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www.fliegermagazin.de #6.2011 87 Tiefflug ohne Ärger: wenige Meter über dem Strand nördlich von Vilanculos »Verstellt unser Perfek- tionismus den Blick auf einfa- che Lösungen? Mosambik ist ein Blick über den Tellerrand« 86 www.fliegermagazin.de #6.2011 AFRIKANISCHE ENTDECKUNGSREISE MosamBig! Paradiesische Natur, herzliche Menschen, Kolonialgeschichte, Überraschungen am laufenden Band – in Mosambik lauert das Abenteuer überall. Vor allem, wenn man mit fünf ULs neun Tage lang durch das riesige Land fliegt REISE & ERLEBNIS TEXT UND FOTOS Thomas Herden, Günter Holl V ilanculos liegt hinter uns, der Gorongoza Nationalpark vor uns. Und das Paradies zu un- seren Füßen: Im Tiefflug geht’s über kleine Inseln und Koral- lenriffe vor der Küste. Das Farbenspiel des Meers variiert nach Tiefe, Temperatur und Bewuchs. Schwärme von Flamingos kreu- zen unsere Route, dutzende Delfine tum- meln sich im klaren Wasser, Fischer sind in ihren Auslegerbooten unterwegs; sie be- nutzen ausgehöhlte Baumstämme und fü- gen sie mit Holzplanken zusammen. Gut möglich, dass diese Konstruktion nicht mal die Ahnung eines Sturms übersteht. Oder verstellt unser Perfektionismus den Blick auf einfache Lösungen? Immer wieder auf unserer Reise machen wir diese Erfahrung: Es gilt, das Wesentliche zu erkennen und Kli- schees zu vergessen. Mosambik ist ein Blick über den Tellerrand. Die Vorbereitung für die Tour durch das südostafrikanische Land war schwierig. Ob- wohl sich seit 1990, dem Ende des Bürger- kriegs, vieles verändert hat, stammen die Luſtfahrtkarten von 1987; aktueller geht’s nicht. Nicht mal 30 der vor dem Krieg exis- tierenden 300 Flugplätze sind noch in Be- trieb, doch unsere Karten führen sie als aktiv. Also beschlossen wir, vor Ort neues Kartenmaterial aufzutreiben. Anlaufstelle und wichtigster Kontakt war der Aero Clube de Moçambique in Ma- puto. Ohne dessen Unterstützung hätte die Reise nicht stattfinden können. Auch die ei- gentliche Flugvorbereitung konnte erst in Maputo stattfinden. Dort erhielten wir alle Informationen über Flugplätze, Landemög- lichkeiten und die Verfügbarkeit von Avgas. Ausgangspunkt der Tour ist aber Brits (FABS) in Südafrika, eine Kleinstadt 70 Ki- lometer nördlich von Johannesburg. Es ist Ende Juli, also Winter in Südafrika. Barbara und Rainer Friböse von Wings’n Tracks er- warten uns bereits. Wie immer ist der Emp- fang herzlich – schon im Jahr 2005 waren wir von hier aus »6000 Kilometer in 6 Ta- gen« durchs südliche Afrika geflogen (siehe fliegermagazin #6.2005). Diesmal sind wir zu neunt, alles UL-Pi- loten aus Baden-Württemberg. Kaum ange- Günter Holl UL-Pilot und Fluglehrer

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Tiefflug ohne Ärger: wenige Meter über dem Strand nördlich von Vilanculos

»Verstelltunser Perfek-tionismus den Blick auf einfa-che Lösungen?Mosambik ist ein Blick über den Tellerrand«

86 www.fliegermagazin.de #6.2011

AfrikAnische entdeckungsreise

MosamBig!Paradiesische Natur, herzliche Menschen, Kolonialgeschichte, Überraschungen am laufenden Band – in Mosambik lauert das Abenteuer überall. Vor allem, wenn man mit fünf ULs neun Tage lang durch das riesige Land fliegt

Reise & eRlebnis

TexT und FoTos Thomas Herden, Günter Holl

V ilanculos liegt hinter uns, der Gorongoza Nationalpark vor uns. Und das Paradies zu un-seren Füßen: Im Tiefflug geht’s über kleine Inseln und Koral-

lenriffe vor der Küste. Das Farbenspiel des Meers variiert nach Tiefe, Temperatur und Bewuchs. Schwärme von Flamingos kreu-zen unsere Route, dutzende Delfine tum-meln sich im klaren Wasser, Fischer sind in ihren Auslegerbooten unterwegs; sie be-nutzen ausgehöhlte Baumstämme und fü-gen sie mit Holzplanken zusammen. Gut möglich, dass diese Konstruktion nicht mal die Ahnung eines Sturms übersteht. Oder verstellt unser Perfektionismus den Blick auf einfache Lösungen? Immer wieder auf unserer Reise machen wir diese Erfahrung: Es gilt, das Wesentliche zu erkennen und Kli-schees zu vergessen. Mosambik ist ein Blick über den Tellerrand.

Die Vorbereitung für die Tour durch das südostafrikanische Land war schwierig. Ob-wohl sich seit 1990, dem Ende des Bürger-kriegs, vieles verändert hat, stammen die Luftfahrtkarten von 1987; aktueller geht’s nicht. Nicht mal 30 der vor dem Krieg exis-tierenden 300 Flugplätze sind noch in Be-trieb, doch unsere Karten führen sie als aktiv. Also beschlossen wir, vor Ort neues Kartenmaterial aufzutreiben.

Anlaufstelle und wichtigster Kontakt war der Aero Clube de Moçambique in Ma-puto. Ohne dessen Unterstützung hätte die Reise nicht stattfinden können. Auch die ei-gentliche Flugvorbereitung konnte erst in Maputo stattfinden. Dort erhielten wir alle Informationen über Flugplätze, Landemög-lichkeiten und die Verfügbarkeit von Avgas.

Ausgangspunkt der Tour ist aber Brits (FABS) in Südafrika, eine Kleinstadt 70 Ki-lometer nördlich von Johannesburg. Es ist Ende Juli, also Winter in Südafrika. Barbara und Rainer Friböse von Wings’n Tracks er-warten uns bereits. Wie immer ist der Emp-fang herzlich – schon im Jahr 2005 waren wir von hier aus »6000 Kilometer in 6 Ta-gen« durchs südliche Afrika geflogen (siehe fliegermagazin #6.2005).

Diesmal sind wir zu neunt, alles UL-Pi-loten aus Baden-Württemberg. Kaum ange-

Günter HollUL-Pilot und Fluglehrer

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daneben die besseren Viertel mit frisch re-novierten Villen im Kolonialstil – Reminis-zenz an längst vergangene Zeiten. Diese Mi-schung prägt das Flair der Stadt.

Weil es in Mosambik selbst an großen Airports keine mete-orologische Beratung gibt, er-fragen wir das Wetter von Pi-

loten, die gerade von dort kommen, wo wir hin wollen. Mit Hilfe eines aus Deutschland

mitgebrachten Moving-Map-GPS aktualisieren wir unsere alten Karten von 1987. Wir zeichnen die Kontrollzonen der internatio-nalen Flughäfen ein, streichen geschlossene Plätze und markie-ren die offenen samt Kennung und Frequenz. Avgas kostet in Maputo 1,60 US-Dollar pro Liter.

kommen, beginnt die Einweisung auf den Flugzeugen. Drei Sambas, eine Lambada und eine VL-3, hier Flamingo genannt, ste-hen uns zur Verfügung. Gewichtsprobleme gibt es nicht: Alle Maschinen sind bis 560 Kilo MTOM zugelassen. Nach zwei intensi-ven Tagen, ausgefüllt mit Checkflügen und Flugvorbereitung, wunderbaren Abenden mit Freunden bei »Windhoek Lager« und riesigen Steaks, rollt unsere Formation end-lich an den Start ins Abenteuer: »Brits Traf-fic, ZU-CUE, ready for departure, runway 20.« Neben mir sitzt mein Fliegerfreund Vincenzo.

Über Kruger Mpumalanga Internatio-nal (FAKN), wo wir die Formalitäten für Zoll und Ausreise erledigen und tanken, flie-gen wir nach Maputo (FQMA). Dort wird uns ein strahlender Empfang zuteil: Man hat die Befeuerung der 3360 Meter langen Bahn eingeschaltet. Für uns Freizeitflieger ein grandioses Schauspiel. Wir werden von Alves Gomes empfangen, dem Präsidenten des Aero Clube de Moçambique. Ohne seine Kenntnis der lokalen Verhältnisse und ohne

Mensch & Maschine

Einsatzbesprechung: Carlos (r.), Chef der Parkverwaltung, bittet die Piloten um Hilfe. Mit ihren Flugzeugen sollen sie nach Wilderern Auschau halten

Von Hand beschriftete Tafeln verraten, an welchen Flughäfen es überhaupt Avgas gibt. Das sind höchstens vier bis fünf im gan-zen Land. Was soll’s – zur Not verkraftet der Rotax auch »Gasolina«, Autobenzin. Doch Tankstellen sind spärlich gesät und haben oft nur Diesel vorrätig.

Von Maputo folgen wir der malerischen Küste des indischen Ozeans in Richtung

Vilanculos (FQVL), oft nur 100 Fuß überm Strand. Das Spiel der Farben im Wasser ist einmalig, satte Blautöne wechseln sich mit Türkis und Hellblau ab. Die Bilder erzeugen Fernweh, obwohl wir schon hier sind. In größeren Abständen überfliegen wir klei-ne Siedlungen, Fischer gehen ihrer Arbeit nach, und Kinder spielen am Strand. Sobald die Menschen unsere Maschinen sehen, lau-

fen sie zusammen. Überall winkt man uns freundlich zu.

Als wir nach der Landung in Vilanculos den Flugplan schließen wollen, ernten wir erstauntes Achselzucken. Aufgeben ja, das sei Pflicht, aber schließen? Wozu auch: In Mosambik gibt es keinen SAR-Service, und im Busch – ohne Telefon- und Funkkon-takt – sucht niemand. Mit dieser Erkenntnis verlassen wir etwas verwirrt den Platz und lassen uns zur Lodge »Outdoor Vilanculos« fahren. Es geht vorbei an Gras-gedeckten Rundhütten, vor denen die Menschen im weichen Licht der Abendsonne sitzen. Auch wir schalten einen Gang runter und genie-ßen die Atmosphäre. Wir sind verzaubert.

die Flugvorbereitung in Vilanculos ist abenteuerlich. Kein Wetter, nur die allgemein gültige Sprechfunk-frequenz 124,1 MHz wird uns mit-

geteilt. Die Piloten einer regionalen Flugli-nie verraten uns das Wetter im Norden. Von ihnen erfahren wir auch, dass ein Lande-platz geschlossen ist, den wir anfliegen woll-

Reise & eRlebnis

seinen Einfluss wäre es unmöglich, privat durch das Land zu fliegen.

Wie das Leben in Maputo pulsiert! Un-glaublich, dass bei diesem Verkehr jemand dort ankommt, wo er hin will, und die Fuß-gänger es überleben, eine Straße zu überque-ren. Das Hotel Africa Prestige, ein verlebter Plattenbau aus den achtziger Jahren, bietet einfachen Standard, ist aber sauber. Viele dieser heruntergekommenen Plattenbau-ten erinnern an sozialistische Zeiten. Dicht

Das Paradies: Je nach Tiefe, Temperatur und Bewuchs leuchtet das Meer Türkis, Dunkel- und Hellblau Mitten im Busch: drei der gecharterten ULs auf der Piste von Chitengo im Gorongoza Nationalpark

Plattenbau: Die sozialistische Vergangenheit hat in Maputo Spuren hinterlassen

Luftunterstützung: Ein großes Buschfeuer wird erkundet. Dabei gelingt es den Piloten, das Camp der Brandstifter aufzuspüren

»Das Farben-spiel ist einma-lig. Die Bilder erzeugen Fern-weh, obwohl wir schon da sind«Thomas HerdenUL-Pilot

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ten. Doch dann dieser Trip entlang der Küste über Korallenriffe und Inselchen, Flamingos und Delfine – übers Paradies.

Im Gorongoza Nationalpark sind unsere ULs die ersten privaten Luftfahrzeuge seit Ende des Bürgerkriegs. Die Piste von Chi-tengo wird vor allem von Maschinen des christlich-humanitären Flugdiensts »Mercy Air« und anderer Hilfs- und Wildlife-Orga-nisationen benutzt. Unerwartet bittet uns Carlos, Veterinärmediziner und Chef der Parkverwaltung, um Luftunterstützung: Wilderer haben ein Buschfeuer gelegt, um die Tiere aus dem Park zu treiben. Wir sol-len ihm dabei helfen, sie aufzuspüren. Und tatsächlich entdecken wir im Tiefflug ein Wilderer-Camp. Per Funk gibt Carlos den Rangern die Koordinaten durch. Umgehend starten sie im Landrover von der Chitengo Lodge aus eine (bewaffnete) Offensive gegen die Wilderer.

(FQLU), auf dem Festland gegenüber der In-sel. Ein Polizist sichert uns die Bewachung der Flugzeuge zu – nicht gegen Diebstahl, sondern um Sachbeschädigung aus Neu-gier zu verhindern. Auf der Pritsche eines Pickups fahren wir über die 3,5 Kilometer lange Brücke hinüber zur Insel. Wir werden im Omohuipiti Hotel untergebracht, dem besten vor Ort.

Während einer Stadtführung erfahren wir, dass 7000 Men-schen auf der Ilha de Mo-çambique leben, und zwar

hauptsächlich von Handel und Fischfang. Bis heute ist eine beeindruckende Zahl ko-lonialer Bauten erhalten, immer noch spürt man den Glanz und Reichtum der Zeit, als die Portugiesen hier das Sagen hatten. Die Menschen sind offen und neugierig. Die Verständigung mit jungen Leuten ist kein Problem – sie lernen Englisch in der Schule.

Vor dem Weiterflug müssen wir tanken, doch nirgendwo gibt es Autobenzin, an Av-gas gar nicht zu denken. Nur Diesel ist er-hältlich. Schließlich wird uns ein Händler auf einem Straßenmarkt in Lumbo empfohlen. Nach Stunden entdecken wir ihn zwischen bunten Ständen, an denen Gewürze und al-les Mögliche angeboten wird. Verschmitzt führt er uns in einen Hinterhof. Er zeigt auf große Plastikkanister, die zwischen Bergen von Mehl- und Zuckersäcken liegen und de-ren Aufdruck Mayonnaise vermuten lässt. Aber nein, es sei »Gasolina«! Der Händler bietet uns eine Geruchs- und Geschmacks-probe an, wir sollen uns überzeugen, dass es sich um Autobenzin handelt. Über die Oktanzahl erfahren wir nichts. Genauso we-

Sprit bekommen wir erst in Marromeu, zwei Flugstunden entfernt. Die Piste liegt mitten im Ort und wird als Hauptstraße be-nutzt! Hunderte von Menschen sind darauf unterwegs. Erst nach einigen tiefen Über-flügen verlassen die Fußgänger widerwillig die Bahn, um den Flugzeugen Platz zu ma-chen. Kaum ausgerollt, umringen uns Dut-zende Kinder. Der Teufel muss einige mei-ner Freunde geritten haben, Bonbons an sie zu verteilen! Jetzt gibt es kein Halten mehr, wir werden überrannt und zu Boden geris-sen und müssen um unsere Leichtflugzeuge fürchten. Erst Elias, der Dorfpfarrer, bringt wieder Ordnung ins Chaos.

Mit Gottes Segen geht es weiter Richtung Ilha de Moçambique. Auf diesem Eiland vor der Küste Mosambiks errichteten die Portu-giesen im 15. Jahrhundert einen ihrer ersten Stützpunkte und bauten ihn zur Hauptstadt von Mosambik aus. Wir landen in Lumbo

Begeisterung und Neugier: In Marromeu sind die Kinder nicht mehr zu halten – Stresstest für die Leichtflugzeuge. Bonbons zu verteilen war keine gute Idee

1 | Sowjet-Frachter: Die UdSSR unterstützte im Bürgerkrieg die »Front zur Befreiung Mosambiks«. 2 | Langsam wächst Gras drüber: Geschütz aus der Zeit des Kriegs, der 1992 endete

nig, ob der Sprit mit Diesel gestreckt wurde – eine übliche Methode hier. Was soll’s, wir haben keine Wahl und müssen weiter. Mit zwölf 20-Liter-Mayonnaise-Kanistern errei-chen wir den Flugplatz. Wie so oft in Afrika vertrauen wir unserer Erfahrung und dem Bauchgefühl.

Eine der schönsten Etappen ist der 140-Meilen-»Katzensprung« nach Pemba

(FQPB), an der Küste entlang. Die Gegend ist dünn besiedelt, ab und zu überfliegen wir ei-ne Siedlung oder ein Fischerdorf. Die weni-gen Menschen, die wir sehen, sind mit dem Einholen von Fischernetzen und Reusen be-schäftigt. Das Meer zeigt sich in den schöns-ten Farben: Korallenriffe und Sandbänke sind im flachen Wasser gut zu erkennen. Etwas weiter vom Ufer entfernt entdecken

wir Delfine. An der Mündung des Rio Lurio, wo sich Süß- und Salzwasser mischen, reicht das Farbspektrum von Hellbraun über Tür-kis bis Hellblau. Den Rotax-Motoren ist zwar ihre Unzufriedenheit über die niedrige Ok-tanzahl des Benzins anzuhören, Probleme bereiten sie aber nicht.

Als wir die 1600-Meter-Asphaltpiste des Flughafens von Pemba im Blick haben, pas-

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Inselfestung: Im 15. Jahrhundert errichteten die Portugiesen auf derIlha de Moçambique ein Fort. Der Stützpunkt wurde zur Hauptstadt

Bunter Vogel: Helikopter von Mercy Air in Marro-meu. Hilfsorganisationen sichern unter anderem die medizinische Ver-sorgung

Ul-Fliegen iM südlichen aFRika

Ausgangspunkt der beschriebenen Tour war Brits im Nordosten Südafrikas. Dort betreiben Barbara und Rainer Friböse

die Firma Wings ’n Tracks. Sie verchartern Ultraleichtflugzeuge und bietet technischen Service an, kümmern sich aber

auch um administrative Belange wie Lizenzanerkennung, Visa, Flugpläne, Übernachtungen auf Fliegertouren und touristi-

sche Angebote: Telefon 0027-(0)82-7 13 10 16, www.wingsntracks.co.za

Für die Anerkennung der deutschen UL-Lizenz (»License Validation«) in Südafrika ist eine theoretische Prüfung in Tech-

nik und Luftrecht erforderlich, außerdem eine praktische inklusive Navigationsflug. Die Validation kostet rund 400 Euro.

Nach der Lizenzanerkennung kann mit einem in Südafrika gecharterten UL nach Mosambik eingeflogen werden.

Präsident des Aero Clube de Moçambique ist Alves Gomes in Maputo. Ohne seine Unterstützung ist es kaum möglich, als

Pilot privat durch Mosambik zu fliegen. E-Mail-Kontakt: [email protected]

Übers Fliegen im südlichen Afrika informiert gern Autor und Fluglehrer Günter Holl, der mit ULs auch schon in Namibia,

Botswana und Simbabwe unterwegs war: Telefon 0171/6 54 37 71, www.easy-bird.de

Ein empfehlenswerter Reiseführer über Mosambik ist »Reisen in Mosambik« von Ilona Hupe und Manfred Vachal

(ISBN 3-932084-29-2)

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siert etwas Unfassbares: Statt einem Airbus die Landenummer eins zuzuweisen, schickt der Controller den A310 in das »holding pat-tern south of the airfield« und bittet unse-re Formation, den Anflug fortzusetzen. Wir trauen unseren Augen nicht: Der Airbus, der uns bereits überholt hat, dreht nach rechts und beginnt zu kreisen, während wir mit 100 Knoten weiter auf die Schwelle zuflie-gen. Erst nachdem wir am Boden sind, er-hält er die Freigabe zur Landung.

d ie nördlichste Insel einer Eiland-kette und zugleich die nördlichste Station unserer Reise ist Ibo. Alves Gomes vom Aeroclub hat sie uns

empfohlen. Und tatsächlich: Auf dem Weg zur Ilha de Ibo wissen wir nicht, wo wir zu-erst hinschauen sollen. Im flachen Wasser sehen wir Fischschwärme; auf einigen der Inseln ist der von Mangrovenwäldern flan-kierte Sandstrand so breit und eben, dass wir darauf landen könnten. Die Verlockung ist groß, doch wir belassen es bei tiefen Über- flügen. Wir entdecken auch verfallene mili-tärische Anlagen, die noch von den Portugie- sen stammen. Und Landebahnen. Beim Über- flug wird uns klar, dass eine Landung lebens-gefährlich wäre – offensichtlich wurden die Pisten im Bürgerkrieg zerstört, damit sie für Militärtransporter unbrauchbar sind.

Bei 25 Knoten Ostwind ist die Landung auf der Ilha de Ibo keine einfache Sache; die

Buschpiste hat zwar 950 Meter Länge, aber die Ausrichtung 18/36. Wir sind die Lan-denummer eins. Drei weitere Maschinen kommen ebenfalls heil runter. Dann passiert es: Die letzte Samba leitet den Slip zu spät aus, berührt beim Aufsetzen mit der linken Fläche die Piste, der Pilot startet durch, zieht zu steil hoch – Strömungsabriss! Bis zum Aufschlag im Buschwerk neben der Bahn vergeht keine Sekunde. Entsetzen. Ich reiße den Erste-Hilfe-Koffer aus der Halterung in unserem Flieger und renne mit allen ande-ren zur Absturzstelle. Auf einmal sind dut-zende von Menschen, vor allem Kinder, aus den umliegenden Siedlungen auf der Piste. Man hat uns kommen sehen und wollte uns empfangen. Alle rufen durcheinander und rennen ebenfalls zur Unfallstelle. Das Buschwerk ist so dicht und dornig, dass wir die Absturzstelle nicht sofort erreichen. Er-leichterung dann, als wir die beiden Piloten auf den Tragflächen stehen sehen. Glück im Unglück: Das dichte Buschwerk hat die Ener-gie des Aufpralls abgefangen, den Beiden ist nichts passiert. Die Samba allerdings hängt sichtlich lädiert im Gestrüpp, Propeller und Cowling sind zerstört, und ein Tragflächen-holm ist gebrochen. Doch die Composite-Bauweise hat Schlimmeres verhindert.

Die Dorfbewohner helfen, das Wrack mit Macheten freizulegen und zu bergen. Später erfahren wir, dass wir eine Ordnungswidrig-keit begangen haben: Das Flugzeug hätte Weitere Fotos online: www.fliegermagazin.de/galerie

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bis zur Begutachtung der örtlichen Polizei an der Unfallstelle verbleiben müssen. Man teilt uns mit, dass dieses »Vergehen« mit einer Geldbuße geahndet werde, bis dahin dürfe der Piloten Mosambik nicht verlas-sen. Immer mehr verdichtet sich das Gefühl, dass der Zwischenfall ein willkommener Anlass ist, um der lokalen Polizei ein lukra-tives Zusatzeinkommen zu verschaffen. Auf der kleinen Insel läuft nun eine bürokrati-

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Hinterhof-Sprit: Ein Händlerin Lumbo befüllt Mayonnaise-Kanister mit »Gasolina«

sche Maschinerie warm, die wir diesem Land nicht zugetraut hätten. Die Gouverneurin nimmt die Organisation in die Hand und in-formiert die lokalen Behörden für Transport und Verkehr über den Vorfall, außerdem die Luftfahrtbehörden von Mosambik und Süd-afrika. Die zerstörte Samba soll in einer Kis-te auf dem Seeweg nach Maputo verfrachtet werden und dann von dort weiter per Lkw nach Brits.

uns wird klar, dass die beiden Abge-stürzten das Land umgehend ver-lassen müssen. Gleich am nächs-ten Tag fliegen wir sie nach Pemba.

Mit etwas Geschick erhalten wir zwei Tickets für die bereits ausgebuchte Linienmaschi-ne nach Maputo. Es ist wie im Krimi, ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Behörden sind informiert und wollen die Abreise unserer Freunde verhindern. Die Polizei trifft am Flughafen von Pemba ein, doch zu spät: In diesem Moment gibt der Linienpilot Gas und startet. Unsere Freunde schildern ihm ihre Situation. Er empfiehlt, in Maputo auf keinen Fall das Vorfeld und die Abstellfläche zu verlassen und nicht in die Wartehalle zu gehen. Während am Flugziel bereits Polizei-beamte in der Empfangshalle und am Ter-minal auf unsere »Buschpiloten« warten, um sie in Gewahrsam zu nehmen, steigen unsere Freunde in die Linienmaschine nach Johannesburg um. Der südafrikanische Pi-lot zeigt Verständnis und und spielt mit: Er gibt den beiden Sitzplätze, die vom Termi-nal nicht einsehbar sind. Nach einer weite-ren Flugstunde landen unsere Freunde in Johannesburg.

Mit den verbleibenden vier ULs fliegen wir über sieben Zwischenstationen zurück nach Brits. Schon in Nampula, dem nächs-ten Stopp nach Pemba, ist der Buschfunk schneller als wir: »Ihr seid doch die Gruppe aus Ibo! Wo sind eigentlich die beiden abge-stürzten Piloten? Sie sollen das Land illegal verlassen haben.« Wir schweigen und tan-ken randvoll; es gibt Avgas.

Dramatisch wird die Reise nochmal zwi-schen Zambesi Delta und Bera, als ein Ge-witter aufzieht. Doch wir können es umflie-gen. In Polokwane (ehemals Pietersburg), der letzten Station vor Brits, gönnen wir uns am elften Tag der Tour eine Safari, auf der wir aus nächster Nähe Löwen sehen. Auch aufregend, aber anders.

Am Brits Airport werden wir bereits von unsere beiden »Buschpiloten« und Barba-ra erwartet. Wir sitzen noch lange mit den Friböses zusammen, reden über unsere Er-lebnisse und sind froh, dass beim Absturz auf Ibo niemand verletzt wurde. Die Reise endet, wie sie begonnen hat: bei Grillfleisch, Wein und Bier.

Auf dem schönsten Abschnitt der Reise: In der Siedlung zwischen Lumbo und Pemba sind die Fischer mit ihren Netzen beschäftigt

1 | Alle helfen: Bergung der abgestürzten Samba neben der Piste von Ibo2 | Auf der Rückreise: In Nampula hat sich der Unfall schon rumgesprochen3 | Autosafari in Polokwane: »Essen auf Rädern« – oder was denkt der Löwe?