Mustang-Training bei Stallion 51 Flying - fliegermagazin.de · tang bis zum Checkout, Unusal...

3
REPORTAGE 6 www.fliegermagazin.de 1/2009 Flying Dream Mustang-Training bei Stallion 51 Wo kann man sich schon den Traum erfüllen, eine Mustang zu fliegen? P-51 mit Tandem-Cockpit sind rar, und es gibt nur eine Schule, die eine professionelle Einweisung auf dem legendären Jäger anbietet: Stallion 51 in Florida the

Transcript of Mustang-Training bei Stallion 51 Flying - fliegermagazin.de · tang bis zum Checkout, Unusal...

Page 1: Mustang-Training bei Stallion 51 Flying - fliegermagazin.de · tang bis zum Checkout, Unusal Attitude Training (Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen wie REPORTAGE Trudeln und Stalls)

REPORTAGE

6 www.fliegermagazin.de 1/2009

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 15:58 Uhr Seite 6

Flying Dream

Mustang-Training bei Stallion 51

Wo kann man sich schon den Traum erfüllen, eine Mustangzu fliegen? P-51 mit Tandem-Cockpit sind rar, und es gibtnur eine Schule, die eine professionelle Einweisung aufdem legendären Jäger anbietet: Stallion 51 in Florida

the

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 16:02 Uhr Seite 7

Page 2: Mustang-Training bei Stallion 51 Flying - fliegermagazin.de · tang bis zum Checkout, Unusal Attitude Training (Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen wie REPORTAGE Trudeln und Stalls)

Text: Claudia StockFotos: Claudia Stock, John Lauderback

Bail out! Bail out! Bail out! Duck!« –Bloß das nicht! Doch das Ausstiegs-Procedere für einen möglichen Not-fall gehört zum Briefing. Ich kauere auf

dem hinteren Sitz und Lee brüllt mir, über dieoffene Haube gebeugt, die Absprung-Formel inmeine mit Lärmschutz-Stöpseln verpfropftenOhren. Ich muss wohl etwas unglücklich drein-schauen: Lee grinst. »Also noch mal: bail out,bail out, bail out, und bei ›duck‹ ist dein Kopfhier unten auf deinen Knien. Alles klar?« Dumpfklingt seine Anweisung inmeinen Ohren. Ich nicke folg-sam. Wenn die Haube abge-worfen wird, muss ich michducken, damit ich sie nicht an den Kopf kriege. Und an-schließend über die rechteFläche abspringen. Na toll.

Dies ist eine von jenen Geschichten, bei denen dieAngst vor der eigenen Cou-rage mal wieder ein bisschenzu spät kommt. Nun sitze ichbereits im Cockpit, hab denHelm auf, den Rettungsfall-schirm um und bin festge-zurrt und verschnürt wie einLuftfracht-Paket. Adrenalinboxt in meinen Magen. DochJammern nützt jetzt nichtsmehr. Ich könnte es mir au-ßerdem nie verzeihen, wennich wieder aussteigen würde,nur weil ich die Hosen vollhab. Denn gleich wird einervon diesen »Einmal-im-Le-ben«-Träumen in Erfüllunggehen. Ich werde den Vogelfliegen, der vielen Piloten alsder ultimative Warbird gilt,der Inbegriff eines Jägers mit Propellermotor. Für mich»the sexiest aircraft alive«,auch wenn sie nicht mehr dieJüngste ist: die P-51 Mustang.

Lee Lauderback hat inzwi-schen im vorderen CockpitPlatz genommen und liest die Checkliste vor. Laut, da-mit ich mitschneiden kann.»Dann lass uns mal den Mer-lin aufwecken«, sagt er tro-cken, und Sekunden späterdröhnt meine Welt. Wow! Soalso klingt ein 1450 PS starkerV-12, wenn man drinnensitzt. »Are you ready?«, willLee wissen. Mein »affirmati-ve« klingt ein wenig kleinlaut.

Lee rollt los, und kaum sindwir auf dem Taxiway, über-nehme ich. Typisch Spornrad:

Ohne Bremse geht gar nichts. Doch der 4,5 Tonnen schwere Taildragger gehorcht meinem Pedaleinsatz erstaunlich folgsam. Bis die erstescharfe Kurve kommt. Für die Mustang brauchtman lange Beine und große Füße, und ich kannbeides nicht bieten. Statt rechts herum marschiertder Vogel geradeaus in Richtung Wiese. Lee rettet uns vor dem Ausflug ins Grüne. Das fängtja gut an.

Lee Lauderback ist Chef von Stallion 51. DasUnternehmen mit Sitz in Kissimmee, US-Bun-desstaat Florida, bietet Flugtraining auf der Mus-tang bis zum Checkout, Unusal Attitude Training(Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen wie

REPORTAGE

Trudeln und Stalls) und Orientierungsflüge. Aufhohem Niveau: Selbst die Test Pilot School derUS-Navy schickt ihre Eleven zum Fighter-Training nach Kissimmee, damit sie hier mit den Eigenschaften einer Hochleistungs-Einmot Bekanntschaft machen können. Ferner gehörenein Restaurierungs- und Maintenance-Betriebsowie die Group 51, zuständig für Verkäufe undVermittlung von Warbirds, zum Unternehmen.»Mustang spoken here« lautet denn auch derSlogan der Firma, die als die beste Adresse inSachen Mustang gilt.

Zwei der 14 weltweit existierenden zweisitzi-gen Mustang gehören Stallion 51: Crazy Horseund Crazy Horse2. Die TF-51 (TF für TrainerFighter) ist ein Derivat der P-51 D, genau ge-nommen ihre Tandem-Version. Kissimmee ist

8 www.fliegermagazin.de 1/2009

Anschauungs-Unterricht: Lee Lauderback demonstriertden Wingover mit einer Modell-Mustang

Einsteigen oder besser nicht? Entscheidungsfindung beimRundgang um Crazy Horse2

Asymmetrie: Bei genauemHinsehen ist erkennbar, dassdie Seitenleitwerksflosse leicht nach links ausgerichtet ist, um den mächtigen Torque der Mustang auszu-gleichen

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 16:03 Uhr Seite 8

damit einer der wenigen Orte auf dieser Welt, andem man sich den Traum vom Mustang-Fliegenerfüllen kann, selbst wenn man keine Piloten-lizenz besitzt. Einmal an den Controls des le-gendären Jägers sitzen – falls man ein fettes Spar-schwein hat: 3050 US-Dollar kostet das P-51-Vergnügen. Doch dafür gibt’s auch ein umfang-reiches Programm: eine Stunde Preflight-Brie-fing, dann ein ausführlicher Rundgang umsFlugzeug, Cockpit-Einweisung mit besagtenNotverfahren und eine volle Flugstunde, in derder Kunde zu 90 Prozent selbst fliegt – und zwarnicht nur geradeaus.

Das Preflight-Briefing ist eine gründliche undindividuelle Kompakt-Einweisung in die Grund-lagen der Mustang-Fliegerei, bei der Kunden-wünsche berücksichtigt werden. Wer mag, kriegtdie ganze Packung Aerobatics verpasst, wer nurBasis-Manöver probieren möchte, wird ent-sprechend versorgt. Wichtig ist dem Team, dassder Spaßfaktor im Vordergrund steht. Wer soviel Geld bezahlt, soll seinen Flug genießen.»Safety, Fun, Education« lautet denn auch diePrioritätenliste für die Orientierungsflüge (beimCheckout-Training, das mit 3350 Dollar proFlugstunde zu Buche schlägt, ist die Reihenfol-ge Safety, Education, Fun) – die Kunden sollenpures Flugvergnügen bekommen und dabeiauch noch ein bisschen was lernen.

Zum Beispiel, wie man ein propellergetriebe-nes High-Performance-Gerät im Zaum hält.

1/2009 www.fliegermagazin.de 9

Torque und andere Propeller-Effekte der Mus-tang sind so ausgeprägt, dass das Seitenrudernicht nur eine Trimmkante hat, sondern die gan-ze Flosse nach links gerichtet ist (siehe auchKnow-how, Seite 48). »Ohne Seitenruder gehtbei diesem Flugzeug gar nichts«, sagt Lee. UndEric Huppert, einer der drei Piloten, die für Stal-lion 51 arbeiten, ergänzt: »Es gibt eine dunkleEcke in der Mustang. Der Torque ist immens.Nase hoch und Vollgas, und die Maschine kipptdir sofort nach links weg. Das endet schnell malin einem unfreiwilligen Kopfstand oder im Tru-deln. Du musst ganz viel rechtes Seitenruder ge-ben.« Nimmt man die Nase runter, ist entspre-chend linkes Ruder gefragt. »It’s a busy rudderairplane«, grinst Lee, und ich fühle wieder eine Unruhe in der Magengegend. Erinnerungen anmeine Spornrad-Einweisung steigen auf. Ichweiß noch sehr genau, wie oft mir die PA-18trotz intensiver »Paddelarbeit« ausgebüchst ist;und dieser kleine Mistzwerg wiegt nicht mal einFünftel dessen, was die P-51 auf die Waagebringt.

Doch Lee strahlt eine ungeheure Ruhe aus,die Sorte fröhlich-kompetenter Gelassenheit, diemich sofort Vertrauen fassen lässt. Mein Mutsinkt allerdings erneut, als wir mit Hilfe einerkleinen Modell-Mustang Manöver und Kunst-flug-Figuren durchgehen: Wingover, Rolle, Fass-rolle, Overhead Break und – Loop. Au weia. »Ichwerde dich durch die Manöver durchsprechen«,startet er einen Versuch, mich zu beruhigen.»Du fliegst selbst und du wirst feststellen, dassdas alles gar nicht dramatisch ist. Wenn etwasnicht okay ist, greife ich ein. Ich habe nicht vor,dir zu zeigen, was alles mit der P-51 möglich istoder was für ein toller Pilot ich bin.« Ich fühlediese Giftmischung aus ungeheurer Vorfreudeund – sorry – Schiss.

Als ich ins hintere Cockpit der Crazy Horse2

klettere, das mit frischen Ohrstöpseln, einer Flasche Wasser und einem Handtuch (Wofürdas? Die denken doch nicht …?) ausgestattet ist,macht sich Verzagtheit breit. Atmen, Baby, benimm dich nicht wie ein Mädchen.

Lee übernimmt den Start; das ist das Einzige,was der Hintermann im Normalfall nicht selbst

macht. Meine Augen kleben am Fahrtmesser:Rotieren bei 100 Knoten, und die Erde ist unslos. Bereits im Gegenanflug sind wir auf 3000Fuß. Ungläubig blicke ich nach unten. »You have it«, höre ich über Funk. Oh Sh...t! Dannmal los.

Obwohl ich glaube, im Horizontalflug zu sein,steige ich noch immer mit etwa 1000 Fuß. Mirfällt der Tipp von Eric ein, den er dem Kunden

Die dunkle Seite der Mustang-Macht: gewaltige Antriebs-Effekte

Schatzkiste im Hangar: Crazy Horseund Crazy Horse2 sind zusammen übersechs Millionen Dollar wert

Prüfung bestanden: Nach dem Orientie-rungsflug mit dem Ex-Fighter gibt’s einZertifikat

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 16:04 Uhr Seite 9

Page 3: Mustang-Training bei Stallion 51 Flying - fliegermagazin.de · tang bis zum Checkout, Unusal Attitude Training (Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen wie REPORTAGE Trudeln und Stalls)

vor mir gegeben hat: »Wenn du oben nur dieNase herunternimmst, sodass die seitliche Horizontlinie gerade erscheint, steigt sie je nachPowersetting immer noch mit bis zu 1500 Fußpro Minute. Stell dir daher eine imaginäre Bier-dose zwischen Horizont und hinterem unteremHaubenrand vor, dann fliegst du geradeaus. Dassieht aus wie Sinkflug, daran muss man sich erstgewöhnen.«

Stimmt, selbst von hinten sieht es aus, als befänden wir uns im Landeanflug. Der Hori-zont vor mir hängt viel höher, als ich es aus anderen Flugzeugen gewöhnt bin.

Ich beginne mit Kurven nach rechts und links.Die Performance dieses Flugzeugs ist unglaub-lich. Und obwohl mir der Fahrtmesser verrät,dass wir mit 270 Knoten unterwegs sind undfast 90 Grad bank fliegen, ist alles so – sanft.Mein Beruf hat mir ermöglicht, mit einigenKunstflug-Größen mitzufliegen, und ich warstets fasziniert von dem, was mit einem Flug-zeug machbar ist. Doch ich weiß noch genau,dass mir in einer Pittts S2-S oder Christen Eaglealle Manöver hart und irgendwie kantig er-schienen, die Figuren gerissen, die Bewegungenaggressiv. Und nach der Landung war mirschlecht.

Ganz anders in der Mustang. Für den erstenWingover meines Lebens nehme ich die Naseherunter, um Fahrt aufzuholen, ziehe dann den

kehrtherum. Doch es sind weiche Bewegungen;sie erscheinen mir – bei allem »Luftschlacht-Feeling« – anmutig. Ohne Lees Anweisungenhätte ich zwar völlig die Orientierung verlorenund vor Schreck sicher wild am Knüppel geris-

Knüppel beherzt nach hinten, und als wir steil inder Luft zu stehen scheinen, latsche ich anwei-sungsgemäß voll ins linke Seitenruder. Die Weltsteht erst still, dann kopf, und zwischendurchdreht sich die Horizontlinie irgendwie ver-

REPORTAGE

Rassig und wendig: Kunstflug in der P-51 bringt Spaß pur

Alles da: Auch das hintere Cockpit ist voll instrumentiert. Mustang-Fan undfliegermagazin-Autorin Claudia Stock (rechts) hat die Uhren gut im Blick

Vollblut in den besten Jahren: Trotz Baujahr 1944 ist die Mustang so flink wie ein junges Fohlen

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 16:10 Uhr Seite 10

sen. Doch mit diesem beruhigenden »You’redoin’ good« im Kopfhörer fühle ich mich aus-gesprochen sicher.

Dann kommt sie, die erste selbstgeflogeneRolle. Lee spricht mich durch: »Nase runter,noch ein bisschen ... ausleveln und ... jetzt denStick voll nach links!« Weich rollen wir um dieLängsachse, ich spüre keinerlei g-Belastung,nicht mal ein In-den-Gurten-Hängen. »Und dashab ich getan?« frage ich Lee ungläubig, als wirwieder geradeaus fliegen. »Ja, hat’s dir gefallen?«Oh ja. »Darf ich nochmal?« Ich darf, und dies-mal geht’s rechts herum. Dabei ist auf halberStrecke ein wenig rechtes Pedal gefragt, das istder einzige Unterschied.

Mit jeder Figur werde ich mutiger. Keine Spurmehr von weichen Knien, die ich vor gerade mal15 Minuten noch hatte. Fassrolle? Kein Problem.Overhead Break? Cool! Dann ist der Loop dran,und das ist die einzige Figur, bei der ich eine g-Belastung bewusst wahrnehme. Viel zu frühhabe ich den Drang, den Knüppel endlich wieder nach vorn zu lassen. Lee scheint das zuspüren: »Noch nicht ... noch ein bisschen ziehen ... nein, noch immer nicht ... jetzt langsamnachlassen.« Ich schaue nach oben, was jetzt unten ist, und sehe zu, wie sich die Welt langsamwieder in die richtige Position schiebt. Genaudas ist es: Ich habe das Gefühl, dass die Erde sichüberschlägt, nicht wir. Vielleicht, weil ich noch

immer nicht recht glaubenkann, dass ich das allesselbst fliege.

Das ist die Firmenphi-losophie von Stallion 51 –und gleichzeitig das Ge-heimnis gegen Übelkeit:»Lass die Leute selbstdurch die Figuren reiten,dann wird ihnen auchnicht schlecht«, erklärtLee.

Der 58-Jährige sieht sei-ne Lebensaufgabe darin,Mustang zu fliegen unddiesen Spaß mit anderenzu teilen. »Meine Mission:P-51. Ich hab wirklich ei-nen Sauspaß mit diesemFlugzeug und damit, an-dere daran teilhaben zulassen.«

Der Weg dahin war langgenug: Lee, Sohn einesNavy-Fliegers, wollte nichts

sehnlicher als Fighter-Pilot werden. Er scheitertean der Sehkraft. Lauderback wählte den zivilenWeg. Er hält alle Lizenzen bis zum ATPL. Dochdie P-51 ließ ihn nicht los. »15 Jahre lang hab ichnach einer Möglichkeit gesucht, Mustang fliegenzu können.«

Als die Navy die Anfrage für ein Piston-Fighter-Training landesweit ausschrieb, reagier-te Lee sofort. Das war 1987 und die Geburts-stunde von Stallion 51.

Ein weiteres Rufzeichen steht jetzt in meinemFlugbuch: N-351DT. Darunter, unter Muster: P-51. Und in der »Bemerkungen/Remarks«-Spalte würde ich gern eintragen: Ich würde eswieder tun. ■

Schon vorbei? Nach dem wilden Ritt trabt die Mustang wieder zahm in Richtung Hangar. Der 1450 PSstarke Merlin faucht nur noch halb so laut wie im vollen Galopp

006_011_Stallion.QXD:Musterseite 08.12.2008 16:11 Uhr Seite 11