MS-Bewährte und neue Therapieoptionen · Behandlungseffekte von Avonex, Betaferon und Rebif 22...
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MS-Bewährte und neueTherapieoptionen
Dr. Thomas KlitschFacharzt für Neurologie und Psychiatrie
Vor dem Peterstor 2
36037 Fulda
Patientenvortrag zum GNO Gesundheitstag22.08.09 Kongresshotel Esperanto
Die erste bekannte MS-Kranke
l mit 16 Jahren:Sturz beim Schlittschuhlauf
l mit 19 Jahren :Beinlähmung, Sehstörungen
l binnen 34 Jahren:zunehmende Verschlechterung
l Tod mit 53 Jahren
Lidwina von Schiedam (1380 -1433)
Merkmale der Multiplen Sklerose
l Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer
l Häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems(ZNS), d.h. von Gehirn und Rückenmark
l Häufig erstes Auftreten in jungen Jahren
l Die MS ist eine Autoimmunerkrankung
Verbreitung der MS
Verlaufsformen der MS
schubförmiger Verlaufmit/ohne Rückbildung
Zeit
sekundär progredienterVerlauf
primär progredienterVerlauf
Was die MS am Nerven verändert
l Gesunder Nerv
Äußere Isolierschicht(Myelinscheide)
Myelinintakt
schnelleÜbertragung
Was die MS am Nerven verändert
l Kranker Nerv
Myelinbeschädigt
langsameÜbertragung
Symptome der MS
l Entzündung des Sehnerven:- häufig erstes Symptom bei jüngeren Patienten
„wie durch einen Schleier sehen“; Doppelbilder
l Empfindungsstörungen:- Kribbeln; „Ameisenlaufen“
l Beweglichkeitseinschränkung:- nachlassende Muskelkraft; Muskelverspannung;
Steifigkeit (Spastizität)
l Störungen der Feinkoordination, der Blasen– oder Darmfunktion
Evozierte Potenziale
Die hochempfindlichen Elektrodenam Kopf des Patienten weisen dieelektrische Aktivität des Gehirnes,besser bekannt als Hirnströme,nach. Diese Untersuchung istharmlos und verursacht keineSchmerzen.
Die Untersuchung der evoziertenPotenziale – auch als VEPs bezeichnet– misst die Zeit, die das Gehirnbenötigt, um von den Sinnesorganenoder der Muskulatur kommendeInformationen aufzunehmen und zuverarbeiten.
MRT–Untersuchung (I)
Die MRT bildet den Wassergehaltverschiedener Körpergewebe ab –erkrankte Gewebe enthalten z. B.oft mehr Wasser als gesundeGewebe und lassen sich dadurchunterscheiden.
Die Magnetresonanztomographie – kurzMRT (bzw. MRI vom engl. MagneticResonance Imaging)– liefert detaillierteBilder, die sogenannten Scans, von derInnenstruktur des Körpers
MRT–Untersuchung (II)
Der in der Abbildung gezeigteMRT-Scan ist ein horizontalerSchnitt durch das Gehirn undzeigt helle, weißliche, kreis-förmige oder ovale Flecken (rotumrandet) von unter-schiedlicher Größe. DieseFlecken, auch Läsionengenannt, treten typischerweisebei Multipler Sklerose (MS)auf.Das die Läsionen umgebendeGewebe erscheint völlig normal.
Behinderungsskala nach Kurtzke(EDSS = Expanded Disability Status Scale)
Der Grad der Behinderung nimmt vonStufe zu Stufe exponentiell zu.Der Grad der Behinderung nimmt vonStufe zu Stufe exponentiell zu.
500 m
200 m
100 m
0. Normaler neurologischer Befund
3. Ohne Hilfe gehfähig, aber mäßiggradige Behinderung in einemder funktionellen Systeme
4. Ohne Hilfe gehfähig über mindestens 500 m, aber schwereBehinderung in einem der funktionellen Systeme
5. Ohne Hilfe gehfähig über mindestens 200 m, aber Behinderungso schwer, daß volle Arbeitsfähigkeit nicht mehr möglich
6. Stock, Krücke oder Schiene benötigt, um 100 m zu gehen
7. Gehfähigkeit höchstens 5 m mit Hilfe, aktiverRollstuhlfahrer, Transfer ohne Hilfe
8. An Rollstuhl gebunden, Transfer nur mitHilfe, Arme funktionell einsetzbar
9. Hilflos, weitgehend bettlägerig,Arme funktionell nicht einsetzbar
10.Tod infolge MS
1. Keine Behinderung, minimale abnorme Untersuchungsbefunde
2. Minimale Behinderung in nur einem der funktionellen Systeme
10987654321
SP
RR
vereinfachte Darstellung
MS - eine Autoimmunerkrankung ?
l Den Angriff körpereigenen Gewebes durch dasImmunsystem nennt man Autoimmunerkrankung
l Bei der MS greift das Immunsystem Nerven an:– mehrere (multiple) Entzündungsherde
mit
– Vernarbung (Sklerose) im Gehirn + Rückenmark
l Durch chronische Schädigung des Nervensystems:> Behinderungszunahme über die Zeit
Kurtzke, J. F. et al., Studies on the natural history of multiple sclerosis - 8. Early prognostic features of the later course of the illness. J.Chron.Dis. 30:819-830,819-830. 1977
Prognostische Faktoren (I)
l Vorhersagbarkeit des MS–Verlaufes ist für den Einzelfall äußerstvage
l „Fünfjahresregel“ nach Kurtzke– Schnelle Zunahme der Behinderung in den ersten fünf Jahren:
Hohe Wahrscheinlichkeit für ausgeprägte Behinderung(EDSS > 6.0) nach 15 Jahren
– Geringe Behinderung (EDSS 0 – 2.0) nach fünf Jahren:2/3 der Patienten sind über 15 Jahre stabil
l Vorliegen zerebellärer und/oder pyramidaler Ausfälle> JA: bei 90% der Pat. Nach 15 Jahren schwere
Behinderung> NEIN: 80% nach 10 Jahren und
55% nach 15 Jahren stabil
Weinshenker, B. G. et al., The natural history of multiple sclerosis: A geographically based study. 2. Predictive value of the early clinical course. 1989.Kesselring, J. Die Prognose der Multiple Sklerose. 1997
Prognostische Faktoren (II)
l Abhängigkeit von der Schubrate– Je geringer die Schubrate, desto später wird EDSS 6.0 erreicht
l Eine günstigere Prognose haben Patienten mit– Alter zu Beginn unter 35 Jahren
– monosymptomatischem Beginn
– raschem Auftreten der Initialsymptome
– prompter Rückbildung der Initialsymptome
– Fehlen von zerebellären Ausfällen zu Beginn der Krankheit
– minimalen pyramidalen und zerebellären Ausfällen in denersten fünf Krankheitsjahren
– Keine myeläre Beteiligung
Therapiemöglichkeiten bei MS
l Therapie im akuten Schub:- Glukokortikoide (Kortison)
l Basistherapie durch Immunmodulation:- z.B. Interferone oder Glatirameracetat
Ü Normalisierung des kranken Immunsystems
Ü Myelinzerstörung wird gehemmt
SchützendeImmunzellen/Botenstoffenehmen zu
AggressiveImmunzellen/Botenstoffenehmen ab
Immunmodulatoren: Synonyme,Dosierung
Interferonbeta–1a s.c.
Interferon beta–1b s.c. Interferonbeta–1a i.m.
Synonyme
Molekül-Struktur
Dosierung
• rekombinantes modifizierteshumanes Interferon beta
• Interferon beta-1bInterferon beta ser 17E. coli Interferon beta
• rekombinantes Interferon• Interferon beta-1a• CHO-Interferon beta
• 165 Aminosäuren• Tertiärstruktur durch Serinin Position 17 stabilisiert
• nicht glykosiliert• kein Methionin an Position 1
• natürliche AS-Sequenz• glykosiliert
• 250 µg subkutanjeden 2. Tag
• 875µg/Woche
• 30 µg i.m.,1x/Woche
• 30 µg/Woche
• 22 bzw. 44 µgsubkutan3x/Woche
• 66 bzw. 132µg/Woche
Glatiramer-azetat
• Glatiramer-azetat
• Copolymer–1• Cop–1
• 20 mg subkutanjeden Tag
• 140 mg/Woche
Substanz
• Polypeptid–Moleküle(AS Ala, Glu, Lys,Tyr) unterschied-licher Länge
1,4
0,45 0,45
1,7
0,5 0,49
1,4
0,5 0,49
1,3
0,57 0,53
0
1
2
AVONEX BETAFERON REBIF 22 REBIF 44
O Baseline* Jahr 1** Jahr 2
Adj
ustie
rter
* mitt
lere
r ED
SS
o * **
adjustiertes a = 0,008
o * ** o * ** o * **
p = 0,005
p = 0,003
n513 2.290 2.290
n328 2.255 2.255
n258 1.237 1.237
n105 449 449
Ergebnisse QUASIMS: SchübeSchubrate pro Jahr (Initialtherapie)
Zusammenfassung
l QUASIMS ist die größte Vergleichsstudie bei MS
l Wenn IFNβ als initiale Behandlung eingesetzt wird, sind dieBehandlungseffekte von Avonex, Betaferon und Rebif 22vergleichbar
l Wenn IFNβ als Folgebehandlung eingesetzt wird,
– sind die beobachteten Behandlungseffekte allgemein nicht so ausgeprägt,verglichen mit initial therapierten Patienten
– geben diese Daten keinen Hinweis darauf dass Patienten vom Wechselvon einem zu einem anderen IFNβ Präparat profitieren könnten
• IFNβ ist gut verträglich
MRT und MS
Typische MS–Herdeim Kernspintomogramm (MRT)
· Chronische Entzündung undVerlust von Hirngewebe führenzu Spätschäden
· Interferone reduzieren im MRTAnzahl + Größe von MS–Herden
Krankheitsaktivität nimmt ab
Entzündung nimmt ab
Mögliche Nebenwirkungen
l Grippeähnliche Symptome mit- Fieber
- Muskel–/Gliederschmerzen
l Hautreaktionen an der Injektionsstelle
l Laborwertveränderungen:- Leberwerte
- Blutbild
Nebenwirkungen treten zu Beginn der Behandlungverstärkt auf und nehmen mit der Zeit ab.
Grippeähnliche Symptome
PlazeboInterferon
Patie
nten
mit
Fieb
er
• durch einschleichende Dosierung• ausreichende Komedikation über 4 Wochen:
(4 h vor) zur Injektion 4 h nachParacetamol 500 mg 500 mg 500 mgoder Ibuprofen 400 mg 400 mg 400 mg
z.B. Fieber kann vermieden werden:
0%
10%
20%
30%
40%
50%
0 12 Monate6 18 24 30
Interferone: Anwendungsgebiete
l für Patienten mit schubförmiger MS:– mit mindestens zwei schweren Schüben
in den letzten zwei Jahren– mit vollständiger oder teilweiser Rückbildung der Symptome– die mindestens 18 Jahre alt und– ohne Hilfe gehfähig sind– Indikation auch in der Frühbehandlung nach erstem Schub
nach mod. McDonald Kriterien
l für Patienten mit sekundär progredienter MS (Interferon beta 1b):– unabhängig vom Behinderungsgrad– unabhängig von Schüben
Immunmodulatoren: Nutzen für denPatienten
l Weniger Schübe
l WenigerKrankenhausaufenthalte
l Weniger Kortison
l Verzögerung desKrankheitsverlaufs
l Langzeitwirkung
"Die Multiple Sklerose ist behandelbar geworden!"
Kein Ansprechen auf Basistherapie
l Empfohlenes Vorgehen:– Wechsel auf andere Basistherapie oder Azathioprin
– In manchen Zentren werden auch Immunglobuline gegeben
l Rapide Verschlechterung:– Therapie mit Natalizumab (Tysabri)
– oder Mitoxantron bei Kontraindikation Cyclophosphamid
Tysabri® (Natalizumab)
l Monoclonale Immunglobuline Natalizumab zugelassenl Anti-VLA-4 (Adhäsionsmolekül auf T-Zellen)l Gabe Infusion 300 mg 1x im Monat
l Zahlreiche alternative Präparate derzeit in Studien, bisheraber noch nicht zugelassen (Alemtuzumab, Rituximab,Daclizumab).
l Indikation für schubförmige E.d. mit hoher Krankheitsaktivität
Leukozytenmigrationvom Blut ins Gewebe
Modulation derLeukozytenapoptose
Leukozytenprimingund -aktivierung
Leukozyt
Zirkulation
ZNS
a4-Integrin
BluthirnschrankeEndothelzellen
a4-Integrin ParenchymzelleApoptose
Extrazellüläre Matrix (ECM)
Wirkmechanismus
1
2
3
Cannella B, et al. Ann Neurol. 1995;37:424-435; TYSABRI® (Natalizumab) Gebrauchsinformation in USA, 2004;Yednock TA, et al. Nature. 1992;356:63-66.
AFFIRM: Anhaltende Behinderungsprogression(24 Wo.)
Zusammenfassung
Orale Therapieansätze bei MS(keine Zulassung bisher!)
l Fingolimod (FTY 720)– Sphingosin 1-Phosphatrezeptor Agonist, Migrationshemmung
l Laquinimod (ABR-215062)– Reduktion der Migration und proinflammatorischer Zytokine
l BG00012– Dimethylfumarat (Psoriasistherapie)
l Treosulfan (Ovastad ®)– Alkylierendes Zytostatikum