Modernisierung und Modernisierungsblockaden 14. Oktober 2008.

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Modernisierung und Modernisierungsblockaden

14. Oktober 2008

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Ablauf

1. Modernisierungstheorie2. Was ist eine moderne Gesellschaft?3. DDR – Eine moderne Gesellschaft?4. Kritik an der Modernisierungstheorie5. Diskussionsfragen

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1. Die klassische Modernisierungstheorie (I)

• Kontext: 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, Auflösung der alten kolonialen Ordnung, sowie politischer und ökonomischer Wiederaufbau Europas.

• Talcott Parsons als Gründer der Modernisierungstheorie; ent-wickelte eine evolutionäre, universelle Geschichte, in welcher die USA die Funktion der neuen führenden Gesellschaft über-nahm.

• Die Modernisierungstheorie als eine spezifische Theorie, welche sich auf den Wandel einer traditionalen Gesellschaft hin zu einer modernen Gesellschaft bezieht (Müller, 1992).

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1. Die klassische Modernisierungstheorie (II)

• Beschreibt eine spezifische Art des sozialen Wandelns, wel-cher in westlichen Gesellschaften zu beobachten ist.

• Diese gesellschaftlichen Entwicklung ist durch eine Vielzahl an Prozessen geprägt:– Industrialisierung,– Rationalisierung und Säkularisierung,– Demokratisierung,– Emanzipation,– Pluralisierung der Lebensstile, Massenkonsum, – Urbanisierung und eine Steigerung der sozialen Mobilität.

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1. Die klassische Modernisierungstheorie (III)

• Das Verständnis der Modernisierung basiert auf vier Annah-men:1. Modernisierung gilt als eine endogene Leistung2. Die einzelnen Züge der Modernisierung unterstützen sich

gegenseitig3. Modernisierungsvorläufer behindern nicht die

Nachzügler4. Modernisierungsprozesse konvergieren in der Steigerung

gesamtgesellschaftlicher Anpassungsfähigkeit

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1. Die klassische Modernisierungstheorie (IV)

• Modernisierung ist daher ein– Progressiver,– Systemischer,– Globaler,– Und irreversibler

Prozess (Degele et al., 2005).

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2. Was ist eine moderne Gesellschaft? (I)

• Eine moderne Gesellschaft ist fähig, sich selbst zu ändern; dazu muss sie– Selbstreferentiell,– Lernfähig,– Dynamisch und– Umweltanpassungsfähig sein.

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2. Was ist eine moderne Gesellschaft? (II)

• Kennzeichen moderner Gesellschaften nach Pollack (2001):– Arenen des Wettbewerbs, die spezifische Selektionsmechanismen auf-weisen,

welche die Effizienz und das Niveau der jeweiligen Teilbereiche enorm erhöht.– Funktionale Differenzierung und Spezialisierung,– Soziale Ungleichheit, die Chancengleichheit nicht ausschliesst, sondern

ausdrücklich voraussetzt. – Sozialstaatliche Sicherungssysteme,– Differenzierung sozialer Ebenen, insbesondere Entstehung intermedi-ärer

Organisationen,– (Wenige) gemeinsame Werte,– Wertewandelsprozesse in Richtung Selbstverwirklichung, politische

Partizipation und Freiheit, und– Individualisierung.

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2. Was ist eine moderne Gesellschaft? (III)

• Srubar (1991) fokussiert noch stärker auf den Individualisie-rungsprozess. Wesentlich für diesen Prozess:– Integrationsmechanismus des Marktes und des Geldes als ein

generalisierter Kommunikationsmechanismus,– Rechtssicherheit, welche im positiven Recht und in der rationalen

Herrschaft verankert ist.

• Die Rechtssicherheit ermöglicht: – Kalkulierbarkeit von Erwartungen und sozialen Beziehungen, – Die Berechenbarkeit des Handelns von Individuen und Institutionen.

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2. Was ist eine moderne Gesellschaft? (IV)

• Integrationsmechanismus der Marktes führt– Einerseits zu einer sozialen Integration der Individuen,– Andererseits findet eine Individualisierung und somit auch eine Eman-

zipation des Subjektes statt Soziale Ausdifferenzierung beschränkt den Zugriff auf das Individuum und lässt zugleich eine Privatsphäre persönlicher Freiheit entstehen.

• Funktion des Geldes: Geld lässt durch seine generalisierte

Tauschfunktion Individuen „abstrakt“ werden, indem es kon-krete soziale Bindungen auflösbar macht.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (I)

• Kennzeichen Wettbewerbsarenen und funktionale Differenzierung• Die DDR war eine politisch konstituierte Gesellschaft: Alle gesell-

schaftlichen Ressourcen konzentrierten sich bei der politischen Machtelite.

• Politische Homogenisierung der Gesellschaft hatte zwei Folgen:– Aufgrund der politischen Zwangsherrschaft kam es zu einer Einschrän-

kung des freien Wettbewerbs in fast allen Bereichen. Bsp. Wirtschaft: Staatliche Festlegung der Preise, nicht beruhend auf Angebot und Nachfrage.

– Funktionale Entdifferenzierung der Gesellschaft: Politische Steuerung beraubte einzelne Teilbereiche der Gesellschaft ihrer Autonomie Keine Entfaltung von spezifischen Funktionslogiken Effizienzverlust

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (II)

• Dennoch: Keine Vollständige Entdifferenzierung – Eine gewis-se Autonomie konnte bewahrt werden Gegenläufigkeit von funktionaler Differenzierung und politischer Gleichschaltung. Bsp. Wirtschaft: Konflikt zwischen Ideologen und Planern Modernisierungstendenzen und –blockaden.– BIP: Steigt immer Vergleich zur BRD nur sehr wenig an, gerade in 70er

und 80er Jahre beinahe stagnierend.– Verteilung der Erwerbstätigen auf Wirtschaftssektoren: Anstieg des

Anteils der Erwerbstätigen im 2. und 3.Sektor, doch in 70er und 80er Jahren Abflachung v.a. des 3.Sektors.

– Bildungssektor: Leistung relevant, Anfangszeit der DDR eine beacht-liche Bildungsexpansion, Stagnation in den 70er Jahren etc.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (III)

• Gab durchaus Prozesse der Modernisierung, doch in den 70er und 80er Jahren kommen Modernisierungsblockaden zum Vorschein.

• Gründe:– Endogene Modernisierungsdynamik scheint nicht gelungen,– Politischer Reglementierung der gesellschaftlichen Entwicklung

Entfaltung von teilsystemspezifischen Funktionslogiken stark einge-schränkt DDR als eine gefesselte Gesellschaft, konstitutiv wider-sprüchliche Gesellschaft.

– Kaum funktionale Differenzierung – soziale Integration entfiel.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (IV)

• Differenzierung sozialer Ebenen• Moderne Gesellschaften gekennzeichnet durch zunehmende

Differenzierung der sozialen Emergenzebenen; in der DDR hingegen liefen Interaktion, Organisation und Gesellschaft in einer Ebene zusammen.– Individuum war dem direkten Zugriff des Staates ausgesetzt,– Gab kaum einen Ort des Rückzugs; kein politikfreier Raum.

• Intermediäre Organisationen, falls vorhanden, politisch instru-mentalisiert.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (V)

• Doch auch das Umgekehrte war der Fall: Informelle Netzwer-ke drangen in offizielle Strukturen und Organisationen ein (Pollack, 2001).

• Srubar (1991) spricht in diesem Zusammenhang von politi-scher Privatisierung und – daraus folgend – von persönlicher Privatisierung. – Politische Privatisierung: Die Durchdringung jeglicher Bereiche durch

das Parteiinteresse führt zur Nichtkontrollierbarkeit und somit zur Nichtkalkulierbarkeit der Macht. Doch Institutionen und Behörden zentral für die Organisation des Alltagslebens; dies führt zur

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (VI)

– Persönlichen Privatisierung: In Gestalt der Korruption und Patronage Informelle Netzwerke. Die Mangelwirtschaft dient als idealer Nährboden für diese Zweckverschiebung innerhalb der Organisation.• Typische Handlungsweise: Permanentes Bestreben, etwas aufzu-

treiben.• Auch Funktion des Geldes eine andere: Für das Erlangen von Wa-

ren wohl eine erforderliche, aber keine hinreichende Bedingung.• Zugang zu Netzwerken zentrale Bedingung, um an Ware zu gelan-

gen.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (VII)

• Durch diese informellen Netzwerke Entstehung eines alterna-tiven Distributionssystem von Waren und Dienstleistungen Schattenwirtschaft (Srubar 1991).

• Diese Netzwerke weisen nur einen partiell integrierenden Effekt auf, da aufgrund einen fehlenden Raums der Öffentlich-keit kaum Kontakte zwischen den Netzwerken vorhanden wa-ren Unterscheidung in „wir“ und „die anderen“ (Pollack, 2001 und Srubar, 1991).

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (VIII)

• Soziale Differenzierung, Chancengleichheit• Integration fand auch nicht durch soziale Differenzierung statt,

da besondere Leistungen nicht wesentlich beachtet wurden; Prozesse der zunehmenden sozialen Schliessung wirkten desintegrativ Chancengleichheit immer weniger vorhan-den.

• DDR-Gesellschaft keine integrierte Gesellschaft; viel mehr anomisch und ritualisiert.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (IX)

• Individualisierungsprozess• Pollack stellt sehr wohl Individualisierungsprozesse fest:

Vorangetrieben durch Einfluss der Medien, des angestiegenen Lebensstandards, des höheren Bildungsniveaus, informelle Netzwerke Gewinn an Selbstbestimmungs- und Einfluss-möglichkeiten, Autonomie und Selbstbewusstsein.

• Doch keine Möglichkeit, diese in der „Öffentlichkeit“ auszu-probieren, denn ges. Institutionen agierten willkürlich, inkom-petent Nicht möglich, seine Leistungen zu testen, interpretieren und Informationen daraus zu gewinnen.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (X)

Fazit• Pollack sieht das Hauptproblem der DDR in ihrem Mangel an

Demokratie, sowie dem daraus resultierenden Legitimations-defizit des politischen Systems Politische Blockierung der gesamten Gesellschaft. Doch interne gesellschaftliche Entwicklung liess sich nicht vollständig still legen Grosse Diskrepanz zwischen Alltagskultur und politischer Struktur

• DDR als eine gefesselte Gesellschaft, allenfalls semimoderne Gesellschaft.

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3. DDR – Eine moderne Gesellschaft? (XI)

• Srubar - Einerseits (verlangsamte) Modernisierungsprozesse erkennbar: Bspw. in einer ähnlichen Berufsstruktur wie im Westen, Schichtung der Gesellschaft als rhombusartiges Ge-bilde etc.

• Allerdings zeigt sich in Bezug auf soziale Beziehungen ein an-deres Bild: universelle Motivationsfähigkeit des Geldes sowie Kalkulierbarkeit der individuellen und institutionellen Handlungen nicht gegeben deutlich nichtmoderne Züge

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4. Kritik an der Modernisierungstheorie (I)

• Hauptschwäche der MT: Unfähigkeit, Antwort auf die Frage nach den Ursachen gesellschaftlicher Entwicklung, die zur Mo-derne geführt hat, zu geben (Pollack, 2001).

• Ethnozentrismus Soziopolitische Struktur des Westens als Endpunkt der Geschichte

• Endogene Perspektive Ausblendung von imperialistischen Strukturen und Ungleichheiten der Weltwirtschaft

• Starke Interdependenzannahmen Änderungen in einem Bereich führen automatisch zu Veränderungen in anderen Be-reichen.

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4. Kritik an der Modernisierungstheorie (II)

• Annahme der Unvereinbarkeit von Tradition und Moderne (Degele et al., 2005).

• Theorem der funktionalen Differenzierung: Kein Zeithorizont, keine historisch lokalisierten Akteure – woher kommt die Lo-gik der funktionalen Differenzierung? Ein selbstlaufender Op-timierungsvorgang? Unterstellt gewisse Systemimperative (Müller, 1991).

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5. Diskussionsfragen

• Kontext des Modernisierungsprozesses: Ist eine nachholende Modernisierung des osteuropäischen Länder überhaupt möglich? Relevanz der zur gegebenen Zeit vorherrschenden Bedingungen?

• Welche Faktoren spielen eine zentrale Rolle in „noch zu modernisierenden Gesellschaften“, die für das Gelingen/ Nichtgelingen ausschlaggebend sein können?

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Literaturangaben

• Detlef Pollack, 2001: Wie modern war die DDR? Frankfurter Institut für Transformationsstudien 4/01.

• Klaus Müller, 1992: Modernising Eastern Europe: Theoretical Problems and Political Dilemmas. Archives Europeennes des Sociologie 33: 109-150.

• Ilja Srubar, 1991: War der reale Sozialismus modern? Versuch einer strukturellen Bestimmung. Kölner Zeitschrift für Soziolo-gie und Sozialpsychologie 43: 415-432.

• Klaus Müller, 1991: Nachholende Modernisierung? Leviathan 19: 261-291.

• Nina Degele und Christian Dries, 2005: Modernisierungstheo-rie. Wilhelm Fink Verlag: München (S. 16-19).