Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera · 2017. 11. 15. · In dieser Sammlung entdeckte Carl...

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Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera Ausgabe 4/2017 Liebe Leserinnen und Leser, die letzte diesjährige Ausgabe unseres Informationsbriefes spannt den chronologischen Bogen vom 18. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit unserer Stadt. Beginnend mit einem Blick in die Liedersammlung der Gräfin Sophia Henriette Dorothea Reuß (1723-1789), über die Erinnerung an den 100. Todestag und das Wirken des Heimatforschers und Museumsleiters Robert Eisel (1826-1917), Facetten der 120jährigen Geschichte des hiesigen Botanischen Gartens sowie den in diesem Jahr erschlossenen Bestand des ehemaligen Arbeitertheaters der SDAG Wismut/Bergbaubetrieb Schmirchau bzw. des späteren Amateurtheaters der Stadt Gera, tangiert diese Ausgabe vielfältige Aspekte der Stadtgeschichte Geras. Bei der Lektüre wünsche ich Ihnen viel Vergnügen! Ihre Christel Gäbler Leiterin des Stadtarchivs Gera Beiträge dieser Ausgabe: „Heyrathen mag ich nicht“ – Ein Scherzlied vor 300 Jahren *** Personen der Stadtgeschichte Teil 3: Robert Eisel Heimatforscher und Museumsleiter

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  • Nachrichten aus dem

    Stadtarchiv Gera

    Ausgabe 4/2017

    Liebe Leserinnen und Leser,

    die letzte diesjährige Ausgabe unseres Informationsbriefes spannt den chronologischen

    Bogen vom 18. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit unserer Stadt. Beginnend

    mit einem Blick in die Liedersammlung der Gräfin Sophia Henriette Dorothea Reuß

    (1723-1789), über die Erinnerung an den 100. Todestag und das Wirken des

    Heimatforschers und Museumsleiters Robert Eisel (1826-1917), Facetten der 120jährigen

    Geschichte des hiesigen Botanischen Gartens sowie den in diesem Jahr erschlossenen

    Bestand des ehemaligen Arbeitertheaters der SDAG Wismut/Bergbaubetrieb Schmirchau

    bzw. des späteren Amateurtheaters der Stadt Gera, tangiert diese Ausgabe vielfältige

    Aspekte der Stadtgeschichte Geras.

    Bei der Lektüre wünsche ich Ihnen viel Vergnügen!

    Ihre Christel Gäbler

    Leiterin des Stadtarchivs Gera

    Beiträge dieser Ausgabe:

    „Heyrathen mag ich nicht“ – Ein Scherzlied vor 300 Jahren

    ***

    Personen der Stadtgeschichte – Teil 3: Robert Eisel – Heimatforscher und

    Museumsleiter

  • ***

    120 Jahre Botanischer Garten am Museum für Naturkunde der Stadt Gera

    ***

    50 Jahre Spielfreude – Der Bestand des „Arbeitertheaters der SDAG Wismut,

    Bergbaubetrieb Schmirchau/Amateurtheater der Stadt Gera e. V. im Stadtarchiv

    Gera

    „Heyrathen mag ich nicht“ – Ein Scherzlied vor 300 Jahren

    Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden handschriftliche Sammlungen von Märchen,

    Sagen, Kinderliedern, Volksliedern, aber auch Sammlungen erotischer Lieder und

    Gedichte. Letztere, teilweise gedruckt vorliegend, sind heute aber relativ unbekannt,

    doch damals waren sie „in aller Munde“. Bekannt ist zum Beispiel die „Crailsheimsche

    Liedersammlung“, ein handschriftliches Liederbuch von Christiane Wilhelmina Carolina

    Louisa, Barone de Crailsheim (1761–1796). (Das Manuskript befindet sich in der

    Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung „Ms. germ. qu. 722“.) Das Liederbuch

    liegt heute in verschiedenen Auszügen gedruckt vor.

    Gräfin Sophie Henriette Dorothea Reuß wurde am 13.06.1723 in Gera geboren. Sie

    heiratete am 21. November 1746 auf Schloss Osterstein in Gera den Graf Friedrich Botho

    zu Stolberg-Roßla (1714 – 1768 in Roßla). Nach dem Tod ihres Ehemanns kehrte sie

    nach Gera zurück. Sie verstarb am 27.08.1789. Mit nach Roßla nahm die Ehefrau ein

    "Lieder-Buch für Sophia Henriette Dorothea Comteße Reuß. Angefangen zu sammeln

    Anno 1741", das nach ihrer Rückkehr nach Gera in der Fürstlich Stolbergischen

    Bibliothek verblieb. (Im Zuge der Bodenreform der ULB Halle zugeschlagen und nach

    1990 restituiert, ist das Manuskript heute leider verschollen.) In dieser Sammlung

    entdeckte Carl Schüddekopf (Goethe-Jahrbuch 1898, S. 296) die Vorlage für einige von

    Goethe notierte Zeilen. Insgesamt meint Schüddekopf, dass die Sammlerin „einen

    eigenartigen Geschmack beweist“, wohl, weil die Sammlung vielleicht auch andere

    erotische Dichtungen enthält.

    Hinweise auf dieses Volkslied finden wir auch an anderen Stellen. So berichtet Max

    Mechow („Der Liedbestand einer Pioniereinheit im 2. Weltkrieg“ Jahrbuch für

    Volksliedforschung 14. Jahrg. 1969, S. 62-84), dass zum bereits im Ersten Weltkrieg

    gesungen Lied „Morgen marschieren wir zu dem Bauern ins Nachtquartier …“ als

    Zusatzstrophe gesungen wurde:

    „Mädchen, ich rate dir, / Heirate keinen Unteroffizier!

    Das Geschrei der Kinder / Im Sommer und im Winter:

    Vater, gib uns Brot, / Vater, schieß uns tot!“

    Das Thema „nicht heiraten wollen“ wird aber auch Frauen in den Mund gelegt, so durch

    Hermann Ewald Schack („Heyrath aus Liebe: Ein Nachspiel mit Arien u. Gesängen“

    Gotha 1781, S. 11):

    „Frey und ledig will ich bleiben, / Selbst mir meine Zeit vertreiben,

    Krieg ich für mein baares Geld / Keinen Mann der mir gefällt. ...“

    Johann Wolfgang Goethe erhielt wohl um 1775/76 Kenntnis von dem Lied und notierte

    sich einige Zeilen („Goethes Werke“ Weimar 1887–1919 (Weimarer Ausgabe =

    „Sophienausgabe“) I. Abt. Band 38 (= Band 43 der Gesamtausgabe) S. 494 „Notizen aus

    der frühen Weimarer Zeit“). Auf diese Zeilen bezieht sich Schüddekopfs Hinweis auf das

    Liederbuch der „Comteße“:

    „Dass ich mich soll schmiegen / Bey der Kinder Wiegen

    Das kräncket mich / Ledig will ich bleiben

  • Meine Zeit vertreiben / Bey [abgebrochen] / Sollt es seyn ein Jammer“

    Hier nun das Gedicht nach Arthur Kopp „Deutsches Volks- und Studentenlied in

    vorklassischer Zeit.“ Berlin 1899, S. 66f., daneben der von Schüddekopf mitgeteilte Text.

    Es fehlt die 4. Strophe, auch sind einige Worte und einige Zeilen verändert, bei mündlich

    überlieferten Texten ist dies keine Seltenheit.

    Crailsheimsche Liedersammlung Liederbuch Sophia Henriette

    Packet euch vom Leibe Packet euch vom Leibe,

    mir mit eurem Weibe, Ihr mit eurem Weibe,

    heyrathen mag ich nicht; Heyrathen mag ich nicht;

    daß ich mich soll schmiegen Daß ich mich soll schmiegen

    bey der Kinder Wiegen, Bey der Kinder Wiegen

    das kränket mich; Das kränket mich.

    denn wer ein Weibgen nimmt, Denn wer ein Weib sich nimmt.

    der bleibt nicht ohne Kind; Der bleibt nicht ohne Kind.

    soll das nicht ein Jammer Solte das ein Jammer

    seyn in meiner Kammer, Seyn in meiner Kammer,

    packet euch geschwind. Packet euch geschwind.

    Ledig will ich bleiben, Ledig' will ich bleiben,

    mir die Zeit vertreiben Mir die Zeit vertreiben

    mit einem solchen Kind, Bey einem solchen Kind,

    daß ich nicht darf wiegen Wo man nicht darf wiegen

    und mich kann vergnügen Und sich kann vergnügen

    nach meinem Sinn; Nach seinem Sinn.

    viel besser ist es doch Viel besser ist es doch

    als in des Ehstands Joch, Als in dem Ehstandsjoch,

    wo man muß im Winter Wo man in dem Winter

    das Geschrey der Kinder Das Geschrey der Kinder

    dazu anhören noch. Darf hören nicht.

    Freylich kann man spielen Freylich thut man spielen

    nach gewünschten Willen, Nach gewünschten Mienen,

    wenn man heyrathen thut; Wenn man heyrathen thut;

    doch in wenig Wochen Wenn das Spiel gebrochen

    ist das Spiel gebrochen, Und die Zeit verflossen

    fällt Herz und Muth; Fällt Herz und Muth.

    da heist es: schafft mit Brod, Da heist's

    mich quält die Hungers Noth, Ach Mann schaff Brod,

    sonst muß ich verderben Mich quält die Hungersnoth,

    und in Elend sterben; Oder ich muß sterben;

    ach wär ich todt! Ach war ich todt

    Soll ich nun das Klagen

    mit Gedult ertragen?

    ach nein das brauch ich nicht,

    daß ich so viel quäle

    meine junge Seele

    und mein Gesicht.

    Ein Weib ist nur ein Plag,

  • die währet Nacht und Tag;

    wer sich will begeben

    in des Ehstands Leben,

    der hat nur Schmach.

    Weg mit diesem Handel! Liebe Jungfer Schwester,

    gebet mir die Kandel, Hat sie Kann und Gläser,

    daß sie ein frisches bringt; Schenk sie nur tapfer ein;

    schickt sie nur in Keller, Geh sie in den Keller,

    weil ihr noch ein Heller Weil noch mag ein Heller

    annoch im Beutel sind. Im Beutel seyn.

    Bey lauter Bier und Wein Beym Bier und guten Wein

    da last uns lustig seyn; Laßt uns tapfer lustig seyn;

    saufen wir in Ehren, Singt und schwärmt in Ehren,

    niemand soll´s uns wehren, Niemand kann's uns wehren.

    Text: Dieter Bauke, Freundeskreis Stadtgeschichte

    Personen der Stadtgeschichte –

    Teil 3: Robert Eisel – Heimatforscher und

    Museumsleiter

    Robert Eisel wurde am 24. November 1826 in Gera geboren. Er war der älteste Sohn des

    Lehrers für Mathematik und Physik am Gymnasium Rutheneum, Prof. Karl Friedrich

    Eisel.

    Robert Eisel, ca. 1910 (Fotograf unbekannt)

  • Nach seiner Schulzeit am Gymnasiums Rutheneum begann Robert Eisel seine

    Ausbildung zum Kaufmann bei der Firma Morand & Co., bei welcher er auf Grund

    seiner Leistungen höhere Positionen einnehmen konnte. Infolge geschäftlicher

    Überlastung (in einem Trinkspruch wurde ihm nachgesagt, dass er für vier Mann

    gearbeitet habe) und den daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden bat er im

    54. Lebensjahr um Entlassung aus seiner Stelle bei Morand & Co. Dank eines

    Ruhegehaltes der Firma konnte sich Robert Eisel ab 1879/80 seiner Leidenschaft

    widmen, der Erforschung seiner Heimat, welche vor allem die Facetten Natur, Bergbau,

    Volks- und Landeskunde umfasste. Die Kenntnis der Heimat und ihre eingehende

    Erforschung waren die Triebfedern seiner Arbeit.

    Am 4. März 1853 war er Mitbegründer des naturwissenschaftlichen Vereins und war

    unermüdlich für dessen Vorwärtskommen tätig. Als dies jedoch nicht gelang, rief er am

    9. März 1858 mit weiteren sieben Naturfreunden zur Gründung der „Gesellschaft von

    Freunden der Naturwissenschaften“ in Gera auf. Die Gründung der Gesellschaft erfolgte

    am 23. März 1858. Robert Eisel galt in den ersten Jahrzehnten als Seele des Vereins.

    Mit unermüdlichem Eifer spürte er dem Innenleben unseres Volkes in seinen Sagen,

    Sitten und Gebräuchen nach. Sein im Jahre 1871 erschienenes „Sagenbuch des

    Voigtlandes“ gilt bis heute als grundlegendes Werk. Seine Sagenforschung brachte ihn

    zur Ur- und Frühgeschichte und auf diesem Gebiet ist er für Ostthüringen Vorreiter

    geworden.

    Auszug aus Robert Eisels „Sagenbuch des Voigtlandes“ mit Randbemerkungen des Autors

    Von 1883 bis zum Jahr 1895 übte Eisel die Tätigkeit des ersten Kurators des Städtischen

    Museums Gera aus. Zu den wichtigsten Grabungen Eisels für das Geraer Museum

    gehören 1883 die bei Nickelsdorf / Crossen, 1885 die „Wüste Scheuer“ bei Döbritz, 1886

    „Clyntloch“ bei Könitz und 1888 bei Tinz.

  • Bis 1895 war Robert Eisel Leiter des Städtischen Museums in Gera, bis er durch einige

    Vorkommnisse erregt, die Leitung niederlegte. Hauptgebiet Eisels blieb beim Sammeln

    und Forschen bis an sein Lebensende die Geologie. Der Zechstein unserer Gegend fand

    in ihm einen erfolgreichen Sammler und Schilderer. Von grundlegender Bedeutung ist

    bis heute seine „Gliederung der Zechsteinformation in der Umgebung von Gera“.

    Er war auch ein berufener Forscher und Historiker auf den Gebieten Bergbau, Orts- und

    Flurnamen und Graptholiten.

    Robert Eisel verstarb am 14. April 1917 in Gera, eine Familie hatte er nicht gegründet.

    Die Fürsorge für seine Geschwister und deren Kinder boten ihm ausreichend Ersatz für

    „eigenes Familienglück“.

    Im Jahr 1926 wurde im Bebauungsgebiet Fuchsberg ihm zu Ehren eine Straße

    „Eiselstraße“ benannt.

    Am 23. September 1935 weihten Heimat- und Naturfreunde an der Kirschhütte auf dem

    alten Gericht zwischen Bahnhof Gessental und Kaimberg einen Gedenkstein zu Ehren

    der Heimatforscher Johann Christian Seydel (geb. 17.09.1817 Gera – gest. 23.09.1885

    Gera) und Robert Eisel ein. Liebschwitzer Heimatfreunde kümmerten sich in den 1990er

    Jahren um den in Vergessenheit geratenen Gedenkstein aus Braunkohlequarzit mit

    Bronzeplatte. Auf Vorschlag des Liebschwitzer Ortschronisten Stefan Bauch organisierte

    der „Verein zur Förderung der BUGA Gera – Ronneburg 2007 e. V.“ die Umsetzung des

    Gedenksteines nach Collis, direkt an den Rad- und Wanderweg im Gessental.

    Teile des Nachlasses von Robert Eisel befinden sich im Stadtarchiv, im Stadtmuseum

    und im Museum für Naturkunde. Leider sind auf Grund der Zerstörung des

    Stadtmuseums im Zweiten Weltkrieg viele wertvolle Aufzeichnungen vernichtet worden.

    Im Archiv des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins in Hohenleuben, dessen

    Förderer und Mitglied Eisel war, befinden sich zahlreiche Berichte und Manuskripte.

    Literatur: Mues, Siegfried: Die Geraer Straßennamen von A – Z.- Gera, 2006 – S. 68f.;

    Siebenundfünfzigster bis siebenundsechzigster Jahresbericht der Gesellschaft von

    Freunden der Naturwissenschaften in Gera 1914 – 1924.- Köstritz, 1924 – S. 9ff.;

    Beiträge zur Geschichte der Stadt Gera.- Gera, [1937] – S. 425ff.; Seydel-Eisel-Stein aus

    Vergessenheit geholt.- In: OTZ vom 02.08.2005; Weihe des Seydel-Eisel-Steins.- In:

    Geraer Zeitung vom 24.09.1935.

    Text: Heidrun Friedemann, Sachbearbeiterin im Stadtarchiv Gera

    120 Jahre Botanischer Garten am Museum für

    Naturkunde der Stadt Gera

    Einführung

    Zu den Botanischen Gärten in Thüringen gehört neben dem bekannten und bedeutenden

    Botanischen Garten an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena eine Anlage in der

    benachbarten Stadt Gera, die in der Fläche klein und daher auf den ersten Blick eher

    bescheiden erscheint.

  • Auf nur 0,7 ha präsentiert der Botanische Garten in Gera einen Ausschnitt aus der

    vielfältigen Pflanzenwelt Ostthüringens. Eine interessante Gartengeschichte, eine

    interessante Pflanzensammlung und vor allem eine sehr lebendige Ausstrahlung heute

    sollen im Folgenden vorgestellt werden.

    Der Botanische Garten am Museum für Naturkunde der Stadt Gera gehört zu den

    bürgerlichen Stiftungsgärten, die im 19. Jahrhundert entstanden sind. Dem

    Stiftungsauftrag gemäß wurde er als Lehrgarten für den schulischen Unterricht angelegt

    und gibt einen Einblick in die Vielfalt der regionalen Ostthüringer Pflanzenwelt. Eine

    Besonderheit ist die Verknüpfung mit dem Museum für Naturkunde und seiner

    Ausstellung zum Landschaftsraum Ostthüringen, dem Ostthüringen-Herbarium und

    seinem breit gefächerten pädagogischen Konzept. Letzteres stößt auf große Resonanz bei

    den Schülern und Bürgern in der Region. Eine besondere Herausforderung für den

    Botanischen Garten war die Bundesgartenschau Gera und Ronneburg 2007. Die

    historische Gartenanlage präsentierte dem Besucher nicht nur die typische regionale

    Ostthüringer Vegetation, sondern vor allem ein äußerst vielfältiges Angebot von

    Naturpädagogik bis hin zu Kultur- und Kunstprojekten.

    Zur Geschichte des Botanischen Gartens in Gera

    Die Gründung des Botanischen Gartens in Gera erfolgte im Jahre 1897. Die Stadt hatte

    sich im 19. Jahrhundert zu einer deutschlandweit sehr erfolgreichen Industriemetropole

    in der Textilbranche entwickelt. Äußerlich zeigte sich dies in einer Konzentration von

    Fabrikgebäuden mit ihren wenig umweltfreundlichen Schloten, allerdings auch einem

    heute noch sichtbaren repräsentativen Villenbestand und Mietshäusern, die sich im

    Elstertal und an den beidseitigen Hängen rasant ausbreiteten. Das wohlhabende

    Bürgertum trat mit Stiftungen für soziale, kulturelle und zu Bildungszwecken an die

    Öffentlichkeit. Eine bedeutende Rolle spielte seit ihrer Gründung die Gesellschaft von

    Freunden der Naturwissenschaften in Gera, ein Verein, der sich der regionalen

    naturkundlichen Bildung, vor allem aber auch der Erforschung des Mittleren

    Elstergebietes um Gera widmete und verdient machte. In dieser geistig regen Zeit machte

    der Geheime Kommerzienrat Walther Ferber (1830-1895), ein bereits in der dritten

    Generation erfolgreicher Textilfabrikant, Sohn des Besitzers einer damals europaweit

    bedeutenden Mineraliensammlung, Dr. Moritz Rudolph Ferber (1805-1875), eine für die

    Stadt bedeutende Stiftung: einen Lehrgarten für den botanischen Unterricht. Mit seinem

    Ableben 1895 stellte er sein Gartengrundstück für die öffentliche Bildung an den Geraer

    Schulen und die Erholung der Bevölkerung zur Verfügung und bestimmte die Gründung

    eines Botanischen Gartens. Die Stadt nahm diese Stiftung an und übertrug 1897 diese

    Aufgabe einer Kommission, der Lehrer, Gärtner und Botaniker angehörten. Der Lehrer

    Robert Leube (1866-1938) entwickelte 1897 ein Gartenkonzept zur Vorstellung der

    Ostthüringer Pflanzenwelt. Stark beeinflusst war er vom Geraer Arzt und Botaniker

    Ferdinand Naumann (1841-1902), der schon damals die Vegetationskunde als eine

    ganzheitliche Lehrmeinung vertrat. So entstand im so genannten Reußischen Botanischen

    Garten ein kleinräumiges Mosaik aus Lebensräumen wie Laubwald, Buschwald,

    Feldrain, Wiese, Bach und Teich mit einer Auswahl der typischen

    Pflanzengesellschaften, wie sie in Ostthüringen anzutreffen sind. Auch nichtbotanische

    Lehrobjekte kamen hinzu. 1898 ließen die Lehrer K. Löscher und G. Bender eine

    geologische Lehrwand errichten, die die Vielfalt der Gesteine im Gebiet um Gera

    vorstellt. 1900 war die Gestaltung des Botanischen Gartens abgeschlossen, über ein

    Jahrzehnt leitete der Lehrer R. Leube die neue Anlage. Die gärtnerische Betreuung wurde

    durch städtisches Personal abgesichert. Für einen kurzen Zeitraum (1909 bis 1913)

    übernahm der Botaniker, Mykologe und hervorragende Kenner der Ostthüringer Flora

  • Gotthold Hahn (1841-1913) die Geschicke des Gartens. Er legte die Schwerpunkte auf

    Artenreichtum und botanische Besonderheiten, wie z. B. die Vielfalt an Wildrosen (Rosa

    spec.). Unter ihm entstand die erste pflanzensystematische Anlage im Garten. Für die

    Allgemeinheit interessante Anlagen zu Nutzpflanzen und ein Alpinum kamen zum

    Ursprungskonzept hinzu. In den folgenden Jahrzehnten standen wieder verstärkt

    schulbiologische Aufgaben im Mittelpunkt. Die Lehrer Gustav Kohs (1914 bis 1942), der

    Schulbuchautor Dr. Erich Stengel (ab 1947) und Heinz Braun (1952 bis 1961) nutzten

    die Anlage vorrangig für einen anschaulichen Unterricht. Besonders unter Braun wurde

    der Garten durch Pilzsammlung, Vogelschutzstation, Terrarium, Wetterstation, zwei

    Unterrichtsplätze, eine Vielzahl von Tafeln und Beschilderungen und sogar eine

    botanische Ausstellung als Lehrgarten aufgewertet. Bis zu 500 Schüler nutzten pro

    Gartensaison die Anlage zum „Lernen im Grünen“.

    Eine ganz neue Perspektive bekam der Botanische Garten durch die 1947 erfolgte

    Zusammenführung mit dem inzwischen eigenständig im Schreiberschen Haus

    untergebrachten Museum für Naturkunde. Auch diese städtische Einrichtung war bereits

    1878 durch die Stiftung der geologischen Sammlung des Schönfärbers Johann Christian

    Seydel (1817-1885) aus Gera als Städtisches Museum entstanden. Mit der Eröffnung

    einer Dauerausstellung zum Landschaftsraum Ostthüringen im Museum für Naturkunde

    war seit 1984 ein tragendes Konzept für eine inhaltliche Symbiose gegeben. Wenn der

    Besucher sich mit den landschaftsökologischen Gegebenheiten, der Geologie, Flora und

    Fauna und aktuellen Naturschutzkonzepten zur Bewahrung dieser Mannigfaltigkeit

    beschäftigt hat, erwartet ihn als „Pendant“ ein Spaziergang durch nachgestaltete

    Landschaftsausschnitte mit mehr als 400 heimischen Pflanzenarten und das auf nur 3/4

    Hektar. Die Lebendpflanzensammlung im Botanischen Garten basiert auf einer

    intensiven botanischen Regionalforschung, die seit 1774 in Gebietsfloren und

    Pflanzenauflistungen niedergelegt ist (Hoppe 1774, Schmidt & Müller 1857, Müller

    1863, Müller, H. 1877 Naumann 1906, Israel, Scheibe & Diebel 1927, Falkenberg &

    Zondorf 1987). Das Ostthüringen-Herbarium aus der Museumssammlung dokumentiert

    seit etwa 1850 dieses Wissen. Auch die öffentliche Nutzung beider Einrichtungen ist

    seitdem vielfältig verknüpft. Dem Stiftungsauftrag gemäß steht die pädagogische Arbeit

    mit Grüner Schule nach wie vor an erster Stelle. Diese Besonderheiten heben den

    Botanischen Garten in Gera heraus aus der Vielfalt kleiner Lehrgärten, nicht nur in

    Ostthüringen. Die Autorin des Übersichtsbandes „Die Botanischen Gärten in

    Deutschland“ Loki Schmidt (1997) widmete dem bürgerlichen Stiftungsgarten in ihrem

    renommierten Buch eine repräsentative Darstellung neben den großen wissenschaftlichen

    Universitätsgärten.

    Gartenporträt Ostthüringen auf nur 3/4 ha Fläche

    1864 als bürgerliche Gartenanlage noch zwischen Wiesen und Feldern vor der alten

    Stadtmauer angelegt, befindet sich der Botanische Garten heute fast im Zentrum der

    Stadt Gera. Unterhalb der Ronneburger Höhe mit dem 1872 gestifteten Ferberturrn

    erstreckt sich die Gartenanlage auf einer mittleren Höhe von 225 m ü. NN. in

    westexponierter Hanglage. Den Untergrund bildet Kalkgestein aus der Mittleren

    Zechsteinformation. Begünstigt ist der Garten durch zwei hier entspringende Quellen, die

    ursprünglich Teile der Altstadt mit Trinkwasser versorgten.

    Das Grundstück umfasst eine Fläche von nur ¾ Hektar und ist von Gründerzeitbebauung

    umgeben.

    Heute noch ist die Grundstruktur der im englischen Landschaftsstil angelegten

    Ferberschen Gartenanlage zu erkennen. Dazu gehören ein alter Baumbestand, das

    gewundene Wegesystem, aber vor allem auch das 1864 erbaute spätklassizistische

  • Gartenhaus mit Turm und eine im historischen Stil sanierte Umfriedung. Auch das

    Gartenhaus konnte durch eine denkmalgerechte Sanierung gerettet werden und

    ermöglicht heute eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit. Der Garten selbst fasst als

    kleinräumiges Mosaik die interessante Pflanzenwelt in der abwechslungsreichen

    Landschaftsstruktur Ostthüringens zusammen. Dieses Gebiet erstreckt sich vom

    Ackerhügelland im Altenburger Lößgebiet und dem Thüringer Becken bis zu den Höhen

    des Thüringischen Schiefergebirges. Mehr als 2000 Farn- und Blütenpflanzenarten

    finden in mehr als 80 nachgewiesenen Biotoptypen ihren Lebensraum. Als alte

    Kulturlandschaft wurde Ostthüringen von der menschlichen Besiedlung geprägt, aber vor

    allem in der Gegenwart stark verändert. Intensive wirtschaftliche Nutzung brachte mehr

    als 30 % der hier vorkommenden Pflanzenarten auf die Rote Liste der gefährdeten Arten.

    Der Botanische Garten in Gera will zum Kennenlernen dieser mannigfaltigen Flora

    beitragen und natürlich gleichzeitig zu ihrer Erhaltung. Aus der gewaltigen Fülle werden

    aktuell knapp 400 Wildarten Ostthüringens mit Informationen zu ihrer Gefährdung

    gezeigt.

    Der Botanische Garten in Gera, undatiert (Fotograf: Bernhard Mann)

    Literatur: Kornelia Meyer: Eine Besonderheit in Ostthüringen: Der Botanische Garten

    am Museum für Naturkunde der Stadt Gera; in: Veröffentlichungen Museum für

    Naturkunde der Stadt Gera 33/34(2006/2007), S. 243-252.

    Text: Kornelia Meyer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum für Naturkunde der

    Stadt Gera

  • 50 Jahre Spielfreude – Der Bestand des

    „Arbeitertheaters der SDAG Wismut, Bergbaubetrieb

    Schmirchau/Amateurtheater der Stadt Gera e. V.“ im

    Stadtarchiv Gera

    „In Staat und Wirtschaft ist die Arbeiterklasse der DDR bereits Herr. Jetzt muß sie auch

    die Höhen der Kultur erstürmen und von ihnen Besitz ergreifen.“

    Als Walter Ulbricht (1893-1973), der Erste Sekretär des Zentralkomitees der

    Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), im Rahmen des V. Parteitages 1958

    diese Zielsetzung für die kulturelle und geistige Weiterentwicklung der Arbeiterklasse

    der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) postulierte, konnte für die von der

    Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG), ab 1954 Sowjetisch-Deutschen

    Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut verwalteten Kultureinrichtungen bereits eine

    Vorreiterrolle in diesem Bereich konstatiert werden. Existierten doch schon im Jahr 1948

    im Wismut-Gebiet 21 Kulturhäuser, 42 Zentralbibliotheken, 188 Nebenbibliotheken und

    17 Laienspielgruppen. Einen regen Zulauf durch die Einwohnerschaft verzeichneten die

    zahlreichen Zirkel, in denen künstlerischen, unterhaltenden und volksbildenden

    Betätigungsfeldern (z. B. Fotografie, Zeichnen, Musik, Nähen, Literatur, Sprachen,

    Sport) nachgegangen werden konnte. Im Zeitraum von nur zwei Jahren vergrößerte sich

    beispielsweise die Anzahl der Laienspielgruppen auf 50, in denen insgesamt circa 400

    Interessierte organisiert waren.

    Die Grundlinien für die Kulturpolitik der DDR wurden in der ersten Bitterfelder

    Konferenz im April 1959 definiert und orientierten auf die Förderung des Laien- und

    Volkskunstschaffens durch den gezielten Abbau der Schranken zwischen Kunst und

    realem Leben weiter Bevölkerungsteile.

    Facetten aus der Geschichte des „Arbeitertheaters der SDAG Wismut“ und seiner

    Überlieferung im Stadtarchiv Gera

    Die Initialzündung für die Bildung des „Arbeitertheaters der SDAG Wismut/BB

    Schmirchau“ stellte ein Wettbewerb zwischen sechs Bergbaurevieren um die beste

    Aufführung seiner jeweiligen Beschäftigten dar. Nachdem die Brigade Heinz Roy (1920-

    1993) als Gesamtsieger aus diesem Wettstreit hervorgegangen war, schöpften einige der

    Beteiligten aus diesem Erfolg die Motivation für eine weiterführende Beschäftigung mit

    dem Theaterspiel und schlossen sich am 14. September 1960 zum „Arbeitertheater

    Schmirchau“ zusammen. Die offizielle Gründungszeremonie fand am 22. Oktober

    desselben Jahres im Bergarbeiter-Kulturhaus „Glück auf“ in Gera statt. Zur

    Professionalisierung der Laienschauspieler(innen) trug in der Folge vor allem die enge

    kollegiale Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern von den Bühnen der Stadt

    Gera bei. Rasch hatten sich die Proben der Teilnehmenden auf einen zweimaligen Turnus

    pro Woche verstetigt, was den Akteurinnen und Akteuren hinsichtlich der Koordinierung

    von Arbeit, Familie und der Betätigung im Arbeitertheater einige Flexibilität und auch

    Entbehrungsbereitschaft abverlangte. Anfängliche Probleme bei der Auswahl geeigneter

    Stücke und die Suche nach engagierten, talentierten Mitstreiter(inne)n konnten durch den

  • Zusammenschluss des Schmirchauer Arbeitertheaters mit dem „Arbeitertheater der IG

    Metall Gera“ am 6. Januar 1970 gelöst werden.

    Eine wesentliche Grundlage für die Erfolgsgeschichte dieses und anderer Arbeitertheater

    stellte die Präsentation geeigneter Stücke dar, schließlich verfolgte die Staatsführung mit

    ihrem Kulturprogramm die Inszenierung der Arbeiterklasse als elementarer Stütze des

    Gemeinwesens – unter anderem wohl auch um auf diese Weise den Arbeitswillen, die

    Leistungsbereitschaft und die Loyalität der Arbeiterschaft nachhaltig zu sichern. Dass

    einige der ausgewählten Theaterstücke Episoden aus dem Lebensalltag der Bergmänner

    und der Arbeiterklasse allgemein thematisierten, war an dieser Stelle nur folgerichtig.

    Und wer hätte sich mit den Interessen und Bedürfnissen der Protagonisten des Arbeiter-

    und-Bauern-Staates besser identifizieren können als der „schreibende Arbeiter“ selbst?

    Als die beiden herausragenden Arbeiterschriftsteller der Wismut, die mit ihren Werken

    zur Stärkung der „sozialistischen Gegenwartsliteratur“ beitrugen, sind Horst Salomon

    (1929-1972) und Martin Viertel (1925-2005) hervorzuheben.

    Programmheft zur Uraufführung des Theaterstückes „Robert Bottenschuh“ von Martin

    Viertel (1974)

    Martin Viertels Leistungen für das hiesige Arbeitertheater konzentrierten sich nicht nur

    auf seine schriftstellerische Tätigkeit, sondern waren insbesondere durch sein

    langjähriges Engagement als Leiter dieses Künstler(innen)kollektivs von wegweisender

    Bedeutung. Viertel selbst verfügte neben seinen schriftstellerischen Fähigkeiten auch

    über die für diesen Zweck idealtypische, beispielhafte Vita. Erblickte er doch als Sohn

    eines Bergmanns in Lugau (Erzgebirge) 1925 das Licht der Welt. Nach einer

    kaufmännischen Lehre und der Teilnahme am Kriegsdienst mit anschließender

    Gefangenschaft arbeitete er selbst ab 1947 im Bergbau als Fördermann, Lehrhauer,

    Hauer und Steiger. Die frühzeitige Mitgliedschaft in Schreibzirkeln führte hierbei zur

  • Entwicklung und Entdeckung seiner literarischen Begabung, die ihn in der Folgezeit eine

    Position als kulturpolitischer Mitarbeiter der Wismut sowie im Vorstand des

    Schriftstellerverbandes der DDR sicherte. Er und Walter Dorn (1924-1974) wurden in

    der Laudatio des Programmheftes zur Uraufführung des Stückes „Robert Bottenschuh“

    als integraler Bestandteil des Arbeitertheaters und damit auch der Arbeiterschaft

    bezeichnet, wenn es darin heißt: „Sie schreiben nicht nur für uns, sie gehören zu uns.

    Lange bevor ihr Stück auf die Bühne geht, diskutieren sie mit uns darüber, stellen sich

    dem Ensemble.“

    Roland Voigt bei der Aufführung von Szenen aus Hans Sachs‘ „Fastnachtspielen“, 1978 (Fotografin:

    Eva-Maria Memmler)

    Mit ihren Stücken, die merklich zur Aufwertung der Bergarbeiterschaft beitrugen,

    verliehen sie auch dem Arbeitertheater ihre eigene charakteristische Handschrift. Im

    Wirkungszeitraum von 1961 bis 1988 konnten 20 Inszenierungen einstudiert werden, die

    insgesamt beinahe 400 Aufführungen erfuhren. Die Zuschauer(innen)zahlen beliefen sich

    bei jedem Stück auf mehrere hundert. Gespielt wurden neben Geschichten aus dem

    Bergarbeitermilieu unter anderem auch Sequenzen aus Hans Sachs‘ „Fastnachtspielen“,

    Heinrichs von Kleists „Der zerbrochene Krug“ (mit beiden Stücken im Rahmen der

    Jugendanrechte am Geraer Theater), Antonin Tschechows „Der Bär“ oder Märchen der

    Gebrüder Grimm.

    Natürlich konnte auch das fünfundzwanzigjährige Bestehen der SED nicht aus der

    Programmfolge ausgeklammert werden. Die fünf Episoden der „Geschichten zum 25.“

    von Walter Dorn erfuhren am 28. März 1971 ihre Premiere. Schon mit dieser

    Inszenierung und vor allem ab 1972 prägte Ursula Sternberg (1918-2012), Dramaturgin

    an den Bühnen der Stadt Gera, das Arbeitertheater, wählte die Stücke aus, führte

    jahrzehntelang Regie und wurde dabei ein vollwertiges Ensemblemitglied.

  • Szene aus Walter Dorns „Geschichten zum 25.“ anlässlich des 25. Gründungsjubiläums der SED, 1971

    (Fotografin: Eva-Maria Memmler)

    Die Palette der Auftrittsorte umfasste neben Gera auch andere Städte der DDR, wie

    beispielsweise Döbeln, Erfurt, Frankfurt an der Oder, Gardelegen, Görlitz, Leipzig,

    Schwedt, Schwerin, Stendal, Weimar. 1978 nahm das „Arbeitertheater der SDAG

    Wismut“ an einem Festival in Ungarn teil. Nach der deutschen Wiedervereinigung

    entstand ein angeregter Austausch mit dem „Theater der Altstadt Nürnberg e. V.“ und

    einigen gegenseitigen Gastspielen der beiden, bereits seit 1988 freundschaftlich

    verbundenen Städte.

    Honoriert wurden der Fleiß und die Mühen der Laienschauspieler(innen) mit zahlreichen

    Kunstpreisen sowie Medaillen im Rahmen der Arbeiterfestspiele, an denen die

    Vertreter(innen) des Arbeitertheaters in den Jahren 1962 bis 1988 elf Mal teilnahmen.

    Die Delegierung zu den Arbeiterfestspielen darf hierbei keinesfalls als eine

    Selbstverständlichkeit verstanden werden, sondern lässt auf die hohe inhaltliche und

    künstlerische Qualität des Amateurtheaterschaffens in der DDR schließen – fanden doch

    vor der Entsendung der jeweiligen Laienspielgruppen zu den Arbeiterfestspielen drei

    Vorausscheide unter kritischer Begutachtung durch eine Fachjury statt.

    Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Arbeitertheater am 14. Januar 1991 in

    das „Amateurtheater der Stadt Gera e. V.“ umgewandelt, dessen Darsteller(innen) von

    1992 bis 2005 wieder verschiedene alte und neue Stücke zur Aufführung brachten.

  • Nachstellung des Triptychons „Großstadt“ von Otto Dix durch Künstler(innen) des Amateurtheaters

    Gera im Zuge des Thüringentags in Gera, 30.09.2001 (Fotografin: Eva-Maria Memmler)

    Resümee

    Die am 1. Dezember 2016 von Gerlinde und Roland Voigt im Auftrag des

    „Amateurtheaters Gera e. V.“ übergebenen Unterlagen der oben thematisierten

    Künstler(innen)vereinigung wurden nach archivtechnischer Bearbeitung unter der

    Bestandsbezeichnung „III A 63 Arbeitertheater der SDAG Wismut, Bergbaubetrieb (BB)

    Schmirchau /Amateurtheater der Stadt Gera e. V.“ im Stadtarchiv Gera erschlossen. Der

    zeitliche Rahmen des Bestandes erstreckt sich von 1960 bis zum Jahr 2010 und

    dokumentiert nicht nur Aspekte eines halben Jahrhunderts Laienspielkunst, sondern

    schließt gleichsam eine Lücke in der historischen Überlieferung der Geraer

    Theaterlandschaft. Das vielfältige Spektrum der Aktivitäten und Initiativen der

    Beteiligten wird dabei neben den übergebenen Schriftzeugnissen, wie Chroniken,

    Drehbüchern, Rollenbüchern, Programmheften, Arbeitsprogrammen, Mitgliederlisten,

    verliehenen Urkunden, Zeitungsbeiträgen und Rechenschaftsberichten, auch durch

    Amateur-Videoaufnahmen, Tonmitschnitte und weit über 1000 Fotos illustriert. Dem

    Betrachter dieses Archivbestandes wird dabei deutlich, was Gerlinde und Roland Voigt

    stellvertretend für die Mitglieder ihres Arbeiter- bzw. Amateurtheaters betonen: „Die

    wichtigste Motivation aller Beteiligten war dabei zu allen Zeiten stets die Freude am

    Theaterspielen.“

    Archivalien

    Stadtarchiv Gera, III A 63 Arbeitertheater der SDAG Wismut, Bergbaubetrieb (BB)

    Schmirchau /Amateurtheater der Stadt Gera e. V.

    Literatur

    Juliane Schütterle: Kumpel, Kader und Genossen. Arbeiten und Leben im Uranbergbau

    der DDR. Die Wismut AG, Paderborn 2010.

    Text: Christel Gäbler, Leiterin des Stadtarchivs Gera

  • Impressum

    Stadtarchiv Gera

    Adresse: Gagarinstraße 99/101 | 07545 Gera

    Tel. 0365/838-2140 bis 2143 | E-Mail: [email protected]

    Öffnungszeiten: Montag, Dienstag und Donnerstag: 9.00 - 17.00 Uhr | Freitag: 9.00 –

    15.00 Uhr

    Das Stadtarchiv Gera auf der Homepage der Stadt Gera

    Recherchieren in den Beständen des Stadtarchivs Gera

    Archivleiterin: Christel Gäbler, M. A.

    Texte: Dieter Bauke (Freundeskreis Stadtgeschichte), Heidrun Friedemann

    (Sachbearbeiterin Stadtarchiv), Kornelia Meyer (Wissenschaftliche Mitarbeiterin des

    Museums für Naturkunde der Stadt Gera), Christel Gäbler, M. A. (Archivleiterin)

    Redaktionell verantwortlich: Christel Gäbler, M. A. und Dr. Frank Rühling

    Redaktionsschluss: 15. November 2017

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