Modul 3.3: Grundlagen alt-katholischer Liturgie · 5/49 deutschen Bistum der Alt-Katholiken...

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Studiengang Alt-Katholische und Ökumenische Theologie am Alt-Katholischen Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Modul 3.3: Grundlagen alt-katholischer Liturgie Teil I Wortgottesdienst Dozent: Pfarrer Joachim Pfützner, Stuttgart

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Studiengang Alt-Katholische und Ökumenische Theologie

am Alt-Katholischen Seminar

der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Modul 3.3:

Grundlagen alt-katholischer Liturgie

Teil I

Wortgottesdienst

Dozent: Pfarrer Joachim Pfützner, Stuttgart

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INHALT

EINLEITUNG ……………………………………………………………………………………………………………………….… 4

1. DIE ORDNUNG DER HEILIGEN EUCHARISTIE ……………………………………………………………………... 5

1.1 Das Eucharistiebuch 2006 und seine Vorläufer ……………………………………………………. 7

1.1.1 Die Auflagen 1995 und 1998 …………………………………………………………………..…. 7

1.1.2 Die überarbeitete und erweiterte Auflage 2006 ………………………………………. 10

1.1.3 Die Altarbücher 1888 und 1959 ……………………………………………………………..… 13

1.1.3.1 Das Altarbuch 1888 ……………………………………………………………………… 13

1.1.3.2 Das Altarbuch 1959 ……………………………………………………………………… 16

1.2 Feier in Gemeinschaft ………………………………………………………………………………………… 17

1.2.1 Verschiedene Rollen und Dienste …………………………………………………………..… 17

1.2.2 Stellenwert der liturgischen Gesänge ……………………………………………………….. 18

1.2.3 Ein dramaturgisches Gefüge …………………………………………………………………….. 19

1.2.4 Terminologie ……………………………………………………………………………………………. 21

1.2.5 Liturgische Bildung ………………………………………………………………………………..…. 22

2. DER ERÖFFNUNGSTEIL DER EUCHARISTIE ……………………………………………………………………….. 22

2.1 Die Feier der Versöhnung als eigenständige liturgische Feier …………………………….. 22

2.2 Kyrierufe und Gloria …………………………………………………………………………………………... 25

2.3 Einzug und Eingangsgesang ………………………………………………………………………….……. 28

2.4 Gebet des Tages ……………………………………………………………………………………………..…. 31

2.5 Dramaturgie des Eröffnungsteils ……………………………………………………………………….. 32

3. DER WORTGOTTESDIENST DER EUCHARISTIE ………………………………………………………………….. 33

3.1 Die biblischen Lesungen …………………………………………………………………………………….. 33

3.1.1 Grundsätzliches ………………………………………………………………………………………… 33

3.1.2 Der Psalm nach der ersten Lesung ……………………………………………………………. 34

3.1.3 Halleluja und Verkündigung des Evangeliums ………………………………………..…. 36

3.1.4 Prinzipien der Leseordnung ………………………………………………………………………. 38

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3.2 Die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde …………………………..………………………… 43

3.2.1 Glaubensbekenntnis ………………………………………………………………………………….. 43

3.2.2 Fürbitten …………………………………………………………………………………………………… 45

3.2.3 Friedensgruß ……………………………………………………………………….……………………. 48

3.2.4 Dramaturgie des Antwortteils im Wortgottesdienst ..………………………………… 49

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EINLEITUNG

Was ist alt-katholische Liturgie? Woran erkennt man sie? Ist sie überhaupt nötig? Solche

Fragen führen zum Thema der Lehrveranstaltung „Grundlagen alt-katholischer Liturgie“1.

Dabei liegt der Fokus auf dem Untertitel „Besonderheiten alt-katholischer

Liturgieentwicklung“. Besonderheiten alt-katholischer Liturgie fallen aufmerksamen

Beobachterinnen und Beobachtern auf, wenn sie, aus einem anderen kirchlichen Kontext

kommend, die ersten Male einen alt-katholischen Gottesdienst mitfeiern. Da gibt es

beispielsweise anderslautende Antworten, bei denen man sich fragt: Müssen die unbedingt

anders sein? Was macht es für einen Unterschied, ob ich nach den Lesungen in einem alt-

katholischen Gottesdienst antworte: „Gott, dem Herrn, sei Dank“, während man anderswo

„Dank sei Gott“ erwidert2? Oder der Friedensgruß: Warum wird er in manchen Gemeinden

bereits an der Schnittstelle zwischen Wortgottesdienst und Mahlfeier ausgetauscht und in

anderen Gemeinden kurz vor der Kommunion? Oder die Kniebeugen während des

Eucharistiegebetes: Warum fallen sie weg nach den Worten Jesu im Einsetzungsbericht,

während ganz am Ende des Gebetes eine Kniebeuge stattfindet? Besonders aufmerksame

Gottesdienstmitfeiernde entdecken überdies, dass manche Eucharistiegebete keine

Wandlungsepiklese, wohl aber eine Epiklese nach dem Einsetzungsbericht haben, während

es in anderen Eucharistiegebeten wieder nicht so ist.

Warum das so ist und wie es dazu gekommen ist, das sind Fragen nach den Besonderheiten

alt-katholischer Liturgieentwicklung. Ihnen wird in diesem Kurs vor allem nachgegangen.

Dabei steht im Vordergrund die Feier der Eucharistie. Sie ist beschrieben im Gesangbuch

„Eingestimmt“3 und im Eucharistiebuch, das für die Feier der Heiligen Eucharistie im

1 Zur Einführung in die Liturgiewissenschaft siehe: Reinhard Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft,

Stuttgart 20092; Adolf Adam, Winfried Haunerland, Grundriss Liturgie, Freiburg, Neuausgabe 2012; Albert

Gerhards, Benedikt Kranemann, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Darmstadt (WBG) 20133; Liborius Olaf

Lumma, Crashkurs Liturgie. Eine kurze Einführung in den katholischen Gottesdienst, Regensburg 20122.

2 Weitere Beispiele: „Friede mit uns allen“ als Antwort auf den Friedensgruß; „Christus ist gestorben. Christus

ist erstanden. Christus wird wiederkommen“ als Akklamation nach dem Einsetzungsbericht des Eucharistiegebets; „Durch ihn und mit ihm und in ihm wird dir dargebracht, Gott, allmächtiger Vater, in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes…“ bei der abschließenden Doxologie des Eucharistiegebets; „Preis und Dank sei unserm Gott“ als Antwort auf den Entlassungsruf „Gehet hin in Frieden!“ 3 Eingestimmt. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, Bonn 2015

2, S. 14f

(Übersicht) und S. 16-28 (Die Ordnung der Heiligen Eucharistie), im Folgenden auch mit dem Kürzel ES genannt. Die Arbeitsgemeinschaft ökumenisches Liedgut (AÖL) teilt den Gesangbüchern der Kirchen im deutschsprachigen Raum jeweils ein Kürzel zu, das dann auch in wissenschaftlichen Arbeiten benutzt wird. Das gilt für das römisch-katholische Gotteslob (GL) ebenso wie für das Evangelische Gesangbuch (EG). Weitere Abkürzungen lauten: KG = Katholisches Gesangbuch, Gesang- und Gebetbuch der deutschsprachigen Schweiz 1998, RG = Evangelisch-reformiertes Gesangbuch, Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz 1998, CG = Christkatholisches Gesangbuch, Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz 2004, EM = Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Deutschland, Österreich und Schweiz/Frankreich 2002, FL = Feiern und Loben / Die Gemeindelieder, Gesangbuch des Bundes Freier evangelischer Gemeinden und des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) 2003, JF = Jesus – unsere Freude. Gemeinschaftsliederbuch des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes e.V. 1995. Siehe dazu: Heinrich Riehm, Das Kirchenlied am Anfang des 21. Jahrhunderts, Marburg (Francke Verlag) 2004.

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deutschen Bistum der Alt-Katholiken grundlegend ist4. Wer beide Beschreibungen

miteinander vergleicht, wird dabei Unterschiede und Widersprüche entdecken. In ihnen wird

ein Stück Liturgieentwicklung anschaulich. Die Beschreibung im Gesangbuch „Eingestimmt“

geht auf eine Broschüre zurück, die 1981 zur Erläuterung und Neuordnung der

Eucharistiefeier erschienen ist5. Fünf Jahre später ging sie in das Gesangbuch „Lobt Gott, ihr

Christen“ ein6. Von dort ist sie schließlich für das Nachfolge-Gesangbuch „Eingestimmt“

abgeschrieben worden. Bei der Beschreibung im Eucharistiebuch handelt es sich um eine

Überarbeitung aus dem Jahre 2006. Als aktuellste Veröffentlichung ist sie für diesen Kurs

grundlegend.

1. DIE ORDNUNG DER HEILIGEN EUCHARISTIE

Bereits der offizielle Titel des Eucharistiebuchs verrät etwas über Besonderheiten alt-

katholischen Liturgieverständnisses: „Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der

Alt-Katholiken in Deutschland7. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die

Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung.“ Nach

altkirchlichem Brauch ist jede Ortskirche für die Gestaltung der Liturgie selbst

verantwortlich. Es gibt also nicht „die“ alt-katholische Liturgie, sondern die Liturgie der

niederländischen Kirche oder die der Schweizer Kirche oder eben die der deutschen Kirche.

Die Grundprinzipien aber, nach denen die Liturgie geordnet ist, sind – auch da folgen wir

altkirchlichem Brauch – in allen alt-katholischen Kirchen gleich.

Das zweite, was aus dem Titel hervorgeht: Unsere liturgischen Bücher werden von einer

Liturgischen Kommission erarbeitet. Es handelt sich dabei um eine bischöfliche Kommission,

deren Mitglieder vom Bischof ernannt werden, in der Regel im Einvernehmen mit den in der

Kommission bereits mitarbeitenden Mitgliedern. Davon zu unterscheiden sind die von der

Synode gewählten Kommissionen wie z.B. die Finanz- und die Rechtskommission. Dass die

Mitglieder der Liturgischen Kommission nicht gewählt, sondern vom Bischof ernannt

werden, hängt mit dem ius liturgicum zusammen, das seit frühester Zeit ein bischöfliches

Recht war und das synodal nicht verhandelbar ist. Die von der Liturgischen Kommission

erarbeiteten Bücher werden – das ist die dritte Besonderheit – durch Bischof und

Synodalvertretung herausgegeben und so auch in Kraft gesetzt. Es handelt sich also um

amtliche Texte, die sogar einer Bestimmung der Synodal- und Gemeindeordnung

unterliegen. In Paragraph 89 SGO heißt es:

4 Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Für den

gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung. Bonn 2006, S. 181-208, im folgenden „Eucharistiebuch 2006“ genannt. 5 Die Feier des Gottesdienstes im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, hrsg. von Bischof

Josef Brinkhues, erarbeitet von der Liturgischen Kommission. Als Manuskript gedruckt, Bonn 1981. 6 Lobt Gott, ihr Christen. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken für Christen heute. Bonn

1986, S. 12f (Übersicht) und 14-28 (Die Ordnung der Heiligen Eucharistie). 7 Hervorhebungen eigens für dieses Skript.

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Alle Geistlichen haben die Pflicht, die Eucharistiefeier sowie die Spendung der hl. Sakramente

mit der höchsten Sorgfalt und Ehrfurcht zu vollziehen und den Ritus und die Zeremonien nach

den vorgeschriebenen Ritualbüchern genau einzuhalten. Für jede Abweichung von den

vorgeschriebenen Ritualbüchern ist vorher die Genehmigung der Bischöfin oder des Bischofs

und der Synodalvertretung einzuholen.

Was hier so streng gesetzlich geregelt ist, hat natürlich seine Vorgeschichte. Die erste

Bistumssynode 1874 hat bekanntlich eine Reihe von Reformen in Kraft gesetzt, darunter

auch die, dass neue Ausgaben der liturgischen Bücher besorgt werden sollen – als Beispiele

werden Missale, Brevier und Rituale genannt8. Außerdem erklärt die Synode die Einführung

der Volkssprache als liturgische Sprache für wünschenswert9. Dass darüber hinaus noch

festgelegt wird, mit der Herausgabe des Rituale zu beginnen10, dürfte Verwunderung

auslösen: Wäre ein Missale nicht nötiger gewesen? Doch beim Missale war man sich erstens

nicht so sicher, ob eine Bistumssynode überhaupt die Kompetenz dazu hat, die Messe ins

Deutsche zu übersetzen, und zweitens hatte man erkannt, dass es mit einer reinen

Übersetzung der lateinischen Texte nicht getan wäre. Vielmehr sollte in diesem

Zusammenhang auch der theologische Gehalt der Texte überprüft werden, und es sollten

liturgiegeschichtliche Studien betrieben werden, um herauszufinden, welche Texte den

altkirchlichen Geist atmeten und welche nicht11. Das alles konnte nicht hoppla hopp erledigt

werden; es brauchte vielmehr Zeit. Andererseits gab es im Bistum, vor allem unter den

jüngeren Geistlichen und unter einigen Professoren, einen gewissen Durst nach Reformen

besonders der Messe, und so machten sich da oder dort einzelne Geistliche an ihr ganz

persönliches Reformwerk, das dann mehr oder weniger ausgeklügelt und an den einzelnen

Orten auch sehr unterschiedlich ausfiel. Genau das aber wollte man nicht, und so mussten

schon damals Verbote und Regelungen ausgesprochen werden12.

8 Johann Friedrich von Schulte, Der Altkatholizismus. Geschichte seiner Entwicklung, inneren Gestaltung und

rechtlichen Stellung in Deutschland, aus den Akten und anderen authentischen Quellen dargestellt, Gießen 1887, Neudruck durch den Scientia Verlag Aalen, 2002, S. 609. Hans Ewald Keßler, Die Diskussion um die Einführung der deutschen Liturgie bei den Altkatholiken in Deutschland bis zur fünften Synode, Bonn 1966, S. 4 (MS). 9 KeßlerS. 3f.; Schulte, S. 606. Schulte schreibt S. 607: „Die Bonner Unions-Konferenz vom J. 1874 nahm den

Satz an (Bericht S. 16): ‚Wir stimmen überein, dass es im allgemeinen angemessener und dem Geiste der Kirche entsprechender ist, dass die Liturgie in der vom Volke verstandenen Sprache gebraucht werde.‘“ 10

Keßler, S. 9. Wörtlich ist in dem betreffenden Antrag von einer Beschränkung auf das Rituale die Rede. Vgl. auch Schulte, S. 606. 11

Schulte, S. 608. Keßler, S. 9. 12

Keßler, S. 22, zitiert aus einem Schreiben Bischof Reinkens‘ vom 8. Juli 1876, veröffentlicht in den Beschlüssen der 4. Synode, S. 75ff: „Kein Geistlicher und keine Gemeinde darf nach eigenem Ermessen irgendwelche Änderung der Disziplin und Liturgie, zu denen nach kirchlichem Rechte die Genehmigung des Bischofs erforderlich ist, vornehmen. […] Wir verkennen gar nicht die Berechtigung des Wunsches, es möge eine Reform der Mess-Liturgie angebahnt werden; wir dürfen aber im Interesse der Einigkeit und Ordnung nicht dulden, dass in irgendeinem Punkte von Einzelnen eine Reform im Widerspruch mit den Beschlüssen der Synode versucht werde.“ Zum Ganzen der Einführung der Volkssprache in die Liturgie der Eucharistiefeier siehe die vollständige Studie Hans Ewald Keßlers (s.o. Anm. 8). Vgl. auch Sigisbert Kraft, Grundsätze und Ziele alt-katholischer Liturgiereform, in: Ders., Danksagung. Gesammelte Aufsätze zur Liturgie, hrsg. von Matthias Ring und Florian Groß, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2015, 9-29; besonders S. 11f.

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Es gibt für die gesetzliche Regelung aber noch einen zweiten Grund, dem in der auf jeden

Fall lesenswerten Einführung zum Eucharistiebuch13 ein eigenes Kapitel gewidmet ist14. Die

Feier der Eucharistie ist eine Feier der ganzen Kirche und nicht einer einzelnen Gemeinde;

die Gemeinde versteht sich vielmehr als Teil der ganzen Kirche und bringt ihre

Verbundenheit mit der ganzen Kirche z.B. durch das Glaubensbekenntnis zum Ausdruck,

oder durch die Nennung des Bischofs und der Gemeinschaft der Bischöfe im

Eucharistiegebet, oder durch die Leseordnung. In gleicher Weise ist das Eucharistiebuch

Ausdruck der Gemeinschaft unter allen Gemeinden im Bistum.

Ein dritter Grund ist schließlich, dass sich in den liturgischen Texten der Kirche (= lex orandi)

deren Glaube (= lex credendi) spiegelt15. In jüngster Zeit ist dies bedeutsam geworden im

Dialog zwischen der indischen Mar-Thoma-Kirche und den Alt-Katholischen Kirchen der

Utrechter Union16.

1.1 Das Eucharistiebuch 2006 und seine Vorläufer

Wenn man das Eucharistiebuch 2006 aufschlägt, wird als erstes die Titelseite sichtbar, über

die wir gerade ausführlich gesprochen haben. Blättert man diese Seite um, stößt man auf

das Impressum. Dort ist der letzte Abschnitt über das Copyright bedeutsam. Wir erfahren

hier nicht nur, dass das Copyright bei der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums

der Alt-Katholiken in Deutschland liegt17, sondern auch, dass dieses Buch 1995 erstmals

erschienen ist und dass es sich bei der vorliegenden Ausgabe um die „3. überarbeitete und

erweiterte Auflage 2006“ handelt. Die Geschichte des Eucharistiebuchs währt also noch

nicht lange. Aber sie steht selbstverständlich in einer längeren Tradition, über die noch zu

sprechen sein wird.

1.1.1 Die Auflagen 1995 und 1997

Bis das Eucharistiebuch 1995 publiziert werden konnte, musste im deutschen alt-

katholischen Bistum ein langer Weg beschritten werden. Seine erste Station wird im

Amtlichen Kirchenblatt 1971, Nr. 2, greifbar. Darin findet sich eine bischöfliche Verordnung

zur Feier der hl. Eucharistie. Ihr kann man entnehmen, dass es in der zweiten Hälfte der

1960er Jahre – sicher aufgrund der Liturgiereform des 2. Vaticanums – verschiedentliche

private Reformversuche im Bistum gegeben hat, die es nun offiziell zu ordnen galt. 13

Eucharistiebuch 2006, S. XI - XXIV. 14

Ebd. S. XIV f. 15

Zum Axiom „Lex orandi – lex credendi“ vgl. Arno Schilson, Art. Lex orandi – lex credendi in: LThK3 6 (1997),

871-872. 16

Alt-Katholische Kirchen der Utrechter Union, Mar Thoma Syrian Church of Malabar, Dokumentation der Dialogtexte, hrsg. vom Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Bonn 2015, S. 16, 24, 32, 33-37, 42. 17

Deutlich wird das z.B. an dem vielfach geäußerten Wunsch, das Eucharistiebuch auch in einer digitalen Ausgabe zu publizieren, dem die Liturgische Kommission bisher nicht entsprochen hat.

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Entsprechend enthält die Verordnung neben mehrfachen Mahnungen, die in den Ordnungen

der Eucharistiefeier und in den liturgischen Erlassen niedergelegten Anweisungen zu

beachten, eine Zusammenfassung dieser Texte. Kernstück ist jedoch eine im Anschluss an

das Altarbuch 1959 geschaffene „Dritte Ordnung der hl. Messe“, die lediglich ein weiteres

Eucharistiegebet enthält. Seine Besonderheit ist, dass es sich erstmals nicht um eine

Bearbeitung des Canon Romanus handelt, sondern um einen Text, der von Kurt Pursch18, zu

dieser Zeit Liturgiedozent und Vorsitzender der Liturgischen Kommission, auf der Grundlage

der Liturgie Hippolyts (+ 235) entwickelt worden ist19.

Eine zweite Station des Weges hin zum Eucharistiebuch 1995 stellt die 20. Internationale Alt-

Katholische Theologenkonferenz von 1979 dar20. Sie beschäftigte sich mit der Theologie des

Eucharistiegebets und verabschiedete zur Struktur und zu Inhalten neu zu formulierender

Eucharistiegebete einen Konsens21. Darüber wird im Einzelnen noch zu sprechen sein22.

Im gleichen Jahr 1979 erschien in Deutschland eine Sammlung mehrerer Eucharistiegebete,

wie sie in den Kirchen der Utrechter Union und in der Ökumene verwendet wurden23 – die

dritte Station auf dem Weg zum Eucharistiebuch 1995.

Eine vierte Station stellt die verbesserte und erweiterte Ausgabe der 1979 erschienenen

Eucharistiegebete dar, die 1986 herauskam24. Einige Texte wurden entsprechend dem

Konsens der 20. Internationalen Alt-Katholischen Theologenkonferenz von 1979

überarbeitet, andere gegen geeignetere ausgewechselt, neue hinzugefügt25. Die meisten

gingen dann mehr oder weniger überarbeitet in das Eucharistiebuch 1995 ein.

Auch die Ordnung der Eucharistiefeier wurde überarbeitet; dazu erschien 1981 als fünfte

Station die bereits erwähnte handliche Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“26, die im

Wesentlichen das enthielt, was heute in leicht überarbeiteter Form im Gesangbuch

„Eingestimmt“ auf den Seiten 14 und 15 unter der Überschrift „Übersicht“ und auf den

Seiten 16 bis 28 unter der Überschrift „Ordnung der Heiligen Eucharistie“ zu lesen ist.

Außerdem enthält die Broschüre einige rubrizistische Hinweise zur Feier der Eucharistie,

zwei Formulare für eine Bußfeier27, ein Formular eines „Gemeindegottesdienstes ohne

Priester“28 und eine Reihe von liturgischen Gesängen für die Eucharistiefeier29. Diese

18

1914-1991. Weitere biographische Hinweise bei Urs Küry, Die Alt-Katholische Kirche. Ihre Geschichte, ihre Lehre, ihr Anliegen (Die Kirchen der Welt III), Frankfurt am Main (Evangelisches Verlagswerk), 1982

3, S. 527.

19 Siehe dazu auch Sigisbert Kraft, Die Erneuerung der Liturgie in den alt-katholischen und anglikanischen

Kirchen, in: Ders., Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 74. 20

Kraft, Erneuerung, S. 75. 21

Referate und Konsens finden sich in der IKZ 70 (1980), S. 139-229. 22

Siehe Skript Grundlagen II. 23

Eucharistiegebete. Broschüre (MS), hrsg. von der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, mit einem Geleitwort von Bischof Josef Brinkhues, Bonn 1979. 24

Eucharistiegebete. Broschüre (MS), hrsg. von der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, mit einem Geleitwort von Bischof Dr. Sigisbert Kraft, Bonn 1986. 25

Vgl. die Einführung in die Eucharistiegebete 1986, S. 1. 26

Die Feier des Gottesdienstes, s.o. Anm. 5. 27

Übernommen in das Gesangbuch „Eingestimmt“, S. 38-41 (1. und 2. Form der Bußfeier). 28

Übernommen in das Gesangbuch „Eingestimmt“, S. 28-30 (1. Form der Wort-Gottes-Feier).

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Gesänge gingen wenige Jahre später (1986) in das Gesangbuch „Lobt Gott, ihr Christen“30

(offizielle Abkürzung ist „LG“) ein, ebenso wie die Ordnungen und Formulare.

1986 begann in der Liturgischen Kommission die Arbeit an den Präsidialgebeten31. Bisher

hatte man sich entweder an die Gebete des Altarbuchs 1888 oder an die des Altarbuchs

1959 gehalten, sofern nicht der eine oder andere Kollege aus anderen Quellen geschöpft

hatte32. Folgende Grundanliegen waren damit verbunden: Die aus der kirchlichen Tradition

übernommenen Gebete des Tages sollten sprachlich überarbeitet werden, außerdem sollten

für die Sonntage der sogenannten festlosen Zeit33 weitere Gebete des Tages passend zu den

Bibeltexten der Lesejahre geschaffen werden. Und schließlich sollten die Gebete zur

Gabenbereitung und die Gebete nach der Kommunion so gefasst werden, dass sie den alt-

katholischen Vorstellungen über die Eucharistie entsprechen. Nach und nach wurden die

fertig gestellten Orationen zur Erprobung in Form von Kopien veröffentlicht, die in einem

Ringbuch gesammelt wurden. Dieses Ringbuch markiert die sechste und letzte Station auf

dem Weg zum Eucharistiebuch 1995.

Das 1995 dann endlich erschienene Eucharistiebuch ist mit dem Namen Sigisbert Kraft

(1927-2006) verbunden34. Sigisbert Kraft war Pfarrer unseres Bistums, zuerst in Mannheim-

Waldhof, dann in Karlsruhe, wo er später auch Dekan des Dekanats Nordbaden-

Württemberg war. 1985 wurde er zum „Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge“ des

damaligen Bischofs Josef Brinkhues gewählt; nach dessen Emeritierung übernahm er 1986

als achter Bischof die Leitung des Bistums, die er bis zu seiner eigenen Emeritierung 1995

innehatte. Die Übergabe des Eucharistiebuchs an das Bistum war seine letzte bischöfliche

Amtshandlung; er nahm sie während des Weihegottesdienstes für seinen Nachfolger

Joachim Vobbe am 25. März 1995 in Frankfurt vor. Sigisbert Kraft war ein vielseitig begabter

Mensch: Seine Dissertation „Der deutsche Gemeindegesang in der alt-katholischen Kirche“35

weist ihn nicht nur als Liturgiewissenschaftler, sondern auch als Hymnologen aus; außerdem

29

Im Einzelnen waren das die Kyrie-Rufe ES 74 und 97-104, das Gloria ES 108 und 113, das Credo ES 221 und 219, das Sanctus ES 244, das Agnus Dei ES 277, die Kehrverse ES 883, 849, 857, 164, 865, 929, 867 und 185 sowie die Halleluja-Rufe ES 194, 198, 200, 199 und 205. 30

S.o. Anm. 6. 31

Präsidialgebete werden die vom Vorsteher oder von der Vorsteherin zu sprechenden Gebete am Ende des Eröffnungsteils (Gebet des Tages), der Gabenbereitung (Gebet zur Gabenbereitung) und der Kommunion (Gebet nach der Kommunion) genannt. Die Gemeinde bekräftigt diese Gebete mit ihrem „Amen“. 32

Die bischöfliche Verordnung von 1971 (s.o. S. 7) empfiehlt die Publikation Alfred Schilling, Die Orationen der Messe, Essen (Verlag Hans Driewer) 1968. 33

Seit dem Eucharistiebuch 1995 werden diese Sonntage „Sonntage der Lesereihe“ genannt. Das ist allerdings eine unglückliche Bezeichnung, denn sie ist lediglich auf die Leseordnung bezogen, die auf drei jährlich wechselnde Lesereihen – A, B und C – verteilt ist. Ein Bezug zum liturgischen Jahr, entsprechend dem Weihnachts- und Osterfestkreis, ist damit nicht gegeben. Hier erscheint die in der römisch-katholischen Kirche verwendete Terminologie „Im Jahreskreis“ stimmiger. 34

Biographisches ausführlich in: Angela Berlis/Klaus-Dieter Gerth (Hrsg.), Christus spes. Liturgie und Glaube im ökumenischen Kontext. FS für Bischof Dr. S. Kraft, 1994, S. XI-XII. Siehe auch Angela Berlis: https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/119177765/Kraft+Sigisbert+Otto+Franziskus (11.09.2017). 35

Sigisbert Kraft, Der deutsche Gemeindegesang in der alt-katholischen Kirche. Kirchenlied – Messgesang, Karlsruhe (MS) 1976.

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gilt er als Verfasser mehrerer Kirchenlieder36. Ende der 1970er Jahre übernahm er von Kurt

Pursch den Vorsitz in der Liturgischen Kommission, und er wurde auch sein Nachfolger als

Liturgiedozent am Bischöflichen Seminar in Bonn.

Zwischen der ersten Auflage 1995 und der dritten 2006 gab es 1997 eine unveränderte

zweite Auflage des Eucharistiebuchs. Das ist insofern bemerkenswert, als die erste Auflage

den Bistumsbedarf mit seinen zahlreichen Gottesdienststationen und seiner Geistlichkeit,

die ja nicht nur aus den Pfarrerinnen und Pfarrern besteht, im Grunde schon großzügig

abgedeckt hatte. Man hatte dabei vorausschauend auch an die Geistlichen gedacht, die der

Kirche im Lauf der Jahre beitreten würden, und an die Pfarrerinnen und Pfarrer anderer

Kirchen, an die man das Buch in ökumenischer Verbundenheit weitergeben würde.

Trotzdem war die Auflage drei Jahre später vergriffen, die Liste der Bestellungen aber

weiterhin voll. Man musste also schnell reagieren und orderte eine zweite Auflage, die nicht

ganz so hoch war wie die erste, aber doch großzügig bemessen – und auch diese neigte sich

Anfang der 2000er Jahre dem Ende zu, sodass der damalige Bischof Joachim Vobbe bei einer

Bistumssynode bemerkte, das Eucharistiebuch sei ein echter Bestseller; es habe den

Bistumsbedarf bereits mehr als um das sechsfache überschritten.

1.1.2 Die überarbeitete und erweiterte Auflage 2006

Eine unveränderte dritte Auflage wollte man dann aber nicht, sondern die Liturgische

Kommission sah die Zeit gekommen, das Eucharistiebuch zu überarbeiten und auch zu

erweitern. Überarbeitet wurden die Präfationen hinsichtlich der Kantillation37 und einiger

Formulierungen38, weiter die Eucharistiegebete – auch da wurden geringfügige

36

Im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind es „Alle Menschen, höret auf dies neue Lied“ (ES 232) und „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (ES 611), im Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz sind es überdies noch das Abendlied „Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht“ (CG 322), das Lied „Gottes Regenbogen seht, halleluja“ (CG 419) sowie zwei zusätzliche Strophen für das Osterlied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ (CG 663,5-6). 37

Die Liturgische Kommission wurde hier durch Erwin Bücken SJ beraten (vgl. Impressum zum Eucharistiebuch 2006). 38

Weihnachten I, 1995: „Denn er, dein ewiges Wort, wurde Mensch“, 2006: „Denn dein ewiges Wort wurde Mensch.“ Vom Leiden des Herrn I, 1995: „Er ist für alle gestorben…“, 2006: „Er ist für uns alle gestorben…“ Vom guten Hirten, 1995: In seiner Auferstehung hast du die Macht des Todes bezwungen…“, 2006: „In seiner Auferstehung hast du die Macht des Todes gebrochen…“ Himmelfahrt, 1995: „…und auch wir stimmen ein in den Lobgesang der Engel und Vollendeten“, 2006: „Auch wir stimmen ein…“ 1995: „Dreieinigkeit“, 2006: „Dreifaltigkeit“. 1995: „Danktag für die Eucharistie“, 2006: „Danktag für die Eucharistie – Fronleichnam“. In der gleichen Präfation: 1995: „Du hast ihn zum Haupt einer neuen Menschheit gemacht“, 2006: „Du hast ihn zum Haupt einer neuen Schöpfung gemacht“. 1995: „Wir aber sind Glieder seines Leibes…“, 2006: „In ihm sind wir alle ein Leib…“ 1995: „…wir brechen das Brot und teilen den Becher“, 2006: „…wir brechen das Brot und trinken aus dem einen Kelch“. 1995: „So feiern wir sein Gedächtnis zu deiner Ehre und singen…“, 2006: „So feiern wir sein Gedächtnis und singen…“ 1995: „…das Loblied deiner Herrlichkeit“, 2006: „…das Lob deiner Herrlichkeit“ Letzte Sonntage des Kirchenjahres, 1995: „…dich zu preisen, Gott, unsern Vater“, 2006: „…dich zu preisen, Gott, unser Vater“. 1995: „…damit er dir ein Reich übergebe, ewig und allumfassend: das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“, 2006: „„…damit er dir ein Reich übergebe, ewig und allumfassend: das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Lebens“. 1995: „Darum singen wir mit allen Engeln und Heiligen voller Freude“, 2006: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen, die ohne Ende rufen“. Allgemeine

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Textkorrekturen angebracht39, es wurden aber auch Eingriffe aus theologischen und

strukturellen Gründen vorgenommen40; das Eucharistiegebet I wurde sogar völlig neu

Präfation IV, 1995: „der für uns alle gestorben ist, damit wir bei dir in Ewigkeit leben“, 2006: „der für uns alle gestorben ist, damit wir in Ewigkeit leben“. Allgemeine Präfation V, 1995: „Heute begleitest du die Kirche in der Kraft deines Geistes“, 2006: „Heute begleitest du auch die Kirche in der Kraft deines Geistes“. Glaubenszeugen, 1995: „Martyrer“, 2006: „Märtyrer“. Jahreswechsel und Jubiläen: „Wir danken dir, dass du uns in Güte durch die Jahres geleitet hast und du uns immer wieder neu aufnimmst in die Gemeinschaft deiner Liebe durch unsern Herrn Jesus Christus“, 2006: „Wir danken dir, denn in Güte hast du uns durch die Jahre geleitet. Du erneuerst immer wieder deinen Bund der Liebe mit uns durch unsern Herrn Jesus Christus“. Ehe, 1995: „…dich, unsern Vater, zu preisen“, 2006: „…dich, den allmächtigen Vater, zu preisen“. 1995: „…das Geschenk der Liebe“, 2006: „das Geschenk deiner Liebe“. 1995: „…und verheißest ihrem Bund deinen Segen“, 2006: „…und verheißt ihrem Bund deinen Segen“. 39

Eucharistiegebet (EG) II, Abschluss, 1995: „…durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn und mit ihm und in ihm…“, 2006: „…durch Jesus, deinen Christus. A Durch ihn und mit ihm und in ihm…“ EG III, 1995: „…mit unserem Bischof N und Erzbischof N…“, 2006: „…mit Erzbischof N und unserem Bischof N…“ EG IV, 1995: „Du hast uns Menschen nach deinem Bild erschaffen“, 2006: „Uns Menschen hast du nach deinem Bild erschaffen“. EG VI, 1995: „Wir preisen dich, Gott, heiliger Vater“, 2006: „Wir preisen dich, heiliger Vater“. 1995: „…die Botschaft des Heiles verkündet“, 2006: „…die Botschaft vom Heil verkündet“. 1995: „…deinen Geist geschenkt, dass er das Heilswerk deines Sohnes unter uns weiterführe und vollende“, 2006: „…deinen Geist geschenkt. Er führt das Heilswerk deines Sohnes unter uns weiter bis zur Vollendung“. 1995: „…er nahm Brot…“, 2006: „…er nahm das Brot…“ EG VII, 1995: „…dich verherrlichen durch Christus, unsern Herrn“, 2006: „…durch Christus, unsern Retter und Erlöser“. EG VIII, 1995: „Er nahm am Abend vor seinem Leiden…“, 2006: „Am Abend vor seinem Leiden nahm er Brot…“. EG X, 1995: „Dein Geist erwecke aus diesen irdischen Gaben, dem Brot und dem Wein, deine unsterbliche Gabe an uns, die Erfüllung aller Hoffnung, die Zuflucht der Schuldigen, das Heil der Kranken, die Auferstehung der Toten: unseren Herrn Jesus Christus“, 2006: „Dein Geist erwecke aus diesen irdischen Gaben, dem Brot und dem Wein, deine unsterbliche Gabe an uns, die Zuflucht der Schuldigen, das Heil der Kranken, die Auferstehung der Toten, die Erfüllung aller Hoffnung, unseren Herrn Jesus Christus“. EG XI, 1995: „…denn du hast uns zum Leben gerufen und willst unser Glück in Jesus, deinem Sohn“, 2006: „…denn du hast uns zum Leben gerufen und du willst unser Heil in Jesus, deinem Sohn“. 1995: „Sooft wir essen von diesem Brot…“, 2006: „Geheimnis des Glaubens…“. 1995: „Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe und gib uns Vertrauen, dass wir einander näher kommen und uns immer besser verstehen. So bitten wir dich, Vater, für deine Kirche…“, 2006: „Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe. Wir, die wir teilhaben an dem einen Brot und dem einen Kelch, bitten dich, Vater, für deine Kirche…“. 1995: „…durch Jesus, deinen Sohn.“ 2006: „…durch Jesus, deinen Christus.“ EG XIII, 1995: „…durch Christus, unsern Herrn.“ 2006: „…durch Jesus, deinen Christus.“ EG XIV, 1995: „Doch du hast uns zu Größerem geschaffen…“, 2006: „Doch du hast uns zu noch Größerem geschaffen…“. 1995: „lebendige Steine“, 2006: „Lebendige Bausteine“. EG XV, 1995: „…nicht Leid und Wehschrei und Not.“ 2006: „…nicht Leid und Wehklage und Not“. EG XVII, 1995: „Gott, unser Vater, weil wir Menschen uns von dir abgewandt hatten, hast du uns durch deinen Sohn, den guten Hirten, zurückgeholt.“ 2006: „Gott, unser Vater, wir Menschen haben uns von dir abgewandt; doch du hast uns durch deinen Sohn, den guten Hirten, zurückgeholt.“ 1995: „…brach das Brot…“, 2006: „…brach es…“. 1995: „…aller Schichten und Gruppen“, 2006: „…aller gesellschaftlichen Schichten und Gruppen“. EG XXIII, 1995: „Erwecke uns am Ende der Zeiten, wenn er kommt und alles neu macht, dann schenke uns (zusammen mit N und) mit allen, die uns vorangegangen sind, das nie endende Leben in deiner Herrlichkeit.“ 2006: „Erwecke uns am Ende der Zeiten, wenn er kommt und alles neu macht, und schenke uns (zusammen mit N und) mit allen, die uns vorangegangen sind…“ 40

EG XIX, 1995: „Lass uns in der Gemeinschaft deines Tisches zu Zeugen deiner Liebe werden. Erwecke deine Kirche zu neuem Leben…“, 2006: „Lass uns in der Gemeinschaft deines Tisches zu Zeugen deiner Liebe werden, gemeinsam mit unserem Bischof N, der Gemeinschaft der Bischöfe, allen Frauen und Männern im apostolischen Dienst und mit deinem ganzen Volk auf Erden. Erwecke deine Kirche zu neuem Leben…“. EG XX, 1995: „Sende auf uns und diese Gaben deinen heiligen, lebenspendenden Geist.“ 2006: „Sende auf diese Gaben von Brot und Wein deinen heiligen, lebenspendenden Geist.“ EG XXI, 1995: „Guter Gott, wir danken dir für Jesus, der in deinem Namen gekommen ist…“, 2006: „Guter Gott, wir danken dir für Jesus Christus, der in deinem Namen gekommen ist…“. EG XXII, 1995: „Bis er wiederkommt, feiern wir das Gedächtnis deines Sohnes. Du hast sein Opfer angenommen. Wir bitten dich: Nimm auch uns an mit allem, was wir dir bringen. Jesus hat sein Leben hingegeben…“, 2006: „Bis er wiederkommt, feiern wir das Gedächtnis deines Sohnes. Jesus hat sein Leben hingegeben …“. 1995: „Mach uns durch deinen Heiligen Geist zu einer Gemeinschaft von

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bearbeitet. Zu den Erweiterungen zählen eine zusätzliche Fassung des Osterlobs41, Texte für

die Gabenbereitung42, eine weitere Präfation für den Gründonnerstag43, eine Auswahl von

Präsidialgebeten für die Eucharistiefeier an Wochentagen im Jahreskreis44 sowie die

Einfügung von Rubriken. Rubriken gab es von Anfang an in den alt-katholischen liturgischen

Büchern; lediglich im Eucharistiebuch 1995 sind sie nicht oder, besser gesagt, nur in

Einzelfällen vorhanden. Stattdessen gab es allerdings in der vorausgehenden, bereits

erwähnten Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“ einige wenige, aber wichtige

Hinweise45. Für die überarbeitete und erweiterte dritte Auflage des Eucharistiebuchs wurde

der Versuch unternommen, die Feier so zu beschreiben, dass genügend Raum für die

konkrete Gestaltung vor Ort bleibt; lediglich Grundzüge sind beschrieben. Leitend waren

dafür mehrere Gründe: Zum einen wird so ein Buch, wie sich herausgestellt hat, nicht nur für

den eigenen Gebrauch geschaffen; es ist vielmehr auch für Außenstehende eine offizielle

Darstellung des Gottesdienstes, so wie er in unseren Gemeinden gefeiert wird46. Zum

anderen haben wir in unserem Bistum doch eine relativ starke Fluktuation: Priester kommen

und gehen, nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche. Damit alle hineinfinden in

unsere gewachsene Art Gottesdienst zu feiern und zum Zeichen der Gemeinschaft unter den

Gemeinden des Bistums, die ja schon deshalb notwendig ist, weil Gemeindemitglieder von

einer in die andere Gemeinde wechseln oder besuchsweise an Gottesdiensten anderer

Gemeinden teilnehmen und sich dann auch zurechtfinden sollen, sind in der gebotenen

Zurückhaltung Rubriken notwendig – sie verstehen sich mehr als Hilfe und Unterstützung

denn als Gängelung.

Auch das Eucharistiebuch 2006 ist mit einem Namen verbunden: Joachim Vobbe (1947-

2017)47. Zwar oblag die Arbeit daran wie bei den Vorläuferbüchern der Liturgischen

Kommission, doch nahm Joachim Vobbe als damaliger Bischof großen Einfluss auf deren

Entscheidungen. 1977 kam er ins Bistum, war dann zunächst Pfarrer in Blumberg-

Kommingen und danach in Offenbach am Main, wo er viele Jahre auch Dekan des Dekanats

Hessen war. Im November 1994 wurde er in Koblenz zum neunten Bischof unseres Bistums

Schwestern und Brüdern, wenn wir den Leib und das Blut deines Sohnes empfangen, das eine Brot und den einen Kelch.“ 2006: „Wir bitten dich: Sende deinen lebenspendenden Geist auf diese Gaben herab und heilige sie uns zum Leib und zum Blut deines Sohnes. Wenn wir das eine Brot und den einen Kelch empfangen, verbinde uns zu einer Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern.“ 1995: „Gib uns durch dieses heilige Mahl die Kraft, nach deinem Willen zu leben. Lass uns mit den Gaben der Erde, aus denen Brot und Wein für das heilige Mahl genommen sind, in Ehrfurcht und Verantwortung umgehen. Lass uns mithelfen, dass Gerechtigkeit und Frieden unter uns wachsen. Lass uns einst mit allen, die an dich glauben, für immer bei dir sein…“ 2006: „Gib uns durch dieses heilige Mahl die Kraft, nach deinem Willen zu leben. Lass uns einst mit allen, die an dich glauben, für immer bei dir sein….“ 41

Eucharistiebuch 2006, S. 102-114 (= Osterlob I). 42

Ebd. S. 194f. 43

Ebd., S. 228f (= Gründonnerstag I). 44

Ebd., S. 581-598. 45

Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 9-12. 46

Seit seinem Erscheinen ist das Eucharistiebuch 1995 immer wieder Gegenstand liturgiewissenschaftlicher Untersuchungen inner- und außerhalb der alt-katholischen Kirchen gewesen. 47

Biographisches ausführlich in: Angela Berlis/Matthias Ring (Hrsg.), Im Himmel Anker werfen. Vermutungen über Kirche in der Zukunft. FS für Bischof Joachim Vobbe, Bonn 2007, XII - XIV. Joachim Vobbe ist am 26.07.2017 in Königswinter bei Bonn verstorben.

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gewählt, im März 1995 trat er mit der Bischofsweihe sein Amt an, das er bis zu seiner

Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen 2010 innehatte. Auch Joachim Vobbe war ein

vielseitig begabter Mensch, auch ihm verdanken wir einige Lieder in unserem Gesangbuch48.

In einem Fall hat er sich sogar als Melodieschöpfer versucht49. Außerdem verdanken wir ihm

die Texte einiger Eucharistiegebete50.

1.1.3 Die Altarbücher 1888 und 1959

Das Eucharistiebuch 1995 und seine weiteren Auflagen sind in der Tradition zweier

vorausgehender Altarbücher zu sehen. 1888 erschien mit dem Altarbuch „Das Heilige Amt

auf die Feste und Zeiten des Jahres“51 erstmals seit rund tausend Jahren ein nichtlateinisches

katholisches Missale. Die darin verwendeten Texte wurden bereits drei Jahre vorher

veröffentlicht: in einem kleinen, handlichen Buch, das den Titel „Liturgisches Gebetbuch“52

trug. Das zweite Altarbuch in der Geschichte des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in

Deutschland kam 1959 unter dem Titel „Altarbuch für die Feier der heiligen Eucharistie im

Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“ heraus53.

1.1.3.1 Das Altarbuch 1888

Obwohl auch diese Bücher von einer Kommission erarbeitet wurden, sind sie wie ihre

Nachfolger mit jeweils einem Namen verbunden. Beim ersten ist das Adolf Thürlings, der

damals Pfarrer in Kempten war und der auf der 7. Bistumssynode (1881) den Antrag gestellt

hatte, ein allgemeines Gebetbuch mit Formularen eines Morgen- und Abendgebets sowie

der Messe für die verschiedenen Zeiten und Feste des Kirchenjahres herauszugeben und mit

der Arbeit daran eine fünfköpfige Kommission zu beauftragen54. Der Antrag fand die

Zustimmung der Synodalen, und so konnte die von der Synode eingesetzte Kommission drei

Jahre später, 1884, der Synodalrepräsentanz (SR) einen Entwurf vorlegen, der dann auch

48

„Hört, es singen Engelszungen neue Botschaft durch die Nacht“ (ES 334); Weitere Strophen zur Popule-meus-Übertragung „O Du mein Volk, was tat ich dir“ (ES 389,8-10); „Lobt den Herrn, ihr Himmel droben“ – gemeinsam mit Thaddäus A. Schnitker (ES 594); „In deiner Schöpfung birgt sich dein Gesicht“ (ES 636); „Du Sehnsucht, Gottes Schöpfersaat“ (ES 997). 49

„Das Kreuz baut uns ein Vaterhaus“ – ein Text von Joseph Hubert Reinkens (ES 375). 50

Vor seiner Amtszeit als Bischof war Joachim Vobbe lange Zeit Mitglied der Liturgischen Kommission. Aus dieser Zeit stammen die Eucharistiegebete X, XII, XIV des Eucharistiebuchs 1995/2006. 51

Bonn 1888, im Eigenverlag des Bistums. Im Folgenden „Altarbuch 1888“ genannt. 52

Liturgisches Gebetbuch. Nebst einem Liederbuche als Anhang. Mannheim (Verlag von Tobias Löffler) 1885, im Folgenden „Liturgisches Gebetbuch“ genannt. 53

Altarbuch für die Feier der heiligen Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, hrsg. im Auftrag des Bischofs von der Liturgischen Kommission, Bonn (im Verlage des Bistums) 1959, im Folgenden „Altarbuch 1959“ genannt. 54

Schulte (s.o. Anm. 8), S. 610. Außer Thürlings arbeiteten in der Kommission mit: Pfarrer Bauer aus Mannheim, Pfarrer Dr. Watterich aus Baden-Baden, Rechtsanwalt Dr. Stephan aus Worms und Kaufmann K. Zohlen aus Krefeld.

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genehmigt wurde55; die 9. Bistumssynode (1885) hat den entsprechenden Beschluss der SR

bestätigt56. Rechtlich lag damit jedoch noch keine vollständige deutsche Eucharistieliturgie

vor. Das Gebetbuch durfte zwar gedruckt werden, sein Gebrauch in den Gemeinden war

aber nur „empfohlen“57, und zwar deshalb, weil die Verwendung der deutschen Sprache

noch nicht für alle Teile der Messliturgie gestattet war. Dies geschah erst durch den

Beschluss der 10. Bistumssynode (1887), ein Altarbuch herauszugeben und ihm die Texte des

Liturgischen Gebetbuchs zugrunde zu legen, sowie durch die Annahme des daraufhin von

Thürlings vorgelegten Buches58.

Bemerkenswert ist, dass sich das Altarbuch 1888 in einem entscheidenden Punkt vom

Liturgischen Gebetbuch unterscheidet: Während das Liturgische Gebetbuch als Rollenbuch

für die Gemeinde konzipiert ist, soll das Altarbuch als Rollenbuch für den Bischof bzw. den

Priester dienen. Erkenntlich wird das zum Beispiel an der Notensetzung: Im Altarbuch sind

die dem Priester zugeordneten Texte in Noten gesetzt, während der Text für die Gemeinde

ohne Noten erscheint, im Liturgischen Gebetbuch ist dies genau umgekehrt59. 1890 erschien

mit dem „Chor- und Vorsängerbuch zu den Gesängen des liturgischen Gebetbuchs“60 ein

weiteres Rollenbuch, und auch das von der SR in Auftrag gegebene Orgelbuch, ebenfalls

1890 erschienen, darf dieser Konzeption zugerechnet werden61.

Adolf Thürlings62 war nicht nur liturgisch bewandert, sondern auch musikalisch; seine

Dissertation hat er während der Kemptener Zeit (1877) über ein musikwissenschaftliches

Thema geschrieben63. Das Liturgische Gebetbuch enthält deshalb auch über den Auftrag der

Synode hinaus einen Anhang mit dem Titel „Liederbuch vom Reiche Gottes“. Für Thürlings

stellte es eine notwendige Ergänzung zur Gestaltung der Eucharistiefeier dar64. Noch ein

zweites Gebet- und Gesangbuch ist mit dem Namen Thürlings verbunden65, das in seinen

55

Der Beschluss ist u.a. veröffentlicht anstelle eines Vorworts zum Liturgischen Gebetbuch. 56

Wortlaut des Beschlusses bei Schulte, S. 610. 57

Beschluss der altkatholischen Synodal-Repräsentanz vom 1. September 1884, Ziffer 2 (s.o. Anm. 55). 58

Vorwort der Synodalrepräsentanz im Altarbuch 1888. 59

So etwa beim damals noch üblichen liturgischen Gruß vor dem Gebet des Tages, bei Thürlings „Kirchengebet“, genannt: Altarbuch 1888, S. 21. Vgl. dazu Liturgisches Gebetbuch, S. 111. 60

Bonn, im Selbstverlage der Synodalrepräsentanz, 1890. 61

Melodien- und Orgelbuch in 3 Teilen, Bonn, im Selbstverlage der Synodalrepräsentanz, 1890. Band 1 enthält Begleitsätze für das Kyriale, Band 2 für das Antiphonale zu den Tagzeiten und Band 3 für das Liederbuch vom Reiche Gottes – vgl. S. Kraft, Adolf Thürlings – ein Wegbereiter der Liturgiewissenschaft und der Erneuerung des Gemeindegottesdienstes, in: Ders., Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 31-69, hier: S. 58. Zum Liederbuch vom Reiche Gottes s.u. S. 10. 62

Biographisches bei Urs Küry, Die Alt-Katholische Kirche, S. 509f, Angela Berlis, Frauen im Prozess der Kirchwerdung. Eine historisch-theologische Studie zur Anfangsphase des deutschen Altkatholizismus 1850-1890 (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 6), Frankfurt am Main (Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften) 1998, S. 294, Anm. 282, und Sigisbert Kraft, Gemeindegesang (s.o. Anm. 35), S. 55f sowie Ders., Adolf Thürlings (s.o. Anm. 61), S. 33-37 und 67. 63

Kraft, Gemeindegesang (s.o. Anm. 35), S. 55. Das Thema der Arbeit lautet: „Die beiden Tongeschlechter und die neuere musikalische Theorie“. 64 Adolf Thürlings, das neue liturgische Gebetbuch nebst Anhang, in: Deutscher Merkur 16 (1885), 12 (21. März 1885), S. 90-92; 15 (11. April 1885), S. 117-118; 16 (18. April 1885), S. 125-127; 17 (25. April 1885), S. 133-134; 18 (2. Mai 1885), S. 139-141, erschienen auch als Sonderdruck, München 1885. 65

Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Vierte, mit dem umgearbeiteten Gesangbuch verbundene Auflage. Solothurn (Druck und Verlag von Gaßmann, Sohn) 1893.

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Schweizer Jahren entstand. Diese hatten 1887 mit dem Ruf an die christkatholische Fakultät

der Universität Bern begonnen; Thürlings war dort für systematische Theologie (Dogmatik

und Ethik) zuständig, hat aber auch Vorlesungen über liturgische und kirchenmusikalische

Themen gehalten.

Das Altarbuch 1888 (resp. das Liturgische Gebetbuch 1885) enthält im vorderen Teil die

Eigentexte für die Sonn- und Festtage der Advents- und Weihnachtszeit, der Sonntage nach

dem Feste der Erscheinung des Herrn und der Sonntage Septuagesima, Sexagesima,

Quinquagesima, des Aschermittwochs und der Sonntage der Fastenzeit, des

Passionssonntags, des Palmsonntags sowie des Gründonnerstags und Karfreitags. Den

Abschluss dieses Teils bildet die Feier der Osternacht. Dann folgen zunächst die erste und

zweite Ordnung des Hohen Amtes66, und erst dann geht es weiter mit den Eigenfeiern der

Ostersonntage, des Himmelfahrtsfestes und des Sonntags danach, des Pfingstsonn- und

montags sowie des Festes der heiligen Dreifaltigkeit. Schließlich folgen die Sonntage nach

Pfingsten sowie weitere Feste wie das „Tempelfest unseres Herrn“ (2. Februar),

Fronleichnam, Johannes der Täufer, Peter und Paul. Auch Formulare für bestimmte Anlässe

wie Eröffnungsfeierlichkeiten, Dankfeste, Einsegnung einer Ehe usw. sind angefügt.

Hinsichtlich der Wochentage ist geregelt: „Die für den Sonntag vorgeschriebenen Gesänge

und Gebete gelten auch für die darauffolgenden Wochentage, falls nichts anderes bemerkt

ist“67.

In einem kritischen Rückblick über die Entstehung des Altarbuchs 1888 (resp. des

Liturgischen Gebetbuchs 1885) hat Kurt Pursch Aufschluss über die Rolle Thürlings‘

gegeben68. „Sein Hauptverdienst liegt in der musikalischen Gestaltung des Antiphonars und

des Ordinariums nach deutschen Texten innerhalb der Eucharistiefeier (…)69. Die Präfationen

sind – leicht überarbeitet – in Kantillation und Text aus einer Veröffentlichung des

Mannheimer Stadtpfarrers Friedrich Bauer übernommen, ebenso die Akklamationen zu den

Präfationen70. „Die (…) neue Messordnung (…) geht in der überlieferten Fassung

hauptsächlich auf Thürlings zurück“71. Ins Auge fallen hier vor allem die Bearbeitung der

Offertoriumsgebete und des Kanon. Denn gerade diesbezüglich mussten theologisch

fragwürdige Aussagen korrigiert werden, insbesondere solche, die die damals landläufige

Auffassung, die Eucharistiefeier sei eine unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu72,

66

Ausdrücklich beziffert ist nur die zweite Ordnung des Hohen Amtes, die erste wird lediglich „Ordnung des Hohen Amtes“ überschrieben. 67

Altarbuch 1888, S. 1. 68

Kurt Pursch, Zur Neuordnung des eucharistischen Hochgebetes, in: IKZ 58 (1968), S. 251-269 (= I. Teil) und IKZ 59 (1969), S. 1-33 (= II. Teil). Hier: Neuordnung I, S. 255-268. 69

Ebd. S. 256. 70

Ebd. S. 261. Bauer war auch Mitglied der fünfköpfigen Kommission, die die Vorlage für das Liturgische Gebetbuch erarbeitet hat – s.o. Fußnote 54. 71

Ebd. S. 262. 72

Vgl. z.B. die Einleitung „Kurze Lehre von der heiligen Messe“ in: Das Messbuch der Kirche (Missale Romanum), lateinisch und deutsch mit liturgischen Erklärungen. Für die Laien bearbeitet von P. Anselm Schott aus der Beuroner Benediktiner-Kongregation. Zwanzigste Auflage, Freiburg im Breisgau (Herdersche Buchhandlung) 1918, IX.

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zu begünstigen schienen. Schon bei den Bonner Unionsgesprächen hatte man 1874

formuliert:

„Die eucharistische Feier in der Kirche ist nicht eine fortwährende Wiederholung oder

Erneuerung des Sühnopfers, welches Christus ein- für allemal am Kreuze dargebracht hat;

aber ihr Opfercharakter besteht darin, dass sie das bleibende Gedächtnis desselben ist

und eine auf Erden stattfindende Darstellung und Vergegenwärtigung jener Einen

Darbringung Christi für das Heil der erlösten Menschheit, welche nach Hebr 9,11.12

fortwährend im Himmel von Christus geleistet wird, indem er jetzt in der Gegenwart

Gottes für uns erscheint (Hebr 9,24). Indem dies der Charakter der Eucharistie bezüglich

des Opfers Christi ist, ist sie zugleich ein geheiligtes Opfermahl, in welchem die den Leib

und das Blut des Herrn empfangenden Gläubigen Gemeinschaft mit einander haben (1

Kor 10,17).“73

Dem galt es nun Rechnung zu tragen. Das Problem dabei war, dass Papst Pius V., der die

sogenannte „tridentinische Messfeier“ aufgrund der Reformanweisungen des

Tridentinischen Konzils 1570 in Kraft gesetzt hatte, diese als unabänderlich bezeichnet hatte,

weil sie der Einheit in der römischen Kirche dienen sollte74. Vor allem der Kanon wurde

deshalb als heiliger Text angesehen. Folglich hielt man sich bei allem Reformeifer, den die

Alt-Katholiken der ersten Jahre an den Tag gelegt hatten, bei der Eucharistiefeier deutlich

zurück, wollte man doch die Katholizität nicht in Frage stellen – sie einzubüßen hätte

bedeutet, als Sekte angesehen zu werden. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich der

Prozess hin zu einem eigenen Missale als eine langwierige und komplizierte Angelegenheit75.

1.1.3.2 Das Altarbuch 1959

Mit dem zweiten Vorläufer unseres Eucharistiebuchs, das ebenfalls von einer kleinen

Kommission erarbeitet wurde76, verbindet sich der Name Kurt Pursch (1914-1991). Kurt

Pursch war damals Pfarrer in Bottrop; später ging er als Pfarrer nach Bonn, wo er auch für

das Bischöfliche Seminar verantwortlich war, als Liturgiedozent wirkte und den Vorsitz der

Liturgischen Kommission übernommen hatte. Notwendig geworden war ein neues Altarbuch

aus vielerlei Gründen. Aufschluss darüber gibt ein „Bericht über die 3. internationale

Studientagung altkatholischer Theologen in Solothurn vom 4.-10. Oktober 1954“77.

Revisionsbedarf wurde demnach hinsichtlich der Gesangstexte des Propriums (Introitus,

73

Bericht über die 1874 und 1875 zu Bonn gehaltenen Unions-Conferenzen. Herausgegeben von Heinrich Reusch. Nachdruck der Ausgabe in zwei Bänden von 1874 und 1875 mit einer Einführung von Günter Eßer (Geschichte und Theologie des Alt-Katholizismus, Reihe A: Quellen, Band 2), Bonn 2002, S. 47. 74

Hans Bernhard Meyer, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4), Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 1989, 262-264. 75

Sehr gut dargestellt, wenn auch nur für die Anfänge dieses Prozesses, findet sich diese in einer Seminararbeit des heute in Heidelberg lebenden Alt-Katholiken Ewald Keßler. Siehe oben Anm. 8. 76

Ihr gehörten an: Bischof Johannes Josef Demmel, Prof. Dr. Werner Küppers sowie die Pfarrer Gustav Hüdig, Fritz Kraeling und Kurt Pursch. Vgl. Altarbuch 1959, S. 256. 77

Vgl. den gleichlautenden Artikel von Otto Strub in der IKZ 45 (1955), S, 65-76.

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Graduale, Halleluja, Offertorium,Communio), der Messperikopen (Leseordnung), des

Stufengebets, der Oratio fidelium (Fürbitten), der Offertoriumsgebete, der Präfation, der

Einsetzungsworte, des eschatologischen Ausblicks (im Eucharistiegebet) und der Epiklese

festgestellt78. Im Blick auf ein neu zu schaffendes Altarbuch der deutschen Kirche bestätigt

Kurt Pursch vieles davon, mahnt aber grundsätzlich an, „die Tradition des Abendlandes zu

wahren und nicht mehr als unbedingt nötig die Kontinuität dieser abendländischen

Überlieferung aufzuheben“79. Vor allem der „Kanon“ (das Eucharistiegebet) sei „am besten

so zu belassen, wie er zur Zeit Gregors des Großen gestaltet wurde“80. Pursch hatte deshalb

seine Schwierigkeiten mit der von Thürlings vorgelegten Bearbeitung für das Altarbuch

188881. Dass die „Ordnung des Hohen Amtes“82 als „Erste Ordnung der hl. Messe“83 fast

unverändert ins Altarbuch 1959 übernommen worden war, sei „außerhalb der

Verantwortung der Liturgischen Kommission“ geschehen84.

Purschs Arbeit war, wie einem Aufsatz Sigisbert Krafts zu entnehmen ist, beeinflusst von

Erfahrungen aus der pastoralliturgischen Bewegung von Pius Parsch und von Erkenntnissen

aus Jungmanns „Missarium Sollemnia“85. Pursch selbst erwähnt in seinem Schrifttum auch

Gottlieb Söhngen und Odo Casel86. Kraft bescheinigt ihm, dass das Altarbuch 1959 auch in

römisch-katholischen Kreisen große Beachtung fand87. Vor allem nach der Einberufung des 2.

Vaticanums und der dort erwarteten Liturgiereform sei das Buch für eine Reihe von

deutschen Konzilsvätern als hilfreiches Beispiel für die Feier der katholischen Liturgie in

deutscher Sprache erschienen. Innerhalb des Bistums aber war dem Altarbuch 1959 das

Schicksal beschieden, gegen den „alten Thürlings“ nicht anzukommen88. Trotz bischöflicher

Verordnung wurde es in einer ganzen Reihe von Gemeinden nicht eingeführt. Lediglich aus

der römischen Kirche kommende Priester erkannten darin ein echtes Reformwerk und

benutzten es in ihren Gemeinden, jedoch oft gegen den Willen der Gemeindemitglieder.

1.2 Feier in Gemeinschaft

1.2.1 Verschiedene Rollen und Dienste

Schlägt man im Eucharistiebuch 2006 das Kapitel „Die Ordnung der Heiligen Eucharistie“ auf,

findet man als erstes eine Legende der darin verwendeten Abkürzungen. Aus ihnen wird

78

Ebd. S. 75f. 79

Ebd. S. 70. 80

Ebd. S. 71. 81

K. Pursch, Neuordnung I (s.o. Anm. 68), S. 264-268. 82

Liturgisches Gebetbuch, S. 95-133. 83

Altarbuch 1959, S. 84-93. 84

K. Pursch, Neuordnung I, S. 268. 85

S. Kraft, Erneuerung (s.o. Anm. 19), S. 71-84. Hier: S. 74. 86

Kurt Pursch, Die Probleme des Offertoriums und Versuche zu ihrer Lösung, in: IKZ 46 (1956), 1-27 und 105-130. Hier S. 8, 18. 87

Ebd. (s. Anm. 19). 88

Sigisbert Kraft, Grundsätze und Ziele altkatholischer Liturgiereform, in: Ders. Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 20.

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deutlich: Neben dem Priester oder der Priesterin als Leiter oder als Leiterin der

Eucharistiefeier sind noch weitere Diensttuende beteiligt. Für uns heute ist dies eine

Selbstverständlichkeit. Aber das war es nicht immer. Schon die Vorläufer der sogenannten

Tridentinischen Messe kannten als Träger der Feier nur noch den geweihten Amtsträger.

Fast hundert Jahre, bevor die Liturgiereform des 2. Vaticanums im Blick auf die altkirchliche

Praxis anderes regelte, waren in der Eucharistieliturgie des deutschen alt-katholischen

Bistums schon die Mitwirkung eines Diakons, eines Chores, eines Vorsängers (der u.U. auch

anstelle des Chores treten konnte) und eines Vorlesers vorgesehen89. Dabei ist genau

angegeben, wem welche Aufgabe zukommt und wer diese übernimmt, wenn die

vorgesehene Person nicht anwesend ist.

Auch der Gemeinde kommen erstmals seit der Jahrtausendwende wieder liturgische Parts

zu. Damit dies möglich wird, hat Thürlings eigens die Gesänge des Kyrie, Glorias, Credos,

Sanctus und Agnus Dei ins Deutsche übertragen und mit gängigen Choralmelodien versehen.

Alternativ verweist er auf die entsprechenden Liedparaphrasen im „Liederbuch vom Reiche

Gottes“, das dem Liturgischen Gebetbuch angehängt ist. Beim Introitus soll die Gemeinde

die vorgesehenen Psalmverse singen, während die Antiphon Aufgabe des Chores ist90.

Geregelt ist überdies, dass bei festlichen Gottesdiensten, in denen der Chor die

Ordinariumsgesänge übernimmt, der Gemeinde die übrigen Gesänge zustehen91. Diese

sollen durch auf den Tag abgestimmte Lieder oder Liedstrophen ersetzt werden.

1.2.2 Stellenwert der liturgischen Gesänge

Aus der Konzeption des Liturgischen Gebetbuchs als Rollenbuch für die Gemeinde wird auch

der Stellenwert der liturgischen Gesänge deutlich. In erster Linie sollen dazu die

Originaltexte verwendet werden. Thürlings hat deshalb nicht nur eine Gloria-Vertonung

erarbeitet, sondern vier. Für die Gesänge des Sanctus und des Agnus Dei hält er jeweils drei

Versionen bereit. Damit ist für eine gewisse Abwechslung gesorgt, wenn auch nur in

musikalischer Hinsicht und im Blick auf die verschiedenen Zeiten des liturgischen Jahres92.

Kyrie und Credo gibt es dagegen lediglich in einer Vertonung. Über die Liedparaphrasen

äußert sich Thürlings in einem Aufsatz über das neue liturgische Gebetbuch nebst Anhang93.

Entstanden seien diese letztlich aus dem „Protest“ und der „Reaktion“ gegen die

„Romanisierung der abendländisch-katholischen Liturgie“, in der dem „deutsche[n]

katholische[n] Volk (…) die Beteiligung an der Liturgie des Priesters durch die

89

Vgl. die Hinweise im Liturgischen Gebetbuch S. 111 und 137f. 90

Liturgisches Gebetbuch, S. 96. Jedes Formular enthält für den Eingang die vorgesehenen Psalmverse unter Angabe des Psalmtons, in dem sie zu singen sind. Ein Verzeichnis der acht Kirchentöne ist an entsprechender Stelle der Ordnung des Hohen Amtes aufgeführt (ebd. S. 96-98). 91

Ebd. S. 137f. 92

Beim Gloria liegen Melodieversionen vor für die Zeit von Weihnachten bis zum Feste der Erscheinung des Herrn, für die österliche Zeit, für andere Feiertage und für Lob- und Dankämter das Jahr hindurch sowie für die Sonntage das Jahr hindurch. Beim Sanctus und Agnus Dei werden jeweils nur drei Versionen angeboten, wobei die Versionen für die Weihnachts- und die österliche Zeit in eine zusammengefasst sind. 93

Siehe oben, Anm. 64. Im Folgenden wird aus dem Sonderdruck (Sdr.) zitiert.

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Verschiedenheit der Sprache zu sehr beschnitten wurde“94. „Wenn nur einmal jemand sich

die Muße nehmen wollte, diesen kolossalen Wust von Litteratur95 nach seinen Beziehungen

zur offiziellen römischen Liturgie und zu den Arbeiten und Entscheidungen der Sacra

Congregatio Rituum zu sichten und wissenschaftlich zu gruppieren! Man würde über die

Resultate staunen!“96 Thürlings kritisiert hier u.a. jene Lieder, die so etwas wie gesungene

Messandachten97 darstellen. Solche Lieder wurden in der herkömmlichen Liturgie „zum

Gloria“, „zum Credo“ und „zum Sanctus“ gesungen, ja es gab sogar welche, die während des

Eucharistiegebets gesungen wurden, weil dieses vom Priester in Stille zu beten war.

Bekannte Beispiele sind die Schubert- und die Haydn-Messe. Thürlings plädiert dafür, statt

„zum Gloria“ besser „das Gloria“ zu singen und analog mit dem Credo und Sanctus zu

verfahren98. Die von ihm in Fußnoten angegebenen Alternativen zeigen also Notfälle an, die

allerdings nicht abgeschnitten werden dürften99. Als Regel notiert er: Das „zum Ersatz

gewisser Teile der Liturgie“ verwendete Lied muss sich „in derselben Weise einfügen, wie

der durch dasselbe verdrängte Teil“100. Im Klartext bedeutet das: Die liturgischen Gesänge

insbesondere des Glorias, Credos und Sanctus sind nicht durch beliebige andere Lieder

austauschbar. Sie können allenfalls durch eigens dafür vorgesehene Paraphrasen ersetzt

werden101.

1.2.3 Ein dramaturgisches Gefüge

Gemeinschaftlich ist die Eucharistiefeier, weil die Versammelten die Liturgie gemeinsam

vollziehen. Zum Ausdruck kommt dies durch das Zusammenspiel von Leiter oder Leiterin, der

übrigen Dienste und der Gemeinde. Alle übernehmen dabei feststehende Parts, seien es die

für den Sonn- oder Festtag vorgesehenen Gebets- und Lesungstexte, oder die allgemeinen

liturgischen Gesänge und Akklamationen, oder die für den Anlass ausgewählten

thematischen Lieder. Auch Bewegung in Form unterschiedlicher Haltungen (sitzen, stehen,

sich bekreuzigen, den Friedensgruß austauschen) und Prozessionen (zum Eingang, zum

Evangelium, zur Gabenbereitung, zur Kommunion) gehören dazu. Im Zusammenspiel fügen

sich alle diese verschiedenen Parts zu einer dramaturgischen Handlung. Nicht durch eine

94

Sdr. S. 2. 95

Gemeint ist das „katholische deutsche Gebet- und Gesangbuch“, das es seit seinen Anfängen zu einer schier unübersehbaren Flut von Ausgaben gebracht hat. Vgl. Sdr. S. 2. 96

Sdr. S. 2f. 97

Unter „Messandachten“ sind Texte zu verstehen, die in den Zeiten der lateinisch gefeierten Eucharistie den Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesuchern die Möglichkeit eines Mitvollzugs des Geschehens am Altar in Gebetsform zu geben versuchten. 98

Vgl. dazu auch die Ausführungen Sigisbert Krafts in der Einführung des Eucharistiebuchs 2006, S. XX (Kraft hat den Text ursprünglich für das Eucharistiebuch 1995 geschrieben und damals auch als Broschüre veröffentlicht). 99

Sdr. S. 1f. 100

Sdr. S. 4. 101

Hinweise finden sich an den entsprechenden Stellen im Kapitel „Die Ordnung der Heiligen Eucharistie“. Im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind die Liedparaphrasen den jeweiligen liturgischen Orten (vgl. Gesänge zur Eucharistiefeier: Gloria, Credo und Sanctus) zugeordnet. Lieder mit ähnlich lautenden Texten (z.B. 605: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, und 603: Du bist heilig, du bringst Heil) sind dagegen als Gloria- oder Sanctuslied ungeeignet. Ein Vergleich mit dem Original zeigt, dass es sich um völlig andere Texte handelt.

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Aneinanderreihung von aufeinanderfolgenden Einzelelementen kommt diese Wirkung

zustande, sondern durch ihre Bezogenheit aufeinander. Folglich geht es um die Gestaltung

von Teilen der Feier und nicht von Einzelelementen. Solche Teile sind klassisch die Feier des

Wortes Gottes und die des Mahles Jesu. Aber damit ist die Eucharistiefeier als Ganzes noch

nicht erfasst. Die Feier des Wortes Gottes und die Mahlfeier stellen zwar, aufs Ganze

gesehen, die Hauptteile der Eucharistie dar, doch kann die Gesamtfeier so weder beginnen

noch schließen. Deshalb werden die beiden Hauptteile von einem Eröffnungs- und einem

Abschlussteil umrahmt. Bei der Gestaltung der Eucharistiefeier als Ganzes kommt es darauf

an, dass die Hauptteile auch als Hauptteile erfahren werden, während Eröffnungs- und

Abschlussteil nicht mehr, aber auch nicht weniger sind als ein Rahmen. Sie sollen zur

Gottesbegegnung und aus der Gottesbegegnung wieder zurück in den Alltag führen.

Jeder Gottesdienstteil unterliegt aber auch für sich gesehen einer kleinen dramaturgischen

Handlung, d.h. er strebt einem Höhepunkt zu. Im Eröffnungsteil ist dies das Gebet des Tages,

das ja einer direkten Gottesbegegnung gleichkommt. Sie zu erfahren ist das Ziel der ganzen

Versammlung; dazu letztlich haben sich die Liturgiefeiernden zusammengefunden. Um

bereit zu werden für die Gottesbegegnung im Wort, müssen sie zuerst an diese herangeführt

werden. In der Feier des Wortes Gottes ist das Hören des Evangeliums der Höhepunkt.

Seinen Grund findet dies im Prolog des Johannes-Evangeliums, näherhin in dem Satz „Und

das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit

geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh

1,14). Es lohnt sich, den Prolog des vierten Evangeliums einmal im Blick auf die Feier des

Wortes Gottes zu meditieren.

Dramaturgie bedeutet übrigens nicht nur die Steigerung einem Höhepunkt entgegen. Es

kann auch die umgekehrte Richtung umfassen: Vom Höhepunkt wieder zurückzufinden zum

alltäglichen Leben. Anschaulich wird dies beispielsweise in der Evangelienperikope über die

Verklärung Jesu, vor allem in der Fassung des Matthäus-Evangeliums (Mt 17,1-9). Im

Wortgottesdienst erfüllen Credo, Oratio fidelium und Friedensgruß diese Funktion. Sie

werden als Antwortelemente auf das zuvor gehörte Wort Gottes verstanden.

Auf die Gottesbegegnung im Wort folgt nun die Gottesbegegnung im Mahl. Getreu der im

ersten Korintherbrief und im Lukas-Evangelium überlieferten Aufforderung Jesu „Tut dies zu

meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24; Lk 22,19) setzen die Liturgiefeiernden um, was ihnen vom

Mahl Jesu erzählt wird. Es geht darum, das Brot und ebenso den Kelch mit Wein zu nehmen,

darüber die Danksagung zu sprechen, das Brot zu brechen und von beidem zu genießen. Ziel

und Höhepunkt der Mahlfeier ist also die Kommunion. Alle übrigen Schritte führen darauf

hin. Bei der Gestaltung des Mahlteils ist auf diese Linie zu achten. Erfasst werden kann sie

nur, wenn sie nicht durch die Betonung zu vieler Einzelelemente verdeckt wird. Auch der

Mahlteil der Eucharistiefeier hat dramaturgische Elemente, die vom Höhepunkt wieder

zurückführen ins alltägliche Leben. Dazu gehören der Dank, der in der Postcommunio gipfelt,

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und die Rückkehr der Liturgiefeiernden an ihre Plätze102. Es folgt der Abschlussteil, der nur

aus wenigen Elementen besteht, die im Segen ihren Höhepunkt haben.

1.2.4 Terminologie

Wer sich über die Eucharistiefeier verständigen will, benötigt dafür eine entsprechende

Terminologie. Diese wird in den verschiedenen Kirchen unterschiedlich gehandhabt. Das

beginnt bereits mit der Bezeichnung der Feier: In den evangelischen Kirchen hat sich der

Begriff „Abendmahlsgottesdienst“ durchgesetzt, in römisch-katholischen Kreisen ist von der

„Messfeier“ oder der „heiligen Messe“ die Rede, früher wurde hier auch vom „Messopfer“

oder vom „heiligen Amt“ gesprochen, die Orthodoxie benützt die Bezeichnung „Göttliche

Liturgie“, und in unserem Bistum ist der Begriff „Eucharistiefeier“ üblich geworden.

Sigisbert Kraft hat sich in einem Beitrag für das Liturgische Jahrbuch zur Terminologie der

Eucharistiefeier geäußert103. Er plädiert dafür, die ganze Feier nach altkirchlichem Vorbild

und nach der Praxis in vielen Kirchen verschiedener Sprachräume – auch die Kommission

„Faith and Order“ des Ökumenischen Rats der Kirchen macht es so – „Eucharistie“ oder

„Eucharistiefeier“ zu nennen104. Begründung: „Auch das Wort der Heiligen Schrift und seine

Auslegung in der Predigt und das Gebet der Gemeinde haben ‚eucharistischen‘ Charakter

und sind so nur möglich (und eigentlich ‚christlich‘!), weil sie in die Eucharistia der Hingabe

Jesu an den Vater im Heiligen Geist hineingenommen werden“105. Für die Unterteilung

schlägt Sigisbert Kraft die Bezeichnungen „Wortgottesdienst“ und „Herrenmahl“ vor106.

Auch für das zentrale Gebet des im Eucharistiebuch 1995 „Mahl des Herrn“ überschriebenen

Teils der Eucharistiefeier macht Kraft einen Vorschlag, der aus der Terminologie der alten

Kirche kommt. „Von den Namen, die sie verwendet, eignet sich für die Eindeutschung am

besten Prex Eucharistica. Man sollte sich in der deutschsprachigen Christenheit deshalb

allgemein auf das den gemeinsamen Wurzeln gemäße Wort ‚Eucharistiegebet‘ einigen“107.

Unser Bistum ist diesen Vorschlägen in der Praxis gefolgt. Statt „Hochgebet“ oder

„Eucharistisches Hochgebet“108 wird bei uns offiziell vom „Eucharistiegebet“ gesprochen109,

und statt „Abendmahl“110 oder „Heilige Messe“111 sagen und schreiben wir

102

Je nach den gegebenen Umständen, etwa wenn mehrere Kommunionkreise gebildet werden müssen, kann diese Reihenfolge auch umgekehrt werden. 103

Sigisbert Kraft, Gratiarum actio. Überlegungen zur gegenwärtigen ökumenischen Problematik der Eucharistiefeier, neuerdings erschienen in: Ders. Danksagung (s.o. Anm. 12) S. 197-205, vor allem S. 198-202. 104

Ebd. S. 201f. 105

Ebd. S. 201. 106

Ebd. S. 202. 107

Ebd. S. 199. 108

Die Bezeichnungen kommen laut Kraft aus der „pastoralliturgischen“ Phase der katholischen liturgischen Bewegung und wurden von Ludwig Wolker geprägt. Kraft, Gratiarum actio (s.o. Anm. 103) S. 198f. 109

Vgl. die Einführung „Eucharistiegebete“, Bonn 1979 (s.o. Anm. 23), S. 3. 110

vgl. dazu Kraft, Gratiarum actio, S. 199f. 111

Ebd. S. 201.

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„Eucharistiefeier“. Dementsprechend nennen wir unser Altarbuch auch nicht „Messbuch“

oder „Missale“, sondern „Eucharistiebuch“.

Über weitere Begrifflichkeiten wird in den entsprechenden Kapiteln die Rede sein.

1.2.5 Liturgische Bildung

Damit die Eucharistie tatsächlich als Feier in Gemeinschaft erfahren werden kann, ist für alle

Beteiligten, angefangen vom Leiter oder von der Leiterin bis hin zur Gemeinde, eine

regelmäßige liturgische Bildung notwendig. Nur wenn ich um meine Rolle weiß, kann ich sie

auch spielen. Liturgische Bildung ist eine Aufgabe der Erwachsenenbildung112. Ihr

katechetisches Ziel sollte ein immer tieferes Hineinwachsen in die Eucharistiefeier als Ganzes

sein.

2. DER ERÖFFNUNGSTEIL DER EUCHARISTIE

Wesentliche Elemente des Eröffnungsteils sind der Einzug, die Kyrierufe und schließlich das

Gebet des Tages. Andere Elemente wie das Eingangslied, die Begrüßung und das Gloria

lassen sich diesen zuordnen. Die dramaturgische Linie setzt mit dem Einzug ein und erreicht

im Gebet des Tages ihren Höhepunkt. Folglich ist darauf zu achten, dass sich nicht andere

Höhepunkte einschleichen, etwa eine ausführliche und unterhaltsame Begrüßung oder eine

unnötige Vielzahl von Elementen, wie dies durch Einfügen eines Bußaktes und eine

Ausweitung der Kyrierufe plus Gloria geschehen kann. Das Eucharistiebuch 2006 enthält aus

diesem Grund bereits einige Straffungshinweise. Dazu gehört die Bestimmung „Die Kyrierufe

entfallen, wenn sie in der Form der Kyrie-Litanei oder des Kyrie-Liedes als Eröffnungsgesang

verwendet wurden“113. Auch der Satz „Der Eucharistie kann die Feier der Versöhnung

vorangehen“114 gehört mit dazu.

2.1 Die Feier der Versöhnung als eigenständige liturgische Feier

Hintergrund für diese letzte Bestimmung ist zum einen die Bußpraxis der alten Kirche, die

zwar auch in liturgischen Feiern gipfelte, doch wurden diese nicht im Rahmen der

112

Mit der Neuauflage der Veröffentlichung von Thaddäus A. Schnitker, Die sonntägliche Eucharistiefeier, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2013

2, wollte die Liturgische Kommission dazu einen Beitrag leisten. Lange Zeit

hat im Bistum diese Aufgabe auch der von Sigisbert und Erentrud Kraft erarbeitete „Grundkurs Liturgie“ erfüllt, der erstmals 1984 und zuletzt 1998 erschienen ist. Auf seiner Grundlage ist zur Herausgabe des Eucharistiebuchs 1995 die ihm vorangestellte Einführung „Ein neues Eucharistie-Buch“ entstanden, die unter dem Titel „Einführung“ auch in die verbesserte und erweitere dritte Auflage von 2006 übernommen wurde (ebd. S. XI-XXIV). 113

Ebd. S. 184. 114

Ebd. S. 181.

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Eucharistiefeier begangen, sondern in eigenen gottesdienstlichen Versammlungen115.

Lediglich für die Vergebung alltäglicher Verfehlungen fügte man – allerdings verhältnismäßig

spät – spezielle Bußakte in die Eucharistiefeier ein, im Osten vor allem zwischen Anaphorá

und Kommunion, im Westen zu Beginn des Gottesdienstes und am Schluss des

Wortgottesdienstes116. Diese sind aber als Einzelelemente aus ursprünglich eigenständigen

Bußliturgien in die Eucharistieliturgie hinübergewandert. Motiviert dürfte dieser Vorgang

durch die schon bestehende Praxis einer Rekonziliation der Sünder am Gründonnerstag sein,

in die seit dem 10. Jahrhundert auch die restliche versammelte Gemeinde einbezogen

wurde. Da war der Weg nicht mehr weit, diese Übung auch an anderen Tagen zu pflegen,

zumal diese Bußakte anfangs sogar sakramentalen Charakter hatten, was später allerdings

wieder zurückgenommen wurde117. Formal sind sie als Pendant der inneren Bereitung des

Vorstehers und seiner Assistenz zu Beginn der Eucharistiefeier zu werten – nun eben im Blick

auf die Gemeinde. Dabei aber handelt es sich eigentlich um private Vollzüge am Rande der

Eucharistiefeier.

Während die Bußliturgie der Gemeinde am Schluss des Wortgottesdienstes wieder

aufgegeben wurde, wird die innere Bereitung des Vorstehers und seiner Assistenz zu Beginn

der Eucharistiefeier als sogenanntes „Stufen-“ oder „Staffelgebet“ in der tridentinischen

Messfeier weitergepflegt. Elemente dieser ursprünglich auf dem Weg zum Altar verrichteten

Liturgie sind Eröffnung, Psalmrezitation mit Antiphon, Eröffnungsversikel zum Bußakt,

Confiteor und Misereatur (wechselseitig), Lossprechung (deprekativ), Danksagungsversikel,

Abschlussgebete mit Einleitungsversikel. In gekürzter und leicht veränderter Form (mit

anderen Psalmen) findet sich diese Einzugsliturgie auch in der Ordnung des Hohen Amtes

von 1888 (1885) wieder. Anfänglich noch als Privatliturgie des Priesters und Diakons

konzipiert, wird spätestens im Altarbuch 1959 die Gemeinde an diesem Akt beteiligt118.

Damit ist – zumindest für die erste Ordnung der Hl. Messe – die Bußliturgie zu einem

Bestandteil der Eucharistie geworden – und das jedes Mal, wenn sie gefeiert wird119. An

Kommuniontagen ist dagegen schon 1888 vorgesehen, entweder vor Beginn der Eucharistie

oder anstelle der im Altarbuch stehenden Bußliturgie die allgemeine Bußandacht aus dem

Rituale zu verwenden120. Möglich ist aber auch, diesen Teil an die Homilie anzuschließen121.

In diesem Fall wird die Eucharistie zu einem Bußgottesdienst, was zu besonderen Anlässen

115

Alfons Fürst, Die Liturgie der alten Kirche. Geschichte und Theologie, Münster (Aschendorff Verlag) 2008, S. 219-266. 116

Ebd. S. 244. 117

Zum Ganzen vgl. Josef Andreas Jungmann, Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe, Bd. I, Wien (Verlag Herder) 1949

2 und Bd. II, Wien (Verlag Herder) 1949. Hier: Bd. I, S. 608-610. Dort

auch weiterführende Literaturhinweise. 118

Ebd. S. 84. 119

Auch die christkatholische Kirche der Schweiz hat sich 1879 für einen „Gemeindebußakt“ entschieden. Vgl. die Messliturgie im Gebetbuch der christkatholischen Kirche der Schweiz, Bern 1879. 120

Altarbuch 1888, S. 21 (Liturgisches Gebetbuch S. 96). Katholisches Rituale zum Gebrauche der altkatholischen Gemeinden des Deutschen Reiches, Bonn 1877

2, S. 88.

121 Katholisches Rituale, S. 88.

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sicher legitim sein mag. Problematisch wird die Verknüpfung von Bußliturgie und Eucharistie

nur, wenn sie in jeder Eucharistiefeier stattfindet122.

Kurt Pursch hat in der von ihm gestalteten zweiten Ordnung der hl. Messe des Altarbuchs

1959 deshalb eine Korrektur angebracht. Er überschreibt das, was im Altarbuch 1888 noch

mit „Beichte“ überschrieben war, mit „Vorbereitung“ und belässt es bei dem Hinweis: „Der

Priester verrichtet das Stufengebet oder die Bußandacht an den Stufen des Altares zum

Empfange des Sakramentes der Buße aus dem Rituale bzw. dem Gebetbuch nach den dort

angegebenen Formularen“123. Damit ist zum Ausdruck gebracht: Dieser Teil ist noch nicht

Bestandteil der Eucharistiefeier; diese beginnt erst mit dem Eingangsgesang.

Die Liturgische Kommission, die 1981 die Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“

herausgebracht hat, greift die bisherigen Impulse auf, indem sie, bevor die Feier der Hl.

Eucharistie beschrieben wird, den Satz einfügt: „Der Eucharistie kann die Feier der

Versöhnung vorangehen“124. Konsequent erscheint diese in einem eigenen Kapitel. So ist es

dann auch im Eucharistiebuch 1995 und den nachfolgenden Auflagen. Das Buch enthält

keinerlei Formulare für Bußliturgien und signalisiert so, dass diese nicht in die

Eucharistieliturgie hineingehören, sondern ihr bestenfalls vorangestellt werden können125.

Neben dieser liturgiegeschichtlichen Begründung gibt es aber noch eine, die die Gestalt des

Eröffnungsteils als Ganzes betrifft. Diese ist nämlich schon ohne Bußliturgie relativ

umfangreich, wenn man alle Elemente aneinanderreiht:

- Einzug

- Eröffnungsgesang

- Liturgische Eröffnung

- Wort zur Einführung

- Kyrierufe

- Gloria

- Gebet des Tages

Die Bußliturgie würde, selbst wenn es sich um einen kurzen Akt handelte126, dem

Eröffnungsteil noch mehr Gewicht verleihen. Dieses Problem hat nach dem 2. Vaticanum

auch die Liturgieschaffenden der römisch-katholischen Kirche geplagt127. Und deshalb haben

sie neben der klassischen Form A, die die jahrhundertealte Bußliturgie aus dem (privaten)

122

In ES S. 40 wird deshalb auch ausdrücklich gesagt, nicht jede Eucharistiefeier brauche mit einem Bußakt zu beginnen. 123

Ebd. S. 94. 124

Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 17. 125

In ES S. 40 ist trotzdem von der Möglichkeit einer in die Eucharistiefeier integrierten Bußliturgie die Rede. Die Botschaft aber ist: Im Normalfall gehören diese Liturgien nicht zusammen. Werden die Feiern kombiniert, geht auch dann die Bußliturgie der Eucharistiefeier voraus, aber es erfolgen zuvor Orgelvorspiel und (Eröffnungs-) Lied bzw. Kyrie-Ruf. 126

Wie dies ES 37-38 und ES 39-41 anbieten. 127

Johannes H. Emminghaus, Die Messe. Wesen, Gestalt, Vollzug, Klosterneuburg (Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk) 1976, S. 172-177.

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Stufengebet aufnimmt, und der Form B, die, als Doppelversikel gestaltet, an Versen aus

Psalm 51 orientiert ist, die Form C geschaffen, eine Kyrie-Litanei, wie sie die alte Kirche

praktizierte128. Sie kann frei formuliert werden; die im deutschen Messbuch angegebenen

Anrufungen sind als Beispiele zu verstehen. Wie in den beiden vorausgehenden Formen

endet auch die Form C mit einer Vergebungsbitte. Bußakt und Kyrierufe sind hier zu einem

Element vereinigt. Das Problem ist allerdings: Die Kyrierufe sind ursprünglich keine Buß-,

sondern Huldigungsrufe; sie stellen eigentlich einen Lobpreis dar129. Und auf diesen, in der

alten Kirche gewachsenen Charakter legen die alt-katholischen Liturgieschaffenden großen

Wert. Kyrierufe als Bußrufe mit anschließender Vergebungsbitte – das findet sich in keinem

der deutschen alt-katholischen Altarbücher.

2.2 Kyrierufe und Gloria

Gleichwohl kann auch nach dem Eucharistiebuch 1995 und seinen nachfolgenden Auflagen

eine Kyrie-Litanei an die Stelle der schlichten, gegenüber den früheren Altarbüchern auf

sechs Anrufungen reduzierten Kyrierufe treten. Dazu wird auf die entsprechenden Gesänge

im Gesangbuch „Eingestimmt“ verwiesen130. Grundsätzlich wird vom Kyrie (und auch vom

Gloria) gesagt, dass es nach Möglichkeit gesungen wird131. Schaut man sich die Kyriegesänge

im Gesangbuch „Eingestimmt“ näher an, fällt auf, dass sie mal an Christus, mal an Gott und

mal an beide gerichtet sind132. Dieses unterschiedliche Verständnis dürfte seine Wurzel wohl

darin haben, dass zur Zeit Gregors des Großen (590-604) an die Seite des Kyrie eleison auch

ein Christe eleison tritt. Das war allerdings nicht so gedacht, dass das Kyrie eleison nun als

Anrufung an Gott-Vater verstanden werden sollte und das Christe eleison als eine an Gott-

Sohn. Vielmehr steht das Kyrie eleison in der Tradition der Christusanrufungen. So entspricht

es auch schon paulinischer und altchristlicher Ausdrucksweise133. Bei Gregor dem Großen ist

aber nicht nur von dem zusätzlichen Ruf Christe eleison zu lesen, sondern auch davon, dass –

zumindest an gewöhnlichen Tagen – die sonst üblichen litaneiartigen Ausgestaltungen der

Anrufungen weggelassen würden134. Im Ordo Romanus I (8. Jh.) 135 ist diese Form als die

übliche bezeugt, und schon bald bildet sich eine Dreizahl der Anrufungen aus, die dann auch

128

Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Kleinausgabe, Freiburg und Einsiedeln 1978, S.326-329. 129

J. H. Emminghaus, Die Messe, S. 178-181; J. A. Jungmann, Bd. I (s.o. Anm. 117), S. 412-429. 130

Eucharistiebuch 2006, S. 184. 131

Ebd. S. 183. 132

ES 93 ist z.B. an Gott-Vater gerichtet, ES 95 an Gott-Vater und Gott-Sohn. 133

J. A. Jungmann, Bd. I, S. 423. 134

J. A. Jungmann, Bd. I, S. 419f. 135

Die Ordines Romani enthalten Vorschriften für die verschiedensten liturgischen Handlungen, die in der römisch-katholischen Kirche üblich waren. Man unterscheidet zwei Sammlungen: Die erste mit 15 Texten des 8. bis 15. Jh. wurde von J. Mabillon, die zweite mit 50 Texten des 8. bis 10. Jh. von M. Andrieu ediert. Die älteste und wichtigste dieser Quellen, von der viele andere abhängig sind, ist der OR 1 für die päpstliche Messe des 7. Jh.

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trinitarisch gedeutet wird136. Spuren davon finden sich noch in den Kyrie-Rufen ES 73, 75 und

79 sowie in den Hinweisen zu den Kyrierufen ES 77, 78, 80, 81 und 84.

Die altkirchlichen entfalteten Kyrierufe (wie ES 85-107) mündeten immer in ein

abschließendes Gebet137. Durch das Hinzukommen des Glorias Ende des 11. Jahrhunderts ist

dieser Fluss unterbrochen worden. Allerdings dürfte das in dieser Zeit kaum gestört haben,

da die Kyrierufe ja nur noch aus den Anrufungen Kyrie eleison und Christe eleison bestanden.

Schwieriger wird dies, wenn statt der schlichten Anrufungen entfaltete verwendet werden.

Die christkatholische Kirche der Schweiz hat sich deshalb entschieden, das Gloria erst nach

dem Gebet des Tages zu singen, gleichsam als seine lobpreisende Weiterführung138. In der

deutschen Kirche hat man dagegen an der römischen Tradition festgehalten, doch sind

Variationen durchaus denkbar. Wenn die Kyrierufe Huldigungsrufe sind, wirkt das Gloria,

unmittelbar darauf gesungen, wie eine Doppelung. Es bietet sich also an, statt beider

Elemente nur eines zu verwenden. Dies wäre insbesondere dann sinnvoll, wenn die Kyrierufe

als Litanei gestaltet sind. Hier direkt das Gebet des Tages anzuschließen, entspräche guter

altkirchlicher Tradition139. Und angesichts der Tatsache, dass das Gloria verhältnismäßig spät

und auch nur in der römischen Liturgie in die Eucharistiefeier eingegangen ist und dass man

es dann auch nur in Festtagsgottesdiensten verwendete, ließe sich darauf sicher guten

Gewissens verzichten. Aber auch die umgekehrte Form wäre denkbar. Vor allem in der

Weihnachts- und Osterzeit könnte statt der Kyrierufe das Gloria im Vordergrund stehen,

hatte man doch in der jeweils vorausgehenden Bußzeit bewusst darauf verzichtet. Sollte

dieser Verzicht (wie auch der auf Blumenschmuck) Zeichen für eine einfachere Gestalt

gottesdienstlichen Feierns sein, um anschließend umso stärker den Festcharakter erfahren

zu können, bietet es sich an, in diesen Zeiten auch die Kyrierufe schlichter, also ohne

entfaltete Anrufungen zu gestalten.

Entsprechend sähe der Eröffnungsteil der Eucharistie immer wieder anders aus, ohne dass

dies der ihm eigenen dramaturgischen Linie schaden würde:

Bußzeiten Festzeiten Gewöhnliche Sonntage

Einzug Einzug Einzug Eröffnungsgesang Eröffnungsgesang Eröffnungsgesang Liturgische Eröffnung Liturgische Eröffnung Liturgische Eröffnung Wort zur Einführung Wort zur Einführung Wort zur Einführung

Einfache Kyrierufe (ES 72-84) Oder Kyrie-Litanei (je nach Zeit ES 84, 87, 98,

Mal Kyrierufe (vor allem ES 91-97) Mal Gloria (ES 108-124; 951-953)

136

J. A. Jungmann, Bd. I, S. 421f. 137

Vgl. dazu insbesondere die Liturgien der Ostkirche, in denen diese Form bewahrt ist. Auf eine Ektenie folgt immer ein abschließendes, vom Priester zu sprechendes Gebet. 138

Christkatholisches Gesangbuch, Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz, Basel 2004, S. 130f. 139

Siehe oben S. 25.

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100, 105, 106, evtl. auch ES 91-93, 102 und 103)

Mal beide Gesänge (dann jedoch nur Kyrierufe ES 72-84)

Entweder Gloria (vor allem ES 108-113) Oder Kyrie-Litanei (je nach Zeit ES 86, 88, 89, 99, 101)

Gebet des Tages Gebet des Tages Gebet des Tages

Bei den Kyrierufen ES 70 und 90 handelt es sich um Anrufungen, die für das Requiem und die

Eucharistie am Allerseelentag vorgesehen sind.

Bei den Kyrierufen ES 107 sind entsprechend der liturgischen Zeit einzelne Strophen

auszuwählen, wobei die erste Strophe wegen ihres Einleitungscharakters immer genommen

werden sollte.

Wird die Form beider Gesänge gewählt, kann es hilfreich sein, bei der Auswahl auf die

gleiche Tonart zu achten, also:

- Zum Gloria ES 108, 109 und 110 passen die Kyrierufe ES 72, 75, 78 und 84,

- zum Gloria ES 111 passen die Kyrierufe ES 79 und 80,

- zum Gloria ES 112 passen die Kyrierufe ES 83,

- zum Gloria ES 113 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77 und 81,

- zum Glorialied ES 114 passen die Kyrierufe ES 82,

- zu den Glorialiedern ES 115, 118, 122 und 124 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77

und 81,

- zu den Glorialiedern ES 119 und ES 121 passen die Kyrierufe ES 75,

- zum Glorialied ES 120 passen die Kyrierufe ES 78 und 84,

- zu den Glorialiedern ES 951 und 952 passen die Kyrierufe ES 71 und 80,

- zum Glorialied ES 953 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77 und 81.

Die Kyrierufe ES 66-69 stammen aus der Taizétradition und eignen sich nur in Verbindung

mit frei zu formulierenden Anrufungen140. In Verbindung mit einem sich anschließenden

Gloria sind sie weniger geeignet.

Bei den Glorialiedern ES 114 und 115 sowie ES 951 empfiehlt es sich, diese als Kehrverse zu

verwenden und mit Texten aus dem Gloria-Hymnus, die eventuell auch gesprochen werden

können, zu ergänzen. ES 115 kann außerdem mit ES 953 kombiniert werden; in diesem Fall

140

Beispiele dafür finden sich in: Die Feier der Bestattung im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben von Bischof und Synodalvertretung, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2011, S. 180f.

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werden aus ES 953 nur die Verse 1-3 ohne das „Ehre Gott in der Höhe“ und „Friede den

Menschen auf Erden“ genommen.

Die Glorialieder ES 116, 117 und 123 eignen sich am besten in Fällen, in denen keine

Kyrierufe vorausgehen141.

Um die Liturgie des Eröffnungsteils nicht zu überfrachten, aber auch, um Doppelungen zu

vermeiden, wird im Eucharistiebuch 2006 auf die Möglichkeit verwiesen, zum Eingang auch

eine Kyrie-Litanei oder ein Kyrie-Lied zu singen142. In diesem Fall entfallen die Kyrierufe nach

der liturgischen Eröffnung und dem Wort zur Einführung. Konkret sähe das so aus:

- Kyrie-Litanei (an gewöhnlichen Sonntagen ES 91-97, 102-103 und, mit passender

Strophenauswahl, ES 107, ansonsten je nach Zeit ES 85-90, 98-101, 105, 106 und, mit

passender Strophenauswahl, ES 107)

oder Kyrie-Lied (an gewöhnlichen Sonntagen ES 546, 632 und 676, ansonsten je nach

Zeit ES 322, 323, 405, 430, 433, 710)

- Liturgische Eröffnung und Wort zur Einführung (beim Wort zur Einführung sollte

darauf geachtet werden, was in der vorausgegangenen Kyrie-Litanei oder im

vorausgegangenen Kyrie-Lied zur Sprache kam; in allen Fällen handelt es sich um

Gesänge, in denen die Gemeinde sich direkt an Christus oder an Gott, den Vater,

gewandt hat – diese Stimmung sollte durch das Einführungswort nicht zerstört

werden; es ist außerdem zu bedenken, dass, wenn kein Gloria gesungen wird, direkt

auf das Einführungswort das Gebet des Tages folgt)

- Evtl. Gloria

- Gebet des Tages

2.3 Einzug und Eingangsgesang

Das Eucharistiebuch 2006 sieht einen Einzug des Priesters oder der Priesterin mit denen, die

einen besonderen liturgischen Dienst versehen, zum Altar vor143. Unabhängig davon, ob

dieser schlicht oder festlich gestaltet ist, macht er nur Sinn, wenn er durch die Kirche erfolgt.

Darin soll zum Ausdruck kommen: Auch die, die einen besonderen liturgischen Dienst

versehen, kommen aus der im Kirchenraum versammelten Gemeinde; sie sind Teil der

Versammlung. Gehen sie mitten durch sie hindurch, nehmen sie sie gleichsam mit zu dem

Ort, auf den das liturgische Feiern ausgerichtet ist.

In der Eingangsprozession kann, wenn ein Diakon144 mitwirkt, dieser das Evangelienbuch

(Evangeliar) tragen. Nach der Altarverehrung145 legt er es auf den Altar. Dieser Ritus ist schon

141

Bei ES 117 stellt sich die Frage, inwieweit es überhaupt an die Stelle des Gloria-Hymnus treten kann. 142

Ebd. S. 182. 143

Ebd. S. 181. 144

Aus sprachlichen Gründen und Gründen der Übersicht wird im Folgenden nur die männliche oder weibliche Form genannt, nicht aber beide. 145

Die nur von denen gemacht wird, die keinen Gegenstand tragen – vgl. Eucharistiebuch 2006, S. 181.

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im Ordo Romanus I bezeugt. Die Gemeinde ist nicht nur zur Mahlfeier, sondern auch unter

dem Wort versammelt. Die Brotrede des Johannes-Evangeliums legt nahe, auch das Wort

Gottes als Nahrung zu verstehen146. Hier knüpft die altkirchliche Rede vom „Tisch des

Wortes“ an, der uns in der liturgischen Feier gedeckt wird147. Das Auflegen des

Evangelienbuchs auf den Altar bringt dies zeichenhaft zum Ausdruck und lenkt darüber

hinaus die Aufmerksamkeit der Feiernden auf diesen ersten zentralen Punkt des

Gottesdienstes.

Der Eingangsgesang (Introitus) hatte ursprünglich die Funktion, die Eingangsprozession zu

begleiten. Heute erklingt dazu in der Regel ein Orgelspiel. Erst danach stimmt die Gemeinde

in das Eingangslied ein. Für die Auswahl kann es hilfreich sein, um die ursprüngliche Funktion

dieses Gesangs zu wissen. Noch die Altarbücher 1888 und 1959 enthielten für jeden Sonn-

und Festtag eigene Texte für den Eingangsgesang. Das Eucharistiebuch 1995/2006 erinnert

daran, indem es als erste von drei Möglichkeiten für den Eingangsgesang die des Psalms mit

Kehrvers nennt148. Unabhängig davon, wie viele Verse des Psalms gesungen werden, endet

der Gesang immer mit der sogenannten „kleinen Doxologie“ („Ehre sei dem Vater – Gloria

Patri…“) und dem darauf noch einmal folgenden Kehrvers. Auch im Gesangbuch

„Eingestimmt“ ist diese Form berücksichtigt: Unter ES 61-65 werden für gewöhnliche

Sonntage fünf Kehrverse angeboten, ohne dass allerdings auf passende Psalmen verwiesen

wird. Weitere geeignete Kehrverse, besonders für die geprägten Zeiten149, finden sich unter

den Gemeindeversen ES 125ff. Diese Form des Eingangsgesangs bietet sich allerdings nur an,

wenn eine Schola mitwirkt.

Das gilt übrigens auch für die dritte Gestaltungsmöglichkeit des Eingangsgesangs, sofern

dafür eine der Kyrie-Litaneien gewählt wird. In der Regel aber wird von der zweiten

Möglichkeit Gebrauch gemacht, ein Eröffnungslied aus dem Gesangbuch zu singen. Nähere

Angaben sind dazu nicht gemacht, weil die Palette der Auswahlmöglichkeiten in diesem Fall

weit über die vorgesehenen Eingangslieder (ES 51-60) hinausreicht. Betrachtet man in den

alten Altarbüchern die dort angegebenen Introitus-Psalmen und die dazugehörigen

Kehrverse – sie nehmen weitgehend die Introitus-Gesänge des Missale Romanum auf –, zeigt

sich, dass sie die liturgiefeiernde Gemeinde in die Gottesbegegnung führen und sie

gleichzeitig in die Feier des Sonn- und Festtages einstimmen wollen. Für die Auswahl des

Eingangsliedes kann es also hilfreich sein, einen Blick auf die zur jeweiligen Tagesliturgie

gehörenden Introitus-Gesänge zu werfen. Sie finden sich in den entsprechenden Formularen

des römisch-katholischen deutschen Messbuchs150 und seinen Popularausgaben151. In den

geprägten Zeiten empfehlen sich Lieder aus den diesbezüglichen Kapiteln des Gesangbuchs

„Eingestimmt“ (ES 300-461; ES 965-968; Es 974-976; ES 980). An gewöhnlichen Sonntagen

146

Joh 6, insbesondere V 68. 147

Eucharistiebuch 2006, Einführung, S. XVI. 148

Ebd. S. 182. 149

Advents-/Weihnachtszeit und österliche Buß-/Osterzeit. 150

Siehe oben, Anm. 128. 151

Die bekannteste ist das Schott-Messbuch, Freiburg-Basel-Wien (Verlag Herder), das auch im Internet zugänglich ist (http://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/ordnung/index.html).

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sind auch Morgenlieder (ES 687-697) möglich. Hingewiesen sei schließlich noch auf die

zahlreichen Psalm-Lieder, die es im Gesangbuch „Eingestimmt“ gibt:

ES 52 (bezogen auf Ps 100)

ES 53 (bezogen auf Ps 95)

ES 361 (bezogen auf Ps 51)

ES 364 (bezogen auf Ps 130)

ES 377 (bezogen auf Ps 130)

ES 426 (bezogen auf Ps 136)

ES 460 (bezogen auf Ps 24,7-10)

ES 556 (bezogen auf Ps 103)

ES 557 (bezogen auf Ps 19)

ES 558 (bezogen auf Ps 138)

ES 559 (bezogen auf Ps 98)

ES 561 (bezogen auf Ps 117)

ES 562 (bezogen auf Ps 99)

ES 566 (Kanon, bezogen auf Ps 107,1)

ES 567 (Kanon, bezogen auf Ps 113,3)

ES 568 (bezogen auf Ps 148)

ES 576 (bezogen auf Ps 118)

ES 583 (Kanon, bezogen auf Ps 117,1)

ES 584 (bezogen auf Ps 108,4-6)

ES 585 (bezogen auf Ps 145)

ES 588 (bezogen auf Ps 98,1-2)

ES 590 (bezogen auf Ps 148)

ES 591 (bezogen auf Ps 92,2-6.9)

ES 599 (Kanon, bezogen auf Ps 47,2b)

ES 611 (bezogen auf Ps 23)

ES 612 (bezogen auf Ps 23)

ES 613 (bezogen auf Ps 23)

ES 614 (bezogen auf Ps 61)

ES 615 (bezogen auf Ps 36,6-7)

ES 616 (bezogen auf Ps 47)

ES 617 (bezogen auf Ps 31)

ES 618 (bezogen auf Ps 139)

ES 620 (bezogen auf Ps 36)

ES 627 (bezogen auf Ps 91)

ES 630 (bezogen auf Ps 130,1-2)

ES 679 (bezogen auf Ps 104)

ES 971 (bezogen auf Ps 95)

ES 972 (bezogen auf Ps 31,6)

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2.4 Gebet des Tages

Das Gebet des Tages152 gilt als Höhepunkt der Liturgie des Eröffnungsteils. Es stellt als

solches zwar keine alt-katholische Besonderheit dar. Wichtig aber ist der oft vernachlässigte

Hinweis, der nach der Gebetseinladung „Lasset uns beten“ eingefügt ist: „Stille“. In der

Einführung des Eucharistiebuchs wird eigens auf den Wert der Stille hingewiesen und als

erstes Beispiel dafür die Stille nach der Einladung zum Gebet des Tages genannt153. Diese

Stille dient „dem persönlichen Beten der Einzelnen“154 – ein wichtiges Moment der

Gemeindebeteiligung, um auch in die persönliche Gottesbegegnung finden zu können. Das

nachfolgende Gebet „sammelt“ schließlich die vielen Einzelgebete zu einem gemeinsamen

Gebet. Es ist deshalb inhaltlich sehr allgemein und sehr weit gefasst und bringt zur Sprache,

was die Einzelnen bei aller Verschiedenheit miteinander teilen können: den Glauben und

den Festanlass – daher die Bezeichnung „Gebet des Tages“. Eine andere Bezeichnung

bezieht sich dagegen auf den „Sammelcharakter“: „Kollekte“.

Bereits Thürlings und Pursch haben die Gebete des Tages aus der gewachsenen Liturgie der

Kirche geschöpft155, sie aber mehr oder weniger frei übersetzt. Das gilt auch für das

Eucharistiebuch 1995 und seine späteren Auflagen. Wer sich ein Bild davon machen möchte,

vergleiche einmal die Übersetzung des römischen Messbuchs mit der des Eucharistiebuchs

1995/2006. Natürlich sind auch diese Texte nicht der Weisheit letzter Schluss, und deshalb

werden sie sicher in einer späteren Neufassung des Eucharistiebuchs wieder neu übersetzt

werden – auch dann mit dem Ziel, die Menschen dieser Zeit in ihrer Sprache, ihrem Glauben

und ihrem Alltag zu erreichen. So hat sich in den letzten Jahren zum Beispiel gezeigt, dass

trotz des Bemühens um eine inklusive Sprache156 das Sprechen von Gott in männlichen

Bildern überwiegt und dass hier Korrekturbedarf besteht. Es ist der Bund alt-katholischer

Frauen (baf), der seit vielen Jahren unermüdlich daran erinnert. In der

Gesamtpastoralkonferenz 2014 wurden den Pfarrerinnen und Pfarrern deshalb Hilfen in die

Hand gegeben, die Gottesanrede in den Gebeten des Eucharistiebuchs vielfältiger zu

gestalten. Und in der gleichen Konferenz ein Jahr später wurde die Initiative eines

wöchentlich erscheinenden Newsletters Liturgie gestartet, in dem Kolleginnen und Kollegen

ein Jahr lang Vorschläge für eine Überarbeitung der Texte des Eucharistiebuchs im Blick auf

den jeweiligen Sonn- und Festtag vorgelegt haben.

Dass die aus der Tradition stammenden Gebete des Tages157 allein nicht reichen, wurde

bereits von der Liturgischen Kommission der 1980er Jahre erkannt. Das Eucharistiebuch

1995 und die nachfolgenden Auflagen enthalten deshalb für die Sonntage im Jahreskreis

152

Eucharistiebuch 2006, S. 185. 153

Eucharistiebuch 2006, S. XXI. 154

Ebd. 155

H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 189-192. 156

Vgl. Eucharistiebuch 2006, S. XXII f. 157

Einen guten Zugang zu den tradierten Orationen bieten die beiden Bändchen von Alex Stock, Orationen. Die Tagesgebete im Jahreskreis, neu übersetzt und erklärt, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 2011, und: Orationen. Die Tagesgebete der Festzeiten, neu übersetzt und erklärt, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 2014.

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neben dem aus der Tradition stammenden Gebet des Tages drei weitere Gebete, die sich an

einzelnen Schrifttexten der jeweiligen Lesereihe orientieren. Manche Texte sind dabei sehr

eng auf die entsprechende biblische Grundlage bezogen. Wer es am 3. Sonntag der

Lesereihe A vorzieht, über das Evangelium zu predigen (Mt 4,12-23), wird feststellen, dass

das für die Lesereihe A vorgesehene Gebet des Tages dann nicht passt. In diesem Fall bietet

sich der Text „Zur Auswahl“ an, der eine Übertragung des aus der Tradition stammenden

Gebets ist158. Dieser bezieht sich gewöhnlich zwar nicht auf das Evangelium, aber das muss

auch nicht immer sein. Wer jedoch Evangelium und Auswahlgebet meditiert, wird

entdecken, dass es trotzdem Bezüge gibt. Außerdem ist uns im Eucharistiebuch 2006 im

Unterschied zur ersten Auflage 1995 noch eine Auswahl von Gebeten des Tages gegeben159.

2.5 Dramaturgie des Eröffnungsteils

Mit der von festlichem Orgelspiel begleiteten Eingangsprozession beginnt in der Regel jede

sonntägliche Eucharistiefeier. Die Gemeinde erhebt sich dazu und nimmt dadurch am

Geschehen teil. Diese Beteiligung steigert sich noch im Mitsingen des Eingangsliedes. Die

Versammlung kann auf diese Weise bereits zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen.

Gemeinschaftlich ist auch das Kreuzzeichen zu sehen, das am Anfang der liturgischen

Eröffnung steht. Es erinnert an die Taufe und damit an das, was alle Mitglieder der

Versammlung verbindet. Zusammen mit dem gemeinsam gesungenen Lied soll es den Boden

bereiten für die nun folgende Gottesbegegnung in den Kyrierufen, dem Gloria und – als

Höhepunkt – im Gebet des Tages. Kyrierufe, Gloria und Gebet des Tages sind als jeweils sich

steigernde Elemente gedacht.

Bei festlichen Anlässen erfährt die Eröffnungsliturgie durch die Entfaltung der

Eingangsprozession (Weihrauch, Kreuz, Kerzen) und evtl. auch durch die Mitwirkung eines

Chores eine entsprechende Steigerung. Mitwirkung bedeutet, dass der Chor sich in die

Liturgie einzufügen hat. Er sollte sie nicht ausschmücken oder liturgische Teile durch andere

Gesänge ersetzen. Kyrierufe und Gloria können mit der Gemeinde im Wechsel gesungen

werden. Unerlässlich ist die Beteiligung der Gemeinde am Eingangsgesang. Er trägt am

meisten zur Gemeinschaftsbildung bei. Sinnvoll ist es, wenn bei festlichen Anlässen nach

dem vom Chor und der Gemeinde gesungenen Gloria auch das Gebet des Tages gesungen

wird.

In den Zeiten vor Weihnachten und Ostern sollen die Gottesdienste bewusst etwas

schlichter gestaltet werden, ohne dass sich dabei ihr Feiercharakter verflüchtigt. So ist es

guter Brauch, die Eingangsprozession in Stille zu vollziehen. Erst wenn die Priesterin und die

Assistenz an ihren Plätzen angelangt sind, beginnt die Orgel mit der Intonation des

Eingangsliedes. Auch wenn der Orgel in diesen Zeiten mehr die Aufgabe der

158

Vgl. Römisches Messbuch (s.o. Anm. 128), S. 212. 159

Eucharistiebuch 2006, S. 583-588. Diese sind jedoch in erster Linie für Eucharistiefeiern an Wochentagen gedacht.

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Gesangsbegleitung zukommt, heißt das nicht, dass es gar keine Orgelspiele geben muss. Die

Choralbearbeitung eines Advents-, Buß- oder Passionslieds kann nach der Ansprache oder

zur Gabenbereitung äußerst hilfreich sein. Ebenso kann eine verhaltene Intonation des

Eingangsliedes an den Sonntagen „Gaudete“ (dritter Adventssonntag) und „Laetare“ (vierter

Sonntag der österlichen Bußzeit) die diesen Sonntagen eigene Stimmung zur Geltung

bringen160.

3. DER WORTGOTTESDIENST DER EUCHARISTIE

Elemente des Wortgottesdienstes sind die biblischen Lesungen einerseits und die darauf

Antwort gebenden Teile andererseits. Es geht also um ein dialogisches Geschehen, um Wort

und Antwort. Das sollte in der Gestaltung des Wortgottesdienstes erfahrbar werden. Das

Wort-Antwort-Prinzip ist von daher nicht nach jeder Lesung gegeben. Insofern sind

Bezeichnungen wie „Antwortgesang“ oder „Antwortpsalm“ eher irreführend. Auch das

Halleluja ist im eigentlichen Sinn kein Antwortgesang, weder nach der zweiten Lesung noch

nach dem Evangelium. Wäre es so, und wäre auch der Psalm nach der ersten Lesung ein

Antwortpsalm, würde das Dialogprinzip, so wie es sich schon in den Anfängen der

Eucharistieliturgie entwickelt hat, nicht zum Tragen kommen. Antwort sind demnach das

Glaubensbekenntnis und die Fürbitten. Auch die Ansprache ist hier einzuordnen, nimmt sie

doch Bezug auf das zuvor Gehörte, um es für den Alltag lebendig werden zu lassen.

3.1 Die biblischen Lesungen

3.1.1 Grundsätzliches

Das Eucharistiebuch 1995/2006 sieht für den Wortgottesdienst der Eucharistie drei biblische

Lesungen vor, von denen gewöhnlich eine dem Alten Testament, eine der Briefliteratur des

Neuen Testaments und eine den Evangelien entnommen ist. So hat es bereits die alte Kirche

gepflegt161. Im Vergleich zum römischen Messbuch gibt es den Hinweis „Wo aus pastoralen

Gründen nicht beide [Lesungen] vorgetragen werden können, ist es gestattet, eine von ihnen

auszuwählen“162, nicht. Um zu verstehen, warum in unserer Ordnung der Heiligen

Eucharistie so viel Wert auf die volle Form des Wortgottesdienstes gelegt wird, empfiehlt

sich die Lektüre der entsprechenden Passage in der „Einführung“163. Demnach war es schon

den für die Liturgie Verantwortlichen zu Beginn der Bistumsgeschichte wichtig, nach

altkirchlichem Vorbild den ‚Tisch des Wortes‘ reichlicher zu decken. Was in den ersten

Jahrhunderten selbstverständlich war, ging der Kirche im Laufe des Mittelalters verloren.

160

Am dritten Adventssonntag empfehlen sich zum Eingang die Lieder ES 309, 310, 315 und 601, am vierten Sonntag der österlichen Bußzeit ES 51, 59, 507, 568, 571, 590, 683, 981 und 989. 161

H.B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 119-121 und 176. 162

Ebd. (s.o. Anm. 128), S. 334. 163

Ebd. S. XVI.

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Spätestens seit 1570 wiederholten sich Epistel und Evangelium jedes Jahr; alttestamentliche

Texte spielten mit Ausnahme der Psalmen kaum eine Rolle. Das war auch so, als man der

einen Lesereihe 1877 eine zweite hinzufügte. Und es war nicht wesentlich anders, als 1959

an die Stelle des zweijährigen ein vierjähriger Zyklus trat. Erst mit der Neuordnung der

Eucharistiefeier Anfang der 1980er Jahre wurde die heute bestehende dreijährige Ordnung

mit drei biblischen Lesungen eingeführt. Es war vor allem Sigisbert Kraft, der seitdem die

Gemeinden unermüdlich dazu anhielt, in den Gottesdiensten alle vorgesehenen Texte zu

lesen. „Gemeinden, die es mit ihrem Seelsorger wagen, auf die drei Lesungen zu hören,

Prediger(innen), die sich auch von sperrigen Texten nicht abschrecken lassen, erfahren, dass

sich ihnen neue Zugänge zum Glauben eröffnen“164.

3.1.2 Der Psalm nach der ersten Lesung

Bei alledem wurde allerdings übersehen, dass zum Leseteil des Wortgottesdienstes ebenfalls

seit ältester Zeit ein Psalm gehört, der seinen Platz nach der alttestamentlichen Lesung hat.

Schon Thürlings begriff diesen als ein den Lesungen gleichgestelltes Element, „nur eben in

einer den poetisch-lyrischen Teilen entsprechenden Form“165. Mit anderen Worten: Es

handelt sich bei diesem Psalm um eine weitere alttestamentliche Lesung, die der Gattung

entsprechend jedoch nicht gelesen, sondern gesungen wird. Und dies in erster Linie nicht

von der Gemeinde, sondern von einem Vorsänger oder einer Vorsängerin, im

Eucharistiebuch 2006 „Kantor/in“ genannt166. Konsequenterweise ist als Vortragsort dafür

der Ambo vorgesehen, wie bei den übrigen biblischen Lesungen auch167. Dass der Psalm

inhaltlich Bezug nimmt auf die vorangehende Lesung und auch auf das Evangelium, aus

dessen Blickwinkel die alttestamentliche Lesung ausgewählt ist, charakterisiert ihn allerdings

nicht automatisch zum Antwortpsalm. Vielmehr wird das Thema des Sonn- oder Festtages so

um eine Facette bereichert. Wir haben es also im Wortgottesdienst der Eucharistiefeier in

Wirklichkeit mit vier biblischen „Lesungen“ zu tun, von denen zwei dem Alten und zwei dem

Neuen Testament entnommen sind.

Aus dieser Sicht folgt, dass in der Gottesdienstgestaltung nach den Lesungen keine

Antwortgesänge bzw. Antwortlieder angebracht sind. Diese Praxis hat sich übrigens

hauptsächlich im deutschsprachigen Raum eingebürgert. Infolge der Reformation, die dem

deutschen Kirchenlied erheblichen Auftrieb gab, kamen im 16. Jahrhundert auch katholische

Gesangbücher auf. Dieser Umstand führte dazu, Regeln für deren Einsatz in der Liturgie

aufzustellen. So wurde beispielsweise 1592 auf der Synode von Breslau der Gesang

164

Ebd. 165

Adolf Thürlings, Wie entstehen Kirchengesänge? Rektorrede, gehalten am 73. Stiftungsfeste der Universität Bern, den 17. November 1906, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft, Jahrgang VIII, Heft 3 (auch als Sonderdruck erschienen), S. 468. 166

Ebd. S. 181 und 186. In seiner Rektorrede 1906, ebd. S. 469, bezeichnet Thürlings den Kantor als „liturgische Amtsperson“, die als solche „durchaus geschätzt wurde“. 167

Eucharistiebuch 2006, S. 186.

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deutscher Lieder anstelle des Graduale gestattet168. Bekannten Messgesangreihen wie etwa

Michael Haydns „Hier liegt vor deiner Majestät“ nach führten diese Lieder zum Evangelium

hin169. Wo es keine eigens dazu bestimmten Lieder gab, wählte man passende aus dem

Gesangbuch-Repertoire aus. Dieser an sich beliebte Brauch wurde nach dem 2. Vaticanum

lange weitergepflegt, sodass der Psalm nach der Lesung in deutschen

Gemeindegottesdiensten eher ein Randdasein führte.

Thürlings war im Blick auf das Altarbuch 1888 bestrebt, das Graduale von einem Chor oder

einem Vorsänger vortragen zu lassen170. Die Gemeinde habe dabei „nichts anderes zu tun,

als zuzuhören, den Gesang auf sich wirken zu lassen, das Schriftwort in schöner Form in sich

aufzunehmen“171. Gleichzeitig war ihm aber auch bewusst, dass diese „reichen Gesänge“, die

„vielfach von großer Schönheit“ sind, „ihr kirchliches Bürgerrecht, das ihnen ein Jahrtausend

hindurch fast unbestritten war, heute nur mehr mühsam aufrecht erhalten“ können172. Und

so schlägt er alternativ zum Gesang des Kantors „als allgemeine Graduallieder vor der

Predigt“ Gesänge vor wie „Liebster Jesu, wir sind hier“173. Kurt Pursch war demgegenüber

strenger: In beiden Ordnungen der hl. Messe des Altarbuchs 1959 wird auf das Graduale des

Propriums verwiesen, in der zweiten Ordnung wird außerdem beschrieben, wie es zu

gestalten ist. Dabei wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass in jedem Gottesdienst

ein Vorsänger anwesend ist. Knapp dreißig Jahre später wird in „Die Feier des

Gottesdienstes“ erläutert, der Wortlaut der Psalmen bzw. eine Psalmparaphrase (Psalmlied)

sei nach der ersten Lesung unverzichtbar und besonders wichtig, „weil auch an dieser Stelle

der biblische Text zu Wort kommen soll“174. Ähnlich wird um den Psalm in der Einführung

des Eucharistiebuchs geworben: „Vergessen wir dabei auch nicht, dass die Psalmen das

tägliche Gebet Jesu, seiner Jünger(innen) und seiner Mutter gewesen sind“175.

Dass ihr Einsatz sich im deutschen alt-katholischen Bistum trotzdem nur mühsam realisieren

lässt, dürfte weniger mit der Abneigung gegenüber Psalmen zusammenhängen als mehr mit

der Schwierigkeit, für den Vortrag sangeskundige Gemeindemitglieder zu gewinnen.

Ähnliches ließe sich auch über andere Gesänge sagen, die als Wechselgesänge zwischen

einer Kantorin und der Gemeinde gestaltet sind (Kyrie, Gloria, Agnus Dei und allgemeine

Gesänge wie ES 580, 584, 588, 590 usw.). Dabei liegt gerade darin ein Proprium katholischer

Liturgie, das schon in ältester Zeit gewachsen ist176. Das Ziel ist deshalb, dem gesungenen

Psalmvortrag, durch einen Kehrvers von der Gemeinde begleitet, den Vorzug zu geben. Die

168

H. Hucke, Das Kirchenlied, in: Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, hrsg. von Hans Bernhard Meyer, Hansjörg Auf der Maur u.a., Teil 3: Gestalt des Gottesdienstes. Sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet), 1987, S. 171. 169

Gesang zum Evangelium in der Haydn-Messe: „Aus Gottes Munde gehet das Evangelium, / auf diesem Grunde stehet das wahre Christentum. / Gott selbst ist, der uns lehret, / der nicht betrügen kann. / Wohl dem, der’s gerne höret / und es nimmt willig an.“ 170

Ebd. S. 32 (Liturgisches Gebetbuch S. 137). 171

A. Thürlings, Kirchengesänge (s.o. Anm. 165), S. 472. 172

Ebd. S. 470. 173

Liturgisches Gebetbuch, S. 111. 174

Ebd. S. 10. 175

Eucharistiebuch 2006, S. XVI. 176

A. Thürlings, Kirchengesänge, S. 467-485.

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Liturgische Kommission hat dem Ausdruck verliehen, indem sie den Psalm nach der ersten

Lesung im Lektionar Eigentexte bewusst zum Singen eingerichtet hat177. Dabei wurde

berücksichtigt, dass dies in einer Weise geschieht, die auch ohne besondere Kenntnisse des

Kantorenwesens realisiert werden kann.

Welche Psalmverse jeweils vorzutragen sind, ist außerhalb der Eigenliturgien des deutschen

alt-katholischen Bistums den Lektionaren zu entnehmen. Neben dem Lektionar Eigentexte

werden gewöhnlich die Lektionare (und das Evangeliar) der römisch-katholischen Kirche

verwendet. Auch in den bereits erwähnten Popularausgaben des römisch-katholischen

Messbuchs sind die Psalmverse abgedruckt. Außerdem werden sie seit 2016 im Liturgischen

Kalender des alt-katholischen Jahrbuchs angegeben. Passende Kehrverse wurden von der

Liturgischen Kommission in einer Liste zusammengestellt, die dem Eucharistiebuch 2006 als

Anhang beigegeben ist178. Soll in den Gemeinden ein Kantorenbuch verwendet werden, ist

darauf zu achten, dass es eine alte Ausgabe ist, die sich noch auf das „Gotteslob“ 1975

bezieht. Die neuen Ausgaben, die seit Erscheinen des „Gotteslob“ 2013 publiziert worden

sind, enthalten teilweise Kehrverse, die nicht im Gesangbuch „Eingestimmt“ stehen.

3.1.3 Halleluja und Verkündigung des Evangeliums

Es ist bereits erwähnt worden, dass das Halleluja kein Antwortgesang auf die zweite Lesung

ist. Es ist vielmehr dem Evangelium zuzuordnen. Das wird schon dadurch erfahrbar, dass die

Gemeinde sich dazu erhebt. Auch in schlicht gestalteten Gottesdiensten sollte darauf nicht

verzichtet werden – ebenso wenig wie auf das dazugehörige Zeremoniell179. Dazu tritt der

Priester vor den Altar, auf dem das Evangeliar liegt, und spricht leise ein

Vorbereitungsgebet180. Es ist das einzige Privatgebet, das noch in der deutschen alt-

katholischen Liturgie verblieben ist. Anschließend nimmt er das Buch und zeigt es der

Gemeinde. Das Buch symbolisiert in diesem Augenblick das Wort, das Fleisch geworden ist

und unter uns gewohnt hat, und wir haben seine Herrlichkeit geschaut… (Joh 1,14). Der

Lobpreis des Hallelujas hat im Evangeliar also einen Adressaten. Während die Gemeinde es

singt, trägt der Priester das Buch vom Altar zum Ambo.

Dort setzt sich fort, was mit dem Halleluja begonnen hat. Nach dem liturgischen Gruß, der

zugleich immer auch eine Vergewisserung der Gegenwart Christi inmitten seiner Gemeinde

ist (vgl. Joh 20,19-20), und der Ankündigung, aus welchem Evangelium nun gelesen wird,

177

Lektionar Eigentexte für das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Lesejahre A, B und C. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben von Bischof und Synodalvertretung, Bonn 2013, z.B. S. 13. 178

Ebd. S. 601-604. Die Seitenangabe in der Einführung auf S. XVI bezieht sich versehentlich noch auf das Eucharistiebuch 1995. 179

Anders ist dies selbstverständlich in Gruppengottesdiensten. 180

Eucharistiebuch S. 187. Die hier abgedruckte Version gilt für den Segen, um den die Diakonin den Leiter der Feier bittet. Verkündet er selbst das Evangelium, spricht er in abgewandelter Form: „Der Herr sei in meinem Herzen und auf meinen Lippen, damit ich sein Evangelium würdig verkünde. Im Namen des Vaters + und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“

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spricht die Gemeinde Christus, das fleischgewordene Wort, direkt an: „Ehre sei dir, o Herr!“

Und noch einmal am Ende: „Lob sei dir, Christus!“ Unter dem Gesang des Hallelujas trägt der

Priester anschließend das Evangeliar an einen für alle sichtbaren Ort: Was gerade verkündigt

wurde, bleibt in der Versammlung; in ihr will es lebendig und erfahrbar werden, ebenso wie

Christus in ihr verbleiben will (vgl. Mt 28,20).

Ist eine Diakonin anwesend, fällt ihr die Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums zu. Das

Zeremoniell bleibt dabei das gleiche – mit einer Ausnahme: Zu Beginn des

Verkündigungsaktes tritt die Diakonin nicht vor den Altar, sondern vor den Leiter der Feier

und bittet ihn um den Segen. Dies geschieht, während die Orgel das Halleluja intoniert und

die Gemeinde sich erhebt. Auch die Erteilung des Segens ist praktisch gesehen ein privater

Akt zwischen der Diakonin und dem Leiter der Feier.

Bei festlichen Anlässen wird der Verkündigungsakt entsprechend ausgestaltet.

Ministrantinnen mit Leuchtern begleiten die Prozession vom Altar zum Ambo und nach der

Verkündigung vom Ambo an den Aufbewahrungsort des Evangeliars. Dort werden auch die

Leuchter abgestellt. Wenn Weihrauch verwendet wird, gehen die Weihrauchträger der

Prozession jeweils voraus. Das Einlegen des Weihrauchs erfolgt durch den Leiter an dessen

Platz; dies geschieht vor dem Segen für die Diakonin. Die Inzens des Evangeliars erfolgt durch

die Diakonin – nach dem liturgischen Gruß und der Ankündigung, aus welchem Evangelium

gelesen wird.

Während der österlichen Bußzeit gibt es kein Halleluja. Stattdessen wird ein anderer Ruf

gesungen. Im Gesangbuch „Eingestimmt“ finden sich für diesen Fall zwei Möglichkeiten (ES

217 und 218).

Das Halleluja (oder seine Entsprechung in der österlichen Bußzeit) kann von einem

biblischen Vers begleitet werden181. Dieser findet sich in den Lektionaren. Der Vers ist aber

ebenso in den bereits erwähnten Popularausgaben des römisch-katholischen Messbuchs

enthalten. Auch er wird vom Kantor vorgetragen, und auch dies geschieht in der Regel vom

Ambo aus. Der Kantor übernimmt selbstverständlich auch die Intonation des Hallelujas oder

eines anderen Rufs zum Evangelium. Der Inhalt des biblischen Verses stammt in den meisten

Fällen aus dem zu verlesenden Evangelium; er ist gleichsam als Einstimmung gedacht und

soll die Aufmerksamkeit der Liturgiefeiernden wecken. In selteneren Fällen ist er aber auch

anderen biblischen Schriften entnommen, wobei er stets Bezug nimmt auf das zu verlesende

Evangelium.

Manche Halleluja-Rufe im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind für eine Kombination mit dem

biblischen Vers nicht geeignet. Das gilt insbesondere für das Halleluja ES 207, das eigentlich

ein Lied ist und im Grunde beides umfasst: Ruf und Vers. Wird diese Möglichkeit gewählt,

sollte die Strophe 1 immer die entsprechend des jeweiligen Feieranlasses ausgewählte

Strophe umrahmen. Nach Verkündigung des Evangeliums wird nur noch die Strophe 1

gesungen. 181

Eucharistiebuch S. 187.

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Für die Gestaltung des Verkündigungsaktes ist die Mitwirkung der Organistin nicht

unerheblich. Soll das Evangelium als Höhepunkt des Wortgottesdienstes erfahren werden,

hat die Orgel hier einen wichtigen liturgischen Part. Nach dem Vortrag der zweiten Lesung

und einer kurzen Zeit der Besinnung ist es Sache der Orgel, den Höhepunkt anzukündigen.

Dies geschieht mit einer festlichen Intonation des Hallelujas, bei der sich die Mitfeiernden

automatisch erheben. Ebenso ist darauf zu achten, dass die Prozessionen nicht in Stille

verlaufen, nur weil das Halleluja bereits gesungen ist. Es liegt in der Verantwortung der

Organistin, die jeweilige Stimmung zu erhalten, indem sie an das gesungene Halleluja einen

festlichen Abschluss anschließt. Dies gilt vor allem nach der Verkündigung, wenn das

Evangeliar zum Aufbewahrungsort übertragen wird.

3.1.4 Prinzipien der Leseordnung

Für die Leseordnung182 gelten zwei Prinzipien: die lectio continua und die Auswahl nach

Themen. Das Prinzip der lectio continua wird an den Sonntagen der Lesereihe angewendet,

das thematische Prinzip an den Sonn- und Feiertagen der beiden Festkreise. Kontinuierlich

gelesen wird vor allem aus den synoptischen Evangelien. Entsprechend gibt es drei

Lesejahre:

A: Matthäus

B: Markus

C: Lukas

Da das Markus-Evangelium kürzer ist als die beiden anderen, wird es zwischen dem 16. und

dem 22. Sonntag durch eine lectio continua des Johannes-Evangeliums unterbrochen.

Eingefügt werden im Anschluss von Mk 6,34 Abschnitte aus Joh 6. Danach geht es mit Mk

7,1ff weiter. Ansonsten kommt das Johannes-Evangelium vor allem in den beiden

Festkreisen zur Geltung.

An den Sonntagen im Jahreskreis ist auch die zweite Lesung eine fortlaufende Lesung. Zum

Vortrag kommen Texte aus den meisten apostolischen Briefen; nicht berücksichtigt sind Tit,

1/2 Petr, 1/2/3 Joh und Jud. Schaut man sich die Texte beispielsweise der zweiten Lesung

genauer an – etwa die Lesungen aus Röm (2.-24. Sonntag der Lesereihe A) –, fällt auf, dass

nur ausgewählte und nicht alle Abschnitte des Briefes zum Vortrag kommen. Genauso ist es

auch mit den Evangelien. Schon in der alten Kirche war die lectio continua keine vollständige

Lesung einer biblischen Schrift, sondern es wurden daraus Abschnitte ausgewählt, die dann

nacheinander an den einzelnen Sonntagen gelesen wurden183.

182

Vgl. Einführung zum Eucharistiebuch, S. XV: „Die gemeinsame Leseordnung, die wir mit ungezählten Schwestern und Brüdern über die Grenzen unserer Kirche hinaus teilen, verbindet uns in einem gemeinschaftlichen Hör- und Lernprozess auf unserem Glaubensweg.“ 183

H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 176.

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Im deutschen alt-katholischen Bistum folgt man in der Regel dem Ordo Lectionum Missae

(OLM) der römisch-katholischen Kirche. Das hat vor allem praktische Gründe. Zum einen

lässt sich so auf die Lektionare und das Evangeliar der römischen Schwesterkirche

zurückgreifen, zum anderen stehen uns dadurch Hilfsmittel zur Gottesdienst- und

Predigtvorbereitung zur Verfügung. Darüber hinaus ist zu sehen, dass sich auch andere

Kirchen das Doppelprinzip – thematische Textauswahl in den Festkreisen, lecito continua an

den Sonntagen der festlosen Zeit – zu eigen gemacht haben. Schon aus diesem Grund

unterscheiden sich die Leseordnungen nur in einem geringen Maß.

Auch an den Wochentagen folgt das deutsche alt-katholische Bistum der Leseordnung der

römischen Schwesterkirche. Sie ist vom gleichen Prinzip geprägt wie die der Sonn- und

Festtage: In den Festkreisen herrscht das thematische Prinzip, in der festlosen Zeit das

Prinzip der lectio continua. Das Johannes-Evangelium ist auch hier den Festkreisen

zugeordnet, während in der festlosen Zeit ausgewählte Abschnitte aus den synoptischen

Evangelien in der Reihenfolge Mk, Mt, Lk nacheinander gelesen werden. Neben dem

Evangelium gibt es an den Wochentagen nur eine Lesung und den Psalm. In der festlosen

Zeit gilt auch für die Lesung das lectio-continua-Prinzip. Wegen der Fülle des Stoffes sind die

Lesungstexte auf zwei Lesejahre verteilt. Die Auswahl des Psalms ist an den Lesungen

orientiert. Dies gilt auch für Texte aus der neutestamentlichen Briefliteratur und aus Apg

sowie Offb.

„Einige Unterschiede im Verlauf des Liturgischen Jahres, aber auch Überlegungen im Hinblick

auf die (Miss-)Verständlichkeit einiger Perikopen haben die Liturgische Kommission 1998

veranlasst, für die betreffenden Sonn- und Festtage andere Texte als die im OLM

verwendeten auszuwählen“184. Diese sind im bereits erwähnten „Lektionar Eigentexte für

das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“ enthalten. Hinsichtlich der ersten

Gruppe, die die Unterschiede im Verlauf des Liturgischen Jahres betrifft, ist zu beachten:

Der Weihnachtsfestkreis endet nicht, wie in der römisch-katholischen (und der

anglikanischen) Kirche am Sonntag von der Taufe des Herrn, sondern nach

altkirchlicher Tradition am Fest der Darstellung des Herrn (2. Februar). Bis dahin

sollte deshalb auch die Weihnachtsdekoration in den Kirchen bestehen bleiben. Bis

dahin werden an den Sonntagen, auch wenn vom dritten Sonntag nach Epiphanie an

die Texte der Lesereihe vorgetragen werden, weiße Paramente verwendet. Die

Sonntage werden bis zum 2. Februar als „Sonntage nach Epiphanie“ bezeichnet.

Wenn nichts anderes vermerkt ist, wird an diesen Sonntagen die Epiphanie-Präfation

gesungen185.

Nach den beiden Weihnachtstagen folgen zwei Sonntage, die als erster und zweiter

Sonntag nach Weihnachten bezeichnet werden. Am ersten wird in der römischen

184

Lektionar Eigentexte (s.o. Anm. 177), S. 9. 185

Eucharistiebuch 2006, S. 217. Weil die Zahl der Sonntage nach Epiphanie unterschiedlich ist und vom 3. Sonntag nach Epiphanie an die Texte der Sonntage der Lesereihe verwendet werden, wird auf diese Präfation nicht eigens hingewiesen.

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Schwesterkirche das Fest der Heiligen Familie gefeiert, das erst im 19. Jahrhundert

eingeführt wurde und eher Frömmigkeitsaspekte im Blick hat – eine liturgische

Tradition liegt ihm nicht zugrunde. Die beiden Sonntage sind deshalb in der alt-

katholischen Leseordnung neu aufeinander abgestimmt worden. Im Zentrum stehen

Texte aus den Vorgeschichten des Matthäus- und Lukas-Evangeliums.

Der 1. Januar wird im deutschen alt-katholischen Bistum als Oktavtag von

Weihnachten und nicht als Hochfest der Gottesmutter Maria begangen. Auch dieses

Fest ist jüngeren Datums – es wurde 1931 eingeführt und zunächst am 11. Oktober

gefeiert. Nachdem das Bistum 2009 in Bonn die Namen-Jesu-Kirche übernehmen

konnte, wird am 1. Januar in Erinnerung an altkirchlichen Brauch auch der

Namensgebung Jesu gedacht und das Patrozinium unserer Kathedralkirche

begangen. Gleichwohl entsprechen die Lesungen dieses Tages dem OLM.

Altkirchliches Verständnis liegt auch der Auffassung zugrunde, im Epiphaniefest

Geburt, Taufe und Weinwunder von Kana als drei Aspekte (tria miracula) der

heilbringenden Manifestation der Gottheit Christi zu sehen186. Schon Thürlings hat

deshalb in Abweichung von der damaligen römisch-katholischen Leseordnung die

ersten beiden Sonntage nach Epiphanie als Entfaltung des Epiphaniefestes

verstanden und dem ersten Sonntag die Feier der Taufe Jesu, dem zweiten aber das

Gedächtnis der Hochzeit zu Kana zugeordnet187. Dieser Brauch besteht seitdem

ungebrochen fort188.

Im Osterfestkreis weichen vor allem die Lesungen der Osternacht vom OLM erheblich

ab. Einzelheiten sind in der Einführung des Lektionars Eigentexte erläutert189.

Bemerkenswert ist, dass alternativ zur Schöpfungserzählung aus Gen 1 auch die

Schöpfungserzählung aus Gen 2 gelesen werden kann (erste Lesung). Neu

aufgenommen ist als zweite Lesung die Geschichte von der großen Flut. Mit ihr sowie

der Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer (vierte Lesung) und den

Prophetentexten Jes 55 (fünfte Lesung), Ez 36 (sechste Lesung) und Ez 37 (siebte

Lesung) tritt der Aspekt der Taufe als das große Thema der Osternacht stärker in den

Vordergrund. In vielen Texten unterscheidet sich darüber hinaus die Versauswahl von

der des OLM.

Altkirchliche Tradition ist auch der Grund dafür, den Sonntag vom Guten Hirten am 3.

Sonntag der Osterzeit zu belassen, so wie dies viele andere Kirchen der Ökumene

praktizieren. Erst infolge der Liturgiereform des 2. Vaticanums hat die römisch-

katholische Kirche mit diesem Brauch gebrochen und den Sonntag vom Guten Hirten

auf den 4. Sonntag der Osterzeit verlegt. Dabei werden wohl ordnende Gründe eine

Rolle gespielt haben, denn an den ersten drei Sonntagen der Osterzeit werden im

186

Vgl. dazu das Lied 358 im Gesangbuch „Eingestimmt“. 187

Altarbuch 1888, S. 5f (Liturgisches Gebetbuch S. 45 und 47). 188

Altarbuch 1959, S. 28 und 31. 189

Ebd. S. 10.

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OLM ausschließlich Erzählungen über Begegnungen mit dem Auferstandenen

vorgetragen, während das Evangelium vom guten Hirten dann eine Reihe von Texten

aus dem Johannes-Evangelium eröffnet. Im deutschen alt-katholischen Bistum

wurden der dritte und vierte Sonntag der Osterzeit einfach umgetauscht. Die Reihe

der Begegnungserzählungen mit dem Auferstandenen ist somit bei uns

unterbrochen.

Die letzten (drei) Sonntage der Jahresreihe lenken den Blick der Liturgiefeiernden in

besonderer Weise auf die sogenannten letzten Dinge (έ) und die Vollendung

der Schöpfung. Höhepunkt ist dabei der Sonntag vom Wiederkommenden Herrn (=

34. Sonntag). Dieses Thema klang auch in der Leseordnung der tridentinischen Messe

am letzten Sonntag nach Pfingsten an. Ebenso wurde in den 1877 und 1959

erweiterten Leseordnungen daran festgehalten. Im Rahmen der Neuordnung der

Eucharistie in den 1980er Jahren wurde dieser Sonntag dann expressis verbis so

genannt: Sonntag vom Wiederkommenden Herrn. Auch die römisch-katholische

Kirche hat in der Liturgiereform an diesem Brauch festgehalten, ihn aber mit dem

1925 eingeführten Christkönigsfest verknüpft, das anfangs am letzten

Oktobersonntag begangen wurde. Die Alt-Katholiken haben dieses Fest, das wie das

Hochfest der Gottesmutter Maria aufgrund päpstlichen Dekrets anlässlich eines

Konzilsjubiläums eingeführt wurde, nicht übernommen190. Die Leseordnung

unterscheidet sich dort von der römisch-katholischen, wo diese das Königsmotiv

Christi herausstellt.

Statt des Hochfestes Mariä Aufnahme in den Himmel, das aufgrund der

Dogmatisierung der ihm zugrunde liegenden Lehre durch Pius XII. 1950 im

Festkalender der römisch-katholischen Kirche Bedeutung erlangte – gefeiert wird es

in der römischen Kirche bereits seit dem 7. Jahrhundert –, begehen die Alt-Katholiken

am 15. August den Gedenktag vom Heimgang Mariens. Thürlings überschreibt diesen

Tag „Am Feste Mariae, der Mutter unseres Herrn, 15. August, und an anderen

Marientagen“191. Ähnlich ist auch im Altarbuch 1959 allen Marien-„festen“ ein

gemeinsames Formular gewidmet. Hinsichtlich der biblischen Lesungen werden dann

aber die Anlässe Mariä Verkündigung (25. März), Mariä Heimsuchung (2. Juli), Mariä

Heimgang (15. August) und Mariä Geburt (8. September) unterschieden. Das

Eucharistiebuch 1995/2006 beinhaltet nun für jeden dieser Gedenktage ein eigenes

Formular. Der 25. März ist darin allerdings umbenannt in „Verkündigung des Herrn“

und scheidet damit aus der Reihe der Marientage aus192. Gegenüber dem OLM

besteht am 15. August eine andere Textauswahl. Die biblischen Texte für die übrigen

190

Das Christkönigsfest wurde anlässlich der 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nicäa eingeführt, das Hochfest der Gottesmutter Maria anlässlich der 1500-Jahr-Feier des Konzils von Ephesus. In beiden Fällen war Pius XI. die treibende Kraft. 191

Altarbuch 1888, S. 50 (Liturgisches Gebetbuch S. 227). 192

Ähnlich hat Thürlings schon das Fest Mariä Lichtmess (oder Reinigung) am 2. Februar in „Tempelfest unseres Herrn“ umbenannt (Altarbuch 1888 S. 49/Liturgisches Gebetbuch S. 217). Im Altarbuch 1959 findet sich schließlich die Überschrift „Fest der Darstellung Jesu“ (ebd. S. 35).

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Gedenktage entsprechen denen der römischen Schwesterkirche und sind im

Liturgischen Kalender unseres Bistums angegeben.

Zur zweiten Gruppe, die die (Miss-)Verständlichkeit einiger Perikopen betrifft, sei auf die

Erläuterungen in der Einführung des Lektionars Eigentexte verwiesen193. Wenn man

insbesondere hinsichtlich der lectio continua das Konzept des OLM betrachtet, erscheinen

die alt-katholischen Vorschläge allerdings bisweilen wenig elegant. So sehr sie auch um ein

besseres Verständnis bemüht sind, so wenig scheinen sie interessiert zu sein am Prinzip der

lectio continua, das durch die Auswahl in einigen Fällen unterbrochen wurde. Besser

gelungen ist dies in der Leseordnung der Wochentage. Hier wurde innerhalb der jeweiligen

biblischen Schrift nach einer alternativen Versauswahl gesucht.

Offiziell publiziert ist die im deutschen alt-katholischen Bistum geltende Leseordnung im

Liturgischen Kalender, der im jeweiligen Alt-Katholischen Jahrbuch erscheint194. Dort sind

auch die entsprechenden Lesejahre sowohl für die Texte der Sonn- und Festtage als auch für

die der Wochentage angegeben195. Außerdem wird für das tägliche Gebet und die

Schriftlesung das „Te Deum“ empfohlen196, ein nach dem Zeitschriftenprinzip als Abo

beziehbares handliches Heft für das „Stundengebet im Alltag“, das seit mehr als zehn Jahren

monatlich von der Benediktinerabtei Maria Laach und dem Verlag Katholisches Bibelwerk

herausgegeben wird197. Das Heft enthält jeweils auch Hinweise auf das alt-katholische

Gesangbuch „Eingestimmt“ und das christkatholische Gesangbuch der Schweiz. Überdies

werden gelegentlich alt-katholische Beiträge abgedruckt198. Auch wenn im Te Deum die

biblischen Texte der Wochen- und der Sonn- und Festtage unter dem jeweiligen Datum

abgedruckt sind, empfiehlt sich der tägliche Blick in den Liturgischen Kalender des Jahrbuchs.

Die dort angegebenen Schriftstellen berücksichtigen die alt-katholische Leseordnung und

kennzeichnen Abweichungen durch das Symbol an Sonn- und Festtagen und durch [ ] an

Wochentagen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht jedes Fest und jeder Gedenktag

des römischen Kalenders in den alt-katholischen Kalender übernommen wurde. In solchen

Fällen wird bei uns die lectio continua fortgesetzt, während sie im römischen Kalender

unterbrochen wird. An den Sonntagen gilt im alt-katholischen Bistum außerdem die eiserne

Regel, dass deren Feier „weder durch Texte von Heiligengedenktagen noch durch

‚Motivmessen‘ oder thematische Gottesdienste ersetzt werden dürfen“199. Im Unterschied

zur Praxis der römisch-katholischen Kirche kann bei uns ein Fest wie das Geburtsfest

Johannes des Täufers (24. Juni) oder ein Apostelfest wie Peter und Paul (29. Juni), nicht

193

Ebd. S. 9-10. 194

Im Internet ist er unter http://www.alt-katholisch.de/information/liturgie/liturgischer-kalender.html abrufbar. 195

Im aktuellen Jahrbuch 2017 finden sich diese Angaben auf S. 4. 196

Ebd. S. 30. 197

Te Deum. Das Stundengebet im Alltag, Klosterverlag Maria Laach, Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart. Zu beziehen über die Verlage. 198

So z.B. in der Ausgabe September 2017 eine Predigt von Bischof Matthias Ring über Mt 16,13-20, ebd. S. 313-316. 199

Eucharistiebuch 2006, Einführung, S. XVIII.

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einmal das Fest der Verklärung des Herrn (6. August), sollte es auf einen Sonntag fallen, die

Liturgie des Sonntags verdrängen.

3.2 Die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde

In drei Elementen kommt die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde auf das gehörte Wort

Gottes zum Ausdruck: Im Glaubensbekenntnis, in den Fürbitten und im Friedensgruß.

Einschränkend sei allerdings gesagt: Zwei dieser Elemente sind variabel. Das

Glaubensbekenntnis entfällt an Wochentagen200 und der Friedensgruß kann auch innerhalb

des Kommunionteils ausgetauscht werden201. Andererseits sprechen zwei Gründe für die

Praxis, den Friedensgruß an die Stelle nach den Fürbitten vorzuziehen: Erstens ist dieser

Platz der am häufigsten bezeugte202 und zweitens wird so der Kommunionteil entlastet, was

diesem letztlich eine stärkere Transparenz verleiht203.

3.2.1 Glaubensbekenntnis

Das Glaubensbekenntnis hat seinen klassischen Sitz im Leben im Umfeld der Taufe. Von

daher ist es auch trinitarisch strukturiert: Ich glaube an Gott, ich glaube an Jesus Christus

und ich glaube an den Heiligen Geist. In die Eucharistiefeier wurde es zunächst im Osten

aufgenommen; dort ist ein Gebrauch in jeder Eucharistiefeier für das 6. Jahrhundert

bezeugt204. In den Westen kam es noch im selben Jahrhundert über Spanien und das

Frankenreich; auch hier sollte es in jeder Eucharistiefeier gesprochen werden205. In Rom

kannte man diesen Brauch nicht und befand ihn auch nicht für nötig, da die römische Kirche

niemals vom Irrtum berührt worden sei, wie Kleriker Kaiser Heinrich II., als er 1014 nach Rom

kam, erläuterten. Doch schließlich war er es, der Benedikt VIII. dazu bewegen konnte, diese

Haltung zu verändern. Allerdings hielt die Einsicht nicht lange an, denn Zeugnisse aus der

zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts berichten von einer Einschränkung auf die Sonntage und

auf jene Festtage, die im Symbolum erwähnt werden, wobei damit nicht nur Weihnachten,

Ostern und Pfingsten gemeint sind, sondern auch Marien- und Apostelfeste, Allerheiligen

und Kirchweih und später noch die Kirchenlehrer206.

Motiviert ist das Rezitieren des Credos zunächst, um die Gläubigen vor Glaubensirrtümern zu

bewahren. Texte wie das sogenannte Nicänum-Konstantinopolitanum wurden dazu als

200

Eucharistiebuch 2006, S. 189. 201

Ebd. S. 191. 202

Z.B. Iust. 1 apol. 65,1f: „(1) Nachdem wir den so getauft haben, der zum Glauben gelangt ist und sich uns angeschlossen hat, führen wir ihn in die Versammlung derer, die sich Brüder nennen, und verrichten dann in Andacht gemeinsame Gebete für uns selbst und für den Erleuchteten und für alle anderen, die sich all überall befinden (…) (2) Wenn wir die Gebete beendet haben, begrüßen wir einander mit dem heiligen Kuss.“ 203

Siehe Skript Grundlagen II. 204

J. A. Jungmann, Bd. I (s.o. Anm. 117), S. 576f. 205

Ebd. S. 578f. 206

Ebd. S. 579f.

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besonders geeignet empfunden, wobei diese Bezeichnung irreführend ist, denn der uns

geläufige Text findet sich weder in den Konzilstexten von Nicäa noch in denen von

Konstantinopel207. Dagegen tauchen Teile des Textes im Ancoratus des Epiphanios von

Salamis (um 315-403) auf, einer Schrift gegen den Arianismus, und in den Taufkatechesen

Cyrills von Jerusalem (313-386)208. Spätestens aber durch das Hin und Her in der römischen

Kirche kam noch ein weiteres Motiv dazu: das der Feierlichkeit. Doch darf dabei nicht das

Auswahlprinzip quorum in symbolo fit mentio übersehen werden, das immerhin eine innere

Beziehung zum Inhalt des Credos herstellte, sodass am Ende ein gutes Mittelmaß „zwischen

der am Anfang stehenden kämpferischen Beteuerung des rechten Glaubens und der Gott

zugewandten Innerlichkeit des Gebetes“ gewonnen wurde209.

Von dieser Entwicklung her gesehen war das Credo ein Text, den die Gemeinde zu sprechen

hatte. Das war allerdings eine starke Herausforderung, zumal dies im Westen in lateinischer

Sprache zu geschehen hatte. Dabei kannten die hiesigen Gläubigen bereits ein

Glaubensbekenntnis, das einfacher und kürzer war: das sogenannte Apostolische

Glaubensbekenntnis, das ihnen in der Volkssprache geläufig war. Darüber hinaus nun noch

einen weiteren Text auswendig lernen zu müssen, noch dazu in einer fremden Sprache,

erwies sich als schwieriges Unterfangen, sodass sich bald ein Kompromiss abzuzeichnen

begann, nämlich die Gläubigen das ihnen geläufige Symbolum sprechen zu lassen210. Im

Osten war das eben das Nicänum-Konstantinopolitanum und im Westen das Apostolikum211.

Durchsetzen konnte sich diese Lösung jedoch nicht. Erst im 20. Jahrhundert ist es üblich

geworden, das Apostolikum in sogenannten Gemeinschaftsmessen zu sprechen. Auch im

deutschen römisch-katholischen Messbuch wird an erster Stelle das Nicänum-

Konstantinopolitanum genannt; alternativ kann das Apostolikum gesprochen werden212.

Nicht sehr viel anders ist dies in den Altarbüchern 1888 und 1959. Während 1888 für den

Fall, dass das Credo gesungen werden soll, das Apostolikum verwendet wird213, ist 1959

keine Alternative vorgesehen214. Eine Umkehrung erfolgt dann in „Die Feier des

Gottesdienstes“215 und dementsprechend im Eucharistiebuch 1995/2006, wo jeweils zuerst

das Apostolikum und dann das Nicänum-Konstantinopolitanum genannt ist. In „Die Feier des

Gottesdienstes“ ist zudem festgelegt, wann das Glaubensbekenntnis in die Eucharistiefeier

eingefügt werden soll: „An Sonn-, Fest- und Aposteltagen“216.

207

Ebd. S. 569-572. 208

Ebd. Dort sind auch die Texte bei Epiphanios und Cyrill zitiert. 209

Ebd. S. 580. 210

Ebd. S. 582. 211

Laut Jungmann, ebd. S. 582, muss es allerdings offen bleiben, ob das Apostolikum dann in der Volkssprache oder lateinisch gesprochen wurde. Für den Osten ist verschiedentlich die Volkssprache bezeugt. 212

Ebd. (s.o. Anm. 128) S. 341. 213

Ebd. S. 22 (Liturgisches Gebetbuch S. 113-115). 214

Ebd. S. 85f und S. 99. 215

Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 20-22. 216

Ebd. S. 10. Dagegen heißt es im Eucharistiebuch 1995/2006: „Das Glaubensbekenntnis entfällt an Wochentagen“ (EB 2006, S. 189).

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Während das Credo im Osten bevorzugt gesprochen wurde, zeichnet sich für den Westen

vom 10. Jahrhundert an eine Entwicklung zum Gesang ab. Mit diesem war aber der Klerus

beauftragt; da und dort beantwortete das Volk den Klerikergesang mit einem

Volksgesang217. Für den Gesang enthalten die Handschriften meist nur eine Melodie – im

Unterschied zu den anderen Gesängen des Ordinariums. Sie ist in der Regel einfach gestaltet

und oft auf zwei Chöre verteilt, die sich gegenseitig zusingen. Allerdings stößt man sich auch

an dieser Aufteilungspraxis, „da jeder den ganzen Glauben bekennen müsse“218. Trotzdem

hat sie sich – zumindest für den Gesang – durchgesetzt. Im Altarbuch 1959 ist ein Gesang

nicht vorgesehen, zumindest gibt es diesbezüglich keine Anweisungen. Aber eine Aufteilung

des zu sprechenden Textes ist vorgesehen – im Unterschied zum Altarbuch 1888. Auch in

„Die Feier des Gottesdienstes“ und folglich im Eucharistiebuch 1995/2006 erscheint das

Nicänum-Konstantinopolitanum in einer Aufteilung zwischen V und A, wobei nicht mehr P

beginnt, sondern A und die Anfangsworte nicht mehr „Ich glaube an den einen Gott“,

sondern „Wir glauben an den einen Gott“ lauten. Diese Umformulierung ist im Osten schon

für die Anfangszeit des Credos in der Eucharistiefeier bezeugt219. Für den Gesang eignen sich

ES Nr. 219-222 oder ein Credolied (ES Nr. 223-226)220.

Nicht allen Liturgiefeiernden geht das Glaubensbekenntnis in den beiden vorgesehenen

Formen leicht von den Lippen. Manche sehen diese Texte als nicht mehr zeitgemäß an oder

verstehen sie schlichtweg nicht. Diesem Umstand dadurch zu begegnen, dass man das

Glaubensbekenntnis weglässt oder durch zeitgemäßere Texte ersetzt, ist nicht im Sinne der

liturgischen Ordnung. Besser ist es, in eigenen Erwachsenenbildungsveranstaltungen

Zugänge zu den beiden überlieferten Texten zu ermöglichen. In der liturgischen Feier

dagegen geht es um den Glauben der Kirche, dem sich die deutschen Alt-Katholiken

gemeinsam mit vielen anderen Kirchen der Ökumene verpflichtet wissen221. Er ist die

Grundlage für das Taufbekenntnis; das Credo der Eucharistiefeier ist als wöchentlich

wiederkehrende österliche Tauferneuerung zu sehen, mit dem die Liturgiefeiernden auf das

Glauben weckende Wort Gottes antworten.

3.2.2 Fürbitten

Während das Credo im Abendland nur an Sonn- und Festtagen in die Eucharistie-Liturgie

eingefügt wird, stellen Fürbitten und Friedensgruß schon seit frühester Zeit die

Antwortelemente auf das gehörte Wort Gottes dar222. Hinsichtlich der Fürbitten gilt das

gleichermaßen auch für andere Gottesdienstformen (z.B. Morgen- und Abendlob). Selbst in

217

Jungmann, ebd. S. 582f, verweist auf Wilhelm Bäumkers Untersuchung „Das katholische deutsche Kirchenlied“; Bäumker hält das vorreformatorische Lied „Wir glauben all‘ an einen Gott“ für ein Antwortlied auf das zuvor von einer Klerikerschola gesungene Credo. 218

Jungmann, ebd. S. 583. 219

Jungmann, ebd. S. 578. 220

Eucharistiebuch 2006, S. 191. 221

Vgl. § 1 SGO. 222

Jungmann, Bd. I, S. 592-605. Zum Friedensgruß siehe auch: Ders., Bd. II (s.o. Anm. 117), S. 389-403.

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der Unterweisung der Katechumenen ist üblich: Zuerst die Unterweisung, dann das Gebet.

Bezeichnet wird dieses Gebet unterschiedlich. Cyprian nennt es communis oratio223 („Gebet

der Gemeinde“ oder auch „allgemeines Gebet“), in ägyptischen Liturgien begegnet der

Terminus „Gebet nach dem Aufstehen von der Homilie“224, Augustinus deutet es mit der

Formel Conversi ad Dominum („Zugewandt zum Herrn“) an, mit der er eine große Anzahl

seiner Predigten abschließt. Vielerorts wird es aber auch nach seinem Stellenwert benannt,

ist es doch laut Justin225 das erste, woran die Neugetauften teilnehmen, wenn sie in die

Versammlung der Gläubigen geführt werden: oratio fidelium (Gebet der Gläubigen). Die

Handhabung, die sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, ist regional unterschiedlich: Mal

wird zunächst für die Katechumenen gebetet, die dann vom Bischof entlassen werden,

während in einem zweiten Gebet in allen anderen Anliegen der Gläubigen gebetet wird, mal

dürfen die Katechumenen während der Oratio fidelium auch bleiben, sich aber nicht daran

beteiligen226.

Vorstellen muss man sich dieses Gebet in seiner ältesten Gestalt ähnlich wie die klassische

Form der Karfreitagsfürbitten227. Demnach fordert der Bischof jeweils zum Gebet auf,

während die Gemeinde respondiert. Später kommt zu den einzelnen Gebetsaufforderungen

jeweils eine Oration hinzu, die ebenfalls vom Bischof gesprochen wird. Die Anweisungen wie

„Steht auf zum Gebet!“ oder „Beuget die Knie! Erhebet euch!“ werden Aufgabe des Diakons.

Daraus entwickelt sich schließlich die Praxis, dass auch die Gebetsaufforderungen vom

Diakon übernommen werden. In der Folge nehmen diese immer mehr die Gestalt einer

Litanei an und werden von der Gemeinde mit einem „Kyrie eleison“ beantwortet. Die

Oration dagegen ist Sache des Vorstehers.

Inhaltlich werden Anliegen aller Art genannt: „Friede in der Welt, Gedeihen der Felder,

Heimatland und Stadt oder das eigene Kloster, die Kranken, die Armen, Witwen und Waisen,

die Reisenden, die Wohltäter der Armen und des Gotteshauses, die Seelenruhe der

Verstorbenen, Verzeihung der Sünden, ein ungestörtes Leben, ein christliches Ende“228.

Nicht auf alle Gebetsimpulse folgt eine Oration des Vorstehers. Deshalb ist diese dann auch

jeweils allgemeiner gehalten, und sie hat eine gewisse gliedernde Funktion. Vielfach sind es

drei Glieder, die begegnen: Bei Augustinus z.B. für die Ungläubigen, für die Katechumenen,

für die Gläubigen oder in Ägypten um den Frieden der Kirche, für Bischof und Klerus, für die

ganze Kirche und die gegenwärtige Versammlung.

223

Cypr. domin. or. 3. 224

Euchologion Serapions 2. 225

Iust. 1 apol. 65,1. 226

In der byzantinischen Liturgie begegnet die Zweiteiligkeit des Fürbittgebets bis heute. Nach dem Gebet für die Katechumenen folgt zunächst mit dem vom Diakon mehrfach vorgetragenen Ruf „Alle Katechumenen, geht hinaus!“ deren Entlassung, erst dann folgt das Gebet der Gläubigen. Vgl. Die Göttliche Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomos. Übersetzt und erläutert von Anastasios Kallis, Münster (Theophano Verlag) 2004, S. 78. 227

Eucharistiebuch 2006, S. 80-84. 228

Jungmann, Bd. I, S. 594f.

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Lange hat es in der abendländischen Kirche nach Lesungen und Predigt kein Fürbittgebet

gegeben. In der römischen Messe ist dies schon seit Mitte des 6. Jahrhunderts der Fall,

„möglicherweise deshalb, weil sich die erwähnte Litanei samt den damit verbundenen

Kyrierufen zum Begleitgesang für Prozessionen weiterentwickelt hat, die u.a. auch vor der

Messfeier stattfanden“229. Allerdings sind Spuren des Gebets erhalten geblieben, etwa in der

Gebetsaufforderung „Oremus“ nach der Predigt oder dem Glaubensbekenntnis, wie sie bis in

die Tridentinische Messe hinein üblich war und so auch in das Altarbuch 1888 übernommen

wurde, oder in den Kyrierufen, wie sie bis zum 2. Vaticanum in der Mailänder Liturgie

gepflegt wurden. In der zweiten Ordnung der Hl. Messe des Altarbuchs 1959 änderte sich

das dann: Hier wird schon einige Jahre vor der Liturgiekonstitution des 2. Vaticanums Raum

gegeben für Fürbitten; es wird aber noch nicht darauf bestanden230. Die Gestalt des Gebets

ist schlicht: Der Priester trägt eine Reihe von Gebetsimpulsen vor, auf die die Gemeinde mit

dem Ruf „Wir bitten dich, erhöre uns!“ antwortet. Fester Bestandteil der Eucharistiefeier

werden die Fürbitten dann in „Die Feier des Gottesdienstes“231. Dort ist geregelt, dass das

Gebet von P eingeleitet und abgeschlossen wird, während die Einzelbitten von Mitfeiernden

gesprochen werden. Nach jeder Bitte soll eine kurze Stille zum Bedenken eingeräumt

werden, dann sind zunächst eine Einleitung und schließlich der Antwortruf vorgesehen. Das

Gesangbuch „Eingestimmt“ gibt als Rollenbuch der Gemeinde drei Beispiele vor232:

V/P Christus, höre uns!

A Christus, erhöre uns!

oder:

V Gott, unser Vater!233

A Wir bitten dich, erhöre uns!

oder:

V Lasset zum Herrn uns beten:

A Herr, erbarme dich! Christus, erbarme dich! Herr, erbarme dich!

Die Beispiele eins und drei setzen voraus, dass das Gebet an Christus gerichtet ist. Erkennbar

wird dies vor allem in der Einleitung und in der abschließenden Oration.

Im Unterschied zur ersten Auflage des Eucharistiebuchs von 1995 ist in der dritten Auflage

von 2006 auch die in der alten Kirche praktizierte Form möglich, dass die Einzelbitten von D

vorgetragen werden. Einige Gemeinden haben diese Möglichkeit zugunsten der 229

H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 177. Meyer verweist hier auch auf eine Untersuchung Paul De Clercks hin (La „prière universelle“ dans les liturgies latines anciennes. Témoignages patristiques et textes liturgiques. LQF 62, Münster 1977), in der die Auffassung Jungmanns, die Interzessionen des Eucharistiegebets seien sozusagen das dorthin abgewanderte Allgemeine Gebet, stark in Frage gestellt wird. 230

Altarbuch 1959, S. 99. 231

Ebd. S. 10 und S. 22f. 232

ES Nr. 7-9. 233

Statt der ausschließlich männlichen Gottesanrede wird heute meist gesagt: „Gott, Quelle des Lebens!“ Vgl. Die Feier der Bestattung, S. 194-197.

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Gemeindebeteiligung dahingehend weiterentwickelt, dass D Einleitung und Schlussoration

übernimmt. Unglücklich an dieser Form ist jedoch, dass D hier eine Leitungsaufgabe

übernimmt, die in der Eucharistiefeier allein B oder P zukommt.

Der Antwortcharakter der Fürbitten auf das gehörte Wort Gottes kommt durch die

inhaltliche Ausrichtung einzelner Fürbitten auf die Lesungen und die Predigt zum Ausdruck.

Auch Einleitung und Schlussoration können darauf Bezug nehmen. Es empfiehlt sich deshalb,

die Fürbitten nach Möglichkeit selbst zu formulieren. Dabei ist in letzter Zeit das Vorbild

ostkirchlichen Betens leitend geworden, wonach die Einzelbitten nur einen Impuls (und nicht

auch eine konkrete Bitte) beinhalten. Formal schließt sich in der Ostkirche dann sogleich die

Antwort der Gemeinde an. Sinnvoll ist es aber, auf den Gebetsimpuls eine Stille folgen zu

lassen, in der die Mitfeiernden persönlich weiterbeten können. Dies entspricht auch der in

den Karfreitagsfürbitten bezeugten römischen Tradition. Erst dann wird die Gemeinde durch

den Einleitungsruf zur Antwort aufgefordert.

3.2.3 Friedensgruß

Nach dem Zeugnis Justins ( um 165 in Rom) „begrüßen“ sich die Eucharistiefeiernden,

sobald sie das Fürbittgebet beendet haben, „mit dem heiligen Kuss“234. Wenn es seit dem

Eucharistiebuch 1995 möglich ist, den Friedensgruß auch an dieser Stelle auszutauschen235,

entspricht das also gut bezeugter altkirchlicher Tradition236. Allerdings ist – z.B. bei

Augustinus237 – auch die Variante eines Austauschs im Kommunionteil schon früh bezeugt.

Das gilt außerdem für die römische Liturgie238. Doch ist dies eher die Ausnahme; die meisten

Liturgien kennen einen Austausch des Friedenskusses nach den Fürbitten, also am Ende des

Wortgottesdienstes. Er gehört damit zu den Antwortelementen auf das gehörte Wort

Gottes. Tertullian (or. 18) nennt den Friedenskuss das signaculum orationis; man solle damit

das gemeinsame Gebet beschließen, selbst wenn man einen Fasttag hält; nur an öffentlichen

Fasttagen entfällt der Kuss, der ja auch ein Ausdruck der Lebensfreude ist239.

Dem Eucharistiebuch nach gehören zur Gestalt des Friedensgrußes eine biblische Einleitung

(fakultativ), der Gruß selbst mit der schon 1888 (1885) geprägten Antwort der Gemeinde

„Friede mit uns allen!“ und der Austausch mit der von D vorgetragenen Aufforderung „Gebt

einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung“240. Die vorgegebenen vier

Einleitungsbeispiele sollen über ihre Einleitungsfunktion hinaus auch dazu verhelfen, die

234

1 apol. 65,2. Hier zitiert aus H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 101. 235

In „Die Feier des Gottesdienstes“, ebd. (s.o. Anm. 5), S. 12, erfolgt der Friedensgruß noch ausschließlich im Kommunionteil der Feier. 236

J. A. Jungmann, Bd. II, S. 390; J. H. Emminghaus, ebd. (s.o. Anm. 127), S. 267, H. B. Meyer, ebd. (s.o. Anm. 74), S. 118. 237

Serm. 227. 238

OR I, 18. 239

Jungmann, Bd. II, S. 390. Weitere Zeugen: Orig. Hom. in Rom. 10,33; TrAp. Dass der Austausch des Friedenskusses auch entfallen kann, bezeugen außerdem OR ant. und GeVe 40. 240

Eucharistiebuch 2006, S. 191f.

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Gefahr einer weiteren Ansprache zu vermeiden241. Eine weitere Gefahr ist dadurch gegeben,

dass der Austausch des Friedensgrußes in den überschaubaren Gemeinden unseres Bistums

zu einem Fest der Umarmungen ausartet242. In der Einführung zum Eucharistiebuch wird

deshalb darauf hingewiesen, dass es die Gemeinschaft empfindlich stört, „wenn

Unterschiede in der Herzlichkeit des Austausches gemacht oder wenn manche Mitfeiernde

durch allzu intensive Umarmungen überfordert werden“243.

3.2.4 Dramaturgie des Antwortteils im Wortgottesdienst

Der Antwortteil im Wortgottesdienst hat, gemessen an der Verklärungsgeschichte Mt 17,1-9,

die Bedeutung eines Abstiegs in die Lebensrealität. Dem entsprechend kommt den Fürbitten

in diesem Teil besondere Bedeutung zu. Angesichts dessen, was die liturgiefeiernde

Gemeinde in den biblischen Lesungen als frohe und befreiende Botschaft vernommen hat,

hält sie dem Gott des Heils ihre Lebenswirklichkeit und die der Welt hin. Sie tut es im

Bewusstsein der Mitverantwortung, die dem Menschen in der Schöpfung gegeben ist (vgl.

Gen 1,26). Die im Matthäus- und Lukas-Evangelium ausgesprochene Aufforderung „Bittet

und es wird euch gegeben“ (Mt 7,7; Lk 11,9) ist vor dem Hintergrund eines Gottvertrauens

zu sehen, das in den biblischen Lesungen aufgebaut und gestärkt wird. Der Antwortcharakter

der Fürbitten hat also verschiedene Facetten. Zum einen werden darin Themen aus dem

Wortgottesdienst aufgegriffen, was bedeutet: Die Gemeinde geht mit der gehörten

Botschaft um. Zum anderen erfahren sich die Hörerinnen und Hörer als zu verantwortlichem

Handeln Gerufene, dem sie aber nur in tiefer Verbundenheit mit Gott gerecht werden

können.

Geht den Fürbitten das Glaubensbekenntnis voraus, ist dies im Sinne einer

Taufvergegenwärtigung zu sehen. Insbesondere geht es darum, sich der in der Taufe

empfangenen Berufung bewusst zu werden, wie sie im Taufbekenntnis umschrieben ist. Das

Glaubensbekenntnis stellt also den Auftakt in Richtung Fürbitten dar; der Akzent liegt

letztlich auf ihnen.

Ähnliches gilt für den Friedensgruß. Hier ist der Gedanke Tertullians hilfreich, darin die

Besiegelung des vorausgehenden Gebetes zu sehen, d.h. dem Gebet abschließend noch ein

Zeichen hinzuzufügen, das in Richtung Reich Gottes, in Richtung des Schalom, weist. Der

Friedensgruß ist, so gesehen, den Fürbitten zugeordnet; er bringt sie zum Abschluss. So sind

die Fürbitten – in Verbindung mit dem Friedensgruß – das zentrale Antwortelement im

Wortgottesdienst, an Sonn- und Festtagen verstärkt durch das Glaubensbekenntnis. Bei der

Gottesdienstgestaltung gilt es, dies zu beachten.

Joachim Pfützner

241

Vgl. Eucharistiebuch 2006, S. XVI. 242

Vgl. dazu die Beiträge von Stephan Neuhaus-Kiefel, Warum knutscht ihr so gerne? und von Georg Reynders, Friede mit uns allen, in: Christen heute 55 (2011), S. 47f. und die darauf folgenden Leserbriefe S. 69f. 243

Ebd. S. XXI.