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Systemökologie: Prinzipien und Modellierung A. Fischlin & H. Lischke ETH Zürich, FS 2009 1 Musterlösung Arbeitsblatt 3 - Lärchenwickler Der zugrunde liegende Modellansatz wurde bewusst so einfach wie möglich gewählt. Dadurch kann das Wesentliche, nämlich das Vorgehen, deutlicher in den Vordergrund treten und in seiner Allgemeingültigkeit eher verstanden werden. Fragen und Antworten 1) Fragestellung Sie fragen sich: "Welche Ursachen bestimmen die charakteristische Populations- dynamik des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana GN.)? Inwiefern lässt sich zur Untersuchung dieser Frage ein Räuber-Beute Modell verwenden? Wie lautet das Fazit aus den Untersuchungen für eine allfällige Bekämpfung des Lärchenwicklers?" Beachten Sie die allgemeine Grundsituation (Handouts Fig. I-5) und versetzen Sie sich bitte in die Lage einer Systemanalytikerin bzw. eines Systemanalytikers. Das Populationssystem Lärchenwickler im subalpinen Alpenraum stellt das reale System dar: Wie viele experimentelle Bekämpfungsaktionen gezeigt haben, kann die Frage nach der Bekämpfbarkeit des Lärchenwicklers nur beantwortet werden, wenn die Frage nach den Regulationsmechanismen, d.h. welche ökologischen Regulationsmechanismen die Popu- lationsschwankungen kontrollieren, zuerst beantwortet wird.

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Systemökologie: Prinzipien und Modellierung A. Fischlin & H. Lischke ETH Zürich, FS 2009

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Musterlösung Arbeitsblatt 3 - Lärchenwickler

Der zugrunde liegende Modellansatz wurde bewusst so einfach wie möglich gewählt. Dadurch kann das Wesentliche, nämlich das Vorgehen, deutlicher in den Vordergrund treten und in seiner Allgemeingültigkeit eher verstanden werden.

Fragen und Antworten

1) Fragestellung Sie fragen sich: "Welche Ursachen bestimmen die charakteristische Populations-dynamik des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana GN.)? Inwiefern lässt sich zur Untersuchung dieser Frage ein Räuber-Beute Modell verwenden? Wie lautet das Fazit aus den Untersuchungen für eine allfällige Bekämpfung des Lärchenwicklers?"

Beachten Sie die allgemeine Grundsituation (Handouts Fig. I-5) und versetzen Sie sich bitte in die Lage einer Systemanalytikerin bzw. eines Systemanalytikers. Das Populationssystem Lärchenwickler im subalpinen Alpenraum stellt das reale System dar:

Wie viele experimentelle Bekämpfungsaktionen gezeigt haben, kann die Frage nach der Bekämpfbarkeit des Lärchenwicklers nur beantwortet werden, wenn die Frage nach den Regulationsmechanismen, d.h. welche ökologischen Regulationsmechanismen die Popu-lationsschwankungen kontrollieren, zuerst beantwortet wird.

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2) Überlegen Sie sich die Fragestellung und stellen Sie mögliche Lösungswege zusammen.

Falls wir nun in der Lage wären, ein Modell erfolgreich zur Modellierung und Simulation des realen Lärchenwicklersystems zu verwenden, so könnten wir anhand des Modelles versuchen, erstens die Regulationsmechanismen des Lärchenwicklers zu verstehen und zweitens, eine mögliche Bekämpfungsstrategie zu entwickeln, z.B. eine Methode zu finden, bei der die Raupendichte des Lärchenwicklers unter der Schadenschwelle gehalten werden kann (Zeitpunkt der Anwendung, Intensität der Behandlung etc.). Denkbar wäre beispielsweise eine Förderung der Antagonisten (biologische Schädlings-bekämpfung) kombiniert mit einem derartigen Einsatz eines Insektizides, dass dabei bloss der Lärchenwickler und keine Nützlinge getötet werden (z.B. Nützlinge schonende, mikrobiologische Bekämpfung mittels BT1).

3) Notieren Sie sich die einzelnen Schritte zur Lösung der Fragestellung, indem Sie die Verwendung eines Ihnen bekannten mathematischen Modelles vorsehen (Hinweis: Ver-suchen Sie das klassische Modell von Lotka-Volterra mit zyklischen Populationsbewe-gungen zu verwenden).

Das übliche Schema der Systemanalyse dient uns als Richtlinie zur Planung der Arbeitsschritte:

Problemstellung formulieren: Gesucht ist ein Modell, das die Populationsdynamik des Lärchenwicklers bezüglich der typischen, regelmässigen Fluktuation in einem Gebiet der optimalen Entwicklung (1600 – 2200 m.ü.M.) beschreibt.

Erarbeiten, Erheben und Sichten experimenteller Daten, Fakten und Zusammenhänge: Wurde im Rahmen der Vorlesung gemacht

Entwurf eines verbalen/qualitativen Modells: Das Systemuniversum X besteht aus dem Lärchenwickler lbm und einem abstrakten Antagonistenkomplex a:

X = { lbm, a }

Die Systemstruktur R abgeleitet mittels dem 2-stelligen Prädikat P(x,y) ::= "x beeinflusst die Änderungsgeschwindigkeit von y" ergibt die folgende Strukturmenge R:

R = { (lbm, lbm), (lbm, a), (a, lbm), (a, a) }

Begründung, warum das 2-stelligen Prädikat für jedes geordnete Paar aus der Strukturmenge R wahr wird: Der Lärchenwickler wie auch die Antagonisten vermehren sich nur in Funktion ihrer selbst (einmal ausgerottet, können sie nicht mehr neu entstehen) => (lbm, lbm). Die Vermehrung der Antagonisten ist umso besser, je mehr Lärchenwickler vorhanden sind => (lbm, a). Die negativen Auswirkungen der Antagonisten auf den Lärchenwickler nehmen auch in Funktion der Antagonistenmenge

1 Bacillus thuringiensis (mikrobielle Schädlingsbekämpfung)

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zu => (a, lbm). Das System ist im folgenden Relationengraphen gleichwertig zu R graphisch dargestellt:

lbm a

Abbildung 1: Relationengraph des autonomen „Räuber-Beute“-Systems Lärchenwickler (lbm) – Antagonisten (a). = Systemgrenze.

Das System weist keine Eingänge und Ausgänge auf und ist demnach autonom, also von seiner Umwelt unabhängig. Jegliche Witterungseinflüsse oder menschliche Eingriffe werden vernachlässigt.

Mathematische Modellierung:

Das klassische Lotka-Volterra-Modell für eine Räuber-Beute Beziehung scheint sich anzubieten:

!

˙ x 1 = a*x1 - b*x1*x2 (1)

!

˙ x 2 = b'* x1* x2 - c* x2

y1 = x1 y2 = x2 (2)

wobei x1 Beute da gilt: a, b, b', c > 0 x2 Räuber

Das zeitkontinuierliche Gleichungssystem (1) besteht aus 2 gekoppelten, nichtlinearen Differentialgleichungen (DESS). Es erzeugt periodische Populationszyklen, wie sie beim realen Lärchenwicklersystem beobachtet werden können. Zudem gibt es Evidenz dafür, dass einige der über 100 Antagonistenarten des Lärchenwicklers ebenfalls periodisch schwanken und quantitativ ins Gewicht fallende Mortalität beim Lärchenwickler verursachen können. Daraus können wir folgern:

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Symbol Bedeutung Einheit System-

theoret. Bedeutung

x1 Dichte der Lärchenwicklerraupen #/kg LZ2 ZV3 x2 Dichte der Antagonisten verstanden als Vertre-

ter eines abstrakten Antagonistenkomplexes, der v.a. aus Parasitoiden wie Eulophidae (z.B. Elachertus argissa WALKER, Sympiesis punctifrons THOMPSON, Dicladocerus westwoodi WESTWOOD) und Ichneumonidae (z.B. Phytodietus griseanae KERRICH) besteht

#/kg LZ ZV

a Intrinsische, relative Wachstumsrate des Lärchenwicklers

/a MP4

b Befallsrate kg LZ/#/a MP b' Intrinsische, relative Wachstumsrate der Anta-

gonisten dank Verzehr von Lärchenwickler-raupen. b' ≈ 0.1*b

kg LZ/#/a MP

c Relative Sterberate der Antagonisten /a MP x1(0) Anfangswert der Dichte der Lärchenwickler-

raupen #/kg LZ AW5

x2(0) Anfangswert der Antagonistendichte #/kg LZ AW

Um das Modell jedoch in geplanter Weise einsetzen zu können, ist es erforderlich für alle Grössen spezifische Werte zu finden. Es gilt also, das klassische Lotka-Volterra-Modell möglichst gut an das Lärchenwicklersystem anzupassen. Diese Anpassung erfolgt in den Schritten 5 „Kalibrierung“, 7 „Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und Rahmenbedingungen“ und 10 „Modell- und Parameteridentifikation”. Sollte das gelingen, wäre gemäss unserer Fragestellung als Fernziel noch ein Regler zu entwerfen, um mindestens im Modell die Lärchenwicklerdichten unter der Schadensschwelle von ca. 100 Raupen/kg LZ halten zu können. Dies ist jedoch im Rahmen diese Arbeitsblattes nicht erforderlich, sondern wird in der Vorlesung behandelt.

Kalibrierung: Auf Kalibrierung wird in strengerem Sinne verzichtet, indem angenommen wird, dass x1 genau der Raupendichte des Lärchenwicklers und x2 derjenigen eines Antagonisten entspricht (vgl. Ausgansgleichungen (2)).

4) Untersuchen Sie bitte nun das von Ihnen gewählte Modell gemäss den unter 3) beschriebenen Schritte. (Hinweise: Benutzen Sie als Anfangswert für die Lärchenwicklerpopulation im Jahre 1949 eine Dichte von 0.018 Raupen/kg

2 Lärchenzweige (Frischgewicht der Zweigstichprobe) 3 Zustandsvariable 4 Modellparameter 5 Anfangswert

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Lärchenzweige. Verwenden Sie Easy ModelWorks zur Simulation des Modells. Benutzen Sie folgende Modellparameter: intrinsische Wachstumsrate bzw. Sterberate der Beutepopulation bzw. Räuberpopulation von 1.0/a, Predationsrate 0.5/a/Räuber, und machen Sie schliesslich die Annahme, dass beim Übergang von der einen zur anderen trophischen Stufe etwa 90% der Biomasse verloren gehen). Die Beobach-tungen (1949-1986) haben folgendes Ergebnis ergeben:

Abbildung 2: Beobachtete Raupendichten des Lärchenwicklers Zeiraphera diniana GN. im Oberengadin. Die Dichten sind in Raupen pro kg Lärchenzweige (Frischgewicht) dargestellt.

Simulationsmodell anfertigen (Implementation des mathematischen Modells in Form eines Simulationsmodells): Für unser Modell (1) ist es sinnvoll ein Simulationsmodell zu erstellen, denn das System nichtlinearer, gekoppelter Differentialgleichungen ist analytisch nicht mehr einfach zu lösen. Hierzu soll das Modellierungs - und Simulationswerkzeug «Easy ModelWorks» eingesetzt werden und es geht lediglich noch darum, die Modellgleichungen (1) welche einem DESS6 entsprechen, gemäss der EMSL3 Syntax von «Easy ModelWorks» zu formulieren.

“Easy ModelWorks” bietet schon ein vordefiniertes Lotka-Volterra-Modell an, welches wir auch zur Simulation des Populationswachstums des Lärchenwicklers verwenden können. Dieses Beispielmodelles (‘sample model’) wird durch den Menubefehl Modelling >

Sample Models > Lotka-Volterra geöffnet. In der vordefinierten Form ist es allerdings für den Lärchenwickler nicht verwendbar und es müssen zuerst einige Anpassungen vorgenommen werden: Zuerst wird durch Benutzung des Menübefehls Modelling > Edit model... der Selbsthemmungsterm in der ersten Differentialgleichung, welche die Populations-dynamik des Lärchenwicklers bestimmt, gelöscht (Abbildung 3).

6 Akronym für Differential Equation System Specification

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Abbildung 3: Der Selbsthemmungsterm wird aus der vordefinierten Beutegleichung des Beispielmodelles „Lotka-Volterra“ im Dialogfenster, das durch den Menübefehl Modelling > Edit model... aufgerufen wird, entfernt.

Die Modellgleichungen (1) besitzen statt fünf nur noch vier Parameter. Die Anzahl der Parameter kann durch den Menübefehl Modelling > Change Model type herabgesetzt werden (Abbildung 4).

Abbildung 4: Dialog zum Verändern der Anzahl der Modellparameter, der durch den Menübefehl Modelling > Change Model type aufgerufen werden kann. Für unser Beispiel wird die Anzahl der Modellparameter von 5 auf 4 herabgesetzt.

Um die Populationsdynamik des Lärchenwicklers mit dem Lotka-Volterra-Model überhaupt simulieren zu können, müssen wir zuerst die Modellparameter a, b, b' and c in (1) in einer lärchenwicklerspezifischen Art bestimmen. Die Parameter a, b und c sind im Arbeitsblatt vorgegeben: a ist die intrinsische Wachstumsrate der Beutepopulation = 1.0 pro Jahr, b die Predationrate = 0.5 pro Jahr und pro Antagonistendichte, d.h. pro Antagonist pro kg LZ. und c stellt die Sterberate der Räuberpopulation = 1.0 dar. b' ist die intrinsische, relative Wachstumsrate des Antagonisten bezüglich des Verzehrs der Lärchenwicklerraupen. Es ist anzunehmen, dass 90% der Biomasse während des Übergangs von einer trophischen Stufe in die nächste verloren gehen. Damit ist b' = 0.1 b (10% von b) = 0.05.

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Math. Symbol

Bezeichner im Simulations-model

Wertebereich

Einheit

t t [t0.. t*] a7

!

˙ x 1 x1Dot #/kg LZ/a

!

˙ x 2 X2Dot #/kg LZ/a x1(0) x1.(0) 0.018 #/kg LZ x2(0) x2.(0) 2 #/kg LZ a a 1.0 /a b b 0.5 kg LZ/#/a b' b2 0.5*0.1=

0.05 kg LZ/#/a

c c 1.0 /a

In “Easy ModelWorks” können wir durch den Menübefehl Modeling > Edit Model... nun die Bezeichner (Namen) für die Modellparameter entsprechend abändern und auch den Namen des Simulationsmodelles selbst (Abbildung 5).

Abbildung 5: Durch den Menübefehl Modeling > Edit Model... lassen sich die Bezeichner der Modellparameter und des Modelles abändern. Man beachte, es müssen in den Differentialgleichungen und bei der jeweiligen Wertzuweisung die Bezeichner in exakt übereinstimmender Weise geschrieben werden.

Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und Rahmenbedingungen:

Der Anfangswert der Zustandsvariable x1 ist mit 0.018 Raupen/kg LZ vorgegeben. Wenn wir willkürlich annehmen, dass die anfängliche Wachstumsrate der Lärchenwickler-population 0 ist, so können wir, alle Parameterwerte in der ersten Differentialgleichung

7 a – Jahr (annus)

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(1) eingesetzt, den noch fehlenden Anfangswert der Zustandsvariable x2 folgendermassen bestimmen:

!

˙ x 1(0) = 0 = 1.0*x1(0) – 0.5*x1(0)*x2(0)

0 = 1.0*0.018 – 0.5*0.018*x2(0)

x2(0) = 2

Die Anfangswerte sind nun alle beide bestimmt (s.a. Abbildung 5).

Wir können den Anfangs- und den Endpunkt (1949 und 1986) und die Maximalwerte von x1 und x2 so einsetzen, dass der Verlauf der Kurve klarer ersichtlich wird. Dies wird durch den Menübefehl Simulation > Set time... (Abbildung 6) respektive Simulation > Set

monitoring... (Abbildung 7) erreicht.

Abbildung 6: Dialog zur Veränderung der Start- und Endzeitpunkte der Simulation, der mit dem Menübefehl Simulation > Set time... aufgerufen werden kann.

Abbildung 7: Dialog zur Anpassung der Maximalwerte (max) zur graphischen Darstellung der Zustandsvariablen x1 und x2.

Simulation (Durchführung von Modellexperimenten):

Mit all den oben angebenen Parametern ergibt sich folgendes Simulationsresultat (Abbildung 8):

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Abbildung 8: Erste Simulationsresultate die mit dem Lärchenwicklermodell gemäss den Lotka-Volterra-Modellgleichungen erzielt wurden.

5) Was können Sie von Ihren Untersuchungen lernen? Wo und warum sind besondere Schwierigkeiten aufgetreten? Wie tauglich ist das Modell, um Ihnen bei der Beantwor-tung der eingangs gestellten Frage behilflich zu sein?

Interpretation der Simulationsresultate:

Durch einen Vergleich des Lotka-Volterra-Modells (Abbildung 8) mit den Beobachtungen in der Abbildung 2 ergibt sich, dass die Simulation schlecht mit den Messresultaten übereinstimmt. Beispielsweise ist die simulierte Periodenlänge zu gross (13 statt 8.9 a). Auch die Amplitude ist etwas klein ausgefallen (200 statt 260 Raupen/kg LZ). Mit den gewählten Modellparametern ist das Lokta-Volterra-Modell offensichtlich nicht in der Lage, das reale Lärchenwicklersystem korrekt nachzubilden. Wir können versuchen, die Parameter neu zu wählen, damit das Modellverhalten den periodischen Populationszyklen des Lärchenwicklers besser angepasst ist. Das heisst wir werden im nächsten Schritt eine „manuelle“ Parameteridentifikation versuchen.

Modell- und Parameteridentifikation:

Wenn wir vorläufig das Modell als immer noch brauchbar betrachten, können wir davon ausgehen, dass der Lärchenwickler durch die Antagonisten in Wirklichkeit stärker kontrolliert wird, als dass wir das im Modell angenommen haben (s. Schritt 7 „ Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und Rahmenbedingungen“). Wir können deshalb vermuten, dass wir die Antagonistenwirkung durch Erhöhung der Dichte des Antagonisten steigern sollten. So könnten wir vielleicht ein realistischeres Modellverhalten erzielen. Praktisch erreichen wir das durch Erhöhung des Anfangswertes der Antagonistenpopulation (x2) auf 20 mit dem Menübefehl Modelling > Edit model... (Abbildung 9):

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Abbildung 9: Versuch die Wirkung der Antagonisten durch Erhöhung ihres Anfangswertes x2(0) auf 20 zu steigern (s. Abbildung 10).

Mit diesem Versuch ergeben sich folgende Simulationsresultate (Abbildung 10):

Abbildung 10: Simulationsergebnisse zum Versuch die Wirkung der Antagonisten durch Erhöhung ihres Anfangswertes x2(0) auf 20 zu steigern (s.a. Abbildung 9). Die Periodendauer l der Populationszyklen ist verlängert.

Die Antagonisten und der Lärchenwickler erreichen eine höhere Dichte. Periodische Zyklen treten immer noch auf, doch sind sie nun weniger häufig.

Wir erkennen, dass ein Erhöhen des Anfangswertes der Antagonisten eine Verlängerung der Zyklen bewirkt (mit x2(0) = 20 => l = 20 a; mit x2(0) = 10 => l = 15 a). Der durchschnittliche Populationszyklus des Lärchenwicklers liegt bei 8.9 a, so dass wir versuchen sollten, das Modell doch mit einer niedrigeren Antagonistenpopulation zu betreiben (Abbildung 11 und 12).

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Abbildung 11: Versuch die Periodendauer l durch Erniedrigung des Anfangswertes x2(0) auf 0.01 Antagonisten pro kg Lärchenzweige zu kürzen (s. Abbildung 12).

Abbildung 12: Versuch die Periodendauer l durch Erniedrigung des Anfangswertes x2(0) auf 0.01 Antagonisten pro kg Lärchenzweige zu kürzen (s. Abbildung 11).

Diese Veränderung führt uns noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis, die Periodendauer l der Populationszyklen ist immer noch zu lange. Wir müssen offensichtlich die Modellparameter weiter anpassen. Wir vermuten, dass durch eine Erhöhung von a - der intrinsischen, relativen Wachstumsrate - die Population wohl voraussichtlich ihren maximalen Wert schneller erreichen könnte, wodurch die Populationszyklen u.U. näher beieinander zu liegen kommen könnten. Durch die Erhöhung des Parameters a von 1 auf 3 erhalten wir folgendes Simulationsresultat (Abbildung 13):

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Abbildung 13: Simulationsergebnisse wenn der Modellparameter a von 1 auf 3 pro a erhöht wird. Damit wurde angestrebt, die Periodendauer l zu verkürzen.

Wie Abbildung 13 zeigt, ähnelt das simulierte Modellverhalten nun dem beobachteten weit mehr (Abbildung 2 (reales Lärchenwickler-System)) als dies mit den vorherigen Parameterkonstellationen der Fall war. Nur habe wir etwas zuviel des Guten getan: die einzelnen Zyklen kommen hier leider noch enger beieinander zu liegen, als dies im realen Lärchenwickler-System der Fall ist. Vielleicht könnte man versuchen, c - die relative Sterbrate der Antagonisten – etwas zu verkleinern. Eine Verringerung des Modell-parameters c müsste bedeuten, dass die einzelnen Zyklen länger und damit weniger häufig auftreten. Eine Verkleinerung von c (von 1 auf 0.8) ergibt das unten aufgeführte Resultat (Abbildung 14):

Abbildung 14: Versuch die Periodendauer l zu verlängern (vgl. mit Abbildung 13). Dies wurde durch Erniedrigung des Modellparameters c von 1 auf 0.8 bewerkstelligt.

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Modellvalidierung:

Die Lösung in Abbildung 14, mit einer Periodenlänge der Populationszyklen von ungefähr 9 Jahren, ist mit der realen Populationsbewegung der Lärchenwicklerpopulation (Abbildung 2) beinahe deckungsgleich.

Die hierbei verwendeten Parameterwerte waren:

Math. Symbol

Wertebe-reich

x1(0) 0.018 x2(0) 0.01 a 3.0 b 0.5 b' 0.5*0.1

= 0.05 c 0.8

Es gilt zu beachten, dass die angeführten Simulationsresultate nur exakt reproduziert werden können, wenn die folgenden Parameter für die numerische Integration exakt eingehalten werden: Integrationsverfahren Runge-Kutta 4. Ordnung, Integrationsschritt h = 0.1/a, Beobachtungsintervall (Monitoring Intervall) hm = 0.1/a. Das verwendete Modell ist numerisch sehr heikel. Die Gründe hierfür hängen mit dem Stabilitätsverhalten zusammen (cf. Abbildung 16).

Modellanwendung:

Aus den bisherigen Untersuchungen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

• Es lässt sich eine ziemlich gute Übereinstimmung des Modellverhaltens mit den beobachteten Werten erzielen.

• Falls das verwendete Modell tatsächlich das Verhalten des realen Systems kor-rekt wiederspiegelte, so liesse sich der Lärchenwickler leicht bekämpfen: Ein einmaliger Einsatz von Insektiziden zwecks Reduktion der Lärchenwickler-dichte auf ca. 15 Raupen/kg LZ genügt, wenn dies zu einem Zeitpunkt erfolgt, bei dem die Räuberdichte ca. 6 Räuber/kg LZ beträgt (Abbildung 15). Ab da würde die Schadenschwelle von 100 Raupen/kg LZ nie mehr überschritten.

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Abbildung 15: Populationsdynamik des Lärchenwicklers gemäss dem Räuber-Beutemodell (Parameter s. Tabelle unter Schritt ) nach einer gelungenen Bekämpfungsaktion. Es wurde angenommen, dass die Population des Lärchenwicklers auf ca. 15 Raupen/kg LZ reduziert wurde, als ca. 6 Räuber/kg LZ vorhanden waren.

Es stellt sich nun die Frage, ob das Modell dank seiner guten Übereinstimmung mit den beobachteten Daten für die Anwendung wirklich eingesetzt werden kann. Leider muss dies verneint werden. Dies aus folgenden Gründen:

• Die Übereinstimmung eines Modellverhaltens mit beobachteten oder gemessenen Werten ist zwar eine notwendige Bedingung, ist aber für eine sinnvolle Modellanwendung noch nicht hinreichend.

• Die gefundene Übereinstimmung (Abbildung 14) trifft auch bloss für eine Zustandsvariable, nämlich diejenige des Lärchenwicklers zu, jedoch aber nicht notwendigerweise für diejenige der Antagonisten. Hierzu müssten wir weitere Messresultate zur Verfügung haben. Zieht man die bei, so ergibt sich, dass insgesamt die Übereinstimmung mit den Beobachtungen keineswegs so befriedigend ist, wie der erste Eindruck vermuten lässt.

• Weitere entscheidende Eigenschaften des Modellverhaltens, wie z.B. das Stabilitätsverhalten, stimmen mit dem beobachteten überhaupt nicht überein (Grossversuch Goms mit Insektiziden (AUER, 1974), Abbildung 15).

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Abbildung 15: Phasenporträt des Lotka-Volterra Modelles (Variante Populationszyklen, s. Gleichungen (1)), das zeigt, dass dieses Modell neutral-stabil, statt wie beim Lärchenwickler in der Natur beobachtet, asymptotisch stabil ist.

Aus den hier genannten und einigen weiteren Gründen, die alle in der Vorlesung näher erläutert werden, kommen wir trotz gefundener Übereinstimmung zwischen Modell und Beobachtung (Abbildung 14) zu folgender Schlussfolgerung:

Die Anwendung des Lotka-Volterra-Modelles lässt sich für unsere Fragestellung, insbesondere zwecks Simulation einer Bekämpfung, nicht verantworten.

Zitierte Literatur: Auer, C., 1974. Ein Feldversuch zur gezielten Veränderung zyklischer Insektenpopulationsbewegungen.

Schweiz. Z. Forstwesen, 125: 333-358.