Morphologieausbildung in stromenden¤ KunststoffgemischenDaruber¤ hinaus danke ich Herrn Dr.-Ing....

131
Morphologieausbildung in str ¨ omenden Kunststoffgemischen Von der Fakult¨ at Maschinenbau der Universit ¨ at Stuttgart zur Erlangung der W¨ urde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Matthias Rauwolf aus Stuttgart Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. H.-G. Fritz Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. habil. M. Piesche Tag der m¨ undlichen Pr ¨ ufung: 8. M ¨ arz 2006 Institut f ¨ ur Kunststofftechnologie der Universit ¨ at Stuttgart 2006

Transcript of Morphologieausbildung in stromenden¤ KunststoffgemischenDaruber¤ hinaus danke ich Herrn Dr.-Ing....

  • Morphologieausbildung in strömendenKunststoffgemischen

    Von der Fakultät Maschinenbau der Universität Stuttgartzur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)

    genehmigte Abhandlung

    Vorgelegt von

    Matthias Rauwolf

    aus Stuttgart

    Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. H.-G. FritzMitberichter: Prof. Dr.-Ing. habil. M. PiescheTag der mündlichen Prüfung: 8. März 2006

    Institut für Kunststofftechnologieder Universität Stuttgart

    2006

  • II

    Vorwort

    Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit alswissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunststofftechnologie(IKT) der Universität Stuttgart.

    Mein Dank gilt vor allem dem Leiter des Instituts, Herrn Prof. Dr.-Ing.H.-G. Fritz für seine fortwährende Unterstützung und wissenschaft-liche Förderung dieser Arbeit.

    Besonders danken möchte ich überdies Herrn Prof. Dr.-Ing. habil.M. Piesche für die Übernahme des Mitberichts.

    Allen ehemaligen Kollegen des Instituts sei hiermit gedankt, insbe-sondere Prof. Dr.-Ing. M. Wagner, Dr.-Ing. K. Geiger, Dr.-Ing. S.Fang und Dr.-Ing. P. Häring. Für die Hilfe bei den experimentel-len Arbeiten möchte ich vor allem Frau S. Müller danken. Beson-derer Dank gilt auch meinem langjährigen Zimmerkollegen Dr.-Ing.R. Mehling für die sehr angenehme Zusammenarbeit.

    Die vorliegende Arbeit, die im Rahmen des Sonderforschungsbe-reichs 412 entstand, wurde ermöglicht durch die finanzielle Förde-rung durch die DFG, der ich dafür danken möchte.

    Darüber hinaus danke ich Herrn Dr.-Ing. W. Schaaf für die Durch-sicht meiner Arbeit. Schließlich danke ich meiner Frau HeikeMünzenmaier, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit nicht nurmoralisch unterstützte, und nicht zuletzt meinen Eltern.

  • III

    Inhaltsverzeichnis

    Abkürzungen und Formelzeichen VII

    Kurzfassung 1

    1 Einleitung und Aufgabenstellung 3

    1.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . 5

    2 Ausgangssituation 6

    2.1 Vorgänge beim dispersiven Mischen hochviskoserFlüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    2.2 Stabilität hochviskoser Tropfen . . . . . . . . . . . . . 7

    2.3 Tropfenzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    2.4 Koaleszenzphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    2.5 Rheologie von Polymergemischen . . . . . . . . . . . 20

    2.6 Aufbereitung von Polymerblends . . . . . . . . . . . . 25

    2.7 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    3 Modellerweiterung zur Beschreibung des Fluidfadenzer-falls großer Tropfen in einer einfachen Scherströmung 30

  • IV

    3.1 Limitationen des bestehenden Modells zur Analysedes Fluidfadenzerfalls in Scherströmungen . . . . . . 30

    3.2 Analyse der Tropfendeformation mit dem erweitertenModell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    3.3 Abbildung des Fluidfadenzerfalls mit dem erweitertenModell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

    3.3.1 Ermittlung der kritischen Störung imKhakar/Ottino-Modell . . . . . . . . . . . . . . 32

    3.3.2 Besonderheiten bei der linearen Stabilitäts-analyse großer Tropfen in einer einfachenScherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

    3.3.3 Ermittlung der kritischen Störung beim Fluid-fadenzerfall großer Tropfen in einer einfachenScherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

    3.4 Diskussion des erweiterten Modells anhand von Be-rechnungsergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

    4 Analyse der Morphologieausbildung in einfachen Scher-strömungen 41

    4.1 Entwicklung eines Verfahrens zur morphologischenAnalyse auf der Grundlage bestehender Modelle . . . 41

    4.1.1 Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    4.1.2 Zur morphologischen Analyse eingesetzteModelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    4.1.3 Festlegung der Gültigkeitsbereiche der einge-setzten Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    4.1.4 Definition der Kopplungsbedingungen an denGrenzen der Gültigkeitsbereiche der unter-schiedlichen Modelle . . . . . . . . . . . . . . . 44

  • V

    4.1.5 Darstellung einer Vorgehensweise zur Para-meterbelegung der Modelle . . . . . . . . . . . 45

    4.1.6 Modellierung des morphologischen Gleichge-wichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

    4.1.7 Anmerkungen zur Strömungsberechnung . . . 49

    4.2 Charakterisierung der in den Versuchen eingesetztenMaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

    4.3 Experimentelle Untersuchung der Morphologieaus-bildung im Flachschlitzkanal . . . . . . . . . . . . . . . 51

    4.3.1 Versuchsapparatur und Versuchsdurchführung 51

    4.3.2 Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . 53

    4.4 Experimentelle Untersuchung der Wendelströmungim Schertorpedo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

    4.4.1 Versuchsapparatur und Versuchsdurchführung 59

    4.4.2 Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . 62

    4.5 Anwendung des entwickelten Verfahrens zur Analyseder Morphologieausbildung auf die Druckströmungim Flachschlitzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

    4.5.1 Strömungsvorgänge im Flachschlitzkanal . . . 69

    4.5.2 Bestimmung der kritischen Tropfenradien . . . 71

    4.5.3 Analyse der Fluidfadenbildung . . . . . . . . . 72

    4.5.4 Analyse der Morphologieausbildung im Be-reich des dynamischen Gleichgewichts . . . . 76

    5 Praktische Umsetzung: Morphologieausbildung beiCompoundierprozessen mittels Zweischneckenextruder 80

    5.1 Entwicklung eines Ersatzmodells für den Bereichvollgefüllter Schneckenkanäle . . . . . . . . . . . . . . 80

  • VI

    5.1.1 Ermittlung der Einflußfaktoren und Eingrenzung 80

    5.1.2 Entwicklung eines Zonenmodells . . . . . . . . 82

    5.2 Morphologische Analyse auf der Grundlage des Zo-nenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

    5.2.1 Geometrische Daten und Betriebsparameterdes Zweischneckenextruders . . . . . . . . . . 87

    5.2.2 Materialien und ihre Charakterisierung . . . . . 88

    5.2.3 Morphologische Analyse im dynamischenGleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

    5.2.4 Analyse der Morphologieausbildung . . . . . . 92

    5.3 Detailuntersuchungen zur Tropfendeformation imSchneckenkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

    6 Zusammenfassung 97

    A Anhang 107

    A.1 Übertragung der in ebenen Strömungen bestimm-ten kritischen Kapillarzahlen auf die Strömung in denSchneckenkanälen des Zweischneckenextruders . . . 107

    A.2 Rheologisches Stoffmodell für Dispersionen mitnichtaffinen Tropfendeformationen . . . . . . . . . . . 110

    A.3 Definition des Anisotropietensors bei polydispersenGemischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

    A.4 Berechnung der Fluidfadendeformation in der Wen-delströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

    A.5 Abschätzung der Abweichung vom kreisrundenFluidfadenquerschnitt in einer einfachen Scherströ-mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

  • VII

    Abkürzungen und Formelzeichen

    Skalare Größen

    Lateinische Buchstaben:

    A m2 Ober-/GrenzflächeA m2 Querschnittsfläche des StrömungskanalsAe m2 Oberfläche des rotationssymmetrischen EllipsoidsAK m2 Querschnittsfläche des SchneckenkanalsĀZw m2 mittlere axiale Querschnittsfläche des Zwickelbereichs

    des ZweischneckenextrudersA0 Pa · s erster Koeffizient Carreau-AnsatzA1 s zweiter Koeffizient Carreau-AnsatzA2 − dritter Koeffizient Carreau-AnsatzC m2 KoaleszenzkonstanteCa − KapillarzahlCacrit − kritische KapillarzahlCa∗ − Kapillarzahl des FluidfadensCar − reduzierte Kapillarzahl Ca/CacritD − Deformationsmaß einer EllipseD f m FluidfadendurchmesserD fcrit m kritischer FluidfadendurchmesserDn m mittlerer Tropfendurchmesser (arithmetische

    Mittelung)Dv m mittlerer Tropfendurchmesser (volumetrische

    Mittelung)E − modifizierte Kapillarzahl des Fluidfadens (Ca∗/

    √2)

  • VIII

    G∗ Pa komplexer SchubmodulG′ Pa SpeichermodulG′′ Pa VerlustmodulH 1/m mittlere KrümmungI1 1/s erste Invariante des Tensors 2D (Spur)I2 1/s2 zweite Invariante des Tensors 2D (Betrag)I3 1/s3 dritte Invariante des Tensors 2D (Determinante)K J HamakerkonstanteK1 − elliptisches Integral erster GattungL m Länge des deformierten TropfensLZyl m Länge des ExtruderkanalabschnittsṀW kg/s Massestrom des Kühlwassers in der kühlbaren DüseN1i N/m2 erste Normalspannungsdifferenz der Komponente iQ 1/m spezifische GrenzflächeQgg 1/m spezifische Grenzfläche im dynamischen Gleichge-

    wichtQ̂ 1/m modifizierte Definition der spezifischen GrenzflächeQ0 % Anzahlverteilung der TropfenR m TropfenradiusRgg m Tropfenradius im dynamischen GleichgewichtR0gg m Tropfenradius im dynamischen Gleichgewicht im

    Grenzfall ΦDP → 0Rmax m große Halbachse des rotationssymmetrischen

    EllipsoidsRmin m kleine Halbachse des rotationssymmetrischen

    EllipsoidsRn m mittlerer Tropfenradius (arithmetische Mittelung)Rv m mittlerer Tropfenradius (volumetrische Mittelung)Rcrit m kritischer Tropfenradius (Zerfall)Rcoalcrit m kritischer Tropfenradius (Koaleszenz)Re − ReynoldszahlS 1/s Betrag des DeformationsgeschwindigkeitstensorsT ◦C Temperatur

  • IX

    V̇ m3/s VolumenstromV̇K m3/s Volumenstrom durch einen Schneckenkanal des

    ZweischneckenextrudersV̇Zw m3/s Volumenstrom durch den Zwickelbereich des Zwei-

    schneckenextrudersW J Grenzflächenenergiea m Fluidfadenradiusa0 m Zylinderradiusb m Schlitzbreite der Kühldüsec − Tangens des Winkels zwischen Fluidfaden und Strom-

    linied f − Verhältnis zwischen Fluidfadenlänge und -durch-

    messerdmax m erste Hauptachse der Ellipse des Fluidfadenquer-

    schnittsdmin m zweite Hauptachse der Ellipse des Fluidfadenquer-

    schnittsd23 m Sauterdurchmesserh m Schlitzhöhe der Kühldüsehcrit m kritische Filmdickem − theoretische Gangzahl des Zweischneckenextrudersn − TropfenanzahlnR 1/s Drehzahl Schertorpedons 1/s Schneckendrehzahl Extruderp Pa Druckr(x) − Formfunktion des deformierten Tropfenss m Bogenlänge Stromliniet m, mm Schneckensteigungtb s Tropfenzerfallszeitt∗b − dimensionslose Tropfenzerfallszeittcoll s Zeit zwischen zwei Tropfenkollisionentm s Zeitpunkt einsetzenden Störungsamplitudenwachs-

    tums

  • X

    v̄a m/s mittlere Axialgeschwindigkeitvs m/s Stempelgeschwindigkeit im Kapillarrheometerw m Spaltweite des Schertorpedoswi − Massenkonzentration der Komponente ix − Wellenzahl zur Beschreibung der Störungsamplitudexm − Wellenzahl am Minimum der Störungsamplitudexopt − Wellenzahl der Störung mit der maximalen Anfa-

    chungsrate

    Griechische Buchstaben:

    ∇ m−1 Nablaoperator∆ m−2 Laplaceoperator∆tv s Verweilzeit∆tZw s Verweilzeit im Zwickelbereich des Zweischneckenex-

    trudersΘ Grad Winkel zwischen Tropfenhauptachse und StromlinieΦi − Volumenkonzentration der Komponente iΦ,Φ̄ − Funktionen der Veränderlichen Wellenzahl und Visko-

    sitätsverhältnisΨ Grad Überdeckungswinkel der Schnecken des Zwei-

    schneckenextrudersα m Amplitude einer sinusförmigen Störung auf der Fluid-

    fadenoberflächeαm m Startwert der Amplitudeα − Parameter zur Klassifikation der Strömungsformβ − Phasenverschiebung sinusförmiger Störungenβcrit − kritische Phasenverschiebungβ̇ 1/s zeitliche Änderung der Phasenverschiebungδ Grad Phasenwinkelφ Grad Winkel im Polarkoordinatensystemγ − Gesamtscherdeformation|γ̇| 1/s Betrag des Deformationsgeschwindigkeitstensors 2D

  • XI

    |γ̇|K 1/s Betrag des Deformationsgeschwindigkeitstensors imSchneckenkanal

    γ̇∗w 1/s scheinbare Schergeschwindigkeit an der Wand|γ̇|Zw 1/s Betrag des Deformationsgeschwindigkeitstensors im

    Zwickelbereich des Zweischneckenextrudersε̇ 1/s Dehngeschwindigkeitη Pa · s Viskositätη0 Pa · s NullviskositätηCP Pa · s Viskosität der kontinuierlichen PhaseηDP Pa · s Viskosität der dispersen Phaseηm Pa · s Gemischviskositätλ m Wellenlänge sinusförmiger Störungenλ1 − Viskositätsverhältnisλ3 − Volumenkonzentrationsverhältnisλ4 − Elastizitätsverhältnisµ1 - allgemeiner Relaxationsparameterµ2 - Relaxationsparameter (Koaleszenz)µ3 - Relaxationsparameter (Zerfall und Rückdeformation)ν - Substitutionsvariableω 1/s Kreisfrequenzξ − Slip-Faktor zur Beschreibung nichtaffiner Tropfen-

    deformationenξi - Massenanteil Komponente i am Gemischρ kg/m3 Dichteσ12 N/m Grenzflächenspannungτa N/m2 Schubspannung aufgrund der Grenzflächenspannung

  • XII

    Vektoren und Tensoren

    Lateinische Buchstaben:

    C − Rechts-Cauchy-Green-Tensor (FT ·F)2D 1/s DeformationsgeschwindigkeitstensorE 1/m2 Tensor zur Beschreibung eines Grenzflächenele-

    mentsF − DeformationstensorG − Links-Cauchy-Green-Tensor (F ·FT )I − EinheitstensorL 1/s GeschwindigkeitsgradiententensorQ 1/s RotationstensorW 1/s Drehgeschwindigkeitstensorg 1/s Tensor zur Beschreibung der Fluidfadenscherung~ei − Basis des mitgeführten Koordinatensystems~m − erste Hauptrichtung des deformierten Tropfens~n − normierter Vektor normal zur Grenzflächeq 1/m Tensor zur Darstellung der Grenzflächenanisotropieq̂ 1/m modifizierte Definition des Tensors zur Darstellung der

    Grenzflächenanisotropie~v m/s Geschwindigkeitsvektor~x m Ortsvektor

    Griechische Buchstaben:

    ~∇ m−1 Nablaoperatorδ − Kroneckersymbolσ N/m2 Gesamtspannungstensorτ N/m2 Extraspannungstensor

  • 1

    Kurzfassung

    Thema der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Dispersionsaus-bildung bei der Mischung hochviskoser und thermodynamisch un-verträglicher Fluide. Den praktischen Hintergrund bildet die Herstel-lung von Zweiphasenwerkstoffen in der Kunststofftechnologie.Mit einem Gemisch aus Polyethylen und Polystyrol werden Experi-mente in einfachen Scherströmungen durchgeführt und ausgewer-tet. Auf der Basis von Modellen aus der Literatur wird ein Verfahrenzur morphologischen Analyse entwickelt und verifiziert.Im zweiten Teil der Arbeit wird das Strömungsfeld im vollgefülltenSchneckenkanalbereich eines dichtkämmenden Zweischneckenex-truders mit gleichsinnig drehenden Wellen in Hinsicht auf die Mor-phologiausbildung theoretisch untersucht. Mittels eines Zonenmo-dells wird die komplexe Strömung im Schneckenkanalbereich aufeinfachere Strömungsformen abgebildet. Mit Hilfe einer detaillier-ten Untersuchung wird der Gültigkeitsbereich des vereinfachten Mo-dells eingegrenzt.

    The subject of this thesis is the dispersion refinement in immiscibleblends of highly viscous fluids. This is of practical interest for desig-ning two-phase materials in polymer technology.The mixing process for a blend consisting of polyethylene and po-lystyrene in simple shear flow is studied experimentally. Based onmodels given in literature a procedure for morphological analysis isdeveloped and verified.The second part of the paper deals with the classification of the flow

  • 2

    field that is generated along the filled screw section of a co-rotatingintermeshing twin-screw extruder under morphological aspects. Azone model of reduced complexity is introduced for the fully filledscrew sections. A detailed analysis is done to check the validity ofthis reduction of dimension.

  • 3

    Kapitel 1

    Einleitung und Aufgabenstellung

    1.1 Problemstellung

    Durch Mischen bereits bekannter thermoplastischer Polymere wer-den Werkstoffe mit neuen Werkstoffeigenschaften erzeugt. EineKlasse dieser Werkstoffgruppe bilden die physikalischen Gemische,die von den Thermoplastischen Vulkanisaten (TPV) zu unterschei-den sind, bei denen mindestens eine Phase im Herstellungspro-zeß chemisch vernetzt wird. Beim physikalischen Mischen von zweithermodynamisch unverträglichen Polymeren wird ein Zweiphasen-werkstoff ausgebildet. Die Grenzflächenstruktur zwischen den bei-den Phasen, die sog. Morphologie, wird durch den Strömungszu-stand während des Mischungsvorgangs festgelegt.

    Zur Erzielung definierter Werkstoffeigenschaften muß die Morpho-logieausbildung bei der Blendgenerierung gezielt beeinflußt wer-den. Häufig werden feine Dispersionen angestrebt, bei denen diedisperse Phase in der Matrix mikrodispers verteilt vorliegt. Da-durch werden die mechanischen Kennwerte mit zunehmender spe-zifischer Grenzfläche verbessert [23]. Davon abweichend werdenauch Aufbereitungskonzepte zur Erzielung co-kontinuierlicher Pha-senstrukturen entwickelt [22].

    Aufgrund seines hervorragenden Mischverhaltens werden bei der

  • 4

    industriellen Gemischaufbereitung häufig gleichsinnig drehende,dichtkämmende Zweischneckenkneter zur Blendgenerierung einge-setzt. In Bild 1.1 ist der Prozeß zur Herstellung des in den Versu-chen eingesetzten Gemischs aus Polyethylen und Polystyrol sche-matisch dargestellt.Die i. a. granulatförmigen Polymerkomponenten werden je nach

    ��������������������������������������������������������������������������������

    ������������������������������������������������������������������������

    ������������������������������������������������������������������������

    ������������������������������������������������������������������������

    ����������������

    ����

    ����

    ����

    ����

    ������������������������������������������������������������������������

    ������

    ������

    ������

    ����������������������������������������������������������

    SchneckeZylinder

    (PS) (PE)

    Mischen MischenDispersives Distributives PlastifizierenEinziehen

    Granulier−station

    Polyethylen Polystyrol

    Getriebe

    Zylinder

    Dispersionsverfeinerung

    EntgasungDosiersysteme

    Gravimetrische

    Bild 1.1: Compoundierprozeß im Zweischneckenextruder

    Konzept gemeinsam oder getrennt zugegeben. Während der Pla-stifizierung werden die Polymere grob vermischt [41, 47]. Eineweitere Verfeinerung der diskontinuierlichen Gemischphase wirdvor allem in den Knetblockstrukturen erreicht. An den distributi-ven Mischungsvorgang mit vernachlässigbar kleinen Grenzflächen-spannungen schließt sich das dispersive Mischen an. So wird dieendgültige Morphologie durch die im letzten Teil der Maschine ab-laufenden Tropfenzerkleinerungen und -verschmelzungen festge-legt.

    Beim gleichsinnig drehenden Zweischneckenextruder kann derSchneckenaufbau an die jeweilige Verfahrensaufgabe ange-paßt werden. Bei vorliegendem Formulierungskonzept sind dieSchneckengeometrie und die Prozeßparameter so zu wählen, daß

  • 5

    die gewünschte Dispersionsfeinheit erzielt wird. Vor allem bei neu-en Werkstoffkombinationen ist die optimale Prozeßauslegung miterheblichem Aufwand verbunden.

    1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

    Ziel der durchgeführten Untersuchungen ist die Bereitstellungvon Simulationswerkzeugen zur Klassifikation von Polymerblend-Strömungen hinsichtlich ihrer Mischungseffektivität als ein Hilfsmit-tel zur Prozeßauslegung.

    Im ersten Schritt wird ein Verfahren zur Analyse der Morphologie-ausbildung in einfachen Scherströmungen auf der Grundlage be-stehender Modelle entwickelt. Die experimentelle Analyse der Mor-phologieausbildung erfolgt in der Druckströmung im Flachschlitzka-nal und im diskontinuierlich betriebenen Schertorpedo. Die Kompo-nenten des eingesetzten Gemischs aus Polyethylen und Polysty-rol weisen ein pseudoplastisches Fließverhalten auf. Deshalb mußdie Gültigkeit der eingesetzten Modelle, die Newtonsches Fließver-halten voraussetzen, überprüft werden. Durch Korrelation der Ver-suchsergebnisse mit dem aus Simulationsrechnungen bekanntenStrömungszustand werden die Parameter für die Modellierung derMorphologieausbildung ermittelt und die modellgestützten Voraus-sagen über die Blendmorphologie überprüft.

    Im zweiten Schritt wird das Strömungsfeld im vollgefüllten Ka-nalbereich eines Zweischneckenxtruders unter morphologischenGesichtspunkten anhand von Beispielrechnungen untersucht. Da-bei werden Ähnlichkeiten und Unterschiede zur einfachen Scher-strömung aufgezeigt. Die Entwicklung eines Zonenmodells zurErfassung lokal unterschiedlicher Strömungszustände ermöglichtAussagen über die Morphologie im Extruderkanalbereich aufGrundlage einfacher Strömungen. Mittels detaillierten Berechnun-gen werden die Grenzen der Übertragbarkeit aufgezeigt.

  • 6

    Kapitel 2

    Ausgangssituation

    2.1 Vorgänge beim dispersiven Mischen hoch-viskoser Flüssigkeiten

    Bei der Aufbereitung von Polymerblends müssen zur Verbesserungder Dispersions-Mischgüte Tropfen der dispersen Phase zerkleinertwerden. Eine Analyse der Tropfenstabilität gibt Auskunft darüber, obdies für einen Tropfen mit definierter Größe in einem vorliegendenStrömungsfeld überhaupt möglich ist.Tritt Tropfenzerfall auf, so interessieren vor allem die Zeitspannezwischen der Einleitung des Tropfenbruchs bis zur Aufspaltung inkleinere Tropfen im Verhältnis zur Prozeßzeit sowie die Abmessun-gen der neu entstehenden Fluidpartikel.Nur in Sonderfällen ist die Morphologie am Austritt der zur Kom-ponentenvermischung eingesetzten Apparatur ausschließlich durchZerfallsmechanismen festgelegt. Schon bei niedrigen Volumenkon-zentrationen der dispersen Phase beeinflussen Koaleszenzphäno-mene die Mischgüte.Die angestrebten physikalischen und anwendungstechnischen Ei-genschaften disperser Polymerblends werden oft nur bei entspre-chend hoher Dosierung der dispersen Phase erzielt. Das impliziertaber, daß schon bei der Analyse des Strömungsfeldes die Rheo-

  • 7

    logie des Polymergemisches zugrundegelegt werden muß. Nebendem Fließverhalten der Ausgangskomponenten wird diese, vor al-lem in instationären Strömungen, auch durch die Phasengrenz-fläche bestimmt.In der Praxis erfolgt die Aufbereitung von Polymerblends häufig mit-tels Zweischneckenextrudern. Hierzu sind die bislang für Strömun-gen mit einfacher Kinematik beschreibbaren Phänomene auf kom-plexe Strömungsformen zu übertragen.

    2.2 Stabilität hochviskoser Tropfen

    Bei konstanter Grenzflächenspannung σ12 ist die Kugelform hin-sichtlich der Grenzflächenenergie W die energetisch günstigsteTropfenform. Diese Energie berechnet sich aus der Integration derGrenzflächenspannung über der Tropfenoberfläche A:

    W =Z

    Aσ12 dA . (2.1)

    In Dispersionen hochviskoser Fluide werden Tropfen, die inho-mogenen Strömungsfeldern ausgesetzt sind, aufgrund der auftre-tenden Kräfte deformiert. Je größer diese am Tropfen angreifen-den Strömungskräfte sind, desto schneller wird ein anfänglich ku-gelförmiger Tropfen verformt. Zur damit einhergehenden Vergröße-rung der Grenzfläche muß gemäß Gl. 2.1 Arbeit verrichtet werden.

    Aussagen über die Deformation und die Stabilität von Tropfen wer-den häufig anhand der dimensionslosen Kapillarzahl Ca getroffen,die die viskosen Kräfte mit den Grenzflächenspannungskräften kor-reliert:

    Ca =ηCP · |γ̇| ·R

    σ12. (2.2)

    Der Einfluß der Strömung wird durch den Term ηCP · |γ̇| mit der Vis-kosität der kontinuierlichen Phase ηCP und dem Betrag des De-formationsgeschwindigkeitstensors |γ̇| abgebildet. Mit dem Produkt

  • 8

    aus der Grenzflächenspannung σ12 und dem reziproken Tropfen-radius 1/R werden die der Tropfendeformation entgegenwirkendenKräfte quantifiziert: Der Betrag der normal zur Grenzfläche gerich-teten Resultierenden aus den angreifenden Grenzflächenspannun-gen ist proportional zur mittleren Krümmung der Tropfenoberfläche,die sich für eine kugelförmigen Grenzfläche berechnet zu H = 1/R.

    Die Kapillarzahl tritt in der dimensionslosen Form der Kräftebilanznormal zur Tropfengrenzfläche auf [39]. Diese Kräftebilanz läßt sichwie folgt formulieren:

    ((

    σ′−λ1 · σ̂′)

    ·~n)

    ·~n = 1Ca

    ·~∇′ ·~n . (2.3)

    Die Gleichung 2.3 ist gültig für schleichende Strömungen (Re � 1)inkompressibler Medien mit Newtonschem Fließverhalten. In dieserFormulierung wird die Tropfengrenzfläche vereinfachend als unend-lich dünne Grenzschicht modelliert, und die Grenzflächenspannungals konstante Größe angenommen.

    In Gl. 2.3 werden die Strömungskräfte mit Hilfe der normierten Ge-samtspannungstensoren (σ̂′, σ′) an der Innen- und Außenseite derTropfengrenzfläche dargestellt. Der Gesamtspannungstensor setztsich aus zwei Anteilen zusammen:

    σ = −p · I + τ . (2.4)

    Der Extraspannungstensor τ verschwindet, wenn sich das Fluid inRuhe befindet. In diesem Fall reduziert sich die Gl. 2.3 auf dieLaplace-Gleichung, die den Zusammenhang zwischen dem Trop-fenradius und dem Drucksprung über die Grenzfläche hinweg be-schreibt. Die bei inhomogenen Strömungen zusätzlich auftretendenviskosen Kräfte werden im Gleichgewichtszustand durch entspre-chende Grenzflächenkrümmungen ~∇′ ·~n ausgeglichen. Das skalareProdukt des mit dem Radius des undeformierten Tropfens normier-ten Nablaoperators ~∇′ = R ·~∇ mit dem Normalenvektor der Grenz-fläche stellt ein Maß der Tropfendeformation dar und ist beim ku-gelförmigen Tropfen gleich 2.

  • 9

    Aus Gl. 2.3 ist zu erkennen, daß bei kleinen Kapillarzahlen schongeringe Krümmungsänderungen die an der Grenzfläche angrei-fenden Strömungskräfte ausgleichen. Mit wachsenden Kapillarzah-len resultieren hingegen zunehmende Deformationen. Überschrei-tet die Kapillarzahl einen bestimmten kritischen Wert Ca > Cacrit ,so existiert keine stabile Tropfenform mehr, der Tropfen wird instabilund der Zerfall wird eingeleitet.Auch der stabilisierende Effekt der Strömung im Tropfeninnernkann anhand der Kräftebilanz beschrieben werden. Gemäß denbezüglich den Fluideigenschaften getroffenen Annahmen gilt die fol-gende rheologische Zustandsgleichung:

    τ = 2 ·η ·D . (2.5)

    Eingesetzt in Gl. 2.3 resultieren damit bei erhöhten Viskositäts-verhältnissen λ1 = ηDP/ηCP kleinere Deformationsgeschwindigkei-ten an der Innenseite der Grenzfläche und damit geringere Trop-fendeformationen. Sehr anschaulich wird dies am Grenzfall starrerTeilchen mit λ1 → ∞. Allerdings kann nicht generell von der Tropfen-deformation auf die Stabilität des Tropfens geschlossen werden. Solassen sich z. B. niederviskose Tropfen (λ1 < 10−3) sehr stark defor-mieren, bevor sie zerbrechen.Häufig wird die Tropfenstabilität anhand der kritischen Kapillar-zahl Cacrit diskutiert. H. P. Grace [26] stellt diese dimensionsloseKennzahl für eine einfache Scherströmung und eine ebene Dehn-strömung in Abhängigkeit von λ1 dar. Die Grundlage hierfür bil-den Meßergebnisse, die mittels einer Couette- und einer 4-Rollen-Apparatur ermittelt wurden. Entsprechende Ergebnisse sind für wei-tere ebene Strömungsformen dokumentiert [6] (vgl. Anhang A.1).Demnach gelingt die Tropfenreduktion im Falle großer Viskositäts-verhältnisse am besten in Dehnströmungen. Hingegen findet in ei-ner einfachen Scherströmung ab λ1 > 3.6 keine Tropfenzerkleine-rung mehr statt.

    Außer im Rahmen experimenteller Untersuchungen wird das Pro-

  • 10

    blem der Tropfenstabilität in zahlreichen Arbeiten mit Hilfe der Ka-pillarzahl auch theoretisch analysiert. Werden bei solchen Analysenkeine numerischen Verfahren eingesetzt, bei denen der Tropfen dis-kretisiert wird, so muß die gesamte Tropfenoberfläche mittels einerFunktion beschrieben werden. Experimentellen Befunden entspre-chend wird die Grenzfläche hochviskoser Tropfen als deformierteKugel approximiert [4, 14, 48] und bei kleinen Viskositätsverhältnis-sen mit Hilfe einer Formfunktion r(x) des deformierten Tropfens derLänge L abgebildet [2, 12]:

    r(x) =14·(

    1−(

    xL/2

    )2)

    . (2.6)

    Für die Viskositätsbereiche λ1 < 0.01 und λ1 > 0.05 ist für unter-schiedliche ebene Strömungsformen eine gute Übereinstimmungzwischen den experimentell ermittelten und den berechneten kri-tischen Kapillarzahlen dokumentiert [6]. Daß Tropfen in einfacherScherströmung bei Viskositätsverhältnissen λ1 > 3.6 nicht mehr zer-fallen wird jedoch lediglich qualitativ wiedergegeben [4].Treffen die vereinfachenden Annahmen bezüglich der Tropfengeo-metrie nicht mehr zu, so muß in der theoretischen Analyse auf nu-merische Näherungsverfahren zurückgegriffen werden [1, 49, 50].

    Zusammenfassend kann bei Gemischen Newtonscher Fluide fürAussagen zur Tropfenstabilität auf Approximationskurven aus expe-rimentellen Meßdaten zurückgegriffen werden, wie sie z.B. in [64]angegeben sind. Der Einsatz theoretischer Modelle bietet sich an,wenn für die realisierte Strömungsform keine experimentellen Stu-dien vorliegen.

    Beim Mischen von Kunststoffschmelzen ist stoffabhängig auchdas nichtnewtonsche Fließverhalten der Ausgangskomponenten zuberücksichtigen. So weisen Polymerschmelzen häufig ein struktur-viskoses Fließverhalten auf. Zudem besitzen sie neben viskosenauch elastische Eigenschaften.

  • 11

    Zumindest für qualitative Aussagen können die Ergebnisse ausExperimenten mit Newtonschen Fluiden auch für strukturviskoseFluide herangezogen werden. Anstelle der von der Deformations-geschwindigkeit unabhängigen dynamischen Viskositäten ηCP undηDP sind dabei die Viskositätsfunktionen von disperser bzw. kontinu-ierlicher Phase einzusetzen [23]. Die Kapillarzahl ist damit definiertzu:

    Ca =ηCP(|γ̇|) · |γ̇| ·R

    σ12. (2.7)

    Im allgemeinen ergeben sich nur geringfügige Abweichungen in derkritischen Kapillarzahl Cacrit , wenn anstelle Newtonscher Flüssig-keiten strukturviskose Medien dispergiert werden [25].

    S. Wu [72] führte experimentelle Untersuchungen zur Analyse derTropfenstabilität im Zweischneckenextruder durch. Beide Gemisch-komponenten weisen strukturviskoses Fließverhalten auf, wobeidie disperse Phase zusätzlich viskoelastischer Natur ist. Die ausder mittleren Schergeschwindigkeit im Extruder, der Matrixviskositätund dem mittleren Tropfenradius Rn bei unterschiedlichen Visko-sitätsverhältnissen ermittelten kritischen Kapillarzahlen werden alsFunktion von λ1 approximiert mit dem Ansatz:

    Cacrit = 2 ·λ±0.841 . (2.8)

    Das Vorzeichen des Exponenten ist abhängig von der Größe desViskositätsverhältnisses zu wählen: Für λ1 < 1 ist der Exponent ne-gativ zu setzen. Die Funktion Cacrit(λ1) besitzt damit ein Minimumbei λ1 = 1.

    F. Mighry und P. J. Carreau untersuchten den Einfluß elastischerStoffeigenschaften auf die Tropfenstabilität unter Verwendung ei-nes Platte/Platte Rheometers. Zur Bewertung der Auswirkung ela-stischer Stoffeigenschaften wird die dimensionslose Kennzahl λ4eingeführt, die das Viskositätsverhältnis λ1 mit dem Quotienten der

  • 12

    ersten Normalspannungsdifferenzen der dispersen und kontinuierli-chen Phase korreliert:

    λ4 =N1DP

    N1CP ·λ1. (2.9)

    Für die untersuchten Materialien beschreibt Cacrit = Cacrit(λ4) einemonoton steigende Funktion.

    2.3 Tropfenzerfall

    Übersteigt die Kapillarzahl den kritischen Wert Cacrit , so trittTropfenzerfall auf. Der Zerfallsprozeß selbst hängt u. a. von derStrömungsform und dem Wert der reduzierten Kapillarzahl Car =Ca/Cacrit ab [32, 62]. Tropfen, die sich in Strömungen mit konstan-ter Streckgeschichte [44] befinden, und die durch kleine reduzierteKapillarzahlen beschrieben werden, bilden in der Tropfenmitte ei-ne Einschnürung aus. Dies führt zum Zerfall des Tropfens in zweinahezu gleich große Tropfen unter Abspaltung von Satellitentrop-fen. Bei großen reduzierten Kapillarzahlen wird der Tropfen sehr

    β =tan ( )δλ

    αStörungs−amplitude

    radius aFaden−

    sinusförmige StörungSatellitentropfen

    WellenlängeFluidfadenPhasenverschiebung

    δ

    Bild 2.1: Schema des Fluidfadenzerfalls in einfacher Scherströmung

    schnell deformiert und damit die mit einer Relaxation verbunde-ne Einschnürung in der Tropfenmitte unterdrückt. Es entsteht eindünner Fluidfaden, der erst beim Erreichen sehr kleiner Radien a

  • 13

    in eine große Anzahl kleiner Tropfen zerfällt [17]. Der gleiche Zer-fallsmechanismus tritt auf, wenn die Kapillarzahl schnell ansteigt.Relaxiert ein zum Fluidfaden deformierter Tropfen, so spalten sichaufgrund der Grenzflächenkrümmung an den Enden tropfenförmigePartikel ab [54].

    S. Tomotika entwickelte ein Modell zur Beschreibung des Fluidfa-denzerfalls in einem ruhenden Fluid und in einer einachsigen Dehn-strömung mit konstanter Dehngeschwindigkeit [59, 60]. Basierendauf experimentellen Beobachtungen wird eine lineare Stabilitäts-analyse mittels sinusförmiger Störungen der Amplitude α und derWellenlänge λ durchgeführt. Instabile Fluidfäden sind dadurch ge-kennzeichnet, daß die Störungsbewegung zeitlich anwächst. Bruch-kriterium ist eine bis zum Fluidfadenradius a anfachende Störungs-amplitude (vgl. Bild 2.1).

    Dieses Modell wurde zu einer allgemeineren Formulierung fürdie Analyse von Fluidfadenzerfallsvorgängen in einachsigen Dehn-strömungen mit zeitabhängiger Dehngeschwindigkeit ε̇(t) weiterent-wickelt [42]. Die linearisierte Differentialgleichung zur Beschreibungvon Störungsamplituden lautet hierfür:

    D ln(α)D t

    =σ12

    2 ·ηCP ·a· (1− x2) ·Φ(x)

    −32· ε̇ · (λ1 −1) · Φ̄(x)−

    12· ε̇ . (2.10)

    Die dimensionslose Wellenzahl x beschreibt das Verhältnis zwi-schen dem Fluidfadenumfang 2 ·π · a und der Störungswellenlängeλ. Bei konstanter Dehngeschwindigkeit weist die Amplitudenfunkti-on in Abhängigkeit der Wellenzahl sowohl ein Minimum als auch einMaximum auf. Bei einem ruhenden Fluidfaden ist die Wellenzahlkonstant. Damit führt die Störung mit der maximalen Anfachungs-rate zum Zerfall. Bei sich deformierenden Fluidfäden muß die zumBruch führende Störung aus einer Optimierungsrechnung ermitteltwerden. Dazu werden die Amplituden anfachender Störungen er-

  • 14

    mittelt. Die Bruchzeit wird dann durch die am schnellsten bis zumFluidfadenradius anfachende Störung festgelegt.

    Einziger Variationsparameter ist die anfängliche Amplitude αm derzu unterschiedlichen Zeitpunkten tm anfachenden Störungsamplitu-den. Das Vorhandensein dieser Störungen ist nach W. Kuhn [36]auf thermische Fluktuationen zurückzuführen.

    Das Modell wurde anhand von Versuchen an einer, in der 4-Rollen-Apparatur realisierten, ebenen Dehnströmung verifiziert. ImGegensatz zur einachsigen Dehnströmung treten in dieser ebe-nen Strömungsform lediglich durch die ausgleichende Wirkungvon Grenzflächenspannungen annähernd kreisförmige Fadenquer-schnitte auf. Als Maß für die Deformation D des Querschnitts zueiner Ellipse mit den Halbachsen dmax und dmin wird die folgendeGleichung angegeben:

    D = Ca∗ =ε̇ ·ηCP ·a

    σ12D =

    dmax −dmindmax +dmin

    . (2.11)

    Demnach entspricht D einer modifizierten Kapillarzahl Ca∗, die ausdem Fluidfadenradius a und der Dehngeschwindigkeit bestimmtwird. Mit abnehmendem Radius a nähert sich der Fluidfadenquer-schnitt an die Kreisform an.

    Von D. V. Khakar und J. M. Ottino wurde die Analyse des Fluid-fadenzerfalls auf Strömungen mit konstanten Geschwindigkeitsgra-dienten ausgeweitet [34]. In Scherströmungen tritt beim instabi-len Fluidfaden eine Phasenverschiebung zwischen einander ge-genüberliegenden Störungen auf (vgl. Bild 2.1). Zur Abschätzungdieser Schervorgänge an Tropfen wird die Phasenverschiebung βermittelt, wobei der Einsatz des Modells auf Anwendungen mit klei-nen relativen Phasenverschiebungen beschränkt bleibt.Die Störungsdifferentialgleichungen werden im mitgeführten Be-zugssystem mit der Basis~ei angegeben, das die Drehung des Trop-fens mitmacht. Dabei wird der deformierte Tropfen vereinfachendals materielles Linienelement betrachtet, dessen Orientierung im

  • 15

    raumfesten Koordinatensystem durch den normierten Vektor ~m be-schrieben werden kann. Zur Abbildung der Tropfenrotation im raum-festen Bezugssystem wird die orthogonale Transformationsmatrix Qeingeführt:

    ~m = QT ·~e1 . (2.12)Damit kann der Tensor g zur Berechnung der Fluidfadenscherungaus dem Geschwindigkeitsgradiententensor L des raumfesten Be-zugssystems ermittelt werden. Die zeitliche Änderung der Phasen-verschiebung auf der Oberfläche des zylinderförmigen Fluidfadensβ̇ wird vorteilhafterweise im Polarkoordinatensystem mit dem Win-kel φ dargestellt:

    β̇ = − 21+λ1

    · (g12 · cosφ+g13 · sinφ) , (2.13)

    mit gi j = Q̇ip Q jp +(1−δi j) Qip Lpq Q jq . (2.14)In der Berechnungsvorschrift für die Elemente des Tensors gberücksichtigt der erste Term der Summe die Tropfenrotationsge-schwindigkeit und der zweite die Elemente des Geschwindigkeits-gradiententensors im mitgeführten Koordinatensystem.

    Auf der Grundlage von Strömungsberechnungen mit dem am Insti-tut für Kunststofftechnologie entwickelten, FEM-basierten Berech-nungsprogramm SIMFLOWr [19] wird der Fluidfadenzerfall in ebe-nen Strömungen anhand Gl. 2.10 beschrieben [52]. Die Tropfenori-entierung und damit die Tropfendehnungsgeschwindigkeit wird ausden Eigenwerten des Cauchy-Greenschen Verzerrungstensors be-stimmt.

    Zur linearen Stabilitätsanalyse ist anzumerken, daß die dabei zu-grundegelegte Annahme sinusförmiger Störungen nur bei kleinenAmplituden zutrifft. Die gegenseitige Beeinflussung der Wellen führtzu Abweichungen von der Sinusform, was vor allem auf Anzahl undForm der beim Fluidfadenzerfall entstehenden Tropfen große Aus-wirkungen hat. So entstehen beim Zerfall eines ruhenden Fluidfa-dens neben größeren Tropfen, die der ”Sinusstörung“ zuzuordnen

  • 16

    sind, eine Vielzahl kleiner Satellitentropfen [58]. Allerdings muß zurBeschreibung dieser Phänomene auf Modelle zurückgegriffen wer-den, mit denen der Einsatz numerischer Methoden verbunden ist.Da beim sich deformierenden Tropfen die kritische Störung aus ei-ner Optimierungsrechnung zu ermitteln ist, sind damit entsprechendlange Berechnungszeiten verbunden.

    Das gleiche gilt für theoretische Analysen des Fadenzerfalls bei vis-koelastischen Fluiden mittels finiter Berechnungsmethoden [33, 61].

    Neben der theoretischen Analyse kann bei der Beschreibung desTropfenzerfalls auch auf experimentelle Ergebnisse zurückgegriffenwerden, indem Meßwerte zur Abschätzung der Zerfallszeit kleinerTropfen in einfacher Scherströmung approximiert werden [7, 16, 26,32]. Die dimensionslose Tropfenzerfallszeit t∗b = tb · γ̇ läßt sich, dar-aus abgeleitet, als Funktion des Viskositätsverhältnisses durch fol-gende Beziehung darstellen [32]:

    log t∗b = 0.579+0.355 · (logλ1 +4) . (2.15)

    V. T. Tsakalos, P. Navard und E. Peuvrel-Disdier [63] analysiertenDeformationen und den Zerfall von Einzeltropfen in einer Platte-Kegel-Strömung. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung lag auf derZerfallsanalyse großer Tropfen. Aufgrund der durch die Scherunginitiierten Rotationsströmung werden große Tropfen stabilisiert, sodaß Störungen erst bei sehr kleinen Fluidfadendurchmessern D f

    merklich anfachen. Zwischen dem kritischen Durchmesser D fcrit , beidem Störungen bis zum Zerfall anfachen, und der Schergeschwin-digkeit konnte eine umgekehrte Proportionalität festgestellt werden:

    D f ≤ D fcrit ∝1γ̇

    , R ≈ Rcrit/2 . (2.16)

    Als ein weiteres Ergebnis wird aufgeführt, daß die beim Fluidfaden-zerfall entstehenden Tropfen ungefähr halb so groß sind wie dergrößtmögliche stabile Tropfen.

  • 17

    In räumlich inhomogenen oder instationären Strömungen trittein weiterer Zerfallsmechanismus aufgrund von Tropfenfaltungenauf [57].

    2.4 Koaleszenzphänomene

    In den bisher zitierten Literaturstellen werden lediglich Einzeltrop-fen bzw. Dispersionen betrachtet, bei denen keine Wechselwirkun-gen zwischen den Einzeltropfen auftreten. Aus Experimenten ist je-doch bekannt, daß dies schon bei geringen Konzentrationen derdispersen Phase häufig nicht mehr zutrifft [27]. Vor allem bei denfür die meisten technisch relevanten Polymergemische üblichen ho-hen Konzentrationen der dispersen Phase müssen deshalb bei dermorphologischen Analyse Interaktionen zwischen den Einzeltrop-fen berücksichtigt werden. So treten in Dispersionen aufgrund vonKoaleszenzeffekten Tropfengrößen auf, die den kritischen Tropfen-radius bei weitem übersteigen.

    In strömenden Polymergemischen laufen sowohl Zerfalls- als auchKoaleszenzvorgänge ab, wobei der quasistationäre Zustand durchein dynamisches Gleichgewicht von Zerfall und Koaleszenz gekenn-zeichnet ist. Die Analyse des Problems wird dadurch erschwert, daßreale Gemische polydispers sind [18]. Befinden sich in der Disper-sion zu Beginn der Analyse Tropfen, die durch große reduzierteKapillarzahlen Car = Ca/Cacrit charakterisiert sind, so liegen nichtnur Größen-, sondern auch Formunterschiede zwischen den Einzel-tropfen vor. Aufgrund der hohen Komplexität des Problems müssenfür die theoretische Analyse vereinfachende Annahmen getroffenwerden.

    Die Verschmelzung zweier Fluidtropfen kann in zwei Phasen un-terteilt werden. Solange der Abstand zwischen den Tropfen großgenug ist, sind die Wechselwirkungen zwischen den Tropfen ver-nachlässigbar. Für diese erste Phase wird eine Korrelation für die

  • 18

    Zeit zwischen der Kollision zweier Tropfen tcoll in einfacher Scher-strömung eines monodispersen Gemischs als Funktion von Scher-geschwindigkeit γ̇ und Volumenkonzentration der dispersen PhaseΦDP angegeben [33]:

    tcoll =π

    8 · γ̇ ·ΦDP. (2.17)

    Wird in der sich nun anschließenden zweiten Phase der trennen-de Flüssigkeitsfilm zwischen kollidierenden Tropfen verdrängt, ver-schmelzen die Tropfen. Dieser Vorgang läßt sich mit verschiedenenFilmtrocknungsmodellen [18] beschreiben, in denen unterschiedli-che Annahmen über das Verhalten der Grenzflächen getroffen wer-den. Letztere werden als steife, teilweise bewegliche oder viskoseStrukturen modelliert.

    Gemäß den Modellaussagen verschmelzen lediglich Tropfen bis zueinem bestimmten Durchmesser, dem kritischen Koaleszenzdurch-messer Rcoalcrit , da bei größeren Tropfen ein zu großes Filmvolumenverdrängt werden müßte. J. M. H. Janssen stellte diese Filmtrock-nungsmodelle zur Beschreibung der Koaleszenz in einfacher Scher-strömung zusammen. Zur Charakterisierung der Koaleszenzphäno-mene in Polymergemischen wird eine Modellierung mit teilweise be-weglichen Grenzflächen vorgeschlagen, aus der sich die folgendeBestimmungsgleichung für den kritischen Tropfenradius ergibt:

    Rcoalcrit = λ−2/51 ·

    (

    4√3·hcrit

    )2/5

    ·(

    ηCP · γ̇σ12

    )−3/5. (2.18)

    Die kritische Filmdicke hcrit bezeichnet den Grenzflächenabstand,bei dem der die Tropfen trennende Fluidfilm aufreißt. Zu deren Be-stimmung wird folgende Approximationsformel angegeben:

    hcrit ≈(

    K ·R8 ·π ·σ12

    )1/3

    . (2.19)

    Üblicherweise ist für die Hamaker-Konstante K ein Wert von 10−20 Jeinzusetzen. Die damit bestimmten Filmdicken liegen im Bereich

  • 19

    hcrit = 5−50 nm. Durch das Vorhandensein von Additiven treten Ko-aleszenzphänomene bei den in der Industrie eingesetzten Polyme-ren vermehrt auf. So ist eine Reduktion der mit Hilfe von Experimen-ten bestimmten Filmdicken von hcrit = 250 nm auf hcrit = 35 nm durcheine Reinigung der Ausgangspolymere Polystyrol und Polyethylendokumentiert [53].Von N. Grizzuti und O. Bifulco [27] wurde das von Janssen ent-wickelte Modell mit teilweise beweglicher Grenzfläche am Beispieleiner Polymermischung (PIB/PDMS) experimentell verifiziert unddie kritische Filmdicke durch Anpassung des Modells an die Ver-suchsergebnisse zu hcrit = 260 nm bestimmt.Bei hochkonzentrierten Gemischen ist die kritische Filmdicke alsKorrekturfaktor zu interpretieren, der in Abhängigkeit der Gemisch-zusammensetzung unterschiedliche Werte annehmen kann [69].Das ist auf den mit der Konzentration der dispersen Phase zuneh-menden Einfluß von Mehrfachstößen zurückzuführen.

    Gilt Rcoalcrit > Rcrit , so wird der Tropfenradius im dynamischen Gleich-gewicht Rgg durch die beiden kritischen Radien Rcrit und Rcoalcrit ein-gegrenzt. Für detailliertere Aussagen müssen kinetische Ansätzezur Beschreibung der Tropfenzerfalls- und -koaleszenzabläufe her-angezogen werden. So können z. B. der mittlere Tropfenradius unddie Zeitspanne, die zum Erreichen des quasistationären Zustandsbenötigt wird, aus kinetischen Ansätzen ermittelt werden [20]. DenBerechnungen liegt ein Modell zugrunde, das Dispersionen ku-gelförmiger Tropfen unterschiedlicher Größen abbildet. Daraus wirdein Ansatz zur Beschreibung der Koaleszenzwahrscheinlichkeit beider Kollision von Tropfen als eine Funktion unterschiedlicher Radienabgeleitet. Allerdings werden in dem Modell lediglich Zweierstößeabgebildet und entsprechend wird angenommen, daß beim Zerfalleines Tropfens immer zwei neue entstehen.Der im Vergleich zu Experimenten mit diesem Modell berechnete zuschwache Anstieg des mittleren Tropfendurchmessers als Funktionder Konzentration wird damit erklärt, daß bei höherkonzentrierten

  • 20

    Gemischen auch Kollisionen mehrerer Tropfen in der Modellierungberücksichtigt werden müssten.

    Die notwendigen kinetischen Ansätze können auch von experi-mentellen Ergebnissen ausgehend, hergeleitet werden. So ist füreinfache Scherströmungen ein von der Schergeschwindigkeit un-abhängiger Ansatz für den mittleren Tropfenradius im Gleichgewichtdokumentiert [32]. Mit der Koaleszenzkonstanten C, dem mittlerenRadius R0gg im Grenzfall verschwindend kleiner Volumenkonzentra-tion der dispersen Phase ΦDP und der mit Gl. 2.15 berechneten di-mensionslosen Zerfallszeit t∗b lautet die Korrelation zur Bestimmungdes Tropfenradius im dynamischen Gleichgewicht:

    Rgg = R0gg +√

    3 ·C ·Cacrit · t∗b ·Φ8/3DP . (2.20)

    Die Verifikation erfolgte anhand von Experimenten für ein Ge-misch aus Polyethylen und Polystyrol unter Verwendung eines Zwei-schneckenextruders.

    2.5 Rheologie von Polymergemischen

    Polymergemische weisen meist ein sehr komplexes Fließverhaltenauf. Die Gemischrheologie wird i. a. vom Fließverhalten der Rein-stoffkomponenten sowie durch Mischungsinhomogenitäten beein-flußt. Diese zeigen sich bei der Mischung von miteinander unver-träglichen Ausgangspolymeren auch im fortgeschrittenen Misch-ungsstadium in Form von Phasengrenzen.Eine Einteilung vorbekannter Beschreibungen des rheologischenVerhaltens von Polymergemischen kann hinsichtlich der zugrun-degelegten Grenzflächenstruktur erfolgen. Liegt die diskontinuier-liche Phase in Form mikrodispers verteilter Tropfen vor, so nähertsich das Fließverhalten mit zunehmender Tropfenfeinheit und damiterhöhter Steifigkeit der Tropfen dem einer Suspension an und kann

  • 21

    als solches näherungsweise beschrieben werden.Doch selbst bei sehr steifen Tropfen bestehen Unterschiede zwi-schen Suspensionen und Emulsionen. So induziert die Tropfeno-berfläche im Tropfeninnern eine Strömung, so daß auch bei nahe-zu kugelförmigen Tropfen die Viskosität der dispersen Phase dieGemischviskosität beeinflußt. Beispiele entsprechender Ansätze fürdie Gemischviskosität sind in [13, 33, 45] gegeben.

    Häufig weicht die Tropfengeometrie der dispersen Phase aufgrundder wirkenden Strömungskräfte von der Kugelform ab. Dies führtvor allem in instationären Strömungen zu elastischen Effektender Schmelze aufgrund sich ändernder Grenzflächenstrukturen. Soweist der im Oszillationsversuch gemessene und über der Fre-quenz aufgetragene Speichermodul im Bereich kleiner Frequenzenin Abhängigkeit von der Grenzflächenstruktur einen charakteristi-schen Verlauf auf [9, 10].

    Doch auch in stationären Strömungen sind die aus der Grenz-flächenspannung resultierenden elastischen Eigenschaften meß-bar. So treten bei höherkonzentrierten Gemischen NewtonscherFluide in stationärer Scherströmung Normalspannungsdifferenzenauf. S. J. Choi und W. R. Schowalter [13] entwickelten ein Modell,welches ermöglicht, von in Versuchen gemessenen Normalspan-nungsdifferenzen auf die zugrundeliegende Morphologie zu schlie-ßen. Da hierbei sowohl Wechselwirkungen benachbarter Tropfenals auch kleine Tropfendeformationen berücksichtigt werden, wirddieses Modell u. a. zur Parameteranpassung für die weiter untendiskutierte Modellierung nach Doi und Ohta eingesetzt [30, 66].

    Im rheologischen Modell von J. F. Palierne [46] wird unter Ein-beziehung hydrodynamischer Wechselwirkungen und der Tropfen-größenverteilung das linear-viskoelastische Verhalten von Polymer-gemischen abgebildet. Eine experimentelle Verifikation des Modellserfolgt u.a. in [37]. In [10] wird ein weiterer Ansatz angegeben, derin Anlehnung an dieses Modell entwickelt wurde.

  • 22

    Einen anderen Weg bei der Modellbildung haben M. Doi und T. Oh-ta beschritten, deren Formulierung nicht auf Dispersionen nahe-zu kugelförmiger Tropfen beschränkt ist [15]. Bei dieser Modellie-rung können beliebig geformte Grenzflächenstrukturen analysiertwerden, die sich aufgrund von Strömungs- und Oberflächenkräftenverändern und durch die spezifische Oberfläche Q und den Grenz-flächentensor q beschrieben werden. Der Tensor zur Abbildung derAnisotropie der Grenzfläche wird mit dem Normalenvektor ~n amGrenzflächenelement dS bestimmt:

    qi j =1V

    Z

    (ni ·n j −13

    δi j) dS , (2.21)

    Q =1V

    Z

    dS . (2.22)

    Der Modellierung wird ein Gemisch Newtonscher Fluide mit glei-chen Viskositäten η0 zugrundegelegt. Der Einfluß der Grenzflächeauf das rheologische Verhalten des Gemischs wird durch einenzusätzlichen Term bei der Definition des Extraspannungstensorsberücksichtigt, der unter der Bedingung σ12 = 0 und für kugelförmi-ge Tropfen mit ||q|| = 0 verschwindet:

    τ = 2 ·η0 ·D−σ12 ·q . (2.23)

    Dementsprechend setzen sich auch die Formulierungen für die zeit-liche Veränderungen der Grenzflächenstruktur aus zwei Anteilenzusammen. So beschreiben die in den Gleichungen 2.24 und 2.25unterstrichenen Terme die Grenzflächenänderung aufgrund eineraffinen Deformation. Die restlichen Terme bilden den Einfluß derGrenzflächenkräfte auf die Beweglichkeit der Phasengrenzfläche

  • 23

    ab:Dqi jDt

    = −qik ·Lk j −q jk ·Lki +23·δi j ·Llm ·qlm

    −Q3· (Li j +L ji)+

    (

    qlm ·LlmQ

    )

    ·qi j

    −µ1 ·σ12η0

    ·Q ·qi j , (2.24)DQDt

    = −Li j ·qi j −µ1 ·µ2 ·σ12η0

    ·Q2 . (2.25)

    Bildet sich eine Grenzflächendeformation aufgrund von Grenz-flächenkräften zurück oder koaleszieren Tropfen, so reduziert sichdie Grenzfläche. Die beiden Parameter µ1 und µ2 stellen Korrektur-faktoren zur Klassifikation dieser Relaxationsmechanismen dar.In zahlreichen Publikationen [30, 35, 56, 65, 66, 67, 68] werdenexperimentelle Überprüfungen des Modells anhand unterschiedli-cher Gemische beschrieben. Darüber hinaus wird zur Analyse fa-denförmiger Strukturen in einfachen Scherströmungen eine Modell-modifikation vorgeschlagen [67]. Mit dieser werden die zeitlichenÄnderungen von q unter Zugrundelegung einer affinen Fadendefor-mation bestimmt:

    q11 =ΦDP

    a·(

    sin2(Θ)− 23

    )

    , (2.26)

    q22 =ΦDP

    a·(

    cos2(Θ)− 23

    )

    , (2.27)

    q12 = −ΦDP

    a· sin(Θ) · cos(Θ) . (2.28)

    Für die Gleichungen sind der Fluidfadenradius a und der Winkel Θaus den Gleichungen 3.2 und 3.3 zu ermitteln.Für ein Gemisch aus PIB und PDMS wird die Abbildung des rheo-logischen Verhaltens anhand von Messungen der Schub- und Nor-malspannungen verifiziert.

    Das Modell von Doi und Ohta (DO) wurde von H. M. Lee undO O. Park [40] dahingehend erweitert, daß die beiden Gemischkom-

  • 24

    ponenten auch unterschiedliche Viskositäten aufweisen können,und der Tropfenzerfall als zusätzlicher Relaxationsmechanismuseingeführt wird.So ist in Gl. 2.23 anstelle von η0 ein Ansatz für die Gemischvisko-sität ηm einzusetzen und in den Gleichungen 2.24 und 2.25 tauchtjeweils ein zusätzlicher Term auf, wobei in den beiden letztgenann-ten Gleichungen η0 durch ηCP zu ersetzen ist:

    ηm =(

    1+6 · (ηDP−ηCP)

    10 · (ηDP +ηCP)·ΦDP

    )

    ·ηCP , (2.29)

    Dqi jDt

    =

    [

    Dqi jDt

    ]DO

    −µ1 ·µ3 ·σ12ηCP

    ·(

    qlmqlmQ

    )

    ·qi j , (2.30)

    DQDt

    =

    [

    DQDt

    ]DO

    −µ1 ·µ3 ·σ12ηCP

    · (qlmqlm) . (2.31)

    Hinsichtlich der Belegung der empirischen Größen µ1,µ2,µ3 wer-den allgemeine Regeln in Abhängigkeit von der herrschendenStrömungsform angegeben. So beschreibt µ1 einen generellen Re-laxationsfaktor, wohingegen µ2 Koaleszenzeffekten und µ3 der Re-laxation deformierter Tropfen und Tropfenzerfallsmechanismen zu-zuordnen sind. Es wird vorgeschlagen, die Parameter µ2 und µ3 mitder Volumenkonzentration der dispersen Phase ΦDP wie folgt zukorrelieren:

    µ2 ≈ Φ2DP , µ3 ≈ 1−ΦDP . (2.32)

    Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Grenz-flächenstruktur bei niedrigkonzentrierten Gemischen durch Trop-fenzerteilungen und bei hochkonzentrierten durch Koaleszenz-vorgänge maßgeblich beeinflußt wird.

    Neben der experimentellen Verifikation der vorgeschlagenen kon-stitutiven Gleichung durch H. M. Lee und O O. Park für ein Gemischaus PS und LLDPE ist die Überprüfung auch für andere Gemischedokumentiert [37, 38]. Dabei wird µ1 durch Anpassung von Berech-nungsergebnissen an Meßdaten bestimmt, die aus Versuchen re-

  • 25

    sultieren, die mit einem Schwingungsrheometer durchgeführt wur-den. Der Parameter µ3 wird entsprechend Gl. 2.32 gesetzt. Der letz-te freie Parameter µ2 wird mittels rheologischer Messungen in ein-facher Scherströmung ermittelt. Dabei wird die Annahme getroffen,daß der im linear-viskoelastischen Bereich ermittelte Wert des Pa-rameters µ1 auf die stationäre Scherströmung übertragen werdenkann.

    Eine weitere, sehr allgemeine rheologische Stoffgleichung für Ge-mische wurde von C. Lacroix, M. Grmela und P. J. Carreau vor-gestellt [28, 29]. Auf Basis dieses Modells konnte ein Gleichungs-satz zur Analyse der Grenzflächenausbildung entwickelt werden,mit dem nichtaffine Deformationen abbildbar sind [38]. Ist der indiesem, mit der Abkürzung LGC bezeichneten Modell, zusätzlicheingeführte Parameter ξ Null, so reduzieren sich die Differentialglei-chungen für q und Q auf das Modell von Lee und Park (vgl. AnhangA.2).

    2.6 Aufbereitung von Polymerblends

    In der Praxis werden zur Generierung zweiphasiger Kunststoff-gemische häufig gleichsinnig drehende, dichtkämmende Zwei-schneckenextruder eingesetzt.

    Aufgrund seines modularen Aufbaus kann dieses Aggregat zur Auf-bereitung von Polymerblends auf vielfältige Weise eingesetzt wer-den. Der eigentliche Aufbereitungsprozeß umfaßt das Aufschmel-zen und das Vermischen der Ausgangskomponenten unter Zugabegeeigneter Additive. Beim reaktiven Blenden ist diesem komplexenProzeß zusätzlich eine chemische Reaktion überlagert [22, 23].Durch Aufschieben von Zahnmischteilen, Knetscheiben und un-terschiedlichen Schneckenelementen auf den durchgehendenSchneckenaufnahmedorn kann ein für das jeweilige Gemisch ge-eignetes Schneckenkonzept realisiert werden. Vor allem durch den

  • 26

    Einsatz breiter Knetblockstrukturen wird eine hohe Dispersionseffi-zient erzielt. Durch den Einsatz von Schneckenelementen wird dasGemisch gefördert und aufgrund der dort auftretenden Strömungs-kräfte weiter homogenisiert. Muß bis zu der Schneckenspitzen einDruck aufgebaut werden, so stellen sich auf den letzten (5− 10) DSchneckenlänge vollgefüllte Schneckenkanäle ein.

    Die Auswahl eines geeigneten Schnecken/Zylinder-Systems fürdie jeweilige Compoundieraufgabe erfolgt häufig auf der Grund-lage von Erfahrungen, die mit ähnlichen Materialpaarungen ge-wonnen wurden. Da im Zweischneckenkneter eine dreidimensio-nale, instationäre Strömung vorliegt, ist die theoretische Analy-se der Strömungsvorgänge sehr aufwendig. Die Anwendung ent-sprechend komplexer Modelle auf Praxisprobleme ist außerordent-lich rechenzeit- und speicherplatzintensiv. Zur Abschätzung derströmungstechnischen Vorgänge werden deshalb häufig stark ver-einfachte Modelle herangezogen.

    In der Arbeit von P. Häring [31] werden die rheologischen und ther-modynamischen Vorgänge für den Bereich vollgefüllter Schnecken-kanäle umfassend numerisch beschrieben. In diesem Modell re-duzierter Komplexität wird das durch die beiden Schnecken unddie Zylinderwand begrenzte Gangvolumen in Schneckenkanal- undZwickelbereiche unterteilt. Der vom Extruder geförderte Volumen-strom V̇ setzt sich aus dem durch die Axialbewegung des Zwickel-volumens geförderten Anteil V̇Zw und dem Volumenstrom durch dieSchneckenkanäle V̇K zusammen. Die im Zwickel geförderte Fluid-menge wird aus der mittleren Querschnittsfläche des Zwickels ĀZw,der Schneckendrehzahl ns und der Schneckensteigung t berechnetzu:

    V̇Zw = ns · t · ĀZw . (2.33)

    Bei einer theoretischen Gangzahl m kann aus dem Gesamtvolu-menstrom und V̇Zw der Volumenstrom durch einen Schneckenkanal

  • 27

    V̇K bestimmt werden. Dabei wird angenommen, daß die Flüssig-keit an den Schneckenoberflächen und der Zylinderwand haftet,womit die kinematischen Randbedingungen zur Berechnung desStrömungsfelds im Schneckenkanal definiert sind.In die Lösung des nichtisothermen Strömungsproblems ist der Ein-griffsbereich der Schnecken einzubeziehen. Wie P. Häring zeigte,lassen sich die Strömungsvorgänge im ”Zwickel“ nur mit einem auf-wendigen 3D-Modell hinreichend genau beschreiben. Zur Vermei-dung sehr langer Rechenzeiten wird deshalb ein globales Ersatz-modell eingesetzt: Der Zwickel wird in mehrere Schichten unterteiltund für die dadurch gebildeten, sich über der Höhe nur geringfügigändernden Teilbereiche werden Strömungsberechnungen auf zwei-dimensionalem Grundgebiet durchgeführt. Auf dieser Grundlagewird die Wärmedissipation im Zwickel erfasst, die in die Wärme-bilanz des angrenzenden Kanals in Form eines Quellterms eingeht.

    Auf der Grundlage solcher Strömungsanalysen können dieStrömungsvorgänge im Zweischneckenextruder hinsichtlich der Mi-schungseffektivität bewertet werden, was Rückschlüsse auf dieMorphologieausbildung ermöglicht. Zur Anwendung detailliertermorphologischer Modellansätze muß auf eine vereinfachte Model-lierung der Strömungsvorgänge zurückgegriffen werden.

    Unter diesem Aspekt kann die Strömung in den Schneckenkanälenauf der Grundlage des Zwei-Platten-Modells approximiert werden.Mit den damit bestimmbaren mittleren Schergeschwindigkeitenund Verweilzeiten kann eine morphologische Analyse durchgeführtwerden [32].M. Bastian stellt ein Modell zur Beschreibung der Morpholo-gieausbildung im Zweischneckenkneter vor [5]. Dabei wird derExtruder in Förderrichtung in einzelne Segmente unterteilt unddie Morphologieausbildung aufgrund der dort global gemitteltenGrößen ermittelt. Bei dem von D. Y. Moon und O O. Park [43]beschriebenen Verfahren erfolgt die Strömungsberechnung mit dervon Tadmor [55] entwickelten FAN-Methode. Aus den damit be-

  • 28

    stimmten mittleren Schergeschwindigkeiten und Verweilzeiten wirddie Morphologieausbildung mit Hilfe des Lee/Park-Modells ermittelt.

    2.7 Folgerungen

    Bei dem von Doi und Ohta bzw. den darauf aufbauenden rheo-logischen Modellen wird der Einfluß der Phasengrenzfläche aufdas Fließverhalten von Gemischen berücksichtigt. Damit könnenaus rheometrischen Untersuchungen erste Rückschlüsse auf dieMorphologie gezogen werden. So können anhand des im Schwin-gungsrheometer gemessenen Speichermoduls G′(ω) von Disper-sionen, vor allem im Bereich kleiner Frequenzen ω, Änderungenin der Grenzflächenstruktur nachgewiesen werden [40]. Dies eröff-net die Möglichkeit, den Aufwand zur Charakterisierung der Mor-phologie erheblich zu reduzieren. Hierzu sind die Zusammenhängezwischen der Belegung der Variationsparameter µi und der Grenz-flächenstruktur weiter zu präzisieren. Zudem werden detaillierte-re Informationen benötigt, unter welchen Umständen das Modellentsprechend [67] zur Abbildung bestimmter Mikrostrukturen ange-passt oder nach [38] erweitert werden muß.

    Zur morphologischen Analyse des dispersiven Mischungsvorgangsentlang der vollgefüllten Schneckenkanalbereiche des gleichsin-nig drehenden Zweischneckenextruders bietet sich das numeri-sche Modell von P. Häring an, da aufwendige dreidimensiona-le Simulationen vermieden, und dennoch durch Einsatz der FE-Methode in den Schneckenkanälen lokale Strömungszustände ap-proximiert werden, welche für eine morphologischen Analyse zurVerfügung stehen. Für die Morphologieausbildung entlang der voll-gefüllten Schneckenkanalbereiche spielen die Vorgänge im Ein-griffsbereich (→ Zwickel) eine maßgebliche Rolle. In Verbindung mitdem Strömungsfeld in den Schneckenkanälen ermöglicht das glo-

  • 29

    bale Zwickelmodell eine Abschätzung der Strömungsvorgänge imZwickel und damit deren Einbeziehung in das morphologische Mo-dell.

  • 30

    Kapitel 3

    Modellerweiterung zur

    Beschreibung des

    Fluidfadenzerfalls großer Tropfen in

    einer einfachen Scherströmung

    3.1 Limitationen des bestehenden Modells zurAnalyse des Fluidfadenzerfalls in Scher-strömungen

    Große Tropfen werden in einfachen Scherströmungen zu langendünnen, nahezu entlang der Stromlinien ausgerichteten Fluidfädendeformiert, wobei die experimentellen Ergebnisse eine umgekehr-te Proportionalität zwischen Fluidfadendurchmesser und Scherge-schwindigkeit liefern.

    Dieses Phänomen kann mit dem von D. V. Khakar und J. M. Ot-tino [34] vorgestellten Modell zur Analyse des Fadenzerfalls inStrömungen mit konstanten Geschwindigkeitsgradienten (z. B.offenes Zweiplattenmodell) nicht abgebildet werden. Durch dieEinführung eines zusätzlichen Kriteriums wird die Aussagefähig-

  • 31

    keit des Khakar/Ottino-Modells auf diesen Anwendungsfall erwei-tert. Unter den nachstehend dargestellten Bedingungen können af-fine Tropfendeformationen zugrundegelegt werden. In dem im Rah-men dieser Arbeit erweiterten Modell wird die Tropfendeformationaus den Eigenwerten des Cauchy-Green’schen Verzerrungstensorsermittelt.

    3.2 Analyse der Tropfendeformation mit dem erwei-terten Modell

    Die längste Achse des deformierten Tropfens wird durch den Ra-dius des undeformierten Tropfens und der Wurzel des größten Ei-genwerts des linken Cauchy-Greenschen Verzerrungstensors fest-gelegt, der aus dem symmetrischen Produkt des Deformationsten-sors F gebildet wird [52]:

    G = F ·FT . (3.1)

    Damit kann schon der erste Deformationsabschnitt des anfänglichkugelförmigen Tropfens in die Analyse mit einbezogen werden.Die Tropfenform wird durch einen volumengleichen Zylinder mit demRadius a approximiert. Die Durchmesserreduktion eines Einzeltrop-fens in der einfachen Scherströmung wird mit der Gesamtscherde-formation γ = γ̇ · t bestimmt zu:

    a/a0 =(

    12· γ+ 1

    2·√

    4+ γ2)−1/2

    . (3.2)

    Der Radius a0 des Flüssigkeitszylinders der Länge 2 · R wird ausdem Tropfenvolumen ermittelt. Die Stabilitätsanalyse setzt ein, so-bald hinreichend deformierte Tropfen vorliegen (vgl. Anhang A.5).

    Die Fluidfadenorientierung wird durch die dem größten Eigenwertdes Tensors G zugeordnete Hauptrichtung festgelegt. Der Winkel

  • 32

    Θ bezeichnet den Winkel zwischen dieser Tropfenachse und derStromlinie in der Scherebene:

    tanΘ =1

    12 · γ+ 12 ·

    4+ γ2. (3.3)

    Mit der Fluidfadenorientierung ~m und dem Deformationsgeschwin-digkeitstensor D kann die Tropfendehnungsgeschwindigkeit ε̇ ermit-telt werden zu:

    ε̇ = D : ~m ~m . (3.4)

    3.3 Abbildung des Fluidfadenzerfalls mit dem er-weiterten Modell

    3.3.1 Ermittlung der kritischen Störung im Khakar/Ottino-Modell

    Ein Fluidfaden, der sich in einem ruhendem Medium befindet,zerfällt durch die Störung mit der Wellenzahl xopt , die zur maxima-len Anfachung führt. Unter diesen Bedingungen vereinfacht sich dieDifferentialgleichung zur Beschreibung der Störungsamplitude zu:

    D ln(α)D t

    =σ12

    2 ·ηCP ·a0· (1− x2opt) ·Φ(xopt) . (3.5)

    Wird der Fluidfaden deformiert, so ändert sich die Wellenzahl. ZurErmittlung der kritischen Störung werden deshalb die Amplitudenvon zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfachenden Störungen be-rechnet, um daraus diejenige zu identifizieren, deren Amplitude amschnellsten bis zum Fluidfadenradius anfacht. Die Wellenzahlen xmder zu unterschiedlichen Zeitpunkten tm anfachenden Störungenwerden aus den Bedingungen für eine minimale Amplitude ermit-telt:

    ∂∂x

    (

    lnα(x)α0

    )∣

    x=xm= 0,

    ∂2

    ∂x2

    (

    lnα(x)α0

    )∣

    x=xm> 0 . (3.6)

  • 33

    Es gilt xm > xopt , so daß optimales Störungsanfachen mit der Be-dingung x = xopt erst nach einer Reduktion der Wellenzahl erreichtwird.

    3.3.2 Besonderheiten bei der linearen Stabilitätsanalysegroßer Tropfen in einer einfachen Scherströmung

    Zur Berücksichtigung des stabilisierenden Effekts der Tropfensche-rung beim Zerfall großer Tropfen in Scherströmungen wird die Be-rechnungsmethode zur Ermittlung der kritischen Störung modifi-ziert. Ausgangspunkt ist eine Gegenüberstellung des Fluidfaden-zerfalls in einer ebenen Dehnströmung und in einer einfachenScherströmung.

    In der ebenen Dehnströmung wird eine Dehngeschwindigkeit vonε̇ = 0.015 1/s zugrundelegt. Die Kapillarzahl des Fluidfadens wirdmit dem Fluidfadenradius bestimmt zu:

    E =a0 ·S ·ηDP

    σ12mit S =

    D : D . (3.7)

    In Bild 3.1 sind der Fluidfadenradius a und die Amplituden αvon zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfachender Störungen ent-sprechend Gl. 2.10 über der Zeit aufgetragen. Die Startwerte derStörungsamplituden werden mit dem Zylinderradius a0 definiert zua0/αm = 5000 (vgl. [42]). Nur bei sehr dünnen Fluidfäden fachendie Störungsamplituden bis zum Fluidfadenradius an. Vor allem ausden Berechnungsergebnissen mit a0 = 4.74 µm ist ersichtlich, daß zuspäteren Zeitpunkten aufgebrachte Störungen schneller anfachen.

    Im Bild 3.2 sind die Ergebnisse der Stabilitätsanalyse in einfa-cher Scherströmung dargestellt. Mit einer Schergeschwindigkeitvon γ̇ = 0.1 1/s ergibt sich bei der Deformationszeit t = 200 s diegleiche Deformation wie bei der ebenen Dehnströmung. Es ist er-sichtlich, daß die Tropfendehnungsgeschwindigkeit des anfänglich

  • 34

    0 50 100 150 200Zeit

    0.0

    1.0

    2.0

    3.0

    4.0

    5.0

    Rad

    ius

    und

    Am

    plitu

    de a

    a0=4.74 µm

    ε =0.015 1/s

    [s]

    [µm]

    log(E)=-1.82λ1 =1

    0 50 100 150 200Zeit

    0.0

    0.1

    0.2

    0.3

    0.4

    0.5

    Rad

    ius

    und

    Am

    plitu

    de a

    a0=0.474 µmlog(E)=-2.82λ1 =1

    [µm]

    [s]

    ε =0.015 1/s

    Bild 3.1: Fluidfadenradius und Amplitudenverläufe in ebener Dehn-strömung

    kugelförmigen Tropfens mit zunehmender Orientierung des Fluidfa-dens entlang der Stromlinien stark abnimmt. Dadurch werden die

    0 50 100 150 200Zeit

    0.0

    1.0

    2.0

    3.0

    4.0

    5.0

    Rad

    ius

    und

    Am

    plitu

    de a

    a0=4.74 µm

    λ1 =1log(cE)=-1

    [µm]

    [s]

    γ =0.1 1/s

    0 50 100 150 200Zeit

    0.0

    0.1

    0.2

    0.3

    0.4

    0.5

    Rad

    ius

    und

    Am

    plitu

    de a

    a0=0.474 µmlog(cE)=-2λ1 =1

    [µm]

    [s]

    γ =0.1 1/s

    Bild 3.2: Fluidfadenradius und Amplitudenverläufe in einfacherScherströmung

    Wellenzahlen der zu späteren Zeitpunkten anfachenden Störun-gen nur sehr langsam reduziert, was zu einem verringerten Ampli-tudenwachstum führt. Im Gegensatz zur Dehnströmung verlaufendeshalb die Amplituden der zuletzt anfachenden Störungen in derScherströmung wieder etwas flacher als die vorhergehenden.Deutlicher treten die Unterschiede des Fluidfadenzerfalls bei denbeiden betrachteten Strömungsformen hervor, wenn eine andereDarstellung gewählt wird. In Bild 3.3 sind die Zerfallszeiten in zwei

  • 35

    0 50 100 150 200Beginn des Amplitudenwachstums

    10

    30

    50

    70

    90

    110

    130

    Anf

    achd

    auer

    ScherungDehnung

    a0=4.74µm

    [s]

    [s] 0 50 100 150 200Beginn des Amplitudenwachstums

    10

    30

    50

    70

    90

    110

    130

    Anf

    achd

    auer

    ScherungDehnung

    a0=0.474µm

    [s]

    [s]

    Bild 3.3: Vergleich der Bruchzeiten in Scher- und Dehnströmungen

    Anteile aufgespalten. Der Zeitabschnitt von t = 0 s bis zum Zeitpunkttm ist auf der Abszisse aufgetragen. Die Ordinatenwerte kennzeich-nen die reine Anfachdauer der jeweiligen Störung. Damit setzt sichdie gesamte Bruchdauer aus dem Abszissen- und dem dazugehöri-gen Ordinatenwert zusammen.Aus dieser Darstellungsweise ist ersichtlich, daß in einfacher Scher-strömung die Anfachdauer spät aufgebrachter Störungen trotz ab-nehmendem Fadenradius ansteigt, was bei der ebenen Dehn-strömung nicht zu beobachten ist.

    In der einfachen Scherströmung wird der in Strömungsrichtung aus-gerichtete Fluidfaden langsamer gedehnt. Deshalb befinden sichzu späteren Zeitpunkten anfachende Störungen lange im Bereichminimalen Amplitudenwachstums. Beim Erreichen sehr kleiner Fa-dendurchmesser weisen hingegen diejenigen Störungen maximaleAnfachungsraten auf, die sich schon längere Zeit auf der Fluidfa-denoberfläche befinden, und deren Anfachen im vorangegangenenDeformationsabschnitt durch die Tropfenscherung unterdrückt wur-de.

    Zur Abbildung dieser Verhältnisse wird die kritische Störung unterEinführung der Zusatzbedingung minimaler Tropfenscherung ermit-telt.

  • 36

    3.3.3 Ermittlung der kritischen Störung beim Fluidfaden-zerfall großer Tropfen in einer einfachen Scherströmung

    Ausgangspunkt für die im folgenden vorgeschlagene Modellmodi-fikation zur Bestimmung der kritischen Störung bilden die experi-mentellen Befunde beim Fluidfadenzerfall in einer einfachen Scher-strömung [63] und die Ergebnisse der im vorhergehenden Kapiteldurchgeführten theoretischen Untersuchungen:

    • Zu Fluidfäden deformierte Tropfen werden in Scherströmun-gen aufgrund der Tropfenscherung stabilisiert. AnfachendeStörungen führen erst dann zum Zerfall, wenn der kritischeFluidfadendurchmesser Dcritf unterschritten wird.

    • In einer einfachen Scherströmung werden große Tropfen ent-lang der Stromlinien orientiert und damit die anfängliche Trop-fendehnungsgeschwindigkeit erheblich reduziert. Dies aberführt zu ähnlichen Verhältnissen wie beim Zerfall eines ru-henden Fluidfadens durch die Störung mit der kritischen Wel-lenlänge, die zur maximalen Anfachung führt.

    Die Phänomene beim Fluidfadenzerfall in einer einfachen Scher-strömung werden mittels der Störungsamplitude α und der Phasen-verschiebung β, bzw. den zeitlichen Änderungen dieser Größen dis-kutiert. Darauf aufbauend wird ein Kriterium zur Bestimmung derkritischen Störung entwickelt.

    In Bild 3.4 sind die Tropfendehnungsgeschwindigkeit ε̇ und die zeit-liche Änderung der Störungsamplitude von an zwei aufeinanderfol-genden Zeitpunkten anfachenden Störungen aufgetragen. Der de-formierte Tropfen wird entlang der Stromlinien ausgerichtet, waszum Abfall der Tropfendehnungsgeschwindigkeit führt. Zudem er-geben sich durch die Rotation des Tropfens in Strömungsrichtungnahezu konstante Werte für die zeitliche Änderung der Phasenver-schiebung β̇ für die dargestellten Störungen.

  • 37

    0 25 50 75 100 125 150Zeit

    0.00 0.00

    0.05 0.05

    0.10 0.10

    0.15 0.15

    0.20 0.20

    Zeita

    blei

    tung

    der

    Stö

    rung

    sam

    plitu

    de D

    (ln(α

    ))/D

    t

    Trop

    fend

    ehnu

    ngsg

    esch

    win

    digk

    eit ε

    xopt

    xm

    [s]

    [1/s] [1/s]

    a0=4.74 µmλ1 =1log(cE)=-1

    βcrit

    t*

    Bild 3.4: Zeitliche Änderung der Störungsamplitude und Tropfen-dehnungsgeschwindigkeit in einer einfachen Scherströ-mung

    Bei der zum späteren Zeitpunkt anfachenden Störung bewirkt derkleinere Fluidfadendurchmesser einen signifikanten Anstieg derzeitlichen Änderung der Störungsamplitude im Bereich maximalenAnfachens. Aus dem Vergleich der beiden Störungsamplituden istzudem ersichtlich, daß sich die zweite Störung länger im Bereichminimalen Anfachens befindet, was auf die abnehmende Tropfen-dehnungsgeschwindigkeit zurückzuführen ist.

    Bei der Analyse des Fluidfadenzerfalls wird als zusätzliche Be-dingung eingeführt, daß die Phasenverschiebung der kritischenStörung einen festgelegten Wert βcrit nicht übersteigen darf. Eswird definiert, daß die Störung inmitten des damit definiertenZeitintervalls, zum Zeitpunkt t∗, die Wellenzahl x = xopt aufweist(vgl. Bild 3.4). Unter Berücksichtigung der stabilisierenden Wirkungder Tropfenscherung bei sehr langsam anfachenden Störungen wirddamit diejenige Störung erfasst, die im betrachteten Zeitfenster zummaximalen Anfachen führt. Dies impliziert die folgende Vorgehens-weise:

  • 38

    • Für den betrachteten Zeitpunkt t∗ wird die Wellenzahl xopt ausder Extremwertaufgabe bestimmt und damit die Wellenlängeder Störung festgelegt.

    • Der Beginn des Amplitudenwachstums dieser Störung wirdermittelt, indem, vom Zeitpunkt t∗ beginnend, entgegender Zeitachse integriert wird. Die Analyse der betrachtetenStörung setzt entweder im Minimum der Amplitudenfunktionein, oder aber zu einem Zeitpunkt zwischen tm und t∗, für den|β| = βcrit/2 gilt.

    • Facht die Störungsamplitude bis zum Fluidfadenradius an undgilt |β| ≤ βcrit , so ist damit die kritische Störung bestimmt; an-dernfalls sind zu späteren Zeitpunkten anfachende Störungenzu analysieren.

    Durch das modifizierte Modell wird sowohl der Fadenzerfall in Dehn-strömungen, als auch der Zerfall eines ruhenden Fluidfadens abge-bildet. In reinen Dehnströmungen tritt keine Phasenkonvektion auf,wodurch die Integration immer im Minimum der Amplitudenfunktionbeginnt. Andererseits erfährt ein ruhender Tropfen keine Änderungder Wellenzahl, so daß in diesem Fall eine Integration der Störungmit x = xopt erfolgt.

    Mit der Phasenverschiebung der sinusförmigen Störung wird dieGrenzfläche des Fluidfadens vergrößert. Dementsprechend wirkendie Grenzflächenspannungen der Fluidfadenscherung entgegen, sodaß die durch das Modell aufgezeigten Werte nicht den tatsächli-chen relativen Verschiebungen gleichzusetzen sind.

  • 39

    3.4 Diskussion des erweiterten Modells anhandvon Berechnungsergebnissen

    In Bild 3.5 werden Berechnungsergebnisse des erweiterten Modellsmit experimentellen Daten aus [63] verglichen. Entsprechend [63]

    0.0 0.5 1.0 1.5 2.0Schergeschwindigkeit γ

    0.0

    5.0

    10.0

    15.0

    Krit

    isch

    er F

    aden

    radi

    us a

    crit

    β=38

    β=19

    [µm]

    [1/s]

    Berechnung

    Experiment

    Bild 3.5: Berechnungsergebnisse der Stabilitätsanalyse

    markiert der Integrationsbeginn bis zum Fadenradius anfachenderStörungen den kritischen Fadenradius acrit . Der Radius des unde-formierten Tropfens wird groß genug gewählt, so daß eine weitereVergrößerung nur zu unwesentlichen Abweichungen des Ergebnis-ses führt.Korrekturfaktoren sind die kritische Phasenverschiebung βcrit undder Startwert der Störungsamplitude αm. Die Berechnung wurde mitden folgenden Parametern durchgeführt:

    • Der Wert der anfänglichen Störungsamplitude, der das Er-gebnis nur geringfügig beeinflußt (vgl. [34]), wird entspre-chend [42] zu αm = 10−8 cm angenommen.

  • 40

    • Die Matrixviskosität wird vereinfachend zu ηCP = 500 Pa s unddas Viskositätsverhältnis zu λ1 = 0.8 gesetzt.

    • Die Grenzflächenspannung wird der Angabe entsprechendauf σ12 = 0.013 N/m festgelegt.

    Der Korrekturfaktor βcrit beeinflußt sowohl die Ordinatenverschie-bung als auch die Steigung der Kurve. Mit dem Wert für die kritischePhasenverschiebung βcrit nimmt der kritische Fadendurchmesserab, und damit die Zeit, innerhalb der die kritische Störung anfacht.Aufgrund des zunehmenden Einflusses der zeitlichen Änderung derPhasenverschiebung β̇, jener Größe, die bei ausgeprägter Ausrich-tung des Fadens entlang der Stromlinie eine direkte Korrelation mitder Schergeschwindigkeit darstellt, verläuft die Kurve annäherndumgekehrt proportional zur Schergeschwindigkeit.

    Trotz der zugrundeliegenden sehr einfachen Modellierung genügtdie Modifikation eines einzigen Parameters zur Modellanpassung.Bei großen Schergeschwindigkeiten ändert sich der kritische Fa-denradius nur noch geringfügig über γ̇. Das liegt darin begründet,daß die Störungen bei kleinen Fadenradien schneller anfachen.Bei sehr kleinen Fluidfadendurchmessern ist deshalb ein sponta-ner Zerfall zu erwarten, weshalb durch eine weitere Steigerungder Schergeschwindigkeit keine nennenswerte Reduktion des kri-tischen Fluidfadendurchmessers mehr erzielt werden kann.

  • 41

    Kapitel 4

    Analyse der

    Morphologieausbildung in

    einfachen Scherströmungen

    4.1 Entwicklung eines Verfahrens zur morphologi-schen Analyse auf der Grundlage bestehenderModelle

    4.1.1 Eingrenzung

    Das Anwendungsgebiet wird folgendermaßen eingeschränkt:

    • Die diskontinuierliche Phase liege in der Form von Fluidfädenoder als Dispersion mit gering deformierten Tropfen vor.

    • Fälle, in denen die Ausbildung der Grenzflächenstruktur durchdas Viskositätsverhältnis oder durch die Viskoelastizität derGemischkomponenten bestimmt wird, sind aus der Analyseauszuschließen.

  • 42

    4.1.2 Zur morphologischen Analyse eingesetzte Modelle

    Bei der Morphologieausbildung in Zweiphasengemischen treten ne-ben mehr oder weniger deformierten Tropfen fadenförmige oderauch flächige Strukturen auf. Da keines der in Kapitel 2 darge-stellten Modelle für den gesamten MorphologieausbildungsprozeßGültigkeit besitzt, erfolgt die morphologische Analyse mit unter-schiedlichen Modellierungsansätzen.

    Zur Analyse von Fadenstrukturen wird die an diese Grenzflächen-struktur angepasste Modifikation des Modells von Doi und Ohta(vgl. Kapitel 2.5) verwendet. Dabei werden der Anisotopietensor qund die spezifische Grenzfläche Q unter Zugrundelegung einer affi-nen Fadendeformation bestimmt, d. h. bei dem im weiteren Verlaufdurch das Kürzel DOV bezeichnete Modell wird die geometrischeForm der Grenzflächenstruktur aufgeprägt.

    Das Modell von Doi und Ohta bzw. darauf aufbauende Model-le [15, 38, 40] bieten sich für die sich an den Fadenzerfall anschlie-ßende Phase der Morphologieausbildung an. Hier laufen die kom-plexen Einzelprozesse Deformation, Zerfall und Koaleszenz paral-lel und dazu in polydispersen Gemischen ab. Wiederum wird dieGrenzfläche mit den beiden Größen Q und q erfasst.

    4.1.3 Festlegung der Gültigkeitsbereiche der eingesetztenModelle

    Für die morphologische Analyse sind Kriterien für den Einsatz dereinzelnen Modelle zu formulieren: Es muß überprüft werden, obTropfen zu Fluidfäden deformiert werden. Trifft dies zu, so sind even-tuell auftretende Fluidfadenzerfallsvorgänge und damit der Über-gang von der Faden- zur Tropfenstruktur zu lokalisieren. In Bild 4.1ist die für den Einsatz der unterschiedlichen Modelle durchzuführen-de Bereichsunterteilung schematisch dargestellt. Die Gültigkeitsbe-

  • 43

    Ca > 4r

    Ca 4 zu langen,dünnen Fäden deformiert [32]. Sind die in das Integrationsgebieteintretenden Tropfen hingegen durch kleinere reduzierte Kapillar-zahlen charakterisiert, so liegt die disperse Phase in Form geringdeformierter Tropfen vor.

    Es wird ein zusätzliches Kriterium entwickelt, anhand dessen sicheingrenzen läßt, ob Tropfen zu Fluidfäden deformiert oder ob flächi-ge Strukturen ausgebildet werden. Es liegen nur dann fadenförmi-ge Grenzflächenstrukturen vor, wenn die deformierten Tropfen inder Schnittebene normal zur längsten Hauptachse des Tropfensannähernd kreisförmige Querschnitte aufweisen. In diesem Fallkann die Kapillarzahl des Fluidfadens Ca∗ für Aussagen über dieGrenzflächenstruktur herangezogen werden.

    Bei einfachen Scherströmungen ist der Winkel Θ zwischen derHauptdeformationsrichtung des Tropfens und der Strömungsrich-tung zu berücksichtigen. Für diese Strömungsform wird Ca∗ definiertzu:

    Ca∗ =tanΘ · |γ̇| ·ηCP ·a

    σ12. (4.1)

    Die Kapillarzahl des zum Fluidfaden deformierten Tropfens mit dem

  • 44

    Radius R wird bei definiertem Deformationsverhältnis d f bestimmt.Wie im Anhang Anhang A.5 dargelegt, ergibt sich für die Kapillar-zahl des Fluidfadens Ca∗ näherungsweise:

    Ca∗ ≈ 0.014 · |γ̇| ·ηCP ·R0σ12

    . (4.2)

    Mittels dieser dimensionslosen Kennzahl kann die Abweichung desFluidfadenquerschnitts vom kreisrunden Querschnitt quantifiziertund damit eine Aussage über die Grenzflächenstruktur getroffenwerden.

    Zur Bereichseinteilung wird schließlich noch ein Kriterium für dieAuflösung fadenförmiger Strukturen in Scherströmungen benötigt.Gemäß obiger Einteilung ist hier der Fadenzerfall von Strukturen zuanalysieren, die unter der Bedingung Car > 4 aus Tropfen entstan-den sind. Unter dieser Bedingung werden stabile Fluidfäden ausge-bildet, die erst bei Erreichen sehr kleiner Fadendurchmesser zerfal-len. Für deren Analyse kann die umgekehrte Proportionalität zwi-schen der Schergeschwindigkeit und dem kritischen Fadendurch-messer zugrundegelegt werden (vgl. Kapitel 2).

    4.1.4 Definition der Kopplungsbedingungen an den Grenzender Gültigkeitsbereiche der unterschiedlichen Modelle

    Treten Fluidfadenzerfallsvorgänge auf, ist die Morphologieausbil-dung vor und nach der Auflösung des Fluidfadens in kleinere Trop-fen mit unterschiedlichen Modellen zu beschreiben. Dazu sind ent-sprechende Kopplungsbedingungen für die spezifische OberflächeQ und den Tensor zur Darstellung der Grenzflächenanisotropie q zudefinieren.

    Die spezifischen Grenzfläche berechnet sich für die geometrischenGrundstrukturen Faden (F) und Kugel (K) aus dem Faden- bzw.

  • 45

    Tropfenradius zu (vgl. [71]):

    QF =2 ·ΦDP

    a, QK =

    3 ·ΦDPR

    . (4.3)

    Damit kann der mittlere Tropfenradius der beim Fluidfadenzer-fall entstehenden Tropfen vereinfachend durch Gleichsetzung derin Gl. 4.3 angegebenen Ausdrücke für die spezifische Grenzflächeermittelt werden. In dieser konservativen Formulierung wird ange-nommen, daß die spezifische Grenzfläche beim eigentlichen Zerfallunverändert bleibt.

    Die beim Zerfall langer, dünner Fluidfäden entstehenden Tropfensind sehr klein und dadurch aufgrund der Grenzflächenspannungenannähernd kugelförmig. Damit können die Elemente des Tensors qNull gesetzt werden.

    4.1.5 Darstellung einer Vorgehensweise zur Parameterbele-gung der Modelle

    Für die Analyse der Fluidfadendeformation sind keine Parameteranzupassen. Die Bestimmungsgleichungen für Q und q des mit derAbkürzung LGC bezeichneten Modells können durch Nullsetzeneinzelner Korrekturfaktoren auf die von Lee und Park, bzw. Doi undOhta angegebenen Gleichungen reduziert werden. Im allgemein-sten Fall sind damit die Parameter µ1, µ2, µ3 und ξ entsprechendihrer morphologischen Zuordnungen anzupassen:

    • Der Slip-Faktor ξ ist nur dann ungleich Null, wenn unter Ver-nachlässigung der Grenzflächenspannung nichtaffine Defor-mationen auftreten. Dies trifft bei großen Viskositätsverhält-nissen oder ausgeprägt viskoelastischem Fließverhalten derdispersen Phase zu.

    • Der Parameter µ1 stellt in den Differentialgleichungen für Qund q einen generellen Korrekturfaktor zur Bewertung der

  • 46

    Grenzflächenrelaxation dar. Eine Erhöhung dieses Faktorsist einem entsprechenden Anstieg der Grenzflächenspannungäquivalent.

    • Bei hohen Volumenkonzentrationen der dispersen Phase do-minieren Koaleszenzeffekte. Dieser Relaxationsmechanismuswird durch den Parameter µ2 gewichtet.

    • Der Parameter µ3 ist einer Grenzflächenrelaxation aufgrundvon Rückdeformationen deformierter Tropfen und Tropfenzer-fallsvorgängen zuzuordnen.

    Im Gegensatz zu der in unterschiedlichen Veröffentlichungen durch-geführten Approximation auf der Grundlage rheologischer Meßwer-te werden die Korrekturfaktoren auf der Basis morphologischer Da-ten ermittelt. Die Abweichung zwischen den mit unterschiedlichenMethoden bestimmten Parametern stellt damit ein Maß für die Lei-stungsfähigkeit der Modelle dar.

    Bei einem in Bezug auf die Fließeigenschaften der Reinstoffkom-ponenten festgelegten Slip-Faktor ξ sind mit µ3 = 1−ΦDP noch zubestimmen: µ1 und µ2. Bei der Blendaufbereitung verkörpert die sichim dynamischen Gleichgewicht einstellende Dispersionfeinheit einewichtige Qualitätsgröße dar. Überdies ist die Morphologie, die sichnach einer hinreichend langen Scherzeit einstellt, eine experimen-tell leicht zugängliche Größe. Dementsprechend werden die nochunbestimmten Parameter so festgelegt, daß sich für t → ∞ die ent-weder in Experimenten ermittelten oder aber auf analytischem We-ge gewonnenen Werte für Q und q ergeben.

    Bei polydispersen Gemischen kann die spezifische Grenzflächeannähernd kugelförmiger Tropfen mit dem Sauterdurchmesser d23bestimmt werden:

    Q =6 ·ΦDP

    d23= 6 ·ΦDP · ∑

    ni · (2 ·Ri)2∑ni · (2 ·Ri)3

    . (4.4)

  • 47

    Liegt die disperse Phase in Form deformierter Tropfen vor, ist dieTropfenform durch ein rotationssymmetrisches Ellipsoid mit denHalbachsen Rmax und Rmin mit