MONO/d Kidswest Bundesrat

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Werkprozess mit Kindern; Text von Konrad Tobler; Teil der 20-teiligen Monogrgafie von Haus am Gern

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1994

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KIDSWEST BUNDESRAT

2009Werkprozess mit Kindern; Postkarte A5

Interventionen «hierundort», kidswest.ch, Projektleiterin Meris,

Tscharnergut Bern

Haus am Gern wurde im Früh jahr 2009 von der

«kunstWerkstatt kidswest.ch» zur Realisierung

eines Projektes eingeladen. Zeitgleich lancierte

die rechtsge richtete Schweizerische Volkspar­

tei SVP ein Plakat zur Volksabstimmung über die

Personenfreizügigkeit für Bulgarien und Rumä­

nien. Auf dem Plakat waren riesige schwarze

Ra benvögel zu sehen, die Stücke aus der kleinen

Schweiz heraushackten – was die politisch sen­

si blen «kidswest»­Kinder, alle mit Migrations­

hintergrund, enorm (ver­)störte. Haus am Gern

beschloss, mit den Kindern eine Reise von unten

nach ganz oben anzutreten – und mit mit ihnen

das offizielle Bundesrats­Foto 2009 nach zu­

stellen.

Dank der Unterstützung des Eidgenössischen Fi­

nanzdepartementes EFD, des Bundespräsiden ten

2009 Hans­Rudolf Merz, des Fotografen Michael

Stahl und Daniel Dufaux vom Bun des hausstudio

konnte das Foto mit den Kindern exakt am glei­

chen Ort und unter gleichen Be din gungen wie

das Original nachgestellt werden.

Die Postkarte mit dem KIDSWEST BUNDES RAT

wurde schweiz weit verteilt.

Der KIDSWEST BUNDESRAT 2009 sind Alberta

(8, Kosovo), Sasime (10, Albanien / Mazedonien),

Bimi (11, Kosovo), Sheila (12, Italien), Selina (12,

Chile), Marigona (13, Kosovo), Ihab (13, Eri trea),

Sumudu (9, Schweiz / Sri Lanka), und Fjolla (11,

Kosovo), die als Ersatz dabei war.

Meris liess das Bild als Gigaplakat (9 m x 12 m)

drucken und im Tscharnergut an eine Fassade

hängen. Das Plakatmaterial wurde später von ar­

beits losen Jugendlichen im Kompetenzzent rum

Arbeit der Stadt Bern zu Laptoptaschen ver ar­

bei tet und zugunsten von «kidswest» verkauft.

Der KIDS WEST BUNDESRAT wurde zu dem von

Bundesrätin Eveline Widmer­Schlumpf zum Tee,

von Bundesrat Ueli Maurer an einen Hockeymatch

und von Bundesrätin Micheline Calmy­Rey in die

UNO­Mission in Genf eingeladen.

Credits

Veranstalter kidswest kunstWerkstatt

Meris (Erika Schüpbach)

Bundeshausstudio Daniel Dufaux

Fotografie Michael Stahl

Bildrechte Eidgenössisches Finanzdepartement EDF

Herr Bundespräsident Hans­Rudolf Merz

Grafik, Layout Bernhard Ammann, Satzart AG

3D Bearbeitung Sven Weber

Stretchlimousine HAPPY­CAR CLUB Worb

Vernissagenrede Carola Ertle Ketterer

unterstützt von den Eltern der kidswest, Stadt Bern

Der Umschlag zeigt das Abstimmungsplakat der Schweizerischen

Volkspartei SVP, entworfen von Alexander Segert und bearbeitet von

Jan Gysi, 5jährig.

2009

Sasime O

smani

Departem

ent fürLesen, Schreibenund Reden

17.9.1998

Albanerin/

Mazedonien

Sumudu Taniya

Ranasinghe

Bundeskanzlerin

19.5.1999

Schweiz, Sri Lanka

Selina Antipan

Tierdepartement

18.7.1997

Chile

Vizepräsidentin des

Bundesrates

Bimi Lajq

Gelddepartem

ent

10.2.1997

Kosovo

Bundespräsident

Sheila Perchiacca

Kom

munikations-

und Auslands-

besuchdepartement

30.11.1996

Italien

Marigona G

ashi

Departem

ent fürSport

28.11.1995

Kosovo

Ihab Atta

Informatik-

departement

7.9.1996

Eritrea

Alberta Berisha

Kunstdepartem

ent

14.5.2000

Kosovo

Foto und Konzept: Michael Stahl, Oberwil b. Büren; Satzart AG, Bern

Eine Haus am

Gern

Aktion für K

idswest

ww

w.kidsw

est.chw

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.hausamgern.ch

Kidsw

est-Bundesratrealisiert nach deroffiziellen Versiondes Bundesratsfotos

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Sasime O

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Sumudu Taniya

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Bundeskanzlerin

19.5.1999

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Vizepräsidentin des

Bundesrates

Bimi Lajq

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7.9.1996

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Foto und Konzept: Michael Stahl, Oberwil b. Büren; Satzart AG, Bern

Eine Haus am

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EvelineW

idmer-Schlum

pf

Justiz-und

Polizei-departem

ent

Bundesrätinseit

2008

Bürgerlich-D

emokratische

Partei

Corina

Casanova

Bundeskanzlerinseit

2008

Doris

Leuthard

Volkswirtschafts-

departement

Bundesrätinseit

2006

Christlichdem

okratischeVolkspartei

Vizepräsidentin

desBundesrates

Hans-Rudolf

Merz

Finanzdepartement

Bundesratseit

2004

FDP.

Die

Liberalen

Bundespräsident

Ueli

Maurer

Departem

entfür

Verteidigung,Be-völkerungsschutzund

Sport

Bundesratseit

2009

Schweizerische

Volkspartei

PascalC

ouchepin

Départem

entde

l’intérieur

Conseiller

fédéraldepuis

1998

PLR.Les

Libéraux-Radicaux

Moritz

Leuenberger

Departem

entfür

Um

welt,Verkehr,

Energieund

Kom

-m

unikation

Bundesratseit

1995

Sozialdemokratische

Partei

Micheline

Calm

y-Rey

Départem

entdes

affairesétrangères

Conseillère

fédé-rale

depuis2003

Partisocialiste

Foto und Konzept: Michael Stahl, Oberwil b. Büren; Satzart AG, Bern

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Konrad Tobler

WIR SIND BUNDESRAT!Eine facettenreiche und vielschichtige

Bild-Imitation

Da stehen sie, die sieben Bundesräte und die Bun des­kanzlerin, in corpore, wie der schöne Aus druck lautet: als Kör­perschaft,­alle­zusammen.­Offiziell,­vor­dem­rotem­Hin­ tergrund mit den herumschwirrenden Schweizerkreuzen. Alle­im­Anzug,­im­elegan­ten­Hosenkleid­oder­im­klassi­schen Deux­Pièce. Locker sind sie, würdig dennoch. Lä­chelnd, wie es sich für Magistraten gehört.Bundesräte?­Von­den­acht­Personen­auf­der­offi­ziell­wir­ken­­den­Fotografie­sind­sechs­Frauen.­Offenbar­ist­Realität­geworden, was die erste Bun desrätin Elisabeth Kopp ein­mal postulierte: Es wird eine Mehrheit der Bundesrätinnen geben.Etwas sorgt jedoch bereits beim ersten Blick für Erstau­nen:­Diese­Exekutive­ist­doch­erstaunlich­jung,­sehr­jung.­Kinder sind es noch, im Übergang zum Jugendlichenal­ter. Das Staunen wird noch grösser, schaut man sich die Rückseite­der­Bundesratskarte­an.­Da­sind­zwar,­wie­es­sich­gehört,­die­schwungvollen­Unterschriften­zu­se­hen.­Aber­es­könnte­doch­der­Eindruck­entstehen,­die­Schweizer­Re­gierung bestünde nur aus Immigranten oder aus Menschen mit Migrations hintergrund, um im korrekten Sprachge­brauch zu bleiben, darauf deuten die Namen hin: Bimi Lajq, Selina Antipan, Ihab Atta, Marigona Gashi, Alber ta Berisha, Sasime Osmani, Sheila Per chi ac ca und schiess­lich die Bundeskanzlerin, Sumudu Taniya Ranasinghe. Sie­stammen,­so­steht­weiter­zu­lesen,­aus­Ko­sovo,­Chile,­Eritrea, Mazedonien, Italien und Sri Lanka.1

Auch die Departemente und die Zuständigkeiten haben sich­radi­kal­verändert.­Aus­dem­Fi­nanz­de­par­te­ment­ist­das­Gelddepartement gewor den, es gibt ein Tier­ und ein Infor­matik departement, ein eigenes De partement für Sport und, kaum zu glauben, eines für die Kunst, eines für Lesen und Schreiben und eines für Kommunikation und Aus lands­besuche.

So inszeniert sich die Schweizer Regierung

Und­doch,­trotz­der­Irritationen,­die­beim­Betrach­ten­der­Bundes­ratsfotografie­entstehen,­ist­alles­echt.­Foto­grafiert­wurde das Bild im Fernsehstudio des Medienzentrums Bundeshaus,­fotografiert­vom­gleichen­Fotografen­wie­das­offizielle­Bundesratsbild­von­2009,­von­Michael­Stahl.­Und­wiederum­wurde­nachträglich­der­«mar­kante­Hintergrund»­

eingearbeitet,­wie­auf­der­Homepage­des­Fotografen­nach­zulesen­ist.­Auch­steckt,­wie­bei­der­richtigen,­der­offiziel­len­Bundesratsfotografie­eine­«intensive­Planungsphase»­hinter­der­Aufnahme,­wenn­auch­–­doch­davon­später­–­eine ganz anders geartete.Um­zu­verstehen,­welche­Bedeutung­die­seit­1993­jedes­Jahr­neu­produzierte­Bundesratsfotografie­hat,­ist­ein­kur­zer Blick auf deren Funktion zu wer fen. Sie dient einerseits als eine Art Visitenkarte und damit der Kommunikation mit­«dem»­Volk;­andererseits­ist­sie­Ausdruck­einer­Selbst­inszenierung des Bundesrates, die je des Jahr wieder für Diskussionen und Interpretationen sorgt. Denn es ist jeweils die neue Bundespräsidentin oder der neue Bundespräsi­dent, die mit wechseln den Fotografen eine Bildidee ent­wickeln. Laut In sidern ist es sogar so, dass die Bildidee jeweils bis zum Fotoshooting geheim gehalten wird, die anderen Mitglieder des Bundesrates also überrascht wer­den. Dann müsse es sehr rasch gehen und einige würden ungeduldig, wenn es zu lange dauere.2

Bundesratsfotografie 1993

Es­gibt­dabei­eine­Art­von­Regel,­wie­sich­die­acht­Magis­traten positionieren: «Der Bundespräsident ist meistens in der­Mitte­platziert­oder­hebt­sich­aus­dem­Bild­hervor.­Der­Vizepräsident­befindet­sich­meist­direkt­neben­ihm,­leicht­in­den­Hintergrund­versetzt.­Die­weiteren­Bundesräte­wer­den nach einem sich logisch ergebenden Prinzip, das sich aus der Anciennität der Amtsträger ableitet, um diese bei­den­Personen­herumgruppiert.»3 Experten analysieren in den Medien jeweils die Konstel­lation und was sie über das Funktionieren, über mögliche Konflikte­in­der­Exekutive­aussagen­könnte.­Das­geht­bis­

Page 11: MONO/d Kidswest Bundesrat

zur­Interpretation­der­Mimik­und­vor­allem­des­Lächelns­oder des Nicht lächelns.

Kinder und Kunst in Bern-West

Das­also­ist­der­Hintergrund­unserer­irritierenden­«Bun­desratsfotografie»,­für­die­Haus am Gern­ver­­­antwortlich­zeichnet. Wie gesagt, auch hier waren die Vorbereitungen und­Planungen­ intensiv.­Sie­seien­hier­nachgezeichnet.­Denn­erst­so­wird­die­Fotografie­als­Teil­einer­Kunstak­tion­und­­intervention­verständlich.­Entstanden­ist­das­Bild­im­Zusammenhang­mit­der­Aktion­«kidswest»,­die­von­der­Künstlerin­und­Kunstvermittlerin­Meris­(Erika­Schüp­bach)­mit­ viel­Engagement­ ins­Leben­gerufen­wurde.­«kidswest»­findet­in­Bern­West­in­der­Wohnüberbauung­Tschar nergut statt und bringt regelmässig Kinder für ge­meinsame­Aktivitäten­zusammen.­In­dem­Sinn­ist­«kids­west»­der­modellhafte­Versuch­eines­Integrationsprojektes,­weil die Kinder meistens aus Migrantenfamilien stam men. «kidswest»­versteht­sich­als­offene­Werk­statt­für­Kinder­und Jugendliche bis 15 Jahre. Das Spezielle ist, dass Me­ris für bestimmte Phasen jeweils Künstlerinnen und Künst­ler einlädt, die mit den Kindern zusammenarbeiten und Aktivitäten­entwickeln,­inklusive­Happenings­und­Vernis­sagen – wobei Meris für die notwendige Kontinuität sorgt.«kidswest»­lässt­sich­so­durchaus­in­einen­typolo­gischen­Kontext sozialer Kunst stellen, die anknüpft an den Begriff der­«Sozialen­Plastik»­von­Joseph­Beuys,4 an das Engage­ment­von­Thomas­Hirschhorn­an­der­Documenta­2002­in­Kassel­oder­an­Aktionen­des­Künstlerinnenduos­Christine­und­Irene­Hohenbüchler.5

Aus lauten Kids werden würdige Magistraten

So­wurde­2009­auch­Haus am Gern eingeladen.6 Schritt für­Schritt­liess­sich­verfolgen,­wie­Barbara­Meyer­Cesta­und­Rudolf­Steiner­mit­den­Kindern­zusammen­ihr­Pro­jekt entwickelten. Beim ersten Treffen ging es um das Wichtigste bei einem Amt, um das, was die Wichtigkeit des­Amtes­auch­für­die­Kinder­verständlich­macht,­die­ver­mutlich­kaum­wissen,­was­ein­Bundesrat­eigentlich­tut;­es­ging­darum,­eine­möglichst­schwungvolle­Unterschrift­zu­üben.­Die­Kinder­übten­mit­viel­Hingabe­und­wohl­mit­Vor­stellungen im Kopf darüber, was eine richtige, eine rich­tig­erwachsene­Unterschrift­sei.­

Später­ging­es­darum,­die­Departemente­zu­vertei­len.­Noch­hatten die Kinder kaum eine Ahnung, was die Aufgabe ei­ner­Regierung­ist.­Aber­Barbara­Meyer­Cesta­und­Rudolf­

Steiner schafften es bald, den Kindern Grundbegriffe an­schaulich zu machen, ohne dass das zu einem abstrakten Staats kundeunterricht wurde. Sie fragten die Kinder ganz einfach, was aus ihrer Sicht für sie und für alle anderen wich­tig­sei,­wofür­sie­sich­einsetzen­wollten.­Und­schon­waren die Departemente mit den originellen Kompeten­zen­und­Schwerpunk­ten­verteilt,­wie­sie­dann­auf­der­Rück­seite­der­Bundesratsfotografie­festgehalten­wurden.

Der nächste Schritt war dann, mit den Kindern die richti­gen,­offiziellen­Kleider­auszuwählen,­Hal­tungen­und­Mi­mik zu üben. Dank der Bewilligung des Bundesrates kam dann der grösste Moment: das Fotoshooting im Medien­haus.

Dass die Fahrt zum Bundeshausstudio in einer weissen Stretch­limousine­gemacht­wurde,­unterstrich­den­offiziö­sen­Charakter­dieser­Mission.­

Damit­nicht­genug:­Die­Fotografie­mit­den­acht­Kids­wurde­auf­Initiative­von­Meris­überlebensgross­auf­ein­Riesen­banner­übertragen,­an­einer­Hauswand­im­Tschar­­nergut­auf­gehängt und mit einer Feier eingeweiht, an der auch der erste­dunkelhäutige­Nationalrat,­Ricardo­Lumengo,­anwe­send war. Die acht Kinder wurden so auf unaufdringliche Weise zu bekannten Gesichtern im Quartier, und die Ak­tion­betonte­deren­Individualität­und­Wichtigkeit.­Aber­auch­damit­nicht­genug:­Im­September­2009­wurden­die­Kids­von­Bundesrätin­Eveline­Widmer­Schlumpf­zum­Zvie­ri­ge­laden,­im­Januar­2010­von­Bundesrat­Ueli­Maurer­zum­Hockeymatch,­und­ein­Besuch­mit­Bundesrätin­Micheline­Calmy­Rey­in­der­Uno­in­Genf­war­geplant.­

Viel mehr als bloss eine Bild-Imitation

Das­Projekt­«Bundesratsfoto»­hat­als­Kunstaktion­verschie­dene Facetten:

­ Im­Kontext­von­«kidswest»­förderte­es­in­einer­viel­fäl ti gen Weise, sehr konkret und direkt die Integra tion der Kinder:­Sie­übernahmen­nicht­nur­eine­Rolle,­sondern­spiel­ten­im­übertragenen­Sinn­eine­Rolle.­Sie­lernten­dabei­wie­nebenher einiges über das Funktionieren eines Staates und wurden als Immigrantenkinder zu Vertretern, zu Landes­müttern­und­­vätern­des­Schweizer­Volkes.­Hinzu­kam­die­Auseinandersetzung­mit­Geschlechterrollen:­Selbstverständ­lich­hatte­es­im­Bundesrat­von­Bern­West­mehr­Frauen­als­in­der­richtigen­Regierung,­und­selbstverständlich­spielen­diese­Frauen­eine­selbstbewusstere­Rolle­als­in­manchen­Kulturen, aus der die Familien der Kinder stammen.

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­ Das­Projekt­«Bundesratsfoto»­ist­eine­Soziale­Plas­tik,­in der das prozesshafte Entstehen ebenso wichtig ist wie das­Resultat,­in­das­das­Ganze­mündet.­Kunst­wird­dabei­als­Handlung­ver­standen,­nicht­in­erster­Linie­als­Pro­dukt.­Das Haus am Gern­nahm­sich­vollkommen­zurück­und­stellte­sich in den Dienst der Sache oder besser: der Kinder.

­ Auf­der­Ebene­der­Fotografie­hinterfragt­und­beleuch­tet­die­Imitation­des­offiziellen­Bundesratsbildes­die­Frage­der­Repräsentation­und­der­Selbst­darstellung­ebenso­wie­die­Frage­nach­der­Aus­sage­eines­offiziellen­Bildes,­das­trotz des demokratischen Gre miums in der Tradition der staat­lichen Auftragskunst zu sehen ist. Die Imita tion und die Besetzung­der­Rollen­durch­Immigrantenkinder­lassen­da­bei eine leichte Ironie aufscheinen. Diese fällt aber – und das ist unzweifelhaft – in keiner Weise auf die Kinder zu­rück, sondern auf die Magis traten mit ihrer bemühten Lo­ckerheit. Dass dabei ersichtlich wird, wie austauschbar letztlich jeder Würdenträger ist, gehört mit zu diesem Au­genzwinkern.

­ Die­Imi­tation­des­offiziellen­Bundesratsbildes­ist­ein­poli tischer Akt und eine gesellschaftliche Aussa ge und ge­hört damit in den Kontext einer poli tisch­sozialen Kunst, wie sie in den letzten Jahren wie der möglich geworden ist: nicht als An klage oder als reine Dokumentation, sondern als­bildhafte­Argumentation.­Die­Fotografie­spricht­von­ei­ner­Hal­tung­und­Meinung:­Integration­unter­Bewahrung­der­Individualität­und­der­Differenzen­der­Herkunft­ist­eine­ge­sellschaftliche Notwendigkeit. Ausgesagt wird indirekt auch einiges über den Wandel der Gesellschaft. Denn es könnte durchaus sein, dass in Zukunft eine Bundesrätin dunkel­häutig­ist­und­aus­Sri­Lanka­stammt;­es­könn­te­sein,­dass­ein Bundespräsident Ihab Atta heisst – und es könnte sein und­wäre­wünschbar,­dass­die­Exekutive­Ausdruck­der­wahren­Geschlechterverhältnisse­ist:­indem­die­Frauen­die­Mehrheit bilden.

1 Geradezu ironisch wirkt dagegen, wenn auf der entsprechenden Seite

von­Wi­ki­pedia­(Stichwort­«Bundesratsfotografie»)­aufgezählt­wird,­wie­der­

Schweizer­Bundesrat­in­verschiedenen­Sprachen­bezeichnet­wird,­angefan­

gen beim Ale manni schen bis hin zum Lateinischen oder Bahasa Indone si­

schen:­Alemannisch:­De­Bondesrot­vo­de­Schwiiz.­Deutsch:­Der­Schwei­zer­

Bundesrat.­Français:­Le­Conseil­fé­dé­ral­Suisse.­Italiano:­Consiglio­fe­derale­

Svizzero.­Rumantsch:­Cussegl­federal­svizzer.­Ελληνικά:­Το­ελβετικό­

ομοσπονδιακό­Συμβούλιο.­English:­The­Swiss­Federal­Council.­Espa­

ñol:­El­Consejo­Federal­Suizo.­Suomi:­Sveitsin­liittoneuvosto.­Bahasa­In­

donesia:­Dewan­Federal­Swiss.­Latina:­Consi­lium­Foederale­Helvetiae.­

Nederlands:­De­Zwitserse­Bondsraad.­Polski:­Szwaj­carska­Rada­Związ­

ko­wa.­Português:­O­Conselho­Federal­Suíço.­Română:­Consiliul­Federal­

Elveţian.­Русс­кий:­Швейцарский­Федеральный­Совет.­Српски­/­Srpski:­

Швајцарско­савезно­веће.

2­ Vgl.­dazu­etwa­den­Bericht­in­«Der­Landbote»,­6.­Januar­2010.

3­ http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesratsfoto.

4­ «Die­Theorie­der­«Sozialen­Plastik»­besagt,­jeder­Mensch­könne­durch­

krea­tives­Handeln­zum­Wohl­der­Gemeinschaft­beitragen­und­dadurch­

plastizierend auf die Gesellschaft einwirken. Aus dieser Vorstellung entstand

die­viel­zitierte­These­der­«Sozialen­Plastik»:­«Jeder­Mensch­ist­ein­Künst­

ler»,­die­Joseph­Beuys­erstmals­1967­im­Rahmen­seiner­politischen­Akti­

vitäten­äusserte.»­(de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Plastik)

5­ «Christine­und­Irene­Hohenbüchler­gehören­zu­einer­Gruppe­von­Kunst­

schaffen den, die in ihrer Arbeit – meist ausserhalb des Kunstsystems – lebens­

praktische Situa tionen kreieren. Sie treten unter dem Prinzip der «multi plen

Autorenschaft»­als­Autorinnen­zurück­und­stellen­sich­als­Regisseurinnen­

in den Dienst einer ganzen Gruppe. Das Kunstwerk ist lediglich ein Teil,

nicht­Ergebnis­der­eigentlichen­Arbeit.»­ (Aus­einem­Buchprospekt­des­

Niggli Verlages)

6­ Weitere­2009­engagierte­Kunstschaffende:­Kate­Burgener,­Dieter­Seibt,­

Martin­Loosli,­Heinrich­Gartentor,­Adela­Picon,­Nesa­Gschwend­und­Max­

Roth.

Konrad Tobler (*1956) ist freier Autor, Kulturjournalist, Kunst­ und Archi tekturkritiker und lebt in Bern. Studium der Germanistik und Phi losophie in Bern und Berlin. 2006 erster Preis für Kulturvermittlung des Kantons Bern. Ab 2000 Leiter des Kulturressorts der «Berner Zeitung». 1992 bis 2007 Kulturredak tor der «Berner Zeitung» mit Schwer­punkten in den Bereichen Bilden de Kunst, Archi tektur, Fotografie, Philosophie und Theologie.

Page 13: MONO/d Kidswest Bundesrat

Verteilung der Departemente. (Foto: Dominique Uldry )

Backstage. (Foto: David Aebi)

Finish. (Foto: David Aebi)

In der Stretchlimousine. (Foto: David Aebi)

Gespräch mit den Eltern. (Foto: Meris)

Maske. (Foto: David Aebi)

Hauptprobe. (Foto: Meris)

Vor dem Bundeshaus. (Foto: David Aebi)

Page 14: MONO/d Kidswest Bundesrat

Fotograf Michael Stahl in Aktion. (Foto: David Aebi)

Kopie… (Foto: David Aebi)

Mit Bundesrat Ueli Maurer am Hockeymatch.

Es Buurebüebli mahn i nid… (Foto: Dominique Uldry)

Letzte Anweisungen. (Foto: David Aebi)

… und Original. (Foto: Bundeskanzlei)

Fjolla hat Bundesrat Ueli Maurer in der Hand.

Mit Bundesrätin Eveline Widmer­Schlumpf. (Foto: Dominique Uldry)

Page 15: MONO/d Kidswest Bundesrat

2008

2002

Vernissage unter dem Riesenbanner in der

Wohnsiedlung Tscharnergut, Bern.

Kidswest Bundesrat in 3D. Der Bundesrat 2009 in 3D.

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2008

2002

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1995

1996

2000

2005

2009

2006

2010

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