MORAL, KOOPERATION UND WETTBEWERB · Jean Piaget »Ein kleiner Junge namens Hans ist in seinem...

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MORAL, KOOPERATION UND WETTBEWERB Dr. Horst Heidbrink Fernuniversität Hagen Januar 2011

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MORAL, KOOPERATION UND WETTBEWERB

Dr. Horst HeidbrinkFernuniversität Hagen

Januar 2011

Moral aus psychologischer SichtDie situative Perspektive

Kooperationsforschung: Spiele um öffentliche Güter Altruistische Bestrafung Antisoziale Bestrafung

Die kognitive Perspektive Piaget: heteronome und autonome Moral Kohlberg: Stufen des moralischen Urteils

Die emotionale Perspektive Moralische Gefühle Sozial-intuitives Modell der Moral Haben wir einen angeborenen „Moralsinn“?

Aktuelles Beispiel

DIE SITUATIVE PERSPEKTIVE

Stanley Milgram(1933-1984)

»Die Sozialpsychologie unseres Jahrhunderts enthüllt uns nämlich

eine wichtige Lehre: Es ist oft nicht so sehr die Wesensart eines

Menschen, die seine Handlungsweise bestimmt, sondern die Eigenart der

Situation, in der er sich befindet« (1982, S. 235).

KooperationsforschungPublic-Goods-Spiele. In der experimentellen Wirtschaftsforschung benutzt man unterschiedliche Spielsituationen zur Erforschung der Bedingungen, unter denen sich Personen kooperativ oder eigennützig verhalten. Eine häufig untersuchte Spielsituation ist die folgende: Alle vier Mitspieler bekommen zunächst 20 Euro. Sie müssen dann gleichzeitig entscheiden, wie viel Geld sie behalten und wie viel sie in ein Gemeinschafts-projekt investieren wollen. Für jeden Euro, den sie in das Gemeinschafts-projekt investieren, erhält jeder der vier Mitspieler 40 Cent, egal, ob sie selbst gespendet haben oder nicht.

Alle vier nicht kooperativ: Jeder hat hinterher 20 €.Alle vier kooperativ: Jeder hat hinterher 32 €.Einer kooperativ, alle anderen unkooperativ: der Kooperative erhält 8 €, die Unkooperativen 28 €!Einer unkooperativ, alle anderen kooperativ: der Unkooperative erhält 44 €, die Kooperativen 24 €!

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Beiträge in einem Public-Goods-Spiel mit festen (»Partner«) und wechselnden (»Stranger«) Mitspielern (Gächter, 2006, S. 5)

Altruistische Bestrafung

Um die Wirkungen von Bestrafung zu untersuchen, ermöglicht man die Bestrafung von Trittbrettfahrern ab dem zweiten Durchgang. Jeder Spielteilnehmer darf z. B. durch die Abgabe von einer Geldeinheit einen Mitspieler bestrafen, der dann 10 Prozent seines Gewinns abgeben muss. Als Strafe konnten in einer Untersuchung von Fehr und Gächter (2002) maximal zehn Geldeinheiten eingesetzt werden, da die maximale Strafe nicht mehr als 100 Prozent des Gewinns betragen sollte. Da der Strafende durch die Strafe keinen direkten Gewinn hat, sondern für diese sogar zahlen muss, bezeichnet man sie als »altruistische Bestrafung«.

Beiträge in einem Public-Goods-Spiel mit 95-Prozent-Konfidenz-Intervall und zeitlicher Variation der Bestrafungsmöglichkeit (A / B)

(Fehr & Gächter, 2002, S. 138)

Antisoziale Bestrafung

Herrmann et al. (2008) konnten zeigen, dass nicht nur Trittbrettfahrer bestraft werden, sondern auch kooperative Mitspieler.

Unter bestimmten Bedingungen scheinen Trittbrettfahrer kooperative Mitspieler zu bestrafen, insbesondere Mitspieler, die deutlich mehr als sie selbst für die Gemeinschaft geben.

Altruistische und antisoziale Bestrafung in 16 Städten. Rangreihe nach dem Ausmaß antisozialer Bestrafung (Herrmann et al., 2008, S. 1363)

DIE KOGNITIVE PERSPEKTIVE

Jean Piaget

»Ein kleiner Junge namens Hans ist in seinem Zimmer. Man ruft ihn zum Essen. Er geht ins Speisezimmer. Aber hinter der Tür stand ein Stuhl. Auf dem Stuhl war ein Tablett, und auf dem Tablett standen fünfzehn Tassen. Hans konnte nicht wissen, daß all dies hinter der Tür war. Er tritt ein: die Tür stößt an das Tablett und bums!, die fünfzehn Tassen sind zerbrochen.«

»Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Heinz. Eines Tages war seine Mama nicht da, und er wollte Marmelade aus dem Schrank nehmen. Er stieg auf einen Stuhl und streckte den Arm aus. Aber die Marmelade war zu hoch, und er konnte nicht darankommen. Als er doch versuchte, daran zu kommen, stieß er an eine Tasse. Die Tasse ist heruntergefallen und zerbrochen« (Piaget, 1976, S. 134).

1896–1980

Jean Piaget

»Schma (6 Jahre): ›Hast Du die Geschichten gut verstanden? Erzähle sie mir, damit ich es sehe.‹ – ›Ein Kind wurde zum Essen gerufen. Auf dem Tablett stehen fünfzehn Teller. Es wusste es nicht. Es macht die Tür auf. Es zerbricht fünfzehn Teller.‹ – ›Sehr gut. Und die zweite Geschichte?‹ – ›Es war einmal ein Kind, und da wollte dieses Kind Marmelade holen. Es stellte sich auf einen Stuhl, es stößt an eine Tasse, da zerbricht sie.‹ – ›Sind diese Kinder beide gleich schlimm? Oder sind sie nicht gleich schlimm?‹ – ›Beide gleich schlimm.‹ – ›Du würdest sie genau so bestrafen?‹ – ›Nein, den, der fünfzehn Teller zerbrochen hat.‹ – ›Ist es schlimmer oder weniger schlimm als das andere?‹ – ›Ein wenig schlimmer. Es hat fünfzehn Teller zerbrochen.‹ – ›Warum hat es sie zerbrochen?‹ – ›Weil es nicht wusste, daß da fünfzehn Teller waren.‹ – ›Und das andere, würdest Du es mehr oder weniger bestrafen?‹ – ›Das erste hat viel zerbrochen, das andere weniger.‹ – ›Wie würdest Du sie bestrafen?‹ – ›Das, welches die fünfzehn Tassen zerbrochen hat: zwei Ohrfeigen, das andere: eine!‹« (1976, S. 137f.).

1896–1980

Jean Piaget

Heteronome Moral. Die heteronome Moral beruht auf dem moralischen Zwang der Erwachsenen und bewirkt beim Kind den moralischen Realismus. So bezeichnet Piaget die kindliche Neigung, die Pflichten und die sich auf sie beziehenden Werte als etwas Äußerliches, objektiv Gegebenes anzusehen. Folglich hält das Kind jede Handlung, die im Einklang mit den Regeln der Erwachsenen steht, für gut, jede Handlung, die die Regeln verletzt, für schlecht. Eine Regel wird wörtlich genommen, nicht ihrem Sinn nach verstanden.

Jean Piaget

ZwischenstadiumZwischen heteronomer und autonomer Moral beobachtete Piaget ein »Zwischenstadium«, in dem das Kind nicht mehr ausschließlich an der erwachsenen Autorität orientiert ist, sondern an der verallgemeinerten Regel. Die Autonomie ist hier jedoch »erst zur Hälfte verwirklicht«, da sie immer noch als etwas von außen Aufgezwungenes gesehen wird.

Autonome MoralDie autonome Moral beruht demgegenüber auf Zusammenarbeit und Kooperation der Kinder untereinander. Die einseitige Achtung elterlicher Autorität wird abgelöst durch die gegenseitige Achtung der Kinder. Erst wenn die gegenseitige Achtung stark genug ist, im Individuum das Bedürfnis auszulösen, andere so zu behandeln, wie es selbst behandelt sein möchte, gelingt der Übergang zur autonomen Moral.

Warum darf man in der Schule nicht abschreiben?

»Mon (6 1/2 Jahre): ›Der Lehrer schimpft uns.‹Dep (6 1/2 Jahre): ›Die Lehrerin bestraft uns.‹The (6 1/2 Jahre): ›Weil das schlimm ist.‹Mir (6 1/2 Jahre): ›Das ist häßlich, man wird bestraft.‹Mart (9 Jahre): ›Er durfte von seinem Kameraden nicht abschreiben.‹ – ›Warum darf man nicht abschreiben?‹ – ›Weil das Betrug ist.‹The (9 Jahre, 7 Monate): ›Man muß es selbst suchen. Es ist nicht gerecht, daß sie die gleiche Note haben. Er muß es selbst finden.‹Wild (9 Jahre, 4 Monate): ›Das bedeutet, daß er ihm seine Arbeit stiehlt.‹ – ›Und wenn der Lehrer es nicht weiß?‹ – ›Es ist häßlich wegen der Nachbarin.‹ – ›Warum?‹ – ›Die Nachbarin hätte recht haben können (eine gute Note haben können), und man nimmt ihr ihren Platz weg.‹Camp (11 Jahre, 10 Monate): ›Was denkst Du vom Betrügen?‹ – ›Die, welche nicht lernen können, müssen ein wenig sehen dürfen, aber bei denen, die lernen können, ist es nicht recht.‹ – ›Ein Kind hat (…) von seinem Nachbarn abgeschrieben. Ist das recht?‹ – ›Es hätte nicht abschreiben dürfen. Wenn es aber nicht gescheit war, durfte es das ein wenig‹« (Piaget, 1976, S. 327).

Lawrence Kohlberg

»In einem fernen Land lag eine Frau, die an einer besonderen Krebsart erkrankt war, im Sterben. Es gab eine Medizin, von der die Ärzte glaubten, sie könne die Frau retten. Es handelte sich um eine besondere Form von Radium, die ein Apotheker in der gleichen Stadt erst kürzlich entdeckt hatte. Die Herstellung war teuer, doch der Apotheker verlangte zehnmal mehr dafür, als ihn die Produktion gekostet hatte. Er hatte 200 Dollar für das Radium bezahlt und verlangte 2000 Dollar für eine kleine Dosis des Medikaments.Heinz, der Ehemann der kranken Frau, suchte alle seine Bekannten auf, um sich das Geld auszuleihen, und er bemühte sich auch um eine Unterstützung durch die Behörden. Doch er bekam nur 1000 Dollar zusammen, also die Hälfte des verlangten Preises. Er erzählte dem Apotheker, dass seine Frau im Sterben lag, und bat, ihm die Medizin billiger zu verkaufen bzw. ihn den Rest später bezahlen zu lassenDoch der Apotheker sagte: »Nein, ich habe das Mittel entdeckt, und ich will damit viel Geld verdienen.« – Heinz hat nun alle legalen Möglichkeiten erschöpft; er ist ganz verzweifelt und überlegt, ob er in die Apotheke einbrechen und das Medikament für seine Frau stehlen soll« (Kohlberg, 1995, S. 495; vgl. auch Kohlberg, 1974, S. 66; Rheinshagen, Eckensberger & Eckensberger, 1976, S. 44).

1927–1987

Stufe 1

Lohn und Strafe

Man will Strafe vermeiden und sich der überlegenen Macht von Autoritäten fügen.

Stufe 2

Zweckdenken

Man möchte die eigenen Interessen und Bedürfnisse befriedigen und lebt dabei in einer Welt, in der man auch die Interessen anderer

berücksichtigen muss.

Abu Ghraib

Lynndie EnglandUnd dann brachte ein Soldat namens Joe Darby die ganze Sache ans Licht.Darby hatte die Bilder seit Anfang November. Irgendwer, vermutlich Graner, kam ihm mal schräg, und plötzlich gab er aus Rache die Bilder weiter und brüstet sich nun als großer Au'lärer. Er war seit Jahren in unserer Einheit, unser Freund. Und dann stellt er sich gegen uns. Er hat uns betrogen.

Ist das, was Sie in Abu Ghraib taten, Ihrer Meinung nach überhaupt ein Skandal oder etwas, was im Krieg eben passiert?Was wir gemacht haben, passiert in jedem anderen Krieg. Nur gibt es davon keine Beweise in Form von Fotos. Ohne die Bilder wäre die Aufregung niemals so groß gewesen.[...]

Frau England, wir hören Ihnen nun schon seit Stunden zu. Und wir !agen uns immer noch: Wo ist Ihr Bedauern?Wenn ich die Zeit zurückstellen könnte, hätte ich das nie gemacht, ich hätte niemals meinen kleinen Arbeitsplatz in Abu Ghraib verlassen, ich wäre Graner niemals begegnet.

Lynndie England

Sehen Sie sich eher als Opfer denn als Täter?Eher als Marionette. Erst war ich Graners Marionette. Dann wurde ich die Marionette der Medien, die mir sagten, was sie wollten, und die Fotos immer wieder zeigten. Und dann wurde ich die Marionette der Regierung, weil die mich nicht unterstützten und den Medien recht gaben.

Marionette klingt wieder nur nach Opfer.Okay, ich übernehme Verantwortung. Ich war dumm genug, diese Dinge zu tun. Zu denken, es ist in Ordnung, nur weil dir die Offiziere diese Befehle geben. Aber im Militär folgst du Befehlen. Es heißt immer nur: Yes, Sir. No, Sir. Du folgst ihnen. Du stellst keine Fragen. Jetzt aber sagen die: ›Du hättest Fragen stellen sollen.‹«(Stern, 2008, 13, S. 38ff).

Stufe 3

Übereinstimmung mit anderen

Man möchte erfüllen, was nahestehende Menschen von einem erwarten. Es ist wichtig, ›gute Absichten‹ zu haben und anderen zu

helfen.

Stufe 4

Orientierung an der Gesellschaft

Es ist richtig, die Gesellschaft, Gruppen oder Institutionen zu stützen. Man muss seine Pflicht erfüllen und die Gesetze befolgen (es sei denn,

dass diese mit anderen festgelegten sozialen Pflichten kollidieren).

Herman Melvilles »Billy Budd«

In Herman Melvilles (1819–1891) Roman erschlägt der Matrose Billy Budd auf einem englischen Kriegsschiff seinen Vorgesetzten. Dieser hat ihn in Gegenwart des Kapitäns der Meuterei beschuldigt. Der Tod des Waffenmeisters ist eigentlich ein Unfall. Allen ist klar, dass Billy ihn nicht töten wollte, sondern nur aus Hilflosigkeit gegenüber der niederträchtigen Beschuldigung zugeschlagen hat.

Das vom Kapitän sofort eingesetzte Kriegsgericht verurteilt Billy zum Tode, das Urteil wird am nächsten Tag vollstreckt. Billy wird hingerichtet, obwohl der Kapitän und seine Offiziere, die das Kriegsgericht bilden, wissen, dass Billy unschuldig ist. Sie stehen ihm auch nicht feindlich gegenüber – ganz im Gegenteil, sie mögen Billy, und vor allem der Kapitän hat ihn in sein Herz geschlossen. Dem getöteten Waffenmeister trauert niemand nach, er wird von Melville als von Grund auf böse und verdorben charakterisiert.

Warum dann dieses Urteil?

Herman Melvilles »Billy Budd«

Herman Melvilles »Billy Budd«

»Können wir einen Mitmenschen, der wie wir wissen, unschuldig ist vor Gott, einfach zu einem schändlichen Tode verurteilen? Sind das Ihre Fragen? Sie stimmen mir voll Betrübnis zu. Nun, auch ich fühle diesen Druck. So will‘s die Natur. Aber verpflichten diese Sterne, die wir auf den Achselstücken tragen, uns zum Gehorsam gegen die Natur? Nein, sondern gegen den König! (…)

Wenn Krieg erklärt wird, fragt man etwa vorher uns Soldaten von Beruf? Man befiehlt uns zu kämpfen. Billigen wir obendrein für uns den Krieg, so ist das nur glücklicher Zufall. Und so ist es in vieler Hinsicht. Auch in diesem Falle hier: denn sind wir es selber, die das Urteil fällen, oder nicht vielmehr das Kriegsgesetz, das durch uns hindurch sein Recht fordert? Für dieses Recht, wie für seine Strenge sind wir nicht verantwortlich. Unsere beschworene Pflicht besteht darin, dieses Gesetz zu befolgen und anzuwenden, einerlei wie mitleidlos es sich auswirkt« (S. 103f.).

Stufe 5

Sozialvertrag und individuelle Rechte

Gesetze sind zum Wohle aller da, und um die Rechte aller Menschen zu schützen. Es soll der größtmögliche Nutzen für die größtmögliche Zahl von Menschen erreicht werden. Leben und Freiheit sind Werte

von absolutem Charakter.

Stufe 6

Ethische Prinzipien

Als vernünftiger Mensch glaubt man an die Gültigkeit allgemeiner moralischer Prinzipien und fühlt sich ihnen persönlich verpflichtet. Prinzipien sind allgemeine Vorstellungen von Gerechtigkeit, wie die Auffassung, dass für alle Menschen das gleiche Recht gilt und wir die

Würde des Menschen achten müssen.

DIE EMOTIONALE PERSPEKTIVE

Das rationalistische Modell des moralischen Urteilens (nach Haidt, 2001, S. 815)

Phineas Gage(Damasio, H. et al., 1994)

Elliot(Damasio, 1997)

„Mit unbewegter Mine erzählt Elliot, was alles geschah, als er den Anstand verlor. Weil er seine Arbeit als Rechnungsprüfer nicht mehr wie vereinbart erledigte, wurde er entlassen. Weil er seine Frau nicht mehr respektierte, rannte diese entnervt davon. Weil er den beiden Kindern keine Anteilnahme mehr schenkte, brachen die den Kontakt ab. Und weil er sich mit windigen Geschäftsleuten einließ, hat er sein Vermögen verloren.

Heute lebt Elliot, Mitte fünfzig, von staatlicher Beihilfe. Er riecht. Er sieht verwahrlost aus. Einsam und traurig fühlt er sich trotzdem nicht. Elliots Verwandlung geht zurück auf einen Tumor, der vor zwanzig Jahren in seinem Gehirn zu wuchern begann. Die Geschwulst machte sich bemerkbar, als sie so groß wie eine Kinderfaust war. Sie drückte gegen den rechten und linken Stirnlappen und zerstörte dort Nervengewebe. In einer Operation wurden der Tumor und die abgestorbenen Areale entfernt. Intelligenz und Gedächtnis blieben erhalten, aber ansonsten ist Elliot ein anderer. Sein eigenes Schicksal lässt ihn kalt, denn er fühlt es nicht“ (Der SPIEGEL, 2007, S. 108f).

Untersuchungsergebnisse von Elliot

Keine Auffälligkeiten in Intelligenz- und Persönlichkeitstests

Ergebnis im Standard Issue Moral Judgement Test von Kohlberg: Zuordnung zu Stufe 4/5

Untersuchungsergebnisse von Elliot

Gegenüber Damasio äußerte er lächelnd nach einer langen Sitzung, in der er hypothetische Situationen vernünftig und durchführbar durchdacht hatte:

„Und trotzdem wüsste ich nicht, was ich tun sollte!“ (1997, S. 83)

Trolley-Dilemma I

»Ein Schienenwagen rast führerlos auf fünf Gleisarbeiter zu. Die Männer sind zu retten, wenn man eine Weiche umstellt. Aber nur zum Preis eines anderen Lebens, denn auf dem anderen Gleis steht auch ein Gleisarbeiter. Allerdings nur ein einziger. Der Trolley wird ihn überfahren. Würden Sie die Weiche umstellen?«

Trolley-Dilemma II»Würden Sie auch eigenhändig einen Menschen von einer Brücke auf den Bahndamm schubsen, wenn dessen Körper groß und schwer genug ist, um den Schienenwagen zu stoppen? Auch in diesem Fall wären die fünf Arbeiter gerettet.«

Ergebnisse von Greene (2001)

Es zeigte sich, dass bei den moralischen Problemen Bereiche des medialen Frontalhirns aktiviert wurden, bei den neutralen Problemen, bei denen vor allem gerechnet werden musste, war dies nicht der Fall.

Im Schnitt benötigten die Vpn, die sich für das „Herunterschubsen“ entschieden, eine längere Antwortzeit.

David Hume:

Nach Hume ist das moralische Gefühl nicht nur für die Bewertung einer Handlung ausschlaggebend, sondern auch für die Motivation diese Handlung auszuführen.

Unser „stärkstes“ Gefühl bestimmt also, für welche Handlung wir uns entscheiden.

„Die Vernunft ist und sollte auch nur Sklavin der Gefühle sein.“

Funktionen:

Gefühle gewichten die Bedeutung, die Personen, Sachen, Vorstellungen für uns

haben und erleichtern uns auf diesem Wege unsere Entscheidungen.

J. Haidt (2001)Sozial-intuitives Modell des moralischen

Urteilens

Julie und Mark sind Bruder und Schwester. Die Sommerferien verbringen die beiden Studenten in Frankreich. In einer Nacht, die sie zusammen in einem Sommerhaus in der Nähe des Strands verbringen, entscheiden sie, dass es interessant wäre und Spaß machen würde, miteinander zu schlafen. Es wäre für beide eine neue Erfahrung. Julie nimmt die Pille, und Mark benutzt zusätzlich ein Kondom, um eine Schwangerschaft ganz sicher zu vermeiden. Beiden macht der gemeinsame Sex viel Spaß, aber sie entscheiden, dass es bei diesem einen Mal bleiben soll. Diese Nacht bleibt ihr Geheimnis, wodurch ihre Beziehung noch enger wird. Was denken Sie über die Geschwister – war es richtig miteinander zu schlafen? (vgl. Haidt, 2001, S. 814).

Das sozial-intuitive Modell des moralischen Urteilens (nach Haidt, 2001, S. 815)

Quelle: Heldmann, van

der Lugt & Münte (2008)

Ergebnisse im IGT

Personen mit Läsionen im präfrontalen Kortex (PFK) wählen bevorzugt aus den Stapeln A und B

Läsionen im PFK führen zu risikobehaftetem Verhalten

Bei den gesunden Spielern bildete sich bereits nach ca. zehn Versuchen ein antizipativer Anstieg der Hautleitfähigkeit beim Ziehen von einem schlechten Stapel heraus, bei den Läsionspatienten passierte dies nicht.

Haben wir einen angeborenen Moralsinn?

Sowohl rationale als auch gefühlsmäßige moralische Urteile sind uns nicht mit in die Wiege gelegt, sondern wir müssen sie erlernen.

Die Evolution hat uns Menschen für kooperatives, soziales und moralisches Verhalten weitaus besser ausgestattet als unsere nächsten Verwandten, seien es Schimpansen, Bonobos, Gorillas oder Orang-Utans. Wichtige Voraussetzungen für die Initiierung gemeinsamen Handelns sind uns vermutlich angeboren. Hierzu gehört die Fähigkeit, lebendige Wesen von materiellen Objekten zu unterscheiden, dem Blickwinkel anderer Personen zu folgen, Erwartungen über deren Verhalten zu entwickeln, mit anderen eine gemeinsame Absicht zu entwickeln und mit ihnen zu kooperieren.

Wenn wir diese Voraussetzungen meinen, dann könnten wir die Frage nach der Existenz eines angeborenen Moralsinn positiv beantworten.

Blickzeitexperiment - Habituationsmethode

Experiment von Gergely & Watson, 1995Abb. Hauser 2007

BEISPIEL:GOOGLE STREET VIEW

Start von Google Street View am 18.11.2010 in 20 deutschen Städten

Schlesische Straße, Berlin

Von einem Nutzer

eingefügtes Panoramio-

Foto

Deutsches Google Street View: Die verschleierte Stadt

von Peter Glaser (ZDF Hyperland, 19.11.2010)

Es hat etwas von einer Bhurka-Invasion, nur dass in diesem Fall nicht Frauen- Gesichter hinter einem Stoffschleier verschwinden, sondern Hausfassaden

hinter Pixelschleiern. Google legt 20 deutschen Städten die Daten-Burkha an.

Kommentare im Netz„Wenn man bedenkt, dass es meist nur ein einziger Mieter pro Haus ist, der diese Verschandelungen zu verantworten hat, tun einem die

anderen sehr leid. Die Verantwortlichen sollten sich schämen. Elende Egoisten!“

„Ich bin nicht bereit den Leuten ihr verqueres Verständnis von Privatsphäre durchgehen zu lassen. Ihre vermeintliche Freiheit

schränkt nämlich meine ein, nicht umgekehrt.“

Michael Seemann (mspro) 18.11.2010

„Eine aus meiner Sicht besonders armselige Form des Protestes gegen die Verpixelung von Häusern in Google Street-View, betreibt derzeit Michael Seemann aka mspro.Michael Seemann schreibt in einem vor Arroganz triefendem Artikel auf seinem Blog, dass sich die Verantwortlichen für Verpixelungen von Häusern schämen sollten und Egoisten wären. Weiterhin schreibt Michael Seemann in einem unerträglichen Tonfall gegen Bedenkenträger von Google Street-View, dass er nicht bereit wäre, diesen Verantwortlichen ihr verqueres Verständnis für Privatsphäre durchgehen zu lassen, da deren vermeintliche Freiheit seine eigene einschränken würde (Ja, Seemann spricht in Bezug auf Google Street-View tatsächlich von Freiheit).“

(Marius auf maingold.com, 18.11.2010)

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