrundlage dann Interventionen zur Veränderung vonGesundheitsverhalten entwickelt werden können.

Im Folgenden werden wir einige der gängigsten Theorienund Modelle betrachten, die im Kontext von Gesundheits-und Risikoverhalten vorgestellt und untersucht wurden. Wirwerden außerdem auf Maßnahmen zur Gesundheitsförde-rung eingehen, die auf Grundlage dieser Theorien undModelle entwickelt wurden.

Dabei unterscheiden wir grundsätzlich zwischen (1) Theo-rien, die Erwartungen als zentrale Einflussgröße auf Verhal-tensmotivation (auch Absicht, Intention oder Schutz-motivation genannt) annehmen, und (2) Theorien, dieVerhaltensänderung als eine Abfolge von unterschiedlichenDenkweisen (mindsets) verstehen. (3) Ein Ansatz, verschie-dene Verhaltensweisen und deren Änderung im Zusammen-hang zu betrachten, werden ebenfalls theoriebasiert bespro-chen. Darüber hinaus finden externe Einflussgrößen aufVerhalten und sozioökonomische Unterschiede Beachtung.

2 Modelle zur Motivationsbildung und zurVerhaltensrealisation

Modelle zur Motivationsbildung und Verhaltensrealisationzeichnen sich vor allem dadurch aus, dass in ihnen Motiva-tion als zentrale Einflussgröße auf das Verhalten angenom-men wird. Eine Gruppe von Theorien (z. B. Modell gesund-heitlicher Überzeugungen, Theorie der Schutzmotivation unddas erweiterte parallele Prozessmodell) gehen davon aus,dass Menschen vor allem durch denWunsch, gesundheitlicheGefahren und Risiken abzuwehren, zu Gesundheitsverhaltenmotiviert werden. Eine zweite Gruppe von Theorien (bspw.Theorie des geplanten Verhaltens/Reasoned Action und diesozial-kognitive Theorie) gehen davon aus, dass es allge-meine Erwartungen über die Auswirkungen von Verhaltenund eigenes Erleben sind, die für die Ausbildung von Moti-vation verantwortlich sind. In beiden Ansätzen folgt dann ausstärkerer Motivation eine höhere Wahrscheinlichkeit gesund-heitlichen Handelns.

2.1 Modell gesundheitlicher Überzeugungenund Theorie der Schutzmotivation

Diese Modelle haben gemeinsam, dass die Abwehr vongesundheitlichen Risiken die zentrale Motivation von ge-sundheitsbezogenem Verhalten darstellt. Daraus leitet sichauch der Großteil von Gesundheitsaufklärung ab den1950er-Jahren ab: Durch die Kommunikation von Risiken(Furchtappelle) von ungesundem Verhalten sollten Menschenzu gesünderem Verhalten motiviert werden.

Das Modell der gesundheitlichen Überzeugungen (HealthBelief Model, HBM; Becker 1974; Rosenstock 1966) erklärtmenschliches Handeln als rational und stammt aus der Tra-dition der Erwartungs-x-Wert-Theorien, wie z. B. das vonLewin (1951). Dabei sind vor allem Erwartungen der eigenenVulnerabilität (der Wahrscheinlichkeit, eine Erkrankung zubekommen) und Überzeugungen zum Schweregrad dieserErkrankung (subjektiver Wert) wichtig: Je wahrscheinlicheres ist, dass ich eine Erkrankung bekomme, und je schwer-wiegender diese Erkrankung ist, desto eher bin ich motiviert,mein Verhalten zu ändern. Die Befundlage unterstützt diesesModell allerdings nicht mehr: Diverse Prozesse sind nichtberücksichtigt und wichtige Faktoren wie Intention undSelbstwirksamkeitserwartung fehlen (Kok et al. 2018;Schwarzer 2001).

Die Theorie der Schutzmotivation (Protection MotivationTheory, PMT; Rogers 1975) baut auf dem HBM auf. Rogerswollte mit dem Modell erklären, wie Furchtappelle aufGesundheitsverhalten Einfluss nehmen: Demnach beeinflus-sen Furchtappelle Bedrohungseinschätzungen (Verwundbar-keit, Schweregrad), führen dadurch zu mehr Schutzmotivation(Intention) und anschließend zu verändertem Verhalten. Fernersollte eine höhere Handlungswirksamkeit eine höhereIntention zur Verhaltensänderung und damit mehr erwünschtesVerhalten zur Folge haben. Rogers erweiterte sein Modellim Jahre 1983, indem er Selbstwirksamkeitserwartung,Handlungskosten, Belohnungen und Informationsquellen be-rücksichtigte. Informationsquellen wie Beobachtungslernen,verbale Überzeugungen, Persönlichkeitsvariablen und Erfah-rungen würden wiederum Einfluss nehmen auf die Bedro-hungseinschätzung und die Bewältigungseinschätzung.

Im Einklang mit Rogers‘ Theorie fanden Witte und Allen(2000), dass Furchtappelle nur dann wirksam zu Verhaltens-änderungen motivieren, wenn sie auch die Bewältigungs-kompetenzen unterstützen. Dieser mittlerweile klassischeBefund wurde auch durch verschiedene Metaanalysen, wievon Tannenbaum et al. (2015) sowie Sheeran et al. (2014)repliziert. Sheeran et al. (2014) fanden heraus, dass eine Er-höhung der Bedrohungseinschätzung zu Effekten von d+ =0,31 auf Intention und d+= 0,23 auf Verhalten führten. WennBedrohungseinschätzung und Bewältigungskompetenzengemeinsam adressiert wurden, dann waren die Effekte aufIntention mit d+ = 0,98 und 0,45 auf Verhalten am größten.Auch Peters et al. (2013) konnten in ihrer Metaanalyse die

2 S. Lippke et al.

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Interaktion zwischen Bedrohungseinschätzung und Bewälti-gungskompetenzen finden, mit Effektstärken zwischend = 0,31 bis 0,71.

Furchtappelle ohne weitere Komponenten können nichtzu einer Verhaltensänderung führen (Kok et al. 2018). Ent-gegen dieser wissenschaftlichen Evidenz setzen jedoch vieleInterventionen immer noch auf Komponenten, die Bedro-hungseinschätzungen beeinflussen, anstatt sowohl Bedro-hungs- als auch Bewältigungskomponenten anzusprechen(Peters et al. 2018).

Allgemein ist festzustellen, dass Menschen Risiken unter-schiedlich interpretieren (Optimistischer Fehlschluss, vgl.Weinstein 1980) und unterschiedlich auf Bedrohungserlebenreagieren. Furcht erzielt eher kurzfristige Effekte (s. Koket al. 2017).

" Furchtappelle können einen Einfluss auf Gesundheitsver-halten nehmen, sowohl das HBM und die PMT stellentheoretische Rahmen dafür dar. Der Nutzen der PMT kanndarin gesehen werden, dass sie neben Bedrohungsein-schätzung verschiedene personale Ressourcen (Bewälti-gungseinschätzung) berücksichtigt. Die explizite In-tegration der Schutzmotivation (Intention) und derSelbstwirksamkeit stellt ihren Vorteil gegenüber demHBM dar.

2.2 Theorie des geplanten Verhaltens undsozial-kognitive Theorie

Zwei Theorien, die Erwartungen als zentrale Einflussgrößeauf Motivation (Intention) annehmen, sind die Theorie desgeplanten Verhaltens und die sozial-kognitive Theorie (Ban-dura 1997). Hier spielen insbesondere Erwartungen über dieErgebnisse von Handlungen und Erwartungen über dieeigene Kompetenz, Verhalten durchführen zu können(Selbstwirksamkeitserwartung), eine wichtige Rolle. In derPsychologie gab es in den 1960er-Jahren eine Wende hin zukognitiven Modellen zur Erklärung des Verhaltens. Dazugehörten zum einen die Erwartungs-x-Wert-Theorien, ausdenen beispielsweise die Theorie des geplanten Verhaltenshervorging. Zum anderen zählte dazu besonders die Arbeitvon Albert Bandura zum Modelllernen.

Die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of PlannedBehavior, TPB) von Ajzen (1991) ist eine Erweiterung derTheorie des überlegten Handelns (Theory of ReasonedAction, TRA; Fishbein und Ajzen 1975, die hier nicht weiterbehandelt werden soll). Die TPB postuliert, dass Verhaltens-änderungen durch Einstellungen, subjektive Norm, undwahrgenommene Verhaltenskontrolle beeinflusst werdenund dass ihr Einfluss durch die Intention mediiert wird.

Mit Einstellungen sind positive oder negative Bewertun-gen des Zielverhaltens gemeint. Subjektive Normen stellenden erlebten sozialen Druck dar, das Zielverhalten auszuübenoder zu unterlassen. Die wahrgenommene Verhaltenskon-trolle ist der Selbstwirksamkeitserwartung sehr ähnlich,umfasst aber neben eigenen Kompetenzen auch äußere Kon-trollfaktoren.

Ähnliche Annahmen, wie die Theorie des geplanten Ver-haltens, trifft die sozial-kognitive Theorie (Social-CognitiveTheory, SCT) von Bandura (1997). Ziele (Intentionen)bestimmen, ob Menschen ihr Verhalten ändern oder aufrecht-erhalten. Sie mediieren den Einfluss von Selbstwirksamkeits-erwartung, Handlungsergebniserwartung sowie soziostruktu-rellen, behindernden und unterstützenden Faktoren auf dasVerhalten. Die Selbstwirksamkeitserwartung nimmt (genausowie in der TPB postuliert) direkten Einfluss auf das Verhal-ten. In einer Metaanalyse (Young et al. 2014) zeigte sich, dassvor allem Selbstwirksamkeitserwartung, Barrieren undsoziale Unterstützung bedeutsam für die Vorhersage vonVerhalten waren (Abb. 1).

Jedoch nimmt Bandura (1997) an, dass das Wissen umGesundheitsrisiken und -gewinne eine wichtige Vorausset-zung für Änderungen ist. Nur wenn Menschen sich bewusstsind, dass ihr Lebensstil Einfluss auf ihre Gesundheit nimmt,können sie eine Entscheidung treffen, den gewohntenLebensstil zu ändern. Dazu müssen sie jedoch ausreichendSelbstwirksamkeitserwartung und funktionale Ergebniser-wartungen haben. Ergebniserwartungen können positiv undnegativ sein und haben nach Bandura physische, soziale undselbst-evaluative Komponenten. Typischerweise haben Men-schen mit Schwierigkeiten zu kämpfen, bekommen aber auchHilfe aus der Umgebung. Ferner nehmen soziokulturelleFaktoren Einfluss, die z. B. im Gesundheitssystem liegenkönnen. All diese Faktoren bewirken, dass Menschen sichetwas vornehmen, also Ziele setzen. Ziele können kurzfristigoder langfristig sein. Diese Annahmen Banduras sind mitt-lerweile auch empirisch bestätigt worden (z.B. Warner et al.2014, 2018).

" Die Verdienste der beiden Theorien (SCT und TPB) sind vorallem in der Berücksichtigung der Rolle von Kompetenzer-wartungen (in der SCT „Selbstwirksamkeitserwartung“genannt und in der TPB unter dem Namen „Ver-haltenskontrolle“ bekannt) und der Integration der Verhal-tensabsicht (in der SCT „Ziel“ und in der TPB „Intention“) zusehen. Allerdings gibt es auch Schwachpunkte, z. B. kaumBerücksichtigung von Veränderungen. Vermutlich dasgrößte Problem liegt aber darin, dass beide Theorien keineAnnahmen darüber machen, wie Menschen es schaffen,ihre Absichten auch in Verhalten umzusetzen.

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2.3 Von der Absicht zum Verhalten:Volitionale Modelle desGesundheitsverhaltens

Die Theorien im vorhergehenden Abschnitt nahmen Motiva-tion als zentrale Einflussgröße für Verhalten an. Allerdingslassen sich weitere Konzepte bestimmen, die zwischenIntention und Verhalten wirken oder den Prozess der Umset-zung von Intentionen zu Verhalten realisieren. Je mehr Men-schen wissen, wie sehr sie einem Gesundheitsrisiko aus-gesetzt sind, je mehr sie daran glauben, dass eineVerhaltensänderung dieses Gesundheitsrisiko abwendenkann, je mehr sie darauf vertrauen, ihr Verhalten selbst ver-ändern zu können usw., desto eher nehmen sie sich vor, ihrVerhalten zu ändern. Aber obwohl sie es sich vornehmen,ändern viele Menschen ihr Verhalten nicht: Sie verhalten sichso wie bisher und entsprechend ihrer lieb gewonnenenGewohnheiten. In einer Metaanalyse haben Wood et al.(2016) ebenfalls nur kleine Effekte von Intention auf Verhal-ten von d+ = 0,24 gefunden. Es scheint also etwas zwischen

der Intention und dem Verhalten zu fehlen. Eine Intention(z. B. Sport zu treiben) stellt nicht sicher, dass das entspre-chende Verhalten nachfolgt. Mit diesem Phänomen beschäf-tigen sich volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens, umdie es im Folgenden geht.

2.4 Rubikonmodell

Theorien, die den Prozess nach der Intentionsbildunggenauer betrachten, können damit auch erklären, wieso eszu einer Handlungsausführung oder Aufgabe der Intentionkommt. Solch eine Theorie ist das Rubikonmodell von Heck-hausen (1989), in dem vier Phasen unterschieden werden, diein Tab. 1 wiedergegeben sind.

Dies legt nahe, dass Menschen, die sich in unterschied-lichen Phasen befinden, sich über unterschiedliche Aspektevom Verhalten Gedanken machen – und dass unterschied-liche Informationen und psychologische Prozesse vonnötensind, um in die nächste Phase zu kommen. Das Bilden undVerfolgen von Handlungsplänen (implementation intenti-ons) ist dabei der Prozess, der die meiste Forschungangeregt hat.

2.5 Handlungspläne

Handlungspläne spezifizieren, wann, wo und wie ein Verhal-ten ausgeübt werden soll, und haben die Struktur von„Wenn...dann“-Beziehungen (z. B. „Wenn das letzte Seminarvorbei ist, dann gehe ich zum Yoga“). Damit wird ein Auto-matismus in Gang gesetzt, durch den die Kontrolle des Ver-haltens vom Individuum an die Umwelt übertragen wird.Wenn der „Reiz“ (der Wenn-Teil) eintritt, dann wird die„Reaktion“ (der Dann-Teil) ausgelöst. Je konkreter die Hand-lungspläne sind (in Form von Wann-wo-wie-Plänen), destoeinfacher können sie auch umgesetzt werden. Beispielsweise

Abb. 1 Gemeinsamkeiten(durchgezogene Pfeile) undUnterschiede in der Theorie desgeplanten Verhaltens (gepunktetePfeile) und der sozial-kognitivenTheorie (gestrichelte Pfeile)

Tab. 1 Die Handlungsphasen des Rubikonmodells. (nach Achtzigerund Gollwitzer 2018)

Handlungsphase Inhalte

Prädezisional(motivational)

Verschiedene konkurrierende Ziele (z. B. zumYoga gehen oder an der Online-Partyteilnehmen) werden gegeneinander abgewogen,um Prioritäten aufgrund von Attraktivität undRealisierbarkeit zu setzen

Postdezisional(volitional)

Eine Entscheidung für ein Ziel (z. B. Yoga)wurde getroffen. Diese wird nun genauer geplant(z. B. wann, wo und wie Yoga auszuüben)

Aktional(volitional)

Die Handlung wird initiiert (z. B. in Form vonAufsuchen des Yoga-Kurses). Es wird auf daseffiziente Erreichen des Handlungsergebnissesfokussiert (z. B. sicherstellen, dasswährenddessen das Handy ausgeschaltet ist)

Postaktional Die Handlung wird bewertet (z. B. nach demYoga mit sich zufrieden zu sein)

4 S. Lippke et al.

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haben schon Leventhal et al. in den 1960er-Jahren gezeigt,dass Furchtappelle zwar zu einer Intentionssteigerungführen, sie aber nur dann eine Verhaltensänderung initiie-ren, wenn konkrete Handlungspläne gebildet wurden(Leventhal et al. 1965). Dies ist vielfach repliziert wordenund die Wirksamkeit von Handlungsplänen (action plans,implementation intentions) ist in verschiedenen Verhal-tensbereichen gezeigt worden. Metaanalytisch wurdenmittlere bis hohe Effektstärken im Bereich von d+ = 0,54(Koestner et al. 2002) bis d+ = 0,70 (Sheeran 2002) fürden Zusammenhang zwischen Plänen und Zielerreichungbestimmt. Gollwitzer und Sheeran (2003) analysiertenGesundheitskontexte separat und fanden hier eine Effekt-stärke von d+ = 0,59 zwischen Plänen und Verhaltensaus-führung. Allgemein ist Folgendes festzustellen: Menschen,denen man hilft, Pläne zu machen, erreichen ihre Ziele eherals diejenigen, die nicht dazu veranlasst wurden (d+ =0,65, experimentelle Studien). Es hilft bereits auch, (mehr)Pläne zu haben (d+ = 0,70, korrelative Untersuchungen,beide nach Gollwitzer und Sheeran 2003). Pläne könnensich auch auf subjektives Wohlbefinden auswirken (d+ =0,61; Koestner et al. 2002).

Es gilt also, konkrete Pläne zu erstellen, die vor allem beischwierigen Situationen helfen, an den Zielen festzuhalten.Schwierige Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass„etwas dazwischen kommen“ kann. Schwierigkeiten schonmal konkret zu antizipieren, sie sich also vor dem innerenAuge vorzustellen, kann auch helfen, später zu wissen, wieman mit ihnen umgeht. Dazu müssen jedoch auch konkretePläne gebildet werden, was im Falle solcher Schwierigkeitengemacht wird; diese Pläne werden auch Bewältigungspla-nung genannt.

Dabei ist allerdings wichtig, dass sich Pläne auf einselbst gesetztes (also selbst motiviertes) Ziel beziehen.Muss ein fremdgesetztes Ziel geplant werden (z. B. durchden Arzt „verordentes“ körperliches Training), das manselbst nicht ausführen möchte, so bringt Planung keinenVorteil. Von der Planung profitieren nur Menschen, diesich in der postintentionalen Phase befinden, nicht jedochin der präintentionalen Phase. Dies legt nahe, dass in derpostintentionalen Phase andere Prozesse wichtig sind als inder präintentionalen Phase.

" Das Verdienst der volitionalen Modelle und Konzepte istvor allem darin zu sehen, dass sie die „Lücke“ zwischenIntention und Verhalten schließen. Sie ergänzen damitdie motivationalen Theorien. Pläne sind „Wenn-dann“-Verbindungen, die eine automatische Umsetzung vonIntentionen veranlassen. Es sollte geplant werden, wann,wo und wie die Intention umgesetzt wird (Handlungspla-nung). Ferner kann es hilfreich sein, Barrieren zu antizipie-ren und ihre Bewältigung zu planen (Bewältigungspla-nung).

3 Stadienmodelle

Modelle, die annehmen, dass Menschen sich in unterschied-lichen „Zuständen“ der Verhaltensänderung befinden, wer-den auch Stufen- oder Stadienmodelle genannt – in diesemSinne ist auch das Rubikon-Modell ein Stadienmodell. Nachdiesen Modellen unterscheiden sich die Stadien qualitativ,d. h. Personen in einem Stadium unterscheiden sich starkvon denjenigen in anderen Stadien und kaum von Personenim gleichen Stadium. Die Unterschiede bestehen in Gedan-ken, Gefühlen und im Verhalten.

Das bekannteste und am weitesten verbreitete Stadienmo-dell ist das transtheoretische Modell (Transtheoretical Model,TTM; Prochaska et al. 1992) mit seinen fünf bzw. sechsStadien. Zentral ist die Ansicht, dass Menschen nur einemStadium zugeordnet werden können. In den Stadien habenMenschen charakteristische Gedanken und Gefühle, sog.Mindsets. Personen lassen sich entsprechend den Stadienzuordnen.

Die zentrale Annahme von Stadienmodellen ist, dassMenschen nicht einfach immer mehr Intention entwickeln,sondern dass sie eine Entwicklung durchmachen, bei der siedie Stadien nacheinander durchlaufen (wie ein Schmetter-ling: Ei ! Raupe ! Puppe ! Schmetterling). Auf denunterschiedlichen Stufen wirken unterschiedliche Einflüsse.So ist z. B. der Anstoß durch einen Zeitungsartikel, derInformationen vermittelt, im Präkontemplations-Stadium(PC) hilfreich, um sich bewusst zu werden, dass es überhauptein Zielverhalten gibt, das gesundheitlich wichtig ist. ImKontemplations-Stadium (C) kann die Information aus derZeitung das Treffen einer Entscheidung unterstützen.Danach, also im Vorbereitungs-/Präparations-Stadium (P),geht es jedoch um die konkrete Planung und Vorbereitung.Wenn die Zeitung nur Informationen zu den Vorteilen durchdas Zielverhalten anbietet, kann sie bei der Planung undVorbereitung nicht helfen und wird damit unwichtig. Wirddas Verhalten initiiert (Aktion, A; Aufrechterhaltung, M),sind Kontrollmechanismen wichtiger, die Schwierigkeitenbei der Handlungsausführung bewältigen helfen.

Die Befundlage zur stadienspezifischen Wirksamkeit vonInterventionen ist allerdings uneindeutig – zum einen zeigensich zwar teils große Effekte von stadienspezifischen Inter-ventionen im Vergleich zu Kontrollinterventionen, keinenInterventionen oder Interventionen, die zu anderen Stadienpassen. Andererseits lassen sich zentrale Annahmen desTTMs über die Trennschärfe der Zuordnung zu Stadien nochimmer nicht bestätigen. Stadienspezifisch passende Interven-tionen könnten dabei allerdings nicht nur bessere Ergebnissezeigen, sondern vor allem auch beim Einsparen von Ressour-cen helfen. Dies sind jedoch Verdienste, die allgemein durchPersonalisierung oder Maßschneiderung von Interventionenauf Grundlage unterschiedlicher Modelle erreicht werdenkönnen. Trotz seiner Beliebtheit in Forschung und Praxis

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sind Studien über das TTM mit verschiedenen spezifischentheoretischen und methodischen Problemen konfrontiert.

" Der Nutzen von Stadienmodellen liegt darin, dass miteiner Stadiendiagnostik relativ einfach eine Passung (mat-ching) von Maßnahmen zu individuellen Bedürfnissen vor-genommen werden kann, wenn klar ist, welche Behand-lungen stadienspezifisch wirksam sind. Die Modellezeichnen sich vor allem durch ihre Nachvollziehbarkeitaus. Allerdings ist die Befundlage noch immer uneindeu-tig. Ein bekanntes Stadienmodell ist das TTM, das 5 Stadien(bzw. 6, inklusive des Stadiums der Stabilisierung) postu-liert. Zentral ist bei der Untersuchung von Stadien, dassStadien kategoriale oder evtl. ordinale Variablen sind (undkeine intervallskalierten Daten). Es liegen mittlerweile eineReihe von Stadienmodellen und Weiterentwicklungen vor.

4 Hybridmodell

Ein Modell, das die bewährten Modellkomponenten der obenbeschriebenen Theorien integriert, ist das sozial-kognitiveProzessmodell des Gesundheitsverhaltens (Health ActionProcess Approach, HAPA; Schwarzer 2001). Der HAPA istein Modell, das explizit lineare (sozial-kognitive) und Sta-dienannahmen kombiniert und deshalb als Hybridmodellbezeichnet werden kann. Die linearen Anteile umfassen moti-vationale Komponenten (Zielsetzung) und volitionale Mo-dellanteile (post-dezisionale Anteile wie bspw. Pläne).Danach wird angenommen, dass Menschen zunächst einenkonflikthaften Entscheidungs- undMotivierungsprozess durch-laufen, der in einer Zielsetzung gipfelt Anschliessend gilt es,das neue oder schwierige Verhalten zu planen und in den Alltagzu integrieren.

In der ersten Phase (prä-dezisionale Phase, nicht-inten-tionales Stadium) werden Menschen von Kognitionen gelei-tet, vor allem von Risikobewusstsein, Ergebniserwartungenund Selbstwirksamkeitserwartungen. Wenn Menschen sichein konkretes Handlungsziel setzen, steigen sie in dievolitionale Phase ein, in der es zunächst um die Planung(post-dezisional prä-aktiv, intentionales Stadium) und Hand-lungsinitiative und -aufrechterhaltung (aktives/aktionalesStadium) geht. In der volitionalen Phase sind personale undsoziale Ressourcen bedeutsam: Wer optimistisch an dieeigene Kraft zum Durchhalten glaubt (also eine hohe Selbst-wirksamkeitswartung hat) und bei Bedarf sein soziales Netzmobilisieren kann (um soziale Unterstützung zu erhalten),kann auch Widerstände überwinden und seine Ziele dauer-haft in die Tat umsetzen.

Die beiden Grundprinzipien dieses Modells werden imFolgenden dargestellt. Eine bestimmte Stufe wird erst dannerreicht, wenn die vorhergehende Stufe durchlaufen wurde.Bei Menschen in den unterschiedlichen Stadien sind ver-

schiedene sozialkognitive Faktoren charakteristisch im Ver-gleich zu den anderen Stadien. Außerdem sind unterschied-liche Variablen verantwortlich für das Überwechseln in dasjeweils nächste Stadium (vgl. Schwarzer 2001).

Bis eine Person sich ein Ziel gesetzt hat, gilt sie alsNon-Intender („Ich habe nicht die Absicht, täglich 20 Minu-ten lang Yoga zu machen“). Die Risikowahrnehmung einerPerson ist als die subjektive Einschätzung des Schweregradsvon Erkrankungen sowie der eigenen Verwundbarkeit defi-niert („Mein Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, isthoch“). Wird eine Bedrohung wahrgenommen, kommt eszum Abwägen von Handlungsergebniserwartungen bezüg-lich des Gesundheitsverhaltens („Wenn ich täglich Yogamache, . . . halte ich meinen Kreislauf fit“ und „. . . habe ichweniger Zeit für andere Dinge“).

Selbstwirksamkeitserwartung ist darüber hinaus für dieZielsetzung erforderlich („Ich bin mir sicher, dass ich michtäglich zum Yoga überwinden kann, auch wenn ich hohenTermindruck habe“). Mit der Zielsetzung („Ich habe dieAbsicht, täglich 20 Minuten lang Yoga zu machen“) endetdie Motivationsphase und die Personen wechseln vomNon-Intender zum Intender, also in die Volitionsphase über.In der volitionalen, intentionalen Phase erfolgt zunächst diegenaue Planung („Ich will täglich nach der Arbeit gegen17 Uhr mit meiner Freundin Yoga machen“). Selbstwirksam-keit ist in dieser Phase weiterhin wichtig.

Mit der Initiierung der Handlung beginnt die aktionalePhase, d. h. ein Intender wird zum Aktiven. Während dieserPhase findet eine ständige Handlungsausführungskontrollestatt, bei der es darum geht, sowohl die Handlung als auchdie Intention gegenüber Distraktoren abzuschirmen. Metako-gnitive Abschirm- und Durchhaltetendenzen können dafürsorgen, dass man nicht vom Ziel abkommt, die Handlungnicht unterbricht oder seine Aufmerksamkeit nicht ständiganderen Dingen zuwendet. Barrieren müssen gemeistert wer-den und personale und soziale Ressourcen so genutzt werden,dass das Verhalten zielgerichtet ausgeübt werden kann.Die Selbstwirksamkeitserwartung bleibt nach wie vor vongroßer Bedeutung. Insgesamt bietet das HAPA-Modell vieleAnsatzpunkte für weitere Forschung und evidenzbasierte,theoriegeleitete Gesundheitsverhaltensänderungsinterventio-nen (Abb. 2).

5 Externe Einflüsse aufGesundheitsverhalten

Im vorhergehenden Teil haben wir Modelle vorgestellt, diedie potenziell modifizierbaren Einflussgrößen von Gesund-heitsverhaltensweisen beschreiben. Wie wir allerdings auchim einleitenden Teil erwähnt haben, ist ein besonderes Merk-mal dieser Modelle, dass sie versuchen, Gesundheitsverhal-ten mit Hilfe von möglichst wenigen Einflussgrößen

6 S. Lippke et al.

Page 7: Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung · geplanten Verhaltens und die sozial-kognitive Theorie (Ban-dura 1997). Hier spielen insbesondere Erwartungen über

möglichst umfassend zu beschreiben (Parsimonitätsprinzip).Die Befolgung dieses Prinzips in Forschung und Theorieent-wicklung kann allerdings auch dazu führen, dass wichtigeAspekte der Beschreibung und Veränderung von Verhaltenunberücksichtigt bleiben.

Wir möchten im kommenden Abschnitt auf einige dieserAspekte näher eingehen und uns insbesondere mit Umwelt-einflüssen auf Verhalten (Stimulus-Control-Perspektive undTemporal Self-Regulation Theory), dem Einfluss der gesell-schaftlichen Struktur auf gesundheitlich relevante Verhal-tensweisen (Ungleichheit im Gesundheitsverhalten) und derKomplexität bei der Betrachtung von mehreren Verhaltens-weisen (Compensatory Carry-Over Action Model) beschäf-tigen.

5.1 Umwelteinflüsse auf Verhalten:Stimuluskontrolle und Hinweisreize

Aus der Perspektive der klassischen Konditionierung (auchdas ist eine Theorie über Verhalten!) ergeben sich interes-sante Implikationen für das Gesundheitsverhalten. Diegrundlegende Idee besteht darin, dass Verhalten eben nichtwie in den vorher besprochenen Theorien durch kognitiveProzesse kontrolliert wird, sondern durch konditionierteReize ausgelöst wird. Durch wiederholtes gemeinsames Auf-treten von Verhalten, bestimmten externen oder internen Hin-weisreizen und Verhaltenskonsequenzen werden diese Hin-weisreize zu konditionierten Auslösern von Verhalten, ohneeigentlich selbst mit dem Verhalten zusammenzuhängen.

Ein Beispiel aus der Forschung zur Nikotinabhängigkeitkann diese Idee verdeutlichen:

BeispielDurch das wiederholte gemeinsame Auftreten von eigent-lich neutralen Umgebungsvariablen (z. B. ein bestimmterOrt wie die Raucherecke) mit den psychoaktiven Effektenvon Nikotin (Erregung, Euphorie) werden diese Umge-bungsvariablen mit den Effekten von Nikotin assoziiert,also klassisch konditioniert. Wenn nun Raucher nach die-sem Konditionierungsprozess diesem Ort nahekommen,werden damit die Assoziationen mit den psychoaktivenEffekten von Nikotin aktiviert, und Verlangen (Cravings)nach diesen Effekten setzt ein – was in der Konsequenzdie Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Person in dieserSituation auch tatsächlich raucht.

Auch für Essverhalten sind solche Zusammenhängegezeigt worden. Hier sind es vor allem das regelmäßigegleichzeitige Auftreten von zucker- und fettreichen Nah-rungsmitteln und bestimmten Umgebungsvariablen, die dannCravings auslösen. Dieses Verlangen wird dann oft individu-ell als Hunger interpretiert (Lowe und Butryn 2007).

Stimuluskontrolle kann aber auch für die Konzeptionie-rung von Maßnahmen zur Änderung von Verhalten bedeut-sam sein. In einer Reihe von Studien (Schüz und Ferguson2014; Ferguson et al. 2015; Lu et al. 2017) wurde beispiels-weise überprüft, ob das wiederholte Auftreten von Rauchver-halten mit den psychoaktiven Effekten von Nikotin einekonditionierte Einheit darstellt, und ob diese konditio-nierte Einheit durch Extinktionslernen wieder aufgebrochen

Motivationsphase

Non-Intender Intender Actor

HandlungsbezogeneSelbstwirksamkeit

Handlungs-Ergebnis-

Erwartungen

Aufrecht-erhaltung

Intension Initiative

Risikowahrnehmung

Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit

Handungs-planung

Bewältigungplanung

Wiederaufnahme-Selbstwirksamkeit

Volitionsphase

Wiederaufnahme

Handlung

Abb. 2 Das sozial-kognitive Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach; HAPA; nach Schwarzer 2001)

Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung 7

Page 8: Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung · geplanten Verhaltens und die sozial-kognitive Theorie (Ban-dura 1997). Hier spielen insbesondere Erwartungen über

werden kann. In der klassischen Konditionierung beschreibtExtinktionslernen, wenn die Assoziation von konditioniertenReizen mit einer konditionierten Reaktion durch das Ausblei-ben der unkonditionierten Reize (in diesem Fall der psycho-aktiven Wirkung des Nikotins) wieder verlernt werden kann.Dementsprechend wurden in diesen Studien Probanden gebe-ten, während der letzten beiden Wochen vor einem geplantenRauchstopp bereits hochdosierte Nikotinpflaster zu verwen-den. Dadurch, so zumindest die Theorie, würde der Körperausreichend mit Nikotin versorgt, sodass durch das Rauchenvon Zigaretten keine zusätzliche psychoaktive Wirkung ent-steht, also die Assoziation von Rauchen mit der Wirkung vonNikotin aufgebrochen wird. Tatsächlich zeigte sich, dasswährend dieser Zeit vor allem die subjektive Zufriedenheitmit Rauchen abnahm, was wiederum positiv mit dem Erfolgdes nachfolgenden Rauchstopps zusammenhing.

Mit dem Ansatz der Stimuluskontrolle ist der Effekts vonHinweisreizen auf Verhalten eng verwandt. Hier wird davonausgegangen, dass bestimmte Umgebungsvariablen Hinwei-scharakter für ein bestimmtes Verhalten aufweisen, alsobereits bestehende Assoziationen zwischen Verhalten underwarteten Konsequenzen aktivieren. Dabei wird zwischeninternen Hinweisreizen (z. B. momentane Stimmung) undexternen Hinweisreizen (z. B. soziale Faktoren, physikali-sche Umgebung, Vorhandensein von verhaltensbezogenenGegenständen) unterschieden. Hier besteht die grundlegendeIdee darin, dass Menschen, wenn sie solchen Hinweisreizenausgesetzt sind, die Verknüpfungen zwischen den Verhaltens-konsequenzen (z. B. psychoaktive Effekte des Rauchens,positive Stimmungsmodifikation nach Zucker- und Fettkon-sum) und dem Verhalten aktivieren und Cravings empfinden.Insbesondere in der Forschung zum Rauch- und Essverhaltenlassen sich dafür Anhaltspunkte finden. In einer Reihe vonStudien, in denen Teilnehmende mehrmals täglich ihr Ess-verhalten und die An- oder Abwesenheit von Hinweisreizenprotokollierten, konnten folgende Einflussgrößen auf Essenaußerhalb der Mahlzeiten festgestellt werden: akute negativeStimmung, die Anwesenheit von anderen Personen, die aßen,und das Vorhandensein von Nahrungsmitteln. All dies erhöhtdie Wahrscheinlichkeit, dass die Probanden selbst eine Zwi-schenmahlzeit einnahmen (Schüz et al. 2015a).

Externe Hinweisreize finden sich auch in der Versor-gungsumgebung, d. h., die Wahrscheinlichkeit, dass Proban-den eine kalorienreiche Zwischenmahlzeit zu sich nahmen,stieg, wenn sie einem Schnellrestaurant näher waren (Ellistonet al. 2017). Es gibt zudem individuelle Unterschiede in derTendenz, auf solche Hinweisreize mit Essen zu reagieren:Teilnehmende mit höheren Werten auf der „Power of FoodScale“, einem Messinstrument zur Erfassung von individuel-len Reaktionen auf Essen, aßen z. B. eher eine Zwischen-mahlzeit bei momentaner negativer Stimmung als Teilneh-mende mit niedrigeren Werten (Schüz et al. 2015). Personenmit höherem Body-Mass-Index hingegen reagierten stärkerauf soziale Hinweisreize als Personen mit niedrigerem Body-

Mass-Index (Schüz et al. 2017b). Die Mechanismen, die die-sen Effekten zugrunde liegen, sind beispielsweise momen-tane Veränderungen in der subjektiven Wahrnehmung vonPersonen: Wenn jemand anderes isst, dann ist es in diesemMoment sozial angebrachter und womöglich weniger geäch-tet, selbst eine Zwischenmahlzeit zu sich zu nehmen (Schüzet al. 2018).

Cravings und die Zusammenhänge mit Hinweisreizen undVerhaltenskontrolle werden in einem Überblicksartikel (Hof-mann et al. 2011) diskutiert. Danach können Hinweisreize alsEinflussgrößen für impulsive Verhaltenskontrolle dienen, dieder reflexiven Verhaltenskontrolle, die eher durch Ziele undkognitive Variablen beeinflusst wird, entgegenstehen. Ausdem Zusammenspiel dieser zeitlich parallelen aber potenziellgegensätzlichen Einflüssen resultiert dann ein bestimmtesVerhalten. In bestimmten Situationen (z. B. unter Alkohol-einfluss) haben impulsive Einflussgrößen größeren Einflussund bedingen impulsive Reaktionen, in anderen Situationen(z. B. bei hoher Wichtigkeit eines Gesundheitszieles) werdeneher reflexive Einflussgrößen wichtig. So kann unser Verhal-ten in Bezug auf Gesundheit als Konsequenz einer ständigenWechselwirkung von rationalen, überlegten und unüberleg-ten, impulsiven Einflüssen verstanden werden.

5.2 Theorie der zeitlich bezogenenSelbstregulation

Diese im vorangehenden Abschnitt diskutierte Perspektivelegt nahe, dass auf gesundheitlich relevantes Verhalten zueiner gegebenen Zeit sowohl überlegte als auch impulsiveEinflussgrößen einwirken. Diese Idee findet sich auch in derTheorie der zeitlich bezogenen Selbstregulation (TemporalSelf-Regulation Theory; Hall und Fong 2007) wieder (Abb. 3).Hier wird davon ausgegangen, dass Verhalten Einflussgrößenin zwei „Sphären“ ausgesetzt ist, einer motivationalen Sphäreund einer momentanen Sphäre. Die motivationale Sphäre erin-nert dabei an die oben diskutierten sozial-kognitiven Modelledes Gesundheitsverhaltens, weil hier vor allem Kognitionen,wie Erwartungen über die Konsequenzen von Verhalten, eineRolle spielen. Neben der Erwünschtheit der Konsequenzenwerden diese Erwartungen auch durch die erwartete zeitlicheNähe der Konsequenzen charakterisiert: Verhaltenskonse-quenzen, die früher erwartet werden, haben demnach einengrößeren Einfluss auf das Verhalten als Konsequenzen, derenEintreten weiter in der Zukunft liegt. Diese zeitliche Balancefällt leider meistens zu Ungunsten von gesundheitsförderli-chem Verhalten und zugunsten von Risikoverhaltensweisenaus: Die positiven Konsequenzen von gesunder Ernährungliegen zum Teil Jahre in der Zukunft, während die Kosten(jetzt im Moment auf Schokolade verzichten) unmittelbaranfallen. Ganz ähnlich sieht es für Risikoverhalten aus: Fett-und zuckerreiche Nahrungsmittel haben sofort positive Kon-sequenzen (insbesondere Geschmack), aber die Kosten (er-

8 S. Lippke et al.

Page 9: Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung · geplanten Verhaltens und die sozial-kognitive Theorie (Ban-dura 1997). Hier spielen insbesondere Erwartungen über

höhtes Risiko für Erkrankungen) sind abstrakt und erst in derZukunft verortet. Sowohl die Erwartungen von Ergebnissenvon Verhalten als auch die zeitliche Wertung dieser Konse-quenzen, mündet nach dem Modell in der Bildung von Ver-haltensintentionen.

In der momentanen Sphäre werden zwei moderierendeEinflussgrößen angenommen, die für die Umsetzung derIntentionen in Verhalten eine wichtige Rolle spielen: dieverhaltensbezogene Präpotenzial (eine zugegeben subopti-male Übersetzung der im Originalen: behavioural pre-poten-cy also eine Art Potenzial, das über die Selbstwirksamkeits-erwartung hinaus geht und bedeutet, dass bestimmte Reizeautomatisch stärkere Reaktionen hervorrufen, da dafürbereits eine Voraktivierung vorhanden ist) und selbstregula-tive Kompetenzen (die Fähigkeit, Verhalten im Einklang mitübergeordneten Zielen zu regulieren). Je förderlicher dieUmgebungsvariablen und je höher die selbstregulativenKompetenzen, desto stärker wirkt sich Intention auf Verhal-ten aus. Dabei sind Intentionen am leichtesten zu beeinflus-sen, wenn die verhaltensbezogene Pre-potency Selbstwirk-samkeitserwartung gering ist (Hall und Fong 2013).

In einer jüngeren Spezifizierung des TST-Modells werdendarüber hinaus auch direkte Einflüsse von verhaltensbezoge-ner verhaltensbezogene Pre-potency und selbstregulativenKompetenzen auf das Verhalten angenommen (Hall undFong 2013). Selbstregulative Kompetenzen gründen sichdabei insbesondere auf die exekutiven Kontrollfunktionen(EKF: Inhibition, Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeits-steuerung; Hall und Fong 2013, 2015). EKF sind in alleSituationen involviert, die Planung und Entscheidungsfin-dung, Fehlermonitoring und -korrektur, die Durchführungvon Handlungssequenzen und die Inhibition präpotenter oderautomatisierter Handlungen erfordern (Norman und Shallice1986).

Dieses Verhaltensmodell ist vor allem deswegen beson-ders, weil es die parallelen Prozesse oder Systeme bei der

Bildung von Verhaltensentscheidungen (z. B. System 1/Sys-tem 2 bei Kahneman und Tversky 1984, die reflexiven undimpulsiven Pfade zur Verhaltensregulation bei Hofmann et al.2011, oder sog. heiße vs. kalte Kognitionen) in zwei distinktePhasen aufteilt.

In Phase 1 werden demnach Intentionen aufgrund vonsubjektiven Überlegungen gebildet, diese Intentionen leitenspäteres Verhalten. Allerdings ist der Einfluss von Intentio-nen in der Sphäre momentaner Einflussgrößen auch momen-tanen Faktoren ausgesetzt, die impulsive Prozesse bedienen.Neben diesen beiden kognitiven oder entscheidungsbezoge-nen Prozessen wirkt sich in der Temporal Self-RegulationTheory auch die individuell unterschiedliche selbstregulativeKompetenz, gefasste Ziele auch in die Tat umzusetzen, aufdas Verhalten aus.

Die Forschung zu diesemModell und seine Anwendung aufgesundheitlich relevante Verhaltensweisen steht noch relativam Anfang, aber es gibt einige Befunde, die grundlegendeModellannahmen unterstützen. So konnten z. B. Schüz et al.(2016) zeigen, dass sich die Präferenz von kurzzeitigen Ergeb-nissen über längerfristige Erfolge ungünstig auf die Selbstre-gulation von Sonnenschutzverhalten auswirken. Eine der ers-ten Studien, die alle Komponenten des Modells im Rahmeneiner intensiven Längsschnittstudie mit Mehrebenen-Designüberprüfte (Elliston et al. 2017), konnte zeigen, dass momen-tanes Essverhalten (also situativ unterschiedliches Verhalten)nicht signifikant durch Intentionen zur gesunden Ernährung,wohl aber durch selbstregulative Kompetenzen und situatio-nale Einflussgrößen erklärt werden konnte.

In den letzten Jahren konnten darüber hinaus erstmalsauch neurobiologische und neurokognitive Studien die be-schriebenen direkten und indirekten Effekte von EKF auf dasGesundheitsverhalten belegen. Die EKF operieren dabei aufeinem weit verteilten Gehirnnetzwerk mit wichtigen Zentrenim präfrontalen Kortex (PFC; s. Miller 2000). Des Weiterenist der PFC mit anderen Zentren verknüpft, die eine wichtige

Abb. 3 Temporal Self-Regulation Theory. (nach Hallund Fong 2007; Übersetzung derVerfasser)

Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung 9

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Rolle bei Motivation, Belohnung oder reflexivem Verhaltenspielen. In Übereinstimmung mit der TST konnte gezeigtwerden, dass Personen mit besseren EKF sich eher an Diät-pläne halten und mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreichmit dem Rauchen aufhören oder an körperlichen Fitnesspro-grammen teilnehmen. Lowe et al. (2014) zeigten, dass einetemporäre Deaktivierung des dorsolateralen PFC mittels tran-skranieller Magnetstimulation (TMS) die Leistung inEFK-Tests verschlechtert und gleichzeitig die Selbstkontrollebei der Nahrungsaufnahme reduziert.

Sowohl das selbstberichtete Verlangen nach Snacks alsauch die objektive Snack-Aufnahme waren nach TMS desdorsolateralen PFC erhöht (Lowe et al. 2014). Eine mitfunktioneller Magnetresonanztomographie gemessene Ak-tivierung des PFC ist hingegen mit besserer Selbstkontrolleund unterdrücktem Verlangen nach ungesunder Nahrungoder Zigaretten assoziiert. Interessanterweise muss manheute von einem bidirektionalen Zusammenhang zwischenGesundheitsverhalten und EKF ausgehen, der insbesonderefür körperliche Aktivität in den letzten Jahren durch experi-mentelle Studien belegt wurde. So stärkt körperliche Aktivi-tät die EKF und beteiligte Gehirnregionen (zur Übersicht,s. Voelcker-Rehage und Niemann 2013) während wiederum,wie oben beschrieben, EKF-Leistungen das Gesundheitsver-halten generell beeinflussen.

Ergebnisse, wie die oben beschriebenen, deuten daraufhin, dass das TST-Modell für die Entwicklung von Maßnah-men zur verhaltensbasierten Gesundheitsförderung nützlichsein sollte. Es liegt nahe, dass solche Maßnahmen sowohlmotivationale Komponenten, die für die Ausbildung vonAbsichten zur Veränderung von Verhalten wichtig sind, alsauch Kompetenzen zur Regulation von Verhalten in spezifi-schen Situationen ansprechen sollten. Zusätzlich zu diesenindividuellen Inhalten sollte zudem überlegt werden, wie sichUmgebungen so verändern lassen, dass sie gesundes Verhal-ten unterstützen. Die Studie von Elliston et al. (2017) legtsogar nahe, dass letztere Komponente für die erfolgreicheVeränderung von Verhalten wichtiger als Erwartungen undandere Kognitionen sein könnte. Unter Berücksichtigunghoher interindividueller Variabilität in den EKF und Strukturund Funktion der zugrunde liegenden Gehirnstrukturen sowiederen Entwicklung und Plastizität über die Lebensspanne istes außerdem nicht nur wichtig, diese Faktoren bei der Model-lierung und Erklärung von Gesundheitsverhalten zu berück-sichtigen. Vielmehr könnten Gesundheitsinterventionen ge-zielt eine Stärkung der EKF in den Blick nehmen.

6 MultipleGesundheitsverhaltensänderung

Das Compensatory Carry-Over Action Model (CCAM; Lipp-ke 2014) ist eine der ersten Theorien, die Gesundheitsver-haltensänderung in verschiedenen Bereichen im Zusam-

menhang betrachtet, vorhersagt und damit versucht, eineGrundlage für Lebensstil-Interventionen zur Verhaltensände-rung zu liefern. Denn im Vergleich zu bisherigen Theorienberücksichtigt das CCAM mehrere Verhaltensweisen gleich-zeitig bzw. im Zusammenhang miteinander. Beispiele sindgesunde Ernährung und körperliche Bewegung als zweiGesundheitsverhaltensweisen oder auch Rauchen und Alko-holkonsum als zwei Risikoverhaltensweisen. Gleichermaßenkönnen aber diese Verhaltensweisen auch im Zusammenhangmit ganz anderen Lebenszielen stehen, wie bspw. erfolgreichim Studium oder Beruf zu sein oder für Familienangehörigezu sorgen. Es werden nicht nur die Prozesse hin zum Aufbaueines aktiven Lebensstils innerhalb der einzelnen Verhaltens-weisen, sondern auch Mechanismen zwischen den Bereichenberücksichtigt (sog. verhaltensübergreifende Mechanismen).

Die Annahmen gehen auf verschiedene einzelne Annah-men anderer Theorien oder theoretischer Überlegungen zu-rück (Geller et al. 2017). Dazu zählen insbesondere sozial-kognitive Gesundheitsverhaltensänderungstheorien, wie derHealth Action Process Approach (Schwarzer 2001), Motiva-tions- und Zieltheorien (Gray et al. 2017), die ImpressionManagement Theory und die Bedeutung von sozialen Reizen(Schüz et al. 2017b).

Im CCAM wird angenommen, dass verschiedene Verhal-tensweisen und die steuernden, allgemeineren Ziele mitei-nander interagieren. Wenn mehrere Verhaltensweisen (z. B.Bewegung und Ernährung) einem übergeordneten Ziel(z. B. Erhaltung der Lebensqualität durch Verbesserung derFitness) dienen, werden diese Verhaltensweisen in Bezug aufihre Auftretenswahrscheinlichkeit und die kognitiven Ein-flussgrößen stärker miteinander zusammenhängen als Verhal-tensweisen, die im Zusammenhang mit anderen Lebenszielenstehen, wie bspw. erfolgreich im Studium oder Beruf zu seinoder für die Familie zu sorgen.

Ein weiteres Postulat ist, dass sich Verhaltensweisengegenseitig befördern oder stören können, und dass dieseProzesse durch situative und temporale Faktoren veränderbarsind. Sie werden von emotional relevanten, höhergeordnetenZielen (z. B. „Ich möchte möglichst lange erwerbsfähig blei-ben“) geleitet. Diese Ziele sind dabei handlungsleitend,indem sie die verschiedenen Verhaltensweisen initiieren undin ihrer Aufrechterhaltung unterstützen. Allerdings könnendiese übergeordneten und eher zeitunabhängigen Ziele inihrer Priorität gelegentlich nach unten wandern, so dass siein einer besonderen Situation oder zu einer bestimmten Zeit(z. B. eine Party, bei der zu viel Alkohol getrunken wird)weniger salient, d. h. weniger handlungsleitend sind. DieBedeutung von solchen Zielen und des Reflektierens dieserZiele hat sich wiederholt gezeigt: Die Effekte auf Intentionsind mit d+ = 0,14 kleiner als auf Verhalten mit d+ = 0,32(Epton et al. 2015).

Eine weitere Annahme ist, dass innerhalb der jeweiligenVerhaltensweisen nur begrenzte Ressourcen zur Selbstregu-lation zur Verfügung stehen. Diese sind für die Veränderung

10 S. Lippke et al.

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bzw. Aufrechterhaltung von Verhalten Voraussetzung, undkönnen verschieden stark ausgeprägt sein sowie auf die Ver-haltensbereiche aufgeteilt werden. Verschiedene Befunde zurSelbstregulation stützen diese Befunde – z. B. haben Studien-teilnehmende mehr Schokolade zu sich genommen, wenn sievorher eine anstrengende Selbstregulationsaufgabe durchfüh-ren mussten (Wang et al. 2015). Wie in der Ego-Depletion-Theorie von Baumeister wird davon ausgegangen, dass Ziele,die anstrengende Selbstregulation erfordern, bei Erschöpfung(wenn aufgrund anderer Herausforderungen die Selbstregu-lationsanstrengungen aufgebraucht sind) eher nicht realisiertwerden (Hagger et al. 2010).

Daneben sind weitere Ressourcen von Bedeutung, die ausder Selbstregulationsforschung (z. B. Kanfer und Karoly1972) bekannt sind – wie Handlungsregulation (Selbstver-stärkung, Selbstbeobachtung und Optimierung). Zentral da-bei ist, dass es nur eine begrenze Kapazität zur Selbstregula-tion gibt, die wiederum die Zielerreichung bedingt. Das heißt,wenn ein Bereich die Kapazität aufbraucht, dann bleibt fürden anderen Bereich – wenn dieser noch nicht zur Gewohn-heit geworden ist – kaum/keine Kapazität mehr übrig. EinScheitern der entsprechenden Handlungsziele in dem anderenBereich wird wahrscheinlicher, zumindest in der aktuellenSituation. Insbesondere in Situationen, in denen ein Verhal-tensziel mit einem anderen Verhaltensziel in Konflikt gerät(z. B. aus zeitlichen Gründen) wird es dann wahrscheinlicher,dass die Zielerreichung schwierig wird. In einer Tagebuch-studie konnten Presseau et al. (2013) beispielsweise zeigen,dass Teilnehmer an den Tagen, an denen sie Konflikte zwi-schen einem Ziel zur Verbesserung körperliche Aktivität undanderen Zielen wahrnahmen, weniger körperlich aktiv waren.

Deswegen ist es auch wichtig, psychologische Mechanis-men, die zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen wir-ken, zu betrachten: Aus der Lernforschung ist schon langebekannt, dass Ressourcen von einem Bereich in den anderenübertragen werden können (Cerasoli et al. 2018; Sala undGobet 2017). Durch sog. Carry-over-Mechanismen undTransferüberzeugungen sowie auch durch direkten Transfervon Ressourcen, wie Selbstwirksamkeitserwartung, kanndieser positive Austausch zwischen den verschiedenen Ver-haltensweisen konkret vonstatten gehen. Dazu kommenjedoch auch kompensatorische Kognitionen oder Gesund-heitsüberzeugungen (compensatory cognitions/compensa-tory health beliefs; Knäuper et al. 2004). Diese können aufder einen Seite die Intentionsbildung und tatsächliche Reali-sierung des anderen Verhaltens anregen, aber diese auchhemmen: Wenn sich z. B. jemand vorgenommen hat, eigent-lich zwischen den Hauptmahlzeiten nicht mehr zu essen,dann könnte diese Person in einer kritischen Situation (näm-lich in einer, in der es Kekse gibt), quasi vorausschauenddiese zusätzliche Energie einsparen („Dann esse ich stattdes-sen heute Abend nichts mehr“), oder Aktivität planen, um dieEnergie zu kompensieren („Dann laufe ich nach Hause, statt

den Bus zu nehmen). Durch beide kompensatorische Über-legungen wird dann das kurzzeitige Aufgeben der generellenAbsicht, nicht mehr zwischen den Hauptmahlzeiten zu essen,wahrscheinlich. Das Problem dabei ist jedoch, wenn dannwiederum andere Hemmer die Ausübung der kompensierendenVerhaltensweisen zunichtemachen: Statt zu Fuß zu gehen,bleibt man doch etwas länger (und nimmt dann den Bus), oderes gibt trotzdem noch Abendessen und in einer sozialen Situ-ation fühlt man sich verpflichtet, doch zu essen. Diese kom-pensierenden hemmenden und akzelerierenden Prozesse zwi-schen den Verhaltensbereichen werden durch situationaleGefühle, Umweltreize und Kontextveränderungen stark beein-flusst. Konkret bedeutet das, dass bei negativen Emotionen, beider Anwesenheit von anderen Menschen (Social Learning undEinfluss von subjektiver Norm, vgl. TPB) sowie bei Nichtver-fügbarkeit von zentralen Ressourcen (Zeit, bestimmte Nah-rungsmittel, sichere Umgebung zum Sporttreiben usw.) einAbweichen von der eigentlichen Intention und den kompensa-torischen Kognitionen wahrscheinlicher wird.

Es lässt sich einfach vorstellen, dass Menschen, die derartan gesetzten Zielen nicht festhalten können und anschließendrealisieren müssen, dass sie „sich selbst nicht treu“ gebliebensind, weniger zufrieden sind. Werden dagegen die Ziele so inEinklang miteinander gebracht, dass sie gemeinsam demhöhergeordneten Ziel dienen und damit auch bei der Bewäl-tigung von Herausforderungen, bei z. B. der Karriereentwick-lung und der sozialen Teilhabe, unterstützen, dann ist derEinzelne auch zufriedener. Mit anderen Worten, diese Ver-haltensweisen und ihre Realisierung tragen direkt zur Belas-tungsbewältigung bei und können das Wohlbefinden positivbeeinflussen. Veränderungen können situativ und temporalvariieren, d. h., dass es Veränderungen über den Tag bzgl. derBelastungsbewältigung geben kann. Damit ergeben sich vorallem methodische Herausforderungen, die über die reinetheoretische Konzeptualisierung hinausgehen. Das Modellbildet diese Prozesse ab, wie in Abb. 4 dargestellt.

Zusammengefasst hat das CCAM folgende Annahmen,sog. Axiome:

1. Verschiedene Verhaltensweisen und multiple Ziele bezüg-lich dieser Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mitGesundheit stehen (z. B. Bewegung und Ernährung),interkorrelieren.

2. Emotional relevante, höhergeordnete Ziele (z. B. „Ichmöchte möglichst lange erwerbsfähig bleiben“) sind dabeider Motor dieser Verhaltensweisen, indem sie die ver-schiedenen Verhaltensweisen initiieren und in ihrer Auf-rechterhaltung unterstützen.

3. Innerhalb der jeweiligen Verhaltensweisen gibt es kognitiveRessourcen, die für die Veränderung bzw. Aufrechterhaltungder Verhaltensweisen Voraussetzung sind. Diese kognitivenRessourcen sind begrenzt und können bspw. Intentionen/Ziele, Handlungspläne und Selbstwirksamkeitserwartung

Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung 11

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sein. Das heißt, es gibt nur eine begrenze Kapazität zurSelbstregulation, deren Aufteilung wiederum die Zieler-reichung bedingt.

4. Es gibt psychologische Mechanismen, die zwischen denverschiedenen Verhaltensweisen wirken und übertragenwerden können durch Mastery-Experience (bisherige Er-folgserfahrungen, vgl. Bandura in Abb. 1): Ressourcenkönnen von einem Bereich in den anderen übertragenwerden (durch sog. Carry-over-Mechanismen, Transfer-überzeugungen oder auch durch direkten Transfer vonSelbstwirksamkeitserwartung durch Mastery Experience)und kompensatorische Kognitionen oder Gesundheits-überzeugungen (compensatory cognitions/compensatoryhealth beliefs). Sie können die Intentionsbildung und tat-sächliche Realisierung des anderen Verhaltens anregenoder auch hemmen. Diese Prozesse zwischen den Verhal-tensbereichen werden durch situationale Emotionen, Um-weltreize und Kontextveränderungen beeinflusst, was inForm der Tempting Situation (Herausforderung) abge-bildet wird.

5. Diese Verhaltensweisen tragen direkt zur Belastungsbe-wältigung bei und können das Wohlbefinden positiv

beeinflussen. Veränderungen können situativ und tempo-ral variieren. Das heißt, dass es Variationen über den Tagbzgl. der Belastungsbewältigung geben kann.

Es gibt viele Studien, die einzelne Aspekte dieser Theoriestützen. Insbesondere zu den Annahmen 1–3 gibt es zahlrei-che wissenschaftliche Befunde (z. B. Abrantes et al. 2017;Cihlar und Lippke 2017; Paech und Lippke 2017; Tan et al.2018). Diese Befundlage kann eine entsprechende Nutzungals Grundlage für ein Gesundheitsförderungsprogramm recht-fertigen und helfen, verschiedene Ziele besser in Einklang zubringen.

Mehrere Studien zeigen auch, dass parallel vorliegendemultiple Ziele in Konflikt geraten können (z. B. Gorges undGrund 2017), aber nicht müssen (James et al. 2016). Zu derAnnahme bzgl. Transfer liegen im Gesundheitsbereich bishernur ausgewählte Befunde vor (z. B. Fleig et al. 2015). Bei-spielsweise geht ein höheres Maß an Selbstwirksamkeit nichtnur mit höheren Intentionen zur Verhaltensänderung einher,sondern kann auch den negativen Effekt von kompensatori-schen Kognitionen auf die Intentionsbildung abschwächen(Storm et al. 2017). Kompensatorische Kognitionen sind

Abb. 4 Das CompensatoryCarry-Over Action Model(Lippke 2014)

12 S. Lippke et al.

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deswegen so bedeutsam, weil – wie oben bereits beschrieben– das kompensierende Verhalten oftmals das ungesunde Ver-halten nicht ausgleichen kann (irrationale Kognitionen) odererst gar nicht ausgeführt wird (inkonsequente Kognitionen;Miquelon et al. 2012).

Neuere Interventionsstudien haben gezeigt, dass körper-liche Aktivität als „gate-way behavior“ (Türöffner) für andereVerhaltensweisen wie Obst- und Gemüsekonsum fungierenkann (James et al. 2016). Beispielsweise kann die erfolgrei-che Aufnahme regelmäßiger körperlicher Aktivität auch dieReduktion des Konsums von tierischen Fetten oder eine salz-reduzierte Diät im Rahmen einer Ernährungsumstellung posi-tiv anregen. Dabei werden gelernte Kompetenzen durchTransferprozesse, die schon aus der Lernforschung weitbekannt sind, auf andere Verhaltensweisen übertragen(s. Selbstwirksamkeit und Mastery Experience). Der Erfolgin der Änderung des einen Verhaltens kann auf die Stell-schrauben des anderen Verhaltens Einfluss nehmen. So kannz. B. eine Änderungsmotivation für ein anderes Verhalteninitiiert werden und in der tatsächlichen Aufnahme des neuenVerhaltens resultieren. Auch Mastery Learning kann - wieoben beschrieben - diesen Transfer erklären: Erfolge in einemBereich steigern die Selbstwirksamkeitserwartung generellund auch hinsichtlich der erfolgreichen Realisierung einerVerhaltensänderung in anderen Bereichen.

Axiom 5 ist für die Gesundheitswissenschaften zentral, daDigitalisierung nicht nur Chancen mit sich bringt, sondernauch Belastungen. Wichtig ist, dies zu berücksichtigen undden Einsatz von eHealth-Maßnahmen gezielt auf die Belas-tungen der digitalisierten Arbeitswelt und Alltagsgestaltungabzustimmen und damit auch idealerweise generell Belastun-gen (z. B. durch sitzende Tätigkeiten) proaktiv zu verhindernoder zu bewältigen. Vielfältige Fragen sind derzeit nochoffen, wie bspw. die Messung von variierenden Prozessenvalide erfolgen kann (Gorges und Grund 2017) und sollten inzukünftiger Forschung adressiert werden. Gleichzeitig ist dieEinschaltung von Datenschutz und der adäquate Umgang mitBedenken der Nutzer wichtig.

7 Soziale Ungleichheit imGesundheitsverhalten

Es gibt überzeugende empirische Belege dafür, dass nicht nurGesundheit, sondern auch die Ausübung von Gesundheits-verhaltensweisen sozial ungleich verteilt sind (z. B. String-hini et al. 2011). Das bedeutet in den meisten Fällen, dassMenschen mit geringeren Bildungsabschlüssen, niedrigerenEinkommen, sozialer Benachteiligung aufgrund von Herkunft,Hautfarbe oder Religion, oder Menschen, die in sozial benach-teiligten Gegenden leben, weniger gesundheitsförderliche undmehr gesundheitsschädliche Verhaltensweisen ausüben.

So zeigen beispielsweise Daten aus der Gesundheitsbe-richterstattung des Bundes (2015), dass der Anteil von Rau-chern bei Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Statusfast doppelt so hoch ist wie in Gruppen mit hohem soziöko-nomischem Status. Ähnlich sieht es bei körperlicher Aktivität(oder Inaktivität), der Inanspruchnahme von Vorsorgeunter-suchungen und gesundem Ernährungsverhalten aus: DieseVerhaltensweisen sind oft bei Menschen mit höherem sozio-ökonomischem Status stärker ausgeprägt als bei Menschenmit niedrigerem sozioökonomischem Status (z. B. Stringhiniet al. 2011). Obwohl diese Befunde viel diskutiert werdenund als Grundlage für gesundheitliche Ungleichheit gelten,wissen wir immer noch wenig über die Ursachen für dieseverhaltensbezogenen Ungleichheiten. Insbesondere im Be-reich der Psychologie und Verhaltensforschung spielt dieFrage nach den Ursachen von Ungleichheiten in gesundheit-lich relevanten Verhaltensweisen erstaunlicherweise bislangeine eher untergeordnete Rolle.

Wenn wir uns die oben eingeführten Theorien undModelle näher anschauen, stellen wir fest, dass sich struktu-relle Faktoren wie soziale Ungleichheit kaum in diesenModellen wiederfinden. Wenn überhaupt, werden solcheFaktoren als distale Einflussgrößen spezifiziert, deren Ein-fluss über die Faktoren in den Modellen vermittelt (mediiert)wird. So nimmt beispielsweise die Theorie des geplantenVerhaltens (TPB, s. o.) an, dass sich Unterschiede in bei-spielsweise Bildung auf Einstellungen, Normen und Kon-trollüberzeugungen auswirken und sich darüber auf das Ver-halten auswirken. Eine Person, die über niedrigere Bildungverfügt, hätte dementsprechend weniger positive Einstellun-gen oder weniger unterstützende normative Wahrnehmungenüber gesunde Ernährung und würde dementsprechend schwä-chere Intentionen zur Verhaltensänderung ausbilden. Tat-sächlich zeigen manche Studien, z. B. Godin et al. (2010),dass die Einflüsse von Unterschieden in Bildung und Ein-kommen auf Verhalten über die Variablen der TPB vermitteltwerden.

Eine wichtige konzeptuelle Frage in diesem Zusammen-hang ist die nach den Merkmalen, anhand derer sozialeUngleichheit beschrieben wird. In der Gesundheitsbericht-erstattung des Bundes wird soziökonomischer Status alsMerkmal durch ein Konglomerat aus Bildung, Einkommenund beruflichem Status (Lampert et al. 2013) beschrieben.Diese Operationalisierung lässt allerdings außer Acht, dasssich hinter diesen Merkmalen potenziell unterschiedlicheMechanismen verbergen: Während z. B. Bildung Menschendazu befähigen könnte, gesundheitsrelevante Informationenbesser zu verstehen und dementsprechend Entscheidungenauf Grundlage von zuverlässigeren Informationen getroffenwerden könnten, beschreibt das Einkommen aktuell verfüg-bare monetäre Ressourcen, die beispielsweise dafür aufge-wendet werden könnten, sich gesündere Lebensmittel, aberauch teurere Genussmittel zu kaufen.

Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung 13

Page 14: Modelle gesundheitsbezogenen Handelns und Verhaltensänderung · geplanten Verhaltens und die sozial-kognitive Theorie (Ban-dura 1997). Hier spielen insbesondere Erwartungen über

Wenn wir solche strukturellen Merkmale als Indikatorendes Zugangs zu Ressourcen verstehen, lässt sich auch eineandere Perspektive der Effekte von Ungleichheit auf Verhal-ten einnehmen – statt einer Mediationsannahme (sozialeUngleichheit wird durch die Variablen in Theorien mediiert)eine Moderationsperspektive (unterschiedliche Ressourcenwirken sich auf den Zusammenhang von Kognitionen aufVerhalten aus). Entsprechend dieser Perspektive zeigen eineReihe von Studien (z. B. Conner et al. 2013), dass sich dieEffekte von theoriebasierten Determinanten von Gesund-heitsverhalten auf Gesundheitsverhalten in Abhängigkeitvon sozioökonomischen Merkmalen, hier insbesondere Bil-dung und Einkommen, unterscheidet. Eine aktuelle Metaana-lyse (Schüz et al. 2017a) stützt diese Befunde: Hier konnteanhand von Studien, die die Effekte von Variablen aus derTheorie des geplanten Verhaltens auf körperliche Aktivitätuntersuchten, gezeigt werden, dass insbesondere die Effektevon Intentionen auf Verhalten in Studien mit höher gebilde-ten Stichproben signifikant stärker ausfielen als bei Studienmit Stichproben mit niedrigerer Bildung. Ähnliche Befundefinden sich für eine Reihe von Gesundheitsverhalten, wiegesunde Ernährung, Vermeidung von sesshaftem Verhaltenoder Alkoholkonsum (Schüz et al. 2018): Die Effekte vontheoriebasierten Determinanten auf Verhalten unterscheidensich nach Bildung und Einkommen, und zwar so, dass dieEffekte bei Personen aus sozial benachteiligten Gruppengeringer ausfallen. Solche Moderatoreffekte finden sich auch,wenn statt individueller Unterschiede sozialräumliche Unter-schiede untersucht werden (Schüz 2017). So fanden sich z. B.größere Effekte von Einstellungen und Handlungs- sowieBewältigungsplanung auf körperliche Aktivität bei Men-schen, die in Landkreisen mit besseren finanziellen Ressour-cen lebten (Schüz et al. 2012).

Diese Moderatorperspektive auf die Effekte sozialerUngleichheit hat sowohl für das Verständnis von Gesund-heitsverhalten als auch für Interventionen zur Veränderungvon Gesundheitsverhalten wichtige Implikationen. Wennsich die Effekte von Determinanten nach sozioökonomischenMerkmalen unterscheiden, bedeutet das auch, dass die Theo-rien und Modelle, die diese Determinanten berücksichtigen,für manche Populationsgruppen weniger gut passen. Schwä-chere Effekte von Intentionen auf Verhalten bei Menschenmit niedrigerer Bildung, wie in den oben angeführten Stu-dien, implizieren beispielsweise, dass in dieser Gruppe durchModelle mit Intentionen weniger Varianz im Verhalten auf-geklärt wird. Das würde wiederum bedeuten, dass möglicher-weise wichtige Einflussgrößen für Verhalten bei Menschenmit niedrigerer Bildung in diesen Modellen nicht berücksich-tigt sind und die Modelle und Theorien entsprechend über-arbeitet werden müssten.

Für Interventionen bedeutet das, dass Maßnahmen, die aufGrundlage von Theorien entwickelt worden sind, die für man-che Bevölkerungsgruppen weniger gut passen, bei diesen

Gruppen auch weniger effektiv sind. Zum Beispiel zeigen sichsozioökonomische Unterschiede in den Effekten von Interven-tionen zur Förderung von Krebs-Vorsorgeuntersuchungen(Liss und Baker 2014) und zur Reduktion vom Rauchen (Hillet al. 2014) – Menschen mit höherem sozioökonomischemStatus profitieren stärker von verhaltensbezogenen Interven-tionen als Menschen mit niedrigerem sozioökonomischemStatus. Dies führt wiederum dazu, dass in einer GruppeGesundheitsverhalten stärker zunimmt (oder Risikoverhaltenstärker abnimmt) als in einer anderen – und so gesundheitlicheUngleichheiten womöglich noch verstärkt werden in Formeines Schereneffektes.

Allerdings steckt auch in diesem Bereich die systemati-sche Forschung erst in den Anfängen, aber erste Studien(z. B. Lehne und Bolte 2017) zeigen, wie sozial ungleichverteilte Effekte von Interventionen zur Veränderung vonGesundheitsverhalten untersucht und bewertet werden kön-nen – und damit hoffentlich eine Grundlage dafür gelegtwerden kann, dass Interventionen gesundheitliche Ungleich-heiten verkleinern, anstatt zu vergrößern.

8 Zusammenfassung und Fazit

Weshalb sollte man nun verschiedene Modelle kennen undnicht einfach nur das Modell, das am überzeugendsten klingt,als Grundlage für gesundheitswissenschaftliche Maßnahmennehmen? Drei zentrale Gründe lassen sich zusammenfassen:Es ist wichtig,

• die Entwicklung der verschiedenen Theorien und Modelleüber die Zeit zu kennen (um z. B. die Furchtappellfor-schung und die aktuelle Evidenz besser einschätzen zukönnen),

• beurteilen zu können, welche Theorie Aspekte berücksich-tigt, die Grenzen und Probleme für eine bestimmte Verhal-tensweise, einen Verhaltenskontext und das übergeordneteZiel relevant, für andere aber irrelevant sein könnten,

• Theorien und Modelle zu kennen, um Evidenz aus Studienund Programmen beurteilen zu können.

Wichtig dabei ist, dass es nicht „die eine“ Theorie gibt, dieoptimal auf alle Probleme passt. Es gibt Überschneidungenzwischen Theorien. Theorien und Modelle lassen sich gegen-einander testen oder auch integrieren. Ziel dabei sollte essein, Gesundheitsverhalten optimal beschreiben, erklärenund verändern zu können. Mit der Übersetzung von Theorienin Programme sollen Änderungen von Gesundheitsverhalteneffektiver und ressourcensparend gestaltet werden.

In diesem Kapitel sind ausgewählte Theorien und Modellebeschrieben worden, die annehmen, dass Menschen entwedereinen kontinuierlichen, linearen Prozess oder qualitativ unter-schiedliche Stadien der Verhaltensänderung durchlaufen, die

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individuelle und kontextuelle Faktoren integrieren. Ebenfallswurde auf ein Modell eingegangen, das die verschiedenenVerhaltensweisen gemeinsam betrachtet und im Zusammen-hang optimieren lässt. Jedoch ergeben sich gleichzeitig ver-schiedene Fragen:

" Stehen die Theorien nur nebeneinander oder lassen sichÜberschneidungen der einzelnen Theorien weiter inte-grieren, unter Einhaltung des Parsimonitätsprinzips? Wel-che Theorien, Komponenten oder Integrationen sind ambesten, um gesundheitswissenschaftliche Verhaltensände-rung nachhaltig zu gestalten? Wie ist zu beurteilen, welchedie beste Theorie ist, bzw. welche Kriterien lassen sich inZeiten der Digitalisierung und zunehmender gesundheit-licher Ungleichheiten anwenden?

Die Auswahl von Theorien und Modellen in diesem Kapi-tel ist subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf Vollständig-keit. Einige Theorien und Modelle wurden nur am Randeerwähnt (z. B. Rückfallmodell). Darüber hinaus gibt es zahl-reiche weitere Theorien, die andere Aspekte der Motivations-entwicklung (z. B. Selbstdeterminationstheorie, Deci undRyan 1980), der interpersonellen Prozesse, des Social Mar-ketings und sozial-ökologischer Einflüsse beschreiben. Bis-her wenig betrachtete multiple Verhaltensweisen und entspre-chende Ziele stecken, was die Theorienbildung und dasVerständnis von Mechanismen betrifft, noch in den Kinder-schuhen, auch wenn für die Gesundheitsförderung klar ist,dass Verhaltensbereiche nicht isoliert, sondern auch im Zu-sammenhang betrachtet werden sollten.

Wir haben außerdem gezeigt, welche externen Einfluss-größen sich auf Verhalten auswirken, und wie multiple Ver-haltensweisen in theoretische Überlegungen integriert wer-den könnten. Diese Punkte zeigen, dass die Theoriebildungund -entwicklung ein fortlaufender Prozess ist, bei dem sichüber die Zeit neue Erkenntnisse ergeben und Veränderungenzu erwarten sind.

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