Musikalische Impressionen Cuba - mi gran pasión · Weltstars Paquito D’Rivera und Arturo...

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Entweder man liebt sie oder man haßt sie, die größte Insel der Antillen - Kuba, einer der letzten sozialistischen Bastionen unserer Zeit. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick, den ersten Klang, als ich, noch vor dem Fall der Mauer, zum ersten Mal in diesen Schmelztiegel aus Gerüchen, Farben und Rhythmen eintauchte - Havanna, die sündige Göttin der Nacht. Es war wie eine Reise zurück in eine andere Zeit ... die Zeit stand still. Nichts, aber auch rein gar nichts geht in Kuba seinen gewohnten Gang. Hier ticken die Uhren anders. Marode, zerfallene Häu- ser, Ruinen, heruntergekommene Cadillacs, der morbide Charme vergangener Zeiten ist allgegen- wärtig - und dazu Musik, überall Musik; wo man auch hinkommt, schallen einem die afrokubani- schen Rhythmen, auch Claves genannt, entgegen. Mit Kuba verbindet man allgemein die berühmten Havanna-Zigarren, den guten Rum, die populäre Salsa-Musik, die in Kuba und Puerto Rico ihren Ursprung fand, und natürlich die berückenden Schönheiten. Die Sinnlichkeit der Mulattinen, ihre Exotik, dazu ihren umwerfenden Hüftschwung... Kuba hat, wie kaum ein anderes Land in Latein- amerika, am laufenden Band hervorragende Jazz- Musiker von Weltruhm hervorgebracht. Hintergründe Der Latin-Jazz, der die ganze Jazz-Musik beein- flußt, ja, im Grunde revolutioniert hat, ist im we- sentlichen aus den afrokubanischen Rhythmen entstanden. Der Kubaner Mario Bauza gilt als ei- ner der Urväter des Latin-Jazz. Der Cubop - eine Mixtur aus afrokubanischen Rhythmen und Be- bop, gilt als eine frühe Form des Latin-Jazzes und wurde in den vierziger Jahren von Mario Bauza, Chico O’Farrill und dem großen Dizzy Gillespie entwickelt bzw. verbreitet. Gillespie hat sich schon früh von den afrokubanischen Rhythmen inspirie- ren und diese später in seine Musik einfließen las- sen. Immer wieder hat er (auch in dem von ihm gegründeten United Nations Orchestra) mit jun- 90 gen kubanischen Talenten zusammengespielt, die schließlich zu herausragenden Jazzmusikern reif- ten. Einige davon will ich hier vorstellen. Große Musiker und ihre Veröffentlichun- gen Den Anfang möchte ich mit der Band Irakere machen. Es herrschte in den sechziger/siebziger Jahren auf Kuba ein sehr dogmatisches, funda- mentalistisches Denken. Alles, was in irgendeiner Form an den großen, übermächtigen und imperi- alistischen Feind Amerika erinnerte, war verhaßt und verboten, so auch der Jazz, der als imperiali- stische Musik galt. Die kubanischen Jazzmusiker fristeten ein trauriges Dasein, sie durften nur in Tanzorchestern spielen oder in Nationalorche- stern, wo sie Hymnen auf den Sozialismus zum besten geben mußten. Ihre Musik konnten sie we- der richtig spielen noch ausleben. Der Drang, das Land zu verlassen, auf Welttournee zu gehen, sich mit anderen Jazzmusikern auszutauschen und ihre eigene Musik spielen zu können, war immens. Aus diesem Frust, dieser existentiellen Not heraus, hat- te der Pianist Chucho Valdes, Sohn des berühmten Bebo Valdes, die zündende Idee und gründete die Gruppe Irakere - was, aus dem Afrikanischen übersetzt, soviel wie Dschungel bedeutet. Und ge- nau das war es, womit Irakere später so große Er- folge feiern würde, ein Dschungel-Mix aus ver- schiedenen Stilen mit Sänger, Perkussion und tanzbarer Musik sowie Jazzsolos und Improvisa- tionen. Offiziell war Irakere somit eine Salsa-Band die traditionelle Tanzmusik machte. Unter diesem Deckmäntelchen konnten sich die Musiker aber in ihren Solos in jazziger Hinsicht austoben. Genau diese hochexplosive Mischung wurde später das Markenzeichen Irakeres mit dem sie bis heute weltweite Erfolge feierten und feiern. Seit der Gründung dieser Band sollten noch mühsame Jah- re vergehen, bis es endlich hieß: Fasten (Seat Belts), der humoristische Begriff der kubanischen Musiker für eine große internationale Tournee. Musikalische Impressionen Cuba - mi gran pasión

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Entweder man liebt sie oder man haßt sie, diegrößte Insel der Antillen - Kuba, einer der letztensozialistischen Bastionen unserer Zeit. Bei mir wares Liebe auf den ersten Blick, den ersten Klang,als ich, noch vor dem Fall der Mauer, zum erstenMal in diesen Schmelztiegel aus Gerüchen, Farbenund Rhythmen eintauchte - Havanna, die sündigeGöttin der Nacht.Es war wie eine Reise zurück in eine andere Zeit ...die Zeit stand still. Nichts, aber auch rein garnichts geht in Kuba seinen gewohnten Gang. Hierticken die Uhren anders. Marode, zerfallene Häu-ser, Ruinen, heruntergekommene Cadillacs, dermorbide Charme vergangener Zeiten ist allgegen-wärtig - und dazu Musik, überall Musik; wo manauch hinkommt, schallen einem die afrokubani-schen Rhythmen, auch Claves genannt, entgegen.Mit Kuba verbindet man allgemein die berühmtenHavanna-Zigarren, den guten Rum, die populäreSalsa-Musik, die in Kuba und Puerto Rico ihrenUrsprung fand, und natürlich die berückendenSchönheiten. Die Sinnlichkeit der Mulattinen, ihreExotik, dazu ihren umwerfenden Hüftschwung...Kuba hat, wie kaum ein anderes Land in Latein-amerika, am laufenden Band hervorragende Jazz-Musiker von Weltruhm hervorgebracht.

HintergründeDer Latin-Jazz, der die ganze Jazz-Musik beein-flußt, ja, im Grunde revolutioniert hat, ist im we-sentlichen aus den afrokubanischen Rhythmenentstanden. Der Kubaner Mario Bauza gilt als ei-ner der Urväter des Latin-Jazz. Der Cubop - eineMixtur aus afrokubanischen Rhythmen und Be-bop, gilt als eine frühe Form des Latin-Jazzes undwurde in den vierziger Jahren von Mario Bauza,Chico O’Farrill und dem großen Dizzy Gillespieentwickelt bzw. verbreitet. Gillespie hat sich schonfrüh von den afrokubanischen Rhythmen inspirie-ren und diese später in seine Musik einfließen las-sen. Immer wieder hat er (auch in dem von ihmgegründeten United Nations Orchestra) mit jun-

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gen kubanischen Talenten zusammengespielt, dieschließlich zu herausragenden Jazzmusikern reif-ten. Einige davon will ich hier vorstellen.

Große Musiker und ihre Veröffentlichun-genDen Anfang möchte ich mit der Band Irakeremachen. Es herrschte in den sechziger/siebzigerJahren auf Kuba ein sehr dogmatisches, funda-mentalistisches Denken. Alles, was in irgendeinerForm an den großen, übermächtigen und imperi-alistischen Feind Amerika erinnerte, war verhaßtund verboten, so auch der Jazz, der als imperiali-stische Musik galt. Die kubanischen Jazzmusikerfristeten ein trauriges Dasein, sie durften nur inTanzorchestern spielen oder in Nationalorche-stern, wo sie Hymnen auf den Sozialismus zumbesten geben mußten. Ihre Musik konnten sie we-der richtig spielen noch ausleben. Der Drang, dasLand zu verlassen, auf Welttournee zu gehen, sichmit anderen Jazzmusikern auszutauschen und ihreeigene Musik spielen zu können, war immens. Ausdiesem Frust, dieser existentiellen Not heraus, hat-te der Pianist Chucho Valdes, Sohn des berühmtenBebo Valdes, die zündende Idee und gründete dieGruppe Irakere - was, aus dem Afrikanischenübersetzt, soviel wie Dschungel bedeutet. Und ge-nau das war es, womit Irakere später so große Er-folge feiern würde, ein Dschungel-Mix aus ver-schiedenen Stilen mit Sänger, Perkussion undtanzbarer Musik sowie Jazzsolos und Improvisa-tionen. Offiziell war Irakere somit eine Salsa-Banddie traditionelle Tanzmusik machte. Unter diesemDeckmäntelchen konnten sich die Musiker aber inihren Solos in jazziger Hinsicht austoben. Genaudiese hochexplosive Mischung wurde später dasMarkenzeichen Irakeres mit dem sie bis heuteweltweite Erfolge feierten und feiern. Seit derGründung dieser Band sollten noch mühsame Jah-re vergehen, bis es endlich hieß: Fasten (SeatBelts), der humoristische Begriff der kubanischenMusiker für eine große internationale Tournee.

Musikalische Impressionen

Cuba - mi gran pasión

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Als musikalische Anspieltips möchte hier die LPIrakere „Catalina“ (1986, Messidor) sowie die CDs„Homenaje a Beny Moré“ und „Missa Negra“empfehlen (Messidor 1989 & 1987). Auf der CD„Missa Negra“ zollt Chucho Valdez in seiner sehrkomplexen Komposition der afrikanischen Yoru-ba-Religion und ihren Ritualen Tribut.Auf der CD „Homenaje a Beny Moré“ findet manden ersten großen Erfolg „Bacalao con Pan“ so-wie weitere Hits, auf „Catalina“ das unglaublicheStück „Juana 1600“, was mit afrikanischen Trom-meln und Gesang beginnt, sich langsam steigertund dann in aberwitzigen Bläsersätzen in hochex-plosiven Jazz mit phantastischen Soli mündet.Der Formation Irakere gehörten auch die beidenWeltstars Paquito D’Rivera und Arturo Sandovalan, die ich hier vorstellen möchte. Zusammen mitChucho Valdes, dem Bandleader von Irakere, sindsie sozusagen die Drei Musketiere des kubani-schen Jazz’. Beide haben auch sehr viel mit DizzyGillespie zusammengearbeitet; Paquito hat nachdem Tode Gillespies die Leitung des UnitedNations Orchestras übernommen. Er gilt als her-ausragender Saxophonist und Klarinettist und ver-

öffentlichte zahlreiche Aufnahmen. Davon möch-te ich nur zwei empfehlen, bzw. erwähnen. Zumeinen die phantastische CD „Reunion“ (1991,Messidor) und zum anderen Paquito mit demUnited Nations Orchestra, „A Night En Engle-wood“ (Messidor, 1991 & 1994).In „Reunion“ kommt es zum historischen Wieder-sehen, zum Aufeinandertreffen von Paquito undArturo, der zehn Jahre nach Paquito ebenfallsnach Amerika emigrierte. Die wunderschöne undschwermütige Ballade „Claudia“, von Chucho Val-des (wurde von dem kubanischen SchriftstellerGuillermo Cabrera Infante als der schönste Boleroaller Zeiten benannt) geschrieben, charakterisiertsehr gut das musikalische Klima dieser CD unddas erneute Aufeinandertreffen der beiden großenMusiker Kubas. Die ganze CD ist sehr inspirie-rend und zu empfehlen. Auf „A Night En Engle-wood“ möchte ich zwei Stücke herausgreifen, diemir ganz besonders gut gefallen: Zum einen „Al-ma Llanera“ mit dem sagenhaften kubanischenDrummer Horacio El Negro Hernandez und zumanderen „Blues for Astor“ (Piazolla), ein Tango,der in reinrassigen Jazz übergeht und mit zwei un-

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glaublich intensiven Soli von Diego Urcola, Trom-pete und Andrés Boiarsky, Tenorsaxophon (beideaus Argentinien) seinen Höhepunkt findet.Arturo Sandoval gilt in technischer Hinsicht als ei-ner der besten Trompeter der Welt. Er genoß eineklassische Ausbildung und ist in beiden Welten,der Klassik und dem Jazz zuhause. Ich möchtehier zunächst die Live-LP „Arturo Sandoval EnConcierto Vol. I“ (1987, Egrem) vorstellen. Esgibt sie auch als Doppel-CD mit dem Titel „LiveAt The National Hotel Havana“ zu kaufen. Dieswar seine erste eigene Band, nachdem er Irakere1981 verlassen hatte. Zehn Jahre später sollte dannauch er nach Amerika auswandern. Hier spieltSandoval mit kubanischen Musikern zusammen,die leider der breiteren Öffentlichkeit weitgehendunbekannt, aber so hervorragend sind, daß ich siealle namentlich erwähnen möchte. Hilario Duran(Piano), Jorge Reyes (Baß), Jorge Luis Chicoy(Gitarre), Reinaldo Valera (Percusión), und Ber-nado Garcia (Drums). Diese Platte/CD ist einfachein Must Have. Was hier an Spielfreude, Virtuo-sität und Kreativität geboten wird, ist wirklich ein-

malig. „Los Elefantes“ etwa ist ein Stück, das sichzwischen funkigen Grooves und Klassik meister-haft bewegt. Der Standard „My Funny Valentine“ist einer der schönsten Versionen, die ich kenneund Gillespies Klassiker, „A Night in Tunesia“,mit dem anschließenden „Tunesia Blues“ ist fürmich in punkto Spielfreude schlichtweg hinsicht-lich kongenialem Zusammenspiel, Improvisationund Virtuosität unerreicht. Ferner möchte ich dieCD „Flight To Freedom“ (1991, GRP Records)empfehlen, die Sandoval nach seiner Emigrationin die USA aufgenommen hat. Hier kommen ineiner All-Star-Besetzung zahlreiche internationaleJazzgrößen, unter anderem auch Chick Corea,zum Einsatz.Eine weitere CD, die in diesem Kontext nicht feh-len darf, ist das erste Album des United NationOrchestras unter der Leitung von Dizzy Gillespie,„Live At The Royal Festival Hall“ (Enja, 1991).Hier spielen neben Arturo Sandoval und PaquitoD’Rivera auch der kubanische Schlagzeuger Igna-cio Berroa, sowie Flora Purim, Airto Moreira, Sli-de Hampton, James Moody und andere Weltstars

Unglaublich - aber es fährt!

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mit. In „Seresta“ zeigt Paquito in dem wunder-schönen Intro, warum er zurecht als Meister derKlarinette gilt. Das Stück geht mit einem tollenBläserarrangement in einen heißen Samba über.Die Aufnahme endet mit Gillespies Klassiker, „ANight in Tunesia“, auch hier ganz klar eines derHighlights der CD. Diese Version schaffte es (al-ternativ zum bis dahin stilbildenden Vorbild ausden 1940er Jahren), ein für folgende Interpretatio-nen prägendes Arrangement zu präsentieren. AmEnde des Konzertes dankte das Publikum mitzehnminütigen stehenden Ovationen. 1992 ge-wann diese Aufnahme den Grammy für die „BesteDarbietung eines Jazz-Großensembles“.Nun zu einem der ganz Großen des aktuellen Jazz,dem kubanischen Pianisten Gonzalo Rubalcaba,nicht zu verwechseln mit dem 2003 verstorbenenPianisten Rubén Gonzales, der beim Buena VistaSocial Club mitgewirkt hat und ebenfalls eine Le-gende der kubanischen Musik ist. Gonzalo Rubal-caba paßt so gar nicht in das typische Latin-Jazz-Klischee hinein; er ist sehr introvertiert und hateinen ganz eigenen, sehr intellektuellen Stil. Na-türlich merkt man auch ihm zuweilen sein kubani-sches Temperament an, aber eher als Duftnote,denn als immerwährendes Stilmittel. Rubalcabastudierte Perkussion, Klavier und Kompositionam Konservatorium und zählt zu den weltbestenPianisten unserer Zeit. Vor einigen Jahren konnteich Gonzalo Rubalcaba hier in München live erle-ben: mit Jeff Chambers am Baß und Ignacio Ber-roa an den Drums, ein phantastisches Unplugged-Konzert. Es zählt zu den besten Live-Konzerten,

denen ich jemals beiwohnen durfte.In der gleichen Besetzung muß ich ferner unbe-dingt die sehr gute CD „Inner Voyage“ (1999,Blue Note Records) empfehlen, auf der Saxopho-nist Michael Brecker als Gast bei zwei Stückenmitspielt. Eine weitere Empfehlung ist die gewalti-ge Latin-Jazz-Suite „Antiguo“ (1997, EMI), die ermit seiner kubanischen Band nebst Gastmusikerneingespielt hat. Hier vereint er in der Summe alleEinflüsse seines bisherigen Spiels. Auffallend istimmer wieder seine bestechende Technik undaußergewöhnliche Virtuosität, nebst seiner großenMusikalität. Wie selbstverständlich wandelt er zwi-schen den Stilen hin und her, springt vom moder-nen Jazz in die Klassik - oder zu den traditionellenafrokubanischen Rhythmen - als wäre er überallgleichermaßen zuhause. Dies unterstreicht auchzugleich die Komplexität seiner Komposition.

Die neue GenerationKommen wir nun zu den „Jungen Wilden“ desJazz, der neuen Generation kubanischer Jazzmusi-ker. Beginnen möchte ich mit Ramon Valle, einemsehr kreativen Pianisten. Valles Bestreben ist, denkubanischen Jazz weiterzuentwickeln, zu erneuernund stilistisch seinen ganz eigenen Weg zu gehen,fernab von allen typischen Latin-Jazz-Klischees.Und das gelingt ihm ganz hervorragend! Zweiweitere CDs möchte ich hier ganz besonders emp-fehlen: Auf „Danza Negra“ (2002, ACT) spieltValle mit seinem vorzüglichen Quintett aus-Gonzalo Rubalcaba

Ramon Valle

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schließlich Kompositionen von Ernesto Lecuona,einem der wichtigsten Pianisten und Komponistenklassischer Musik in Kuba. Valle macht aus Lecuo-nas Kompositionen eine ganz eigene, sehr kom-plexe Interpretation in dem ihm eigenen zeitge-nössischen Jazzkontext von höchster Intensität.Auf der CD „No Escape“ (2003, ACT) lotet er imklassischen Trioformat aus, was er unter neuemkubanischen Jazz versteht. Unglaublich, was hieran mitreißender Spielfreude, technischem Könnenund kompositorischer Vielschichtigkeit gebotenwird. Man wird von der Musik sofort in den Banngezogen - und wie der Titel treffend beschreibt: esgibt kein Entkommen! Beide CDs wurden in denBauer Studios in Ludwigsburg aufgenommen undsind von hervorragender (dem Hause entspre-chender) Aufnahmequalität, wobei „No Escape“aufnahmetechnisch ein Highlight ist.Ein weiterer sehr smarter Tastenmann ist RobertoFonseca. Auf seiner CD „Zamazu“ (2007, EnjaRecords) nimmt er den Hörer mit auf eine musi-kalische Zeitreise, mit westlichen und orientali-

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schen Akzenten. Ein Strudel voller Nostalgie,Schwermut aber auch Esprit und Enthusiasmus,worin die afro-folkloristischen Wurzeln immerwieder aufblitzen. Eine wirklich gelungene undsehr inspirierende CD in sehr guter Tonqualität.Der Saxophonist Tony Martinez gehört mit seinerjungen und exzellenten All-Star-Band „The CubanPower“ zu den vielversprechendsten Latin-Jazz-Artistas. Was Irakere in den 80er, 90er Jahren war,führt Martinez mit seiner Band in einem moderne-ren, avantgardistischen Kontext fort ... unglaublichkomplexe, rhythmische, explosive Musik! Seinezweite CD „Maferefun“ (1999, Blue Jackel) hathervorragende Kritiken erhalten und wurde zu-dem als bestes Latin-Album 2000 ausgezeichnetsowie für einen Grammy nominiert. Anspieltipnenne ich ganz absichtlich keinen, einfach CD ein-legen, anschnallen und ab geht die Post...Als letztes möchte ich hier den kubanischen Welt-klasse-Drummer Dafnis Prieto nennen und seineCD „Absolute Quintett“ (2006, Zoho Music) vor-stellen. Seine Ankunft in Amerika wurde mit dem

Die Uferpromenade von Malecon

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Einschlag eines Asteroiden verglichen. Sehrschnell wurde Dafnis Prieto mit seinem einzigarti-gen polyrhythmischen, virtuosen, kreativen undvielseitigen Spiel zu einem der begehrtesten Latin-Jazz-Schlagzeuger unserer Zeiten und hat bereitsin seinen jungen Jahren mit zahlreichen renom-mierten Jazzgrößen gespielt. Er gilt als das viel-leicht größte Schlagzeugtalent der letzten Dekadeund ist zugleich ein hervorragender Komponist,der alle seine Stücke selbst komponiert und auchfür andere Musik geschrieben hat. Die CD „Ab-solute Quintett“ wurde 2006 für einen Grammyals bestes Latin-Jazz-Album nominiert. Sie wartetmit einer ungewöhnlichen Besetzung auf: Schlag-zeug, Orgel, Violine, Cello und Saxophon. AlleKompositionen sind von außerordentlich pro-funder, orchestraler, komplexer Struktur. Als An-spieltip möchte ich mein Lieblingsstück „Afrotan-go“ empfehlen, mit einem phantastischen Saxo-phon und Orgelsolo. Die orchestralen Streicher-parts geben dem Stück zudem eine ganz einzigar-tige Struktur.

Natürlich gäbe es noch viel zu schreiben und vieleweitere interessante Musiker zu erwähnen. Ichhoffe aber, daß ich dem interessierten Leser mitdiesem Aufsatz einen kleinen Einblick in die viel-seitige und opulente Musikwelt Kubas gebenkonnte.

THOMAS WEILER

Anmerkung der RedaktionAutor Thomas Weiler entstammt einer musikali-schen Familie. Sein Vater, Klaus Weiler, hat Musik studiert: Geige und Piano, die Mutter klas-sische Gitarre. Der Vater war zudem freierSchriftsteller und veröffentlichte bei Schneekluthunter anderem eine Biographie über Celibidache.Thomas Weiler begann bereits im Alter von siebenJahren Geige zu spielen; mit 14 stieg er auf Schlag-zeug um, mit dem er sich 20 Jahre lang befaßte.Der Autor besuchte zudem die JazzschuleMünchen, wo er Schlagzeug und Piano belegthatte.

InformationHifi & High End Studio WInhaber: Thomas WeilerForstenrieder Allee 91D-81476 MünchenTelefon: +49 (0) 89 74792784Mobil: +49 (0) 179 [email protected]

Zur optimalen Ergänzung hier noch ein -wenn nicht gar DAS! - kubanischeGetränkerezept: