mosaik13_Katzenvideos

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mosaik Zeitschrift für Literatur und Kultur Heft 13 • Winter 2014/15 • Salzburg • 0,00 Euro 0:31 / 9:18 Funny Cats - Compilation Katzenvideos katzenvideos katzenvideos süß katzen videos lustig katzenvideos backe backe kuchen katzenvideos miauen katzenvideos mosaik: gibt‘ s hier keine katzenvideos compilation

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mosaik13 mit: JENNY, Sachen mit Wörtern, komplex, mfk, Marko Dinic, Patricia Lang, Sandra Maria Bernhofer, Lisa Viktoria Niederberger, Thomas Mulitzer, Eva Weingärtler, Marlen Mairhofer, Fabian Bönte, Natalia Fastovski, Katharina Ferner, Ingeborg Kraschl, Magdalena Ecker, Leonhard Pill, Simone Scharbert, Tobias Roth, Claudia Kraml, Simone Lettner, Peter Tarras und Christof Sommersguter.

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mosaikZeitschrift für Literatur und Kultur

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Funny Cats - Compilation

Katzenvideoskatzenvideoskatzenvideos süßkatzen videos lustigkatzenvideos backe backe kuchenkatzenvideos miauen

katzenvideos mosaik: gibt‘ s hier keinekatzenvideos compilation

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Herausgeber: Josef Kirchner, Sarah OswaldLayout/Satz/Grafik/Illustration: Sarah Oswald

mosaikzeitschrift.comfb.com/[email protected]

Auflage: 1000 StückErscheinungsweise: 4 Ausgaben/JahrErscheinungsort: SalzburgISSN 2409-0220

Ermöglicht wird dieses Projekt durch die unentgoltene Mitarbeit aller Beteiligten – die anfallenden Druckkosten werden von ver-schiedenen Stellen der ÖH Salzburg sowie von den Kulturabteil-ungen von Stadt und Land Salzburg getragen.

mosaik – Zeitschrift für Literatur und Kultur ist Teil des Kunstkollektivs Bureau du Grand Mot.bureaudugrandmot.wordpress.com

mosaik ist eine Zeitschrift für Literatur und Kultur und versteht sich als nicht-profitorientiertes Medium zur Veröffentlichung literarischer und nicht-literarischer Texte aller Art. Neben literari-schen Texten sind ausdrücklich auch nichtliterarische Textsorten wie Essays, Kommentare oder Forschungsberichte und auch Rezensionen, Interviews sowie Veranstaltungsberichte erwünscht.

Schickt uns eure Texte an [email protected] und findet euch wieder als ein Steinchen im mosaik.

Formale Anforderungen: • maximal 1500 Wörter• maximal ein Text pro Autor/Autorin• Anonyme Veröffentlichungen sind möglich, der Autor/die Autorin muss uns jedoch bekannt sein• Einsendungen sind jederzeit möglich - die Texte werden für die jeweils nächste Ausgabe berücksichtigt

EINSENDESCHLUSS AUSGABE 14: 08.03.2015

AUSGABE 13 – WINTER 2014/15

Page 3: mosaik13_Katzenvideos

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INTRO

INHALT

Literaturzeitschriften

Marko Dinic, Jenny,

Sachen mit Wörtern,

komplex, mfk

Schweigen in Weiß

Patricia Lang, Simone Scharbert,

Christof Sommersguter,

Natalia Fastovski, Katharina Ferner,

Leonhard Pill, Ingeborg Kraschl,

Fabian Bönte

Ihre Schönheit ist mein Untergang

Tobias Roth, Thomas Mulitzer

Hinter der Tür

Simone Lettner, Peter Tarras,

Claudia Kraml

So.What.Wörtlich!

Eva Weingärtler, Marlen Mairhofer,

Lisa Viktoria Niederberger,

Thomas Mulitzer

Büchertisch

Magdalena Ecker

Kulturszene

Heute schon was vor?

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Okay, wir starten mal ganz ehrlich: Wir haben lange

überlegt, haben über unsere kitschigen Ideen ge-

lacht, sind nachdenkend durch die Zimmer gelaufen,

aber es ist uns wirklich kein passender Titel für diese

Ausgabe eingefallen. Am Ende haben wir dann ein-

fach nur Katzenvideos geschaut.

mosaik13 ist einfach zu vielfältig um es in eine Über-

schriften-Schublade zu stecken. Da wäre zunächst ein

breiter Schwerpunkt zu neuen Literaturzeitschriften.

Dann die vielen wunderbar unterschiedlichen Texte

von euch, die sich diesmal ganz besonders geweigert

haben, zusammenzupassen. Eine ehemalige Leserei-

he verabschiedet und neue Bücher präsentieren sich.

Danke, dass ihr wieder dabei seid. Wir geben uns

Mühe, dass junge Literatur genauso allgegenwärtig

ist wie Katzenvideos.

Miau mio, euer mosaik

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o. T. (KATzENvIDEoS2)

2011: Aufbruchsstimmung in der Literaturlandschaft

Salzburgs. Bei einer Leseveranstaltung im Mark.Frei-

zeit.Kultur fanden sich einige Interessierte zusammen

– und die waren sich einig: Eine neue Literaturzeit-

schrift braucht das Land!

Hier sind wir.

Und da war auch gleich die KulturKeule – unabhängig

vom, aber gleichzeitig mit dem mosaik. Eine Runde

Literaturbegeisterter trifft sich seitdem jeden Mitt-

woch zu einem offenen Stammtisch. Neue Projekte

und Lesereihen entstanden.

Die 13. Ausgabe des mosaik, die 13. KulturKeule:

Diesmal mit der neuen Literaturzeitschrift der Ange-

wandten, der Jenny. Einen Auszug der Texte gibt es

auf den nächsten Seiten, gefolgt von einem Teaser

auf die nächste Ausgabe von Sachen mit Wörtern, ei-

nem Literaturmagazin, das wir in Zusammenhang mit

mosaik7, der Berlin-Ausgabe kennenlernen durften

und deren Drahtzieherinnen wir in ihrer Stadt besucht

haben.

Aber auch in unserem ex-Studienort Innsbruck brodelt

es, das komplex, ein vielseitiges Magazin der Verglei-

chenden Literaturwissenschaft, erscheint gerade zum

zweiten Mal. Und das mfk, das Magazin des Mark, fei-

ert dieser Tage seinen fünften Geburtstag und ist da-

mit schon fast ein Haudegen des bedruckten Papiers.

Doch warum tun sich überall Menschen die Arbeit an,

dieses altmodische Medium Papier mit Inhalten zu fül-

len? Weil es wichtig ist. Und weil es Freude macht.

Viermal im Jahr setzen wir uns hin und dürfen eure

Texte lesen und daraus das zusammenstellen, was ihr

gerade in euren Pfoten haltet.

308 Texte von mehr als 150 Autorinnen und Auto-

ren konntet ihr in insgesamt 12 700 Stück mosaik in

den letzten 3 Jahren lesen, dazu kommen noch mehr

als 100 Texte, die wir online veröffentlichen durften

– rund 10 000 Personen besuchten im vergangenen

Jahr mosaikzeitschrift.com

Wir laden euch ein auf den nächsten Seiten in ande-

ren Literaturzeitschriften zu stöbern. Weil es anschei-

nend doch noch Sinn macht, Texte auf (Öko-)Papier zu

drucken – oder Marko?

LITERATURZEITSCHRIFTEN

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vERSUCH #9:

Versuch über den Versuch eines Versuchs oder das,

was mir die Herausgeber dieser Zeitschrift aufgetra-

gen haben.

Es gäbe nicht viel zu sagen, außer, dass es keinen un-

günstigeren Zeitpunkt für das Verstummen gäbe als

diesen hier. Leben wir doch in einer Zeit, in der das

Lesen zu einer Floskel unter Angebern verkommen ist

und das gedruckte Medium einem Aas gleichkommt,

das nur noch von irgendwelchen Freaks einverleibt

wird, die sich nicht davor scheuen, mehr als die Zu-

sammenfassung einer Zusammenfassung zu lesen.

Da kommen uns – möchte man meinen – gerade die

Literaturzeitschriften entgegen mit ihren Konvoluten

an Ausgewähltem. Kurz und prägnant auf wenigen

Seiten. Eine kleine, in sich geschlossene Welt von

allem, was sogar kulturell träge Herzen höher schla-

gen ließe: Lyrik, Prosa, Essay, Drama, Rezension, Kul-

turtipp, Comic; Triviales, Spärliches, Konservatives,

Linksintellektuelles, Wichtigtuerisches, Aufgeblase-

nes, Hellsichtiges, Schadenfrohes; lachen, weinen,

schauen, genauer schauen, ficken, lecken, küssen,

vergewaltigen, lieben, sterben…

Kein Buch vermag so viel, wie eine gute Literaturzeit-

schrift an Schlechtem auf Ökopapier drucken kann.

Und keine Literaturzeitschrift kann jemals so lang-

weilig sein wie die letzten Bücher von Peter Handke.

Denn nicht überall, wo Suhrkamp draufsteht, muss

auch Rolex drinnen sein. Letztendlich lehrt uns die-

ses elendige Zeitalter der Überproduktion eines: Dass

Arno Schmidt recht hatte und wahrlich große Litera-

tur nicht immer die großen Namen wie Büchnerpreis,

Suhrkampverlag oder Nobelpreis braucht. Sie genügt

sich selbst. Und wenn nicht, dann gibt es immer noch

das Ökopapier der vielen Literaturzeitschriften im

deutschsprachigen Raum, die sich nicht davor scheu-

en, auch das vermeintlich Schlechte als Großes zu

verkaufen. Und wer bestimmt eigentlich das Schlech-

te? Wann ist etwas gerade gut, dass es nicht schlecht

ist? Und wurde nicht der Ulysses zu seiner Zeit mal

als schlechtestes Buch aller Zeiten tituliert? Wieso hat

Joyce eigentlich nie den Nobelpreis bekommen? Und

wo ist eigentlich meine Rolex?

Letzten Endes wird auch die Literatursprache eines Ta-

ges ihrer Freiheiten beraubt, und wir werden nur an-

spruchslose, leere Hülsen potenziell guter Bücher zu

uns nehmen wie Vitaminpillen, damit wir zusammen-

hängende Sätze nicht verlernen. So arbeitet der Lite-

raturbetrieb: knappe, prägnante Sätze mit möglichst

viel Witz und Weltverstand und Ironie und Trauer und

Ekel und Poesie und und und. Literarische Allrounder

wohin das Auge reicht. Doch der Hauptgrund neben

dem ganzen Fame, dem ganzen Geld und dem gan-

zen Sex, die mit dem Schreiben einhergehen, näm-

lich die Arbeit an der Sprache, also die Erweiterung

und Bereicherung derselben, die bleibt scheinbar nur

den Freaks vorbehalten, die als Floskelschreiber von

morgen, diese Welt eines Tages vielleicht ohne Su-

permankostüm retten werden.

Marko Dinic

LITERATURZEITSCHRIFTEN

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Welches deiner philosophischen Bücher erinnerst du eigentlich fehlerfrei? // Alexander Graeff / Poeto-narratives Hinterbühnenjournal

dreck atmen und dünnflügelige kleine tierchen. // Alke Stachler / am Fluss

auf dem kindheitsvertrauten königsplatz schlafen, / dem roten tag entgegen // Andreas B. Vornehm / luft lautlos blau

Das Bett wollte meinen Körpergeruch nicht aufnehmen, blieb ein Fremdes, oder ich. // Carola Wieder / Pharisäer 

Je  länger  sich  die  Wärme  des Tages  hielt,  bis  weit  nach Sonnenuntergang, desto lauter gaben sie ihr Signal von sich, als hätte man kleine, schnarrende Trafokästen in den Feldern versenkt. // Clemens Franke / Unter Strom

(Bei geschlossenen Augen) mit Tauben auf Tonpistolen werfen. // Fiona Sironic / habe das Internet gehört

In der Bude ist es heiß, viel zu heiß, und / nirgends eine Fliege, die ich erschlagen / könnte. // Jannis Poptrandov / Der ewig tropfende Wasserhahn im Irrsinn des Zufalls  

Tektonik, Magnetismus, Schwerkraft, Vulkane, Osmose ... Dass ich nicht la-che! // Jonis Hartmann: Osmose

In Gedanken lecken wir uns das Salz von den Fingern. // Juliana Kálnay / Stromausfall

schon lange über den Berg, aber immer noch da und sichtbar in unseren Kör-perkonturen // Michael Arenz / Die Regierung will nicht, daß wir weiter rauchen

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Versinkend, in die Winterkälte zer- / Dunkelnd, voneinander verunklart.. // Mikael Vogel / Messerfische

Ich lege meine Oberschenkel auf seine Knie, sodass mein erschöpftes Falterchen seine Flügel weit aufspreizt und sich von Tim sacht den Rücken streicheln lässt. // Miriam Zeh / Goldener Strom

die straßenbahn verglüht hinter der kurve. // Mischa Mangel / EINST WIRD DAS STRAHLEN DIESER LATERNE metall gewesen sein  

Bei mir kann man gut sterben. // Robert Klages / Das Sterbezimmer

speichern / denn die Wände nicht ein bisschen / all das Licht? // Ron Winkler / Jahrhundertlicht 

Der Weiße Schöps entspringt im Norden des Großen Nonnenwalds und mündet bei Kringelsdorf in den Schwarzen Schöps. // Clemens Schittko / Gedicht ohne uns

 wir aber strömend / schüttelfrost brechend / sind fieber verspult // Simone Scharbert / sturzbächern

Am Anfang ist das Wort. Jedes Wort ist poetisch, denn jedes Wort erschafft.

Was es erschafft, ist unterschiedlich. Kleines und Großes, Sichtbares und

Unsichtbares bringt es hervor, Welten, Bilder, Geschichten. Wir erinnern an

dieses Potenzial: Ein Wort aus der Alltagssprache füllt ein Heft mit Prosa,

Lyrik und Assoziationen in Text und Bild. Das Titelwort unserer fünften

Ausgabe ist „Strom“. Auszüge der Texte findest du auf diesen Seiten.

[email protected]

fb.com/sachenmitwoertern

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HIGH FIvE

FüNF JAHRE MFK - MAGAzIN FüR KULTUR

Dieses Jahr feiert das MFK - Magazin für Kultur des

MARK.freizeit.kultur seinen fünften Geburtstag! Das MFK

ist jeder, der eine offene Plattform sucht, um sich künstle-

risch auszudrücken, sei es durch Geschriebenes, Gemaltes

oder Fotografiertes. Wie im Leben eines Menschen gab es

auch in der Geschichte des Magazins Höhen und Tiefen.

Zum Jubiläum betrachten wir seinen Lebenslauf:

DIE IDEE ENTSTEHT

Nach einer langen Odyssee der Wohnungslosigkeit lebt und

werkt die Kultureinrichtung MARK.freizeit.kultur über-

gangsweise im alten Musikum im Nonntal. Die Räumlich-

keiten dürfen für Vereinstätigkeiten genutzt werden, sind

aber für musikalische Veranstaltungen ungeeignet. Um wei-

terhin in der Salzburger Jugendkulturszene präsent zu sein,

entsteht die Idee eines MARK-Magazins.

Die Mitarbeiter/innen des MARK.freizeit.kultur, die das

Projekt maßgeblich vorantreiben sind von Beginn an top-

motiviert. Das neue Magazin soll eine Plattform für all jene

werden, die etwas ausdrücken wollen. In offenen Redakti-

onssitzungen entstehen eigenständige Rubriken, wie „Count

our culture“ oder das „Penippel“, die den Charakter des

MFKs über Jahre hinweg prägen werden. In einer Auflage

von 1.000 Stück, im praktischen DINA5-Format, mit schril-

len Bildern soll das MFK kein Hochglanzmagazin sein. Es

darf ruhig ein bisschen aus der Reihe tanzen - ganz nach

dem Motto „Laut und in Farbe“.

DIE EUpHoRISCHE ANFANGSpHASE

Im Mai 2010 erscheint die erste Ausgabe des MFK. Passend

zur Situation des MARK.freizeit.kultur widmet sie sich dem

Thema „Umzug“. Nach längerer Zeit des Nomadentums ist

das MARK.freizeit.kultur in der Hannakstraße 17 sesshaft

geworden. Vom normalen Kulturbetrieb bleibt der Verein

noch weit entfernt. Die lang andauernden Umbauarbeiten

im Haus zwingen die Redaktion ihre Sitzungen in privaten

Studenten-WGs abzuhalten. Der Platzmangel und die al-

ternativen Unterkünfte hindern die Redaktion nicht daran,

produktiv zu sein. Es wird fleißig weiter an künstlerisch kre-

ativen und gesellschaftlich relevanten Beiträgen gewerkelt.

2011 werden drei Ausgaben veröffentlicht - es ist damit das

produktivste Jahr in der Geschichte des MFK.

SCHREIBBLoCKADEN, üBERFoRDERUNG UND

STILLSTAND

Das Jahr 2011 hat auch seine Kehrseite. Nicht mehr kreati-

ve Ideen stehen im Fokus der Redaktionssitzungen, sondern

Grundsatzdiskussionen über den Extremismus-Begriff in

der Blattlinie und den Umgang mit geschlechtergerechtem

Schreiben, die vom Hundertsten ins Tausendste führen. Für

einige Redaktionsmitglieder ist es wichtig, die Position des

MFK genauer zu definieren, andere finden derartige Gesprä-

che mühsam und bleiben den Redaktionssitzungen lieber

fern.

Das darauf folgende Jahr wird schließlich zur Belastungs-

probe für das Magazin. Die Redaktionssitzungen werden

immer schlechter besucht. Als kurze Zeit später die halbe

Redaktion im Ausland weilt, steht die Redaktionsarbeit still.

Mit Müh‘ und Not wird in diesem Jahr eine einzige Ausga-

be veröffentlicht. Mittlerweile sind die Umbauarbeiten im

MARK.freizeit.kultur fast abgeschlossen und es herrscht

wieder lebendiger Alltag im Kulturbetrieb. Für das MFK

bleibt dadurch wenig Zeit. Nachdem die Grafikerin Julia

Fink nach sieben Ausgaben ankündigt, aus dem Projekt

auszusteigen, scheint das Todesurteil des MFK gefällt. Im

Herbst 2012 kommt es zur großen Krisensitzung.

DER NEUANFANG

Die Entscheidung das Projekt MFK einzustellen, ist noch

nicht in Stein gemeißelt. Denn einzelne Redaktionsmitglie-

der wollen nicht kampflos aufgeben. Die neue Grafikerin

wird Rita Atteneder, die den Freiraum erhält, das Magazin

ganz nach ihrem Stil zu gestalten. Das MFK bekommt ein

völlig neues Äußeres. Das Layout wird dezenter und er-

wachsener, ohne seine Verspieltheit zu verlieren. Zwei Mal

im Jahr soll das Magazin erscheinen.

Page 15: mosaik13_Katzenvideos

Es wird vermehrt versucht, neue Redakteure und Redakteu-

rinnen im Bekanntenkreis, an der Universität oder über Inter-

net-Foren anzusprechen. Es funktioniert: Engagierte Schrei-

berlinge melden sich, um an der Gestaltung des Magazins

mitzuwirken und bringen frischen Wind in die Redaktion.

Drei Ausgaben sind seither erschienen. Die Redaktionssit-

zungen sind wieder gut besucht und neue Vorhaben, wie die

Jubiläums-Ausgabe und ein Crowdfundig-Projekt zur Finan-

zierung des Magazins sind geplant, um seine Existenz auch

zukünftig zu sichern.

DER ALLTAG IST KEINE RoUTINE

„Politik ist einfach. Kultur ist leicht einzusparen. Zeitung

machen hingegen ist beinharte Arbeit“ – dieser, zugegeben

freche Spruch, wurde einst im MFK gedruckt. Ein Gruppe

von junge Menschen hat beschlossen, ein Magazin herauszu-

bringen und machte damit eine völlig neue Erfahrung. Eine

euphorische Anfangsphase, große Ziele, Ideen und Träume.

Kreative Momente, unregelmäßige Motivationsschübe, aber

auch Schreibblockaden, Überforderung und Stillstand. In un-

serem fünfjährigen Bestehen haben wir viel dazugelernt. Wir

sind professioneller geworden. Mussten jedoch auch manche

unserer Ziele zurückstecken.

Wir haben nicht aufgegeben. Dass es uns seit fünf Jahren gibt

bedeutet für uns einen großen Erfolg. Mittlerweile haben wir

126 Menschen dazu bewegt, kreativ zu sein und sich an der

Gestaltung des MFK zu beteiligen. Wir machen weiter, weil

wir der Meinung sind, dass Salzburg ein alternatives Kunst

und Kulturmagazin braucht. Aber zunächst: High five und

alles Gute zum Fünfjährigen!

Ein Beitrag von Doris Mair & Sabine Fritsch,

MFK-Redaktion

EIN MFK-TypISCHES BILDERRäTSEL GIBT ES

oNLINE AUF mosaikzeitschrift.com

SpIELT MIT UND GEWINNT EINES voN DREI

vEGETARISCHEN voLxKüCHE-KoCHBüCHER.

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16

DRAMoLETT

Sie:

Die Kunst des Schweigens zu verstehen

Siezwei:

still

Sie:

Deine Stille macht mich.

Siezwei:

still

Sie:

Machtlos.

Siezwei:

still

Sie:

Macht los ...

Siezwei:

still

Sie:

Wer braucht Macht?

Siezwei:

still

Sie:

Wer braucht, macht!

Siezwei:

still

Sie:

Ich liebe dich

Siezwei:

still

Patricia Lang

KLAMMER

unterm dach die tage

an leinen gespannt und glatt

gezogen schweigen in weiß

verwaschene wörter

und wir klammer des andern

trocknen in sprache

bewegen uns nicht kalkkrümel

wischen wir später vom mund

Simone Scharbert, Erftstadt

SCHWEIGEN IN WEIß

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WAS SIEHST DU?

Jeder Mensch steigt nur in seine eigene Grube hin-

ab. Niemand kennt die Täler des Anderen und keiner

kann die Klammheit der schweißtropfenden Angst, in

diesen sonnenfinsteren Schluchten ermessen. Nicht

einer verläuft sich auf den Untiefen Fremder und wirft

in unvertrauter Haltlosigkeit Anker.

Kehr ein in dein eigenes Zuhause und steig hinab in

deine eigene Tiefe. Trink aus, den Fluss, der dir die

haltbringenden Wände unter den Händen wegwäscht.

Kopf unter Wasser, tauch ein in dich Selbst. Was siehst

du?

Verschwommen, eine Mauer, eine Wand und viel Sta-

cheldraht, Leichen am Fuße des Walls, krepierte See-

lenschänder.

Schwimm hinüber. Was siehst du?

Der Strom frisst die Steine und spült sie fort. Ver-

schwommen, eine Lücke, daraus verstrahlt sich Licht.

Die Helligkeit wärmt, hat sie immer getan. Damals

aber hat man die Erleuchtete weggesperrt, weil sich

fremde Hände an ihr erhitzten. Sie hat sich dabei die

Finger verbrannt und ja, deswegen hat man sie hin-

tergittert und von den Angesichten weggetan. Nun

aber, tauche ein und suhle dich in ihr. Sie ist dein Ei-

gen. Zerstürze die Mauern und ziehe den Stacheln,

ihre drahtigen Zähne.

Lass das Wasser ab und trockne dich, denn die Sonne

geht auf und blinzelt schon herüber. Sie kennt dich

und weiß um deine Blöße. Und nun, bereite dich zu,

um dem Fremdling entgegenzutreten, dass er nicht

erschrickt, wenn er dich nackt sieht, ganz ohne stei-

nerne Maske und hochhergeputzter Fassade. Lass

ihn sehen das Echte und eintauchen in deine wohlige

Wärme und das Strahlen deines Antlitzes.

Gemeinsamer Auf- und Untergang über zusammen-

gehäuften Mauersteinen. Der Fluss wird sie zerreiben

und wegschwemmen.

Christof Sommersguter

KETTEN

Umhüllt von Nebel und Dunkelheit,

gefangen in mir, wo es immer schneit,

wartend auf nichts als die Ewigkeit,

vergessen für immer und alle Zeit.

Schweigend, bewegungslos liege ich,

mich umgeben die eisernen Ketten,

die mich binden für immer an dich,

niemand kann mich noch irgendwie retten.

Ich liebe dich, doch ich kann nichts tun,

seit tausenden Jahren liege ich nun,

gefangen, belegt mit diesem Bann,

und so müde, dass ich nicht aufsteh’n kann.

Ich weiß, ich muss es wieder lernen,

zu schau‘n auf einen von tausend Sternen,

mit Mühe und Not stehe ich auf,

und weine noch weiter, während ich lauf.

Natalia Fastovski, Schiltach

SCHWEIGEN IN WEIß

Page 18: mosaik13_Katzenvideos

18

KINDERSpRACHE

Augenaufschläge mit sonnengebleichten Wimpern,

eiscremeverschmierte Münder, klebrige Süße,

kleine Schaukelhintern.

Ein Sandkastenkuss.

Komm, kleines Mädchen,

ich gebe dir Süßigkeiten.

Komm, kleiner Junge,

lass uns zusammen ins Abendrot reiten.

Sommersprossen auf den vollen Wangen,

gepunktete Kleider, neckische Umdrehungen,

wir spielen Fangen.

Du bist du und ich bin ich.

Komm, süßes Mädchen,

lass die Puppen liegen,

Komm, süßer Junge,

ich lerne dir fliegen.

Kulleraugen gefüllt mir Tränen,

verrotzte Stupsnasen, Schniefen, Trompeten.

Hände krallen in Pferdemähnen.

Vom Christkind wünsch ich mir.

Komm, mein Mädchen.

Schrei nicht.

Komm, mein Junge.

Das bleibt unser Geheimnis.

Katharina Ferner, Wien

KUGELN AUS GLAS

Für A.

Der glimmende Kern, den ich einst fraß

Läßt mich das Meehr erfaßen, greifen, leben

Wenn du mich krümmen machst und damit

erst die Leidenschaft in Glas gegoßen schaffst

Ja, du bringst ihn zum Lodern,

Das das zuvor glühend

Jetzt brennend,

war, ist.

Du bläst ihn auf, den Kern, formst und drehst ein

Meisterwerk aus Glas heran

Erstarrt lehne ich am Eck in unserem Reich

Steh‘ dort still und guck‘ von fern

Bewundernd deine zarte Fingerfertigkeit,

nur faßbar gern.

Doch die Kugel, die einst ich geblasen hab

Windet sich schon lang an dir vorbei

Ich blies und goß dich ein und

stampfte und zermalmte dich,

zu Mus und Brei und

liebestoll laß ich dich nun frei

Abgelegt und eingelegt in Aas und Freßerei

Weil du mich staunend stehen läßt, dort drüben:

In der alten Glasbläserei.

So ist die ungegoßene Liebe Leidenden

Ein Halt

Den Verliebten gegoßene Liebe in Scherben:

Der Fall

Leonhard Pill

SCHWEIGEN IN WEIß

Page 19: mosaik13_Katzenvideos

19

LEISE

Ein dumpfes stilles Fallen

schwimmende Schritte im Schnee

schweigendes Weiß

auf Bäumen und Zäunen

umsäumend den erstarrten Fluss

die tosenden Worte

seiner Melodie verweigernd

im Verborgenen

das stumme Warten der Vögel

klirrender Winterwind

zwingt Menschen in die Häuser

hinter verschlossenen Türen

beugen sie sich unentwegt

vor dem Drängen des Tages

in den Eisblumen

am Fenster

verfängt sich nur manchmal

ein haltender Blick

Ingeborg Kraschl

WIR & DIE WöLFE

fast unsichtbar über feldwege wandernd

stets am wasser entlang

ziehen graue schatten vorbei

hält man die luft an

schallt das schnippen der feuerzeuge

bedrohlich laut

dort drüben irgendwo

klatscht es zackig in die hände

zweimal sogar

blind im dunst

aber furchtlos der stadt entgegen

geben seile um hüften sicherheit im ungewissen

Fabian Bönte, Berlin

SCHWEIGEN IN WEIß

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20

HAHNENKAMpF

Die strahlend bunten Vögel steigen,

Gewickelt ineinander, Wolken

Als Bündel schillert aus zwei Tieren

Und aus zwei Sichelmessern, bis einer

sinkt.

(sein Lächeln hätte zu viel Pein;

Es gliche dem bunten blühenden

Gewande der –)

Im Strahlenkranz droht der Kragen,

Geduckt, gestreckt, so lauert Hitze.

Der Kopf Rubin schon von Beginn,

Bald schmelzen alle Juwelen des

Gefieders zu Rubin; die Messer

Entlang, die in den Wolken schillern.

Kein Wissen, was sie tun, doch Brennglas

Der gleißenden Richtung, Sichel nach unten,

Die Flamme, die sich dem Sprung entreißt.

Am Sonntagnachmittag nach der Messe

Bis in die späten Abendstunden,

Ein Sprung nur von der Kathedrale

Von Dumaguete in den Ring.

Ein Feld aus leuchtend schwarzer Iris,

Das steht in Reihen um das Spiel.

Ein Lehen nehmen, ein Lehen geben.

Um Haus und Hof, als könne man

Es denken, deuten, wie dort Haus

Und Hof sich gegeneinander in die

Gewänder blühenden Stolzes hetzen.

Schrecklich zittert der Kragenbusch.

Rundum fliegt das Geld in bunten

Bündeln, Knäuel, über den Ring,

Strahlend blühende Pesos sinken

Stieren Rufen hinterher, die

Wetten steigen.

Wie der Rauch auf den Altären

(denn sie stecken sie an Spieße,

Braten sie mit Vorsicht, nachts).

Wir verlieren den Tod aus den Augen

Wie wir auf und an das Leben

Halten, aufgelöst im Spiel, in

Zwei dort unten, in der Mitte.

Nur die Ahnung, was sie tun,

Gleißenden Rufe, Finger nach oben

Flammen, die aus der Hitze schlagen.

Schlieren hellrot schillernd am Boden,

Übereinander geschüttet von Stunden.

Leuchtend erst, dann dunkler welkend.

Inilog und Biya, zwei

Unvergängliche Namen, durch die

Leiber ungezählter Hähne.

Blüht der Phönix. Nach der Runde

Scheint es wie ein dritter Vogel

In der Schaufel jenes Jungen,

Der die Federn zusammenkehrt.

für Florian Haider, Tobias Roth

IHRE SCHÖNHEIT ...

Page 21: mosaik13_Katzenvideos

21

MA pAUvRE MUSE, HéLAS!

Meine Muse ist kein

Pferd sie ist zu zart für

mein Gewicht der

Reitstock und der Sattel

besänftigen sie nicht ich

könnte sie nie zähmen oder

Wettkämpfe bestreiten sie

lässt sich nichts befehlen und

nur selten von mir reiten ich

wage kaum zu

sprechen ihre Präsenz ist zu

fragil sie diktiert mir ihre

Wahrheit und

beseelt mich mit Gefühl ob

Liebe oder Hass ob Sehnsucht

oder Wut ich nehm was ich

bekomme und vergelte es mit

Blut ich schwitze und ich

weine ich besinge ihren

Reiz ich verleihe Glanz und

Ehre und Unsterblichkeit sie

die Allerschönste wird ewig jung

verweilen während andre

müßig sterben lebt sie noch in

diesen Zeilen sie

lässt sich nicht

begreifen begegnet mir in

vielerlei Gestalt ihr

Geist sei meine Rettung ihre

Schönheit ist mein Untergang aber

so wie ich sie brauche hängt sie

auch an mir weil sie ohne

meine Worte gar nicht

existiert die Stille würd

sie töten mein Schweigen ist ihr

Gift sie giert nach Anerkennung ohne die

sie gar nichts ist und wenn der

Geist der Muse einen Körper schnell

verlässt bleibt nichts zurück als

Leere und ein bescheidenes Skelett du

arme Muse ach wie ist dir heut hast

du die Wahl des Dichters

jemals schon bereut du

gibst mir deinen Segen und ich

geb dir alles was ich hab ich

schenk dir meine

Nächte und du teilst

mit mir dein Grab.

Thomas Mulitzer

... IST MEIN UNTERGANG

Page 22: mosaik13_Katzenvideos

22

Der junge Mann schritt auf die Rezeption zu. Ein sehr

stattlich gekleideter Herr im Anzug empfing ihn auf

eine korrekte Weise und gab daneben seiner Assis-

tentin, einer adretten jungen Dame, einige Anweisun-

gen. Diese Assistentin, das war sie, sie und nur sie.

Sie streifte den Ankömmling mit einem kurzen, fernen

Blick, der trotzdem verriet, wie bekannt sie einander

eigentlich waren. Doch darauf wandte sie sich sofort

ab und verließ geschäftig den Empfangsraum. Man

wies den jungen Mann zu einer nichtssagenden wei-

ßen Tür. Er drückte die graue Klinke langsam nach

unten und trat in einen Raum, der ähnlich aussah

wie der Behandlungsraum eines praktischen Arztes,

wenngleich diesem Raum doch ein anderer Flair an-

haftete. Er setzte sich auf einen Sessel in der Mitte des

Raumes. Ihm gegenüber nahm eine Frau Platz, die ihn

aus schwarz umrandeten Katzenaugen anblickte. Sie

trug Reizunterwäsche und ihr Haar war aufgelöst und

wirr. Sie beugte sich ganz nah zu ihrem Klienten, der

ihren Duft begierig einsog, ihr in die Haare griff und

nicht anders konnte als unentwegt in ihre Augen zu

starren. Da ging die Tür auf, und herein stürmte die

adrette Empfangsdame, in ihrem braven Rock und mit

ihrem sehr dezent geschminkten Antlitz krass im Ge-

gensatz stehend zu dem Lustobjekt, das er vor sich

hatte. Sie schäumte vor Wut und schrie ihn mit unsag-

barer Bitternis an: „Du hast mich mit meinem Huren-

Ich betrogen, du Idiot!“ Und er konnte nicht umhin,

sich einzugestehen, dass sie, die brav scheinende Un-

erreichbare, viel hübscher und viel begehrlicher wäre

als ihr zweites Ich, die lüstern Freigiebige.

Das hast du also geträumt, so. Und während es den

einen bestimmt ist, zu träumen, ist es an mir, nichts

von meinem Schicksal und meinem Geschick zu ver-

säumen. Ich also hatte stattdessen eine Vision im

Wachzustand: Da stürmten sie, die Angst, die Illusion,

die Eifersucht, die Unsicherheit, die Lüge, die Eng-

stirnigkeit und noch ein paar weitere, nicht weniger

zickige Damen, drauf los, um auf dem weiten Feld

der Möglichkeiten einen Schutzwall zu errichten zwi-

schen mir und dir, einen wahren Antoninus-Wall. Also

träume nicht davon, dass es vorbei ist! Der Kampf

beginnt gerade erst. Wenn diese Schar an Spaßver-

derberinnen ihren Wall errichten kann, ist das weite

Feld der Möglichkeiten nämlich zerschnitten, und ich,

das heißt mein Ist-Zustand, stehe auf der einen Seite,

während du, mein Wunsch-Zustand, auf der gegen-

überliegenden Seite stehst, für immer von mir ge-

trennt. Wir wollen keine Pyramus-Thisbe-Geschichte

beginnen, das wäre unglücklich. Nein, ich werde nicht

mit dir sterben, bloß weil wir uns nicht vereinen dürfen

– wir werden verhindern müssen, dass es uns über-

haupt verboten wird, uns zu vereinen! Also, hilf mir

doch, die verhassten, eifrig wallbauenden Weiber zu

bekriegen – und lass’ sie nicht gewinnen!

Im Übrigen war ich noch nie so schön wie heute, und

ich werde auch nie mehr so schön sein. Hast du dir

schon mal mein Gesicht angesehen? Wie es vor Auf-

regung und Kampfeslust glüht? Nein, so schön war

ich wirklich noch nie, und so schön werde ich nie mehr

sein. Und was mache ich jetzt also? Ja richtig, ich

gehe jetzt die Wäsche aufhängen. Denn schlussend-

lich läuft jeder zündende, funkensprühende Moment

des menschlichen Geistes sowieso auf irgendeine

Form von Aufopferung hinaus.

Simone Lettner

HINTER DER TÜR

Page 23: mosaik13_Katzenvideos

23

IN DER KAMMER

In dicke Kleider gehüllt saßen zwei wie sterbende Ra-

ben auf schwarz bepolsterten Bänken in dem engen

Gang. Die großen Fensterscheiben hinter ihnen wa-

ren von ihrem Atem beschlagen und der ausgesperrte

Winter warf nur ein diffuses, grelles Licht herein. Am

dunklen Ende des Ganges öffnete sich alle paar Mi-

nuten eine kleine Tür und elektrisches Licht aus der

dahinter liegenden Kammer fiel in das Dunkel. Dar-

aufhin verschwand jedes Mal einer der Wartenden ge-

bückt in dem Spalt und alsgleich schloss sich die Tür

wie von Geisterhand, nur um beim nächsten Öffnen

den zuvor Eingetretenen ebenso gebückt daraus her-

vorzutreten zu lassen. Dieser glitt dann leise an den

Wartenden vorbei, glitt den Gang entlang und ver-

schwand. Kein Blick der Verlassenden traf einen der

Wartenden und diese sprachen untereinander kein

Wort und blickten keinen der Vorbeischreitenden an.

Als nun aber die letzten beiden im Dunkel am Ende

des Ganges warteten, flüsterte einer dem Nachbarn

zu, der ganz erschrocken war vom Durchbrechen der

Stille. Mit großen Augen blickte er den Flüsterer an,

weil er nicht glauben wollte, dass dieser gesprochen

hatte. Der begann aber erneut zu flüstern: „Hast du

ihre Gesichter gesehen, wenn sie aus der Tür treten?“

– Der andere flüsterte schnell zurück: „Das ist gegen

die Regel!“ – „Aber da ist etwas in ihren Gesichtern,

ein Leuchten.“ Darauf schwiegen sie einige Zeit und

horchten angestrengt gegen die Tür, doch es ließ sich

kein Laut vernehmen. Bald hob der eine wieder an:

„Bist du nicht auch so bettelarm wie ich?“ – „Sprich

nicht, es ist gegen die Regel!“ Plötzlich vernahmen

sie ein flehentliches Schluchzen hinter der Tür, so

kurz nur, dass allein ihre erschrockenen Gesichter,

mit denen sie sich anblickten, davon zeugten. „Was

war es?“, flüsterte der eine. – „Es war nichts zu hö-

ren, es wäre gegen die Regel.“ Da tat sich die Tür

auf und ein Lichtstrahl fiel in das Dunkel, sofort trat

daraus eine gebückte Gestalt hervor. Beide suchten

sie nach einem Gesicht unter den Kleidern. Und noch

als sie den Vorbeischreitenden mit Blicken verfolgten,

schloss sich die Tür, ohne dass einer von ihnen hätte

eintreten können. Der eine saß der Tür näher, er war

zwar noch halb aufgesprungen, doch es hatte nichts

geholfen. Da ergriff ihn ein solcher Zorn gegen den

Flüsterer, dass er ihn am Kragen packte und ihn schon

zu Boden schmeißen wollte, als sich hinter ihnen noch

einmal die Tür auftat. Eine strenge Stimme rief ihrer

beider Namen und schon bückten sie sich, um in die

Kammer zu treten. Hinter ihnen schloss sich die Tür

und ein alter Herr mit mächtigem Buckel trat hervor.

Lange, ergraute Haare hingen von seinem Kopf und

seine krumme Nase gab ihm ein strenges Aussehen.

„Setzen!“, bestimmte er und nahm selbst hinter ei-

nem dunklen Schreibtisch Platz. Seine Amtskleidung

verriet die Wichtigkeit seiner Position. – „Wir haben

eine Aufgabe für Sie“, sprach er, blickte dabei jedoch

nur den einen an, während der andere vom vorherge-

henden Kampf noch ganz überfallen war. Diesem aber

schob er ein Kuvert zu und befahl: „Lesen!“ Als jener

nun las, blickte der andere zu Boden, woraufhin der

Beamte ihn schalt: „Sehen Sie ihren Nachbarn an!“

Aus dessen Gesicht aber war jede Farbe gewichen.

Seine Augen hatten jeden Ausdruck verloren. Leise

schob er seinen Stuhl zurück, ebenso leise trat er aus

der Kammer, ohne ein Wort zu sagen, ohne sich um-

zudrehen, ohne dem Beamten seine Ehrerbietung zu

zeigen. Als sich die Tür wieder schloss, sagte dieser:

„Sie sind diesem Mann auf immer zu Dank verpflich-

tet! Für sich wählte er das denkbar Schlechteste. Da-

mit wählte er für Sie das denkbar Beste.“

Peter Tarras, München

HINTER DER TÜR

Page 24: mosaik13_Katzenvideos

24

HERBSTpARALySE

Erkaltende Windböen heulten um die verlassene

Straßenecke und ließen ein schales Gefühl der Ver-

gänglichkeit aufkommen. Der Platz war kahl gewor-

den, gleich einem Sinnbild für die gesamte Stadt, die

in diesen Tagen von einer leisen Ahnung von Verlust

durchzogen wurde. Die Dinge veränderten sich stän-

dig, aber nur in seltenen Fällen so, dass man etwas

davon erkennen konnte. Daher blieb es auch dies-

mal beim vagen Gefühl, etwas sei im Gange, etwas

Ungewöhnliches, das über das Übliche hinausreiche

und Hoffnung verspreche. Miriam vernahm Bruchstü-

cke von Worten in einer seltsam singenden Sprache,

eindringliche Schreie eines Muezzins, unsäglich lange

Dorfnamen mit Konsonantenüberschuss und den ge-

lächelten Vorwurf, es nie lange an einem Ort auszu-

halten.

Eine Alltagsflucht, vor und aus dem Lauf der Jahres-

zeiten.

Doch noch während sie über diese plötzliche Wen-

dung in ihren oktoberabenddunklen Gedanken nach-

sann und die äußeren Gegebenheiten nach Anhalts-

punkten dafür absuchte, wurde ihr der fataler Fehler

bewusst. Kurzsichtig war sie gewesen, mit Blindheit

geschlagen ob der Konkretheit der Bedrohung. Die

Veränderung hatte längst begonnen, und sie befand

sich im Auge des Sturms. Wobei die Gefahr an sich

eine sehr schöne war, aber genau darin lag schließ-

lich ihre wahre Tücke. Bei Nacht sind bekanntlich alle

Katzen grau, so sagt man, doch dieser Umstand trifft

nur noch in bedingtem Maße zu, sobald man einem

erbarmungslosen Schachbrettdenken verfallen ist. In

Miriams Fall war das die Einteilung der Welt in mehr

oder weniger beachtenswerte Phänomene, und so-

eben war ihr eines von Ersteren über den Weg gelau-

fen. Zu plötzlich, als dass noch irgendein Ausweich-

manöver seinen Zweck erfüllt hätte.

Zuerst war ihr das Muster nicht aufgefallen, die sich

immer wiederholende Struktur perfekter Quadrate in

Blau und Schwarz. Doch mit der Verringerung ihrer

Distanz zum beobachteten Objekt wurde ihr bewusst,

dass es eben jenes Kleidungsstück war, das zur Zeit

der Kirschblüte über drei Stunden hinweg einen Teil

ihres Blickfelds ausgefüllt hatte. Im Hintergrund, der

eigentlich vorherrschen hätte sollen, waren derweil

unzählige Menschen zu Tode gekommen. Es hatte sie

nicht wirklich beunruhigt, zumal die Dauer ihres Able-

bens auf die Minute genau geplant worden war.

Ebenso verhielt es sich nun mit dem Zustand ihrer

intellektuellen Fähigkeiten. Wenn ihr Gegenüber ver-

schwand, würde, was mit seinem Anblick in ihr erstarrt

war, wieder zum Leben erwachen, und der Alltag wei-

terhin in gewohnten Bahnen verlaufen. So undenkbar

es ihr in diesem Augenblick auch erschien, auch nur

eine einzige ihrer Handlungen jemals wieder ratio-

nal erklären zu können. Wer auch immer diese Jacke

trug, durfte sich glücklich schätzen, von ihr seit sechs

Monaten, fünfzehn Tagen und knappen zwei Stunden

für eine wunderbare Quelle literarischer Inspiration

gehalten zu werden. Ob dieser Umstand tatsächlich

Freude hervorgerufen hätte, wagte sie zu bezweifeln,

denn ihre persönliche Beziehung war von Ungewiss-

heit geprägt und alles andere als aussichtsreich. Bis-

herige Erfahrungen hatten ihr ein ums andere Mal die

geringe Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs

vor Augen geführt. Es war eine unverrückbare Tatsa-

che und niemandes Entscheidung.

Angesichts dessen schienen alle Worte obsolet.

Sie konnte förmlich bei der Entstehung sämtlicher Ur-

teile über ihre Person zusehen, die in Wahrheit über-

haupt nicht auf sie zutrafen, doch irgendwie sehr wohl,

HINTER DER TÜR

Page 25: mosaik13_Katzenvideos

25

denn an diesem Abend war sie nun einmal niemand

anderer als eine verunsicherte junge Frau, die ihren ei-

genen Gefühlen nicht mehr traute. Schöne bunte Bil-

der voll gewisperter Versprechen, die jeder Grundla-

ge entbehrten, zumindest auf der Gegenseite. Sodass

diese ihr nun ohne eine Ahnung dessen gegenüber-

stand, was sein hätte können, wenn Miriams Zögern

eine Sekunde früher geendet hätte. Wenn ihr die

passenden Unverfänglichkeiten für winterbehauchte

Dämmerungsmomente in den Sinn gekommen wä-

ren. Wenn die faszinierte Bestürzung zu klingenderen

Resultaten als einem einzigen unverbindlichen Gruß-

wort geführt hätte, das sich nicht so recht zwischen

Überraschung und Glück entscheiden konnte.

Das Schweigen dröhnte in ihren Ohren, oder vielleicht

war es auch nur der Verkehr zu ihrer Rechten, doch

wenn sie darüber sprechen hätte sollen, wäre selbst

die treffendste Personifikation nur noch auf verdrehte,

stotternde Weise über ihre Lippen gekommen. Natür-

lich war es nicht ihre Absicht, wortlos zu bleiben, doch

gegen die Unzahl an verschlungenen Gedankenwe-

gen in ihrem tauben Kopf konnte kein selbst verkün-

deter Aufruf zur Vernunft etwas ausrichten. Was sie

ihrer Außenwelt mit aller Kraft verdeutlichen wollte,

umfasste weitaus mehr als leere Metaphern – und aus

ebendiesem Grund blieb sie völlig stumm.

Zwei Blicke trafen sich, ebenso vorsichtig wie be-

stimmt, frühlingshaft hoffnungsvoll und herbstlich

desillusioniert.

Ein lichter Moment blitzte auf.

An Schlaf war heute nicht mehr zu denken, wurde Mi-

riam bewusst, als auch schon der richtige Fahrer mit

dem richtigen Auto Halt machte und durch federleich-

tes Winken nach ihrer Nähe verlangte. Die gab sie

ihm, mit einem Verweis auf die aktuelle betrübliche

Wetterlage und damit verbundene Stimmungsum-

schwünge. Dann erhob sich die Tachonadel ins Drei-

stellige, aber diesmal folgte kein tadelndes Wort, nur

leichtes Kopfschütteln, das auch aus anderen Quellen

stammen konnte. In der Gewissheit baldigen Feder-

kratzens waren keine weiteren Äußerungen nötig.

Vierzehneinhalb Minuten zu spät erwachte sie aus der

Schockstarre und brach in Tränen aus

Claudia Kraml

HINTER DER TÜR

Page 26: mosaik13_Katzenvideos

26

Die Lesereihe So.What.Wörtlich! richtete sich vor al-

lem an junge Schreibende, die ohne Wettbewerbs-

situation und in einem persönlichen Rahmen erste

Erfahrungen sammeln wollten. Erfahrenere Künstle-

rInnen konnten den Abend als Experimentierfeld für

neue Werke und Ideen nützen. Am 12.12.2014 fand

die letzte Lesung aus dieser Reihe statt - Texte der Au-

torinnen lest ihr auf diesen Seiten. Das nächste Jahr

bringt neue Literaturveranstaltungen des Bureau du

Grand Mot - alle Infos immer unter:

bureaudugrandmot.wordpress.com

KATHMANDU.

Es ist die Schwelle zwischen Nacht und Tag, zwischen

Schatten und Licht, zwischen Stille und Lärm. Die ers-

ten Händler breiten ihre Planen und Decken aus. Den

später so emsigen Rikschas ist noch ein wenig Ruhe

vergönnt, sie schlafen, eng zusammen gepfercht, die

schweren Köpfe aneinander gelehnt. Schulkinder in

Uniform, die Augen verquollen, die Hefte unter den

Armen, Matschspritzer auf den weißen Söckchen.

Menschen. Noch vereinzelt, aber stetig mehr wer-

dend. Das Schnurren und Räuspern von gleichmä-

ßigen Besenstrichen auf dem feuchten Lehmboden.

Zahnpastaspuren vermischen sich mit Spülwasser,

kleine Rinnsale fressen sich ihren Weg entlang zer-

knautschter Dosen, alten Ledersohlen, Plastiktüten

und Essensresten. Hunde, gähnend, sich streckend,

die trockene Nase in die fast frische Morgenluft hal-

tend. Hupen, Rufe, Geschnatter - jeder Ton noch als

einzelner Fetzen erkennbar, sich langsam aber stetig

zu einem einzigen großen Teppich verwebend. Der

Fluss? Der ist selbst noch träge, nur widerwillig den

alltäglichen Dreck vor sich herschiebend, die verspä-

teten Nebelfetzen um einen letzten Kuss bittend. Die

Stufen des Tempels. Spiegelglatt und weich. Abge-

wetzt von Millionen Füßen. Tagtäglicher Tausendfüss-

ler fließt den Steilhang nach oben. Langsam, gebückt,

keuchend. Selbst die Bettler sind noch zu verschlafen

um die Hände auszustrecken, den eigenen Blick zur

flehenden Bitte zu überreden.

Nur die Affen springen und tanzen, jagen und jucken,

balancieren und fallen als wäre ihnen die heilige Stun-

de egal. Auch die Dochte der Butterkerzen flackern

und leuchten, ja tänzeln leichtfüßig und munter. Der

Gesang der Mönche schwillt an. Mehr und mehr Men-

schen drängen sich um die Gebetsmühlen. Alte, Kin-

der, Mütter, Schwestern, Söhne. Sie holen sich den

ersten Segen. Andere absolvieren erst den täglichen

Morgensport, springen und strecken, dehnen und

verrenken sich. In sich selbst versunken. Begrüßen

sich selbst. dann andere. Begrüßen ihren alten Körper

und den neuen Tag.

Bei einer Tasse Tee werden die Neuigkeiten der Ta-

geszeitung ausgetauscht. Der Tag kann beginnt.

Eva Weingärtler

STEyR - SELBSTvERSTäNDLICHES

Wenn ich in fremde Städte komme, gehe ich das Was-

ser suchen. So saß ich in Berlin nahe dem Bundestag

und träumte mich auf jedes Rundfahrtsschiff, und in

Paris, so habe ich gelernt, blendet die Sonne entlang

der Seine und spiegelt kultiviert in Becken vorm Lou-

vre. In Wien, wo ich mich vollsauge wie ein Schwamm

SO.WHAT.WÖRTLICH!

Page 27: mosaik13_Katzenvideos

27

und es doch nicht aushalten kann, bleibe ich am Do-

naukanal sitzen, so braun er auch ist. In Salzburg sind

es die kleinen Kanäle und renaturalisierten Bäche, an

denen ich stehen bleiben, schauen und etwas hinein-

werfen muss. In Verona war ich erst angekommen, als

ich die Etsch sah. Ich bin nicht weit gereist.

Steyr ist eine Industriestadt. In Steyr hat man Waf-

fen gemacht und Hitler hat Häuser bauen lassen. Ein

KZ-Außenlager lag unweit meines Elternhauses und

Josef Werndl brachte die elektrische Straßenbeleuch-

tung. „Steyr“ steht auf den Fassaden in patriarchalem

Schriftzug und „Steyr“ steht auf Traktoren. Steyr liegt

am Zusammenfluss der Flüsse Enns und Steyr. Die

Enns ist braun. Die Steyr grün. Sie fließen als Enns in

die Donau. Und die Donau fließt ins Meer.

„Mein Vater war ein Kaufmann“, schreibt Stifter und

hebt damit an zu seinem „Nachsommer“ - „Mein Va-

ter war ein Kaufmann“. Die Urgroßeltern und ihr Ge-

schäft in der Haratzmüllerstraße. Der Urgroßvater und

die Politik. Der Großvater und die Kraftwerke. Und die

Großmutter hat noch im Ramingbach schwimmen ge-

lernt.

Der Ramingbach floss über die Brücke und auf der

zweispurigen Haratzmüllerstraße fuhr die Feuerwehr

mit Booten. Am Stadtplatz: Land unter. Wochenlang

hat man Schlamm aus den Häusern geschöpft und im

Badezimmer brannten Teelichter.

Am Wasserturm, bei Zwischenbrücken - wo man ste-

hen bleibt und zu sich oder Stadtfremden sagt: „So

hoch stand es 2002.“ Was ist da dem Wehrgraben

geschehen, wo das Festland die Ausnahme ist? Die

Fenster reichen bis ans Wasser.

Wenn ich nach Hause komme, muss ich nach dem Was-

ser sehen wie nach einem kranken Kind. Ob die Ufer

der Enns noch wild sind und ob man noch baden kann

an den Schotterbänken der Steyr. Mit dem Schmelz-

wasser kommt die braune Flut aus dem Gebirge und

am Ufer sammeln sich Treibholz und Schlick. Im Som-

mer liegt die Stadt träge zwischen ihren Flüssen; die

kältesten füllt man in Freibäder. Die Altbekannten je-

doch liegen nackt auf den bloßen Steinen am Ufer und

sind unter sich. Sand gibt es, aber nie ohne Äste und

Schmutz.

In den Gassen stehen Brunnen, ohne Anlass, steinern

mitten da, dass man erstaunt stehen bleibt und denkt,

etwas Besonderes sei passiert.

Nachts sind die Flüsse anders, man weiß nicht wie.

Aber dort, wo es fast nicht mehr fließt vor dem Wehr,

so viel grüner als sonst unter Lampen.

Hinter den Fassaden sind Innenhöfe und es stehen

Häuser hinter den Häusern.

Wenn es regnet, geht man den Pfarrberg hinunter ne-

ben einem Rinnsal her und die Durchhäuser zeigen

Himmelsflecken. Die steinernen Hinterhofbecken füllen

sich, aber man kann es nicht sehen. Aus einem rosti-

gen Eisenrohr manövriert sich unaufhörlich ein Schwall

in den Seerosenteich, den ewig beschatteten, um den

herum man den Boden zu Erde spaziert hat. Zigaret-

tenstummel schwappen ans Ufer und Dosen.

Monolithisch behauptet sich die Wetterstation und

erzählt von der Luftfeuchtigkeit. „Arbeit ehrt“, tönt es

schwärzlich vom Grünspan; im Frühling, im Sommer, im

Herbst, im Winter, und überall hin verirren sich Möwen.

Marlen Mairhofer

SO.WHAT.WÖRTLICH!

Page 28: mosaik13_Katzenvideos

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KöRpERSpENDN

Nach langem Überlegn entscheid i mi für des Trauer-

bukett „ Lieblichkeit und Bescheidenheit“, weiße Ro-

sen, Efeu – sche schlicht und klassisch. Dazu a schwar-

ze Schleifm, Seide mit Goldprägedruck. Drauf steht „

Ihr werdet mir fehlen“. Des is ned sonderlich kreativ.

Owa i hob scho des Oratorium gschriebm und dazu

olle Briaf, mehr geht afoch nimma. Da Blumenver-

sand liefert nächste Wochn de schon bezahltn Geste-

cke zu meine Eltern direkt in den Garten, a Sach we-

niger, um de sa si kümmern miassn. Ois, was i earna

abnehma kann, moch i gern.

Auf die Rede bin i stolz, ned z‘ lang, aufn Punkt bracht,

kitschig gnug, ohne owa schwülstig z‘ werdn. Mit

schene Anekdoten, von denen i ned mecht, dass‘ va-

gessn werdn. Und de Briaf, de miassadn wahrschein-

lich gar ned sei. Vielleicht wirf i de wieda weg. I hob

ja nu a bissl Zeit um ma des z‘ übalegen. Drei Stund,

hod de Dame von da Universitätsklinik in Innsbruck

gsagt, brauchens nu. Dann kumans und hoin den

Körpa, injiziern irgendwöche Chemikalien, damit a

hoitbar wird und na de Medizinstudentn verwenden

kinan. Erst moi wird a präpariert. Und donn kann man‘

bis zu drei Jahr benutzn, bis a kremiert wird. Körpas-

pendn macht scho Sinn, denk i ma, Vor oim bei a so

am schen Krebs. Da soin de scho wos davon habm.

I geh ins Badezimma und lass ma Wassa ind Wann.

Es is unglaublich, wie erledigt i bin, dawei hab i heid

netta gschrieben und telefoniert. Während de Bade-

wann si füllt, giaß i meine Blumen und kontrollier nu

amoi de Wohnung. Zum gfühlten Zwanzigsten Moi.

De Haustür ist unvaschlossen, damit de aus Innsbruck

si damit ned ärgern miassn. Olle Dokumente und de

Rechnungen für de Trauerfeier liegn am Tisch, säuber-

lich gordnet.

Ois de Badewann voi gnuag is, überleg i, ob i mi

wirkli ausziehen soi. Wobei, schämen brauch i mi ja

ned. Mi ham in die letzten Monat bei die ganzen Un-

tersuchungen so vü Leid nackad gsehn, da ist des jetz

a scho wurscht. Und die nächsten Jahr bin i ja a nu

nackad. De Teile von mia, die s‘ verwendn werdn je-

denfois.

Sche warm is, des Wassa, mia is so koid in da letztn

Zeit. Jetzt is soweit, denk i ma.

I war nie ane, die gsagt hat, Selbstmord, des macht

ma ned. Des is schon ok, wenn ma an guadn Grund

hat, solang ma dadurch kan andern in Gefahr bringt.

Drum lieg i a da und schmeiß mi ned vor an Zug.

Oda spring von am Häusl. Des san ja sowieso de

Oberegoistn unter die Selbstmörder. Die, die irgend-

wo owihupfn, ohne dass‘ wissen, wer da unten is.

Und dann springan s‘ auf an drauf oda landen vor ana

Volksschulklass auf Wandertag und san dann schuld

daran, dass a Haufen Kinda den Rest vom earnam Le-

ben traumatisiert san. Des würd i nie wollen, drum

de Badwann. Drum des Rasiermesser zwischen meim

Shampoo und dem Badesalzbehälta.

Vor zwa Wochn hab i mi entschiedn. An dem Tag, an

dem sie gesagt haben, i kann scho a Chemo machen,

aber i darf mir davon nix erhoffn. De Wahrschein-

lichkeit, dass i Weihnachten erleb geht gegen Null.

Jetzt ist Dezember. Nu bin i fit gnuag, mei Ende so

z‘gestalten, dass i damit halbwegs umgeh kann. Des is

a Lüge. Wer kann damit lebn, dass a seinen dreißigs-

ten Geburtstag ned erlebt? Wer rechnet wirklich mit

Lungenkrebs? Mit 28?

Seit dem Gespräch mitm Primar hab i des Gfühl, dass

i ka Mensch mehr bin, sondern a Maschin, de nu ir-

gendwie funktioniert. De ned mehr tuad, außa Leid

trösten und earna sagen, dass des doch ois ned so

schlimm is. Dass sie ned unglücklich sei brauchn, weil

EARNA Leben, des geht ja weiter. I hab ka anziges

Moi great, des würds nu schwera machen für olle.

SO.WHAT.WÖRTLICH!

Page 29: mosaik13_Katzenvideos

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Drum hab i beschlossen, dass sie mir ned nu länger

zuschauen miassn. Drum hab i mir mei eigene Trau-

erfeier plant, bis ins klanste Detail, damit sie des ned

machn miassen. Und trotzdem hätt i mia gwünscht,

dass i afoch moi offn sagen kann, was i eigentlich für

Angst hab. Dass i ned sterben will.

Endlich kuman de Tränen. I denke an meine Hochzeit,

de i ned erleben werd und de Kinda, de i niemals ha-

ben werd. Meine klanen Buam, denen i so gern vom

Hannibal und seine Elefanten erzöhlt hätt und denen

i die Bam zagen woit, auf de i als Kind so gern klet-

tert bin. I denk an mei Mama und mein Papa, die si

jetzt überlegen miassen, was sie mit meim ganzen

Zeig machn. Du kannst ja ned ois aufhebn. Aber wie

schwierig des is, a Wohnung auszmisten, des hab i ja

beim Tod der Großeltern miterlebt. Wir haben immer

so gescherzt, wie sie älter worden sand, dass wir uns

ja eh alle im Himmel wiedersehn. Wenn i an den Him-

mel glauben würd, dann warad des jetz ois leichta.

Lisa Viktoria Niederberger

SINK, SALzBURG, SINK!

I woas nid wie i’s doa soid, weil ma lernts nid in da Schui

Wie ma durch des Leben geht, ohne Sinn und ohne Zü

I fühl mi nutzlos, ois wos i ko

Is a bissl Gitar spün und singa grod a so

Heit woa a so a Tog, an dem oafoch nix hihaut

Jede Hoffnung is verlorn und die Stimmung is versaut

I steh im Zentrum von am Sturm, mi reißts hin und her

Mi wahds an Obgrund owi und wieder aufi aufn Berg

Wir hom 52 Koaten und a laare Floschn Schnops

Es Herz am rechten Fleck und a Piratenfahne

aufm Doch

Sink, Salzburg, sink, es regnet scho so long

Trinkts, Freinde, trinkts, bis a neicha Tog ofong

Jeder suacht doch oiwei nur en oafochsten Weg

Olle hom es beste Smartphone, owa sunst für nix a Göd

Und de Regierung is scheiße, sie hoit nid wos verspricht

Wir lossen uns des neama gfoin und schiaßn uns

heit weg

Wir hom 52 Koaten und a laare Floschn Schnops

Es Herz am linken Fleck und a schwoaze Fahne

aufm Doch

Sink, Salzburg, sink, es regnet scho so long

Trinkts, Freinde, trinkts, bis a neicha Tog ofong

Wir leben für die guaden Tog, wonn olles super rennt

Wonn die Nächte ewig dauern und die Sun vom

Himmi brennt

Und a wonn da Himmi grau is, donn rean ma uns nid o

Wir wissen nid wo’s hingeht, Hauptsoch wir kemman o

Wir hom 52 Koaten und a laare Floschn Schnops

Es Herz am rechten Fleck und a Piratenfahne

aufm Doch

Sink, Salzburg, sink, es regnet scho so long

Trinkts, Freinde, trinkts, bis a neicha Tog ofong

Thomas Mulitzer

SO.WHAT.WÖRTLICH!

Page 30: mosaik13_Katzenvideos

30

FRoST

Wie ein Fels in rauer Nacht

harre, schlafe, träume ich

Und der Himmel, unbewacht

wie von Schatten überdacht

neigt müde hin zur Erde sich

Kein Geflüster und kein Hauch

Wie Gerippe stehn die Bäume

Roter Tau und weißer Rauch

im kalt erstarrten Dornenstrauch

Und ich, und ich versäume!

Die Vögel zogen alle fort

und tragen ihre Lieder

nun vor an einem andern Ort

Oh, bleibt nur, bleibt für immer dort

Und kehret niemals wieder

Ich wünsch die Welt zu Eis und Stein

auf dass sich nichts mehr rege

Kann keine Ruh tief drinnen sein?

So heiß und frisch die Herzenspein

Ach Blut, fließ sacht und träge!

Mein weiches Fleisch soll mir gefrieren

zu Marmor oder Bergkristall

Ich will die Welt und mich verlieren

Erstarrte Augen blindlings stieren

in das unberührte, schwarze All

Ach, kein Zauber mag mich führen

und die Wolken hängen schwer

Nichts, nein nichts soll mich berühren

Gemälde hinter tausend Türen

Doch ich hauche: „Nimmermehr!“

Magdalena Ecker: Zwergenschwert | ohneohren | 164

S. | eBook € 7,49

Debutroman um Gremlinda, das Goblinmädchen aus

dem Volk der Knocker. Fantasy! Feenwesen, Gestalt-

wandler und eine Spriggan kommen vor.

Magdalena Ecker: Diesseits der Sterne | Schlosser |

102 S. | € 11,90

Märchenhafte Gefilde und unheimliche Szenerien prä-

gen auch den Gedichtband, in dem zahlreiche Texte,

die schon in vergangenen Ausgaben des mosaik veröf-

fentlicht wurden, erscheinen. Leseprobe rechts.

BÜCHERTISCH

Page 31: mosaik13_Katzenvideos

31

WAS DU SICHER NIE üBER DIE öH-SCHREIBWERK-

STATT FREI:SCHREIBEN WISSEN WoLLTEST

Freitagnachmittage sind für A immer besonders

schlimm. Weil ihre Eltern zu Besuch kommen. Nicht

dass sie persönlich etwas gegen sie hätte. Abstrakt und

so. Aber konkret können sie schon etwas nerven. Denn

Kaffe trinken kann man auch alleine ganz gut.

A widmet sich lieber Aktivitäten, die nur in der Gruppe

richtig viel Spaß machen. Nein, die Rede ist nicht von

Sex. Aber wer einmal einen kreativen Prozess mit ein

paar Freunden erprobt hat, weiß, dass man sich dabei

gegenseitig befeuern kann. Genau das ist die Idee hin-

ter der Schreibwerkstatt frei:schreiben. Wir schreiben

gemeinsam, weil wir besser schreiben. Was in diesem

– und nur in diesem – Fall bedeutet: verrückter.

Vorbeikommen darf übrigens jeder. Einer gibt ein The-

ma vor, einer eine Methode. Oder auch nicht. Dann

wird zusammengestückelt. Per Hand. Ein Zettel, x Stif-

te. Visuelles, Whiskey, Wortbausteine. Und vor allem

raus aus dem Internet. Aber dann doch wieder rein,

weil man die Texte ja für die Nachwelt konservieren

muss. Wie den:

ELFCHEN #7

Fäsbuk

Teiks leif

Nott ouhnli wörtschueli

Itt is dreining mi

Logaut

frei:schreiben – die ÖH-Schreibwerkstatt

jeden Freitag, 15.30 Uhr

ÖH frei:raum Kaigasse 17, 5020 Salzburg

www.facebook.com/freischreiben

Ich durchstreife dunkle Schemen

Wo, wo ist mein weißes Licht?

Nun endlich frei, nicht mehr zu zähmen

wirst mich nie mehr mit dir nehmen

Eine Welt aus Glas zerbricht

Und ich berge dreizehn Scherben

ein bleiches Antlitz spiegelt sich

Kann nur leere Schatten erben

die verblassen, sich verfärben

Und irgendwann vergess ich dich

Schwach, zu schwach um zu erkennen,

dass du wie der Sterne Schein

Die da durch die Zeiten brennen

keines Menschen Namen kennen

Niemals warst du wirklich mein

Drum flieh hinfort aus deinem Schmerz

in neugeborene, helle Sphären

Frei, erlöst, steig himmelwärts

Gedenke nie dem Menschenherz,

das dich nicht mag entbehren

Mir quillt aus Mund und Augen bald

ein Nebel, zäh und grau

Und es versinkt der Schattenwald

gespenstisch still und eisig kalt

Beseelt vom Wunsch nach Morgentau

Magdalena Ecker

KULTURSZENE

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HEUTE SCHON WAS VOR?

21.01.15 | 20:30 | Mark.Freizeit.KulturBühne frei!

Die Open Stage für… ja, für was eigentlich? Für alles und jeden? Für die Besten der Besten? Oder einfach: Für dich. Alles ist er-laubt. Nächster Termin: 18.02.

23.01.15 | 20:30 | Das KinoNacht der programmkinos

06.02.15 | 19:30 | ARGEkulturJoseph Fouché

31.01.15 | 15:30 | frei:raumfrei:schreiben

28.01.15 | 19:30 | LiteraturhausLesentliches

26.01.15 | 19:00 | ARGEkulturtextGespräche

Freier Eintritt die ganze Nacht hindurch. Previews neuer Filme, Reviews ver-passter Juwelen, dazu Filmklassiker. Warum nicht jede Nacht?

1929 schrieb Stefan Zweig in Salzburg sein „Bildnis eines politischen Menschen“ - unverständlicherweise noch nie aufgeführt, jetzt aber mit Simon Ahlborn. Termine bis 13.02.

Whiskey und Wortbausteine. Die ÖH-Schreibwerkstatt, jeden Freitag (S. 31).

Sprünge in den Wörterpool, Schwimmen in Bewusstseinsströmen, Graben nach Wortschätzen, an schiefe und parallele Gedichte. Die Abschlussklasse des Musischen Gymnasiums.

Du schreibst literarische Texte und willst dich mit Kollegen darüber austau-schen? Workshop mit Christian Lorenz Müller und Stefan Findeisl. Teilnahme kostenlos. Weitere Termine: 23.2., 26.5.

28.02.15 | 19:30 | ARGEkulturU20 poetry Slam

„Man muss sich nur trauen“, heißt es immer im Zusammenhang mit Poetry Slams. Gottseidank gibt es mutige Jugendliche in dieser Stadt!

Protest. Alarm. Flucht. Und Kühe. Eine kritische Komödie von Charlotte Roos und Juli Zeh. Regieassistenz von Eva Weingärtler (S. 26).

bis 15.02.15 | Schauspielhausyellow Line

Schickt uns eure Texte an [email protected]

und findet euch wieder als ein Steinchen im mosaik.

EINSENDESCHLUSSAUSGABE 14:

08.03.2015

freiTExT ist eine Reihe literarischer Texte.

Freitags gibts freiTExT auf mosaikzeitschrift.com

Du hast auch einen freiTExT für uns?

Sende ihn uns doch an [email protected]