Museen der Hofburg Das Papyrus Museum Papyrusmuseum.pdfnicht nur Papyri, sondern auch Geschrie-benes...

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•• Museen der Hofburg Das Papyrus Papyrus Museum Eugenie Altenburg Museum Was wird in zwei- bis dreitau- send Jahren von unseren vielen Druckwerken, Schriften, Büchern, Rechnungen und Ge- dichten noch übrig sein? Solche Gedanken drängen sich auf, wenn man den Weg in ein kleines, verstecktes aber doch einzigartiges Museum - das Papyrus Museum gefunden hat. Quellen: Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek www.onb.ac.at/ sammlungen/papyrus Gespräch mit Frau Direktor Prof. Dr. Cornelia Römer und Begleittexte des Museum D ie Papyrus-Sammlung geht auf Erzherzog Rainer (1827 - 1913) zurück, der 1883 auf Anraten des Professors für orientalische Sprachen [o- sef von Karabacek die ersten 10000 Papyri ankaufen ließ. Die Anregung war von dem in Ägypten tätigen Wiener Antiquitäten- händler Theodor Graf gekommen, denn »Fellachen hatten im Winter des Jahres 1878/79 auf der Suche nach fruchtbarer Erde eine Sanddüne durchwühlt und da- bei den Müllplatz der antiken Stadt Kro- kodilopolis, auch Arsinoe, heute Medinet el Faijum genannt, gefunden. Das Be- schriebene aus dem Müll gelangte auf den Antiquitätenmarkt in Kairo« - und von dort nach Wien. Es wurden arabische, ägyptische und grie- chische Schriften entziffert und schon bald auch gab es die ersten Publikationen und Ausstellungen (1895). Laufend wur- den noch weitere Ankäufe getätigt. 1899 schenkte Erzherzog Rainer die Pa- pyri seinem Onkel Kaiser Franz [oseph, der sie der Hofbibliothek als Sammlung zuwies. Der größte Teil der heute rund 180000 Stück zählenden Sammlung stammt aus den Ankäufen des Erzherzogs. Sie zählt zu den bedeutendsten der Welt und umfasst nicht nur Papyri, sondern auch Geschrie- benes auf Pergament, Ton, Leder, Holz, Gold-, Silber-, Bronzeplättchen. Stein, Knochen, Wachstafeln sowie Textilien und einige Mumienmasken und -portraits. Die Objekte stammen nahezu alle aus Ägypten und entstanden in einem Zeit- raum von ca. 3000 Jahren (15. [h, v. bis 15. Ih. n. Chr.). An Schriften und Spra- chen sind vertreten: Ägyptisch (Hierogly- phisch, Hieratisch, Demotisch), Koptisch, Griechisch, Lateinisch, Hebräisch-aramä- isch, Syrisch, Arabisch, Pehlewi (Mittel- persisch). Das Papyrus Museum wurde im Jahr 1999 gegründet und feiert heuer sein la-jähri- ges Bestehen. Aus der Sammlung werden etwa 200 Objekte als Dauerausstellung ge- 60 zeigt. Sie sind nach Themen geordnet und beleuchten Materialkunde und Konser- vierung, Antike Schule, Antike Literatur, Verwaltung und Wirtschaft, Militär und Polizei, Alltag, Religion, Magie und Medi- zin, Totenkult, Textilien, Buchmalerei und Buchwesen. Zu den Aufgaben des Museumsteams ge- hört die Konservierung und Restaurie- rung der Objekte, sowie die wissenschaft- liche Auswertung und Publikation. In den Publikationsreihen »Corpus Papyrorum Raineri« (CPR) und »Mitteilungen aus der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek« (MPER) werden die Ergebnisse der Forschungen veröffent- licht. Bisher sind etwa 8000 Texte in den verschiedensten Sprachen ediert. Jährlich wird auch eine Sonderausstellung zu Spezialthemen zusammengestellt, die meist aus der aktuellen Bearbeitung ent- steht. Die Kataloge und Begleitbände dazu erscheinen in der Reihe »NILUS - Studien zur Kultur Ägyptens und des Vorderen Orients«. Eine äußerst reichhaltige Fach- bibliothek steht den Interessierten zur Verfügung. Das Museum bietet Kindern die Möglich- keit auf Papyrus zu schreiben und in kin- , dergerechter Form eine Führung durch das Museum zu erleben. Ein ganz besonderes Objekt, das im Mu- seum zu sehen ist, möchte ich heraushe- ben: Es ist die »Partitur- zu einem Chor- lied aus der Tragödie Orestes des Euripides aus dem 2. [h. v.Chr. Es gilt als ältestes Beispiel für die Notenschreibung antiker griechischer Musik. Die Musiknoten sind als Buchstaben über die Textzeile gesetzt und dem Betrachter des unscheinbaren Papyrusfragments wird die Möglich- keit geboten mittels Kopfhörer die Musik nachzuempfinden. Übrigens, das Papyrus Museum finden Sie am Heldenplatz in der Neuen Burg, bei den Lesesälen der Österreichischen Na- tionalbibliothek. KULTURMAGAZIN DER WIENER FREMDENFÜHRER 2009

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Das PapyrusPapyrus Museum

Eugenie Altenburg

MuseumWas wird in zwei- bis dreitau-

send Jahren von unseren vielen

Druckwerken, Schriften,

Büchern, Rechnungen und Ge-

dichten noch übrig sein?

Solche Gedanken drängen sich

auf, wenn man den Weg in ein

kleines, verstecktes aber doch

einzigartiges Museum -

das Papyrus Museum gefunden

hat.

Quellen:

Homepage der ÖsterreichischenNationalbibliothek www.onb.ac.at/sammlungen/papyrus

Gespräch mit Frau Direktor Prof. Dr.Cornelia Römer und Begleittextedes Museum

Die Papyrus-Sammlung geht aufErzherzog Rainer (1827 - 1913)zurück, der 1883 auf Anraten des

Professors für orientalische Sprachen [o-sef von Karabacek die ersten 10000 Papyriankaufen ließ. Die Anregung war von demin Ägypten tätigen Wiener Antiquitäten-händler Theodor Graf gekommen, denn»Fellachen hatten im Winter des Jahres1878/79 auf der Suche nach fruchtbarerErde eine Sanddüne durchwühlt und da-bei den Müllplatz der antiken Stadt Kro-kodilopolis, auch Arsinoe, heute Medinetel Faijum genannt, gefunden. Das Be-schriebene aus dem Müll gelangte auf denAntiquitätenmarkt in Kairo« - und vondort nach Wien.Es wurden arabische, ägyptische und grie-chische Schriften entziffert und schonbald auch gab es die ersten Publikationenund Ausstellungen (1895). Laufend wur-den noch weitere Ankäufe getätigt.1899 schenkte Erzherzog Rainer die Pa-pyri seinem Onkel Kaiser Franz [oseph,der sie der Hofbibliothek als Sammlungzuwies.Der größte Teil der heute rund 180000Stück zählenden Sammlung stammt ausden Ankäufen des Erzherzogs. Sie zählt zuden bedeutendsten der Welt und umfasstnicht nur Papyri, sondern auch Geschrie-benes auf Pergament, Ton, Leder, Holz,Gold-, Silber-, Bronzeplättchen. Stein,Knochen, Wachstafeln sowie Textilien undeinige Mumienmasken und -portraits.Die Objekte stammen nahezu alle ausÄgypten und entstanden in einem Zeit-raum von ca. 3000 Jahren (15. [h, v. bis15. Ih. n. Chr.). An Schriften und Spra-chen sind vertreten: Ägyptisch (Hierogly-phisch, Hieratisch, Demotisch), Koptisch,Griechisch, Lateinisch, Hebräisch-aramä-isch, Syrisch, Arabisch, Pehlewi (Mittel-persisch).

Das Papyrus Museum wurde im Jahr 1999gegründet und feiert heuer sein la-jähri-ges Bestehen. Aus der Sammlung werdenetwa 200 Objekte als Dauerausstellung ge-

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zeigt. Sie sind nach Themen geordnet undbeleuchten Materialkunde und Konser-vierung, Antike Schule, Antike Literatur,Verwaltung und Wirtschaft, Militär undPolizei, Alltag, Religion, Magie und Medi-zin, Totenkult, Textilien, Buchmalerei undBuchwesen.Zu den Aufgaben des Museumsteams ge-hört die Konservierung und Restaurie-rung der Objekte, sowie die wissenschaft-liche Auswertung und Publikation. In denPublikationsreihen »Corpus PapyrorumRaineri« (CPR) und »Mitteilungen aus derPapyrussammlung der ÖsterreichischenNationalbibliothek« (MPER) werden dieErgebnisse der Forschungen veröffent-licht. Bisher sind etwa 8000 Texte in denverschiedensten Sprachen ediert.Jährlich wird auch eine Sonderausstellungzu Spezialthemen zusammengestellt, diemeist aus der aktuellen Bearbeitung ent-steht. Die Kataloge und Begleitbände dazuerscheinen in der Reihe »NILUS - Studienzur Kultur Ägyptens und des VorderenOrients«. Eine äußerst reichhaltige Fach-bibliothek steht den Interessierten zurVerfügung.Das Museum bietet Kindern die Möglich-keit auf Papyrus zu schreiben und in kin- ,dergerechter Form eine Führung durchdas Museum zu erleben.

Ein ganz besonderes Objekt, das im Mu-seum zu sehen ist, möchte ich heraushe-ben: Es ist die »Partitur- zu einem Chor-lied aus der Tragödie Orestes des Euripidesaus dem 2. [h. v.Chr. Es gilt als ältestesBeispiel für die Notenschreibung antikergriechischer Musik. Die Musiknoten sindals Buchstaben über die Textzeile gesetztund dem Betrachter des unscheinbarenPapyrusfragments wird die Möglich-keit geboten mittels Kopfhörer die Musiknachzuempfinden.

Übrigens, das Papyrus Museum finden Sieam Heldenplatz in der Neuen Burg, beiden Lesesälen der Österreichischen Na-tionalbibliothek.

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